88
Deeutsche, die bei einer amtlichen Vertretung eines Bundesstaats im Ausland oder bei deren Leitern oder Mitgliedern beschäftigt werden, sind bei derjenigen Versicherungsanstalt zu versichern, welche für die Hauptstadt des Bundesstaats zuständig ist.
2) Ihre Arbeitgeber haben die Beiträge nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung zu entrichten. Sie haben für die Ver⸗ sicherten die Quittungskarten zu beschaffen und für deren Umtausch Sorge zu tragen. 1““
Berlin, den 6. März 1912. “ 8—
Der Stellvertreter des Reichskanzlers.
Bekanntmachung.
Die Versendung mehrerer Pakete mit einer Po taket⸗ adresse ist für die Zeit vom 1. bis einschl. 6. April weder im inneren deutschen Verkehr noch im Verkehr mit dem Ausland — ausgenommen Argentinien — gestattet. Nach Argentinien können auch in dieser Zeit mehrere, jedoch höchstens 3 Pakete, mit einer Postpaketadresse versandt werden. .“
Berlin, den 4. März 1912.
Der Staatssekretär des Reichspostamts.
Im Auftrage: Kobelt.
Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 13 Reichsgesetzblatts enthält unter Nr. 4029 die Bekanntmachung, betreffend den Beitritt Norwegens zu dem am 4. Mai 1910 in Paris unterzeichneten Abkommen zur Bekämpfung der Verbreitung unzüchtiger Ver⸗ öffentlichungen sowie die Inkraftsetzung des Abkommens in der Südafrikanischen Union und in Neufundland, vom 1. März 1912, unter
Nr. 4030 die Bekanntmachung, betreffend Ergänzung der Materialvorschriften für Land⸗ und Schiffsdampfkessel, vom 2. März 1912, unter 8
Nr. 4031 die Bekanntmachung, betreffend Ausführungs⸗ bestimmungen zur Gewerbeordnung, vom 4. März 1912, unter
Nr. 4032 die Bekanntmachung, betreffend die Invaliden⸗ und Hinterbliebenenversicherung der deutschen Bediensteten aus⸗ ländischer Staaten und solcher Personen, welche nicht der in⸗ ländischen Gerichtsbarkeit unterstehen, vom 6. März 1912, und unter
Nr. 4033 die Bekanntmachung, betreffend die Erhebung von Beiträgen zur Invaliden⸗ und Hinterbliebenenversicherung für Deutsche, die bei einer amtlichen Vertretung des Reichs oder eines Bundesstaats im Ausland oder bei deren Leitern oder Mitgliedern beschäftigt sind, vom 6. März 1912.
des
Berlin W., den 11. März 1912. Kaiserliches Postzeitungsamt. Krüer.
8
Königreich Preußen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: der Wahl des Oberlehrers am Domgymnasium in Magde⸗ burg, Professors Dr. Berger zum Direktor des Gymnasiums nebst Realschule in Aschersleben die Allerhöchste Bestätigung zu erteilen. 8 Zufolge der Allerhöchst genehmigten Vorschriften, welche den hier aftreditierten Botschaftern auswärtiger Mächte gegen⸗ über zu beobachten sind, haben sämtliche zum Allerhöchsten Hofe gehörigen oder daselbst vorgestellten Herren den Bot⸗ schaftern und deren Gemahlinnen, nachdem dieselben von Ihren Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, von Ihren Kaiserlichen und ver ve. Hoheiten dem Kronprinzen und der Kron⸗ prinzessin und von Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen und den Prinzessinnen des Königlichen Hauses empfangen worden sind, sowie sämtliche zum Allerhöchsten Hofe gehörigen oder daselbst vorgestellten Damen den Botschafterinnen nach allge⸗ meinem Herkommen den ersten Besuch, und zwar in Person, u machen. Diese Bestimmung tritt jetzt in betreff des Kaiserlich Botschafters und dessen Gemahlin in Kraft. Berlin, den 11. März 1912. Der Oberzeremonienmeister. Graf A. Eulenburg.
1“
Ministerium für Handel und Gewerbe.
Der Revierberginspektor, Bergrat Schmidt in Cottbus iist zum Bergrevierbeamten für das Bergrevier Gelsenkirchen errnannt worden Finanzministerim. 8 Verfahren bei Berechnung von Verzugszinsen. Zur Herbeiführung eines einheitlichen Verfahrens bestimme ich mit Wirkung vom 1. April d. J. ab, daß, soweit nicht ausdrücklich durch Gesetz oder Vereinbarung eine andere Be⸗ stimmung getroffen ist, bei der Berechnung von Verzugszinsen der Tag, an dem der Betrag fällig gewesen ist, mitzuberück⸗ sichtigen, dagegen der Tag, an dem die Zahlung erfolgt, außer Ansatz zu lassen ist. Beispielsweise würden vom 16. (Fällig⸗ keitstag⸗ bis 27. (Zahlungstag) eines Monats 11 Tage an⸗ zusetzen sein. 1 1
Für einzelne Monate sind die Zinsen zu je ½2 des Jahres⸗ betrages und für einzelne Tage zu je 30 des Monatsbetrages zu berechnen. 1
Die erforderlichen Abdrucke dieses Erlasses liegen bei.
Berlin, den 29. Februar 1912.
er Finanzminister. Im Auftrage: 8 Halle. “ n sämtliche Königlichen Regierungen; die Ministerial⸗, Militär⸗ und Baukommission in Berlin, den Herrn Polizeipräsidenten in Berlin und die Generalstaatskasse, den Herrn Präsidenten der Hauptverwaltung d Staats⸗ ulden, 8
1. errn Präsidenten der Seehandlung, 1u.“
den Herrn Präsidenten der General⸗Lotterie⸗Direktion,
den Herrn Münzdirektor, 1
den der Preußischen Zentralgenossen⸗
chaftskasse, u““
1 918 Herrn Vorsitzenden der Königlichen Kommission für
die Stadterweiterung in Posen.
Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.
Der Maler Otto Dannenberg ist vom 1. Februar d. J. ab zum ordentlichen Lehrer an der Unterrichtsanstalt des König⸗ lichen Kunstgewerbemuseums in Berlin ernannt worden.
4 Hauptverwaltung der Staatsschulden.
Bekanntmachung.
I. Die am 1. April 1912 fälligen Zinsscheine der preußischen Staatsschuld und der Reichsschuld werden vom 21. März ab eingelöst durch
die Staatsschuldentilgungskasse in Berlin W. 8, Tauben⸗ 8 straße 29, e in
Königliche Seehandlung (Preußische Staatsbank) Berlin W. 56, Markgrafenstraße 46 a, die Preußische afiatasse in Berlin C. 2, am Zeughause 2, 8 die Reichsbankhauptkasse in Berlin SW. 19, Jägerstraße 34, die Reichsbankhaupt⸗ und Reichsbankstellen und die mit Kassenücate tung versehenen Reichsbanknebenstellen, die preußischen Regierungshauptkassen, Kreiskassen und haupt⸗ amtlich verwalteten Forstkassen, die breuß en Oberzollkassen, die preußischen Zollkassen, sofern die vorhandenen Barmittel die Einlösung gestatten, sowie durch diejenigen berpeselecsen, an deren Sitz sich keine Reichs⸗ bankanstalt befindet.
Die Zinsscheine können in Preußen auch vom 21. März ab allgemein statt baren Geldes in Zahlung gegeben werden bei allen hauptamtlich verwalteten staatlichen Kassen, mit Ausnahme der Kassen der Staatseisenbahnverwaltung, sowie bei Entrichtung der durch die Gemeinden zur Hebung ge⸗ langenden direkten Staatssteuern. Ermächtigt, aber nicht ver⸗ bfüschtt zur Annahme an Zahlungsstatt sind die Reichspost⸗ anstalten.
Die Zinsscheine sind den Kassen nach Wertabschnitten ge⸗ ordnet mit einem Verzeichnis vorzulegen, in welchem Stückzahl und Betrag für jeden Wertabschnitt, Gesamtsumme sowie Namen und Wohnung des Einlieferers angegeben sind. Von der Vorlegung eines Verzeichnisses wird abgesehen, wenn es sich um eine geringe Anzahl von sün scfe handelt, deren Wert leicht zu über⸗ sehen und festzustellen ist. Formulare zu den Verzeichnissen werden bei den beteiligten Kassen vorrätig gehalten und nach Bedarf unentgeltlich verabfolgt. Weniger geschäftskundigen Personen wird auf Wunsch von den Kassenbeamten bei Aufstellung der Verzeichnisse bereitwilligst Hilfe geleistet werden.
II. Die am 1. April 1912 fälligen Zinsen der in das Preußische Staatsschuldbuch und in das Reichs⸗ schuldbuch eingetragenen Forderungen werden, soweit sie durch die Post oder durch Gutschrift auf Reichsbankgirokonto zu berichtigen sind, vom 18. März ab gezahlt. Die Bar⸗ sahlung der Zinsen bei der Staatsschuldentilgungskasse und bei
er Reichsbankhauptkasse beginnt ebenfalls am 18., bei allen anderen Zahlstellen am 21. März.
wenn kein gegenteiliger Antrag gestellt ist, innerhalb des Deutschen Reichs, im Wege des Postüberweisungs⸗ und Scheckverkehrs. Dabei werden Beträge bis 1500 ℳ und im Falle der Ueberweisung auf ein Postscheckkonto auch höhere Beträge ahve. Abzug der Postgebühren gezahlt; nur die melahim derrn Empfänger zur Last. Werden da⸗ sen auf Wunsch durch Postanweisung oder Geld⸗ 6 bref gezahlt, so hat der Empfänger Postgebühren und Porto u tragen.
Tür. Die Staatsschuldentilgungskasse ist am 29. März für das Publikum geschlossen, am 30. März ist sie von 11 bis 1 Uhr, an den übrigen Werktagen von 9 bis 1 Uhr gesffnet. “
Berlin, den 6. März 1912. Hauptverwaltung der Staatsschulden und Reichsschuldenverwaltung. von Bischoffshausen.
Sies
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 12. März.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im hiesigen Königlichen Schlosse die Vorträge des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rates von Valentini, des Chefs des Militärkabinetts, Generals der In⸗ fanterie Freiherrn von Lyncker, des Chefs des Marinekabinetts, Admirals von Müller und des Chefs des Admiralstabes der Marine, Vizeadmirals von Heeringen entgegen.
18
Der Kaiserlich japanische Botschafter Koitschi Soughimoura und been Gemahlin werden, wie aus der bereits veröffentlichten Hofansage hervorgeht, nunmehr die zum Allerhöchsten Hofe gehörigen oder daselbst vorgestellten Herren und Damen empfangen. Dieser Empfang wird am Freitag, den 15. d. M., Abends von 9 Uhr ab, in der Bot⸗ schaft hierselbst, Königsplatz 4, stattfinden. Der Anzug ist für die Damen in ausgeschnittenen Kleidern, für die Herren vom Militär in kleiner Uniform (Gesellschaftsanug), ür die Herren vom Zivil in Frack mit Ordensband über der Weste.
8 8
Der peruanische Gesandte, General Cäceres hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt der Legations⸗ sekretär Salvador M. Cavero die Geschäfte der Gesandtschaft.
1 b
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Scharn⸗ horst“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders und S. M. S. „Gneisenau“ am 9. d. M. in Tsingtau und S. M. S. „Seeadler“ am 10. in Port Elisabeth angekommen.
8
Die Zahlung der Zinsen durch die Post geschieht,
Bayern.
Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent empfing, wie „W. T. B.“ meldet, gestern nachmittag den Ministerpräsidenten Freiherrn von Hertling, der im Namen des gesamten Staatsministeriums Seiner Königlichen Hoheit die Glückwünsche zum 91. Geburtstage überbrachte. Ebenso gratulierten der Kriegsminister Freiherr Kreß von Kressen⸗ stein im Namen der Armee und der Stadtkommandant Generalleutnant Schmidt im Namen der Garnison München. Auch die Kommandeure der Regimenter, deren Inhaber Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗ Regent ist, überbrachten ihre Glückwünsche. Abends fand vor der Residenz eine große militärische Serenade der Münchener Garnison statt, zu der sich trotz des regnerischen Wetters ein vieltausendköpfiges Publikum eingefunden hatte. Seiner König⸗ lichen Hoheit dem Prinz⸗Regenten, der vom offenen Fenster aus, umgeben von den Mitgliedern der Königlichen Familie, der ganzen Serenade beiwohnte, wurden vom Publikum leb⸗ hafte Kundgebungen dargebracht.
Aus Anlaß seines Geburtstages hat Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent eine Reihe von Auszeichnungen ver⸗ liehen und, wie in früheren Jahren, auch diesmal wieder eine
Anzahl von Verurteilten, die zurzeit ihre Strafe verbüßen, be⸗
gnadigt, ferner aus dem Kapital der Luitpold⸗Jubiläums⸗ spende für Jugendfürsorge den Betrag von 60 000 ℳ zur Unterstützung bestehender und zur Errichtung neuer Lehrlings⸗
heime gestiftet. 8 Sachsen.
In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer stand der Bergetat zur Beratung.
Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte der Ministerialdirektor Dr. Wahle im Laufe der Beratung, es sei zuzugeben, daß die Löhne 1909 etwas niedriger gewesen seien als 1908, und 1910 etwas niedriger als 1909. Für 1911 liege noch keine Statistik vor. Wenn eine Lohnbewegung eintreten sollte, so sei die Regierung gerne zur Vermittlung bereit. Dr. Wahle schloß: „Die Sozialdemokraten mögen die Bergarbeiter beruhigen. Die Arbeiter mögen sich an ihre Arbeiterausschüsse und an das Bergamt als Einigungsamt wenden. Wenn das nicht genügt, so steht auch die Regierung zur Verfügung. Wir hegen den dringenden Wunsch, daß die Lohnkämpfe ohne Arbeits⸗ einstellung auf gesetzlichem Wege geregelt werden.“
In Beantwortung einer Interpellation, betreffend den Abbau der Kohlenfelder unter dem sogenannten Harth⸗Walde bei Leipzig erklärte der Finanzminister von Seydewitz:
Die Regierung Leipziger Bevölkerung die Erhaltung volkswirtschaftlicher, hygienischer, ethischer und sozialer Bedeutung sei. Dieser Gesichtspunkt solle auch in Zukunft nach Möpglichkeit berück⸗ sichtigt werden. Den Abbau der Kohten werde die jetzige Generation überhaupt nicht erleben. Der Staat habe sich der Kohlenfelder versichert, üm sie gegebenenfalls im Interesse des Landes abbauen zu können. Darüber werde den Ständen demnächst eine Vorlage zugehen. Die Regierung könne aber nicht für alle Zeiten die Zusicherung geben, daß im Interesse eines Teils der Bevölkerung dauernd solche dem Staate gehörigen Flächen unbenutzt liegen bleiben. Der Abbau würde auch keineswegs zu einer Vernichtung des Waldes führen. Das Gelände würde sofort eingeebnet und wieder in Stand gesetzt werden. Auch würde der Abbau nur nach und nach unter Berücksichtigung der Interessen der Anlieger vorgenommen werden.
In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kammer legte
verkenne keineswegs, daß im Interesse der
zum Verkehrsbudget 1912/13 vor, der laut Meldung des „W. T. B.“ eine Forderung von 1 208 000 ℳ zur Er höhung der Tages⸗ und Akkordlöhne der in staatlichen Be⸗ trieben beschäftigten Arbeiter mit Wirkung vom 1. März enthält. Die durchschnittliche Aufbesserung soll jährlich 44,03 ℳ betragen. Der jährliche Durchschnittslohn stellt sich dann auf 1300 ℳ.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der König Franz Joseph hat, wie „W. T. B.“ meldet, den Präsidenten des ee Grafen Csaky und den Präsidenten des Abgeordnetenhauses Nävay für Donnerstag zur Audienz berufen, um ihre Ansicht über die Lösung der Ministerkrise zu hören.
Großbritannien und Irland.
Im Unterhause kündigte der Premierminister Asquith an, er werde das Homerulegesetz in der zweiten Woche des April, wahrscheinlich am 10. April einbringen, und er⸗ klärte, daß dies keine Aenderung in den Plänen der Regierung hinsichtlich des Datums der Einbringung bedeute.
Frankreich.
In der Deputiertenkammer richtete s der Sozialist Voilin eine Anfrage an den Kriegsminister wegen eines Rundschreibens, beneeffend die Ueberwachung der von der Kriegsverwaltung beschäftigten anarchistischen und anti⸗ militaristischen Arbeiter.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte Kriegsminister Millerand in Beantwortung der Anfrage, daß diese Maßnahme schon seit 1887 infolge der Notweneigkeit bestehe, alle diejenigen französischen und ausländischen Staatsangehörigen zu überwachen, die eine Gefahr für die nationale tcberheit bilden könnten. Die Regierung bezweifele nicht im geringsten die Vaterlands⸗ liebe der Gesamtheit der Arbeiter der Millitärwerkstätten, und diese würden der Regierung gewiß a machen, wenn sie ni˖cht schon in Friedenszeiten alle Maßnahmen träfe, um Verrat und Spionage zu verhindern. Er habe die Einrichtung der geheimen Auskunftszettel über Offiziere abgeschafft und werde sie nicht gegen die Zivilarbeiter einführen.
Darauf wurde ein von Voilin eingebrachter Beschluß⸗ antrag, in dem die Abschaffung der geheimen polizeilichen Aus⸗ künfte in allen Staatsbetrieben verlangt wird, mit 390 gegen 122 Stimmen abgelehnt.
Rußland.
Der russische Botschafter in Konstantinopel Tscharykow ist, wie „W. T. B.“ meldet, unter Ernennung zum Senator seines Amtes enthoben worden.
Italien. 8 Die Deputiertenkammer beriet in der gestrigen Sitzung ü ber den Gesetzentwurf, der die Regierung zur Ausgabe von 205 Millionen Lire Bö die durch die Unter⸗ nehmung in Tripolis und der Cyrenaika notwendig
geworden ist. Wie „W. T. B.“ berichtet, sprach der Sozialist Casalini da⸗ gegen. Der Präsident der Budgetkommission Abinnento setzte aus⸗
einander, daß der Gesetzentwurf die Bestreitung der bereits für die
8
‚des Harth⸗Waldes von großer
der Finanzminister von Reinboldt einen Nachtragsetat
einen Vorwurf daraus
wurden.
Versorgung der Militärmagazine und Kohlendepots gemachten Aus⸗ gaben betreffe. Der Schatzminister Tedesco trug die Gründe für den Gesetzentwurf vor und erklärte, die Unternehmung in Libyen sei eine zivilisatorische Unternehmung, deren Kosten keineswegs in den für Unterricht, öffentliche Arbeiten und andere soziale Aufgaben des Landes bestimmten Fonds eine Einschränkung notwendig machen würde. Denn das Budget habe augenblicklich reichliche Mittel ver⸗ fügbar und beruhe auf granitener Grundlage.
Darauf wurden sämtliche Artikel des Entwurfs angenommen.
Spanien.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten Gasset hat seine Entlassung gegeben. Der Ministerpräsident Canalejas unterbreitete dem König die Demission des Arbeitsministers und erklärte laut Meldung des „W. T. B.“, er sähe sich bei den Schwierigkeiten, die sie im Kabinett bereite, gezwungen, die Demission der gesamten Regierung anzubieten. Der König sprach Canalejas von neuem sein Vertrauen aus und beauftragte ihn mit der Neubildung des Kabinetts.
Das neue Kabinett hat sich, wie folgt, gebildet: Ministerpräsident Canalejas, Aeußeres Garcia Prieto, Justiz Arias Miranda, Finanzen Navarro⸗Reverter, Inneres Barroso, Krieg General Luque, Marine Pidal, öffentliche Arbeiten Villanueva, Unterricht Alba.
Türkei.
Der Ministerrat hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ beschlossen, 50 000 Pfund für Reformen in den rumelischen Provinzen zu verwenden.
ie die „Neue Freie Presse“ aus Kanea meldet, hat die Bevölkerung eine Adresse an die Mächte unterzeichnet, in der sie erklärt, daß sie die Repräsentantenversammlung nicht mehr anerkenne und Griechenland das Mandat übergebe, die kretische Frage zusammen mit den Mächten zu lösen
Amerika.
Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus Mexiko haben mit Maschinengewehren ausgerüstete Regierungstruppen eine Abteilung Aufständischer in Stärke von 800 Mann bei Culiacan im Staate Sinaloa geschlagen und 200 Ge⸗ fangene gemacht. Wie ferner aus Torreon gemeldet wird, hat am 9. d. M. bei Gomez Palacio eine Schlacht statt⸗ gefunden, in der die Insurgenten mit einem Verlust von 150 Toten und Verwundeten ebenfalls in die Flucht geworfen
Asien. Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗
1 agentur“ hat der frühere Schah Persien verlassen und ist
nach Baku abgereist. Wie „W. T. B.“ meldet, ist gestern in Peking ein Manifest veröffentlicht worden, das alle Gefangenen mit Ausnahme von Mördern und Räubern begnadigt, die schon fällig gewesenen, aber noch nicht bezahlten Grundsteuern erläßt, die vorläufige Anwendung der alten Gesetze ankündigt, sofern sie nicht dem republikanischen Geiste zuwiderlaufen, und alle Beamten ermahnt, die Wohlfahrt der Republik zu fördern. Vorgestern hat, der „Times“ zufolge, in Canton zwischen den neueingestellten Truppen und alten Räuberbanden, die zur Unterstützung der Revolution aufgeboten waren, jetzt aber auf⸗ gelöst werden, ein Gefecht stattgefunden.
Afrika.
Einer Meldung der „Agenzia Stefani“ zufolge griffe or gestern früh 4 Uhr ungefähr 1500 Araber mit regulären türkischen Truppen eine Schanze bei Ainzara in einer sehr ausgedehnten Front an, wobei sie bis auf 700 m Entfernung herankamen. Von der Schanze aus wurde das Feuer nicht er⸗ widert. Um 5 Uhr 30 Minuten begann der Feind unter Kampf⸗ geschrei weiter vorzugehen. Daraufhin wurde auf der Schanze das Feuer eröffnet, zunächst nur von den besten Schützen; auch die italienische Artillerie gab einige Schüsse auf 700 m auf Gruppen von 200 bis 300 Arabern ab. Der Feind begann darauf mit dem Rückzuge, auf dem er von italienischer Artillerie verfolgt wurde, die auf deutlicher sichtbare Gruppen schoß. Um 7 Uhr 30 Minuten war der Rückzug des Feindes aͤllgemein. Die gegnerischen Verluste waren sicher beträchtlich; die Italiener hatten keine Verwundete.
Wie der Kommandant der türkischen Truppen vor Benghasi, „W. T. B.“ zufolge, telegraphisch meldet, näherte sich in der Nacht vom 1. d. M. eine türkisch⸗arabische Abteilung den italienischen Stellungen bei Tobruk und erbeutete einigen Proviant; in der Nacht vom 3. d. M. zerstörte eine Abteilung von 50 Mann eine im Bau befindliche Befestigung und am 4. d. M. früh kam es mit den Italienern zu einem etwa fünf⸗ stündigen Kampf, in den auch die italienischen Landbatteri und Panzerschiffe eingriffen. 8
Parlamentarische Nachrichten.
1 Der heutigen (24.) Sitzung des Reichstags wohnte der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück bei.
Von den Abgg. Schädler und Genossen (Zentr.) ist eine Interpellation eingegangen, in welcher der Reichskanzler gefragt wird, ob er bereit sei, über den Stand des Bergarbeiterstreiks im Ruhrrevier Auskunft zu geben, und was er zu tun gedenke, um unter Berücksichtigung der berechtigten Wünsche der Bergarbeiter dem das gesamte deutsche Wirtschaftsleben schwer schädigenden Streik ein rasches Ende zu bereiten.
Die Spezialberatung des Etats für das Reichsamt es Innern wurde im Ordinarium der Ausgaben fortgesetzt.
8 Bei den Besoldungen für die Direktoren und vortragenden Räte im Reichsamt des Innern berichtete der Referent der Budgetkommission Abg. Graf Westarp (dkons.) über die Er⸗ örterung, die sich in der Kommission an die Frage der Pensio⸗ nierungen geknüpft hat. Die Kommission hat aus Anlaß eines bestimmten Falles die Angelegenheit generell durchgesprochen und unterbreitet dem Hause folgende Resolution:
Den Reichskanzler zu ersuchen, eine Novelle zum Beamten⸗ und Oefizierspensionsgesetz vorzulegen, durch die Einkommen aus einer im Ruhestande erfolgten Privatanstellung unter bestimmten
oraussetzungen auf das Bügten Hant angerechnet werden kann. Wie der Berichterstatter mitteilte, habe der Staatssekretär das Verhalten des in Frage kommenden höheren Beamten auch seinerseits nicht billigen können. Gegen die Resolution seien von den Vertretern der Zivil⸗ wie der Militärverwaltung verschiedene Einwände erhoben worden, die Mehrheit habe sich aber dafür entschieden.
(Schluß des Blattes.
über di befindet
gestrige Sitzung des Hauses
sich in der Dritten Beilage.
Stteatistik und Volkswirtschaft. er Viehbestand in den Provinzen des preußischen
vom
1. Dezember 1911
8 8
im Staate.
in den Provinzen Ostpreußen
Westpreußen. Stadtkreis Berlin
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Brandenburg. Pommern
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Schlesien
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Westfalen. Hessen⸗Nassau Rheinprovinz. .... Hohenzollernsche Lande.
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jahr 191
1910
im Staate.
in den Provinzen Ostpreußen .. 1911
Westpreußen. 1910
Stadtkreis Berlin 1911 1910 Brandenburg. 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910
I11“ 1910 1911 1910
.. 1911 1910
Holstein Hannover Westfalen Hessen⸗Nassau .. Rheinprovinz. 1911
1910 Hohenzollernsche Lande
im Staate. in den Provinzen Sitpteuhu* Westpreußen ... .. Stadtkreis Berlin. Brandenburg. Pommern Posen Schlesien * Schleswig⸗Holstein . Hannover . Westfalen... Hessen⸗Nassau. Rheinprovinz . . . Hohenzollernsche Lande
im Staate. in den Provinzen Ostpreußen. 1 Westpreußen. Stadtkreis Berlin Brandenburg ommern . W“] Schlesien. Sachsen... Schleswig⸗Holstei Hannober . Wesetfalen . . .. Hessen⸗Nassau. . . Rheinprovinz . . .
FArrIr †*†
EET1
Hohenzollernsche Lande r
Nach dieser Uebersicht über die im Viehbestande der einzelnen Propinten des preußischen Staates seit dem Jahre 1910 e Veränderungen zeigen die stärkste Vermehrung bei den Pferden diesmal Westpreußen und die Rheinprovinz, während Holstein und Hannover hervorzuragen pflegten. der Rheinprovinz tritt bei weitem also der indust iellste von allen;
3000 Stück, so viel, wie selbst in der Die anderen rheinischen Bezirke ha
Zähl
jahr überhaupt
1911 3 1910 3
1911 1910 1911
1910
1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910 1911 1910
Pferde
Gehöf
978 593 2 958 613 2
207 341 208 562 168 829 169 304 29 522 29 661 319 209 316 504 171 064 171 663 202 166 204 071 451 537 452 176 356 856 355 984 198 543 197 183 375 498 371 791 400 677 393 613 270 054 268 661 813 564 805 569 13 733 13 871
Rinder
3 171 369 11 669 217 3 128 535 11 592 521
489 495 482 390 265 398 259 605
49 066
49 066 315 685 312 645 239 286 234 861 297 626 292 855 340 508 335 837 220 139 221 604
208 855 205 322 271 763
268 31 170 41
167 495 87 259 87 072
210 696
206 247
5 178
5 21
um Stück
+ 42 834
7 105 5 793
3 040 4 425 4 771 4 671 1 465 3 533 3 446 2 920 187 4 449 41
die S m Stück
— 262 693
15 299 13 833 2 236 28 509 53 507 28 212 11 379 60 011 3 986 34 641 6 184 8 159 9 781 600
1 202 858 1 158 887 715 098 685 012 14 932 12 117 856 010 866 004 816 882 806 185 915 845 912 632
1 578 554 1 572 943 753 068 799 156
1 072 595 1 049 714 1 265 360 7 1 262 348 5 711 934
694 076
564 151
575 784 1 154 454 1 149 895
47 476 9 47 768
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5 6. 4, 4, 9,
+ 17,00,
Staates am 1. Dezember 1911.
Nach der bereits in Nr. 63 des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ 11. d. M. besprochenen Veröffentlichung des Königlichen Statistischen Landesamts über die vorläufigen Ergebnisse der am in Preußen vorgenommenen außerordentlichen Viehzählung und die seit dem 1. Dezember 1910 im Viehstande Se eingetretenen Veränderungen sind am 1. Dezember der ahre 1911 und 1910 gezählt worden:
te it
649 917 625 853
182 967 181 684 137 921 135 253
6 572
6 634 213 124 214 193 137 997 137 552 170 674 169 222 306 938 306 012 251 233 257 238 124 918 121 784 294 512 289 100 275 796 267 232 172 109 172 409 365 501 357 926
9 655
9 614
Schafe
4 369 376 4 632 069
379 643 394 942 417 612 431 445
6 387
4 151 554 779 583 288 867 084 920 591 300 332 328 544 217 650 229 029 575 549 635 560
179 059 175 073 472 351 506 992 138 262 144 446 160 042 168 201
96 496
106 277.
4 130 3 530
viehhaltende
m 5 Viehstand haltungen 3 192 513 3 176 062
263 062 258 582 180 447 177 361 10 832 10 732 263 302 268 390 187 655 188 554 231 429 231 375 366 168 361 894 300 200 312 664 140 328 136 623 340 827 338 086 335 978 326 441 180 791 182 234 381 736 373 303 9 758
9 823
Schweine
17 222 677 16 491 559
1 486 163 1 346 048 1 135 484 1 027 844
9 607
8 833 1 298 207 1 301 810 1 320 926 1 269 507 1 285 355 1 323 138
2 857 331 1 426 279 1 337 709
675 527
686 719 1 084 722 1 079 324
25 745 27 858.
die Rinder
um Stück + 76 696
43 971 30 086 2 815 9 994 10 697 3 213 5 611 46 088 22 881 3 012 17 858 11 633 4 559 292
XAl
Es vermehrten (+) 8 epngen (—) sich von 1910 auf 1911
% + 0,66
die Schweine
um Stück
%
+ 4,43
+ 10,41 + 10,47 8,76 028 4 05 2,86 1,63 4,33 15,37 9,33 6,62 1,63 0,50 7,58.
†1IIII4*
sonst Schleswig⸗
Unter den Bezirken
am meisten Düsseldorf hervor,
hier erreicht die Zunahme beinahe
n östlichen Gebieten nicht häufig ist. ben je nur wenige ’
hundert P
erde
mehr als Vorjahre. In den übrigen Provinzen sind die Ver⸗ schiebungen relativ annähernd gleich, absolut je nach dem größeren oder geringeren Bestande ziemlich verschieden. Ausnahmen bilden, abgesehen von dem Stadtkreis Berlin, Sachsen und die Hohen⸗ zollernschen Lande, wo die Pferde abgenommen haben. Außerdem war die Zunahme kaum nennenswert in Hessen⸗Nassau, wo der Re⸗ gierungsbezirk Cassel sogar einen Verlust erlitten hat.
ei den Rindern ist die Entwicklung in den einzelnen Landes⸗ teilen ziemlich ungleiche Bahnen gegangen. Abgesehen von Berlin, findet sich die stärkste Vermehrung relativ in Westpreußen und Ostpreußen. Da beide Provinzen reich an Rindern sind, fällt ihre stärkere Zunahme merkbar ins Gewicht. Von den übrigen Pro⸗ vinzen, die als besonders rinderreich anzusprechen sind, Schlesien, Schleswig⸗Holstein, Hannover und die Rheinprovinz, hat nur Schleswig⸗Holstein einen ys dne Zuwachs erfahren, der immerhin 2 % überschreitet. Bei den übrigen erreicht der Zuwachs in keinem Falle ½ %, in einigen Regierungsbezirken kommen sogar Abnahmen vor. Abgenommen hat der Rinderbestand ferner in Brandenburg, Sachsen und den Hohenzollernschen Landen. Die Abnahme erreicht in Brandenburg fast 10 000 Stück, die nahezu ausschließlich der Potsdamer Bezirk verloren hat. Sehr bedeutend ist der Ausfall in der Provinz Sachsen, wo er 46 088 Stück oder 5,77 % betragen hat und alle Bezirke betrifft, am wenigsten das rinderarme Erfurt.
Die Schafe haben merkwürdigerweise, abgesehen von Berlin, in Schleswig⸗Holstein und in den Hohenzollernschen Landen zugenommen, und zwar gar nicht so wenig. Schleswig⸗Holstein zählte 3986 Schafe oder 2,28 % mehr als im Vorjahre, in den Hohenzollernschen Landen betrug die “ 600 Stück oder 17 %. Die übrigen Provinzen haben durchweg Abnahmen erlitten, die relativ nicht allzu stark von⸗ einander abweichen. Wenn man auf die Bezirke eingeht, so finden sich übrigens außer in den schon genannten Landesteilen auch noch in den Regierungsbezirken Aurich und Trier Zunahmen, die gar nicht einmal so klein sind.
„Die Zunahme der Schweine betrifft durchaus nicht alle Landes⸗ teile. Sie war relativ am stärksten und auch absolut sehr bedeutend in Schleswig⸗Holstein; hier erreichte sie 15,37 %, also weit mehr als den Staatsdurchschnitt. Auch in Ost⸗ und Westpreußen übersteigt der Zuwachs noch je 10 %, und in Hannover kommt er beinahe auf diese Höhe, während er bei dem hohen Schweinebestande dieser Provinz absolut der höchste von allen ist. Hier gibt es zwei Bezirke, Stade und Aurich, in denen die Vermehrung je 16 %, übersteigt und damit auch relativ die höchste ist, die im Staate vorkam. Demgegenüber hat der Schweinebestand abge⸗ nommen in den Provinzen Brandenburg, Posen, Schlesien, Sachsen, Hessen⸗Nassau und den Hohenzollernschen Landen. In Brandenburg ist der Verlust unbedeutend und betrifft nur den Frankfurter Bezirk. Recht hoch ist er dagegen in der Provinz Sachsen, wo er 67 638 Stück oder 4,33 % erreichte. In den anderen Provinzen ist er weniger beträchtlich Eigentümlich liegen die Verhältnisse in der Provinz Pesen⸗ wo der Regierungsbezirk Posen stark verloren und der Bezirk
romberg stark gewonnen hat. Auch die Rheinprovinz, die in ihrer Gesamtheit einen kleinen Zuwachs erfahren hat, zeigt ein eigenartiges Bild; hier haben nämlich die meisten Bezirke nicht unerheblich verloren, der Bezirk Düsseldorf aber sehr stark gewonnen.
Zur Arbeiterbewegung.
Zum Ausstand der Bergarbeiter im Ruhrrevier (vgl. Nr. 63 d. Bl) meldet „W. T. B.“ aus Essen, daß von 170 868 Bergarbeitern gestern zur Morgenschicht 112 139 eingefahren sind, demnach betrug der Prozentsatz der Ausständigen 34,38. Bei der gestrigen Nachmittagsschiche hatte der Ausstand weitere Fortschritte gemacht, von 109 884 Arbeitern waren 46 971 ein⸗ gefahren. Es sind also 57,25 % im Ausstande. — Im allgemeinen zeigte es sich, daß der Ausstand in den östlichen Revieren starker zum Ausdruck gekommen ist, während er nach Westen fortschreitend schwächer wird. — In der gestrigen Vorstandssitzung des Zechenverbandes in Essen wurde beschlossen, allen dem Verbande angeschlossenen Zechen⸗ verwaltungen zu empfehlen, die Arbeiterausschüsse bal⸗ digst einzuberufen. — Die Lage im Ausstandsgebiet wird im allgemeinen als ruhig bezeichnet. Bis jetzt liegen nur vereinzelt Meldungen von Ausschreitungen vor. Die arbeitenden Bergleute gehen im Gegensatz zu 1905, wo sie truppweise geschützt von I ihre Arbeitsstätte aufsuchten, einzeln un⸗ gehtndert zur Arbeit, was darauf zurückzuführen ist, daß auf allen zu den führenden Straßen Wachtposten aufgestellt sind. Die arbeitenden Bergleute werden von den Streikposten nicht behelligt und auch mit Zurufen verschont. Im ganzen sind für den Bezirk mehrere tausend Schutzleute und Gendarmeriemannschaften zusammengezogen worden. Im Gegensatz zu dem westlichen Teile des Ruhrreviers kam es im Dortmunder Revier zu einigen kleinen Zwischen⸗ fällen, so auf der Zeche „Scharnhorst“, wo gestern früh vier Arbeitswillige von einem Streikenden belästigt wurden, den sie dafür verprügelten. — In Unna auf der Zeche der Bergbau⸗Aktiengesellschaft Massen wurde gestern früh ein Steiger von mehreren Streikenden angegriffen, doch gelang ihm, die Angreifer abzuwehren. — In Bruckhausen kam es gestern abend zu schwereren Zusammen⸗ stößen zwischen Streikenden und EE Vor dem Schacht 3 der Gewerkschaft „Deutscher Kaiser“ hatte sich eine große Anzahl Ausständiger angesammelt, um die heimkehrenden Arbeiter zu belästigen. Die immer
rößer werdende Menge nahm eine drohende Haltung an, worauf der Fechenplat von Polizeibeamten gesäubert wurde. Die Beamten wurden mit Steinwürfen empfangen; auch aus den Fenstern wurde mit Steinen auf sie geworfen. Nunmehr gingen die Schutzleute, etwa 40 Mann, mit der blanken Waffe gegen die Menge vor und zerstreuten sie. Mehrere Polizeibeamte wurden durch Steinwürfe verletzt; auch der Bürgermeister und ein Polizeikommissar wurden von Steinen getroffen. Von den Ausständigen erlitten viele durch Säbelhiebe Verletzungen. Eine große Anzahl von Verhaf⸗ tungen wurde vorgenommen. Nach der Säuberung trat all⸗ mählich wieder Ruhe ein. Als nunmehr eine Anzahl Polizei⸗ beamter mit der Straßenbahn nach Hamborn zurückk hrte, wurden in der Albrechtstraße auf die im Straßenbahnwagen sitzenden Polizei⸗ beamten 15 Revolverschüsse abgegeben, die jedoch ihr Ziel ver⸗ fehlten. — Ferner wird aus Herten bei Recklinghausen gemeldet, daß sich gestern nachmittag nach dem Schichtwechsel nahe der Zeche „Ewald“ hunderte von Streikenden ansammelten, die Arbeits⸗ willige belästigten. Die Polizei zerstreute einigemal die Menge und mußte schließlich von der Waffe Gebrauch machen, wobei mehrere Personen verletzt wurden, von diesen einige schwer. In einer anderen Straße wurde nach dem Schichtwechsel ein Arbeitswilliger von zwei Streikenden ziemlich erheblich verletzt.
Im Bezirk Beuthen fanden, wie „W. T. B.“ berichtet, vor⸗ gestern vierzig Bergarbeiterversammlungen statt, in denen dringend vom Ausstand abgeraten und der Arbeiterausschuß auf⸗ gefordert wurde, mit den Grubenverwaltungen erneut in Verhand⸗ lungen zu treten, damit eine Lohnerhöhung auf friedlichem Wege durchgesetzt werde. Im Kohlenrevier von Mährisch⸗ Ostrau ist bisher keinerlei Lohnbewegung zu beobachten. Die abgehaltenen Versammlungen der Bergarbeiter bezweckten bloß Sympathiekundgebungen für die ausständigen englischen Bergarbeiter sowie die Ertlärung eines Streiks für den Fall der Aues fuhr von Kohle in die Ausstandsgebiete. Lohnforderungen wurden seitens der dortigen Arbeiterschaft schon früher gestellt. In der nächsten Woche wird das Einigungsamt über diese Forderungen beraten.
Der für gestern festgesetzte vierundzwanzigstündige Streik der französischen Bergleute, der die Aufmerksamkeit des Parlaments auf ihre Forderungen lenken soll, ist, „W. T. B.“ zufolge, ohne Zwischenfall verlaufen (vgl. Nr. 63 d. Bi.). In den Straßen der einzelnen Orte fanden Umsüge statt, in Vrsammlungen wurden die Forderungen der Bergarbeiter besprochen. Heute sollte die Arbeit überall wieder aufgenommen werden.