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nicht der Liquidität. öe. Grundsatze der Liquidität hat aber Preußische Zentralgenossenschaftskasse seit langem Rechnung ge⸗ tragen.
Abg. Humann (Zentr.): Die Bestrebungen der Kreditgenossen⸗ schaften, ihren Mitgliedern billigen Personalkredit zu verschaffen, hat man dadurch wieder illusorisch gemacht, daß man auch für alle kurz⸗ fristigen Darlehen die volle Stempelsteuer erhoben hatte. Dem ist durch das Stempelsteuergesetz vom Jahre 1895 insofern abgeholfen worden, als man für die hier in Betracht kommenden Darlehen die Stempelkosten auf ein Drittel herabgesetzt hat. Inzwischen ist nun aber die Neigung zur Uebernahme von selbstschuldnerischen Bürg⸗ schaften immer mehr zurückgegangen und an die Stelle des Personal⸗ kredits der Realkredit getreten. Da wird es nun als besonders lästig empfunden, daß die Genossenschaftsvorstände nicht berechtigt sind, ohne jedesmalige Beglaubigung ihre Unterschrift löschungsfähig zu quittieren. Ich bitte den Herrn Präsidenten, dafür einzutreten, daß diesen Uebelständen abgeholfen wird.
Abg. Dr. Grunenberg (Gentr.): In Handwerkerkreisen klagt man viel darüber, daß der Kredit, den die . gewährt, viel zu gering ist. Die städtischen Genossenschaften sind weiter verbreitet als die landwirtschaftlichen. Der Wille des städtischen Mittelstandes, sich zu organisieren, ist also vorhanden. Wenn jetzt noch so geringe Erfolge erreicht werden, so ist das darauf zurückzuführen, daß wahr⸗ scheinlich ein anderer Weg gewählt werden muß. Wie dieser Weg zu finden ist ist allerdings eine sehr schwierige Frage. Aber ich hoffe, daß die Zentralgenossenschaftskasse durch Gewährung von Aus⸗ nahmebedingungen gern behilflich sein wird. Im allgemeinen schein es mir, daß viel zu wenig für Aufklärung gesorgt wird.
Ein Schlußantrag wird darauf angenommen.
In einer persönlichen Bemerkung wendet sich
Abg. Dr. Crüger sfortschr. Volksp.) gegen einige Ausführungen des Präsidenten der Zentralgenossenschaftskasse und behält sich eine eingehende Erwiderung für die dritte Lesung vor.
. Abg. Meyenschein (kons.) bedauert, daß er nicht nach den ausführlichen Darlegungen des Präsidenten Dr. Heiligenstadt über die prinzipiellen Fragen habe sprechen können. 1
bg. Dietrich⸗Templin (kons.): Ich weise die Behauptung zurück, daß die Preußenkasse jemals die landwirtschaftliche Zentral⸗ darlehnskasse unterstützt habe. In unserer Denkschrift finden Sie den Nachweis, daß zu der Zeit, als die Preußenkasse uns einen Zins⸗ fuß von 7 ½ % berechnete, wir unseren Mitgliedern Kredit zu einem wesentlich geringeren Zinsfuß zur Verfügung gestellt haben.
Der Etat der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse wird bewilligt.
Es folgt die Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsangelegen⸗ heiten, und zwar zunächst des Kapitels „Ministerium“. Bei
dem Titel „Ministergehalt“ führt
Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) aus: Wir werden uns ernstlich die Frage zu stellen und zu beantworten haben, ob die Kultus⸗ verwaltung alle die Ideale gefördert hat, die ihrer Pflege anvertraut sind. Die Pflege der sittlichen Güter ist naturgemäß die Hauptaufgabe der Kirche. Aber auch der Staat darf sich dieser Aufgabe nicht ganz entziehen, wenn er nicht seine Grundlagen in Frage stellen will. Wir leben grundsätzlich in einem christlichen Staate, wenn auch im Laufe der Zeit manche Einrichtung getroffen worden ist, die sich mit dem Wesen eines christlichen Staates nicht mehr recht ver⸗ einigen läßt. Das mindeste, was wir vom Staate verlangen, ist, daß er der Kirche die volle Freiheit in ihrer Betätigung läßt. Da müssen wir die Forderung, die wir in jedem Jahre erhoben haben, auch heute wieder erheben, daß den Orden die volle Bewegungsfreiheit wiedergegeben wird. Der Andrang zu den Hochschulen ist zu groß. Die Unterrichtsverwaltung wird dahin wirken müssen, daß denjenigen Knaben, denen die Fähigkeiten fehlen, rechtzeitig ein Wink gegeben wird, daß sie sich einem anderen Berufe zuwenden. Einen guten
Erfolg verspreche ich mir von der Maßnahme, daß den Provinzial⸗ schulräten der Bureaudienst abgenommen werden soll, damit sie leb⸗ haftere Fühlung mit den ihnen unterstellten Schulen nehmen können. In der Gestaltung der verschiedenen Schulsysteme wäre eine größere Stabilität, eine große Ruhe sehr erwünscht, damit man die Erfolge dieser Systeme abwarten kann. Für die Gemeinden, die nicht in der Lage sind, den Lehrern eine Ortszulage zu geben, wäre eine staatliche Unterstützung dringend notwendig. In der Frag⸗ der Altpensionäre ist es unser Wunsch, daß ihnen ein gesetzlicher Anspruch auf Unter⸗ stützung gewährt wird und sie nicht immer mit Bitten kommen und ihre traurige Lage darlegen müssen. Der konfessionelle Charakter der Volksschule ist gesetzlich festgelegt, aber es gibt immer noch Fälle, wo man den katholischen Schulen Schwierigkeiten bereitet. In der Nähe Berlins haben wir eine katholische Privat⸗ schule mit 300 Kindern, trotzdem hat die Gemeinde die Ueber⸗ nahme der Schule abgelehnt. Der Lehrermangel soll, wie uns in der Kommission erklärt wurde, durch die Errichtung einiger neuer Seminare beseitigt sein. Aber wäre dann noch eine genügende Zahl von Lehrern vorhanden, wenn alle überfüllten Klassen so geteilt würden, daß normale Klassen entstehen? Das ist allerdings ein schwieriges
roblem, nicht nur für die Staatsregierung, sondern auch für die
ommunen, die oft schon bis an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit egangen sind. An Lehrerinnen ist jetzt allerdings geradezu ein Ueber⸗ flagh Es ist zu bedauern, daß in den Präparandenanstalten vielfach recht junge Lehrkräfte beschäftigt werden; das liegt an den schlechten Gehaltsverhältnissen. Es macht sich eine Opposition geger die Be⸗ teiligung von Lehrern, die nicht die Maturitätsprüfung bestanden haben, an Universitätskursen geltend. Es liegt ein Antrag vor, der hier eine bessere Regelung schaffen will. Die Volksschule wollen wir auf ihrer altbewährten Grundlage erhalten, auf dem Zusammenwirken von Staat und Kirche. Die geistliche Ortsschulinspektion soll ja auch erhalten bleiben; sie soll dem Geistlichen die Möglichkeit eines wirksamen Einflusses auf die Schule gewähren. Damit in Widerspruch steht aber das Be⸗ streben, das Rektorensystem immer mehr sich ausbreiten zu lassen. Durch die Jugendpflege müssen wir auf die schulentlassene Jugend einwirken. Es ist bedauerlich, wieviel die Sozialdemokratie schon mit ihrer Beeinflussung der schulentlassenen Jugend durch ihre Jugend⸗ organisationen erreicht hat. Es ist anzuerkennen, was der Staat schon in der Jugendpflege geleistet hat, aber es muß noch viel mehr eschehen, und dabei darf nicht so großes Gewicht auf die Pflege des Leibes gelegt werden, sondern auf die Festigung des Charakters. Ich hoffe, daß die Unterrichtsverwaltung nicht müde werden möge, auf diesem Gebiete weiter zu arbeiten, zum Wohle unserer Jugend und unseres ganzen Volkes.
Abg. Dr. von Campe (nl.): Meine Freunde meinen, daß die einzelnen Fragen besser bei den speziellen Titeln besprochen würden, und ich werde deshalb nicht auf alle Fragen eingehen, die der Vor⸗ redner berührt hat. Das war nach unserer Ansicht nicht nötig, daß der Vorredner zu Anfang seine katholischen Ansprüche vertreten hat, denn der Staat trägt diesen Ansprüchen vollkommen Rechnung. Diese Forderungen sind so alt wie der moderne Staat, aber der Staat würde an seinen Grundlagen rütteln, wenn er seine Stellung zu diesen Fragen aufgeben wollte. Der Papst hat einmal zu dem Abgesandten des Kaisers, dem General von Los, gesagt, daß es der katholischen Kirche gerade in Deutschland gut gehe. Unsere Kultur beruht allerdings auf christlichen An⸗ schauungen und unser Staatsleben ist von den Anschauungen der ristlichen beherrscht und durchdrungen, aber der Staat muß au seine Interessen als Staat wahren. Das gilt besonders von dem Gebiete der Schule, die eine Stagts⸗ anstalt sein 5 bin gewiß einer von denen, die die kon⸗ fesstonelle Grundlage der Schule anerkennen, aber unsere Verfassung sagt ausdrücklich, daß die Schule eine Veranstaltung des Staates ist, und das ist für uns ein rocher de bronze. Das muß ich hervor⸗
4.
werden könnte. In die anderen Lehrfächer, abgesehen von der Religion, hat die Kirche nicht drein zu reden (Widerspruch im Zentrum); wenn Sie (zum Zentrum) auf anderem Standpunkt stehen, so verhalten Sie sich verfassungswidrig. Wir nützen dem kon⸗ fessionellen am besten, wenn wir daran, wie die Dinge nun einmal durch einen modus vivendi geordnet sind, nicht rütteln, sondern die Dinge ruhig liegen lassen. Wollen Sie denn gegen die Verfassung Sturm laufen? Die einzelnen Beschwerdefälle des Abg. Dittrich, in denen gesten den konfessionellen Charakter der Schule verstoßen sein soll, kann ich nicht nachprüfen, aber nach der neuesten Statistik sind 90 % der katholischen Kinder in konfessionellen Schulen untergebracht, und danach hat das Zentrum keinen Grund mehr zur Klage. Es hat
wirklich fast den Anschein, daß das Zentrum einmal einen
Vorstoß auf diesem Gebiete beabsichtigt, mir fällt immer wieder das Wort des Abg. Windthorst ein: Der Kulturkampf um die Schule steht uns noch bevor. Ich wollte auf diese Frage heute nicht ein⸗ gehen, weil augenblicklich keine aktuelle Veranlassung dazu vorliegt, aber ich konnte die Worte des Vorredners nicht unwidersprochen lassen. Ich will sodann die Regierung befragen in der Angelegenheit der Anstellung von Oberlehrern, die den Antimodernisteneid geleistet haben. (Rufe: Ah! und Lachen im Zentrum.) Ja, das sind für uns grundlegende und ernste Fragen, und wenn Sie die Sache mit kühlem Lächeln totmachen wollen, so irren Sie sich Im vorigen Jahre hat der Ministerpräsident in Aussicht ge⸗ tellt, 8 Geistliche, die den Antimodernisteneid geleistet haben, in Zukunft in der Regel nicht mehr als Oberlehrer für Geschichte und Deutsch angestellt werden sollen. Wir wünschen nun zu wissen, in welchen Fällen etwa von dieser Regel eine Ausnahme gemacht worden ist, und ob wir tatsächlich jetzt 1“ solche Oberlehrer für Deutsch und Geschichte im Widerspruch mit der grundsätzlichen Zusage des Ministerpräsidenten angestellt haben. Der Kultusminister konnte im vorigen Jahre keine genaue Auskunft geben, inzwischen wird er wohl das Material bekommen haben, und ich würde ihm für eine Auskunft dankbar sein. Symptomatisch für den Kultusetat ist, daß die Ausgaben für das Elementarunterrichtswesen in den letzten Jahren erheblich zugenommen haben. Im Jahre 1900 wies der Kultus⸗ etat für das niedere Unterrichtswesen 82 Millionen auf, davon waren 69,8 Millionen für das Elementarunterrichtswesen bestimmt; 1906 waren es 77 Millionen, und die gesamten Ausgaben für die Volksschulen ein⸗ schließlich der Leistungen der Kommunen betrugen damals 283 Millionen. Nach diesem Etat für 1912 gibt der Staat allein für das Elementar⸗ unterrichtswesen 148 Millionen aus; seit 1906 hat sich die Summe fast verdoppelt, und die Ausgaben des Staates und der Kommunen dafür belaufen sich heute vielleicht auf 450 bis 500 Millionen. Wenn der Staat davon 148 Millionen gibt, so ist er schon in solcher Weise finanziell an dem Volksschulwesen interessiert, daß die Gefahr einer Verstaatlichung des Volksschulwesens immer näher rückt. Der Staat muß immer mehr Rechte für die Aufsicht über das Schul⸗ wesen sich zuschreiben, und die Gemeinden müssen entsprechend Rechte verlieren. Diese Entwicklung drängt nach der Staatsschule hin, und das würde ich in hohem Maße bedauern. Es liegen uns zwei Petitionen vor, eine von Industriestädten und eine von größeren Landgemeinden, die erschreckende Zahlen über die Schul⸗ lasten angeben. Wenn Kommunen mit 200 bis 300 % Einkommen⸗ steuerzuschlägen belastet sind, wenn in einzelnen Fällen der Zuschlag zur Gewerbesteuer mehr als 1000 % beträgt, und wenn in einem Falle eine Gemeinde mehr als 600 % Zuschlag zur Grund⸗ und Ge⸗ bäudesteuer erhebt, so sind die Kommunen tatsächlich bald am Ende ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Diese Belastung stammt zum größten Teil von den Volksschullasten, und der Prozentsatz der Kom⸗ munalbelastung hierfür steigt von Jahr zu Jahr. Allein zur Deckung der Volksschullasten müssen manche Kommunen 200 bis 400 % Ein⸗ kommensteuerzuschlag nehmen; eine Landgemeinde müßte sogar die Ein⸗ kommensteuer mit 876 % belasten, wenn sie nicht noch andere Einnahme⸗ quellen hätte. Der Prozentsatz, in welchem der Staat sich daran be⸗ teiligt, steigt nicht in demselben Maße wie die Belastung der Kommunen. Die Landgemeinden zahlten 1900 pro Schüler durchschnittlich 31,97 ℳ, 1910 mehr als 55 ℳ, ähnlich ist es in den Städten: 35 ℳ bzw. 53 ℳ; einige Gemeinden haben sogar 128 ℳ pro Schüler auf⸗ zubringen Der Prozentsatz, mit dem der Staat sich beteiligt, sinkt dagegen. Die Lage für die Kommunen ist in den letzten Jahren noch schlimmer geworden, namentlich durch die Ausdehnung des Kinder⸗ privilegs. Ich würde es in hohem Maße bedauern, wenn diese Ent⸗ wicklung zur Staatsschule nicht aufzuhalten sein würde, denn für die Schule ist nichts wichtiger, als die Individualpflege in jedem einzelnen Ort. Wenn wir der Schule die Lokalfärbung nehmen, so nehmen wir ihr das Beste, was sie hat; das könnte eine Verknöcherung herbei⸗ führen. Der Freiherr von Zedlitz hat im Herrenhause schon den Gedanken erörtert, daß man früher oder später die Schule auf den Kreis übertragen müsse. Ich möchte den Minister im Interesse der Volksschule bitten, dafür zu sorgen, daß dieser Entwicklung des Schul⸗ wesens zur rechten Zeit Einhalt getan werde. b Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Auf die grundsätzlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Abg. von Campe und dem Zentrum einzugehen, hat keinen praktischen Zweck. Das Kultus⸗ ministerium ist allmählich in der Hauptsache ein Unterrichtsministerium geworden, und ich beschränke mich heute auf das Gebiet des Unter⸗ richtswesens. Ueber den außerordentlichen Andrang zu den Uni⸗ versitäten ist bereits vielfach geklagt worden. Die Errichtung neuer Universitäten, wie z. B. in Frankfurt a. M., würde nur ein neuer Ansporn zur Ueberfüllung der Universitäten sein. Auch die große Zahl der humanistischen Gymnasien ist ein Grund hierfür. In der Theorie sind zwar die verschiedenen höheren Lehranstalten für das Studium gleichgestellt, aber in Wirklichkeit sind die humanistischen Gymnasien doch von vornherein für die akademische Laufbahn be⸗ stimmt. Zu begrüßen ist es, daß bei der Reform des juristischen Studiums jetzt mehr Wert auf praktische Dinge, auf Volkswirtschaft und Staatswissenschaften gelegt wird. Das Berechtigungswesen zum Einjährigendienst bringt eine schwere Belastung der höheren Schulen durch eine Reihe von Schülern mit sich, die besser eine rein praktische Ausbildung erhalten würden, jetzt aber mit einer Halb⸗ bildung in das praktische Leben hinaustreten. Eine Reform dieses Berechtigungswesens muß deshalb ernst erwogen werden. Die An⸗ weisung an die Provinzialschulkollegien, die eine gröfzer Fühlung⸗ nahme der Kreisschulinspektoren mit den Schulen selbst fordern und eine Entlastung von unnötigem Schreibwerk vorsehen, ist ein Fort⸗ schritt. Ich muß diesem Erlaß meine volle Anerkennung aussprechen. Wenn aber jetzt wiederum an diesen Erlaß die Forderung nach Ver⸗ mehrung der Beamten geknüpft ist, so muß ich dem entschieden wider⸗ sprechen. Wir kommen nicht weiter, wenn immer eine Vermehrung des Beamtenpersonals vorgenommen wird, wir müssen darauf dringen, daß vielmehr eine vernünftige Reform des Schreibwesens vorgenommen wird. Daß für die Seminare eine zweite Oberlehrerstelle eingerichtet werden soll, begrüße ich mit Befriedigung; denn das Seminarwesen ist das Fundament für eine gedeihliche Entwicklung des Volks⸗ schulwesens. Die Arbeiten der Immediatkommission werden hoffent⸗ lich auch dazu führen, daß im Verwaltungsstreitverfahren die Rechts⸗ kontrolle gegeben wird, die bisher die Schulverwaltung entbehrte. Das liegt nicht nur im Interesse der Gemeinden, sondern auch im Interesse der Schulverwaltung selbst, der jetzt vielfach mit Unrecht vorgeworfen wird, daß sie in die Rechte der Gemeinden eingreife und ihre Befugnisse überschreite. Die Dezentralisation der Schul⸗ verwaltung ist nicht durchführbar, wenn nicht überall die Kreisschul⸗ inspektion im Hauptamte durchgeführt ist. Wir müssen deshalb in etwas rascherem Tempo als jetzt vorgehen. Wenn aber von links⸗ liberaler Seite beantragt wird, die Lokalschulinspektion gänzlich auf⸗ zuheben, so ist das ein Vorbild, das dem Zwecke, der damit verfolgt wird, nicht im mindesten dienen kann. Mit solchen Anträgen erreicht man nur eine agitatorische Wirkung, trägt aber dazu bei, daß nur noch ein größerer Widerstand in diesem Hause hervor⸗ erufen wird, die Anträge werden von der Mehrheit abgelehnt werden. ir haben eine so große Zahl überfüllter Klassen, daß wir noch
11“
ö1“ “ 1“ ” 8 1u““ 3 8 Lehrer 150 Kinder, Polen und Deutsche zusammen, zu unterrichten hat, so ist das ein Unding. Die Ortszulagen 8— in den einzelnen Gemejnden außerordentlich verschieden, wir haben auch in Rhein⸗ land und Westfalen für Direktoren z. B. Zulagen von 20, 50 oder 100 ℳ, dagegen in den östlichen Provinzen von 1100 und 1200 ℳ. Das ist zweifellos ein Zustand, der auf die Dauer unhaltbar ist. Der Abg. von Campe klagt über die zu hohe Belastung der Ge⸗ meinden mit Schulabgaben. Seine Partei ist aber der schärfste Gegner unserer damaligen Forderungen gewesen. Beim Volksschul⸗ unterhaltungsgesetz hat seine Partei an der Schaffung dieses Zu⸗ standes mitgewirkt, und wenn wir schließlich zur Staatsschule ge⸗ drängt werden, so tragen auch die Nationalliberalen einen Teil der Schuld. Möge unsere Volksschule das Ziel nicht aus den Augen verlieren, unsere Jugend zu guten Bürgern, guten Patrioten und guten Christen zu erziehen.
Abg. Kopsch (fortschr. Volksp.): Wir haben von neuem die Beseitigung der Ortsschulaufsicht béantragt, nicht aus agitatorischen Gründen, sondern zum Wohl der Schule. Wir fordern weiter die
ulassung der Lehrer zu den Univpersitätsstudien, damit aus den Kreisen der Lehrer selbst die Seminaroberlehrer gewonnen werden. Auch die gesetzliche g.e des Privatschulwesens ist notwendig. Im vorigen Jahre ist der Wunsch in Erfüllung gegangen, daß die Medizinalabteilung vom Kultusministerium getrennt werde, und ich glaube, der Medizinalabteilung ist dabei wohl und dem Kultus⸗ ministerium dadurch besser. Aber zum Aufatmen ist der Kultus⸗ minister dadurch noch nicht gekommen. Es muß auch die Abtrennung der geistlichen Angelegenheiten vorgenommen werden. Die Ueberlastung des Knultusministeriums ist ein Grund, weshalb wir auf dem Gebiet der Schule nicht recht vorwärts kommen. Gewiß, Kirche und Schule gehören zusammen; sie haben die gemeinsame Aufgabe, die Jugend in sittlicher und religiöser Weise zu unterrichten. Aber die Kirche darf nicht über die Schule herrschen. Es müssen alle Hemmnisse beseitigt werden, die der Aufgabe der Schule, die Kinder für das Leben praktisch vorzubereiten, entgegenstehen. Deshalb muß vor allem die geist⸗ liche Schulaufsicht beseitigt werden. Die Kirche leistet dem Wider⸗ stand; niemand gibt gern Rechte auf, die er gehabt hat. Man sagt in Zentrumskreisen, die Schule ist die Tochter der Kirche. Aber die Tochter ist großjährig geworden, sie ist sogar in ein Ehe⸗ verhältnis mit dem Staate eingetreten. Da ist es nicht gut, wenn die Mutter in die Verhältnisse der Tochter noch weiter hineinredet. Innerhalb der evangelischen Lehrerschaft ist man einig, daß die geist⸗ liche Schulaufsicht fortfallen soll; aber auch in katholischen Lehrer⸗ kreisen mehren sich die Stimmen derjenigen, die dieser Forderung zu⸗ stimmen. Ich verweise auf einen Artikel der „Katholischen Schul⸗ zeitung“, worin selbst katholische Lehrer gegen die Haltung des Stellung nehmen. Solange man die Schulaufsichts⸗ eamten aus den Reihen der Geistlichen nimmt, ist gar kein Anlaß dazu gegeben, den Lehrern den Besuch der Universität zuganglich zu machen. Andere Staaten gehen einen anderen Weg; so steht z. B. die Universität Jena den Lehrern zur Vorbereitung für den Schul⸗ aufsichtsdienst zur Verfügung. Dieselbe Einrichtung haben wir in Württemberg, Hessen und Bayern. Der Antrag Gottschalk⸗Solingen über die Regelung der Schulversäumnisse ist schon fünfmal im Hause
und fünfmal in der Kommission behandelt worden, trotzdem seine
Dringlichkeit auf der Hand liegt. In der Kommission hat der Regierungsvertreter erklärt, daß durch eine Regelung Beunruhigung in die Bevölkerung hineingetragen würde. Vielleicht würden einige Vertreter der kirchlichen Interessen beunruhigt werden, nicht aber die Bevölkerung. Niemand kann zween Herren dienen, das muß sich auch der Kultusminister merken; liebt er den einen mehr als den anderen, so wird der andere mit ihm unzufrieden sein. Wir müssen darum unbedingt ein besonderes Unterrichtsministerium fordern, dem dann auch das Fortbildungsschulwesen angegliedert werden könnte. Dann würde auch der Lehrerstand mehr in Schutz enommen werden. Dank seiner Organisation, dank seiner Presse kann sich der Lehrerstand, Gott sei Dank, selbst wehren, aber trotzdem müßte das Ministerium auch für ihn eintreten. In einer agrarischen Versammlung wurden ganz schiefe Urteile über die Ausbildung der Volksschullehrer und über ihre politische Ge⸗ sinnung zum besten gegeben; nach einem Herrn von Ackermann⸗ Salisch sollen nur 20 % der Lehrer konservativ, dagegen 10 % sozial⸗ demokratisch und die übrigen freisinnig sein, und unter stürmischem Beifall der Versammlung wurde gefragt: „Soll man diese Gesell⸗ schaft auf unsere Jugend loslassen?“ Die Lehrerschaft steht treu zu Kaiser und Reich, und solche Beleidigung, daß 10 % Sozialdemo⸗ kraten seien, reicht nicht an sie heran. Die politische Gesinnung der Lehrerschaft soll nur verdächtigt werden; dagegen muß der Minister die Lehrerschaft in Schutz nehmen. Der letzte preußische Lehrertag hat beschlossen, daß es Aufgabe der Lehrer sei, in erster Linie an der Jugendpflege mitzuarbeiten. Daß der Minister in seiner Rundverfügung vom 22. Dezember 1911 es den Lehrern zur patriotischen Pflicht macht, von ihrem Wahlrecht Ge⸗ brauch zu machen, dagegen ist nichts einzuwenden, aber wenn die Lehrer, die der Stichwahl sich enthalten haben, vernommen worden und gemaßregelt sind, so ist das ein Eingriff in die staatsbürgerlichen Rechte. Auch der Lehrer hat sein freies Wahlrecht. Ist denn gegen Regierungspräsidenten, die die Sozialdemokratie gegen die Freisinnigen unterstützt haben, in derselben Weise eingeschritten worden? Wegen der Wahlen sind viele Maßregelungen vorgekommen. In Freistadt in Schlesien ist ein Schulvorstandsmitglied vor den Landrat gefordert worden, um sich zu rechtfertigen, wie er als Fortschrittsnann in der Stichwahl die Parole für den Sozialdemokraten ausgeben konnte. Die Fortschrittler werden doch dadurch ebensowenig zu Sozial⸗ demokraten, wie es die Zentrumsleute seinerzeit geworden sind, die den Pakt mit der Sozialdemokratie geschlossen haben. Dann müßten auch die Konservativen, die in Nordhausen, Goldberg⸗Haynau, Liegnitz in⸗ direkt die Sozialdemokratie gefördert haben, ebenso gemaßregelt werden. (Präsident Dr. Freiherr von Erffa bittet den Redner, diese Dinge nicht so weit auszudehnen.) Ich erwähne diese Dinge auf Grund praktischer Fälle, für welche Regierungsräte im Kultusministerium die Verantwortung haben. Sodann habe ich an den Minister der geistlichen Angelegenheiten die Bitte zu richten, 1 ganzen Einfluß aus⸗ zuüben, damit die Ketzergerichte innerhalb der evangelischen Kirche endlich einmal aufhören. Im Staate Friedrichs des Großen machen sich diese Ketzergerichte gegen Jatho und Traub recht unangenehm und erhöhen nicht das Anseben des Staats, wirken aber schädlich für das ganze kirchliche Leben. Gerade die Männer, die geeignet sind, neues kirchliches Leben wachzurufen, werden entfernt. Der Minister wird mir vielleicht sagen, daß er darauf keinen Einfluß habe; aber wenn das der Fall ist, dann ist es ein Beweis, daß die Verbindung von geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten keinen Zweck hat.
Um 4 ½ Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung des Kultusetats auf Sonnabend 11 Uhr. (Vorher kleinere Vor⸗ fähechen Antrag Schiffer wegen der Notlage der Binnenschiff⸗ ahrt. 8
.
Warengruppe
Zweite Beilage en Reichsanzeiger und Königlich Preuß
Berlin, Sonnabend, den 16. März
Januar/ Februar
Februar
Januar / Februar
1911
1911
Spezialhandel Deutschlands nach Warengruppen. 1) Mengen.
1—
schen Staatsanzei
8
ger.
S
Ausfuhr
Februar
Januar / Februar
Februar
1912
1912
Zubereitetes Wachs feste
Chemische und pharma⸗
Erzengnisse der Land⸗ und Forstwirtschaft und andere tierische und pflanzliche Naturerzeug⸗ nisse; Nahrungs⸗ und Genußmittel...
Frzeugnisse des Acker⸗, Garten⸗ und Wiesenbaues Erzeugnisse der Forstwirt⸗ “
Tiere u. tierische Erzengnisse
Erzeugnisse landwirtschaft⸗ licher Nebengewerbe..
Erzengnisse der Nahrungs⸗ u. Genußmittel⸗Gewerbe, in den Unterabschnitten A bis D nicht inbegriffen.
Mineralische und fossile Rohstoffe; Mineralöle
Erden und Steine.. Erze, Schlacken, Aschen. Fossile Brennstoffe .. . Mineralöle und sonstige
fossile Rohstoffe ..
Steinkohlenteer, Stein⸗ kohlenteeröle und Stein⸗ kohlenteerstoff ...
Fettsäuren, Paraffin und ühnliche Kerzenstoffe, Lichte, Wachswaren, Seifen und andere unter Verwendung von Fetten, Oelen oder Wachs her⸗ gestellte Waren..
eutische Erzeugnisse, arben und Farbwaren
Chemische Grundstoffe, Säuren, Salze u. sonstige Verbindungen chemischer Grundstoffe, anderweit nicht genannt . . .
Farben und Farbwaren
Firnisse, Lacke, Kitte.
Aether; Alkohole, anderweit nicht genannt oder in⸗ begriffen; flüchtige (äthe⸗ rische) Ole, künstliche Riechstoffe, Riech⸗ und Schönheitsmittel (Par⸗ fümerien und kosmetische A66*
Künstliche Düngemittel.
Sprengstoffe, Schießbedarf und Zündwaren . . .
Chemische u. pharmazentische Erzeugnisse, anderweit nicht genannt. .
Tierische und pflanzliche Spinnstoffe und Waren daraus; Menschenhaare; zugerichtete Schmuck⸗ federn; Fücher u. Hüte
““ Wolle und andere Tierhaare (mit Ausnahme der Pferdehaare aus der Mähne und demSchweife) a Andere pflanzliche Spinn⸗ A““ Buchbinderzeugstoffe, Paus⸗ leinwand, wasserdichte Gewebe, Gewebe mit auf⸗ getragenen Schleif⸗ oder Poliermitteln; Linoleum und ähnliche Stoffe.. Watte, Filze und nicht genähte Filzwaren . . Pferdehaare (aus der Mähne oder dem Schweife) und Waren daraus 8 Kleider, Putzwaren und sonstige genähte Gegen⸗ stände aus Gespinstwaren oder Filzen, anderweit nicht genannt.. .
Künstliche Blumen aus Ge⸗ spinstwaren, Regen⸗ und Sonnenschirme, Schuhe aus Gespinstwaren oder
19 023 663 38 290 189 35 573 811
20 380 170 18 630 883
9 515 275 2 868 872
4 527 494
26 815 038 55 458 601
10 392 207 12 720 809
20 329 864 26 907 140
1 603 144
1 043 733
Ä.,Z“
26 905
26 905
1“
45 235 680 37 975 935 V 4 104 889
12 745 733 24 710 678
3 580 957
95 698 3 857
1 108
75 569
465 191 18 372
113 111 148 411
70 093
73 016 941
33 076 381 64 094 236
18 5 946 048
23 239
593 805 22 197
8 671 763
1 117
3 802 319
844 511 334 991
1 111
3 640 014
63 596 092 4158 798
4 526 366 54 211 815
116 930
582 183
5 113 636 310 192
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*
Menschenhaare und Waren daraus, zugerichtete Schmuckfedern, Fächer 80 Hlik:
Abfälle von Gespinstwaren und dergleichen . . .
Leder und Lederwaren, Kürschnerwaren, Waren aus Därmen..
der Lederwaren... Kürschnerwaren.. Waren aus Därmen. e“
Kautschukwaren...
Waren aus weichem Kautschuk Hartkantschuk und Hart⸗ kautschukwaren . . .
Geflechte und Flechtwaren aus pflanzlichen Stoffen mit Ausnahme der Ge⸗ svi
Geflechte (mit Ausnahme der Sparterie) . . Flechtwaren (mit Ausnahme der Hüte und der Sparteriewaren) .. . Sparterie und Sparterie⸗ wagnnngn.
Besen, Bürsten, Pinsel und Siebwaren . . .
Waren aus tierischen oder pflanzlichen Schnitz⸗oder Formerstoffen ....
Waren aus tierischen Schnitz⸗ exq Holzwaren . . . . 1111“ Waren aus anderen pflanz⸗ lichen Schnitzstoffen als Holz und Kork oder aus anderweit nicht genannten
Formerstoffen. . . .
pier, Pappe und Waren
daraus.. .
Bücher, Bilder, Gemälde
Waren aus Steinen oder anderen mineralischen Stoffen (mit Ausnahme der Tonwaren) sowie aus fossilen Stoffen .. .
Tonim.
Glas und Glaswaren.
Edle Metalle und Waren „e1 1ö16“ Gold (Gold, Platin und Platinmetalle, Bruch und Abfälle von diesen Me⸗ tallen, Gold⸗ und Platin⸗ wageeea Silber (Silber, Silbergekrätz, Bruchsilber, Silberwaren)
Unedle Metalle und Waren
“ Eisen und Eisenlegierungen Aluminium und Aluminium⸗
bgiechagtauau Blei und Bleilegierungen Zink und Zinklegierungen Zinn und Zinnlegierungen
(einschließl. des Britannia⸗
h* Nickel und Nickellegierungen Kupfer u. Kupferlegierungen Waren, nicht unter die Ab⸗
schnitte A bis G fallend, aus unedlen Metallen oder aus Legierungen unedler Metalle...
Maschinen, elektrotechnische
Erzeugnisse, Fahrzeuge 11A44“4*“ Elektrotechnische Erzengnisse “
Feuerwaffen, Uhren, Ton⸗
werkzeuge, Kinderspiel⸗ 1“ Fenerwaffen . . . . 1“ Tonwerkzeuge . . . . Kinderspielzeug . . .
Unvollständig angemeldete 11“
Gesamtmenge:
Waren aller Art...
außerdem
Pferde, Wasserfahrzeuge.
nämlich:
ö116 Wasserfahrzenge..
Februar 1911 „
dz
Stück
Stück Stück
dz
487 001
1 467
37 034
1 075 32 016 1 875
497 568 777 242 12 731
55 017 37 917
177 153 562 436
13 105
171 750
406 826 197 042
1 425 267 875 047
105 953 80 747
21 545
322 286
10 338
35 393
2 959
8 2 258
11 561
5 387
16 909 0989
373 646 162 982
E ¹) 423 *)
5 016 131 10 027 140 4 796 935 9 594 420
4 265 35 951 82 275
7 464 2 620 72 328
4 293
598 284 1 021 871
40 446 360 79 472 72 452
49 356 554
12 841
12 814 27
44 073 739
86 684 992 26 954
100075350
46 762 4272
Januar / Febrnar
E1
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100159729 91 033 544
beben. wenn das Zentrum g mwisder. 2 Fraße u“ ung weit gebn g ETEö entferat sinde “ 1 “ ich sage es für den Fall, daß ein Vorstoß vom Zentrum gemacht 1 ein Lehrer entfällt. enn in gemischtsprachigen Landesteilen ein 1 ¹) ohne Abfälle von der Goldverarbei 8 “ d ch sag f ; 6 1 9 29 schl. fä 1 9 Abfälle von der Silberverarbeitung, Bruchsilber und Barren daraus.
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