1912 / 60 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 07 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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Schätzung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)

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17,80 17,90 18,10 18,10 17,60 18,00 17,55 19,20 18,00

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20,00 20,00 18,30 18,40

Gerste. 17,00 19,40 19,00 20,00

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18,00 21,40 22,10 20,60

17,00 19,50 19,00 20,00

16,50 20,00 20,60 19,75 20,00

23,00 23,00 22,00 22,50

16,00 16,10 19,10 20,00 19,50

21,00 21,50 18,00 21,40 22,00

Haser. 18,40 18,40 18,80 19,20 20,30 20,30 18,50 19,00 19,00 19,00

18,00 18,00 19,60 19,60 19,10 19,10 18,60 19,10 19,40 19,40 18,85 19,10 22,00 22,00 21,75 22,00 19,20 19,20 21,00 21,40 20,50 20,80 180. 19,70 19,70 10 21,60 23,00 27 21,00 21,00 195 21,00 22,00 321 21,50 22,00 56

18,50 ;80 17,20 17,60

18,40 18,30 18,00 18,35

21,00 18,80 20,20 20,20 18,70 21,00 20,60 V 20,60

20,50 21,00 ““

Bemerkungen. Die verkaufte Penfs wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Der

Ein liegender Strich (—) in den Spa Beerlin, den 7. März 1912.

ten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.)

Kaiserliches Statistisches Amt.

. V.: Dr. Zacher.

Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender

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Deutscher Reichstag. 8 21. Sitzung vom 6. März 1912, Nachmittags 1 Uhr (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

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Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Fest⸗ stellung des Reichshaushaltsetats für das Rech⸗ nungsjahr 1912, und zwar: „Etat für das Reichsamt des Innern“.

Abg. Behrens (Wirtsch. Vgg.) in seiner Rede, deren Anfang in der gestrigen Nummer d. Bl. mitgeteilt worden ist, fort⸗ fahrend: Wir stehen nicht b2 dem Standpunkt, daß es ohne Sozialdemokratie keine Sozialreform gäbe, und wir können die Logik der Sozialdemokraten nicht verstehen, daß in der Soztial⸗ vofitir jetzt ein Stillstand und sogar eine Verschlechterung ein⸗ getreten sei. Sind die „Abschlagszahlungen“ und⸗ „Linsengerichte“ etwa auch eine Folge des Satzes: Ohne Sozialdemokratie keine Sozialpolitik? Die Resolutionen der Sozialdemokratie sind nichts weiter als kleine Abschlagszahlungen in der bestehenden Gesetz⸗ ebung. Es wäre erwünscht, wenn die Vertreter der Sozialdemokratie sier einmal auf die allgemeine Wirtschaftspolitik und auf unser Ver⸗

hältnis zur Weltwirtschaft eingegangen wären. Dadurch, daß den Arbeitern draußen im Lande lediglich die negativen Seiten gezeigt werden, entsteht bei ihnen ein ganz falsches Bild von dem Wert der deutschen Wirtschaftspolitik und der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. Die Gesamtentwicklung der deutschen Volkswirt⸗ schaft zeigt doch jetzt nach der schweren Zeit der vergangenen Jahre eine recht erfreuliche Aufwärtsbewegung. Unser Außenhandel hat gegenüber England eine erhebliche Steigerung erfahren. Die Entwicklung der Roheisen⸗, der elektrischen Industrie und anderer Industrien ist insofern zu begrüßen, als sie der steigenden Zahl der Arbeiter lohnende Beschäftigung gibt. Die Ursache der Schwierigkeiten der Textilindustrie liegt in der Abhängigkeit von der amerikanischen Konkurrenz und daron, daß andere Staaten, wie Brasilien und Japan, eine leistungsfähige Textilindustrie geschaffen haben. Der Hauptabnebmer für diese Industric ist das Inland. Schwächen wir nun die Kaufkraft der Landwirte, so schwächen wir auch die Textilindustrie. Der Ahg. Sochse machte es sich leicht, die Ursachen jener Schwierigkeiten auf die falsche Wirtschaftspolitik zurückzufübren. Tiese Meinung ist falsch und irrefübrend. Daß wir in einzelnen Industrien vielfach mit ausländischen Arbeitern zu rechnen haben, ist im Interesse der deutschen Arbeiter aufs tiesste zu beklagen. Wir haben von jeher dagegen angckämpft, nur die Kampfmethode der Sozialdemokraten halten

wir nicht für richtig. Ueber Volksschichten haben wir bei den Teuerungsinterpellationen ge⸗ sprochen. Die Dürre hat zu einer Teuerung geführt; das ist aber ein elementares Ereignis, für das die Wirtschaftspolitik nicht ver⸗ antwortlich gemacht werden kann. Gegenmittel sino die Leistungs⸗ fähigkeit der Landwirtschaft und angemessene Löhne. Eine der vor⸗ nehmsten und ernstesten unserer Gesetzgebung ist die Lösung der Wohnungsfrage; eine umfassende Wohnungsreform kann aber nicht erfolgen ohne eine durchgreifende Bodenreform. Die Syndikate bedeuten für unser Wirtschaftsleben unter Umständen eine Gefahr, unter Umständen aber auch eine Notwendigkeit. Wäre das Kohlenfyvndikat im vorigen Jahre in die Brüche gegangen, so wäre ein wütender Konkurrenzkampf im Ruhrrevier eingetreten. Das wäre wiederum für die Arbeiter von unheilvollen Folgen ge⸗ wesen. Mit dem Eintritt des preußischen Fistus in das Kohlen⸗ syndikat darf dieses wohl als gesichert betrachtet werden. Ob die Erhöhung der Kohlenpreise notwendig war, wäre zu untersuchen. Das Großbankenwesen ist hier wohl von entscheidendem Einfluß ge⸗ wesen. Wir glauben auch, daß wir möglichst bald zu einer Syndikatsgesetzgebung kommen müssen. So ruhig dürfen wir die Kartellbildung nicht vor sich gehen lassen; wir vürsen die Auswüchse nicht hingehen lassen und dürfen nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Die Syndikate bedeuten eigentlich eine Sonder⸗

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nach überschläglicher

die Lebenshaltung der unteren

b 8* 8 ““ 8 8 stellung bestimmter Wirtschaftsgruppen, ein ge iisses Prive opol, wodurch die Syndikate einen außerordentlichen Einfluß auf die Pro⸗ duktion und die Arbeiter haben. Die Gesetzgebung muß Be⸗ stimmungen treffen können über die Lohnhöhe und die Arbeitezeit innerhalb der Syndikate. Die Sozialdemokratie läßt völlig außer acht eine gerechte Würdigung der heimischen Landwirtschaft. Es ist doch nicht zu bestreiten, daß die deutsche Landwirtschaft ein Jung⸗ brunnen unserer Wehrkraft und der beste Abnehmer für die Industrie ist. Eine gesunde Bauernpolitik ist der beste Eckpfeiler für eine ge⸗ sunde Wirtschaftspolitik. Deshalb begrüßen wir die Resolution, die sich darauf bezieht, mehr Bauerngüter zu schaffen. Wir unterstützen die Bestrebungen auf Förderung der inneren Kolonisation. Der Abg. von Kapbengst ist auf dem Gebiete der Urbarmachung von Oedländereien vor⸗ bildlich vorgegangen. Es wäre zu wünschen, daß nicht nur die bürger⸗ lichen Parteien sich für diese Frage interessierten, sondern auch die Gewerkschaften, die von der äußersten Linken vertreten werden. Wir werden alle Maßnahmen unterstützen, die den Mittelstand fördern. Der Abg. Bassermann wünschte die Zurückstellung der soztalpolitischen Kleinarbeit und empfahl große Gesichtspunkte in der Sozialpolitik, aber gerade die Kleinarbeit ist für die betreffenden Kreise von außerordentlicher Bedeutung. Die Gewerbeordnung müßte allerdings zu einem besonderen Arbeiterrecht ausgearbeitet werden; wenn der Staatssekretär das unternähme, würde sicherlich die Mehr⸗ heit des Hauses damit einverstanden sein. Die Versicherungs⸗ gesetzgebung ist gewissermaßen zu einem vorläufigen Abschluß ge⸗ kommen, sie hat im Vergleich zu dem bisherigen Zustand einen außer⸗ ordentlichen Fortschritt gemacht, wenn auch nicht alle Wünsche der einzelnen Parteien erfüllt sind. Wenn man von einer Verschlechterung spricht, so erweckt das einen falschen Eindruck im Lande. Gewiß sind noch Mängel vorhanden, die nochmals der Behandlung unterzogen werden müssen; so müßte die Altersgrenze auf 65 Jahre herabgesetzt werden, die Kinderzuschußrente müßte allen gewährt werden, auch denen, deren Invalidität vor den 1. Januar 1912 zurückgeht, die Witwen⸗ und Waisenrente müßte auch denen gewährt werden, deren Ernährer vor dem 1. Januar 1912 gestorben ist. Die größte Mißstimmung unter den Bergarbeitern hat es erregt, daß die Bergbesitzer einen Pfennig Beitrag gespart haben, um die Witwen⸗ und die Waisenrente zu kürzen; hätten sie das nicht getan, so hätten sie sich Freunde in der Arbeiterschaft erworben und sich eine sozialpolitische Blamage erspart. Was kann man da von dem preußischen Staat erwarten, der gleichfalls den § 1322 streng auslegt und die halbe Knappschaftsrente kürzt? Bei der Reichsversicherungsordnung schallte es uns aus dem Bundes⸗ rat entgegen, die Mittel des Reiches reichten nicht aus, aber jetzt hören wir, daß aus der Reichsfinanzreform ein Ueberschuß von 5220 Millionen herausgekommen ist. Können wir das Geld nicht verwenden, um die Kinderzuschußrente und die Witwen⸗ und Waisen⸗ rente auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1912 auf Reichskosten zu übernebmen? Es entsteht doch überall im Lande Mißmut, wenn die eine Witwe eine Rente bekommt, die andere nicht, wenn an der einen Stelle die Kinderzuschußrente gezahlt wird, an der anderen nicht. Die Resolution wegen verstärkten Schutzes der Arbeits⸗ willigen fasse ich nicht als eine Unfreundlichkeit gegen die Arbeiter an sich auf, aber ich stimme doch dagegen, weil ich sie für undurchführbar und für schädlich erachte. Gewiß herrscht großer Unmut bei den Kleinbürgern und den Geschäftsleuten über den Terrorismus der Sozialdemokratie, aber durch Strafbestimmungen läßt sich nichts dagegen machen, sie könnten vielmehr auch die anderen Arbeiterorganisationen in der Freiheit ihrer Bewegung treffen, die sich von dem Terrorismus fernhalten und ihn miß⸗ billigen. Die Sozialdemokratie ist schuld daran, daß überhaupt solche Ideen in der Gesetzgebung entstehen konnten. Die Sozial⸗ demokratie beschwert sich in herzbrechenden Tönen und Klagen über schwarze Listen und Boykott, aber welches sittliche Recht hat sie dazu, wenn sie selbst noch schlimmer vorgeht? Bei den letzten Landtagswahlen ist, wie uns in einer Petition geschildert wird, ein schlimmer Boykott gegen die Geschäftsleute geübt worden. Ich habe hier ein Flugblatt, in dem geradezu aus politischen Motiven zum Boykott der kleinen Geschäftsleute aufgefordert wird. Wenn dagegen ein selbständiges Bürgertum sich auflehnt, so sind Sie die Schuldigen. Auch die christliche Arbeiterbewegung wird von der sozialdemokratischen Presse in der gehässigsten und unfeinsten Weise angegriffen. Unser Kollege Heckmann, der stets ein ebrenhafter Berg⸗ arbeiter gewesen ist, ist in außerordentlich heftiger Weise sogar als Streikbrecher hingestellt worden. Damit wirken Sie demoralisierend, dadurch sind Sie die Ursachen, wenn in gesetzgeberischen Körper⸗ schaften Forderungen und Wünsche dahin aufgestellt werden, daß man mit Strafgesetzen gegen die Arbeiterbewegung vorgeht. Wir lehnen rundweg die Verantwortung dafür ab, wir werden uns dagegen wenden, aber wenn unsere Macht nicht ausreicht, das zu verhindern, dann fällt die Verantwortung auf die Sozialdemöokratie. Wenn saivrrangesgente und Techniker gezwungen werden, aus ihren Organi⸗ ationen auszutreten, so verurteilen wir das aufs schärfste. Wir fordern das gleiche Recht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Fragen des Tarifwesens und des Einigungswesens werden in der nächsten Zeit im Vordergrund der Crörterung stehen. Wir bedauern, daß uns die verbündeten Regierungen ein Arbeitskammergesetz noch nicht wieder vorgelegt haben. Die Arbeitskammern sind wirklich Institute des sozialen Friedens. Je weiter die Organisationen sich durch das ganze Reich ausdehnen, desto mehr macht sich das Ein⸗ greifen einer Zentralstelle notwendig. Jetzt wartet das Reichsamt des Innern, bis es von beiden Seiten zur Entscheidung oder Vermittlung angerufen wird. Notwendig ist es aber, daß eine Stelle da ist, die aus eigener Initiative eingreift. Auch die Frage der Tarifverträge bedarf einer gesetzlichen Regelung. Denn jetzt zeigt es sich z. B. im Buchdruckergewerbe, daß der Gutenbergbund beim Abschluß von Tarisverträgen so gut wie ganz ausgeschlossen ist. Gegenuber dieser Tendenz ist es notwendig, die Freiheit der Persönlichkeit, die Freibeit des Arbeitsvertrages zu sichern. Die Täͤtigkeit des englischen Handelsamtes kann für uns vorbildlich sein. In der jetzigen Bergarbeiterbewegung ist von der sozialdemokratischen Presse und auch hier im Hause ein ganz falsches Bild über die Stellung der christlichen Gewerkschaften entrollt worden. Die nationalen Bergarbeiter haben den Sympathiestreik abgelehnt aus nationalwirtschaftlichen Gründen, aber auch aus dem Grunde, um den englischen Arbeitern den Kampf nicht zu erschweren. Diese Gründe sind in der sozialdemokratischen Presse ganz anders dargestellt worden. Im Sovarrevier herrschen ganz unhaltbare Zustände, nicht nur, daß die Löhne dort niedriger sind, es wird auch ein Strafsystem gehandhabt, das mehr als vorsintflutlich ist. Das Nullen ist verboten, heißt es, aber im Saarrevier werden Leute auf mehrere Wochen zur Strafe ausgeschlossen, und es werden Maßnahmen getroffen, daß der Betreffende keine andere Arbeitsge egenheit annehmen darf. Seine Familie wird dem Hungertode preisgegeben. Es ist Zeit, daß die Bergverwaltung diesen Zuständen ein Ende macht. Der preußische Fiskus sollte sich üͤberlegen, ob man nicht zu Tarifverträgen kommen kann. Was das Ruhrgebiet betrifft, so sind die Löhne dort zwar ge⸗ stiegen, aber noch lange nicht bis zu der Höhe von 1907. Es ist eine Staummung vorhanden unter der Arbeiterschaft, daß die Löhne möglichst bald über den Stand von 1907 steigen. Bis zum 1. April soll nun diese Steigerung durch die Zechen tatsächlich stattfinden. Daraufhin hat der christliche Bergarbeiterverband darauf verzichtet, eine Eingabe an die Zechen zu machen. Die Vorwürfe gegen ihn sind also unberechtigt. Der sozialdemokratische Verband hat noch zehn weitere Forde⸗ rungen aufgestellt. worin auch ein Ausgleich der Löhne verlangt wird. Die Verkürzung der Löhne soll eine Folge dieser ersten Forderung sein. Man hätte doch höchstens eine Erhöhung der Mindestlöhne verlangen sollen. Jeder verständige Mensch müßte voraussehen, daß in jener Gegend Putschen nicht ausgeschlossen war. Ein Sympathiestreik in diesem Augenblick würde auch nach der Meinung des Herrn Hue den Interessen der englischen Arbeiter widerstreiten, wenn das aber von einem Sympathiestreik gilt, so gilt es auch von jedem anderen Streik. Wir haben zuviel Verant⸗ wortlichkeitsgefühl für unsere Bergarbeiter, als daß wir ihr Wohl und Wehe von dem Vertrauen auf die sozialdemokratischen Führer

B

abhängig machen könnt Unsere Forderungen für die Bergarbeiter sind im übrigen bekannt. Erne Erhöhung der Löhne und die Ein⸗ führung der Tarifverträge ist nach Lage der Zechen wohl möglich. Die deutschen Bundesstaaten, vor allem Preußen, sollten den Berg⸗ arbeitern mehr entgegenkommen. öö

Abg. von Oertzen (Np.): Auf die sozialpolitischen Probleme will ich meinerseits nicht eingehen. Ich wollte die Frage der Waren⸗ lager und die Besteuerung der Konsumvereine zur Sprache bringen. Beide Fragen sind für die Bevölkerung von der höchsten Bedeutung. Jeder, der im Lande bekannt ist, wird wissen, daß die Warenlager dem Handwerk sehr schwere Konkurrenz machen. Die betreffenden Waren sind oft sehr minderwertig. Das Publitum läßt sich durch den Schein läuschen und kauft unter Aufwendung der ganzen Barmittel. Mir haben Schneider und Schuster versichert, daß sie infolgedessen fast nur auf Flickwerk angewiesen sind. Gerade der Mittelstand ist seneigt sich subversiven Bestrebungen entgegenzustellen, die die staatliche Ordnung gefährden wollen. So ist es auf dem Lande und in den Städten. Deshalb muß man Mittel und Wege finden, um den Mittelstand gegen die Konkurrenz der Warenhäuser zu schützen. Wenn die rücksichtslose Ausbeutung der Bestimmungen der Gewerbeordnung wesentliche Schichten der Bevölkerung schädigt, so muß Remedur geschaffen werden. Ein Befürfnis, Warenlager im Lande zu gestatten, besteht nicht oder doch nur in geringem Maße. Entweder müssen sie von einem Bedürfnis abhängig gemacht, oder es muß bestimmt werden, daß Warenlager in Orten bis zu einer bestimmten Größe überhaupt nicht zugelassen werden dürfen. Die Bedürfnisfrage läßt sich hier nicht als Kriterium einführen, denn die Entscheidung der Verwaltungsbehörde würde zu arbiträr sein, und sie würde stets „dem Vorwurf ausgesetzt bleiben, daß Partei⸗ rücksichten dabei maßgebend gewesen wären. Selbst Hausier⸗ scheine dürfen nicht über eine gewisse Anzahl hinaus erteilt werden: ein Warenlager aber ist bedenklicher als 50 Hausjerscheine. In den Handwerkerkreisen besteht über die Zulassung dieser Lager große Erbitterung, und mit Recht, denn die Leute kommen dadurch

Selbständigkeit. Die verbündeten Regierungen sollten also möglichst bald einen Gesetzentwurf einbringen, um Remedur zu schaffen. Die Konsumvereine haben an manchen Stellen Gutes geschaffen, sie machen aber im allgemeinen den kleinen Gewerbetreibenden große Konkurrenz, nicht bloß die kleinen, sondern auch die großen, wie der Offizierverein und der Beamtenverein. Es wäre nicht richtig, die Konsumvereine zu verbieten, aber es ist durchaus billig und gerecht, sie zu den Steuern heranzuziehen (Ruf links: Geschieht ja!); sie zahlen in einzelnen Gegenden Steuern, aber nicht überall. Auch in dieser Beziehung ersuche ich die Regierung, Remedur zu schaffen. Abg. Giebel (Soz.): Die Konsumvereine werden be⸗ reits besteuert und nicht zu wenig; den Bestrebungen des Vor⸗ redners, die ja noch viel schärfer im preußischen Abgeordneten⸗ bause hervortraten, werden die Konsumpereine den entschieden⸗ sten und bhoffentlich erfolgreichen Widerstand entgegensetzen. Der Abg. Behrens meinte, aus nationalwirtschaftlichen Gründen wollten sich die christlichen Bergarbeiterorganisationen nicht an dem deutschen Sympathiestreik beteiligen. Davon ist auch gar keine Rede, daß die deutschen Bergarbeiter sich aus Sympathie für England oder irgendeine andere Nation in einen Streik einlassen würden; was Hue in dieser Beziehung gesagt hat, ist die Meinung der gesamten Bergarbeiterschaft. Was nun die Erhöhung der Löhne betrifft, so hat selbst die Zentrumspresse zugestanden, daß die Ver⸗ sprechungen der Zechenbesitzer gar nicht oder nur sehr teilweise ge⸗ halten würden. Hinter den äußerlich harmlosen Ausführungen des Abg. Oertel verbarg sich doch nur dasselbe, was in der Wahlbewegung der Abg. von Heydebrand in bezug auf die Kneblung der Arbeiterklasse vertreten hat; diese Ausführungen sind wohl auch nirgends im Hause auf die dazu erforderliche Leichtgläubigkeit gestoßen. Der Staatssekretär hat den Stillstand der deutschen Sozialpolitik geleugnet. Was bisber auf diesem Gebiete erreicht ist, ist nur durch die antreibende Kraft der Sozialdemokratie erreicht worden, die der bürgerlichen Gesellschaft das Gewissen geschärft hat. Der selbständige Mittelstand soll nicht zurück⸗ gegangen sein, nur die Handwerker sollen hier eine Ausnahme machen. Gewiß gibt es noch Berufe, die noch nicht von der Maschine er⸗ faßt sind, aber die Zeit, wo das Großkapital auch diese Berufe zer⸗ stören wird, rückt immer näher heran. Jetzt will man den Hand⸗ werkern Hilfe bringen, auch durch die Reichsversicherung. Unsere Anträge aber in dieser Richtung hat man bei der Reichsversicherungs⸗ ordnung und schon früher wiederbolt abgelehnt, und gerade die mittelständlerischen Parteien nahmen bei der Ablehnung die Führung. Die Privatangestellten sind noch keineswegs in genügender Weise be⸗ rücksichtigt. Das Gesetz über die Versicherung der Angestellten war nur ein Angstprodukt des sterbenden Reichstags, und nur partei⸗ politische Erwägungen haben dazu geführt, es war eine partei⸗ politische Prophylaxe, die verhindern sollte, daß auch die Privat⸗ angestellten sich restlos der Sozialdemokratie zuwenden. Der Staatssekretär spricht von dem neuen Mittelstand, aber man könnte viel eher sagen: ein neuer mittelloser Stand. Der Stand der An⸗ gestellten hat gegenüber dem Unternehmertum ebenso die aus⸗ gesprochensten Arbeitnehmerinteressen zu wahren wie die Industrie⸗ arbeiterschaft. Der soziale Frieden zwischen den Angestellten und Unternehmern ist nur so weit vorhanden, als die Angestellten sich widerspruchslos die Ausnutzung durch die Unternehmer gefallen lassen; die Abhängigkeit der Privatangestellten vom Unternehmertum ist ebenso groß, ja in perfönlicher Beziebung noch größer als die der Arbeiterschaft. Manche Unternehmer behalten sich sogar die Erlaubnis zur Eheschließung ihrer Angestellten vor, und ein Kattowitzer Industriewerk verweigert die Erlaubnis, wenn ein Beamter eine Polin zder ein Mädchen heiraten will, das nicht als eine Beamtenfrau angesehen werden könne. Das ist ein unerhörter Eingriff in die persönliche Freiheit des Angestellten. Diese Freiheit ist nur eine Phrase. Bei einer großen Berliner Firma gibt es eine Arbeits⸗ ordnung, in der z. B. das Verlassen der Bureauräume unter Strafe gestellt ist, in der weiter vorgeschrieben ist, daß ein Angestellter zwar gegen eine Anordnung, die er nicht für richtig hält, in angemessener Form seine Bedenken geltend machen dürfe, daß er aber die Aus⸗ führung des Auftrags darum nicht verzögern dürfe. Das ist die Ueber⸗ tragung des Militartsmus auf das Dienstverhältnis der Privatbeamfen. Ueber die Beseitiaung der Konkurrenzklausel schw ben bei der Re⸗ gierung Erwägungen, aber nur für die kaufmännischen Angestellten, und doch wird die Konkurrenzklausel nicht minder gegen die technischen Angestellten gehandhabt. In einem Fall verpflichtete sich ein Angestellter durch Ehrenwort, zwei Jahre lang nicht in Deutschland und der Schweiz eine Anstellung zu nehmen, und weil man dem Ehrenwort nicht genügend traute, legte man ihm noch eine Konventionalstrafe von 10 000 auf. Der Mißbrauch des Ehrenworts nimmt in diesen Angelegenheiten überhaupt einen beängstigenden Umfang an. Es gibt auch eine heimliche Konkurrenz⸗ klausel; mancher, der eine Stellung sucht, wundert sich, wenn er überall abschlägigen Bescheid bekommt; das kommt daher, daß die Unternehmungen sich gegenseitig heimlich verpflichten, einen An⸗ gesteuten, der aus einem Betriebe ausscheidet, nicht in einem anderen anzunehmen. So ist (s z. B. in der Flugzeugindustrie, wo die Piloten, die für die Fabriken ihr Lehen aufs Spiel setzen, in dieser Weise völlig unfrei geworden sind. Die verschiedenen Konzerne beschränken so durch Abkommen untereinander die Freizüngigkeit ihrer Angestellten. Die Angestellten werden auch um den Lohn ihrer eigenen Erfindungen gebracht; der Angestellte verkauft aber doch dem Unternehmer nur seine Arbeitskraft, aber nicht seine schöpferische Kraft und seine Genialität, und das Eigentum, das er damit schafft, sollte doch unverletzlich sein. Wir verlangen zur Anbahnung eines Gesetzes über das Privatangestelltenrecht zunächst eine Vorlage, in der für die technischen Angestellten in der Induftrie und Land⸗ wirtschaft, in Staats⸗ und Gemeindebetrieben, so weit sie auf Privat⸗ dienstvertrag angestellt sind, sowie für die Bureauangestellten in der Landwirtschaft und in gewerblichen Betrieben und in sonstigen Unternehmungen und Verwaltungen Lleiche oder ähnliche Vorschriften vorgesehen werden, wie sie für Handelsgehilfen gelten.

Anläßlich des konservativen Antrages über den Schutz der Arbeits⸗

an den Rand des Ruins und des Bankerotts und zum Verlust ihrer

willigen ist jetzt wieder die Behauptung aufgestellt worden, daß die Sozialdemokralie die Trägerin des Terrorismus sei. Die Statistik beweist gerade, daß, wenn man von einem Terrorismus sprechen will, dieser Terrorismus abgenommen hat. Der Terrorismus in Unter⸗ nehmerkreisen sieht ganz anders aus, nicht nur gegen die Arbeiter und Angestellten, sondern auch gegen die eigenen Klassengenossen. Ueber den angeblichen Terrorismus der freien Gewerkschaften hat sich der Abg. Behrens entrüstet; als er von dem gewalttätigen Vorstoß des Unternehmertums gegen das Koalitionsrecht sprach, war aber nur ein leichtes Säuseln vorhanden. Die An⸗ gestelten haben nicht minder unfer der Bedrückung des Koalitions⸗ rechts zu leiden wie die Arbeiterschaft, auch für sie gilt das Wort: Wer Knecht ist, muß Knecht bleiben. Wenn die Angestellten jetzt zur Anwendung ihres Koalitionsrechts übergehen, so ist das nicht etwa eine Kinderkrankheit, wie der Zentrumsredner meinte; auch die christlichen Gewerkschaften sind nicht als Streikorganisationen, ja eigentlich sogar zur Bekämpfung des Streiks egründet worden;

und doch sind sie durch die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Streik gedrängt worden. Die Angestellten haben das Recht zu beanspruchen, daß ihnen durch die Reichsgesetzgebung das Koalitionsrecht gewaͤhr⸗ leistet wird, damit es nicht möglich ist, daß z. B. Inserate erscheinen: Es sind von der Bewerbung die⸗jenigen ausgeschlossen, die einer Organisation angebören oder angehört haben. Von der rechten Seite klagt man darüber, daß die Arbeiter zu wenig über die Wirtschafts⸗ politik aufgeklärt sind. Für Ihre Aufklärung danken wir. Wir forgen aber selbst schon dafür und Sie ebenfalls durch die Aus⸗

plünderung der arbeitenden Klassen. Die Aufklärung wird sogar so weit gehen, daß kein Mundspitzen mehr hilft, daß von Ihnen auch gepfiffen werden muß.

Abg. Giesberts (Zentr.): Ich muß dem Vorredner wider

sprechen, daß das Privatbeamtenversicherungsgesetz ein Angstproduk

vor der Reichstagswahl gewesen sei. Kaum irgendein Gesetz hat ir

diesem Hause eine so sorgfältige Vorbereitung gefunden wie diese

Gesetz, und wenn der vorige Reichstag Wert darauf legte, dieses Gesetz noch zu verabschieden, so war es nur aus Besorgnis, daß vielleicht der neue Reichstag zu einer so glatten Er⸗ ledigung nicht in der Lage sein würds. Wenn es den Sozial⸗ demokraten als stärkster und ausschlaggebender Partei gelingt, den Widerstand der Regierung gegen den Achtuhrladenschluß und in der Frage der Konkurrenzklausel, den wir nicht brechen konnten, zu über⸗ winden, so werden wir diese Politik begünstigen. Wenn wir in der deutschen Bergbauindustrie zu dauernd gesunden Zuständen kommen wollen, so wird die Gesetzgebung den Wünschen der Bergarbeiter mehr Rechnung tragen, und die Zechenbesitzer werden den Arbeiter⸗ organisationen gegenüber eine andere Haltung einnehmen müssen. Vor der Festsetzung eines Minimallohns für die Bergarbeiter sollte man nicht zurückschrecken, denn gerade dieser schwere Beruf würde in allererster Linie für diese Forderung die Sympathie auf seiner Seite haben. Der Festsetzung eines Minimallohns steht allerdings die große Schwierigkeit der Festsetzung einer Mindestleistung gegenüber. In den Tarifverträgen der Buchdrucker ist eine solche Mindest⸗ leistung schon fixiert. Man hört zwar viele Klagen seitens der Arbeitgeber über unsere modernen Arbeiterbestrebungen, aber das wagt man dem deutschen Arbeiter doch nicht zum Vorwurf zu machen, daß er für den Lohn, den er erstrebt, nicht eine ent⸗ sprechende Arbeit leistet, und manche Arbeitgeber, die sehr gegen ihren Willen zum Abschluß von Tarifverträgen gezwungen waren, haben später zugegeben, daß durch die Tarisverträge die Arbeits⸗ leistung und die Pünktlichkeit im Betriebe gebessert worden ist. Die Gesetzgebung hat der Festsetzung eines Mimimallohns schon in bestimmter Richtung vorgearbeitet, denn das preußische Berggesetz ent⸗ hält die Bestimmung, daß, wenn es übersehen ist, in der neuen Lohn⸗ periode das Gedinge zu erneuern, dann ohne weiteres als Verdienst der Durchschnittsverdienst des Vormonats gilt, und wenn überhaupt kein Gedinge zustande gekommen ist, so soll die Arbeitsordnung in den Gruben Bestimmungen über den Mindestlohn enthalten. Für einen Sympathiestreik der deutschen Bergarbeiter zur Unterstützung ihrer englischen Kollegen dürfte in der Bergarbeiterschaft keine Neigung vor⸗ handen sein, er würde in der öffentlichen Meinung gar nicht verstanden werden und endlich den englischen Bergleuten auch nichts nützen. Auf der anderen Seite erwarten wir aber auch, daß die deutschen Gruben⸗ besitzer sich nicht dazu gebrauchen lassen, deutsche Kohlen nach England zu liefern; das würde die Situation im Inland ganz er⸗ heblich verschärfen. Die Lohnbewegung der deutschen Bergarbeiter seit dem Jahre 1910 hat innere Berechtigung und bedarf keines Anstoßes von England. Die deutschen Grubenbesitzer haben eine unkluge Lohnpolitik getrieben, als sie den Jahresverdienst in einer Zeit, wo die Preise für alle Bedarfsartikel im Steigen begriffen waren, um 212 bis 305 herabsetzten. Die deutschen Gruben rentieren sich so gut, daß ein solches Sinken der Löhne ungerecht⸗ fertigt ist. Inzwischen sind nun die Koblenpreise durch den bekannten Syndikatsbeschluß erhöht worden, und die Gruben⸗ besitzer werden sich alle Sympathien verscherzen, wenn sie nicht jetzt energisch dafür eintreten, daß die Löhne erhöht werden. Die Lohnlage in dem schlesischen Kohlenrevier ist noch viel schlechter als im Ruhrkohlenrevier; in Schlesien stehen die Löhne um 20 bis 30 % niedriger; auf diese Verhältnisse hatte der Abg. Sachse besonders hinweisen wollen. Wenn es notwendig ist, eine Streikaktion zu machen, so wäre dies vielmehr in Schlesien der Fall. Der Ver⸗ kehr zwischen den Arbeitern und dem bergbaulichen Verein ist seit 1905 höflicher geworden. Das läßt für die Zukunft Gutes erwarten. Allerdings hat der bergbauliche Verein eine ablehnende Antwort gegeben. Es muß ausgesprochen werden, die Grubenhesitzer würden sich gar nichts vergeben, wenn sie mit den Führern der Organisationen verhandelten. Eine persönliche Aussprache würde zu einer friedlichen Lösung führen. Wenn die Zechenbesitzer die Löhne zu erhöhen vermögen, warum wollen sie dann nicht mit den Arbeitern über die Höhe der Löhne verhandeln? Die Entscheidung im Industriegebiet ist ja noch nicht gefällt. Ohne den christlichen Bergarbeiterverein ist der Streik nicht durchzuführen. Man hat ihm von sozialdemo⸗ kratischer Seite schwere Vorwürfe gemacht wegen seiner Haltung. Die Zersplitterung unter den Bergarbeiterorganisationen ist gewiß bedauerlich. Ich will aber nicht näber darauf eingehen, um die Gegensätze nicht zu verschärfen; ich will nur sagen, daß den christ⸗ lichen Bergarbeiter ein außerordentlich großes Mißtrauen gegen die ehrlichen Absichten der sozialdemokratischen Verbände beherrscht. Die leitenden sozialdemokratischen Parteikreise betrachteten den Streik

als eine günstige Gelegenheit, den Haß in die Massen zu tragen,

die christliche Organisation zu zertrümmern und einen Fischzug zu⸗ gunsten der sozialdemokratischen Organisation zu tun. Da dürfen Sie es uns nicht übelnehmen, daß wir den Maßnahmen des alten Ver⸗ bandes mißtrauten. Von dem Abg. Sachse gilt: Du glaubst zu schieben und wirst geschoben. Wir haben das Mißtrauen, daß man nicht eigent⸗ lich höhere Löhne erzielen, sondern einen Rummel inszenieren will, um die christliche Organisation zu schädigen. (Große Unruhe und Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten: Sie werden geschoben!) Beweisen Sie, daß wir geschoben werden und von wem! Die sozial⸗ demokratische „Bergarbeiterzeitung“ hat selbst gegen die Parteileitung Stellung genommen! Ich will darauf nicht naher eingehen, obwohl meine Kollegen aus dem Ruhrrevier erwarten, daß ich mit den Sozial⸗ demokraten gründlich abrechne. Was die chriftlichen Bergarbeiter weiter bewegt, sich an einer gemeinsamen Lohneingabe vorläufig nicht zu beteiligen, ist der Umstand, daß ein Vorgehen der drei Verbände wegen einer Lohnerhöhung naturgemäß zu einem Generalstreik im Industriegebiet führen müßte; es ware klüger gewesen, abzuwarten, wie weit die Grubenbesitzer ihre Lohnversprechungen durchführen. Die „Kölnische Volkszeitung“ hat jedenfalls keinen Beweis dafür, daß die Grubenbesitzer ihr Versprechen nicht halten. Es wäre jedenfalls klug gewesen, vorläufig abzuwarten. Die Verantwortung für einen Generalstreik im Industriegebiet ist außerordentlich schwer.

zunderttausende von anderen Arbeitern würden dadurch sofort in fanmeer Mitleidenschaft gezogen, zahtreiche Industrien werden dadurch aufs Schwerste bedroht. Wir haben dieses Verantwortlichkeitsgefühl; wir wollen nicht das Streikfieber im Ruhrrevier entfesseln. So viel

ist sicher, der Gewer ch istlicher Bergarbeiter wird seine