1912 / 50 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Feb 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Der Regierungsrat Wolf in Gumbinnen ist zum Vor⸗ 8 Schiedsgerichts für Arbeiterversicherung Regie⸗ rungsbezirk, Gumbinnen ernannt und der Regierungsrat Wilke daselbst von diesem Amte entbunden worden.

Der Regierungsrat von Bötticher in Magdeburg ist um Vorsitzenden des Schiedsgerichts für Arbeiterversicherung Regierungsbezirk Magdeburg und des Schiedsgerichts für die Ar Kiereerschenung im Eisenbahndirektionsbezirk Magdeburg ernannt und der Geheime Regierungsrat Meyer daselbst von diesem Amte entbunden worden.

Der Landrat Schulte⸗Heuthaus aus

Pr. Stargard ist zum stellvertretenden Vorsitzenden der Schiedsgerichte

für

Arbeiterversicherung Stadtkreis Berlin und Regierungsbezir Potsdam 8 des Schiedsgerichts für die Arbeiterversicherung im Eisenbahndirektionsbezirk Berlin ernannt worden.

Dem Bergrevierbeamten, Bergrat Stoepesandt in Gelsen⸗

kirchen ist vom 1. April d. das Be übertragen worden. Ministerium der 1s hen und angelegenheiten. Dem Maler Friedrich Ernst Morgenstern in Frank⸗ furt a. M. ist der Titel Professor verliehen worden.

rgrevier Hamm

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 5 der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter r. 11 172 die Verordnung wegen Jagdbarkeit des Muffel⸗ wildes ovis musimon —, vom 22. Januar 1912, unter Nr. 11 173 die Verordnung, betreffend die anderweite Ver⸗ teilung der Kreise des Regierungsbezirkes Düsseldorf auf die beiden öüöö dortigen Bezirksausschusses, vom 3. F 2, und unter 8 Föhruar. 191 die Verordnung, betreffend die Aenderung der Amtsgerichtsbezirke Essen, Mülheim a. d. Ruhr und Ober⸗ hausen, vom 12. Februar 1912. Berlin W., den 24. Februar 1912. Königliches Gesetzsammlungsamt 111“

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 24. Februar.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute im hiesigen setlichen S Hlosse die Vorträge des Reichs⸗ kanzlers Dr. von Bethmann Hollweg, des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, ““ von Tirpitz und des Chefs des Marinekabinetts, Admirals von Müller entgegen.

ö inigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll⸗ und und 8 Handel und Verkehr sowie der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten I

Zur Förderung des bargeldlosen Zahlungs⸗ 1 at der Finanzminister an alle diejenigen Lieferanten des Ministeriums, für welche nach dem Umfang ihres Geschäfts⸗ betriebes der Anschluß an e. Giroverkehr in Frage kommt, ide Schreiben gerichtet: hes folge Irberesse muß auf die tunlichste Ersparung barer Umlaufsmittel Wert gelegt werden. Der bargeldlose Zahlungs⸗ verkehr würde eine weitere Förderung erfahren, wenn die Aeferanten uf ihren Rechnungen ihr Bank⸗, Postscheck⸗, Sparkassen⸗ oder ein anderes an den Giroverkehr angeschlossenes Konto ersichtlich machten, sodaß der Empfänger die Zahlung ohne Rückfrage im Girowege bewirken kann. Ich glaube nicht, daß Löer. Verfahren Ihren Interessen widerstreitet, und möchte 8es 3 empfehlen, sich ihm anzuschließen. Seitens der Staatsbehörden wir in Zukunft bei der Wahl der Lieferanten die Möglichkeit der Zahlung im Girowege mit berücksichtigt werden. Bemerkt wird allgemein, daß die zur Zahlung angewiesenen Beträge den Kontoinhabern sofort 85 Giroverkehr usw. überwiesen werden, sobald die Quittung des Empfangsberechtigten der zahlenden Kasse übersandt ist. Das S- liche Grscheinen des Empfangsberechtigten an der Zahlstelle oder 1 Entsendung eines Bevollmächtigten oder besonderen Boten wir dadurch entbehrlich.“ Die nachgeordneten Behörden sind ersucht worden, ent⸗

sprechend zu verfahren.

t Meldung des „W. T. B.“ sind vorgestern S. M. S. „Hͤa2.fa⸗, in Vig⸗ und S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ in Canton angekommen.

Württemberg.

Seine Majestät der König morgen sein 64. Lebensjahr.

Hessen.

Wilhelm vollendet

In der Zweiten Kammer stand gestern der Etat zur

8. Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Finanzminister Dr. Braun, daß man rücksichtlich der finanziellen Lage von einem Ausblick auf eine erheblichere Besserung reden könne. Bezüglich der preußisch⸗hessischen Eisenhahngemeins aft essn 185 Minister aus, daß das Ergebnis des abgelaufenen Jahres sehr günstig gewesen sei. Der Anteil Hessens am Betriebsüberschuß für 1911 betrage 16 700 000 und etwa 1 800 000 mehr als im Voranschlag vorgesehen gewesen sei. Rein finanziell betrachtet, müsse durchaus anerkannt werden, daß 1 Reichsfinanzen in erwünschter Weise erreicht worden sei. man dabei überall die richtigen Wege gegangen sei,; die Vorschläge der verbündeten Regierungen vorzuziehen gewesen wären, darüber möge man sich, wenn man es noch für nützlich halte, im Reichstage unterhalten. Au Finanzreform ein großer Diense

der Finanzminister den ckgang papiere und erklärte,

leihe vermieden habe und Tilgungsmittel zu

9. Oktober 1911 erklärte der Minister des Innern von Hom⸗ bergk zu Vach in gleicher Weise als er seiten

2*

Winter zum Präsidenten und der ozialdemokratische Abgeordnete Hartmann zum Vizepräsidenten gewählt. Abgeordneten hatten weiße Zettel abgegeben.

meldet, empfangen.

die Adreßdebatte fortgesetzt und schließlich die Adresse an⸗

eute Sitzungen. 88 8 1

die Reform der

oder ob nicht

den Bundesstaaten sei mit dieser vxeur worden. FEige e Finanzpolitik des Landes sei ohne eine gesunde Lage der Finanzen de Rei f öglich. weiteren Verlaufe der Sitzung erörterte C3 der Kurse der hessischen Staats⸗ daß die Regierung seit 1909 eine größere An⸗

Mit Bezug auf das päpstliche Motuproprio vom

daß die hessische Regierung die Angelegenheit bafüs ansehen dürfe, wie dies von Preußens und der anderen Bundesstaaten geschehen sei.

8 Schwarzburg⸗Rudolstadt. 1 1 In der gestrigen Sitzung des Landtags wurde, wie 8.0 eh 8 sozialdemokratische Abgeordnete

ie bürgerlichen

8—

Großbritannien und Irland. M 1 Der König Georg hat gestern nachmittag, wie „W. T. B. 1 den Premierminister Asquith in Privataudienz

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses wurde

genommen. Frräankreich. er Senat hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, die Artisa des Fmansg ehn angenon amen, wodurch die Einführung des amtlichen Kurszettels und eil er Steuer auf T ermin⸗ geschäfte an den Produktenbörsen festgesetzt wird. Die Artikel wurden in einer Fassung angenommen, die verschieden ist von der, die in der Kammer .

der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer forderte 4 Ar gestügen (liberal) Dringlichkeit und sofortige Beratung für den Antrag, durch den die Regierung auf⸗ gefordert wird, den Verfassungsartikel zu ändern, der den Präsidenten der Republik zum Abschluß von Geheim⸗ verträgen ermächtigt. Der Ministerpräsident Poincaré betonte demgegenüber, obiger Quelle zufolge, daß die Beratung des Antrags mit Rücksicht darauf, daß sie die gesamte aus⸗ wärtige Politik berühren würde, am besten mit den Inter⸗ pellationen über die auswärtige Politik zu verbinden wäre. Auf Ersuchen des Ministerpräsidenten beschloß die Kammer, über den Antrag am Freitag vor der Interpellation über die auswärtige Politik zu verhandeln.

In der gestrigen Sitzung der Depu tiertenkamme „der s dmtiiche Minister beiwohnten, gab der Ministerpräsident Giolitti eine Depesche des Generals Caneva bekannt, in der dieser für die vorgestrigen Kundgebungen des Parlaments seinen Dank aus⸗ spricht. Hierauf verlas der Berichterstatter der Kommission zur Prüfung des Gesetzentwurfs, betreffend das Dekret vom 5. d 1911, Martini den Bericht der Kommission und führte laut Meldung des „W. T. B. aus:

Es sei überflüssig, die Kammer zur Genehmigung des Dekrets aufzufordern. Die gestrige einmütige Beifallskundgebung habe die Meinung der Kammer dargetan. Italien sei zur Besetzung Libvens nicht durch eine plötzliche heftige Begierde nach Eroberungen 88 trieben worden, sondern durch die lang empfundene Notwendigkeit, seine politischen und wirtschaftlichen Interessen zu schützen und. 18 Stellung als Mittelmeermacht zu wahren. „Das italienische Ne fuhr der Redner fort, „wußte und wollte das einmütig. Das Dekret vom 5. November war geboten durch die politische Raison, 8„ Bewußtsein der schweren Gefahren einer doppelten Herrschaft sow e durch das Gefühl, daß dort, wo unsere Fahne flatterte, wo die Blüte unserer tapferen Jugend gefallen ist, auf dem Boden, der die kühnen Heldentaten unserer Marine gesehen hat wo wir im Erwachen 8 schlummernden Kräfte uns selbst wiedergefunden haben einzig 8e. allein unsere Herrschaft bestehen kann. Genehmigen wir das De re vom 5. November, damit die Welt wisse, daß das, was ein 8 der Regierung war, der unwiderrufliche Wille der Nation ist. Wohl er⸗ wogene Entschlüsse und mutige Bebharrlichkeit geleiten 29 große Mutter Italiens zu lhren 8. * Bericht Martinis

1 eisterten Kundgebungen angenommen. 8 ö Debatte trat der Abg. Galli warm für die Bestätigung des Einverleibungsdekrets ein und erklärte, er behalte sich die Beurteilung des Vorgehens der Regierung für einen anderen Zeit⸗ punkt vor. Die Kammer müsse Europa zeigen, daß die Italiener fünfzehn Jahre nach dem Krieg in Abessinien es gelernt jede Meinungsverschiedenheit beiseite zu setzen und Finmü. zu bewahren, wenn es sich um die nationale Ehre e. Sie müsse zeigen, daß die Feinde mit Unrecht auf eine Un⸗ einigkeit rechneten. Als Gegner des gegenwärtigen Kabinetts billige er gleichwohl das Vorgehen in Tripolis und werde 5. Gesetzentwurf annehmen, der die vollkommene Souveränitä Feülsen über jene Länder ausspreche, die durch das Blut der ge⸗ fallenen Brüder geweiht seien. Er werde alle Mittel bewilligen, die die nationale Regierung unter ihrer Verantwortung für einen Ausgang des Unternehmens für notwendig halten werde. b Sozialist Cicotti erklärte, er sei der einzige von den Abgeordne 8 des Südens, der gegen die Annahme des Dekrets stimmen werde, 18 begründete unter dem Lärm des Hauses seinen Standpunkt. Der sozialistische Parteiführer Bissolati, der anfangs 96 8 das Unternehmen in Libyen war, erklärte, er glaube n cht⸗ daß sich die sozialistische Partei von den er ganzen h bie trennen dürfe. Er huldige mit patriotischem Herzen der heldenhaften Tapferkeit der Kämpfer zu Wasser und su Lande, die dazu beigetragen habe, den moralischen Wert taliens 88 der Welt immer mehr zu erhöhen. Er erkenne an, daß Italien e Besetzung Lbyens seitens einer anderen Nation niemals hätte dulden können. Von der Paßlichkeit des Dekrets vom 5. November sei er nicht überzeugt, aber er glaube und begreife, daß die 8 billigen werde. Bissolati erklärte dann, er werde gegen den 8 wurf stimmen, erkannte aber an, daß das Unternehmen und durch einen ungeheuren Ausbruch nationaler Bege agr aufgezwungen worden sei. Weder er noch sesee Feiens de wollten der Regierung in diesem feierlichen Augenblick :8 erig⸗ keiten schaffen. Diejenigen, die in Konstantinopel auf die St 5 der Sozialisten warteten und auf ihre Opposition rechneten, sol e8 wissen, daß die Sozialisten es auf keinen Fall an henassen. e Interessen des Vaterlandes fehlen lassen würden. 8f 82 Valli Eugenio trat lebhaft für das Unternehmen un 8 4 stätigung ein. Der Abg. Alessio gab im Namen der radikalen Partei b volle, offene und bedingungslose Zustimmung zu dem, was die Regierung für das Unternehmen in Libyen getan habe und noch tun müsse. Er billigte das Dekret als eine Bekräftigung dessen, was Italien sich vorgenommen habe und wolle. Ein e

ührer der Sozialisten, Turati, erklärte, eine peinliche 71 1 7 hüchr zu müssen, indem er seiner abweichenden Meinung Aus gebe. Unter lärmendem Widerspruch des Hauses legte er die Gründe dar, warum er das Unternehmen nicht für angebracht halte und er⸗ klärte, er wolle eine Kolonialpolitik der Arbeit, nicht der L Der Abg. Chiesa fragte die Regierung nach den Gründen für 2. Unternehmen und gab der Meinung Ausdruck, daß eine erleuchtete und kluge diplomatische Tätigkeit die italienischen verrereften ster Vermeidung eines Krieges hätte sicher stellen können. 8 g. Barzilai erklärte, auch im Namen anderer Republikaner, daß er

sei. Der . historische 2

ndigkeit für die Politik Italiens gewesen. as Parlament tönne des ertt sia, b9 das beste italienische Blut bereits Geltung er⸗ halten habe, nicht mehr außer Kraft setzen. Italien müsse und werde in Libyen bleiben. Der Abg. Enrico Ferri sprach sich zugunsten des kolonialen Unternehmens aus und erklärte, daß er für die Gültig⸗ keit des Dekrets und für die Regierung stimmen werde, zu der er das Vertrauen habe, daß sie das angekündigte Programm demokratischer und polttischer Reformen zur Ausführung bringen werde. Durch seine heutige Abstimmung werde das italienische Parlament der zivilisierten Welt gegenüber die neue Bestimmung des italienischen Volkes feierlich 5 n. 8 1 erklärte der Ministerpräsident Giolitti unter großer Aufmerksamkeit des Hauses, er stelle mit Genugtuung fest, daß die Beifallsbezeigungen der Kammer bewiesen, daß deren große Mehrheit die Gesetzesvorlage billige. Er müsse aber dennoch auf verschiedene Be⸗ merkungen der Vorredner antworten. Er erkenne an, daß die heutige Abstimmung nicht die Bedeutung einer Vertrauenskundgebung für die Regierung haben müsse. Es handele sich vielmehr um eine weit höhere Frage, die die wichtigsten Interessen des Vaterlandes be⸗ rühre. Das Beispiel aller zivilisierten Länder beweise, daß das koloniale Problem sich als oberste Notwendigkeit aufdränge, und er wünsche von Herzen, daß es keine anderen Kriege als Kolontalkriege geben möge, die Kriege der Zwilisation seien. Aus dem Bericht könne die Kammer die wahren Gründe ersehen, die nicht durch Begeisterung, sondern durch Ueberlegung und innere Ueberzeugung ihn und seine Kollegen vom Kabinett bestimmt hätten, sich an das nfetnehmen zu machen als eine wahre nationale Notwendigkeit, um die sehr schweren Gefahren zu vermeiden, die man in kurzer Zeit zu beklagen gehabt hätte. Italien hätte niemals dulden können, daß andere von Tripolis, seinem ständigen Ziel, Besitz ergriffen, und weiteres Abwarten würde zu schmerzlichen Streitfällen geführt haben. Der Miristerpräsident fuhr fort, das Dekret sei nicht die Einverleibung. Es bestätige die Souveränität Italiens, die sich in der Weise entwickeln werde, wie es die Spoezialgesetze bestimmen würden, die auf die be⸗ sonderen lokalen Bedingungen und die religiösen Gefühle dieser Völker Rücksicht nähmen. Es sei auf jeden Fall voreilig, jetzt zu erklären, wie und bis zu welchem Punkte die Achtung vor den religiösen Anschauungen mit den Geboten der svilisation in Einklang gebracht werden könne und müsse. talien habe sich nicht damit einverstanden erklären können, daß die politische Souperänität der Türkei in diesen Ländern fortdauerte. Um alle Illusionen zu nehmen, um zu lacgen daß das Land um jeden Preis entschlossen sei (lebhafter, langanhalter Beifall), über diesen Punkt nicht zu verhandeln, und damit Freunde, Verbündete und Feinde wüßten, welches der Punkt sei, über den Italien in seinen Zugeständnissen nicht werde hinausgehen können, habe das Dekret als eine absolute Notwendigkeit aufgedrängt. Der M inisterpräsident bemerkte ferner, daß Italien von keiner Macht Widerspruch erfahren habe oder in seinem Vorgehen deütsteg worden sei. Wenn Italien seine militärischen Unternehmungen teilweise einge⸗ schränkt habe, um ernsten Rückwirkungen vorzubeugen, so habe es das aus vollständig freier Initiative und unter Berücksichtigung seiner Interessen getan. Giolitti schloß, indem er die Kammer aufforderte, den Gesetzentwurf anzunehmen und so den Beweis zu geben, für den festen Willen der Kammer als Dolmetsch des festen und einmütigen Willens des Landes. (Der Präsident der Kammer, die Minister und Abgeordneten erhoben sich unter lebhaften Beifallsrufen von ihren Sitzen.) 8

x kach der Rede des Ministerpräsidenten und nach der An⸗ nahme einer Tagesordnung Carcano, die besagt, die Kammer gehe in der sicheren Ueberzeugung, damit dem allgemeinen Gefühl des Landes zu entsprechen, zur Spezialberatung über, wurde in geheimer Abstimmung der Gesetzentwurf, betreffend die Genehmigung des Dekrets vom 5. November 1911, mit 423 gegen 9 Stimmen angenommen. Die Verkündigung des Abstimmungsergebnisses wurde mit warmen Beifallsbezeigungen aufgenommen und die Sitzung hierauf ge⸗

ossen. 8 sch sönthrend der Kammersitzung veranstalteten mehrere tausend Personen eine patriotische Kundgebung vor dem Parlaments⸗ gebäude. Unter dem brausenden Jubel der immer weiter an⸗ wachsenden Menge erschienen nach furjer Zeit der Minister⸗ präsident Giolitti und die anderen Minister mit dem Kammer⸗ präsidenten Marcora 8 einem Balkon. Gicolitti dankte für die Kundgebung und brachte ein Hoch auf Italien aus. Nachdem die Minister sich unter neuen Beifallskundgebungen zurückgezogen hatten, marschierte die Menge nach dem Quirinal, vor dem bereits gegen 20 000 Personen Aufstellung genommen hatten. Hier wurden dem König und der Königin, die mit den Königlichen Kindern mehrere Male auf einem Balkon er⸗

schienen, ebenfalls begeisterte Huldigungen dargebracht.

Spanien.

inis ß Garcia Pri d der

Der Minister des Aeußern Garcia Prieto und -

französische Botschafter Geoffray hatten gestern vormiltag laut Meldung des „W. T. B.“ eine neue Unterredung.

Belgien.

Der Kriegsminister, General Hellebaut hat seine Ent⸗ lassung gegeben, die der König angenommen 5 7 Ministerpräsident Baron de Roqueville wird das Por jenh einstweilig verwalten. Wie „W. T. B.I meldet, häng z8 Rücktritt des Kriegsministers mit der Politik zusammen, . im Laufe des letzten Sommers gegen die Organisatton e belgischen Heeres, namentlich von liberaler Seite, gerichten 8— Minister des Innern Berryer hat, übige Quelle zufolge, in der Kammer einen Antrag eingebracht, we nach auf Grund der Ergebnisse der letzten Volkszählung c. 1. Januar 1911 die Anzahl der Deputiertensise zwanzig und die Anzahl der Sitze im Senat um se u ial höht werden. Die Deputiertenkammer würde demnac ,ng 166 in Zukunft 186 Sitze und der Senat 94 anstatt 84 Sit haben. Bulgarien.

Die Sobranje verhandelte gestern über die Jued Fapant chew, in der die Regierung gefragt win ob sie Kenntnis habe von den Unregelmäßigkeiten meion, Geldgebahrung und von den Fällen von FF deren Mitglieder des Kabinetts Malinow vnn emm der Presse und der öffentlichen Meinung beschul ig. Lach sind, und was sie zu tun gedenke, wenn dies wahr seingelnm dem der Justizminister und der Finanzminister lau Aüinket des „W. T. B.“ erklärt hatten, daß keine Unrege b. sücach begangen worden sei, und Malinow die Beschrdigungen⸗ - de gewiesen hatte, beschloß die Sobranje mit großer Mehrh Uebergang zur einfachen Tagesordnung.

ische Regi . t sich, der Morning Polt⸗

ie per e Regierung hat sich, 8s 1G —,

herstf erklärt, die Bedingungen 1 1 nglisc

rus sischen Note anzunehmen unter der Vctua⸗ 8g 8

die Erhaltung der Integrität Persiens grundsätzl⸗ hrlanges Abkommen anerkannt wird. England und Rußlan

schuldverschreibungen verwende. 8.

Ankäufen von Staats⸗

für die Vorlage stimmen werde, trotzdem er ein Gegner des Kabinetts

die Verbannung des Emirs Mufacham auf drei Jahre.

8— 18—

Krieg um Tripolis sei eine unaufschiebbare historische Not.

Wie „W. T. B.“ meldet, hat nach hartnäckigem Kampfe

nil den Revolutionären das von Mukden kachement Tieling eingenommen. Die revolutionäre Ab⸗ teilung, die 370 Mann stark war, zog sich auf die Station Tschungku zurück. Ein Ueberfall der Revolutionäre auf Falumen wurde zurückgeschlagen.

Afrika.

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus Arzila ist dort am 21. d. M. eine spanische Truppen⸗ abteilung eingetroffen und hat unter den Mauern der Stadt ein Lager bezogen.

abgesandte De⸗

Parlamentarische Nachrichten.

Ddie Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen

(22.) Sitzung, welcher der Justizminister Dr. Beseler bei⸗

wohnte, die zweite Beratung des Etats der Justizverwal⸗ tung bei den dauernden Ausgaben für die Besoldungen fort. Bei der Besprechung der Ausgaben für die Besoldung der

Kanzlisten schlägt Berichterstatter Abg. von dem Hagen

(Zentr.) vor, die Erörterung der 1918 der etatsmäßigen Anstellung

der Kanzlisten so lange auszusetzen, bis die Rechtslage dieser

Beamten an der Hand der hierzu eingegangenen Petitionen ge⸗

prüft sei. Diesem Vorschlag schließen sich die Abgg. Viereck

(rreikons.), Mathis (nl.), Dr. Schepp (fortschr. Volksp.),

Böhmer (kons.), Dr. Liebknecht (Soz.) und Göbel (Zentr.)

an. Es wird danach verfahren.

Abg. Mathis (nl.): Die Kanzleigehilfen rekrutieren sich aus den Militäranwärtern, die meist nach zwölfjähriger Militärzeit in den

Zivwildienst eintreten, und zwar in ziemlich vorgerücktem Lebensalter,

und sie beschweren sich darüber, daß sie sehr lange auf ihre

etatsmäßige Anstellung warten müssen. Diese lange Wartezeit liegt daran, daß es verhältnismäßig wenig etatsmäßige Stellen gibt. Die Staatsregierung schafft ja alljährlich eine Anzahl neuer Stellen, aber das Tempo, in dem dies geschieht, ist ein zu langsames. Es ist gar nicht so lange her, daß man an den Amtsgerichten

Kanzleigehilfen überhaupt nicht anstellte. Deshalb . ich bitten,

mit der Vermehrung der Kanzlistenstellen in einem schnelleren Tempo vorzugehen. Vielleicht ließe sich auch eine organische Aenderung

des Kontrollwesens in bezug auf den Kanzleidienst herbeiführen.

Diese Kontrolle kostet viel Zeit und Geld. Allerdings läßt sich eine

so schwierige Frage nicht von heute auf morgen erledigen. Vielleicht könnte man einmal versuchsweise an dem einen oder anderen Amts⸗ gericht die Kontrolle in Wegfall kommen lassen.

Abg. Drinnenberg (Zentr.): Die Kosten des Kanzleipersonals sind ständig gestiegen infolge der Vermehrung des Schreibwerks. Erfreulicherweise läßt der jetzige Minister dem Kanzleipersonal besonderes Wohlwollen zuteil werden; die Schreiblohnsätze sind erhöht worden, aber andererseits steht dieser Erhöhung eine erhebliche Herabsetzung der Lohnsätze für die Ueberarbeit gegen⸗ über. Ich bitte die Verwaltung, die gesundheitsschädlichen Folgen der Ueberarbeit zu beachten. Es sollten lieber die Stellen vermehrt werden. In den letzten acht Jahren ist das Kanzlei⸗ personal um 8000 Köpfe vermehrt worden. Die Karnzleigehilfen haben aber noch nicht die Eigenschaften der Staatsbeamten. Die von mir im vorigen Jahre gemachten Vorschläge können zu einer Ver⸗ minderung des Schreibwerks beitragen. Das ganze System muß um⸗ gestaltet werden. Ein viel zu großer Aufwand findet für die viel zu strenge Revision der Kanzleiarbeiten statt, die Rechnungs⸗ revisoren sind angewiesen, ganz genau die Kanzleiarbeiten nachzu⸗ prüfen. Diese Kanzleikontrolle ist über üssig, Stichproben hier und da würden genügen. Für das ständige Kanzleipersonal ist diese Kontrolle verletzend, bei den altgedienten Beamten liegt kein Grund zu solchem Mißtrauen vor. Es ist vorgekommen, daß ein junger Justizanwärter seinen eigenen Vater kontrollieren mußte. Auch ohne Kontrolle haben die Kanzlisten ihre Schuldigket vollauf getan. (Der Redner bringt eine Reihe von statistischen Zahlen über die Tätigkeit der Kanzlisten vor, wird aber vom Sb gebeten, nicht so viel auf diese Statistik einzugehen.) D e Verhältnisse, die jetzt im Kanzleiwesen bestehen, sind auf die Dauer unhaltb V je mehr sich das ganze Wesen entwickelt, desto unhaltbarer werden sie werden. Ich hoffe deshalb, daß der Minister die dringenden Wünsche der Kanzleibeamten und Kanzleigehilfen recht bald erfüllt.

Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Wenn die Verhandlungen weiter so langsam fortschreiten, dann werden wir entweder mit einer Abendsitzung oder mit einer recht langen Ausdehnung der Sitzung rechnen müssen.

Abg Dr. Runze (fortschr. Volksp.) bittet, den Kanzleisekretären an den Land⸗ und Amtsgerichten eine Funktionszulage zu gewähren.

Abg. Meyer⸗Lilsit (kons.) tritt für die Wünsche der Militär⸗ anwärter in bezug auf die Kanzlistenstellen ein.

Abg. von Kloeden (B. d. L.): Den Kanzleigehilfenstellen ist der Charakter als Zivilversorgungestellen dadurch genommen, daß die nicht zivilversorgungsberechtigten Personen ohne besondere Bedingungen angenommen und höher besoldet werden als die Militäranwärter. Ein Zivilanwärter, der mit dem 20. Lebensjahr zur Kanzlei geht, hat mit 36 Jahren 175 ℳ, ein Militäranwärter in diesem Alter nur 115 ℳ, also 60 weniger als sein Kollege.

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Sympathien sind den Kanzlei⸗ 1 von allen Parteien genug ausgesprochen worden, jedoch auch hon in früheren Jahren. Wo sind aber die Taten geblieben? Es ist nicht ganz unberechtigt, wenn in diesen Kreisen alle jene Aeuße⸗ tungen mit großem Mißtrauen aufgenommen werden.

Bei dem Titel „Gerichtsvollzieher“ bringt

Abg. Dr. Runze (fortschr. Volksp.) den Wunsch der Hilfs⸗ gerichtsvollzieher zur Sprache, daß ihr Titel in „Kassengerichtsvoll⸗ zieher“ geändert werde.

Abg. Delius (fortschr. klagt über die zu großen Be⸗ sirke der Gerichtsvollzieher, namentlich im Osten der Monarchie. Die bei den großen Wegen entstehenden Reisekosten müßten die Gerichts⸗ vollzteher dann sogar selbst tragen. Es sei deshalb unbedingt eine jeitgemäße Einteilung notwendig. Auch Handelskammern hätten sich afür ausgesprochen. 1“

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

ö In Königsberg i. Pr. haben, wie der „Köln. Ztg.“ telegraphiert 1 85 die Bautischler die Arbeit wegen Lohnstreitigkeiten in allen gröͤßeren Betrieben niedergelegt. 8 Die englischen Bergwerksbesitzer und die Bergleute gI. Nr. 49 d. Bl.) wie „W. T. B.“ meldet, gestern vor⸗ fültag in London besondere Sitzungen ab. Die Arbeitgeber begaben 8 nach der Sitzung in das Auswärtige Amt, um die Lage mit den nistern zu besprechen, doch ist bisher kein Ergebnis der rsedensverhandlungen zu verzeichnen. Das Weitere wird im 8 entlichen von der Versammlung des Bergarbeiterverbands nächsten Dienstag abhängen. Viele Fabriken werden im ür. des Ausstands schließen muüssen, und Tausenden von Arbeitern bereits für diesen Fall gekündigt worden. Die Preise der Kohlen

16 Shilling und in Swansea auf 18 bis 19 Shilling für die Tonne gegen 11 Shilling unter gewöhnlichen Verhältnissen. Der Lordmayor von London hatte die Lordmayors und Mayors von England und Wales auf heute nachmittag zu einer Zusammenkunft in das Mansion⸗House geladen, um über die Lage zu beraten. In gewissen Kreisen ist die Ueberzeugung verbreitet, daß es nur zu einem Ausstand in Wales, aber nicht zu einem allgemeinen Ausstand kommen werde. Mehrere Polizeigerichte in Wales haben um Entsendung von Truppen I da im Zusammenhang mit dem Streik Unruhen befürchtet werden. Eine Versammlung des Transportarbeiterverbandes in Man⸗ chester hat beschlossen, die Bergleute der Kohlengruben im Fall eines Ausstandes zu unterstützen. Das bedeutet, daß die Transportarbeiter sich weigern werden, fremde Kohle zu befördern.

Zum Ausstand der Kraftwagenführer in Paris wird mit bezug auf die Anschläge gegen die Kraftdroschken dem „W. T. B.“ noch Fepeldet. daß es nunmehr außer Zweifel steht, daß die Bomben von Fahrgästen in die Wagen geschmuggelt wurden. Auf Grund der von mehreren Kraftdroschkenlenkern gemachten Angaben fahndet die nach einem durch seine anarchistischen Ideen bekannten aus⸗ tändigen Fahrer sowie nach einem Russen, der am Mittwoch auf⸗ falend häufig gerade die Wagen einer Gesellschaft benutzt hatte, die den Forderungen der Ausständigen besonderen Widerstand entgegen⸗ setzte. (Vgl. Nr. 49 d. Bl.)

Kunst und Wisseuschaft.

Die Expedition zur Erforschung des Toten Meeres, die im Oktober vorigen Jahres auf Anregung der Gesellschaft für Paläftinaforschung von Europa abging, ist, wie „W. T. B.“ aus

openhagen meldet, nach Beendigung ihrer Arbeiten zurückgekehrt. Die Expedition, deren Kosten teils von der genannten Gesellschaft, teils von Oskar Tietz in Berlin und, was die Teil⸗ nahme dänischerseits betrifft, teils vom Carsbergfonds be⸗ stritten wurde, und die aus Dr. Ludwig Brühl, Kustos am Königlichen Institut für Meereskunde in Berlin, als Leiter und Hydrograph, aus den Geodäten H. Schröder in Berlin und dem dänischen Chemiker R. Koefoed in Kopenhagen bestand, hat zwar ihre Untersuchungen nicht in dem geplanten Umfange ausführen können, hat aber doch Ergebnisse gezeitigt, die von bedeutendem Inter⸗ esse sein dürften. Der Grund dafür, daß der Plan nicht vollständig hat durchgeführt werden können, lag, „W. T. B.“ zufolge, darin, daß sich das Motorboot, das die Expedition geliehen hatte, als unbrauch⸗ bar erwies, sodaß man nach fünfwöchigen vergeblichen Be⸗ mühungen, es brauchbar zu machen, von seiner Anwendung Abstand nehmen und zwei kleinere Segelboote und einen flachbodigen Prahm verwenden mußte. Hierdurch wurden die Arbeiten auf dem Meere in sehr wesentlichem Maße schwerer, und man war u. a. außerstande, die systematischen Tiefenmessungen vorzunehmen, die den Ausgangspunkt der hydrographischen Untersuchungen bilden sollten; die Arbeiten wurden ferner auch dadurch verzögert, daß man genötigt war, das Zeltlager längs der Küste von Ort zu Ort zu schaffen eine Arbeit, die viel Zeit und Kraft erforderte. Des weiteren war man infolge der Verzögerung in eine Jahreszeit hineingekommen, in der Sturm und Regen die Arbeiten auf der See unmöglich machten und die Lebensmittelversorgung in hohem Grade erschwerten. Der Tage, wo die Untersuchungsarbeiten ausgeführt werden konnten, gab es daher nur wenige; die erzielten Ergebnisse bieten indessen trotzdem sehr interessante Aufschlüsse über die Verhältnisse dieses eigentümlichen Meeres in hydrographischer und chemischer Beziehung. Die Expedition brachte eine große Anzahl G Meereswasser aus verschiedenen Tiefen mit heim, die im Carlsberglaboratorium von dem Direktor R. Koefoed einer eingehenden Untersuchung unterzogen werden sollen; ebenso wird das mitgebrachte nicht unbedeutende zoologische, botanische und meteorologische Material von den deutschen Gelehrten bearbeitet werden. Ein vollständiger Bericht über die Expedition und ihre Er⸗ gebnisse wird veröffentlicht werden, sobald die Prüfung des ge amten Materials beendet sein wird. v“ ““

8

Der bekannte Geograph, Professor Richard Andree, der Heraus⸗ geber von Andrees Handatlas, ist, wie der „Braunschweiger Landes⸗ zeitung“ mitgeteilt wird, auf einer Reise von München nach Nürnberg im Alter von 77 Jahren gestorben. 8

Land⸗ und Forstwirtschaft.

26. Winterversammlung der Deutschen Landwirtschafts gesellschaft.

III.*)

In der am Donnerstag abgehaltenen Sitzung der Betriebs⸗ abteilung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft sprach der Güter⸗⸗ direktor Schröder⸗Berlin über Bedeutung und Gestaltung des landwirtschaftlichen Pachtvertrags. Der Vortragende stellte fest, daß die Frage der Gestaltung und Bedeutung des land⸗ wirtschaftlichen Pachtvertrags sich nicht erörtern lasse, ohne die Be⸗ deutung der landwirtschaftlichen Pacht überhaupt, wenn auch kurz, zu behandeln. Er glaubt es als das Wünschenswerteste bezeichnen zu müssen, daß der Besitzer eines Landguts sich auch der Bewirtschaftung selbst hingibt und in ihr seinen Beruf sieht. Besonders treffe dies zu, wenn der Besitz verschiedenartig zusammengesetzt sei und der Besitzer eine Ausbildung erhalten habe, die es ihm ermögliche, den Betrieb ent⸗ sprechend seiner Vielseitigkeit zu leiten. Der Redner verlangt, daß die Art verlassen werden müsse, in einer militärischen, diplomatischen oder Verwaltungstätigkeit auch noch eine geeignete Vorbildung zur Leitung eines geoßen Gutsbetriebes zu sehen. Denn wenn das landwirt⸗ schaftliche Gewerbe anderen gleichwertig im Ertrage werden wolle, müsse auch eine umfassende Vorbildung des Betriebsleiters die Vor⸗ bedingung bilden. Im Pächterstande sei die einseitig landwirtschaft⸗ liche Bildung die Regel, und es würde bis auf weiteres schwer werden, Pächter in größerer Zahl zu finden, die neben der Land⸗ wirtschaft auch noch die anderen Zweige der Bodenbenutzung so be⸗ herrschten, um ihre Pachtung weiter ausgestalten zu können. Und doch werde gerade in dem Zusammenfassen aller Betriebszweige wesentlich die Zukunft des Landbesitzes und des landwirtschaftlichen Gewerbes, der bodenbenutzenden Gewerbe überhaupt liegen. Der Berichterstatter verwahrte sich gegenüber dem starken Hervorheben der Eigenwirtschaft durch den 5 dagegen, ein Gegner des Pächterstandes zu sein. Ein großer Teil landwirtschaft⸗ lichen Besitzes werde aus besonderen Gründen immer der Verpachtung auch in ganzen Gütern gewidmet bleiben. Wir in Deutschland könnten stolz auf unsern Pächterstand sein, der es dem Eigenbesitz an Förderung der Landes kultur Die bisher geltenden Pacht⸗ verträge stellten in der Regel ein hohes Maß von Anforderungen an den Pächter und trügen nicht immer dem Fortschritt im landwirt⸗ chaftlichen Berufe Rechnung. Neben den Anforderungen, die der eruf an die Fähigkeit des Pächters stellt, seien auch die Kapitalien, die er zur Verfügung haben muß, stark gestiegen. DBa die Deutsche Landwirts aftsgesellschast vielfach um Rat bei der Aufstellung von I gen angegangen worden, ist, wie der Vortragende erichtete, der Sonderausschuß für Musterverträge mit der Auf⸗ stellung eines Mustervertrages befaßt worden. Der Gedanke, einen mit geringen Aenderungen für alle Verhältnisse passenden Pachtvertrag aufzustellen, mußte fallen gelassen und der Stoff eingeteilt werden. Es wurde zunächst ein Pachtvertrag für ein nach nord⸗ und mitteldeutschen Begriffen mittleres Gut von etwa 250 ha aufgestellt, in dem das Inventar dem Pächter gehört und auch das Feldinventar von ihm erworben werden muß. Der Sonderausschuß für Musterverträge hat sich mit der Abfassung des Musterpachtvertrages innerhalb seiner beiden Hauptrichtlinien be⸗ wegt: auf der einen Seite für das praktische alltägliche landwirtschaft⸗

*) S. Nr. 48 und 49 des ‚Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ vom

beträchtlich gestiegen. Bunkerkohle steht in Newcastle auf

22. und 23. d. M.

liche Leben brauchbare Beisviele von Geschäftsabschlüssen zu schaffen und gleichzeitig mit ihnen erziebertsch aus die landwirtschaftlichen Kreise zu wirken. Der Musterpachtvertrag geht von der Gleichstellung beider vertragschließenden Teile aus und sieht auch die Pachtüber⸗ nahme von Nebenbetrieben der Forst⸗ und Teichwirts aft vor. Er räumt dem Verpächter das Recht zu Sicherheitsmaßnahmen für die Aufrechterhaltung der Ertragsnachhaltigkeit seines Grundbesitzes ein, 8. aber dem Pächter möglichst weitgehende wirtschaftliche Feaiben⸗ ie Fragen der zweckmäßigsten Erhaltung von Hoch⸗ und Tiefbauten wurden vom Vortragenden behandelt und besonders diejenigen Fragen besprochen, die eine Abweichung des Musterpachtvertrags von den früher üblich gewesenen Verträgen bedeuten. Nach dem neuen Pachtvertrage darf der Verpächter seine Genehmigung zu Verbesserungen des Grund und Bodens nur versagen, wenn er nachweist, daß die beabsichtigte Grundverbesserung ““ ist. Dem Pächter wird die Pflicht auf.

erlegt, Verpflichtungen des Verpächters, die mit dem Grund und Boden zusammenhängen, z. B. die Beteiligung an gewerblichen Unter⸗ nehmen wie Zucker⸗, Stärkefabriken, Gengfenscasebeennerele v. bal.. mitzuübernehmen. Die Frage der 1 haltung, die in allen Pacht⸗ verträgen eine ebenso große Rolle spielt wie die der Veräußerung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen, fand ihre ernste Behandlung. Auch in der Bemessung der Nutzviehhaltung wird dem Pächter möglichste Freiheit bewahrt und ein Abweichen von den Grundlagen unter be⸗ stimmten Voraussetzungen und Sicherheitsmaßnahmen gestattet. Dem Verpächter muß es freistehen, Größenveränderungen des Land⸗ gutes vorzunehmen, ohne von Fall zu Fall mit dem Pächter sich darüber verständigen zu müssen. Uebergabe und Rückgabe wird von einem Uebergabeausschuß bewerkstelligt und ein rechtskundiger Ueber⸗ gabeleiter verlangt. Daß ein von der Betriebsabteilung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft aufgestellter Pachtvertrag großen Wert auf gute Buchführung legt, ist selbstverständlich. Die technische Pächter⸗ buchführung ist dem Pachtnachfolger auf Verlangen abschriftlich zu überlassen. Die Frage des Schiedsgerichts wurde gestreift. Da der Pachtvertrag klar und möglichst knapp sein foll, ist man zu eingehenden Erläuterungen gekommen, deren Ausarbeitung hauptsächlich eine Arbeit der rechtskundigen Mitglieder des Sonder⸗ ausschusses für Musterverträge darstellt. Dem Pachtvertrag liegen ferner eine eingehende Gutsbeschreibung und eine ebensolche Bau⸗ beschreibung bei. Der Vortragende schloß mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß der Musterpachtvertrag der Deutschen Landwirtschafts. gesellschaft den richtigen Mittelweg gefunden habe, auf dem die Intere en des Verpächters und des Pächters zum Wohlbefinden beider Teile und zur Schaffung einer klaren und Feschten Unterlage fur 89 für den Landwirtschaftsbetricb so wichtige Ges äftsverhältnis reffen. „Hierauf berichtete der Oekonomierat Hubbe⸗Kaltenmark über seine Reiseeindrücke in England. Die ganze eigenartige Ent⸗ wicklung des vereinigten Königreichs liegt in besonderen insu⸗ laren, volkswirtschaftlichen Stellung, die zum großen Teil auch in der rücksichtslosen merkantilen Ausnützung ihren Grund hat. Die Besitzverhältnisse sind derart eigenartig, daß sie für Deutschland undenkbar sind. „Einseitiger Latifundienbesiit und nur ein⸗

jährige Pachtverhältnisse, die allerdings trotzdem fortlaufend oft von langer Dauer sind, bedingen die so vielfach gepriesenen billigen Landwirtschaftsbetriebe mit geringsten Gehbäudewerten. Es liegt in der Natur der Sache, daß bei einem so unsicheren Pachtverhältnis die. Pächter ihr Geld nicht für kulturelle Zwecke verwenden, sondern der günstigen klimatischen Lage gerecht geworden sind, um Zucht zu be⸗ treiben, da diese Werte ja leicht beweglich sind und stets ihr Eigen⸗ tum bleiben. Diese sehr großen Werte, die züchterisch aufgewendet werden, finden in der fast rein sportlich betriebenen Züchtung ihre Stütze, und zwar herab bis zum kleinsten Augenblickliche Mode und Geschmack sind auch hier führend und ausschlag⸗ gebend. Die Entwicklung ist weiter bedingt durch die Entvölkerung des platten Landes und die Anhäufung der Bevölkerung in den großen Städten. Wie die Schafzucht sich als einfachste Betriebsweise das Feld erobert hat, kann man von Jahr zu Jahr mehr sehen. Die mehr und mehr bei diesem Betrieb entbehrlichen Landarbeiter bilden dann ein erschreckendes Proletariat in den Städten. Anscheinend geht aber auch die Schafhaltung unter in der weiteren Ausgestaltung des Landes zu unermeßlich ausgedehnten Jagdgründen. England kann sich diesen Entwicklungsgang gewähren, weil ihm die großen ausländischen Be⸗ sitzungen das nötige Einkommen gewähren; ob es erstrebenswert ist, die heimische Landwirtschaft so völlig verschwinden zu lassen, ist eine volkswirtschaftliche Frage von ernster Bedeutung, und Deutschland darf stolz darauf sein, die heimische Landwirtschaft auf ihrer be⸗ stehenden Höhe zu wissen. „Eine große Zahl vortrefflich aufge⸗ mnmgener ichtbilder vervollständigten den interessanten und lehrreichen

ericht.

Am Nachmittag des 22. Februar folgte eine Sitzung des Gesamtausschusses der Landwirtschaftsgesellschaft. In diesem gab die Knappheit an Rübensamen, die der Trockenheit des Jahres 1911 zur Last fällt, Anlaß, über den Rübenbau des begonnenen Jahres 1e sprechen, und zwar behandelte Amtsrat Braune⸗Winningen den Zuckerrübenbau und Kammerherr von Vogelsang⸗Hovedissen den Futterrübenbau. Vorher wurde der Geschäftsbericht des Vorstands für die Zeit vom 1. Oktober 1911 bis 31. Januar 1912 erstattet. Danach zählte die Landwirtschaftsgesellschaft am 1. Januar d. J. 17 900 Mitglieder (gegen 17 790 am 1. Januar 1911). Für 1912 ist die Gesamt⸗ einnahme auf 724 000 veranschlagt. Das Ziel besteht darin, ein Vermögen von etwa 6 Millionen Mark anzusammeln. Einschließlich aller Beamtenkassen beträgt das Vermögen jetzt bereits 4 Millionen Mark. Wenn die Gesellschaft sich so weiterentwichkelt, besteht die Hoffnung, daß das gesteckte Ziel in etwa vier Jahren erreicht wird.

„Mit einer am Freitag abgehaltenen Hauptversammlung fand die 26. Wintertagung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft ihren Abschluß. Regierungs⸗ und Veterinärrat NRevermann vom preußischen Landwirtschaftsministerium sprach in der Hauptversammlung über das neue Reichsviehseuchengesetz und die Ausführungsbestimmungen hierzu. Die instruktiven Ausführungen des Redners gipfelten darin, daß ein wirksamerer Schutz gegen Seucheneinschleppung aus dem Aus⸗ lande und gegen die Verbreitung der Viehseuchen im Inlande not⸗ wendig sei; denn es gelte, die Viehproduktion des Inlandes gegen die genannten Gefahren zu schützen. Dafür sei das alte Gesetz nicht mehr ausreichend, infolgedessen habe es zu dem neuen ausgebaut werden müssen. Wie umfangreich die deutsche Vie produktion schon jetzt sei, erhelle daraus, daß zurzeit 95 % des Fleischbedarfs der Reichsbevölke⸗ rung einschließlich tierischer Fette innerhalb des deutschen Vaterlandes gedeckt werde. Zum Schluß hielt noch Professor Dr. Holldack, Dozent für landwirtschaftliche Maschinenlehre in Hohenheim, einen Lichtbildervortrag über Motorpflüge und Landbaumaschinen.

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus. Im Königlichen Opernhause wurde gestern nachmittag um 3 Uhr Lauffs Festspiel „Der Große König“ zum zweiten Male als Schülervorstellung gegeben. Ihre Kaiserlichen und König⸗ lichen Majestäten wohnten, wie „W. T. B.“ berichtet, der Auf⸗ führung bei, an deren Schluß die Kinder ein dreifaches Hoch auf die erschallen ließen und das „Heil Dir im Siegerkranz“ angen. Abends fand nach der Abendtafel im Königlichen Schlosse, zu welcher das Offizierkorps des Kürassierregiments Königin (Pasewalk), deren Chef Ihre Majestät die Kaiserin und Königin ist, abermals eine Aufführung des „Großen Königs“ im Königlichen Opernhause statt. In der großen Hofloge nahmen, vom Generalintendanten Grafen von Hülsen⸗Haeseler geleitet, Ihre Kaifer⸗ lichen und Königlichen Majestäten Platz, rechts neben Seiner Majestät Frau Oberstleutnant von Sydow und Seine Königliche Hoheit der Prinz Oskar, neben Ihrer Majestät der Kommandeur des Pasewalker Kürassierregiments, Oberstleutnant von Sydow, das Offizierkorps der Königin⸗Kürassiere hinter den Majestäten. Auch

11“

24 Wachtmeister und Chargierte des S waren im dritten Range erschienen. Seine Königliche Hoheit der Prinz Joachim hatte