1912 / 58 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

8 u“ Statistiken über die Verhältnisse in der Landwirtschaft. Dazu reten dann ebenfalls zuverlässige und über Jahrzehnte reichende Statistiken bei denjenigen Industrien, deren Verhältnisse wir erfassen onnten, weil sie mit inneren Steuern belegt sind. Ich verweise dabei auf die Bierbrauereien, auf die Brennereien, auf die Gewinnung von Salz und die Produktion von Zucker. Für eine ganze Reihe anderer Industrien fehlen uns aber derartige Unterlagen vollständig, und wir haben uns nun hier in der Weise geholfen, daß mit Hilfe der Berufsgenossenschaften ein Verzeichnis der Betriebe aufgestellt wird, daß alle hiernach ermittelten Betriebsinhaber gebeten sind, einen umfassenden Fragebogen auszufüllen, und daß dann das Ergebnis dieser Erhebungen zum Gegenstand eingehender Besprechungen mit den Ver⸗ tretungen der betreffenden Industrien, mit einzelnen von ihnen benannten oder von uns ausgesuchten Sachverständigen, gemacht ist; die Ergebnisse dieser Besprechungen sind dann noch im Wirtschaftlichen Ausschuß durch weitere Erörterungen und nötigenfalls durch weitere Vernehmungen von Sachverständigen zu ergänzen. Ich möchte be⸗ merken, daß im Laufe der letzten 3 ½ Jahre derartige Produktions⸗ erhebungen stattgefunden haben für 22 Betriebszweige der Textil⸗ industrie, für 23 Betriebszweige der Montan⸗, Hütten⸗ und Metall⸗ verarbeitungsindustrie, für 5 Betriebszweige der chemischen Industrie, ferner für die Getreidemüllerei, die Kartoffeltrocknungsindustrie, die Herstellung von Kartoffeltrocknungsanlagen und für die Kraftfahrzeuge. Eingeleitet sind zurzeit die Erhebungen in der Weizen⸗, Kartoffel⸗, Reis⸗ und Maisstärkefabrikation, der Zement⸗ und Lederindustrie und noch einigen anderen Zweigen unserer Industrie. Wir glauben, daß wir auf diesem Wege in der Lage sein werden, dasjenige Material zu beschaffen, das erforderlich sein wird, um die zahlreichen Wünsche einzelner Interessenten und Interessentengruppen zu prüfen und nach' Möglichkeit zu erfüllen.

Zweifellos umfaßt diese Produktionserhebung bestimmte Zweige unseres Wirtschaftslebens nit. Sie erfaßt im wesentlichen nur die Industrie und nicht die Kleinbetriebe. Das ist ein Mangel, und wenn einzelne Herren aus dem Hause gewünscht haben, daß diese Produktionserhebungen auch auf die Kleinbetriebe aus⸗ gedehnt werden möchten, so ist das an sich sachlich gerechtfertigt. Ich habe nur die Besorgnis, daß es uns nicht gelingen wird, auf dem Wege der statistischen Erhebung die Verhältnisse der Kleinbetriebe so zu erfassen, wie uns das bei den Großbetrieben, übrigens auch nicht ohne Mühe und ohne Schwierigkeiten, gelingt. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe in dieser Beziehung meine Erfahrungen bei der Erhebung über die Produktionsverhältnisse in der Müllerei gemacht. Es hat sich als fast undurchführbar herausgestellt, im Wege der Umfrage und auf Grund von Fragebogen, die die einzelnen Betriebsinhaber aus⸗ zufüllen hatten, bisher ein auch nur irgendwie verwertbares Material über die Verhältnisse der Kleinbetriebe zu bekommen. (Hört, hört! rechts.) Meine Herren, das ist auch erklärlich. Dem Klein⸗ betriebsinhaber fehlt die Sachkunde, fehlt, wenn ich mich so ausdrücken darf, die bureaukratische Erfahrung, die not⸗ wendig ist, eine so komplizierte statistische Tabelle auszufüllen, wie ein solcher Fragebogen ist. Die Herren haben zum erheblichen Teil auch nicht die Buchführung, die erforderlich ist, um die von uns gestellten Fragen annähernd zu beantworten, und sie sehen diese Frage⸗ bogen im wesentlichen als eine Ausgeburt bureaukratischen Unfugs an (sehr gut!) und pflegen, wenn sie diese Fragebogen öberhaupt beant⸗ worten, das unter Umständen nicht immer in einer erfreulichen Form zu tun. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Also, meine Herren, wir werden, wenn wir dem nicht unberechtigten Wunsche nach einer Erfassung der Verhältnisse der kleinen Betriebe gerecht werden wollen, jedenfalls andere Wege gehen müssen, als bei der Produktionsstatistik der Industrie, wir werden versuchen müssen, durch monographische Darstellungen der Verhältnisse einzelner Betriebszweige, durch das Studium einzelner Gruppen von Betrieben in einzelnen Teilen des deutschen Vaterlandes die Verhältnisse der Kleinbetriebe aufzuklären, und ich habe die Hoffnung, daß uns die Interessentenverbände dabei zu Hilfe kommen werden, denen ich jeden⸗ falls, was ich ausdrücklich bemerken möchte, dankbar sein werde für jede Anregung und für jedes Material, das sie mir zur Verfügung stellen.

Nun, meine Herren, ist auch die Anregung an mich gelangt, es möchte eine öffentliche allgemeine Enquete auf kontradiktorischer Grundlage über die Ergebnisse unserer bisherigen Wirtschaftspolitik angestellt werden; mit dieser allgemeinen Enquete hofft man die Unterlagen für die neuen Handels⸗ verträge und für die weitere Orientierung unserer Wirt⸗ schaftspolitik zu gewinnen. Meine Herren, ich halte diesen Weg nicht für gangbar (sehr richtig! rechts), und zwar aus einem einfachen, un⸗ widerleglichen Grunde. Kein Geschäftsmann wird die letzten Ge⸗ heimnisse seines Betriebs in öffentlicher Verhandlung allgemein be⸗ kanntgeben. (Zustimmung.) Wir sind genötigt, das Material, das wir im Wege der Produktionserhebungen gewinnen, das wir dem Wirtschaftlichen Ausschuß vorlegen, auf das sorgsamste zu sekretieren. Das Material geht bei mir im Amt nur von Hand zu Hand und ist nur den betreffenden Referenten zugänglich. Es wird zu einem erheb⸗ lichen Teil vernichtet, sobald es seinem Zweck gedient hat. Das haben wir den Interessenten versprechen müssen, bevor sie sich überhaupt bereit erklärt haben, uns Material vorzulegen. Und daran werden wir festhalten müssen, wenn wir überhaupt Material bekommen wollen. (Sehr richtig!)

Meine Herren, es handelt sich bei der Vorbereitung von Handels⸗ verträgen, bei einer Produktionsstatistik nicht darum, Diskussions⸗ material für öffentliche Versammlungen zu gewinnen (sehr richtig! rechts), sondern es handelt sich darum, die Verhältnisse der einzelnen Betriebszweige und Betriebe ganz objektiv zu erfassen; denn nur dann ist man in der Lage, Schlüsse von der Zuverlässigkeit zu ziehen, die notwendig ist, wenn man so wichtige Arbeiten wie den Aufbau eines Zolltarifs oder den Abschluß von Handelsverträgen darauf gründen will.

Es ist dann noch eine Anregung gegeben, wir möchten bei Vor⸗ bereitung der Handelsverträge auch darauf bedacht nehmen, in die Handelsverträge Vereinbarungen sozialpolitischer Natur aufzunehmen, Vereinbarungen, die dahin führen sollen, daß die vertrag⸗ schließenden Teile ihre Arbeiter in sozialpolitischer Beziehung möglichst nach gleichen Grundsätzen behandeln. Dieser Forderung liegt die ver⸗ ständliche Hoffnung zu Grunde, daß es mit Hilfe derartiger Ver⸗ einbarungen gelingen wird, Ungleichheiten in den Produktions⸗ bedingungen, soweit sie in den Arbeitsverhältnissen liegen, zwischen konkurrierenden Ländern auszugleichen. Meine Herren, von welchem

Erfolge derartige Versuche begleitet sein werden, das kann ich heute noch nicht sagen. Ich möchte nur feststellen, daß wir diesen Weg bereits beschritten haben oder zu beschreiten versucht haben und daß unter unseren neueren Handelsverträgen der italienische und der schwedische Handelsvertrag bereits Andeutungen oder Ansätze für eine derartige Vereinbarung enthalten.

Nun, meine Herren, wenn man nach Ablauf einer mehr als dreißigjährigen Periode feststellt, daß sich eine Wirtschaftspolitik be⸗ währt hat, wenn man feststellen kann, daß sich unter dieser Wirt⸗ schaftspolitik eigentlich alle Zweige der Volkswirtschaft günstig ent⸗ wickelt haben, so soll man sich darüber nicht täuschen, daß auch hier die Entwicklung nicht stillgestanden hat, daß die Verhältnisse heute andere sind als in den Jahren, wo wir unsere Tarife aufgestellt haben, als in den Jahren, wo sich die Mehrheit des Parlaments und der Regierung über die heute noch geltenden Grundsätze unserer Wirt⸗ schafts⸗ und Handelspolitik geeinigt haben. Wir dürfen uns darüber nicht täuschen, daß auch im Ausland sich die Verhältnisse geändert haben, und eines der wichtigsten Momente, was wir keinen Augen⸗ blick aus den Augen verlieren dürfen und was unsere handels⸗ politischen Aufgaben ganz wesentlich beeinflußt und verschoben hat, das ist die Erstarkung unserer Industrie, der Umstand, daß wir nicht wie vor 30 Jahren um den inneren Markt zu kämpfen haben, sondern daß wir heutzutage kämpfen müssen um den äußeren Markt, daß wir be⸗ kämpfen müssen die Konkurrenz des Auslandes im Ausland. (Sehr richtig!) Wir dürfen uns darüber nicht täuschen, daß das eine wesent⸗ liche Verschiebung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse und damit der Chancen unserer weiteren wirischaftlichen Entwicklung und ganz wesentlich auch der Aufgaben gebracht hat und weiter bringen muß, die uns beim Abschluß unserer Handelsverträge obliegen.

Ich bin nur der Meinung, daß das alles zurzeit nicht Fragen sind, die uns veranlassen könnten, einen Wechsel in unserer Wirt⸗ schaftspolitik eintreten zu lassen. Denn unsere Wirtschaftspolitik wird naturgemäß beeinflußt durch die Wirtschaftspolitik der auswärtigen Staaten, und so wie die Entwicklung in den auswärtigen Staaten heute liegt, würde ein Herabgehen z. B. unserer Zollsätze uns gar nichts nützen. Die Staaten, die es für zweckmäßig halten, selbst die nationale Arbeit zu schützen, die es für zweckmäßig halten, die natür⸗ lichen Hilfskräfte ihrer Länder nach jeder Richtung hin zu entwickeln und selbst auszunützen, werden sich dadurch, daß wir niedrigere Zoll⸗ tarife haben, nicht veranlaßt sehen, ihre Tarife auch nur um einen Pfennig herabzusetzen. Ich erinnere an England, das infolge seines Freihandels genötigt ist, sich auf zollpolitischem Gebiete von anderen Ländern alles gefallen zu lassen, was diese für zweck⸗ mäßig halten im Interesse ihrer Entwicklung zu beschließen.

Also, meine Herren, auch diese neuen Probleme können uns nicht veranlassen, in unserer Wirtschaftspolitik eine Schwenkung eintreten zu lassen. Sie stellen uns nur vor die Frage, ob die Technik unserer Handelsverträge den neuen Verhätnissen noch angepaßt ist und ob die Technik des Zolltarifs als Rüstzeug für den handelt⸗ politischen Kampf noch den zu stelenden Anforderungen, genügt, und in dieser Beziehung möche ich auf eins aufmerksam machen: man hat Zweifel erhoben, ob das System der Meistbegünstigung so, wie wir es gewohnt sind, in unseren Handc⸗hsverträgen auch weterhin dieselbe Stelle wird ein⸗ nehmen dürfen, Zie bisher. Man hat die Frage aufgeworfen, ob man an die Stelle der Meistbegünstigung Rezipr ozitätsverträge, Meistbegünstigungsverträge im Sinne der amerikanischen „Handels⸗ politik, treten lassen könnte.

Nun, meine Herren, kann darüber kein Zweifel bestehen und das habe ich wiedrholt festgestellt —, daß unsere handelspolitischen Beziehungen zu de europäischen Kulturländern, soweit wir zu normalen Verträgen kommen, weiterhin aufgebaut werden müssen auf der Grund⸗ lage der Meistbegnstigung. Diese Forderung der Meistbegünstigung wächst in demselba Maße, wie die Exportbedürftigkeit unserer In⸗ dustrie; denn nur ie Meistbegünstigung gibt uns die Sicherheit, daß wir im Auslande mit unseren Konkurrenten mit gleichen Waffen kämpfen können. Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Aber es ist zweifellos azuerkennen, daß die Verhältnisse zu Staaten, die ihre handelspolitihen Beziehungen autonom regeln, vielleicht auch andere Möglichiten nützlich und wünschenewert erscheinen lassen. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir auch er zur Not mitkommen können, ohne eine Aenderung unsere Zolltarifgesetzes, ohne eine Aenderung des Zoll⸗ tarifs selbst, sonde lediglich durch eine anderweite Ausgestaltung der Technik der Handeverträge als solcher. Daneben wird allerdings zu prüfen sein, ob nicht zweckmäßig ist, den Regierungen auch noch andere Handhabenn die Hand zu geben. 8

Ich will hieverweisen auf das handelspolitische Verhältnis, in dem wir zu denbereinigten Staaten von Amerika stehen. Zwischen den beid Ländern besteht kein Vertrag. Die handelspoliti⸗ schen Verhältnisseind autonom beiderseits auf Grund diplomatischer Vereinbarungen gegelt; die Regelung ist nicht langfristig, sondern sie kann mit kurze Fristen geändert werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika hab uns seinerzeit das gegeben, was sie damals für ihre Meistbegünsting hielten, was damals für uns die Meist⸗ begünstigung bedeete, d. h. ibren sogenannten Minimaltarif; und wir unsererseits hen den Vereinigten Staaten unseren gesamten Vertragstarif gegen, was damals unsere Meistbegünstigung bedeutete. Inzwischen haben ie Vereinigten Staaten von Amerika das viel⸗ besprochene Abkomen mit Canada getroffen, das, wenn es in Kraft getreten wännicht nur Deutschland, sondern auch einige andere europäische Staat in verschiedenen Artikeln differenziert haben würde. Wir hen es damals nicht für zweckmäßig ge⸗

halten, einzuschreit, weil wir abwarten wollten, ob das Abkommen überhaupt zustand käme. Letzteres ist nicht geschehen; die Ver⸗ einigten Staaten n Amerika haben aber einen Teil des Gesetzes über das Handelswmmen mit Canada in Kraft gesetzt ohne Rück⸗ sicht darauf, ob 3 Abkommen zustandekommen würde oder nicht; und das hat zuxrolge gehabt, daß, nachdem die Frage des Ab⸗ kommens an sichusgeräumt ist, die Tatsache bestehen geblieben ist, daß Deutschd mit ihm aber auch andere Staaten Canada gegenü differenziert wird in bezug auf Holzstoff, Pappe und Pap Wir haben dagegen remonstriert. Die Ver⸗ handlungen darü schweben noch; aber wir waren durch die Gunst der Verhältnisse der Lage, eins zu tun. Etwa gleichzeitig mit dem Moment, wo füms eine Remonstration angezeigt erschien, traten unsere neuen Halsverträge mit Schweden und Japan in Kraft,

und wir waren der Lage, Beveintgte Staaten von Amerika

die über den Rahmen der anderen Verträge hinausgehenden Zu⸗ geständnisse vorzuenthalten, die wir Schweden und Japan gegenüber in den neuen Vertragen gemacht haben.

Ich habe das im einzelnen angeführt, weil es ein Schulbeisplel dafür ist, wie sich die handelspolitischen Beziehungen zwischen Ländern regeln, die keine Handelsverträge im engeren Sinne abschließen. Ich habe aber auch gleichzeitig die Frage damit beantwortet, wie es bezüglich der Differenzierung Deutschlands in bezug auf Holzstoff, Pappe und Papier seitens der Vereinigten Staaten von Amerika liegt. Die Herren werden daraus ersehen, daß wir auf dem Posten gewesen sind, daß wir das getan haben, was wir nach Lage der Verhältnisse zu tun imstande waren. Im übrigen werden wir abwarten müssen, wie die Verhandlungen weiterlaufen, die in den Formen geführt werden, wie sie zwischen befreundeten Nationen üblich sind.

Ich darf im Anschluß an diese unsere Handelspolitik betreffende Spezialfrage noch kurz auf eine zweite Frage antworten, die, glaube ich, auch Herr Abg. Mayer (Kaufbeuren) gestellt hat, die aber auch von anderer Seite wiederholt ist, nämlich wie es mit den schwedischen Erzen steht. Die Herren werden sich erinnern, daß in dem früheren schwedischen Handels⸗ vertrage ausdrücklich ausbedungen war, daß ein Ausfuhrzoll auf Erze und ein Ausfuhrverbot für Erze in Schweden nicht ergehen solle. Sie werden sich erinnern, daß der schwedische Staat mit den großen erzgewinnenden Gesellschaften in Schweden Verträge abgeschlossen hatte, von denen man in Deutschland geneigt war anzunehmen, daß sie, wenn auch nicht dem Wortlaute, so doch dem Sinne nach den Abmachungen des Handelsvertrages nicht voll entsprachen. Diese Frage ist formell erledigt dadurch, daß der alte Handelsvertrag ab⸗ gelaufen und durch einen neuen Handelsvertrag ersetzt ist; dabei ist die Angelegenheit iu der Weise geregelt worden, daß Schweden einerseits wieder das Versprechen gegeben hat, keine Ausfuhrzölle und keine Ausfuhrverbote für Erz zu erlassen, sich aber ferner verpflichtet hat, eine Veränderung in den bestehenden Verträgen mit den Erzgesellschaften zu unseren Ungunsten nicht eintreten zu lassen. Diese Abmachung sichert uns für die Zeit der Geltung des Vertrags nach dem Urteil der von uns ge⸗ hörten Sachverständigen, das auch ich für zutreffend halte, die Mög⸗ lichkeit der Einfuhr schwedischer Erze in dem von unserer Industrie benötigtem Umfange.

Meine Herren, ein zweites neues Problem, das unsere wirtschaft⸗ liche Entwicklung gebracht hat, ist eine andere Lebensäußerung des Organisationsgedankens, von dem in den letzten Tagen so viel die Rede gewesen ist; es ist die Frage der Syndikate. Es gibt zwar Syn⸗ dikate in allen Ländern; aber sie entwickeln sich zweifellos leichter in Ländern mit Schutzzollpolitik (hört, hört! bei den Sozialdemokraten) und die Tarifpolitik des einzelnen Landes beeinflußt selbstverständlich auch die Gepflogenheiten und die Organisation der Syndikate.

Nun ist wiederholt darauf hingewiesen, daß in den Syndikaten erhebliche Gefahren liegen, Gefahren politischer, Gefahren wirtschaft⸗ licher Natur. Das ist in gewissen Grenzen zuzugeben. Mit den Syndikaten hat die Monopolfrage ein völlig neues Gesicht bekommen. Man hat früher, zum Teil aus Gründen wirtschaftspolitischer Doktrin, zum Teil aus Gründen politischer Natur, die Staats monopole aufs äußerste perhorresziert. Jetzt erwachsen uns in den Syndikaten

wirtschaftliche Organisationen, die tatsächlich den Charakter von

Privatmonopolen annehmen können (sehr richtig! links), und ich persönlich bin der Ansicht, daß ein Privatmonopol unter Umständen erheblich gesährlicher werden kann als ein Staatsmonopol (sehr richtig! links) namentlich ein Staatsmonopol in einem konstitutionell regierten Lande, in dem das Parlament jederzeit in der Lage ist, die Geschäfts⸗ gebarung bei der Verwaltung derartiger Monopole zu kontollieren. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, Umständen gezwungen sehen dürften, Privatmonopole in Staats⸗ monopole zu verwandeln. (Hört, hört! bei den Sozial⸗ demokraten.) Aber, meine Herren, ich habe auch den Eindruck, daß wir für diese Erkenntnis noch nicht reif sind. (Heiterkeit. Zurufe von den Sozialdemokraten: Wir schon lange!) Das mag sein, meine Herren, aber das hilft mir nichts. (Große Heiterkeit.) Auf der anderen Seite wird niemand verkennen und wenn ich nicht sebr irre, haben auch die Herren von der äußersten Linken es nicht verkannt —, daß die Syndikate in unserer modernen wirtschaft⸗ lichen Entwicklung etwas Notwendiges und zu einem erheblichen Teile Nützliches sind. Durch die Assoziation der Betriebsmittel und die

Assoziation des Angebots, die schließlich die Grundlage der Syndikate

sind, wird eine vollkommenere Ausnutzung der vorhandenen Betriebs⸗ mittel, und zweifellos eine gewisse Stabilisierung der Preise herbei⸗ geführt, mit der Stabilisierung der Preise auch eine Stabilisierung der Löhne, und, wenn es sich dabei um die Erzeugung notwendiger Produktionsmittel, beispielsweise der Kohle, handelt, die Stabilisierung eines großen Teiles unseres Wirtschaftslebens. (Sehr richtig!)

Solange also die Syndikate nicht ihre Monopolstellung in einer

wirtschaftlich und politisch unzulässigen Weise ausnutzen, haben wir

keine Veranlassung, gegen sie durch Verbote einzuschreiten, ganz ab⸗ gesehen davon, daß uns das nicht sehr viel helfen würde. Es gibt in Europa ein Land, in dem Syndikatsverträge nichtig sind. Trotz⸗ dem bestehen in diesem Lande die Syndikate ebenso wie anderswo; sie sind bloß nicht in der Lage, ihre Rechtsstreitigkeiten im Wege der Klage auszutragen. Die Dinge liegen ebenso wie bei Ihren (zu den Scozialdemokraten) Gewerkschaften, die auch nicht rechtsfähig sind und doch existieren und in gewissen Grenzen eine wirtschaftliche Macht sind.

Nun gebe ich zu, daß unsere Syndikate keineswegs in allem, was sie tun, tadels⸗ und einwandsfrei sind. Aber im großen und

ganzen haben sie die Funktionen erfüllt, die dem Syndikat in unserer

modernen Wirtschaft obliegen. Ich bin der Ansicht ich habe das bei früheren Gelegenheiten schon ausgeführt daß es aussichtslos sein würde, die mit der Entstehung von Syndikaten etwa verbundenen

Nachteile durch ein allgemeines Syndikatsgesetz auszuräumen, das eine gewisse Publizität vorschreibt, das der Regierung die Möglichkeit gibt, sich durch Kommissare über die Geschäftegebarung der Syndikate zu

informieren, und das eventuell durch zahme Ordnungsstrafen geschützt wird; sondern ich bin immer der Ansicht gewesen, daß, wenn sich die Notwendigkeit herausstellt, gegen ein Syndikat einzuschreiten, man das im Wege eines Spezialgesetzes, einer speziellen Reglementierung des betreffenden Syndikats, tun soll. Nur das ist wirksam, und nur das ist mit Erfolg durchführbar, weil die Betriebs⸗ und die Pro⸗ duktionsverhältnisse, die wirtschaftliche Bedeutung der Syndikate ganz

daß wir uns unter

.

Regierungen

wisse Stetigkeit der Preise herbeigeführt;

verschieden sind, je nachdem, ob es sich um Kohlen oder um Kali oder imn irgend ein anderes Produkt handelt.

Nun werden Sie mir, meine Herren, einwenden, daß doch das Kaligesetz eigentlich nicht zu weiteren Experimenten auf diesem Ge⸗ biete verleiten könnte. (Sehr richtig! links.) Ich will nicht in Ab⸗ ede stellen, daß das Kaligesetz den Erwartungen und Hoffnungen nicht entspricht (hört! hört! links), die ich daran geknüpft habe. Ich will aber auch unerörtert lassen, wer daran schuld ist, daß das Gesetz so geworden ist. Wir haben es so nicht vorgelegt. (Sehr ichtig! und Heiterkeit rechts.) Aber ich habe andererseits den erfreu⸗ lichen Eindruck gewonnen, daß die Erkenntnis von den Feblern, die bei dem Kaligesetz gemacht worden sind, sich mit einer solchen Ge⸗ schwindigkeit verbreitet, daß ich es nicht für ausgeschlossen halte, es möchten die Erfahrungen, die wir gemacht haben, uns die Möglichkeit bieten, auf einem anderen Gebiete erfolgreicher vorzugehen, als es hier der Fall gewesen ist. Vorläufig tröste ich mich auch mit der Zu⸗

ersicht, daß die Erfahrungen, die man mit dem Kaligesetz gemacht

hat, andere Syndikate veranlassen werden, alles zu tun, um bei den und bei den Parlamenten den Versuch hintanzuhalten, in ihre Verhältnisse im Wege der Gesetzgebung reglementierend einzugreifen. (Sehr richtig! rechts und links.)

Im Anschluß an diese allgemeinen Erörterungen über das Wesen der Syndikate, die ich ja nicht angefangen habe, sondern die ich im Anschluß an Erörterungen aus dem Hause heraus fortgesetzt habe, sind auch aus dem Hause heraus noch die Verhältnisse einzelner Syndikate erörtert worden. Man ist soviel ich weiß auf die

Verhältnisse des Kohlensyndikats und auf den Stahlwerks⸗

verband eingegangen. Diese beiden Syndikate sind, selbst wenn man in einzelnen Punkten ihre Politik nicht billigt, nach meiner Auf⸗ fassung und nach der Auffassung der verbündeten Regierungen Glieder unseres wirtschaftlichen Organismus geworden, die man nicht ohne weiteres verfallen lassen kann. Ich würde es auf das äußerste beklagen, wenn wir im Jahre 1916 vor der Eventualität stünden, ohne Kohlen⸗ syndikat arbeiten zu müssen. (Sehr richtig! rechts.) Ich würde es auf das äußerste beklagen, wenn der Stahlwerksverband nicht wieder zustande käme. Und ich würde das namentlich dann beklagen⸗ wenn ein derartiges Ereignis zusammenfiele mit dem Augenblick, wo wir genötigt sein können, unsere Handelsverträge zu erneuern, also zu einer Zeit wirksam würde, wo Erschütterungen von unserem wirtschaftlichen Organismus ferngehalten werden müssen. (Sehr richtig! rechts.)

Ich halte es daher wenn ich das auch noch im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Dr. Mayer erörtern darf, es gehört ja eigentlich nicht hierher für richtig, wenn der preußische Fiskus bestrebt gewesen ist, durch seinen vorläufigen Beitritt zum Kohlensyndikat die Chancen einer Fortdauer und einer sachgemäßen Neugestaltung dieses Syndikats zu heben. Ob der Staat Syndikaten angehören soll oder nicht, ist eine Frage, die man nicht grundsätzlich beantworten kann, es ist eine Frage, die nur be⸗ antwortet werden kann nach den Verhältnissen des einzelnen Falles. Man wird dem Staate das Recht nicht nehmen können, einem Syndikat beizutreten, wenn das aus wirtschaftlichen Gründen für ihn zweckmäßig erscheint, immer vorausgesetzt, daß die Richtlinien des Syn⸗ dikats, dem er beitritt, derartig sind, daß sie den Fiskus nicht in Konflikt bringen mit den wirtschaftlichen und politischen Aufgaben des Staates. Es wird unter Umständen auch eine Pflicht des Staates sein, in ein Syndikat einzutreten, wenn damit wichtige wirtschaftliche und politische Ziele gefördert werden, und wenn er in der Lage ist, das unter Formen und Voraussetzungen zu tun, die ihm die Möglichkeit geben, den allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Forderungen, die der Staat an ein Syndikat stellen muß, im gegebenen Falle den nötigen Nachdruck zu geben.

Meine Herren, ich will im einzelnen auf die neulich hier aus⸗ gesprochene Kritik über das Verhalten des preußischen Fiskus hier nicht eingehen. Wenn man aber darauf hingewiesen hat, daß gleich⸗ zeitig mit dem Eintritt des Fiskus ein Steigen der Kohlenpreise zu verzeichnen gewesen ist, so möchte ich doch nicht unterlassen, festzustellen, daß dieses Steigen der Kohlenpreise der Konjunktur entspricht, und so unangenehm es für den Konsumenten ist, doch wünschenswert war, weil es die Möglichkeit gibt, die Löhne der Konjunktur wieder an⸗ zupassen.

Meine Herren, das sind die Ausführungen handelspolitischer und wirtschaftlicher Natur, die ich zu machen habe. Ich hoffe, Sie werden aus ihnen entnommen haben, daß die verbündeten Regierungen und ich, soweit es uns obliegt, an Problemen, die uns auf diesem Gebiete erwachsen, nicht achtlos vorübergehen. (Beifall,) 8

Abg. Sachse (Soz.): Wenn jetzt der Kampf auch um den äußeren Markt geführt werden muß, dann müͤßte die Reichsregierung und der Staatssekretär auch die Konsequenzen für unsere Wirt⸗ schaftspolitik ziehen. Die exportierende sächsische Textilindustrie kommt aus den Schwierigkeiten garnicht mehr heraus. Bei der Vor⸗ bereitung der künftigen Handelsvorträge müßte also doch endlich einmal ein vernünftiger Standpunkt eingenommen werden, der diesen bedrängten Industrien gerecht wird. Was die Spyndikate betrifft, so haben wir, gerade wir, von je dahin gedrängt, Kali und Kohle zu verstaatlichen, um diese so wichtigen Produkte der Ausbeutung durch die Privaten zu entziehen. Jetzt hören wir, daß die Regierung sich auch mit dem Kaligesetz verrechnet hat. Wir sind für die Verstaat⸗ lichung des Kali⸗, wie des Kohlenbergbaues, aber dann müssen natür⸗ lich auch ausreichende Garantien fuͤr die Arbeiter gegeben werden. Der Staatssekretär rühmt den Syndikaten nach, sie hätten eine ge⸗ sse C ich werde noch nachweisen, daß dies auf den Bergbau nicht zutrifft. Wir müssen die Garantie haben, daß der Staat mit seinen Arbeitern nicht weiter so verfährt, wie es schon jetzt bei den Eisenbahnen usw. geschieht, wo die Arbeiter rechtlos gemacht werden und zum Teil noch schlechter behandelt werden als von den Scharfmachern in der Privatindustrie; vor allem muß den Arbeitern das uneingeschränkte Koalitionsrecht gewährleistet werden. Der Abg. Werner hat für die Mittelstandspolitik wieder einmal das alte Steckenpferd der Konzessionierung des Flaschenbier handels geritten. Das soll Mittelstandspolitik sein, wenn man dem einen Angehörigen des Mittelstandes nimmt, um dem anderen zu geben! Dann will man die Zwangsinnungen beibehalten, ihnen aber auch noch das Recht der I geben. Dann jiehen sie auch hier die Konsequenz, schreiben sie auch für die Arbeiter Minimallöhne vor! Dann stehen wir Ihnen auch für die Aufhebung des § 100 zur Verfügung. Die Klagen des Abg. Sosinski über die Handhabung des Vereins⸗ gesetzes können wir unendlich vermehren. Das Vereinsgesetz wird sicht bloß in Oberschlesien so sinnwidrig und schikanös angewandt; tundenlang könnte ich allein über Verbote von Versammlungen unter reiem Himmel reden. Wahlversammlungen wurden einfach aufgelöst, weil in ihnen angeblich „politisch“ gesprochen worden war. Die Auf⸗ öͤsung wurde zwar vom Regierungspräsidenten nicht gebilligt, aber er will nichts davon wissen, daß es sich um eine Wahlversammlung

n . habe, weil eine Anzahl Frauen dag esen wären. Nun st hier von verschiedenen Seiten der Schrei nach dem „Arbeitswilligengesetz,; erhoben worden Carmer sprach von vielen Zuschriften von Arbeitgebern üd Arbeitern, die ihm Terrorismusfälle mitgeteilt, aber zug ich dringend um Verschweigung ihres Namens ebeten häͤten! Ich habe schon damals zwischengerufen: bdas sind ßeiglinge! Arbeit⸗ geber und Schutzleute sollten sich sträuben, ih Ramen genannt zu sehen? In Wirklichkeit sind es Parteigänger der Gelben, die sich damit lieb Kind machen, die sich sonst eine! Vorteil erschleichen wollten, solche Subjekte sind es, die diese Tern rismusgeschichten in die Welt setzen. Die 1ö6ö1l jetzt in unseren Kohlenrevieren eingesetzt

die auch nichts sind als ein Terrorismus der Ichenbesitzer, die auch die schwarzen Listen noch keineswegs haben verchwinden lassen; eine der Forderungen der Ruhrbergleute lautet: Affhebung der Sperre! Will man hier gerecht sein, so soll man auch die „Deutsche Tages⸗ zeitung“ in der Liste der Terroristen aufführen, die hat sich zur Ver⸗ breitung eines Aufrufs zur Bildung einer straumen Organisation der ländlichen Bauherren hergegeben, worin der Ausschluß aller sozial⸗ demokratischen Maurer, Zimmerer usw. vor den Bauten zur Be⸗ dingung gemacht wird. Das ist denn doch der erganisierte Terrorismus. Der Abg. von Gamp empfahl die Seßhaftmahung der Arbeiter. Es ist schon auf die Zustände in den Bayerschin Farbwerken in Elber⸗ feld hingewiesen worden, zu denen der Abg. von Gamp in sehr nahen Beziehungen steht. Auf der Zeche riedlicher Nachbar“ wird ein direkter Zwang zum Kostgängerhäalten beim Vermieten der Wohnungen ausgeübt. Unter den heantragten Resolutionen befindet sich auch eine, die die Bäckereiverordnung be⸗ trifft. Wir wünschen nicht, daß an dieser irgendwie ge⸗ rüttelt werde. Ich komme zu unserer Resolution wegen Vor⸗ legung eines Reichsberggesetzs. Auch ich bedauere den Aus⸗ druch des Streiks auf den Zechen „Kaiserstuhl II1“ und „Scharn⸗ horstt. Man muß aber dabei birücksichtigen, daß Lohn⸗ abzüge vorgekommen sind. Trotzdem mißbilligen wir diese Disziplinlosikeit und haben bereäits eine Versammlung anberaumt, um die Leute zu bewegen, die Arbeit wieder aufzunehmen und nicht außer der Reihe zu tanzen. Im Preußischen Landtag hat heute der pr ußisch: Handelsminister mit dem Nationalliberalen Hirsch⸗Essen von den „Hetzern“ gesprochen, also scharfe Töne an⸗ geschlagen. Der Frieden kann auf die Dauer nur aufrecht erhalten werden, wenn die Arbeitgeber die berechtigten Interessen der Arbeiter berücksichtigen. Die Ber arbeiterlöhne waren 1872/73 fast doppelt so hoch wie 1886. uf der Zeche „Dahlbusch“ betrug der Durchschnittslohn 1873 1377 ℳ, 1886 nur noch 1055 ℳ. Aehnlich liegen die Verhältnisse bei einer ganzen Reihe anderer Zechen. Die Gewinne der Zechen stehen damit in keinem Verhältnis. Da ist ein kolossales Anwachsen zu konstatieren, aber nicht bei den Arbeiterlöhnen, notz der gestiegenen Erhöhung der Kohblenpreise. Wir sind nicht von den englischen Arbeitern zu einem Sympathie⸗ streik aufgebetzt worden, wer das sagt, spricht die Unwahrheit. Auch in Amerika geht man ja mit Lohnerhöhungen vor. Die Lohn⸗ bewegung fing bei uns schon 1910 an. Damals hieß es, wir hetzten die Arbeiter nur mit Rücksicht auf die Wahlen auf. Aber das ist durchaus unwahr. Wir haben damals die Lohnforderungen zurückgestellt gerade wegen der Reichstagswahlen. Wir wollten nicht verdächtigt werden, daß wir wegen der Reichstagswahlen vorgingen. Es ist ein lächerliches Mätzchen, zu behaupten, wir hätten eine halbe Million zur Unterstützung des englischen Streiks nach London geschickt. Die englischen Arbeiter haben solche finanziellen Unterstützungen gar nicht nötig. Auf beiden Seiten wird nur verlangt, daß man sich nicht gegenseitig in den Rücken fällt, wie es von seiten der christlichen Bergarbeiter geschehen ist. Diese sagen, sie machen nicht mit, ei schon Lohnerhöhungen versprochen worden seien. Was sind das für Versprechungen⸗ Einzelne Zechen haben versprochen, den Schichtlohn um 10 bis 30 für die Schicht zu er⸗ höhen, anderseits sind aber die Löhne auch reduziert worden. Die englische Kohleneinfuhr ist um 2 ½ Millionen Tonnen jährlich zurückgegangen, während die deutsche Ausfuhr erheblich gestiegen ist. In bezug auf die Schichtzeit gibt es bei uns traurige Zu⸗ stände. Die Marximalarbeitszeit ist in Belgien, und England eingeführt. Das Ueberschichtenwesen ist in esterreich teils ganz aufgehoben, teils eingeschränkt; bei uns, namentlich in Ober⸗ schlesien, bestehen noch Ueberschichten, die die Gesundheit mit Gewalt ruinieren müssen. Im Braunkohlenrevier erreicht die Krankenziffer eine unglaubliche Höhe. Es wird bei uns nicht eher besser werden, bis ein reichsgesetzlicher Maximalarbeitstag eingeführt wird. Auf manchen Zechen arbeiten die Bergleute nur noch nackend, so heiß ist es dort. Beschweren sich die Sicherheitsmänner, dann drohen ihnen die Unternehmer mit Entlassung. Einer solchen Ausbeutung gegenüber sollte die Regierung die eseß ebungsmaschine in Bewegung setzen und einen wirksamen Urbeitkerschuß durchführen. Vielleicht wird sich der Staatssekretär auf den „Gesundheitsbeirat“ berufen. Von dem merkt niemand etwas, er tut nichts. Wir brauchen ein Reichs⸗ berggesetz, daß die Sicherheitsmänner gegen Schikane sicherstellt. Aus reiner Profitwut bevorzugen die Zechenbesitzer ausländische Ar⸗ beiter, Galizier, die in Baracken wie Schweine zusammengepfercht werden und ein elendes Dasein führen. Sie können sich dann nicht wundern, daß die deutschen Arbeiter erregt werden; der Hetze bedarf es nicht. Die Grube „Ilse“ hat im letzten Jahre 26 % Dividende ver⸗ teilt! Wohlfahrtseinrichtungen auf der Zeche? Es sind Zechen⸗ kolonien, in die man weder eine Zeitung noch einen Verbandsboten hineinläßt! Wir verlangen die Vorlage eines Reichsberggesetzes, in’ dem u. a. auch die Arbeiterschutzbestimmungen und das Knapp⸗ schaftskassenwesen einheitlich geregelt werden. Es müßte be⸗ stimmt werden, daß Abschlagszahlungen mindestens einmal im Monat gezahlt werden müssen. Auch das Strafwesen ist dringend der Re⸗ vision bedürftig. Es gibt eine Zeche, die aus Strafen 28 000 Einnahmen jährlich bezieht. Ferner müssen wir die Einführung des paritätischen Arbeitsnachweises im Bergbau verlangen. Der ein⸗ feitige Arbeitsnachweis der Zechenbesitzer hat nicht gehindert, daß der Belegschaftswechsel jetzt genau so groß ist wie früher und ebenso der Unterschied im Verdienst auf den verschiedenen Zechen. Diese Unterschiede müssen beseitigt und ein Minimallohn eingeführt werden. Der Bundesrat hat auf dem Gebiete des Reichsgesetzes ver⸗ sagt, wahrscheinlich weil die Scharfmacher, die Zechenbesitzer es nicht wollen.

Abg. Irl Bentnh Der Staatssekretär hat heute den Ausspruch getan: Das Gesamtbild unserer wirtschaftlichen Entwicklung ist ein glänzendes. Bezüglich des Mittelstandes stimmt das nicht, obwohl doch der Mittelstand durchaus zum Ganzen unserer wirtschaftlichen Entwicklung gehört. Es muß das Bestreben darauf gerichtet sein und bleiben, einen leistungsfähigen Mittelstand zu erhalten; auch der Staatssekretär hat früher dieses Bestrehen als das seinige bezeichnet, aber in der Praxis ist für den Mittelstand noch nichts Erhebliches herausgesprungen. Mit den ewigen „Erwägungen“ sowohl beim Bundesrat wie bei den einzelnen Regierungen muß endlich gebrochen werden. Vor allem muß in der Debatte geschieden werden zwischen dem, was den Einzellandtagen zusteht, und dem, was der Reichsgesetzgebung obliegt. Beiläufig habe ich mich sehr gewundert, daß der Abg. Pauli nicht die Bürgerkunde in den Fort⸗ bildungsschulen will, aber noch mehr, daß er meinte, auch die Religion gehöre da nicht hinein. Gerade die Religion tut den jungen Leuten in diesen Schulen in der heutigen Zeit sehr gut. Die Sicherung der Bauhandwerker muß in den Distrikten, wo der Bauschwindel floriert, mit der Einführung des zweiten Teiles des Gesetzes gefördert werden. Die Einsichtnahme in die Baubücher muß den Interessenten gestattet sein; ist dazu eine Aende⸗ rung des ersten Teiles nötig, so werden wir dafür stimmen. Wir fordern also, daß in den bezüglichen Gebieten durch landes⸗ herrliche Verordnung die Einführung des zweiten Teiles verfügt wird. Dabei muß aber vorgesorgt werden, daß die Bauhandwerker nicht vom Regen in die Traufe kommen. Ein ausreichendes Mittel dürfte in der Beschaffung eines billigen Kredits liegen; der ist für alle Handwerker, Heeeso bere aber sör die Bauhandwerker eine Hauptsache.

hat, ist auch hervorgertfen durch die Sperren,

Auf diesem Wege ist mit Hilfe der neuen Reichsversicherungsordnung ein gut Stück vorwärts zu kommen, wenigstens soweit es den eeenlise Personalkredit betrifft. Die Kreditgenossen⸗ chaften können dadurch Millionen zur Verfügung behalten und so in bisber unerreichter Weise gestärkt werden. Wir würden es sehr Feeüken. wenn der Staatssekretär aus irgendeinem Fonds die 8 Revisionsverbände, die in einzelnen Bundesstaaten bestehen, unter⸗ stützte, damit sie mindestens alle zwei Jahre ihre Erfahrungen aus⸗ tauschen könnten. Wir wollen dabei allerdings nicht haben, daß das Reich in die einzelnen Landesrevisionsverbände mehr bineinregiert, als ihm nach dem Genoss nschaftsgesetz zusteht. Das Submissionswesen ist zwar in der Hauptsache auch Landes⸗ sache, doch bin ich zu einer Entgegnung zuf die bezüglichen Aeußerungen der Abgg. Bassermann, Doormann und Bartschat ezwungen. Daß letzterer den Entwurf des Hansabundes gelobt at, muß mich wirklich wundern. Was an diesem Antrag für das 8 e neu ist, ist nicht gut, er paßt nur für die Industrie as Zentrum hat schon öfters verlangt, daß Staat und Kommunen dic Handwerksarbeiten nicht in eigener Regie herstellen sollen. Ich glaube, der Kollege Bartschat und jeder verständige Mann wird mi mir darüber einig sein, daß ein Handwerker, der nahezu 15 % unte einem genau kalkulierten Kostenanschlage arbeitet, nichts verdient. Wir in Bavern bedanken uns für eine gesetzliche Regelung dieser Frage, und ebenso glaube ich, werden sich die Sachsen bedanken. Bei uns werden Arbeiten im Betrage von Millionen an die Handwerke ohne Submissionen vergeben. Glauben Sie denn, daß es dem kleinen Handwerksmeister etwas hilft, wenn er die Behörde verklagt? Ich bin der Meinung, daß der wunderbare Vorschlag des Hanta⸗ dundes wohl für die Industrie paßt, aber nicht für das Handwerk. Daß die Bevormundung des Handwerks durch den § 100 g in Zu⸗ kunft wegfällt, wünschen auch wir. Unhaltbar ist der Zustand, daß die Entscheidungen der maßgebenden Stellen über die grundsätzliche

Auffassung der Begriffe Fabrik und Handwerk zu sehr voneinander

abweichen. So wird die Auffassung der Berliner Handelskammer in dieser Frage von der Cölner Handelskammer prinzipiell bestritten. Wenn wir eine Regulierung des Hausierhandels befürworten, so liegt es uns fern, diejenigen deutschen Distrikte schädigen zu wollen, die auf den Hausierhandel angewiesen sind, wie die des Eichs⸗ feldes, des Westerwaldes. Die Regierung sollte überlegen, ob es nicht möglich ist, diese Bezirke auf eine industrielle Beschäftigun hinzuweisen. Was wir besonders bekämpfen, ist der Lohnhausierhandel. Das Hausieren für fremde Arbeitgeber müßte verboten werden. Außer⸗ dem müßte der Betrieb des Hausierhandels durch Ausländer möglichst eingeschränkt werden, ebenso die Verwendung von Kindern und die in der Gewerbeordnung festgesetzte Altersstufe von 14 auf 16 Jahre herab⸗ gesetzt und die Mitführung von Personen anderen Geschlechts mit Aus⸗ nahme der Ehegatten und nächsten Verwandten des Hausierers verboten werden. Das Gesetz üvber den unla teren Wettbewerb wird nament⸗ in seiner Handhabung und Auslegung durch die Gerichte als ungenügend empfunden. Der Mittelstand geht seinem Ruin entgegen, wenn er nicht mehr geschützt wird. Die Staatsanwälte sollten im öffentlichen Interesse gegen die schwindelhaften Ausverkäufe vorgehen. Das liegt auch im Interesse des Pablikums, dem man wertlose Waren aufhängt. Man hat gemeint, was den Bauern und Handwerks⸗ genossenschaften recht, müsse auch für die Konsumvereine billig sein. Beide Gruppen lassen sich nicht vergleichen. Die erste ist werte⸗ schaffend, während die Sozialdemokratie das Genossenschaftswesen nur auf die Svitze treibt, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Ich schließe mich vollkommen dem an, was der Abg. Pauli⸗ Hagenow über die Beamtenkonsumvereine gesagt hat. Den Beamten müßte zum mindesten verboten werden Leiter von Konsumvereinen zu werden. Die Beamten sollten doch bedenken, daß es sich um den Schutz der produktiven Stände handelt, und die Regierung sollte mit ihrer Hilfe nicht warten, bis es zu spät ist.

Um 6 ¾ Uhr wird die Fortsetzung der Dienstag 1 Uhr vertagt.

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Beratung auf

Preußischer Landtag Haus der Abgeordneten. 29. Sitzung vom 4. März 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung, in der die zweite Be⸗ ratung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungs⸗ jahr 1912 bei dem Etat der Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung fortgesetzt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. 1

Die Einnahmen aus Steinkohlen und Koks sind auf 220 801 700 ℳ, um 6 994 380 höher als im Vorjahre, angesetzt.

Abg. Brust entr.):

Die Einnahmen der Steinkohlenberg⸗ werke sind mit 220 Millionen, 7 Millionen mehr als im Vorjahre, wirklich sehr vorsichtig geschätzt. Wir haben dagegen durchaus nichts einzuwenden; jedenfalls ist dieser * empfehlenswerter als eine Schätzung, die nachher von der Wirklichkeit nicht erreicht wird. Der Bergfiskus hat eine stärkere Konkurrenz erfahren und einen Teil seines Absatzgebietes dieser geoffnet, indem er zu lange an höheren Kohlenpreisen festhielt. Eine Erhöhung der Löhne der Arbeiter cheint die Bergwerksverwaltung nicht vorgesehen zu haben; der Ge⸗ amtbetrag der Löhne ist auf 132 Millionen, 3 ¼ Millionen mehr als im Vorjahre, veranschlagt, und das Mehr wird motiviert als „in der Hauptsache durch die Betriebssteigerung der westfälischen Werke veranlaßt“. Ich würde das sehr bedauern, hoffe aber, daß. die Ver⸗ waltung trotzdem nicht zurückbleiben wird, wenn die Löhne eine steigende Tendenz erkennen lassen. Neu in dem Etat sind die „Ge⸗ winnanteile für höhere technische Beamte“ 124 000 und die „Prämien für obere und mittlere Werksbeamte“ 278 000 ℳ. Auf meine Anregung in der Kommission, auch den Berginspektoren Ge⸗ winnanteile zu gewähren, ist die Verwaltun leider nicht eingegangen. da zunächst einmal die Wirkung dieses Verfuchs in dem im Etat ge⸗

gebenen Umfange abgewartet werden müsse. Dagegen läßt sich ja auch nichts ae-e a-Sa edene einwenden. Die Gratifikationen für technische Beamte sind dagegen auf 77 600 ℳ, d. h. um 108 400 gegen das Vorjahr, herabgesetzt worden. An sich 2 wir Gegner des Prämiensystems, wie es auch die mittleren Wer sbeamten in den Staatsbetrieben sind; man hat sich aber damit abfinden müssen, und es bleibt nur zu wünschen, daß die Prämien lediglich nach der Ge rechtigkeit, nicht aber nach Gunst oder gar nach der politischen Ueber⸗ eugung gewährt werden. Die mittleren Werksbeamten haben dem Memnistertum eine Denkschrift eingereicht, die ich der Beachtung der Verwaltung dringend empfehle. Die Markscheider des Bezirks Saar brücken haben ebenfalls um Zuwendung von Gewinnanteilen petitio⸗ niert. Ich schätze die Tätigkeit der arkscheider gewiß sehr hoch, aber auf die Rentabilität der Werke hat sie keinen Einfluß; auch sind die Gehälter der Herren 1910 wesentlich erhöht worden. Der An⸗ schluß des preußischen Bergfiskus an das Kohlensyndikat und die ihm olgende Erhöhung der Richtpreise ist im Reichstag einer Kritik unterzogen worden. Dazu hat dieser unzweifelhaft das Recht; ich pflichte den Ausführungen, die darüber dort gemacht sind, auch in manchen Punkten bei, namentlich in betreff des Vorwurfs, daß das Syndikat zu lange an den hohen Preisen festbält. Die selbständige Stellung des Fiskus im Kohlensyndikat, seine möglichste Unabhängig⸗ keit vom Kohlenkontor haben wir auch unsererseits nach Kräften, zu 8 versucht. Wir koönnen auch nicht wünschen, daß der fis⸗ alische Bergwerksbetrieb unrentabel bleibt, zumal sich der Fiskus Westfalen nur sehr schwer hat erringen können

82 den ggh, 5 Syondikats kaum in Frage; die Preiserhöhung wäre ohne Zweise

8 den Eintritt n Fiskus erfolgt. 96 die Preiserhöhung nicht zu stark ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Seit etwa

l Kagen sind im Ruhrkohlengebiet die anarcho soztalistischen Heber

5 Stellung in ie fiskalische Kohlenproduktion kommt