1912 / 73 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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It weisungen zum Schutze der Bauarbeiter ergangen. bberufsgenossenschaften haben die Zahl ihrer Revisionsbeamten fort⸗ gesetzt vermehrt, sodaß sich hier die Verhältnisse gebessert haben. Die

ganz wenige

91* n Gebiet erfahren sind, zur Mitarbeit herangezogen werden sollen.

Soweit ich es übersehen kann, kommt hier nur der Abg. Doormann† in Frage. 2 gen m mnã⸗ beiterschutz im Baugewerbe ist nicht zum Stillstand gekommen. Ich

darf z. B

Erhebungen gewesen.

von allen bei den Baugewerksberufsgenossenschaften angemeldeten Un⸗

fällen nur ein geringer Bruchteil auf Arbeiten bei eb

Der Schutz, den Gerüste bieten können, wird dadurch wieder auf⸗

gehoben, daß das Aufstellen und Abnehmen der Schutzgerüste nicht phne Gefahr bewerkstelligt werden kann.

lichkeit nicht zugänglich sind. Das ist höchst bedauerlich im Inter⸗ esse der Versicherten. ie Berufsgenossenschaften sollten veranlaßt werden, ihre Berichte öffentlich erscheinen zu lassen. Die jetzige Ge⸗ heimniskrämerei nötigt die Interessenten zu einem unwürdigen Um⸗ wege und erweckt den Verdacht, daß die Berufsgenossenschaften etwas zu verheimlichen haben. Im Baugewerbe vollzieht sich seit Jahren ie Entwicklung, daß statt des Holzes die Eisenkonstruktion Eingang indet. Dadurch werden die Arbeiter genötigt, an der Errichtung der Fisenkonstruktionen mitzuarbeiten. Die Arbeiter haben dabei keinen genügenden Schutz. Ich erinnere an den Bau des Hamburger Bahn⸗ hofs. Die Bauberufsgenossenschaft hat auf die Notwendigkeit hin⸗ gewiesen, besondere Schutzvorschriften ⸗für diese Konstruktionseisen⸗ arbeiter zu erlassen. Die Verhandlungen wurden 1909 nicht abge⸗ schlossen. Inzwischen ist die Entwicklung weiter fortgeschritten; die Gefahr wächst mit der zunehmenden Verwendung des Eisens. Die 1A“ sich mit den erwähnten Verhandlungen etwas beeilen, damit die deutschen Eisenarbeiter zu dem erforderlichen Schutz gelangen. Die Jahresberichte der Bauberufsgenossenschaften enthalten auch einen Nachweis über die Tätigkeit der technischen Aufsichts⸗ beamten der Berufsgenossenschaften. Früher wurde von jeder ein⸗ zelnen Revision berichtet, die auf einem einzelnen Bau vorgenommen war. Neuerdings erscheinen diese Angaben in einer Form, die zu der Annahme führen muß, daß sie in einer den Berufsgenossenschaften angenehmen Weise fuctent sind. Wir müssen die Regierung dringend bitten, von dieser Art der Berichterstattung, die ein falsches Bild gibt, wieder abzugehen und zu der 1907 1909 geübten zurückzukehren. Die Baubetriebe werden noch heute ganz ungenügend revidiert, ob⸗ wohl es wenigstens durchgesetzt ist, daß 90 bis 100 % der Betriebe wenigstens einmal im Jahre revidiert werden sollen; auch diese ganz unzulangliche Bestimmung wird keineswegs respektiert, denn nur 4 oder 5 Bauberufsgenossenschaften haben dieses Abkommen erfüllt, die thüringische hat nur 43 %, die bayerische nur 33 %, die Tief⸗ des tesenschaf nur 25 %o aller Betriebe revidiert. Und das ange⸗ sichts der ungeheuren Unfallgefahr auf den Bauten, und bei der heuti⸗ gen Art des Baubetriebes! Das Reichsversicherungsamt übt sich über⸗ haupt neuerdings im Hemmen und Bremsen, im Gegensatz zur früheren Haltung dieser Behörde. Früher hat sich die Bauberufs⸗ genossenschaft mit der Frage des besonderen Schutzes der Arbeiter gegen die Gefahren des b“ eberhandmauerns befaßt; es ist auch bei einigen der 12 du ewert herafegenosenüchasten das Ueber⸗ handmauern verboten, und es sind besondere Unfallverhütungsvorschrif⸗ ten dafür erlassen worden. Nach neuerlichen Erörterungen ist aber der Präsident des Reichsversicherungsamtes Dr. Kaufmann zu der Ensicht gekommen, daß, wenn die Bauherren diese Art des Mauerns für nicht so gefährlich halten, die bezüglichen Schutzvorschriften auch da wieder in Wegfall zu kommen hätten, wo sie bestanden; und so ist es denn auch gekommen. Das bayerische landesgesetzliche Ver⸗ bot des Ueberhandmauerns ist wieder aufgehoben worden; die baye⸗ rische CCCCECTö wird sich nicht lange nötigen lassen, auch die bezüglichen Unfallverhütungsvorschriften wieder zu beseitigen. Dabei haben alle Arbeiteror auch die christlichen, die unbedingte Notwendigkeit üchss Schutzes anerkannt. Die Unternehmer haben aber in ihrer Gegenagitation bei der Regierung und zum Teil auch in der Oeffentlichkeit mit Erfolg gegen den stärkeren Bauarbeiterschutz geltend gemacht, daß es sich dabei nicht um diesen Schutz, sondern um ö“ der gewerkschaftlichen Macht, um Verstärkung der Machtfülle der Sozialdemokratie handle; das Reichsversicherungsamt ist zurückgewichen, der Bauarbeiterschutz, der unter dem Grafen Posadowskgy wertvolle Fortschritte machte, ist ins Stocken geraten, wie die ganze Sozialpolitik ins Stocken geraten ist. Auch hier kommt der ganze Jammer der einzelstaatlichen Gesetzgebung und der deutschen Kleinstaaterei zum Ausdruck. Der Präsident des Reichs⸗ versicherungsamtes hat lange Zeit die Auffassung vertreten daf zur Eindämmung der Unfälle die bildliche Darstellung der Unfa lver⸗ hütungsvorrichtungen usw. geeignet sei. Aber diese Vorschrift ist den Herren der Bauberufsgenossenschaften gewissermaßen abgerungen worden, und es ist anzunehmen, daß sie lediglich auf dem Papier stehen bleiben wird. Die Bauarbeiterorganisation hat sich auf dem Gebiete der Unfallverhütung Verdienste erworben; das beweist die Abnahme der Todesfälle; man weiß den Wert des Lebens mehr zu schätzen. Die deutschen Bauarbeiter sind durch ihre Organisationen befähigt, diese Gefahr mehr zu würdigen und sich dagegen zu schützen.

Abg. Astor (Zentr.): Ich bin beauftragt, die meiner Freunde, betreffend die Errichtung einer besonderen Berufsgenossen⸗ schaft für den Detailhandel, zu begründen. In der letzten Zeit haben ich die Detaillisten mit dem Smatssekretär über diese Frage besprochen. Ich habe den Eindruck, daß der Staatssekretär den Wünschen der Detaillisten Verständnis entgegenbringt. Es handelt sich hier gewiß um eine schwierige Frage, aber seit 1907, wo der Stein zuerst ins Rollen kam, ist sie spruchreif geworden. Vor 10 Tagen hat auch der Deutsche Handelstag die Schaffung einer besonderen Berufsgenossen⸗ schaft für den Detailhandel beschlossen. Es herrscht große Unzufrieden⸗ heit darüber, daß der Detailhandel unter der Lagereiberufsgenossen⸗ schaft steht. Die Detaillisten werden von dieser Berufsgenossenschaft finanziell schwer mit hohen Beiträgen belastet, und doch sind sie gewiß nicht auf Rosen gebettet. Die Lagereiberufsgenossenschaft enthält drei Gruppen, die Spediteure, den Engroshandel und die Detaillisten, die ganz ungleich leistungsfähig und ungleich belastet sind. Eine Separation ist also wohl begründet. Zu unserer Freude haben Fr. die Nationalliberalen eine Resolution eingebracht, die sich inhaltlich mit der unsrigen deckt. Die Statistik zeigt, daß die Detaillisten zu den Kosten der Berufsgenossenschaft ungleich höher herangezogen werden, als die beiden anderen Gruppen. Die Detailgeschäfte müssen auch nach dem neuen Gefahrentarif die Unfälle der Großbetriebe mit bezahlen. Allen diesen Ungerechtigkeiten kann nur nachgeholfen werden durch Errichtung einer eigenen Berufsgenossenschaft für den Detailhandel. Ich bitte Sie, unserer Resolution zuzustimmen, und den Bundesrat, dem bisherigen unhaltbaren Zustande endlich ein Ende zu machen. Es handelt sich hier um ein Stück gesundester Mittel⸗ standspoltüik. Mit der Berufsgenossenschaft würde eine Zentrale für den gesamten Kleinhandel geschaffen. Schließlich möchte ich fragen, wie es mit der Ansammlung eines Reservefonds der Berufsgenossen⸗ schaften steht. Es sind uns darüber Erhebungen in einer Kommission in Aussicht gestellt worden. Das Reichsamt des Innern sollte Sach⸗ verständige darüber hören.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Die Detaillistenfrage ist ja hier im Hause schon ausgiebig und namentlich auch von dem Herrn Staatssekretär des Innern behandelt worden. Im gegenwärtigen Moment ist Neues dazu nicht zu ver⸗ . Was die Reviston der gesetzlichen Vorschriften über den Reservefonds der Berufsgenossenschaften betrifft, so ist es richtig, daß die Reichsverwaltung beabsichtigt, darüber Sachverständige zu b Es ist nicht leicht, geeignete Sachverständige hierfür zu finden. Das Reichsamt des Innern hat an alle verbündeten Regierungen die Bitte gerichtet, geeignete Sachverständige zu bezeichnen, aber es sind nur

Fersänschketen genannt worden. Ein weiterer Grund, weshalb die Kommission noch nicht einberufen worden ist, liegt darin, daß auch die Mitglieder dieses hohen Hauses, die auf dem mathemati⸗

Die Verhandlungen werden venmächst beginnen. Der Ar⸗ B. auf die neue preußische Polizeiverordnung vom vorigen Jahre hinweisen, und auch in den meisten Bundesstaaten sind An⸗ ie Baugewerks⸗

tage des Schutzes der Ueberhandmaurer ist Gegenstand eingehender Danach entfällt in den Jahren 1903 bis 1907

erhandmauern.

Abg. von Graefe⸗Güstrow (dkons.); Ich verstehe nicht, warum seitens der Regierung nicht eine schnellere feste Zusage gegeben werden kann, 20 die Wünsche der Berufsgenossenschaften nach Be⸗ seitigung überflüssig gewordener Unfallverhütungsvorschriften tatsäch⸗ lich erfüllt werden sollen. So sind z. B. die Auswurfvorrichtungen bei den Dresch⸗ und Häckselmaschinen außerordentlich unpraklisch Ebensowenig verstehe ich, welche Gründe gegen die Wünsche der Detaillisten angeführt werden könnten. Man könnte ja vielleicht vermuten, daß die kleinen Handelsgenossenschaften nicht lebensfähig sein würden, und es ist auch auf die Schmiedeberufsgenossenschaft hin⸗ ewiesen worden, die anfangs mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. diese Genossenschaft hat sich ausgezeichnet entwickelt und steht heute sehr gut da. Bei der Schmiedegenossenschaft handelt es sich um 71 000 Betriebe, bei den Detaillisten kommen 300 000 Betriebe in Frage, und wenn man annimmt, daß von diesen Betrieben wenigstens doch drei Angestellte durchschnittlich beschäftigt werden, so ergibt das 900 000 Angestellte. Das Bedenken 1“ Lebensfähigkeit kann man also von vornherein zurückstellen. Der Detaillistenverband schlägt vor, eine Abgrenzung nach der Zahl der in den Betrieben angestellten Personen vorzunehmen. Eine Ausschaltung der Eans großen Betriebe ist dringend wünschenswert, wenn die Frage im Sinne der Vertretung der mittelständischen Interessen gelöst werden soll. Es handelt sich hier nicht um Mittelstandsfreundlichkeit in Worten, sondern um prak⸗ tische Mittelstandspolitik, und deshalb bitten wir den Herrn Staats⸗ sekretär, die Erledigung dieser Frage möglichst zu beschleunigen.

er Schulenburg (nl.): Die Detaillisten werden ja nicht alle zugleich in die Lagereiberufsgenossenschaft katastriert, sondern nach und nach. Es wäre doch ein Leichtes für die letztere, zu erklären, daß sie die Detaillisten, deren Katastrierung soviel Mühe macht, nicht mehr haben wollen; aber leider ist das nicht geschehen. Die Wünsche der Detaillisten auf Einreihung in eine eigene Berufsgenossenschaft sind außerordentlich berechtigt, und die Errichtung einer solchen wäre echte und rechte Mittelstandspolitik. Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.): Diese Frage * ja schon früher in voller Ausführlichkeit verhandelt und der Wunsch des Kleinhandels von allen Seiten als durchaus berechtigt anerkannt worden. Auch ein anderer Teil des Mittelstandes, die Gartner, erstreben eine eigene Be⸗ rufsgenossenschaft. Sie klagen mit Recht über und schlechte Behandlung in den 48 landwirtschaftlichen Berufsgenossen⸗ schaften, denen sie jetzt angeschlossen sind. Dieser Anschluß ist nicht nur unzweckmäßig, sondern auch unnatürlich. Die erhobenen Klagen ehen hauptsächlich zurück auf die außerordentlich hohen Beitrags⸗ asten, die in keinem Verhältnis zur Unfallsgefahr in der Gärtnerei⸗ stehen. Nach Erledigung der vZ“ ist die Frage noch brennender geworden, weil die Begriffsbestimmung des arbeiters noch erheblich präzisere Form erhalten hat. Je kleiner der Betrieb, desto mehr Facharbeiter, je größer der Betrieb, desto weniger Facharbeiter. Daraus ergibt sich das Fazit, daß die kleinsten Gärt⸗ nereien die meisten Beiträge bezahlen müssen. Für ein mittelständ⸗ lerisches Gewerbe, wie die Gärtnerei, ist dieser Zustand kaum haltbar. Ferner kommt die Gärtnerei in den landwirtschaftlichen Berufs⸗ venheh hinsichtlich ihrer Spezialinteressen gar nicht hinreichend zur Geltung. Daß eine selbständige Gärtnereiberufsgenossenschaft die Beitragslast für den einzelnen Gärtner erheblich verbilligen wird, steht außer Zweifel, aber auch nach anderen Richtungen wäre eine solche Maßnahme für die Gärtner von großem Vorteil. Allerdings würde ein Auseinandersetzungsverfahren zwischen den Gärtnereien und den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften vor sich zu gehen haben; aber diese Schwierigkeit kann und wird nicht unüberwindlich sein.

Abg. Dr. Dahlem (Zentr.): Die landwirtschaftliche Genossen⸗ schaft sollte den Kleinbauern gegenüber nicht zu rigoros verfahren, sie nicht unter allen Umständen zum Eintritt zwingen und ihnen die Lasten auferlegen, die in keinem Verhältnis zu den Leistungen der Be⸗ rufsgenossenschaften für sie stehen. Die kleinen Leute müssen geschont werden, ihnen gegenüber darf man den Bogen auch in dieser Beziehung nicht überspannen. 1

Abg. Koßmann (Gentr.) wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Silberschmidt. Dieser habe die zu geringe Zahl der Revi⸗ sionen bemängelt. Die Arbeiter nähmen aber nost weniger Anstoß an der Seltenheit der Revisionen, als vielmehr daran, daß den Ar⸗ beitgebern oder Beamten in den gewerblichen Betrieben der Tag und oft üsg. die Stunde der Revision vorher bekannt sei. Das sei speziell auch auf den Hütten⸗ und Bergwerken im Saargebiet der Fallv; stehe die Revision bevor, so werde alles hübsch verbaut, die Wasserleitung werde bis vor Ort geführt usw., alles befinde sich in schönster Ord⸗ nung, und dementsprechend lauteten dann auch die Revisionsberichte. Das sei ein Unrecht; die Revisionen sollten kein Besuch, sondern eine wirkliche Untersuchung sein. Das Verlangen nach mehr Unfallver⸗ hütungsvorschriften sei ja berechtigt, aber die beste Unfallverhütung sei doch diejenige, dem Arbeiter das Gedinge so hoch zu setzen, daß er über seiner gefahrvollen Arbeit nicht die Sorge für Gesundheit und Leben außer acht läßt. Auch das Reneenbersasren müsse beschleunigt und die noch schwebenden Prozesse sollten möglichst rasch beendet werden. Abg. Becker⸗Arnsberg (Zentr.): Diesen Wünschen kann ich mich nur anschließen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß sich im Punkte des Rentenverkürzungsverfahrens das heutige Ver⸗ fahren als eine fast unerhörte Verschlechterung der Lage der Verletzten darstellt. Hat einer einen Fuß verloren, so wird ihm, wenn der Heilungsprozeß vorbei ist, die Rente um 50 % und um noch mehr gekürzt. Man kann sich schließlich auch an den Verlust beider Beine gewö nen, aber diese Kürzung ist doch wirklich S gerechtfertigt. Das Reichsversicherungsamt scheint hier gewissen Unternehmerein⸗ Flüssen sein Ohr zu leihen. ie Urteile der Schiedsgerichte bei der entenabmessung sind viel günstiger als die des Reichsversicherungs⸗ amtes. Die Rekurse der 6 an das Reichsver⸗ 1..S. sind viel erfolgreicher als die der Wann ollen denn die einzelnen Teile der neuen Reichsversicherungsordnung in Kraft treten, sollen die Vorschriften über die Krankenversicherung erst im Laufe des Jahres 1913 in Kraft treten? Sind die Vorarbeiten schon im Gange, wieweit die EE1““ in Zukunft der Unfall⸗ versicherung unterstellt werden? Die Unterstellung der Berufskrank⸗ heiten unter die Unfallversicherung ist notwendig und dringlic. Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Das erste Buch der Reichsversicherungsordnung tritt am 1. Juli d. J. und die Krankenversicherung wird am 1. Januar 1913 in Kraft treten. Ueber die weiteren Bücher sind die Vorarbeiten einstweilen noch nicht zu übersehen. Die Angelegenheit wird im Reichsamt des Innern mög⸗ lichst eingehend verfolgt. Einige Berufskrankheiten werden heute schon als Unfälle behandelt. G Abg. Molkenbuhr (Soz.): Als wir bei der Reichsversiche⸗ rungsordnung beantragten, Berufskrankheiten als Unfälle zu be⸗ handeln, haben Sie (zum Festen dagegen gestimmt. Jetzt stellen Sie sich hin und stellen dieselbe Forderung, weil Sie wissen, daß das doch keine Konsequenzen hat. Wir haben auch eine Gleichstellung der landwirtschaftlichen Arbeiter mit den gewerblichen beantragt, und Sie ehrens gewendet) haben dagegen gestimmt. (Widerspruch des Abg. Behrens). Jedenfalls hat die Mehrheit, auch das Zentrum, dagegen gestimmt. Nun haben die Gärtner den Schaden davon. Wenn die Detaillisten in der Lagereiberufsgenossenschaft zu schwer belastet sind, dann muß das geändert werden. Kommt aber eine neue Veruassgehofsenschaft zustande, so werden sicher die Verwal⸗ tungskosten in eser verhältnismäßig höher sein als sie in der Lagerei⸗ berufsgenossenschaft für alle Beteiligten waren. Abg. Heckscher (fortschr. Volksp.): Die Reichsversicherung findet leider bei uns im Volke nicht die Würdigung, wie es im Aus⸗ lande geschieht. Dies nerfräalich Moment ist wohl darauf zurück⸗ zuführen, daß sehr oft ein hohes Maß von dürrem Bureaukratismus ausgeübt wird. Dies beweist ein Fall, wo einem Eisenbahnarbeiter in Friedrichsruh 1903, der beide Beine bei einem Unfall verloren hatte und zwei Relzfüsr benutzen mußte, die Rente deshalb gekürzt wurde, weil der Mann fähig sei, Düten zu kleben oder Zigarren zu drehen.

(zum Abg.

Nach 10 Jahren wurde dem Krüppel ein in die Woh⸗

geschickt. Es ist ihm dann eröffnet worden, da

seiner Erwerbsfähigkeit aufweise, als er sich nunmehr an die künst⸗ lichen Gliedmaßen und den Verlust beider Unterschenkel vollständig gewöhnt habe! Wer v. dem Urheber dieser Zuschrift die Feder ge⸗ führt haben? Es wird ihm weiter erzählt, daß er den Rat, sich einer ewinnbringenden Heschäftigung zuzuwenden, befolgt abe, da er beim Polstern eines Lehnstuhles angetroffen worden seil Es war sein eigener Lehnstuhl, den er ausgebessert hat. Solche Urteile sprechen Bände; wir können die besten Gesetze machen, aber wir werden keine zufriedenen Arbeiter schaffen, wenn sie in dieser Weise aus⸗ geführt werden.

Abg. Becker⸗Arnsberg (Zentr.): Solchem hanebüchenen Urteil kann man allerdings nichts hinzufügen. Solche Urteile sind auch nicht vereinzelt; die Rentenquetscherei hat überhand genommen; da kann nur Aenderung der gSe helfen, um die Rechtsprechung des Fes ewerüächevmnconnt zu korrigieren. Ausführung der Arbeiterversicherungsgesetze wird eine berechtigte Er⸗ regung in der Arbeiterschaft ständig wachgehalten. Die Angriffe des Abg. Molkenbuhr gegen das Zentrum und gegen mich lassen mich kalt. Ob wirklich eine Berufskrankheit vorliegt oder nicht, darüber kann sich selbst die medizinische Wissenschoft nicht so leicht klar werden, das hat uns früher auch Dr. Mugdan auseinandergesetzt; Krank⸗ heiten, die man früher als Berufskrankheiten betrachtete, werden jetzt von den Medizinern ganz verschieden beurteilt. Deshalb wäre es besser, dem Bundesrat die Befugnis zu geben, Berufskrankheiten, die als solche klar umschrieben sind, der gewerblichen Unfallversicherung zu unterstellen; aber unser dahingehender Antrag, und sogar ein abge⸗ n htst ist damals in der Kommission abgelehnt worden; für den ozialdemokratischen Antrag hätte sich also ganz bestimmt keine Mehr⸗ heit gefunden. Gegen diesen Antrag waren Zentrum, Rechte und Linke. Sie schießes immer bloß in die Mitte; Sie schießen nicht nach rechts oder links, sondern... (Zuruf links: Ins Schwarze! Sie tun das lediglich, um uns bei den Arbeitern ins Unrecht zu setzen. Auch die Sozialdemokraten kochen nur mit Wasser. Erst im Plenum haben wir unsern Antrag durchgebracht, und das auch nur mit äußerster Anstrengung. Verbünden Sie als stärkste Partei sich doch mit uns in dem Bestreben, auf den Bundesrat zu drücken, daß er von der Fakultät den weitgehendsten Gebrauch macht!

Abg. Hoch (Soz.): Es ist erstaunlich, daß uns der Vorredner die Geschichte dieses Antrages so genau vortragen kann. Achthundert Anträge waren gestellt, welch ein Gedächtnis muß also der Abg. Becker besitzen! Die wortreiche Erwiderung des Kollegen Becker ist von A bis Z unrichtig. Das Zentrum hat erst mit uns mitgemacht und uns dann niedergestimmt. Der Umfall kam zwischen der ersten und zweiten Lesung, es schlug sich generell auf die Seite der Konservativen und Nationalliberalen und hat die guten Beschlüsse erster Lesung beseitigt. Das war ein Verrat an den Arbeitern. Das stieß dem Zentrum auf, und um den Anschein zu erwecken, daß etwas geschehe, hat es dann seinen Antrag gestellt. Uns war es Ernst mit der Unterstellung der Berufskrankheiten unter die Unfallversicherung. Wir sagten uns damals, wir werden verstärkt hierher zurückkehren und werden die Regierung zwingen, unseren Antrag anzunehmen. Wir haben die Genugtuung, daß die Arbeiterschaft unsere Tätig⸗ keit anerkannt und Ihnen 1 . hat. Was der Kollege Heckscher gesagt hat, ist richtig, aber es sind olle Kamellen. Wir haben in der Reichsversicherung:⸗ kommission beantragt, daß den verunglückten Arbeitern in allen Stadien des Verfahrens das Recht zustehe, auf ihre Kosten Gutachten der Aerzte einzuholen, zu denen sie Vertrauen haben. Dieser Antrag mit an dem Widerstande des Zentrums. Wenn das Gescz so schlecht ist, so tragen die Herren vom Zentrum die Schuld daran. Von den Konservativen und Nationalliberalen ist nichts Besseres zu erwarten. Das Zentrum reißt aber immer den Mund sehr weit auf und rühmt sich seiner Arbeiterfreundlichkeit. Ich möchte noch eine Anfrage an die Regierung richten; leider ist der Staatssekretär nicht anwesend. Dieser hat uns sein Wort gegeben, daß von keiner Seite daran gedacht sei, eine große Schar pensionierter Offiziere in die Ver⸗ sicherungsämter hineinzubringen. Damit hat sich die Kommision zu⸗ frieden gegeben. Jetzt wird das Wort gebrochen und das Gegenteil von dem getan, was der Kommission versprochen wurde. (Präsident Dr. Kaempf: Ich bitte Sie, solche Worte nicht zu gebrauchen, Sie können das, was Sie zu sagen haben, doch in parlamentarischer Form sagen Ich frage, hat die Reichsregierung den preußischen Behörden keine Nachricht gegeben von dem, was der Staatssekretär gesagt hat? Wir können verlangen, daß der Staatssekretär uns über das Vorgehen der preußischen Regierung Rede steht.

Abg. Graf Westarp (dkons.): Auch wir sind nicht ein⸗ verstanden mit der Rechtsprechung, die der Abg. Heckscher gerügt hat. Es liegt in dieser Rechtsprechung eine Ueberspannuͤng eines an sich richtigen Grundsatzes, es wird nur die Alrbeite⸗ fähigkeit berücksichtigt, nicht die Arbeitsmöglichkeit. Auf alle Fragen der Reichsversicherungsvordnung einzugehen, hat bei der Geschäftslage keinen Zweck. Ich will der Behauptung des Abgeordneten Molkenbuhr entgegentreten, daß bei der land⸗ wirtschaftlichen Unfallversicherung die ländlichen Arbeiter zu entrechteten Arbeitern degradiert seien. Davon ist gar keine Rede. Auch die Einwände des Abg. Molkenbuhr in bezug auf die ge⸗ Fühnhcht⸗ neue Detaillistenberufsgenossenschaft halte ich nicht für

ichhaltig.

Abg. Becker⸗Arnsberg (Zentr.): Ich bestätige dem Abg. Hoch, daß es nicht die Absicht der Kommission war, die Versicherungsämter fast ausschließlich mit pensionierten Offizieren zu besetzen. Das würde auch dem Wortlaut des Gesetzes widersprechen, wonach nur Leute mit der nötigen Vorbiidung und Erfahrung diese Posten ausfüllen sollen. Der Abg. Hoch hat meine Darstellung der Vorgänge bei den Kommissionsberatungen über die Berufskrankheiten bezweifelt. In seinem eigenen „Vorwärts“⸗Bericht hat er dasselbe gesagt wie ich. Wir sollen einen verwässerten Antrag gestellt haben, weil wir gewußt hältten, daß die Regierung ihn doch nicht annehmen würde. Das ist ein so unerhörter Angriff daß ich zur Kennzeichnung keinen parla⸗ mentarischen Ausdruck finde. Es ist nicht richtig, daß sich die Re⸗ gierung unter allen Umständen gegen die Einbeziehung der Berufs⸗ krankheiten in die Unfallversicherung erklärt hat. Wie wollen die Sozialdemokraten die Regierung auf die Knie zwingen? Ich mwäre neugierig, das Rezept dafür zu erfahren.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Der Abg. Hoch hat dem Staatssekretär Dr. Delbrück Wortbruch vorgeworfen. Ich habe den Staatssekretär, der zu einer Sitzung abgerufen worden ist, sofort bitten lassen, hier zu erscheinen. Nach meiner Erinnerung ist eine Zusage, wie sie der Abg. Hoch ausgeführt hat, von dem Staats⸗ sekretär Dr. Delbrück nicht gegeben worden. Der Herr Staatssekretär hat von der Frage der Anstellung von Offizieren oder Militäranwärtem gesprochen. Beide Fragen sind in annähernd gleicher Weise be⸗ handelt worden. Im § 359 Abs. 6 ist ausdrücklich eine Vorschrift aufgenommen, daß den Militäranwärtern ein Vorrecht nicht gegeben werden darf. Die Aeußerung des Staatssekretärs bezog sich und konnte sich nur darauf beziehen, daß man auch den Offizieren kein Vorrecht einräumen wolle. Der § 39 Abs. 1 sagt ausdrücklich, daß zum stellvertretenden Vorsitzenden bestellt werden kann, wer sich dunch Vorbildung und Erfabrung dazu eignet. In einem Erlaß wird darauf hingewiesen, daß die pensionierten Offiziere sich die nötige Vorbildung und bei geeigneten Versicherungsträgern erwerben sollen. Wenn ein Offizier sich diese Vorbildung erworben hat, so kann man ihn doch nicht schlechter behandeln als andere, Jedenfalls hat der Staatssekretär Dr. Delbrück jede Gelegenheit benutzt, um in der nachdrücklichsten Weise zur Geltung zu bringer,⸗ daß ein Vorrecht für Offiztere nicht geschaffen werden sel⸗ Abg. Hoch (Soz.): Wir haben seinerzeit nicht bestritten, daß es Ausnahmefälle geben kann, wo auch ein Offizier die Quali⸗ fikation sich erwirbt, aber auch betont, daß sich in der Regel de Offiziere nicht dafür eignen. Darauf erhob sich der Staatssekretä⸗ und sagte, in größerer Zahl sollten pensionierte Offiziere nich angestellt werden. Dieser Tatbestand sollte nicht verschoben werdern, das Rundschreiben des Handelsministers läßt doch die Annahme 8. daß nicht an Ausnahmefälle gedacht ist, sondern an die große Maße

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nun insofern eine

ö wesentliche Besserung und eine entsprechende Erhöhung

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der pensionierten Offiziere. Sie können doch das Volk nicht für „2

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der

Durch die bureaukratische

(zum Zentrum) die Quittung überrescht;

harmlos halten, 2. es sich das Gegenteil einreden läßt. Es ist ein feierliches Versprechen gegeben worden, daß die pensionierten Offiziere nicht in größerer Zahl zugezogen werden. Ich haͤtte nicht gedacht, daß

Regierungskommissar den Versuch machen würde, die Sache no zu entschuldigen. Der Redner wendet sich dann noch gegen die Aus⸗ führungen des Abg. Becker.

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Von einer „massenweisen“ Anstellung pensionierter Offiziere kann überhaupt nicht die Rede sein, weil nur solche angestellt werden sollen, die sich die Qualifikation in mehrjähriger Beschäftigung erworben haben. In der Regel wird auch ein mittlerer Beamter für die Vertretung des Vor⸗ sitzenden angestellt werden. 8

Abg. Graf Westarp (dkons.): Ich kann diese Darstellung nur bestätigen. Von einer Bevorzugung der Offiziere ist in dem Erlaß des Handelsministers nicht die Rede. Ich kann also nicht zugeben, daß eine Zusage des Staatssekretärs gebrochen worden ist. —.

Abg. Giesberts (Zentr.): Der Ausdruck des Abg. Hoch ist nicht haltbar. Es scheint aber doch ein gewisses System vorzuliegen in bezug auf die Anstellung der pensionierten Offiziere zu Ver⸗ sicherungsamtmännern. Die alten geschulten Beamten befürchten, daß sie für die höheren Stellen nicht in Betracht kommen. Es gibt aber eine große Zahl alter Beamter, die solchem Posten durchaus gewachsen sind. Die formale Kenntnis der Gesetze ist dabei nicht soviel wert wie langjährige praktische Erfahrung. .“ 8

Abg. Becker⸗Arnsberg (Zentr.): Durch die Kommissions⸗ beratung ging wie ein roter Faden der Gedanke, daß nur durch Vor⸗ bildung und Erfahrung befähigte Beamte zu den Stellen der Versicherungsamtmänner zugelassen werden sollten. Wir wollten damit verhindern, daß Leute hineinkommen, die keinen sozialen Geist haben. Warum hat denn das Rundschreiben nur die Offiziere in Betracht gezogen und nicht Beamte, die sich für den Posten eignen?

Abg. Molkenbuhr (Soz.): Meind Partei hat sich nicht aus Feindschaft gegen die Offiziere dagegen erklärt, daß diese zugelassen werden, sondern lediglich um zu verhüten, daß ungeeignete Personen in diese Stellen befördert werden.

Abg. Schultz⸗Bromberg (Rp.): Wie kann man aus dem Rundschreiben des Handelsministers eine Bevorzugung der Offiziere herleiten? Darin wird doch gerade den Offizieren gegenüber die Schraube schärfer angezogen als gegenüber den anderen Aspiranten. Die Offiziere müssen sich jahrelang für diesen Posten vorbilden. Man nimmt es also sehr ernst mit den Offizieren. Uebrigens handelt es sich hier doch nur um einen Streit um des Kaisers Bart. Spätestens im Juli d. J. sind alle Amtmännerstellen besetzt; damit fällt die Beschwerde des Abg. Hoch in sich zusammen.

Abg. Hoch (Soz.): Das Rundschreiben ist an Tausende von Behörden gerichtet. Wir wollen einmal abwarten, welche Anforde⸗ rungen man an die Qualifikation der Offiziere stellen wird. Ich glaube nicht, daß man Offiziere, die man zur Probe nimmt, einfach wieder auf die Straße setzt. 1

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Wollte man schon jetzt Offiziere in die betreffenden Stellen bringen, so würde das dem Rundschreiben direkt widersprechen, denn in diesem wird eine mehrjährige Vorbildung der Offiziere gefordeit.

Abg. Schultz (Rp.) erklärt nochmals, daß nach Lage der Ver⸗ hältnisse die Befürchtung des Abg. Hoch vollständig haltlos ist.

Damit schließt die Diskussion.

Die Resolutionen Schaedler und Bassermann, betreffend die Errichtung einer besonderen Berufsgenossenschaft für den Detail⸗ handel, und die Resolution Behrens, betreffend die Errichtung einer besonderen Berufsgenossenschaft für die Gärtnerei, werden angenommen; die Ausgaben für das Reichsversicherungsamt werden bewilligt.

Bei den Ausgaben für die Physikalisch⸗technische Reichsanstalt bemerkt der

Abg. Dr. Doormann ffortschr. Volksp.): Der Reichsanstalt verdanken wir es, wenn Deutschland auf dem Gebiete der Messungen die führende Stelle einnimmt. Dasselbe gilt von der Präzisionsmechanik. Die Anstalt vereinigt in geradezu idealer Weise die Wissenschaft mit der Praxis. Ich freue mich, daß die Anstalt beschlossen hat, die radioaktiven Erscheinungen in das Gebiet ihrer Forschungen ein⸗ zubeziehen. Der Etat der Reichsanstalt ist etwas zu knapp bemessen, insbesondere reicht der Fonds zur Beschaffung von Apparaten nicht aus. Einen persönlichen Wunsch würde mir der Staatssekretär erfüllen, wenn er den Mitgliedern des Hauses, die sich für die Anstalt interessieren, einen Besuch derselben ermöglichte. G

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Ich kann ür die warmen Worte der Anerkennung, die der Herr Vorredner der üstdien der Anstalt gezollt hat, nur meinen Dank aussprechen. Die Herren, die sich für die Anstalt interessieren, sind zu ihrer Besichtigung freundlichst eingeladen. Das neue Laboratorium wird hoffentlich noch im Laufe des nächsten Winters fertiggestellt, sodaß der Besuch schon zu dieser Zeit erfolgen könnte.

Bei den Ausgaben für das Kanalamt führt der

Abg. Hoff (fortschr. Volksp.) aus: Bevor noch der Aus⸗ bau des Kaiser Wilhelmkanals beschlossen war, im Jahre 1904, war der Bau einer Eisenbahn von Kiel nach Holtenau bewilligt worden. Bis zur Stunde ist aber für diesen Bau noch kein Spatenstich getan. Die Anlieger müssen bei dem Ausbau des Kanals in angemessener Weise entschädigt werden. Der Verkehr ist seit der Eröffnung des Kanals in erfreulicher Weise stetig ge⸗ stiegen. Sehr viel zu wünschen lassen die Verhältnisse der Lotsen übrig, die überanstrengt sind, weil Lotsenmangel herrscht. Die Lotsen sind dadurch, daß sie in die mittlere Beamtenklasse aufgerückt sind, finanziell geschädigt. Ein unhaltbarer Zustand ist es ferner, daß die Lotsen für die von ihnen angerichteten Schäden haftbar gemacht werden. Der Staat muß entweder die Garantie für diese Schäden übernehmen oder die Lotsen selber versichern.

Direktor im Reichsamt des Innern von Jonquidres: Auf die Gehaltsfrage lasse ich mich nicht mehr ein, da diese gesetzlich abgeschlossen ist. In die Klasse der mittleren Beamten sind die Lotsen auf ihren eigenen Wunsch versetzt worden, und sie sind dabei auf die finanziellen Folgen für sie aufmerksam gemacht worden; wenn sie trotzdem mittlere Beamte haben werden wollen, so haben sie es getan, um den höheren Wohnungs⸗ geldzuschuß zu erhalten. Der Lotsenmangel beweist keineswegs eine Rückständigkeit der Kanalverwaltung, wir haben vielmehr im Sommer, als das Bedürfnis eintrat, sofort den Präsidenten des Kanalamts ermächtigt, soviel Lotsen anzunehmen, wie erforderlich war, um zu einer normalen Bewältigung des Verkehrs zu kommen. Mehr können wir nicht tun, wir können nicht etatsmäßige Stellen aus dem Boden stampfen. Vorübergehend kann bei jeder Betriebs⸗ verwaltung einmal ein Mangel im Betriebe eintreten, ich brauche nur an den Wagenmangel bei den Eisenbahnen zu erinnern. Wenn jetzt durch die Vermitllung des Reiches dafür Vorsorge getroffen ist, daß, ohne die Lotsen zu bedrücken, für die Reedereien eine Versicherung von 10 000 im einzelnen Fall gewährt wird, so ist das doch immerhin etwas. Die Verlegung der Eisenbahn Holtenau⸗Kiel ist durch die preußische Eisenbahnverwaltung bestimmt. In dieser Frage auf Preußen zu drücken, müssen wir wegen der möglichen Konsequenzen ablehnen.

Nach 7 ½ Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung des

Etats des Reichsamts des Innern auf Freitag 1 Uhr; außerdem Etats der Post⸗ und Telegraphenverwaltung und der Reichsdruckerei. 9 8 8

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten 8 42. Sitzung vom 21. März 1912, Vormittags 11 Uh (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsange⸗ legenheiten, und zwar die allgemeine Besprechung über das Kapitel des Elementarunterrichtswesens fort, zu dessen einzelnen Titeln Anträge vorliegen von dem Abg. Borchardt (Soz.) betreffs Zulassung des Ver⸗ waltungsstreitverfahrens gegen Zwangsverfügungen der Schul⸗ aufsichtsbehörden und betreffs Aufhebung der Zwangs⸗ verfügungen gegen unerlaubte Unterrichtserteilung und Ab⸗ haltung von unpolitischen Vorträgen vor Jugendlichen, von den Abgg. Aronsohn (fortschr. Volksp.) und Dr. von Woyna (freikons.) betreffs Aufhebung der geistlichen Ortsschulinspektion und Einführung der hauptamtlichen Kreisschulinspektion bezw. Anstellung von Kreisschulinspektoren im nach dem Bedürfnis, von dem Abg. Dr. Heß (Zentr.) betreffs prinzipieller Genehmigung der Ausübung der Jagd durch Volksschullehrer, von den Abgg. Dr. von Le pe gac. und Hoff (fortschr. Volksp.) betreffs Beseitigung der Klassenüberfüllung in Volks⸗ schulen bezw. Aufhebung der Halbtagsschulen, von dem Abg. Dr. Heß (Zentr.) betreffs Entschädigung der Volksschullehrer für die Teilnahme an Kreiskonferenzen, von den Abgg. Aron⸗ (fortschr. Volksp.) und Dr. von Campe (nl.) betreffs es Universitätsbesuchs der Volksschullehrer.

Abg. D. Hackenberg (nl.): Ich bin auch der Ansicht, daß wir mit den Gegenwartsfragen genug und übergenug hier zu tun aben und uns nicht mit den Zukunftsfragen, die der Abg. Heß angeschnitten

hat, zu beschäftigen brauchen. Aber eins muß ich doch sagen: ich bin

nicht der Ansicht, daß man die Anschauungen des Gegners nur mit

Scherz und Spott abzutun sucht, sondern man muß die einzelnen

Schulideale rein sachlich gegeneinander abwägen. Wie kann man

darüber spotten, daß Heinrich Schulz in seinem Buche die Schul⸗

erziehung vom dritten Lebensjahre ab fordert? Doch schon jetzt sorgt

man in weiten Kreisen für das vorschulpflichtige Alter. Dann ist

doch der Schritt nicht so ungeheuer weit zu diesen Forderungen. Wie

kann man über die Einheitsschule spotten, durch die allen Kindern

unseres Volkes die Wege geöffnet werden sollen zu der höchsten Aus⸗

bildung? Das fordern nicht nur die Sozialdemokraten, das ist eine

Forderung, die viel in der pädagogischen Welt vertreten wird. Hier

liegt 899 ein guter und gesunder Gedanke zugrunde, daß man die

höberen Schulen nicht nur den besitzenden Klassen offen halten soll,

sondern daß man, soviel es irgend möglich ist, den tüchtigen Kräften aus dem Volke den Weg bahnen soll zu höherem Studium und damit zu anderer Lebensstellung, in der sie dem Staate und der Gesamtheit nützen können. An einem so weit verzweigten, so wichtigen und bedeutsamen Gebiet, wie dem Elementarschulwesen, mit seinen mehr als 38 000 Schulen, 117 000 Lehrerstellen und seinen 6 ½ Mil⸗ lionen Kindern wird immer wieder das Interesse aller derer wach⸗ gerufen, denen an der Zukunft unseres Volkstums und an der kulturellen Entwicklung unserer Mitbürger liegt. Das Elementarschulwesen gleicht einem großen, an einer öffent⸗ lichen Straße gebauten Hause mit der Inschrift „der Zu⸗ kunft unseres Volkes“. Es ist begreiflich, daß an diesem Gebäude keiner vorübergehen kann, ohne ihm seine Aufmerksamkeit zuzuwenden, und jeder wird sich ein Urteil bilden, vielleicht ein vorschnelles. Es liegt in der menschlichen Natur und Eigenart, daß der Tadel immer größer ist als die Anerkennung. Es ist Gepflogenheit geworden, unser Volksschulwesen mit dem in den deutschen Kleinstaaten zu vergleichen, um die Rückständigkeit des unsrigen zu beweisen. Es ist doch etwas anderes, in einem Klein⸗ staat das Schulwesen einheitlich zu regeln, als in dem großen Staat Preußen mit seiner eigenartigen Geschichte, mit seiner Bevölkerungs⸗ dsnnhe. und den großen Unterschieden in der Bevölkerung. Man muß hier an das Wort denken: Eines schickt sich nicht für alle, sehe jeder, wie er's treibe. Ich bitte, mich nicht mißzuverstehen. Gewiß muß man beobachten, wie es in anderen Staaten ist, und daran lernen, aber alles unbedingt nachzuahmen, das geht doch nicht. Unser Volksschulwesen will mit gerechtem Maßstab gemessen werden. Wir in diesem Hause haben das Recht, zu kritisieren und der Unter⸗ richtsverwaltung zu sfagen, wo nach unserer Auffassung falsche Wege eingeschlagen sind; eine solche Kritik ist nur Mitarbeit an der Schule, aber sie muß sich aufbauen auf Kenntnis der Sache und Verständnis für die Sache. In den Ausführungen des Abg. Borchardt bei der Generaldebatte habe ich diese Kenntnis und dieses Ver⸗ ständnis nicht gefunden; ich habe immer nur vom Klassenstagt gehört. Ueberall sind Licht und Schatten, aber man darf nicht lauter Schatten auf ein Bild werfen, sonst wird das Bild falsch. Und das scheint der Abg. Borchardt doch getan zu haben. Der Abg. Borchardt redet doch als Berliner, und ich bin erstaunt, daß er uns manche Dinge in Berlin allgemein zur Last legt. In Berlin sind doch übrigens durchaus tüchtige Lehrer vorhanden. Der Abg. Borchardt meint, unsere Schule brauche die Furcht vor der Strafe als Erziehungsmittel und erziehe zur Charakterlosigkeit. Wer unser Volksschulwesen kennt, kann das nicht sagen. Wenn wir die Lehrpläne und die Lehrordnungen der einzelnen Schulen und die große pädagogische Literatur ansehen, an der die bedeutendsten Männer mitgearbeitet haben, wenn wir die Arbeiten unserer Lehrerkonferenzen ansehen, so sehen wir, wie die Lehrerschaft zusammen mit der Unter⸗ richtsverwaltung mit gesunden Lehrmitteln nur nach gesunden Er⸗ ziehungsresultaten strebt, so finden wir, daß von einem Beugen unter die Autorität nicht die Rede ist, wie die Sozialdemokraten behaupten. Aber ohne Autorität und ohne Unterordnung ist überhaupt ein gemeinschaftliches Leben gar nicht möglich. Ohne Beugung unter die Autorität ist schlechterdings keine Erziehung möglich. G Sie auch Ihre (zu den Sozialdemokraten) Jugend nicht erziehen. (Lebhafte Zwischenrufe bei den Soztaldemokraten. Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Ich bitte, den Redner nicht durch Zwischen⸗ rufe zu stören.) O, bitte, das stört mich nicht. (Der Präsident bittet den Redner, nicht auf die Zwischenrufe einzugehen.) Autorität ist überall nötig, der Lehrer muß Autorität für die Schüler sein, das er⸗ fahrene Alter muß Autorität für die Jugend sein, das Schöne und Wahre muß Autorität sein für alle. Aber man will kein Beugen unter die Autorität, nur die Entwicklung der freien Ueberzeugung, man bricht nicht den Willen, sondern erzieht die Kinder zu Charakteren. Zur Beseitigung des Lehrermangels ist schon viel geschehen. Der Abg. Borchardt verlangt größere Mittel für die Kultur. Das Wort kann man gelten lassen. Der Kulturzustand richtet sich nicht nach der wissenschaftlichen Bildung einer auserlesenen Klasse, sondern danach, ob die Gesamtheit des Volkes geistig so Fftordert wird, daß sie allen Aufgaben der fortgeschrittenen Zeit gewachsen ist. Ich gebe also den Satz des Abg. Borchardt zu, aber es fehlt die Beweisführung. Wenn der Abg. Borchardt sagt, daß ein Student dem Staat viel mehr kostet für seine Ausbildung als ein Volksschüler, so ist darüber natürlich kein Streit. Ein Lämmergeier braucht an Nahrung das Vielhundertfache wie ein Zaunkönig, aber damit kann man doch nicht nachweisen, daß der Zaunkönig an Unterernährung leidet. Darin stimmen wir überein, daß noch größere Aufwendungen für die Volks⸗ schule erforderlich sind; wir beklagen alle die n der Klassen und manches andere, alle Anträge gehen ja in dieser Richtung, aber bis man unter die heute als normal geltende Klassenfrequenz weiter heruntergehen kann, ist noch ein weiter Weg. So weit kann ich aller⸗ dings darin nicht gehen, wie der Abg. Borchardt und sein Hanse Schulz nicht etwa, daß ich mich irgendwie auf gewisse

Anders können

pädagogischen Gründen. Ebenso wie überfüllte Klassen der Schul⸗ bildung nicht förderlich sind, sind es auch nicht genügend gefüllte Klassen, denn in diesen entbehren wir des Mittels des gegenseitigen Ansporns unter den Schülern. Die Lehrer der schulen klagen, oft darüber, daß sie dieses Ansporns uter Echuler entbehren, den sie für die anderen brauchen. Nach jetzigen pädagogischen Anschauungen bewegt sich die Normal⸗ frequenz einer Klasse um die 50 herum, und wenn wir nur das er⸗ reichen könnten, würden wir zufrieden sein. (Zwischenruf des Abg⸗ Borchardt.) Gewiß, an den höheren Schulen ist es etwas anders. Das EEEEEE“ hat schon manchen Uebelständen abgeholfen, es sind veraltete Schuleinrichtungen durch neue ersetzt, es sind neue Schulen errichtet worden. Auch das Lehrerbesoldungsgesetz hat eine gute Wirkung gehabt und den Lehrern eine größere innere Zufriedenheit über die Gehaltsfragen gebracht. Wenn die Amts⸗ zulagen und Ortszulagen bemängelt werden, so sind hierfür feste Be⸗ züge nicht möglich, denn diese Zulagen sollen gerade den verschieden⸗ artigen Verhältnissen Rechnung tragen. Es ist möglich, daß da durch Vergleiche Unzufriedenheit entsteht, und im industriellen Westen ist die Klage darüber groß, daß man über das Mindestmaß der Zulagen von 100 nicht hinausgeht. Nun hat die Rechtsprechung allerdings die Bestimmung über die Amtszulagen nach dem unklaren Wortlaut des Gesetzes so ausgelegt, wie es der Gesetzgeber nicht gewollt hat, und darauf bezieht sich ein Antrag meiner Freunde wegen Deklaration dieser Bestimmung. Der Antrag will nicht die leiseste Aenderung der Absichten des Lehrerbesoldungsgesetzes, sondern nur eine deutliche Deklaration, damit die Rechtsprechung sich danach richtet. Ich bitte, diesen Antrag möglichst bald ohne weitere Erörterung einer Kom⸗ mission zu überweisen. Wegen der Ortszulagen sind wir mit Klagen über die Verschiedenheiten überschwemmt, aber daran läßt sich nichts ändern, denn die Ortszulagen sind ausdrücklich den Lokalinstanzen überlassen worden. Leider finden immer wieder Vergleiche statt. Aber ich habe doch die Hoffnung, daß die Gemeinden selbst dahin kommen werden, die Ortszulagen angemessen festzusetzen. Dann müssen aber auch die Lehrer das ewige Vergleichen unterlassen. Die Lage der Lehrer ist nun trotz der jetzigen Gestaltung der Lehrer⸗ besoldung nicht überschwenglich glänzend, und wenn durch lange, schwere Krankheit einmal materielle Not eintritt, so hat die Schul⸗ verwaltung kein anderes Mittel, zu helfen, als das der Unter⸗ stützungen, die nicht sehr angenehm sind. Da ist mir nun in der Presse der Gedanke entgegengetreten, daß in solchen Fällen den Lehrern Darlehen gegeben werden, die in bestimmten Zeiträumen zurückzugeben sind. Dadurch wird im Augenblick der Not ab⸗ geholfen, aber der Lehrer wirkt an der Aufhebung dieses Zustandes selbst mit und steht nicht als ö da. Im ganzen hat das Lehrerbesoldungsgesetz gut gewirkt, die Freude des Lehrers auf dem Lande an seiner Tätigkeit ist gewachsen. Gerade der Lehrer der etlaffig. Schule auf dem Lande kann eine intensive, gute Einwirkung auf die Bevölkerung ausüben. Durch die Erhaltung seiner Berufsfreudigkeit können wir die Seß haftigkeit der Lehrer erreichen und somit die vielen Unzuträglich keiten vermeiden, die ein häufiger Lehrerwechsel mit sich bringt. Den Lehrern, die als Einjährig⸗Freiwillige dienen, muß die Möglichkeit gegeben werden, Reserveoffizier zu werden. Wir wollen eine Entwicklung der Schulaufsicht nach der Richtung hin, daß die Kreisfachschulaufsicht durchgeführt wird; damit wird die technische Ortsschulaufsicht ganz von selbst auf den Aussterbeetat gesetzt werden. Ich muß die Behauptung entschieden zurückweisen, 2 —% diejenigen Lehrer, die dem Preußischen Lehrerverein angehören, alle Fortschrittler seien; besonders muß ich mich aber dagegen verwahren, daß Lehrer, die eine politisch⸗liberale Anschauung haben, Gegner des Religionsunterrichts und damit Schrittmacher der Sozialdemokratie in dieser Hinsicht seien. Ich habe noch nicht einen Lehrer efunden, der Gegner des Religionsunterrichts ist; dagegen abe ich viele Lehrer kennen gelernt, die einen so innerlichen und einen so warmen Unterricht erteilen, daß ich von ihnen lernen könnte, wie man Religionsunterricht erteilt. Ich habe auch viele Lehrer gefunden, die sich in einem inneren Wanken befunden haben, aber aus tiefem warmen Interesse an der Religion. Einer meiner besten Lehrer ist zu mir gekommen und hat mich gebeten: Gestatten Sie mir, daß ich einige Wochen keinen Religionsunterricht gebe; und ich habe es ihm sofort gestattet. Und dieser Lehrer hat den festen Boden unter den Füßen wieder gewonnen. Daß man von jedem Lehrer fordert, daß er Religionsunterricht gibt, ist eine Last, die genommen werden muß; das ist ein Problem, das zu lösen ist. Vielfach wird auch der Uebergang von der häuslichen nieder⸗ deutschen Sprache in die Schulsprache nicht recht gefunden. Wenn wir eine ordentliche Volksschule haben wollen, dann muß der Hauptwert auf die Lehrerbildung, auf die Seminare gelegt werden. s muß beim Seminarunterricht auf die Eigenart und die Anlagen der Zöglinge die notwendige Rücksicht genommen, der Unterricht muß so gestaltet werden, daß den jungen Lehrern nicht nur trockenes Wissen gegeben wird, sondern eine eigene Urteilskraft, eine Gemütsbildung und vor allen Dingen der Drang, der Trieb und die Fähigkeit zur eigenen Weiterbildung geweckt wird. Daß an den Seminaren zwei Oberlehrer angestellt werden sollen, wäre an sich gut; ich fürchte nur daß der zweite Oberlehrer nicht mit dem ersten Oberlehrer gleichgestellt werden soll; das kann leicht zu Un⸗ zuträglichkeiten führen. Wo an einem Orte eine Präparandenanstalt und ein Seminar zufammen bestehen, da soll man nicht die Prä⸗ paranden im Externat und die Seminaristen im Internat erziehen, sondern umgekehrt. Es ist das ein schwerer Schritt, aber der junge Lehrer muß so bald als möglich an Selbständigkeit gewöhnt werden. Ich hoffe, daß wir mit der Schulentwicklung auf dem x eines gesunden Fortschritts bleiben, daß Einvernehmen zwischen der Schulverwaltung und den beteiligten Volkskreisen herrscht. 8 Abg. Ernst (fortschr. Volksp.): Der Abg. Heß hat gestern scharfe Angriffe gegen den Deutschen Lehrerverein gerichtet und ihn a's Schrittmacher der Sozialdemokratie bezeichnet. Ich muß gegen diese Behauptung entschieden Verwahrung einlegen und hoffe auch, daß der Minister, der so anerkennende Worte für die preußische Lehrerschaft gefunden hat, sich diesem Protest anschließen wird. Der Abg. Dr. Heß hat von den Bestrebungen des Deutschen Lehrervereins gar keine Ahnung. Der Verein hat sich für die Bei⸗ behaltung des Religionsunterrichts ausgesprochen. Ich hoffe, daß der Deutsche Lehrerverein, unbeirrt durch alle Angriffe, weiter arbeiten wird zum Wohl der deutschen Schule und zum Wohl des deutschen Vaterlandes. Die Bezeichnung Elementarlehrer sollte einheitlich durch „Volksschullehrer“ ersetzt werden. Für den hauswirtschaftlichen Unterricht sind in England schon 1894 vier Millionen Mark eingestellt worden; da wäre eine Erhöhung des Fonds in unserem Etat sehr erwünscht. Die Mittelschullehrer sind bei der Besoldungsreform zu kurz gekommen. Den Ausführungen des Abg⸗ D. Hackenberg über die Lehrerbildung stimme ich vollkommen zu; dann muß aber auch für eine ordentliche Besoldung der Seminarlehrer gesorgt werden, sie müssen in Rang und Gehalt den Oberlehrern gleichgestellt werden. Die Ernennung von Seminardirektoren zu Kreis⸗ schulinspektoren würde auch die Wirkung haben, daß sich die Seminar⸗ direktoren vom Stande der Volksschulbildung überzeugen können. In der Besoldung der Kreisschulinspektoren bestehen ungerechte Unter⸗ schiede; manche erreichen das Höchstgehalt erst im 70. Jahre. Die seminaristisch ausgebildeten A stehen in dieser Hinsicht hinter ühren Kollegen zurück. Der Lehrermangel ist noch nicht ganz beseitigt; wenn alle Halbtagsschulen beseitigt und in normale Schulen umgewandelt werden sollen, Febl es noch an 6652 Lehrern. Wir haben zum Kapitel der höheren Lehranstalten den Antrag gestellt, die Lehrpläne der eh und der Föeen Lehranstalten in organische Verbindung zu bringen und die Vor⸗ schulen allmählich aufzuheben, um dem Ideal der Einheitsschule möglichst nahe zu kommen. Was die Organisation der Volksschule betrifft, so hoffe ich, daß für Berlin das achtklassige Schulsystem doch noch als das beste durchdringen wird. Die Entwicklung steht auch auf diesem Gebiete nicht still, und die meisten Bundes⸗ staaten sind uns in dieser Hinsicht bereits voraus. Der Minister

Rechenexempel einlasse, die da aufgemacht sind, nein, aus

sagte neulich, Staat und Kirche, Schule und lternhaus müßten zu⸗