1912 / 67 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 15 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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een von allen mög⸗ b. Derpschenah der Kaiser ist

mich 88. ihren Angebörigen

die Arbeiter, aber wo

Die zur Mittagsschicht fahrenden Radler aus Okfen

den, auch

zali Leuten verlangt wor ahen ncgticea um gebeten vcfgen en Mabs Staatssekretärs, oll. igen und 18. Regierung den Wunsch⸗ im Streik⸗ Ich zichte 8 ne vreuische enf die Rühe vnd, ewillern vor der don ddr Fasbr und aufrecht Ahält, erge genden Sozialdemokratie zu

rutalen Vergewaltigung der vo

ützen. 88 Preußischer Minister für Handel und 8 D Abg. Sachse hat bei seinen 9 rlange vo

8 82 3 Regierung ve vbei an die Spitze gesetzt, Mee hecsetts nicht volle Freiheit den

reußischen Regierung

8 . eich sind die sich mit den Ge die Streikenden wie bei den Sozialdemokrat Streikenden, der sich die persönliche Freiheit e

Gewerbe Sydow: rörterungen den Satz le Freiheit für Streikenden

gewähren. klären, da Widerspruch setzen, willigen. (Zurufe wahr! Gegen den kommen läßt, der nicht in wird

auf Personen und Sachen enthalten. demokraten.)

Wenn man die Darlegungen und Erzählungen des Herrn Abg. müßte man eigentlich glauben, daß es im Ruhr⸗ revier etwa folgendermaßen zugeht: Die Polizeibeamten und Schutz⸗

eute, die von auswärts gekommen sind, gehen auf die Straßen und womöglich anzu⸗ Und die Arbeitswilligen, ehe sie zur Arbeit gehen, ziehen mit Schwertern und mit Stangen aus und suchen die Streikenden; ich weiß nicht, ob um sie mit Gewalt zur Arbeit anzu⸗

Sachse hier hört,

suchen, wo sie einen Streikenden finden, um ihn schießen. (Heiterkeit.)

halten oder aus welchem Grunde? (Heiterkeit.)

Die Telegramme, die Sie bekommen haben, sind einseitige Dar⸗ Wir haben Telegramme bekommen von der anderen Seite, die sich über übermäßige Belästigungen der Arbeitswilligen beschweren. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Auch einseitig!) Ich verzichte auch darauf, diese zur Unterlage für meine Behauptungen zu das sind einseitige Behauptungen, und auf Behauptungen, wenn sie nicht untersucht sind, mögen sie von Ihnen kommen oder von anderer Seite, will ich hier nicht fußen.

Dagegen liegt mir ein gestern abgesandter Bericht vom Regierungs⸗ präsidenten von Münster vor, der doch ein etwas anderes Bild ven Dieser Bericht (Zuruf bei den Sozial⸗ demokraten: Objektiv?!) Auf objektiv ermittelten Tatsachen.

die sich an sich Am Eingang wird als Fazit des gestrigen

stellungen.

nehmen. Sie könnten auch sagen:

den Vorgängen gibt, als Sie es darzustellen suchen. beruht auf objektiv ermittelten Tatsachen.

Sie werden hören, es werden Tatsachen mitgeteilt, nicht bemängeln lassen. Tages erwähnt:

Der Terrorismus der Ausständigen ist außerordentlich groß, und es ist bisher leider an verschiedenen Stellen nicht in dem wünschenswerten und erforderlichen Maße gelungen, den Arbeits⸗

willigen wirksamen Schutz zu bieten.

(Hört! hört! und Zuruf bei den Sozialdemokraten: Bestellte Arbeit!) Nein, so fix arbeiten wir auch nicht, daß wir uns zur Wider⸗ legung erst heute vorgebrachter Behauptungen einen Bericht bestellen ist, und daß (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Im Landkreis Recklinghausen wird weiter mitgeteilt hat

können in Münster über das, was gestern geschehen dieser Bericht heute schon einläuft.

sich folgendes ereignet: Am 11. beim Schichtwechsel sammelten sich in Herten an der Ecke der Sedan⸗ und Ewaldstraße vor dem

Eingang der Zeche Ewald 250 300 Personen an, die die Straße

teilweise versperrten und die Arbeitswilligen durch Pfuirufe und Zurufe wie: Streikbrecher belästigten und beschimpften. Nachher, als sich dann die Menge nochmals zu Zurufen gegen die Arbeitswilligen und gegen die Polizeimannschaften hinreißen ließ, forderte der Polizeikommissar die Menge zum Verlassen der Straße auf. Das wurde nicht befolgt, sondern mit erneuten Pfuirufen beantwortet. Jetzt gingen die Beamten mit der Waffe vor und sprengten die Menge auseinander.

(Lebhafte, anhaltende Rufe bei den Sozialdemakraten. Zuruf: Ist

das keine Gewalttätigkeit?)

Das ist keine Gewalttätigkeit, (lebhafter Widerspruch, große

Unruhe bei den Sozialdemokraten) sondern Abwehr einer Belästigung

der Arbeitswilligen.

Dann kommt:

Drei Bergleute Ignaz und Stanislaus Modzinski und Scepansky fielen auf der verlängerten Schützenstraße über einen Arbeitswilligen her, verletzten ihn mit Stockschlägen derart, daß das linke Augenlid vollständig durchschlagen wurde (hört! hört! rechts), sodaß es herunterklappte, sie wurden festgenommen.

Sehr ernst, heißt es an einer anderen Stelle, ist auch die Lage in Datteln: Dem Amtmann wurde gemeldet, daß die Streikenden begannen, sich auf der Chaussee zusammenzurotten offenbar in der Absicht, die Arbeitswilligen beim Schichtwechsel zu belästigen. Die Anordnung des Amtmanns, die Chaussee und ihre Umgebung, soweit sie vom Zechentore zu übersehen war, von Müßiggängern und anderen herumstehenden Leuten zu säubern, erwies sich vorläufig als nicht durchführbar. An einer Seite vertrieben, schoben sich die Menschen⸗ massen an anderen Stellen hinter den Beamten wieder vor. Die Lage begann kritisch zu werden, da die Menge dreister wurde und sich nicht scheute, die ausfahrenden Bergleute mit Pfuirufen zu empfangen und zu begleiten. Von den nunmehr verstärkten Be⸗ amten mußte zum Angriff gegen die Menge vorgegangen und die Chaussee mit Gewalt gesäubert werden. 6 Dann weiter: 8 sind schon in Natrop, also nördlich des Dorfes, angefallen worden, auch von Weibern, die die Räder festhielten. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Weibern!) Ich kann auch Frauen sagen. (Große Unruhe bei den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.) Das hat nichts Verächtliches, auch Damen also

habe ich zu er⸗ setzen nicht in die Arbeits⸗ en.) Das ist wohl nichts zu schulden ines anderen 81 rufe bei den Sozial⸗

argift. kein. Beamter „twgs. ünzam(Z 5 rechnen, wie die⸗ jenigen, die ruhig ihrer Arbeit nachgehen und sich jedes Angriffs (Zurufe bei den Sozial⸗

So riefen diese Damen. anderen Stelle:

Nun kommt aber no

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1 uriefen: h üͤder festhielten, und ihnen z men, die ihre Räder f . nichts mehr zu fressen habt, so

1 machen.“ h kommen, wir können dac s as rechts) Danm heißt es an einer

denn man hat sie id nicht angefahren, ver 8 haben 1905 allen Drohungen 8 u ern es. nicht mitgestreikt. 8 c nc. Gmwald Fortsetzang hat man Kindern, die dch ene stopf weg⸗ bringen 1“ Auch . und sie nach Hause gejagt. ves Haus gegangen, um 1u“ dort gestern Vormittags von 8 eene fecntelen ob der Mann zu Hause Haaichy) Das ist doch bloß (huaf von den e ee Schrsergstigen (Zuruf von den sum nachher die Leute zu en!) Obiektive Tatsachen? Mutmaßung

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ab, belästigten die Arbeitswilligen augesammelt hatte, nahm die enge eine derartige drohende Haltung an, daß der Leiter der

Sicherheitsmannschaften scharf laden ließ und alsdann unter Ei

greifen der berittenen Mannschaften Ordnung schaffen konnte.

Bemerkenswert ist, daß bei den Exzessen Frauen mit Kindern in Kinderwagen voraukgeschickt wurden. (Hört! Hört! rechts Heiterkeit bei den Sozialdemokraten. Zuruf von den Sozial⸗ demokraten: Das ist ein Kindermärchen!)

Es heißt dann wieder weiter:

Auf Zeche Radbod, im Landkreis Lüdinghausen, sind die Arbeits⸗ willigen bei der An⸗ und Ausfahrt, auf dem Wege von und zur Arbeitsstätte durch Beschimpfungen, Schreien seitens der Aus⸗ ständigen, und namentlich auch durch deren Frauen und Kinder, be⸗ lästigt worden.

(Große Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Ob ich das glaube? Jawohl, ich bin fest davon überzeugt! (Erneute große Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Dadurch, daß Sie das hier be⸗ streiten, schaffen Sie die Tatsachen nicht aus der Welt! (Sehr richtig!; rechts. Zurufe von den Sozialdekraten.)

Sie sehen daraus, daß ein ziemliches Maß von Geduld erschöpft worden ist, ehe der Regierungspräͤsident dazu übergegangen ist, das Militär zu requirieren. (Sehr richtig! rechts. Zuruf von den Sozialdemokraten: Ein ganz gewöhnlicher Schutzmannsbericht!)

Nun möchte ich noch auf einen Punkt kommen, der wahrscheinlich auch nach Ihrer Gemütsverfassung ruhiger behandelt werden kann (Heiterkeit rechts!), das ist die Frage, die der Herr Abg. Sachse an mich gerichtet hat, warum die Regierung in den fiskalischen Arbeiterausschüssen nicht greifbarere Vorschläge, als es geschehen ist, gemacht hat. An der Spitze der Forderungen stand das Ver⸗ langen einer fünfzehnprozentigen Lohnerhöhung. Diese fünfzehnprozentige Lohnerhöhung geht weit über das Maß dessen hinaus, was der Bergbau tragen kann, und was durch die letzten Kohlenpreiserhöhungen eingebracht wird. Ich will Ihnen das an einigen Zahlen beweisen. Der Gesamtjahreslohn des Jahres 1911 im Ruhrrevier beträgt etwa 500 Millionen Mark. Nehmen Sie 15 % davon, so macht das rund 75 Millionen Mark. Dazu kommen noch die erhöhten Knappschaftsbeiträge, das macht eine Steigerung von rund 80 Millionen Mark. Die Jahresförderung im Ruhrrevier beträgt etwa 90 Millionen Tonnen. Die Preissteigerung, die zum 1. April ein⸗ treten soll, macht im Durchschnitt für die Tonne Kohlen etwa 75 ₰; das ergibt einen Gesamtmehrgewinn von 67 ½ Millionen Mark. Damit ist zunächst erwiesen, daß die fünfzehnprozentige Lohnsteigerung weit über das hinausgehen würde, was durch die Erhöhung der Kohlenpreise eingebracht werden kann. Für manche Zechen würde es

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Knappschaftsbeiträge noch 60 000 ℳ; von 800 000 ℳ. Aus der Erhöhung der Kohlenpreise würden der Zeche 418 500 zukommen; mithin würde die 381 500 betragen. die Zeche würde also damit direkt in die Zubuße gelangen.

natürlich noch nachteiliger wirken; manche Zechen würden direkt in die Unterbilanz kommen. Mir liegt hier eine Berechnung von einer normalen Zeche mit 680 000 Tonnen Förderung und 3000 Mann Belegschaft vor. Die Lohnzunahme würde bei einer Steigerung um 15 % im Jahre 740 000 betragen, die entsprechende Erhöhung der das wäre eine Mehrausgabe

Mehrausgabe Die Ausbeute im Jahre macht 300 000 ℳ;

Was nun den fiskalischen Bergbau anlangt, so zahlte der

fiskalische Steinkohlenbergbau im Kalenderjahr 1911 rund 105 Mil⸗ lionen Mark Löhne; für das Etatsjahr 1911 würde das etwas mehr machen, weil im ersten Quartal des Jahres 1912 die Löhne nicht unbeträchtlich gestiegen sind: fünfzehnprozentige Lohnerhöhung, zuzüglich der erhöhten Knappschafts⸗ beiträge, würde 17 bis 18 Millionen Mark ausmachen. Das ganze, was der Bergfiskus nach dem Etat von 1912 aus dem Steinkohlen⸗ bergbau an die allgemeine Staatskasse abführt, sind 11 ½ Millionen Mark. Der Fiskus würde also mit etwa 6 Millionen Mark ins Defizit kommen. Wer den Bergbau nicht als eine Wohlfahrts⸗

vielleicht 110 Millionen Mark. Eine

inrichtung für Arbeiter ansieht, sondern als eine wirtschaftliche

Unternehmung, die nach kaufmännischen Grundsätzen betrieben werden soll, muß mir zugeben, daß die Forderungen beim besten Willen nicht

rfüllt werden können. (Zustimmung rechts. Zuruf von den Sozial⸗

demokraten: Gebt doch 10 %)

Nun muß ich mich aber überhaupt gegen jede derartige schematische

Festsetzung der Lohnsteigerung aussprechen. Die Umstände, die auf die Lohnverhältnisse Einfluß haben, sind bei den verschiedenen Zechen desselben Reviers verschieden. Es d

kommt die Verschiedenheit er Lebenshaltung im Norden und im Süden des Ruhrreviers in etracht, ferner die Verschiedenheit des Angebots an Arbeitskräften.

Beispielsweise müssen die fiskalischen Zechen eo ipso, weil sie in der Entwicklung begriffen sind und in wenig angebauten Gegenden liegen, etwas höhere Löhne zahlen als die übrigen Werke. Daraus aber zu

olgern, daß die anderen Zechen die gleichen Löhne zahlen müßten,

wäre unrichtig. Aber auch innerhalb derselben Zeche kommen große Ver⸗

chiedenheiten vor, sowohl was die Art der Arbeit angeht, als auch

was die Leute betrifft. Es gibt im Bergbau wie überall fleißige und

inder fleißige Leute. Schematisch die Schichtlöhne zu erhöhen, wäre

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ine richtige Maßregel für die Werksbesitzer. Sie sehen sich die

Leute an, sie sehen si

nt ihr zu uns Fall zu. ist eine

Arbeitseinheit nie gleich ange

Weiter: .

ch auch die Arbeit an und legen von Fall zu

Erhöhung bei Ge⸗ Entgelts für die solute Zahl kann 5 zwei

es setzte Gedinge sehr verschiedene Bedeutung haken, e

Ndoch im Cffet neteg scheinbar S aa und wenig gefördert

ge mit scheinbar niedriger

Noch schwieriger

weil da inglöhnen, ichts beweist.

die absolute Die ab

e Gedinge mit sche 1 9e2 8 die Fis nerüclteh. e gcn ig⸗ werden kann. Cs hältnisse eben günstiger sind. Also

b xe ene übrig, als wie es Zahl gut seinn bleibt auch künftig nichts b.g Ea bei dem Gruben geschieht, sie von lassen, sodaß das u“ dann ein billiges Ermessen walte Aber das läßt sich e 8 die Arbeiter etwas höher wird.

bnis zei etzen. nicht vertrags⸗ und ziffernmäßig 8 den fiskalischen Arbette⸗

1 otokolle Sehen Sie w;. 8 schon erlauben, einiges b-2ae 8 ausschüssen an. plastischer erscheint. Da 1“ zulesen, damit die Sache erksdirektoren heelegt 1a6. ae 9 überall finden, 85.e. Schichtlöhnen so und so. viel. Pfenni auch rgevevnger eigk⸗ Beispielsweise ist hier bei „Bergmannsglück“ von dem Werks⸗ direktor erklärt, daß er eine gewisse Erhöhung der Löhne in Aussicht stellen könne. Diese Erhöhung könne zum Teil 30 pro Schicht betragen, aber allgemein könne er sich nicht festlegen. Bei den Rheinbaben⸗Schächten heißt es: sowie den übrigen Schichtlöhnern würde je nach der Leistung des Einzelnen ein Zusatz von 10 bis 40 r durchweg aber 20 ₰, einem Teil auch 30 und einzelnen tüchtigen Leuten 40 gewährt werden. Dann wird festgestellt, daß im Februar 1912 sich der reine Schichtlohn der Kohlenhauer auf 6,31 bis 6,33 stellen würde. Der Herr Abg. Sachse irrt, wenn er glaubt, es sei einmal von Brutto⸗ und einmal von Nettolohn die Rede gewesen; es ist ausschließlich von Nettolöhnen die Rede, überal,, wo ich jetzt Löhne erwähne. Der Werksdirektor sagt endlich, nach seinem Gefühl würden die Löhne bei der gegenwärtigen Geschäftelage noch weiter anziehen. Dann wird ebenso bei den Möllerschächten den Leuten vpor⸗ gerechnet, wie die Hauerlöhne bis zum Februar 1912 geftiegen sind, nach einer vorläufigen Ermittlung auf 6 26 bis 6,27 im Februar 1912. Auch bei den anderen Arbeiterkategorien, die im Schichtlohn arbeiteten (Glocke des Präsidenten), sei eine Erhöhung des Durchschnittsverdienstes festgestellt. Diese allgemeine Steigerung würde der Konjunktur entsprechend anhalten. Er nehme an, ohne ein Versprechen abgeben zu wollen, daß der reine Häuerdurchschnittslohn nach Abzug aller Arbeits⸗ und Knappschafts unkosten im Laufe der nächsten Monate bis auf 6,50 oder 6,60 ansteigen werde. Auch den Schichtlöhnen sollten Zulagen von 10 bis 40 für die Schicht je nach der Qualität der Arbeiter gemacht werden. 8 Nun hat vorhin der Herr Abg. Sachse gesagt: das glauben wir nicht. Ja, wenn einer nicht glauben will, kann man ihn nicht dazu zwingen, wenn aber diese Zusagen unterstützt werden durch die Tat⸗ sache, daß schon vorher ohne irgendwelche Versprechungen eine Steigerung der Löhne stattgefunden hat, so, meine ich, gehört doch bereits eine gewisse Absicht dazu, so etwas nicht zu glauben. (Sehr richtig! rechts.) Daß es auch gar nicht daran gescheitert ist, daß diese Erklärungen des Werksdirektors nun nicht in Form eines Vertrages festgelegt wurden, können Sie aus folgendem Umstande ersehen. Gerade auf den Möllerschächten, wo diese zuletzt von mir vorgelesenen Erklärungen abgegeben worden sind, erklärte der Bergmann Weber, der dem alten Verbande angehört, da die 15 prozentige Lohnerhöhung abgelehnt sei wäre seine Mission erledigt, und eine Erörterung der übrigen Punkte der bekannten Arbeiterforderungen könnte unterbleiben. Das spricht doch dafür, daß der Streik nicht darum ausgebrochen ist, weil in den Arbeiterausschüssen die Zusagen nicht in Paragraphen gefaßt sind, sondern weil man von vornherein entschlossen war und in den Massen die Meinung verbreitet hatte, hier müsse unter der Gunst der Ver⸗ hältnisse in England der Versuch gemacht werden, eine 15 prozentige Lohnerhöhung durchzusetzen, die, wie ich Ihnen dargelegt habe, nicht möglich ist. Ich glaube, aus alledem kann man weder schließen, daß die fiskalische Bergverwaltung ihre Arbeiter schlecht bezahle, noch daß sie ihnen keine hinreichenden Zusicherungen abgegeben habe. Löhne von 6,30, 6,40, 6,50 netto kann man wirklich nicht Hungerlöhne nennen. (Sehr richtig! rechts.) Abg. Dr. Böttger (nl.): Wir haben von dem Interpellanten vernommen, daß nach seiner Ansicht eine innere Berechtigung des Streiks nicht vorhanden sei, und auch der Staatssekretär ist auf Grund der historischen ntwicklung des Streiks zu der Ansicht gekommen, daß dabei politische Motive mitgesprochen aben. Ich hoffe, daß die nichtorganisierten Arbeiter in ihrer schwierigen Stellung ausharren, und daß die Bemühungen Erfolg haben, im Wege friedlicher Verhandlungen diejenigen Vor⸗ eile herauszuholen, die der verbesserten Konjunktur entsprechen. Die Regierung muß dafür sorgen, daß Ordnung und Ruhe aufrecht rhalten und die Arbeitswilligen geschützt werden. Die zehn Forderungen der drei Verbände, die sich auch mit der Art der Lohnzahlung, die meiner Meinung nach verbesserungsbedürftig ist, mit der Regelung der Ueberschichten, mit dem paritätischen Arbeitenachweise und mit der Einsetzung von Schiedsgerichten befassen, bieten einen weiten Spielraum zum Ausgleich der Interessen. Wieweit die Forderungen in jedem einzelnen Punkte erfüllt werden können, muß den zuständigen Instanzen überlassen bleiben. Die Stellung der Arbeiterausschüsse läßt heute zu wünschen übrig. Sie haben kein Rechl, sich mit den Arbeitgebern über Lohngedinge zu unterhalten; das ist ein Zopf, den wir abschneiden müssen. Die öffentliche Meinung verurteilt den Streik als eine Sympathiekundgebung für die englischen Berg⸗ rbeiter. Es ist festgestellt, daß nur die Häuer noch nicht den⸗ selben Lohn verdienen wie in dem letzten Hochkonjunkturjahr 1907, dagegen die Untertagarbeiter und die erwachsenen männlichen ebertagarbeiter, die die größere Hälfte aller Bergarbeiter ausmachen, den damgligen Lohnstand wieder erreicht oder teilweise schon über⸗ schritten haben. Die Verteuerung der Lebenshaltung muß unbedingt zugegeben werden, aber sie ist nicht so hoch, wie es in der Eingabe ngegeben worden ist. Bei einer Erhöhung der Löhne um 15 % würde ein ganz erheblicher Teil der Zechen das Zeitliche segnen und Pendtigh sein, die Arbeiter zu entlassen. Hoffen wir, daß einer friedlichen Verständigung das zufällt, was dem unberechtigten Streik und dem Terrorismus nicht zugesprochen werden kann. Hierauf wird nach einer persönlichen Bemerkung des Abg. Sachse (Soz.) die weitere Besprechung der Interpellation ume 6 ½ Uhr auf Fr g 1 Uhr vertagt.

den Verbauern

8 ordnet, zu erfüllen haben. Sie

vor. Um die Durchführung dieser Maßregel zu erleichtern,

zu sein, die Vorlage einer Kommission zu überweisen.

Zweite Beilage

schen Reichsanzeiger und Königlich

Berlin, Freitag, den 15 März

Preußischer Landtag. 8 ““ Haus der Abgeordneten. 1 36. Sitzung vom 14. März 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung des Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zur Maß⸗ und Gewichtsordnung vom 30. Mai 1908 in der vom

Herrenhause abgeänderten Fassung.

Der Entwurf stellt die Verpflichtungen au ,welche die Ge⸗ meinden für den Fall, daß die zuständige Behsauf zur Ihchdis Ge⸗ öffentliche Eichtage außerhalb der zuständigen Amtsstelle an⸗ 28 haben u. a. auf Ersuchen des Sübenere von und nach der nächsten

er Kleinbahn gegen Vergütung bereit⸗

Eichbeamten das nötige Ladestelle der Eisenbahn o zustellen.

Das Herrenhaus hat diese Bestimmung dahin geändert, daß die Gemeinden „bei Bestehen einer zur Fortsetzung der Reise geeigneten Eisenbahn⸗ oder Dampfschiffahrtverbindung bis zur nächsten Ladestelle oder von einer solchen“ das nötige 8 Fuhrwerk bereitstellen müssen. Die Gemeinden sollen dafür die ortsübliche Vergütung zu beanspruchen haben. Im Streitfall

der Vergütung von der Kommunalaufsichts⸗

wird die Höhe Das Reichsgesetz über den Eichzwang

behörde festgesetzt.“

8 Abg. Bärecke (kons.):

soll am 1. April in Kraft treten. Es sieht vor allem die ö“ ist dieser

Entwurf vorgelegt worden. Im Herrenhaus hat § 3 der Vorlage ine lebhafte Erörterung hervorgerufen, der die d Nitwirkung der Gemeinde bei der Nacheichung regelt. Den kleineren Gemeinden rwachsen durch dieses Gesetz erhebliche Lasten. Wir wünschen, daß

der Staat den Gemeinden bei der Uebernahme der Kommtunal ichbeamten mehr entgegenkommt.

Abg. Dr. König (Zentr.) beantragt, die Vorlage einer be⸗ sonderen Kommission zu überweisen, und bittet die Re ierung, bei der Uebernahme namentlich die älteren Beamten zu berüchichtt en.

Abg. Dr. Schrock (freikons.): Die Leidtragenden bei diesem Entwurf sind die Städte, die bisher ein eigenes Eichamt hatten. In Westpreußen z. B. werden jetzt nur 6 staatliche Eichämter errichtet. Leidtragende sind auch die Gewerbetreibenden in diesen Städten, denen durch den Verkehr mit den manchmal entfernten Behörden Schwierigkeiten entstehen. Es wird Aufgabe der Kommission sein, sich eingebend damit zu befassen, wie diesen kleinen Gemeinden die Erschwerungen erleichtert und vermindert werden könuen.

Abg. Dr. Dumrath (nl.): Meine Freunde stimmen der Ueber⸗ weisung der Vorlage an die Gemeindekommission zu.

Minister für Handel und Gewerbe Dr. S y dow:

Es ist von verschiedenen Seiten der Wunsch geäußert worde den Gemeindeeichmeistern möglichst entgegenzukommen. Ich glaube, daß der erste der Herren Redner, die hier das Wort ergriffen haben, die Zahl der Gemeindeeichmeister unterschätzt hat, die in den Staats⸗ dienst übernommen werden. Wir haben im ganzen jetzt etwa 500 Gemeindeeichmeister, davon gehen rund 100 ab für die bestehen⸗ bleibenden Faßeichämter der Gemeinden. Von den übrigen 400 werden etwa 100 übernommen werden, also ½. Was nun den Rest von 300 betrifft, so ist darunter eine Menge von Leuten, die die Sache nur im Nebenamt, ganz nebenbei ausüben, vielleicht mit einem Einkommen von 200 oder 300 im Jahr. Im übrigen aber werden wir ge⸗ eignete Gemeindeeichmeister, soweit sie noch nicht die 50 überschritten haben, wie sich das auch schon aus der Zahl von 100 ergibt, über⸗ nehmen. Was die älteren betrifft, so ist auch nicht ausgeschlossen das möchte ich auch auf die Frage des Herrn Abg. Dr. König er⸗ widern —, daß wir solche übernehmen, wenn sich die Gemeinden an der künftig zu zahlenden Pension beteiligen. Denn sonst würde man ja für den Staat eine unzweckmäßig hohe Pensionslast übernehmen. Aeltere Leute in größerem Maße in den Staatsdienst zu übernehmen, wird sich auch darum verbieten, weil künftig der Dienst der Eichmeister zum großen Teil Außendienst ist und diese älteren Leute nicht mehr zu einem solchen sich eignen oder dazu bereit sein möchten.

Was die Verminderung der bisher mit Eichämtern ausgerüsteten Orte betrifft, die der Herr Abg. Dr. Schrock hier besprochen hat, so stellt sich der Verlust, der den Gemeinden daraus erwächst, doch darum nicht allzu erheblich, weil die Nacheichung durch herumreisende Beamte besorgt wird, diese Beamten also auch an die Orte kommen, an denen sich bisher Eichämter befunden haben, künftig aber nicht be⸗ finden werden. Die erstmalige Eichung wird sich meistens in den Fabriken, wo die eichpflichtigen Gegenstände hergestellt werden, voll⸗ ziehen; das Publikum kauft die Sachen in geeichtem Zustande.

Dem Herrn Abg. Dr. König möchte ich bestätigen, daß die Ziffer 2 des § 3 sich nur auf Räumlichkeiten zur Nacheichung bezieht. Wenn für die regelmäßige Eichung Geschäftslokale beschafft werden sollen, so muß dies im Wege der Anmietung, im Wege der Ver⸗ ständigung mit den Gemeinden, falls es sich um deren Räumlichkeiten handelt, geschehen. Ebenso bin ich durchaus damit einverstanden, daß die Ziffer 4 des § 3, die ein gewisses Requisitionsrecht für Fuhrwerk schafft, nur zur Anwendung kommen soll, wenn es dem Eichbeamten,

was in erster Linie seine Pflicht ist, nicht gelingt, sich auf anderem Wege Fuhrwerk gegen Vergütung zu beschaffen. Auch das kann ich

einem der Herren Vorredner bestätigen, daß diese Fakultäten, die hier den Eichbeamten gegeben sind und die doch wohl aus zwingenden Gründen ihnen belassen werden müssen, wenn man nicht einen unnütz großen Apparat an deren Stelle schaffen will, maßvoll angewendet werden sollen, daß den Eichbeamten das in der Instruktion auch im einzelnen gesagt werden muß, und daß im Aufsichtswege darauf ge⸗ achtet werden soll, daß dieser maßvolle Gebrauch auch wirklich aus⸗ geübt wird.

Alle übrigen Wünsche glaube ich der Erörterung in der Kom⸗ mission vorbehalten zu sollen; denn das hohe Haus scheint ja geneigt Ich möchte mir nur die Bitte erlauben, daß, wenn es irgend möglich ist, die Arbeit so gefördert wird, daß das Gesetz vor dem 1. April zur Ver⸗ abschiedung gelangen kann. Denn mit dem 1. April soll die neue Organtsation ins Leben treten, und dazu gehört, daß das Gesetz vom 26. November 1869, wonach die Eichungsinspektoren direkt von dem Minister abhängen, beseitigt wird.

Degradation.

Abg. Geisler (Zentr.): Was soll aus den Leuten werden, welch29g. 8 (* dieser Tätigkeit gewidmet haben, wenn der Staat sie nicht übernimmt? Die mir heute zugegangene Zuschrift eines älteren Eschmeisters stellt seine Aussicht in die Zukunft in einem recht trüben Lichte dar; die Angebote, die ihm die Gemeinde wegen Uebertritts in eine andere Dienststellung macht, bedeuten lediglich eine Die Heranziehung der Gemeindevorsteher zur Unter⸗ stützung der staatlichen Eichbeamten bei Abhaltung der öffentlichen Eichtage wird in dem Gesetz einfach statuiert, von einer Entschädigung ist keine Rede. Hier muß die Kommission Abhilfe schaffen.

Abg. Busch (Zentr.) beklagt gleichfalls die Härten, zu denen die Konzentration des Eichwesens führen müsse, und empfiehlt in Uebereinstimmung mit dem Abg. Geisler und dem Abg. König gerade die älteren Eichmeister der Fürsorge der Regierung. Den 300 Eich⸗ meistern, die jetzt gewissermaßen ins Freie fielen, müsse ihr Recht werden. Auf dem Lande seien auch 300 bis 400 schon ein hohes Einkommen, das ein altgewordener Beamter nicht entbehren könne. Der Minister solle die Sache nicht nur vom fiskalischen, sondern auch etwas vom menschlichen Standpunkte aus beurteilen.

Die Vorlage wird der Gemeindekommission überwiesen.

Es folgt die erste Beratung des vom Herrenhause herüber⸗ gelangten Gefetzentur über die Abänderung und Ergänzung der Ausführungsgesetze zum Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz.

Abg. von Kardorff (freikons.): Wir beantragen die Ver⸗ weisung des Entwurfs an eine besondere Kommission von 14 Mit⸗ gliedern. Wir werden trotz der sorgfältigen Beratung, die das

errenhaus der Vorlage hat angedeihen lassen, um eine genaue Begn dieser ungemein schwierigen Materie auch unsererseits nicht

erumkommen. Die Zahl derjenigen, die sich der Unterhaltungspflicht

entziehen, ist im Wachsen; die vorhandenen gesetzlichen Bestimmungen reichen zur ernstlichen Bekämpfung dieses schweren sozialen Schadens nicht aus; sie sind auch nur in sehr seltenen Fällen zur Anwendung ekommen. Es liegt im Interesse der Armenpflege selbst, daß wir e von jenen Se. freistellen, denen sie heute unnützerweise unterliegt; es besteht nun die Gefahr, daß die Armenpflege jenen, für die sie da ist, die Unterstützungen nicht in so reichem Maße zu⸗ kommen lassen kann, als es erforderlich ist. Es muß also ein polizei⸗ licher Arbeitszwang statuiert werden. Artikel 2 erweitert den Kreis derjenigen Personen, die durch Beschluß der Verwaltungsbehörde an⸗ gehalten werden können, unterstützungsbedürftigen Anverwandten Unterstützung zuteil werden zu Dagegen ist nichts zu sagen. Schwieriger liegt die Sache bei Artikel 1, wo es sich fragt, ob die S ene landesgesetzliche Regelung überhaupt möglich ift Ge⸗ wiß vt hiergegen gewisse juristische Bedenken. Man hat aber auch im Reichstage sich auf den Standpunkt der Zulässigkeit landes⸗ gesetzlicher Regelung gestellt, und auf demselben Standpunkt stehen auch Autoritäten, wie Holzhausen. 1“ wird zu prüfen haben, ob die Kriterien der Hartnäckigkeit und Böswillig⸗ keit bei den säumigen Nährpflichtigen, wie sie der Antrag Schmedding von 1909 in die Debatte warf, irgendwie in den Entwurf aufzunehmen sind. Sehr schwierig ist auch die Frage der Unterwerfung von Kindern unter diesen Arbeitszwang; auch hier wird die Kommission eine gründliche Prüfung eintreten lassen müssen, desgleichen über die Modalitäten des im Entwurf vorgesehenen Verfahrens. Die „Frank⸗ furter Zeitung“ schrieb nicht mit Unrecht, daß es sehr viel leichter sei, in ein Arbeitshaus hinein⸗, als nachher wieder herauszukommen.

Unterstaatssekretär Holtz: Die Notwendigkeit, die Vor⸗ lage einzubringen, hat sich der Staatsregierung in den letzten Jahren in immer steigendem Maße aufgedrängt. In Phten hat man 1871 auf ein bestehendes Gesetz von 1855, welches der heutigen Vorlage im wesentlichen entspricht, verzichtet, weil man es nicht mehr fuür notwendig hielt. Dieser Grund ist nach unseren Erfahrungen völlig hinfällig geworden, denn die Zahl der Fälle ungerechtfertigter Inan⸗ spruchnahme der Armenunterstützung ist außerordentlich gewachsen. Das andere Bedenken hinsichtlich der Reichs⸗ oder Landeskompetenz ist ebenfalls hinfällig geworden. Ueber die Art der Armenpflege zu be⸗ finden, ist ausdrücklich durch Reichsgesetz der Landesgesetzgebung über⸗ lassen. ie Arbeitsgelegenheit zu schaffen, war schon bisher im Be⸗ reich der 11“ Berechtigung; hier wird ein Schritt weiter getan und der Arbeitszwang ausgesprochen. Ein dringendes Bedürf⸗ nis für die Vorlage liegt also vor, und die rechtlichen Bedenken scheiden aus. Der Geltungsbereich des e soll sich auf Kinder nur bis zum vollendeten 16. Lebensjahre beziehen. Die Bedenken des Vorredners werden in der Kommission naher zu prüfen sein. Die ganzen Maßregeln sollen auch nur auf Zeit beschränkt sein. In einigen anderen Bundesstaaten ist der Gedanke dieses Gesetzes bereits ausgeführt. Ich hoffe, daß diese Vorlage das soziale Empfinden wieder stärken und die Pflicht zur Erhaltung der an⸗ regen wird.

Abg. Schmedding (Gentr.)! Ich beantrage, die Vorlage einer besonderen Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen. Die Versäumnis der Nährpflicht hat einen so großen Umfang angenommen, daß eine vernünftige Armenpflege darauf bedacht sein muß, dieses Uebel zu be⸗ seitigen und ihm vorzubeu en. Der durch das Gesetz vom Mai 1855 in Preußen eingeführte Arbeitszwang ist im Jahre 1871 aus recht⸗ lichen Bedenken aufgegeben worden, weil den Verwaltungsbehörden die Befugnis zur Unterbringung von Arbeitsscheuen und Obdachlosen in einem Arbeitshaus nicht gegeben werden könne, nachdem der § 362 des StGB. eine solche Unterbringung von der ausdrücklichen Er⸗ mächtigung durch den Richter abhängig gemacht hat. Diese Bedenken können nicht mehr als be ründet anerkannt werden, denn zwischen dem Arbeitszwang und der Korrektionsnachhaft gemäß § 362 St. G. B. ist ein wesentlicher Unterschied. Der Arbeitszwang hat keinen straf⸗ rechtlichen Charakter. Die persönliche Freiheit ist durch die Verfassung erantiert; aber die Beschränkung der persönlichen Freiheit für Arbeits⸗ p eue und säumige Nährpflichtige durch ein Gesetz ist wohl zulässig. Das Herrenhaus hat durch die Aenderung der Ueberschrift des Gesetzentwurfs zweifellos eine Verbesserung herbeigeführt, die Ueberschrift lautete nach der Regierungsvorlage: Gesetzentwurf über die Ausübung der Armenpflege bei Arbeitsscheuen und säumigen Nähr⸗ pflichtigen. Es muß in der Kommission überlegt werden, ob sich nicht eine bessere Bestimmung einfügen läßt, mit der man den sog. Stromern besser beikommen kann. Es wäre dazu eine Aenderung des § 117 des Landesverwaltungsgesetzes notwendig, damit der Vorsitzende des Kreis⸗ ausschusses ein vorlaͤufiges Verfahren einleiten kann.

Abg. Borchardt (Soz.) (zur Geschäftsordnung): Nach § 47 der Geschäftsordnung soll, solange es möglich ist, mit den Rednern „für“ und „wider“ gewechselt werden. Ich meine, daß das bei der heutigen Debatte sehr wohl möglich und 6 nützlich für das schnellere Fertigwerden wäre, wenn der folgende Redner immer gleich dem vorhergehenden entgegentreten könnte.

Abg. Winckler (kons.) (zur Geschäftsordnung): Es hat sich früher herausgestellt, daß, wenn sich jemand „für“ oder „gegen“ meldet, keine Gewähr gegeben ist, daß er nun auch „dafür“ oder „da⸗ gegen“ spricht. Ich erinnere mich ganz genau, daß ein Fall vorge⸗ kommen ist, wo ein Redner gerade entgegengesetzte Ausführungen gemacht hatte. Als er gefragt wurde, wie er dazu käme, nun „dafür“ zu sprechen, antwortete er, ich habe mich „gegen“ einschreiben laftn, weil ich ausrechnete, 81 ich sonst nicht zu Worte gekommen wäre⸗ Diese Bestimmung würde auch eigentümliche Situationen für den Präsidenten ergeben, da er befugt sein müßte, den Redner zu unter⸗

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1912. brechen, wenn er in anderem Sinne spricht.

reche! bst. Aus diesen Erfahrungen,

die wir gemacht haben, stimme ich dem Vorschlage nicht zu.

Abg. Boisly (nl.) (zur Geschäftsordnung): Um der Debatte

ein g zu machen, erkläre ich, daß ich gegen die Vorlage sprechen werde.

Abg. Dr. Schxrock (freikons.) (zur Geschäftsordnung): Durch

diese Erklärung des Abg. Boisly kommen wir sofort über diese Frage

hinweg. Diese Bestimmung der Geschäftsordnung ist deshalb außer

Gebrauch gekommen, weil sich ihre Unanwendbarkeit herausgestellt hat.

Abg. Funck (fortschr. Volksp.) (zur Geschäftsordnung): Es muß sich doch jeder der Herren darüber einig sein, ob er „für“ oder „gegen“ spricht. Wenn jetzt eine ganze Reihe von Rednern üu eine andere Reihe „gegen’ spricht, ist es unmöglich, daß alle Gründe richtig beleuchtet werden.

Hräfident Dr. Freiherr von Erffa: In der Theorie ist die Sache gewiß vollkommen schön und xichtig, in der Praxis hat sie sich aber nach meinen 27jährigen Erfahrungen als unmöglich herausgestellt, weil sehr viele Herren nicht die Selbstzucht haben, wenn sie sich „da⸗ für“ gemeldet haben, nachher nicht „dagegen“ zu sprechen. Ich kann als Präsident niemandem das Wort verbieten, wenn er nachher das nicht einhält. 1 G

Abg. Borchardt (Soz.) (zur Geschäftsordnung): Der Präsi⸗ dent hat das richtige Wort gefunden und es zeugt von einem bedauer⸗ lichen Mangel an Selbstzucht derjenigen Herren, die sich unberech⸗ tigterweise vorgedrängt haben. Da es nicht meine Absicht ist, die Debatte in die Länge zu ziehen, ziehe ich nach der Erklärung des Abg. Boisly meine Anregung zurück.

Abg. Dr. Friedberg (nl.) (zur Geschäftsordnung): Diese Bestimmung der Geschäf sordnung ist bei der ersten Lesung gar nicht durchführbar, da viele Parkeien es nicht für richtig halten, sich zu binden, sondern abwarten wollen, wie die definitive Gestaltung des Gesetzes ist. Man kann mit gutem Gewissen nicht sagen, ob man dafür oder dagegen ist. (Abg. Hoffmann: as ist national⸗ liberal!) Nein, das ist nur verständig. Sie sind ja aber mit Ihrem Uͤrteil immer sofort fertig, wir wollen jede Sache erst prüfen.

Abg. Boisly inl.): Die Bestimmungen des Strafgesetzbuches haben sich zwar nicht als ausreichend erwiesen, aber es bestehen juristische Bedenken gegen einzelne Bestimmungen der Vorlage, über die die Kommission wird beraten müssen. Wir kommen um die schwierige Frage nicht herum, ob wir hier in Preußen überhaupt be⸗ rechtigt sind, ein solches Gesetz zu machen. Es handelt sich hier um einen sehr erheblichen Eingriff in die persönliche Feeiget und die Maßregel wirkt tatsächlich wie eine Strafe für die Versäumnis einer Pflicht. Dadurch, daß das Herrenhaus die Ueberschrift des Gesetzes eändert hat, ist der Inhalt des Gesetzes nicht anders geworden. Eine

wangsmaßregel ist reichsgesetzlich unzulässig, sobald der Tatbestand einer strafbaren Handlung vorliegt, aber die Bestimmungen dieses Entwurfs sind ihrer inneren Natur nach geeignet, einen Zwang aus⸗ zuüben. Die Unterbringung des Familienvaters in einer Anstalt wobei es ganz gleich ist, ob man si Arbeitshaus oder sonstwie nennt ist an sich noch keine Fürsorge für Frau und Kinder, es ist höchstens ein moralischer Druck. Die Zwangsarbeit bleibt immer minderwertig gegenüber der freien Arbeit; der dabei übrigbleibende Arbeitsverdienst reicht keineswegs zum Unterhalt der Familie hin. Der Erfolg der Vorlage ist also nur, daß jemand verhindert wird, durch freie Arbeit ür den Unterhalt seiner Frau und Kinder zu sorgen. In letzter Instanz soll auf Grund dieser Vorlage das Oberverwaltungsgericht entscheiden, dieses ist aber lediglich für zivilrechtliche Anag legerbees. und nicht für Strafsachen eingesetzt. Das ganze Verfahren scheint mir also nicht richtig konstruiert zu. sein. Ist denn überhaupt immer der Mann schuld, wenn der Haushalt nicht geht? Wer das praktische Leben kennt, wird wissen, daß es gar oft die Frau ist, die liederlich ist und zu einer Trennung der ECheleute Veranlassung gibt, weil der Mann mit dieser Frau selbst nicht auskommen kann. Dann wird aber der Mann u“ und zur Zwangsarbeit herangezogen. Warum wird ein solches Gesetz nicht im Reichstage gemacht? Glaubt man etwa, im Reichstage damit nicht durchzudringen?

Abg. Braemer kkons.): Ein Bedürfnis für die Vorlage ist anzuerkennen, die Fälle sind zahlreich, in denen die Familienväter nicht für den Unterhalt der Familien sorgen wollen. Im Jahre 1906 sind der Stadt Berlin dadurch 700 000 Kosten für Unterstützungen erwachsen. Wer im praktischen Leben steht und mit dem vertraut ist, weiß, daß die jetzigen Bestimmungen versagen. Der Gesetzentwurf spricht nur von der Möglichkeit, jemanden zur Arbeit zu zwingen, und das ist keine Strafe. Das Reichsgesetz steht solchen landesgesetzlichen Bestimmungen nicht entgegen, und andere Bundes⸗ staaten haben diese bereits durchgeführt. Wir sind mit den Maß⸗ regeln, die der Entwurf vorschlägt, einverstanden. Der Staat als Aufsichtsbehörde muß dafür sorgen, daß nicht zu große Anforderungen an die Arbeitsleistung gestellt werden. Das Gesetz wird erzieherisch wirken. Ich schließe mich dem Antrage an, die Vorlage an eine Kom⸗ mission von 21 Mitgliedern zu überweisen.

Abg. Dr. Flesch (fortschr. Volksp.): Wir in den städtischen Verwaltungen sehen diese Sache mit einem nassen und einem trockenen Auge an. Es bestehen große Uebelstände, die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen reichen nicht aus, und daß irgendwie geholfen werden muß, ist klar. Aber über die Mittel der Abhilfe gehen die Meinungen auseinander. Das Strafgesetzbuch muß entsprechend geändert, die Strafen müssen verschärft werden unter voller Auf⸗ rechterhaltung der richterlichen Garantien. Man wird nicht um die Notwendigkeit herumkommen, das Reichsstrafgesetzbuch zu ändern, und man darf dem Reichstage nicht das Mißtrauen entgegenbringen, daß er seine Hilfe nicht bieten wird. Das Gesetz hat unzweifelhaft den Charakter einer Strafbestimmung; hat man doch auch im Herrenhause davon gesprochen, daß es nur bei Böswilligkeit Anwendung finden soll. Wenn hier der Verwaltungsbehörde Strafbefugnisse gegeben werden, müssen auch die nötigen Garantien geschaffen werden. Den Hauptfehler des Gesetzes, daß etwas, was zur Reichsjustiz gehört, der einzelstaatlichen Verwaltung unterstellt wird, kann auch die Kom⸗ missionsberatung nicht ändern. Hoffentlich macht jedoch die Kom⸗ mission die notwendigen Aenderungen, und wir behalten uns unsere Stellungnahme bis nach der Kommissionsberatung vor.

Abg. Styczynski (Pole): Der vorliegende Gesetzentwurf enthält unzweifelhaft ein Strafgesetz, und dafür sind nicht Ver⸗ waltungsinstanzen, sondern ist nur die Reichsgesetzgebung zuständig. Die Heranziehung minderjähriger Kinder zur Zwangsarbeit wider⸗ spricht auch der Auffassung des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Minderjährigkeit.

Abg. Borchardt (Soz.): Wir lehnen sowohl die Kommissions⸗ beratung als auch das Gesetz ab. Denn die Regelung der ganzen Frage i nicht Sache der einzelnen Staaten, sondern des Reiches. Diese Materie ist auch jetzt schon in § 362 des Strafgesetzbuches ge⸗ regelt. Wenn diese Bestimmungen nicht genügt haben, dann muß man doch im Reichstag eine Aenderung beantragen. Aber das tut man deshalb nicht, weil man der Ansicht ist, daß der Reichstag in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung ein solches Gesetz nicht annehmen würde. Man weiß sehr gut, daß der preußische Staat nicht zuständig ist, man umgeht mit 2 bsicht die gesetzlichen Bestimmungen, man plant einen Sturz der bestehenden Gesetze: wieder einmal ein Beispiel dafür, daß wir Sozialdemokraten für die Beachtung der Gesetze am meisten eintreten. Bei der Gefängnisstrafe können“ die Gefangenen zur Arbeit angehalten werden, bei der

uchthausstrafe „sollen“ sie zur Arbeit angehalten werden, auch hier in dem Gesetz heißt es „sollen“. Das ist ein Beweis dafür, daß dieser