Königliche Friedrich⸗Wilhelms⸗Universität. Bekanntmachung.
Die Immatrikulationen bei der hiesigen Universität für das kommende Sommerhalbjahr beginnen am 15. April und schließen mit dem 4. Mai d. J. 88 Jeder, der immatrikuliert zu werden wünscht, hat sich zuvor bei
em Pförtner der Universität mit einer Zulassungskarte zu ver⸗ sehen. Ort und Stunde der Immatrikulation wird bei dieser Gelegenheit mitgeteilt werden. 8
Behufs der Immatrikulation haben vorzulegen, und zwar sämt⸗ liche Zeugnisse im Original: 88 .
8 2) Die Studierenden, welche die Universitätsstudien erst beg innen:
4 a. Angehörige des Deutschen Reichs: dasjenige Reife⸗ 1eses einer höheren Lehranstalt, welches für die Zulassung zu den ihrem Studienfach entsprechenden Berufsprüfungen
in ihrem Heimatstaate vorgeschrieben ist. Genügt nach den bestehenden Bestimmungen für ein Berufsstudium der Nach⸗ weis der Reife für die Prima einer neunstufigen höheren Lehranstalt, so reicht das auch für die Immatrikulation aus.
b. Ausländer: ausreichende Legitimationspapiere, Paß ꝛc. und amtliche Zeugnisse über die erlangte ulbildung.
2) Die Studierenden, welche von einer anderen Universität
ommen: die zu 1 geforderten Zeugnisse und ein Abgangszeugnis
der der früher besuchten Universitäten. G
3) Außerdem hat jeder eine sorgfältig ausgefüllte Personalkarte
it 2. eugnissen abzugeben. Formulare sind bei dem Pförtner
zu haben. hahen. . e männliche Angehörige des Deutschen Reichs, welche ein Reifezeugnis nicht erworben, jedoch wenigstens das⸗ jenige Maß der Schulbildung erreicht haben, welches für die Er⸗ langung der Berechtigung zum einjährig⸗freiwilligen Militärdienst vor⸗ eschrieben ist, können mit besonderer Erlaubnis der unterzeichneten ommission auf vier Semester immatrikuliert und bei der philosophischen Fakultät eingetragen werden. 8 Die bezüglichen Gesuche sind unter Beifügung der Zeugnisse ersönlich an den Universitätssekretär abzugeben. Formulare zu den⸗ felben können bei dem Oberpedell in Empfang genommen werden.
Reichsinländerinnen dagegen, im Falle sie nicht das Reife⸗ zeugnis bezw. das Zeugnis der Reife für die Prima besitzen, sowie Ausländerinnen in allen Fällen bedürfen zur Immatrikulation
er S des Herrn Ministers der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten. Die Gesuche, denen alle Feugnisse beizufügen sind, sind Nr. 8 der Universität abzugeben. Berlin, den 22. März 1912. 8 8 Die Immatrikulationskommission der Königlichen Friedrich⸗Wilhelms⸗Universität Lenz. Daude.
Zimmer
Nichtamtliches.
Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 26. März.
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Cor⸗ moran“ am 17. d. M. in Matupi, S. M. S. „Bremen“ am 23. in St. Thomas (Westindien), an demselben Tage S. M. S. „Panther“ in Duala (Kamerun) und S. M. S. „Eber“ in Lüderitzbucht, ferner S. M. S. „Emden“ am 25. in Tschifu angekommen. 8 “
8 Württemberg.
Ueber den Einfluß der Wehrvorlage auf Württem⸗ berg erfährt der „Schwäbische Merkur“ folgende Einzelheiten:
Beim württembergischen Kontingent sind auf Grund des Friedens⸗ präsenzgesetzes von 1911 im Herbst vorigen Jahres zunächst in Zugang ekommen vier Maschinengewehrkompagnien, die aus bis dahin vor⸗ säufig abkommandierten Mannschaften gebildet wurden, und je ein Kontingent bei den Eisenbahntruppen, den Luftschiffern, Kraftfahrern und Telegraphentruppen. Nach demselben Gesetz, das nunmehr schleunigst durchgeführt werden soll, werden nach der neuen Heeresvor⸗ lage im Lauf dieses und des nächsten Jahres hinzutreten; eine Land⸗ wehrinspektion, ein Bataillon Infanterie, sechs Maschinengewehr⸗ kompagnien, eine Eisenbahnkompagnie, eine Trainkompagnie und ein Detachement bei der Fliegertruppe. Außerdem werden die Regiments⸗ stäbe der Infanterie und der Feldartillerie durch Hinzutritt von Stabsoffizieren und Hauptleuten verstärkt und die Etats an Mann⸗ schaften und Pferden bei sieben Infanteriebataillonen, dem Pionier⸗ bataillon sowie bei sämtlichen Kavallerie⸗ und Feldartillerieregimentern erhöht werden. Besondere Berücksichtigung finden dabei die Ba⸗ taillone des in Straßburg stehenden Infanterieregiments Nr. 126, des Pionierbataillons Nr. 13 und die Feldartillerie, bei der u. a. die Batterien zu vier Geschützen in solche zu sechs Geschützen umge⸗ wandelt werden. 1
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roßbritannien und Irland.
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Staatssekretär des Innern Me Kenna, da die Verhandlungen noch schwebten, werde die Beratung der Kohlengruben⸗Bill
auf heute verschoben. Frankreich.
Die Deputiertenkammer hat gestern laut Meldung des „W. T. B.“ einstimmig eine von der Regierung bereits gebilligte Resolution angenommen, in der die Regierung auf⸗ gefordert wird, den Ausstand der Kraftdroschken⸗ führer in Paris durch Schiedsgericht beizulegen. Ferner hat die Kammer einen Gesetzentwurf angenommen, durch den die Entsendung bestimmter nach dem gemeinen Recht Verurteilter in die afrikanischen Bataillone vorgesehen wird. Dem Kriegsminister steht jedoch das Recht zu, die Entsendung hintanzuhalten. Auch Angehörige der des Mutterlandes, die sich solcher Taten der Disziplin⸗ losigkeit schuldig gemacht haben, die sie als eine Gefahr für das Heer erscheinen lassen, sollen von jetzt an den afrikanischen Bataillonen zugeteilt werden können.
— Die „France militaire“ meldet, daß die ische Militärmission in Marokko aufgelöst und vom 1. März dieses Jahres ab eine scherifische Armee gebildet worden ist, deren Kommandant dem gleichzeitig als Kriegs⸗ minister des Sultans fungierenden Oberbefehlshaber in Marokko untergeordnet ist. Die für diese Zwecke für 1912 vorgesehene Summe beläuft sich auf 16 Millionen. Allmählich werden die Stämme zum obligatorischen Militärdienst ge⸗
zwungen werden. Rußland.
Die internationale Konferenz für die Sicherheit der Seeschiffahrt ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in St. Petersburg vom Marineminister eröffnet worden, der die Delegierten im Namen des Kaisers begrüßte.
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regung
Die Plenarversammlung des Senats hat, obiger Quelle
olge, für die Aufnahme jüdischer Juristen unter die Zahl der Re tsanwaltsgehilfen eine spezielle Genehmigung des Justizministers für notwendig und auch die Festsetzung des Prozentsatzes der aufzunehmenden Juden für wünschenswert
erklärt. Italien.
Gestern nachmittag 2 wie „W. T. B.“ meldet, der Deutsche Kaiser und der König Viktor Emanuel sowie die Fürstlichkeiten auf Einladung des Königs nach der Insel Torcello, wo alte Baulichkeiten und die mit Mosaiken geschmückte alte Kirche besichtigt wurden. Am Abend fand bei dem Kaiser an Bord der „Hohenzollern“ ein Mahl statt, nach dem den Maäjestäten eine große Serenade gebracht wurde. Um 10 ½ Uhr verließ der König Viktor Emanuel nach herzlicher Verabschiedung vom Kaiser und den Fürstlichkeiten die E und trat die Rückreise nach Rom an. Heute frůh st die „Hohenzollern“, mit dem Kaiser, dem Prinzen und der Prinzessin August Wilhelm und der Prinzessin Viktoria Luise an Bord, begleitet von dem Kreuzer „Kolberg“, von Venedig abgefahren.
Griechenland. Die neue Kammer setzt sich aus 181 Abgeordneten zu⸗
sammen. Wie „W. T. B.“ meldet, sind bisher endgültig ge⸗ wählt 147 Anhänger des Venizelos, 8 Theotokisten, 3 Zaimisten, 7 Mavromichulisten und 8 Unabhängige. Venize los erklärte, die überwältigende Mehrheit, die das Volk ihm gegeben habe, werde es ihm ermöglichen, das Werk der völligen Hebung des Landes endgültig zu Ende zu führen.
Amerika.
Nach Blättermeldungen aus Asuncion hat die dortige vorläufige Regierung die Auflösung des Senats und der Kammer verfügt. Emiliano Gonzalez habe vorläufig die Präsidentschaft der Republik übernommen und werde die Wahl des Präsidenten, der Senatoren und der Deputierten noch vor dem 1. Juli Das neue Kabinett sei mit Eusebio Ayala als Minister des Aeußern gebildet worden. 8
Asien.
In der Nähe von Schicho (Persien) hat nach Meldungen der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ eine Schlacht zwischen Regierungstruppen und Revolutionären stattgefunden. Die Regierungsarmee aus Urumtschi wurde geschlagen und verlor 1500 Tote, 80 Gefangene, 3 Geschütze und viel Munition und Proviant. Die Revolutionäre hatten 200 Tote. Auch in Meschhed hat zwischen Anhängern des ehemaligen Schahs und Konstitutionalisten ein ernster Kampf stattgefunden. Infolge⸗ dessen sah sich der Kommandierende der dort stehenden russischen Streitkräfte, General Riedko genötigt, die Herstellung der Ordnung und Sicherheit zu übernehmen.
— Die Gesandten Deutschlands, Englands, Frankreichs und der Vereinigten Staaten in Peking haben ein gemein⸗ sames Memorandum überreicht, in dem, wie „W. T. B.“ meldet, nach kurzer Darlegung der seit dem 27. Februar von der internationalen Bankengruppe über die Finanzierung der chinesischen Regierung gepflogenen Verhandlungen der Stand⸗ punkt vertreten wird, daß die englisch⸗belgische Anleihe einen Wortbruch darstelle, vad gegen die neue Anleihe ent⸗ schieden Einspruch erhoben wird.
Die chinesische Regierung und der britische Gesandte haben den im Januar gezeichneten Vertrag über die Vereini⸗ gung der Kohlengruben von Kaiping und Lantscheu
ratifiziert. 8 Afrika.
Wie „W. T. B.“ aus Larrasch meldet, dauert die Er⸗ im Gebiete der Djebala infolge der Aufstellung spanischer Posten an. Es heigt, zwischen den Stämmen hätten Besprechungen stattgefunden, in denen der Plan zu einem Angriff auf Elksar gefaßt worden sei.
— Nach einer Meldung der „Agenzia Stefani“ aus Tobruk vom 24. d. M. versuchten mehrere feindliche Ab⸗ teilungen zu wiederholen Malen, die Befestigungsarbeiten an dem neuen Fort zu behindern, wurden aber von den italienischen Truppen mit Verlusten zurückgeschlagen.
— Der Khedive von Aegypten hat gestern die alle zwei Jahre zusammentretende Nationalversammlung mit einer Rede eröffnet, in der er, dem „Reuterschen Bureau“ zu⸗ folge, auf die Maßnahmen der Regierung hinwies, die diese eit dem letzten Zusammentreten der Versammlung zur Förde⸗ rung des Erziehungswesens und zur Wiedergeburt der arabi⸗ schen Literatur getroffen habe. Die Regierung habe den Pro⸗ vinzialbehörden 100 000 Pfund für Erziehungszwecke zur Ver⸗ fügung gestellt. Ferner sei die Hö Mittelägyptens in Angriff genommen worden, und es seien dadurch eine 8 Million Feddän (1 Feddän = 59 a) dem Anbau erschlossen worden. Durch weitere Bewässerung, die durch die Erhöhung der Assantalsperre möglich werde, würden weiterhin 1 250 000 Feddän der Bebauung erschlossen werden. Die Er⸗ höhung der Talsperre sei kürzlich vollendet worden. Der Khedive berichtete ferner über die fortschreitende Verbesserung in den Wasserverhältnissen der Deltaprovinzen Behera und Gharbiah sowie von der Absicht der Regierung, für die Fellachen einzurichten, und von ihrem Plane, die repräsentative Regierung den Interessen des Landes mehr an⸗
zupassen.
Parlamentarische Nachrichten. 8
In der heutigen (35.) Sethung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke und der Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn beiwohnten, stand zunächst das S Abkommen wegen Ver⸗ längerung der Zuckerkonvention zur dritten Beratung.
In der Generaldiskussion bemerkte der
Abg. von Grabski (Pole): Die Zuckerproduktion hat in der Provinz Posen einen großen Aufschwung genommen. Ich bedauere mit meiner Fraktion, daß die Vertreter der Reichsregierung auf der Konferenz alle Wünsche der deutschen Zuckerindustrie unberücksichtigt gelassen haben und Rußland soweit entgegengekommen sind; das Ver⸗ trauen dieser Industrie und der mit ihr in Verbindung stehenden Landwirtschaft in die Reichsregierung wird damit erschüttert. Schon auf der Generalversammlung der Zuckerindustriellen am 24. Januar 1912 wurde gegen die russischen Forderungen Einspruch erhoben. Rußland hat während der Verhandlungen durch maßgebende Persön⸗ lichkeiten zum Ausdruck bringen lassen, daß, sobald die russischen Forderungen auf der Konferenz durchgesetzt seien, dies das Signal zu einer S Steigerung des Rübenanbaues in Rußland sein werde. Rußland tut das Gegenteil von dem, was bei dem Vorhandensein
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einer Ueberproduktion geschehen müßte; es sinnt nur darauf, den Rübenanbau zu fördern und seine Zuckerindustrie zu heben. Dem gleichen Zwecke dient ein am 4. März von dem russischen Finanz⸗ minister in der Duma eingebrachter und von dieser angenommener Gesetzentwurf. Noch vor 4 Jahren kam Rußland für den Weltmarkt mit seinem Zucker nicht ernstlich in Betracht.
(Schluß des Blattes.)
— In der heutigen (45.) Sitzung des Hauses der Ab⸗
geordneten, welcher der Minister der geistlichen und Unter⸗ richtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz beiwohnte, bemerkte vor Eintritt in die Tagesordnung
Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Sie werden mit mir darin einverstanden sein, daß es dringend erwünscht ist, den Kultusetat noch vor den Osterferien zu erledigen und ihn nicht als Torso in die Tagung nach Ostern hineinzunebmen. Ich hatte ursprünglich die Absicht, Ihnen für heute eine Abendsitzung vorzuschlagen, bin aber von den Vorsitzenden großer Kommissionen gebeten worden, ihre Zirkel nicht zu stören. Ich werde nun aber jeden⸗ falls morgen eine Abendsitzurg vorschlagen. Sollten wir am Donnnerstag mit dem Kultusetat fertig werden, so würde unsere Arbeit beendet sein, wenn nicht, so möchte ich Sie jetzt schon darauf vorbereiten, daß ich genötigt sein würde, Ihnen für Freitag eine Sitzung vorzuschlagen, was ja auch schon früher vor Ostern vor⸗ ekommen ist. Die Redner der nächsten Tage möchte ich aber bitten, ich möglichste Beschränkung aufzuerlegen.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend Erweiterung des Stadt⸗ kreises Lichtenberg.
Abg. Gantert (fortschr. Völkap empfiehlt namens der per⸗ stärkten Gemeindekommission die Annahme des Gesetzentwurfs.
Der Gesetzentwurf wird in zweiter und darauf auch in dritter Beratung unverändert und endgültig angenommen.
Sodann wird die zweite Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsange⸗ legenheiten für 1912 bei dem Fonds zu Beihilfen für Veranstaltungen Dritter zwecks Förderung der Pflege der schulentlassenen männlichen Jugend sowie zur Aus⸗ bildung und Anleitung von für bie Jugendpflege geeigneten Personen (1 ½ Million Mark) fortgesetzt. Hierzu liegt die Denkschrist der Regierung über Jugendpflege in Preußen im Etatsjahre 1911 vor.
Die Abgg. Dr. Friedberg (nl.) und Genossen haben, wie in der vorigen Woche bereits mitgeteilt wurde, die Vor⸗ legung einer ausführlichen Denkschrift beantragt, die namentlich ersichtlich machen soll, wie sich die Beihilfen auf Einrichtungen 1 konfessionellem und solche mit paritätischem Charakter ver⸗ teilen.
Die Abgg. von Goßler (kons.) und Genossen wollen Mittel auch zur Förderung der Pflege der schulentlassenen weiblichen Jugend bereit gestellt wissen, während die Abgg. Cassel (fortschr. Volksp.) und Genossen Beihilfen für Veran⸗ staltungen Dritter zum Schutz von Kindern vor Mißbrauch, Ausbeutung und Mißhandlung wünschen. Außerdem wollen sie den Etatssonds an geeignete Vereinigungen ohne religiöse oder politische Rücksichten verteilt wissen. Denselben Antrag haben die Abgg. Borchardt (Soz.) und Genossen gestellt und dahin erweitert, daß der Fonds insbesondere auch an die Orga⸗ nisationen und Veranstaltungen der freien Jugendbewegung
verteilt werden soll. 1 Abg. D. Hachenberg (nl.): Unser Antrag, der schon im vorigen Jahre vorgelegen hat, damals aber nicht zur Verabschiedung kam und jeßt von neuem eingebracht ist, ist jetzt durch den Erlaß des Kultusministers über die Jugendpflege gegenstandslos geworden. Je mehr man sich mit diesem Erlaß und den in ihm aufgestellten Grundsätzen befaßt, desto mehr muß man anerkennen, daß kaum ein geschlosseneres und klareres Bild von Zielen, Umfang und Mitteln der Jugendpflege gegeben werden konnte. Es ist da in jeder Beziehung alles getan, um Klärung auf diesem Gebiete zu schaffen. Wir hören, das eine großzügige Aufklärungsarbeit ein⸗ geleitet worden ist. Der ganze Staat ist jetzt mit einem Netz von Ausschüssen für Jugendpflege überzogen. Weite Kreise haben da⸗ von neue Anregungen empfangen; die fuührenden Eö die schon bisher dieser Arbeit sich widmeten, sind gesammelt, der Bund „Jungdeutschland“ zieht auch geeignete Kräfte aus der Armee und dem Beurlaubtenstande heran. Entwickelt die Bewegung sich so erfolgreich weiter, so wird man bald berechtigt sein, von dem Jahrhundert der Jugend zu reden. Gestatten Sie nun auch mir zu den Ausführungen der ministeriellen Denkschrift einige Bemerkungen. 2 von Goßler hat gegen eine gewisse Einseitigkeit in der ugendpflege seine warnende Stimme erhoben. Meinerseits halte ich die Pflege der körperlichen Entwicklung durch jede Art des Sports für einen Fortschritt, und ich gedenke hier auch der unermüdlichen Bemühungen unseres Freundes Herrn von Schenckendorff und seiner Erfolge. Ich verkenne nicht, daß neuer⸗ dings auch auf dem Gebiete des Sports allerlei Auswüchse sich zeigen, daß man z. B. die Sportsieger wie Helden füiert. Aber das sind doch nur Auswüchse, und zwar solche, die sich wohl nur in den Großstädten zeigen und die uns nicht davon zurückhalten dürfen, anzuerkennen, was anzuerkennen ist. Fassen wir jedoch den Begriff der Jugendpflege ernst ins Auge, so müssen wir sagen, daß es mit Turnen, Wanderungen und Kriegsspielen allein unter keinen Umständen getan ist. Diese Dinge sind auch ein Mittel zum Zweck, aber nur zu dem einen Zweck, die körperliche Entwicklung zu fördern. Gewiß schulen sie auch den Willen, stählen die Entschlußfähigkeit, gewiß sind sie geradezu un⸗ entbehrlich, und es ist nicht von ungefähr, daß nicht eist seit gestern und heute, sondern schon seit Jahren und Jahrzehnten die religiösen Jugendvereine, die Jünglingsvereine das Turnen und Spielen in weitem Umfange pflegen. Alles dies zugegeben, so muß sich doch die Jugendpflege in vollem Sinne des Worts ihre Ziele weiter stecken. Sie muß die Jugend wieder mehr zu keiner geistigen Beschäftigung heranziehen; der Jugendpfleger zmuß sich auch mit dem einzelnen Schüler befassen, mit ihm sprechen, die Jugendpfleger müssen die älteren Freunde der Jugend sein oder werden, sie müssen ihr Vertrauen gewinnen. Zu sblchen Pflegern wird dann auch die Jugend ihrerseits Vertrauen fassen. Dem Pfleger muß auch ein gewisses festes s allgemeiner Bildung eigen sein, und nichts von bureaukratischer Art darf ihm anhaften. Die Jugendpfleger müssen ihres Amtes mit dem rechten Ernst walten, sie müssen befähigt sein, mit der Jugend zu verkehren, Liebe zu ihr, Verständnis für sie haben. Lehrer eignen sich ja sehr gut für diesen Zweck, ich möchte aber davor warnen, Lehrer auch nur in hervor⸗ ragendem Maße damet zu betrauen. Auf dem sechsten preußischen Lehrertage hat ein Referent gesagt: immer noch besser, wenn ein junger Mann einem sozialdemokratischen, als wenn er gar keinem Jugend⸗ verein angehort. Ich muß anerkennen, daß dies eine Entgleisung war. Man darf aker nicht vergessen, daß der Referent ein begeisterter Freund der Jugend ist, und daß er diesen Aussprich in dem Zu⸗ sammenhange getan hat, daß er es für richtiger hält, wenn die Jugen einem sozialdemokratischen Verein angehört, als wenn sie sich auf der Straße und in der Kneipe aufhält. Man ist auch auf die weiteren Verhandlungen jenes Lehrertages eingegangen und hat sie zum Gegenstand der Kritik gemacht, so namentlich einen Vortrag über die religiöse Freiheit. Der betreffende Redner führte aus: Das Kind ist religiös unfrei, der Jüngling soll religiös frei werden. Religlös unfret ist derjenige, der an Gott glaubt, weil es in Katechismus steht, weil ihm gesagt worden ist, daß es einen Go gibt, weil Vater und Mutter auch daran glauben. Ganz anderz⸗
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ährte der Redner weiter aus, steht es bei den Jugendlichen; diese haben eine Neigung zur Kritik, und das ist an sich kein Febler. Religiös frei ist derjenige, der seinen Gott in sich selbst sucht, der sich bei allem seinem Tun und Lassen an seinen Gott gebunden weiß. In der Denkschrift ist weiter die Rede von der Zu⸗ sammenfassun der Kräfte für die Jugendpflege, von der Bildung von Ausschüssen, von der Gewinnung finanzieller Beihilfen usw. Das sind alles gute Zwecke, aber ich glaube, man hat dech zu sehr gewissermaßen von außen nach innen und von oben nach unten ebaut. Die weitere Aufgabe muß sein, auch den inneren Ausbau fehr lebendig ins Auge zu fassen. In sehr anerkennenswerter Weise hat der Kultusminister in seinen Erlassen davor gewarnt, die Sache bureaukratisch zu machen. Es wäre nur zu wünschen, daß danach auch gehandelt wird. Es kommt weniger auf die Einrichtungen und Institutionen an als auf die Persönlichkeiten, die sie leiten. Deshalb ist zu wünschen, daß in die Ausschüsse und in die Leitung der Jugendpflege die richtigen hineinkommen. Falsch wäre es, wenn zu viel vom grünen Tisch regle⸗ mentiert würde und wenn zu viel Berichte eingefordert würden. Diese Berichte stören nur die Tätigkeit der Jugendpflege. Zwischen Säen und Ernten auf geistigem Gebiete muß die nötige Zeit gelassen werden. Die Jugendpflege kann sich an die Fortbildungsschulen anlehnen, wenn je auch nicht mit ihnen amalgamiert wird. Die Grundsätze, die der emnister in seinen Erlassen über die Verteilung der Mittel aufgestellt hat, sind durchaus gut; Vorsicht ist auf diesem Gebiete sehr am Platze. Da, wo in wenigen Jahrzehnten aus kleinen Dörfern großstädtische Gemeinden entstanden sind, muß die staatliche Unterstützung am schärfsten einsetzen. Wenn mir aber untergeschoben wird, daß ich be⸗ fürwortet haben soll, daß die konfessionellen, die kirchlichen Veranstaltungen leer ausgehen sollen, so weiß ich wirklich nicht, wie gerade sch dazu kommen sollte, die kirchlichen Einrichtungen zum Aschenbrödel zu erniedrigen. Auch meine Fraktion tritt durchaus für eine paritätische Berücksichtigung ein. Ich bin sogar der Ansicht, daß unter Umständen die kirchlichen Einrichtungen gerade am energischsten unterstützt werden sollen, da sie es oft gewesen sind, die die Jugendpflege zuerst in Angriff genommen haben. Gerade die kirchlichen Jugendvereine haben sich in einer geradezu mustergültigen Weise entwickelt; ich verweise auf den Westdeutschen Jünglingsbund, auf den Evangelischen Jünglings⸗ verein in Essen, der ein vorbildliches eigenes evangelisches Jugendhaus gegründet hat. Allerdings muß bei der Berücksichtigung der konfessionellen Vereine darauf gesehen werden, daß nicht un⸗ nötig Zwietracht gesät wird. Die evangelische und die katholische Jugend müssen einander schätzen lernen. Aber was geschehen soll, 8 recht bald geschehen. Die größte Schwierigkeit bietet die Ge⸗ winnung von geeigneten G keiten. Die sozialdemokratischen Anträge lehnen wir ab. ir müssen auf dem Gebiet der Jugendpflege mit der Sozialdemokratie kämpfen, denn wir stehen hier in aus⸗ gesprochenem Gegensatz zur Sozialdemokratie; aber nicht durch Polemisieren und Politisieren, sondern wir werden diesen Kampf durch eine aufbauende Arbeit in unseren Vereinen führen. Es ist ge⸗ sagt worden, daß die sozialdemokratische Bewegung es herbeigeführt hat, deß staatliche Mittel füͤr diese Zwecke bereitgestellt worden sind. Das ebe ich Ihnen (zu den Sozialdemokraten) ohne weiteres zu. Aber hat nicht die zunehmende Pflege der Jugend in unseren Kreisen Sie venn seit dem Jahre 1910 in eine so ungeheure Regsamkeit auf diesem Gebiete einzutreten und die früheren guten e zu verlassen? Ihre Jugendpflege liegt nicht im Interesse der Jugend. Die Sozialdemokraten wenden sich vorwiegend an die kritische Ver⸗ anlagung der Jugend; damit vergällen sie der Jugend die Freude am Leben und pflanzen ihr Haß ein gegen alles Bestehende. Wir stehen auf dem entgegengesetzten Standpunkte. Wie der Kampf aus⸗ gehen wird, wissen wir nicht; aber wenn Sie (zu den Sozialdemo⸗ kraten) das Gemütsleben ganz hintanstellen, so werden Sie Wirkungen erzeugen, die Sie selbst nicht wollen. Das deutsche Gemüt schreit immer wieder nach Leben.
(Schluß des Blattes.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Zur Lohnbewegung der Bergarbeiter in Oberschlesien (vgl. Nr. 75 d. Bl.) wird dem „W. T. B.“ aus Beuthen gemeldet, daß der Streik auf der „Gottessegengrube“ und dem „Hilde⸗ brandschacht“ beigelegt ist. Die Belegschaften des Hildebrand⸗ und des Aschenbornschachts sind heute wieder angefahren. Als Zu⸗ geständnis ist den Arbeitern eine 7 ⅛ prozentige Regelmäßigkeitsprämie zugebilligt worden. — Eine in Radzionkau am Sonntagnach⸗ mittag abgehaltene große Bergarbeiterversammlung hat eine Entschließung gefaßt, in der von sämtlichen Grubenverwaltungen eine Aufbesserung der Schicht⸗ und Häuerlöhne um 15 % gefordert wird. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, daß, falls bis zum 27. d. M. nicht eine allgemein befriedigende Antwort an die Gewerk⸗ schaften eingehen sollte, die Arbeiter in den allgemeinen Aus⸗ stand eintreten würden.
Der Ausstand in der oberfränkischen Porzellan⸗ industrie (pgl. Nr. 55 d. Bl.) ist, wie der „Frkf. Ztg.“ aus Hof berichtet wird, beigelegt worden, nachdem Verhandlungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern vorangegangen sind, die eine Woche in Anspruch genommen haben. Am Montag wurde die Arbeit wieder aufgenommen. Der Streik hat für beide Teile mit ziemlich be⸗ friedigendem Ergebnis geendet.
In Hamburg haben, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, die Hafen⸗ arbeiter in geheimen Versammlungen, die am Sonnabend und Sonntag stattgefunden haben, beschlossen, den Arbeitgebern die Forde⸗ rung auf Gewährung einer Lohnerhöhung zu unterbreiten. Es handelt sich dabei nicht nur um die eigentlichen Hafenarbeiter, sondern auch um die “ der Maschinisten und Heizer organi⸗ sierten Kranführer. In welcher Höhe diese Forderungen erhoben werden sollen, ist noch nicht bekannt. Eine Reihe von Hafenarbeiter⸗ berufearten haben bereits am 20. November v. J., ohne daß eine I gestellt worden war, eine Lohnerhöhung um 20 ₰ den Tag
en.
Das Ergebnis der vorgestrigen in zahlreichen Orten des böhmi⸗ schen Kohlenreviers abgehaltenen Versammlungen ist, wie „W. T. B.“ meldet, daß der Ausstand im Brüxer und Duxer Bezirk weiter um sich gegriffen hat. Im Aussiger und
alkenauer Bezirk ist der Ausstand neuerlich ausgebrochen. Im beplitzer Bezirk ist der Ausbruch des Streiks zu erwarten. (Val. Nr. 75 d. Bl.) Die getrennten Verhandlungen der englischen Regierung mit den Grubenbesitzern und den Bergleuten dauern noch fort. (Vgl. Nr. 75 d. Bl.) Der Regierung ist es, „W. T. B.“ zufolge, estern noch nicht gelungen, die beiden Parteien zu einer gemeinsamen
ibung zu vereinigen. — Ein Telegramm aus Glasgow meldet, daß die allgemeine Abkehr der Bergleute vom Streit vahrschein ich ist. Tausend Bergleute haben die Arbeit in
ellshill (Grafschaft Lanark) gestern wieder aufgenommen; ungefähr weitere tausend auf anderen Zechen.
Aus Lille wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß in dem dortigen
ohlenbecken die Arbeit im allgemeinen wieder aufgenommen worden ist und die Truppen sich in ihre Kasernen zurückgezogen haben.
Im Hafen von Gent haben laut Meldung des „W. T. B.“ aus Brüssel tausend Hafenarbeiter, die Lohnerhöhungen verlangen, die Arbeit niedergelegt. nj n einer in Newhaven (Connecticut) abgehaltenen Versamm⸗ ving von Direktoren der Eisenbahngesellschaften, die fünfzig
iche Bahnen vertraten, wurden, „W. T. B.“* zufolge, die Forde⸗ vehgen der Lokomotivpführer auf Erhöhung der Gehälter ab⸗ ehnt. Die Lokomotivführer ihrerseits haben dem Ausschuß der
rektoren von 50 östlichen Bahnen erklärt, sie könnten die Ablehnung
1
verlangten Lohnerhöhung nicht anne Forderungen. 8 (Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage. ö16“ 1 8
Kunst und Wisseuschaft.
Die Generalverwaltung der Königlichen Museen hat die folgende
Besuchsordnung für die Königlichen Museen im Sommer⸗ halbjahr aufgestellt: 8 Das Alte, Neue, Kaiser⸗Friedrich⸗ und eeeeebe. museum, das Museum für Völkerkunde sowie die Sammlung für deutsche Volkskunde sind an den Sonntagen und an den zweiten Tagen der höheren Feste im April bis September von 12 bis 6 Uhr geöffnet. Montags bleiben die Museen wegen der Reinigung geschlossen; ausgenommen hiervon ist das Museum für Völkerkunde, das Montags geöffnet und dafür Dienstags geschlossen wird, damit Wochentags stets eines der Museen in der Königgrätzer⸗ und Prinz Albrecht⸗Straße dem Publikum zugänglich ist. An den übrigen Wochentagen werden die Museen um 10 Uhr Morgens geöffnet und um 4 Uhr geschlossen, nur im Kaiser⸗Friedrich⸗Museum erfolgt auch v. g die Schließung zu denselben Zeiten wie an den onntagen. Die Bücherei des Kunstgewerbemuseums ist Wochentags von 10—10 Uhr geöffnet. Am Karfreitag, am Himmelfahrtstag und am ersten Oster⸗ und ersten Pfingstfeiertag bleiben die Museen fer der Besuch der Museen ist unentgeltlich bis auf das Kaiser⸗ Friedrich⸗Museum, in welchem Dienstags und Mittwochs 50 ₰ Ein⸗ trittsgeld erhoben werden.
Das Geologische Departement von Canada beabsichtigt „W. T. B.“ zufolge im Sommer eine Forschungsreise in das Polargebiet auszurüsten. Die Expedition soll unter Führung der Herren Borup und Mac Millan stehen, die Peary auf seinen Nordpolfahrten be⸗ gleitet haben. Aufgabe der Reise ist die Erforschung des von Peary entdeckten Crookslandes und, falls dies nicht gelingt, wissenschaf Beobachtungen im Ellesmoreland und Grantland.
Wie tief dringt das Licht ins Meer ein? Die Ent⸗ deckung der höchst eigenartigen Lebewelt der großen Meerestiefen war eine der seltsamsten Ueberraschungen, die die Naturwissenschaft des 19. Jahrhunderts brachte. Man hatte es überhaupt nicht für möglich ehalten, daß in Tiefen von 5000 m und mehr noch lebende Wesen bangen könnten, denn man glaubte, daß Licht und Luft in jenen Ab⸗ gründen vollkommen fehsten. Nun hat sich aber herausgestellt, daß die eigentliche Lebensluft der Tiere, der Sauerstoff, bis auf den Meeresboden herabdringt, sodaß die Tiere in allen Tiefen zu atmen vermögen. Daß in jenen Schlünden auch Licht vorhanden ist, läßt sich jedoch kaum annehmen. Es fehlt allerdings nicht völlig an Licht⸗ erscheinungen, diese werden aber lediglich von den Tiessee⸗ tieren selbst durch allerhand Leuchtorgane hervorgebracht. Das Sonnenlicht vermag in solche Tiefen nicht zu gelangen. Die Physik hat nun aber ein Interesse daran, festzustellen, wie weit Licht von gegebener Stärke in eine Wasserschicht einzudringen vermag. Auf der letzten Fahrt des „Michael Sars“, eines kleinen norwegischen Forschungsschiffs, hat daher Dr. H. Sa Beob⸗ achtungen über diese Frage angestellt. Er fand, wie ein Mitarbeiter der Jugendzeitschrift „In meinen Mußestunden“ (Stuttgart, Franckhsche Verlagshandlung) erzählt, daß die Gesamtheit der Sonnenstrahlen bis zu einer Tiefe von 100 m eindringt, dabei aber schon abgeschwächt wird, und zwar die roten Strahlen stärker als die blauen. In 500 m Tiefe ist von den roten Sonnenstrahlen nichts mehr wahrzunehmen. Die violetten und ultravioletten Strahlen werden dagegen durch photographische Platten in 1000 m Tiefe noch nachgewiesen. Sie schei bei 1700 m völlig zu verschwinden. 1
„Wiederholt ist an dieser Stelle auf die wertvolle Sammlung wissenschaftlich gemeinverständlicher Darstellungen hingewiesen, die der Verlag von G. Teubner in Leipzig unter dem gemeinsamen Titel „Aus Natur und Geisteswelt“ herausaibt. Von den zahlreichen in den letzten Monaten erschienenen Bändchen der Sammlung, deren jedes dauerhaft gebunden 1,25 ℳ kostet, seien die folgenden kurz hervorgehoben: In zweiter, neubearbeiteter Auflage liegt die Dar⸗ stellung der Fragen der allgemeinen Geologie und phvysischen Erdkunde vor, die der Professor an der Universität Breslau Dr. Fritz rech unter dem Titel „Aus der Vorzeit der Erde’ verfaßt hat. Die Gesamtdarstellung umfaßt sechs Bändchen (207, 208, 209, 210, 211 und 61). Jedes der Bändchen behandelt einen in sich abgeschlossenen Abschnitt: Die Pulkane einst und jetzt; Gebirgsbau und Erdbeben; Die Arbeit des fließenden Wassers; Die Arbeit des Ozeans; Gletscher einst und jetzt und Steinkohle, Wüsten und Minen der Vorzeit. Die knappe, übersichtliche, alle Haupt⸗ fragen auf Grund der Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung erörternde Darstellung wird durch sorgfältig ausgewählte gute Ab⸗ bildungen unterstützt. — Eine weite Verbreitung möchte man auch dem 141. Bändchen wünschen, das ebenfalls in 2. Auflage vorliegt. Dr. Au gust Pfannkuche behandelt in ihm in Form eines geschichtlichen Rückblicks „Religion und Naturwissenschaften in Kampf und Frieden“. Dem Büchlein, das sich durch eine objektive Darstellung aus⸗ zeichnet, liegen Vorträge zugrunde, die der Ver ae Z. in Osnabrück vor einer aus allen Kreisen zusammengesetzten Zuhörerschaft gehalten hat. — Auch das 232. Bändchen, in dem der Feefeser Dr. Oskar Walzel⸗Dresden die „Deutsche Romantik“ sfkizziert, liegt in zweiter umgearbeiteter Auflage vor. Das Büchlein ist in seiner neuen Umarbeitung in hohem Maße geeignet, die Erkenntnis zu vertreten, wie bedeutend die romantische Epoche deutschen Geisteslebens für die Herkunft der modernen treibenden Gedanken und Bestrebungen ist. Neben der romantischen Weltanschauung ist in der Neueh. auch die romantische Dichtung eingehend behandelt worden. — Im Auftrage der deutschen Kolonialgesellschaft (Abt. Berlin⸗Charlottenburg) gehaltene Vorträge liegen dem 98. Bändchen „Die deutschen Kolonien“ (Land und Leute) von Dr. A. Heilborn zugrunde. Das Büchlein hat bereits eine weite Verbreitung gefunden, die es durchaus verdient; denn es vermittelt dem Leser in knapper Form eine groß 1 wissenswerten Stoffes in anschaulicher, fesselnder Form. uch die vorliegende, im Sinne der kausativen Geographie umgearbeitete Auf⸗ lage, dürfte ihren Zweck, das Interesse für koloniale Fragen und das Verständnis für den Wert der ve ae. zu erwecken, durchaus erfüllen. — Eine wertvolle Darstellung von Australien und Neuseeland, Land, Leute und Wirtschaft, bietet im 366. Bändchen der Universitätsprofssor Dr. R. Schachner⸗Jena. Die Dar⸗ stellung beruht nicht nur auf einer gründlichen Kenntnis der einschlägigen Literatur, sondern auch auf persönlicher Vertrautheit des Verfassers mit Land und Leuten. — Aus der Reihe der Bändchen, die sich mit Gesundheitsfragen be⸗ schäftigen, sei das 47. hervorgehoben. Der Generalarzt Dr. med. Wilh. Schumburg, Universitätsprofessor in 2h 2 i. E., be⸗ schreibt in ihm die Tuberkulose, ihr Wesen, ihre Verbreitung, Ursache, Verhütung und Heilung; von demselben Verfasser sind im 251. Bändchen aus dem gleichen Gesichtspunkte die Geschlechts⸗ krankheiten behandelt. Es ist erfreulich, daß von beiden Schriften schon zweite Auflagen nötig geworden sind, und man muß ihnen die weiteste Verbreitung wünschen. Sind die in ihnen nach Ursache und Wirkung beschriebenen Seuchen doch diejenigen, die am verheerendsten unter den Kulturvölkern wüten; die von einem hervorragenden Fach⸗ mann gegebenen Ratschläge, wie ihrer Verbreitung zu begegnen und wie ihre 88, zu betreiben sei, verdienen allgemeine Nachachtung. — Dem Interesse, das unsere Zeit einem lange vernachlässigten Teil der Kultur des Altertums, der antiken Naturwissenschaft und Mathematik, entgegenbringt, erwuchs die Darstellung, die im 370. Bändchen der Professor Dr. T. L. Heiberg⸗Kopenhagen den „Nat urwissenschaften und Mathematik im klassiichen
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Altertum“ im Rahmen iechischen Kulturgeschichte gewidmet hat. Nach einem kurzen Ueberblick über die Leistungen eer ersten griechischen Philosophen, vor allem der Ppthagoreer, für die exakten Wissenschaften verfolgt die Schrift den Gang der einzelnen Fach⸗ wissenschaften, die sich als selbständige Wissensgebiete allmäblich von
der Philosophie lostrennten, vom 5. vorchristlichen Jahrhundert bis
in die byzantinische Zeit und bis zur Renaißance, der Schwelle der neuen Zeit, in der sie Männern wie Galilei und Kopernikus Grundlagen zur weiteren Forschung boten. — Einem Bändchen, in dem die Mechanik der festen Körper behandelt wurde, hat der Geheime Regierungerat A. von IJhering⸗Gießen jetzt im 304. Bändchen eine kurze Darstellung der Mechanik der flürsigen Körper folgen lassen. Ausgehend vom Gleichgewicht der Flüssig⸗ keiten in Gefäßen, behandelt er das Schwimmen fester Körper in Flüssigkeiten, also die Lehre vom Auftrieb, die Stabi⸗ lität schwimmender Körper und das Schwimmen unter Wasser. Der Ausfluß von Flüssigkeiten aus Gefäßen wird eingehend dargestellt, woran sich die Gesete der Bewegung von Flüssigkeiten in Rohrleitungen und offenen Kanälen anschließen sowie die wichtigsten Anwendungen der abgeleiteten Gesetze, die Bewegung von Flüssigkeiten durch Maschinen (Pumpen) und die Bewegung von Maschinen durch strömende Flüssigkeiten. Eine abschließende Dar⸗ stellung der Mechanik gasförmiger Körper soll in einem dritten Bändchen folgen. — Endlich seien, um die Vielseitigkeit der Samm⸗ lung „Aus Natur und Geisteswelt“ zu belegen, noch die Bändchen 364 und 369 erwähnt. In jenem bietet der Hauptmann und Batteriechef im Fußartillerieregiment R. Weiß eine knappe Darstellung der Handfeuerwaffen, ihrer Erfindung und Technik, in diesem der Tierzuchtdirektor Dr. G. Wildorf eine knappe Darstellung der wichtigsten Fragen und Aufgaben der Tier⸗ züchtung. — Bei aller Anerkennung der Vorzüge der vielseitigen und gediegenen Sammlung sei schließlich ein Wunsch ausgesprochen. Er geht dahin, daß in den mit Recht weitverbreiteten Vändchen „Aus Natur und Geisteswelt“ mehr als bisher auf die Reinheit der deutschen Sprache hinsichtlich der Fremdwörter geachtet werden möchte. Es handelt sich in ihren Bändchen doch um „gemeinverständ⸗ liche“ Darstellungen, die der Leser im wesentlichen ohne Zuhilfenahme eines Verdeutf ungswörterbuches sollte verstehen können. Gewiß lassen sich wissenschaftliche Fachausdrücke nicht immer verdeutschen; in sehr vielen Fällen jedoch ist das bei gutem Willen durchaus möglich. Aber auch über den Kreis der wissenschaftlichen Fachausdrücke hinaus ist die Zahl der sonstigen, durchaus entbehrlichen Fremdwörter in diesen Büchlein überaus groß. Es ist das ein Uebelstand, der leider der deutschen Schriftsprache im allgemeinen anzuhaften pflegt, und er magh im vorliegenden Fall doppelt schwer abzustellen sein, weil die Mehrzahl der Verfasser der sonst trefflichen Büchlein aus den engeren Gelehrtenkreisen stammen, in denen das Gefühl für das Verwerfliche des Fremdwörtermißbrauchs nicht stark zu sein pflegt. Vielleicht unternimmt es der Verlag, Wünsche in dieser Richtung seinen Mit⸗ arbeitern gegenüber auszusprechen. Er wünde sich damit um die deutsche Schriftsprache bei der großen Verbreitung, deren sich die treffliche Sammlung erfreut, verdient machen
Verkehrswesen.
Wie erst jetzt hier bekannt geworden ist, ist bei dem Schiffbruch den der Hamburger Dampfer „Alleghany“ am 3. Februar auf der Fahrt von New York (Abgang am 1. Februar) nach Port⸗au⸗Prince erlitten hat, auch die ganze Post verloren gegangen. Nach Maßgabe der in Betracht kommenden Postdampferanschlüsse aus Europa können sich auf dem verunglückten Dampfer Briefsendungen 8 Haiti befunden haben, die in Deutschland nach dem Postschlusse ür den französischen Dampfer ab Bordeaux am 18. Januar nach Port⸗au⸗Prince bis zum Postschluß für den deutschen Dampfer „Prin Friedrich Wilhelm“ — ab Bremen am 20. Januar, ab Southampton Eund Cherbourg am 21. Januar nach New York — eingeliefer worden sind.
Anfang April erscheint eine neue Nummer des „Postblatts“ das eine Beilage zum „Reichsanzeiger“ bildet, aber auch für si bezogen werden kann. Im „Postblatt“, das im Reichspostamt zusammen
estellt wird, sind die wichtigsten Versendungsbedingungen und Tarife fü Postsendungen aller Art sowie für Telegramme enthalten. Auf die sei dem Erscheinen der vorangegangenen Nummer (Anfang Januar) ein getretenen Aenderungen wird in der neuen Nummer durch besonderen Druck (Schrägschrift) hingewiesen. Das „Postblatt“ kann auch nebe anderen, umfangreicheren Hersentdeln für den Verkehr mit der Pos⸗ und Telegraphie (Postbücher, Post⸗ und Telegraphennachrichten fü das Publikum usw.) mit Vorteil benutzt werden, weil es diese bis au die neueste Zeit ergänzt. Der Bezugspreis des „Postblatts“ beträgt f das ganze Jahr 40 ₰, für die einzelne Nummer 10 ₰. Bestellungen werden von den Postanstalten entgegengenommen. 8
Theater und Musik.
gsFEkFnigliche o Ernst von Possart spielte gestern den Rabbiner Sichel in Erckmann⸗Chatrians „Freund Fritz“. Die Königliche Bühne hat dies dichterisch nicht schwerwiegende, harmlose und idyllische Stück neu einstudiert, um dem Ehrengast Gelegenheit zu geben, diese Rolle, die zu seinen Lieblingsrollen gehört, verkörpern zu können. Possart charakterisierte den Rabbiner mit viel zarteren Strichen, als es Herr Pohl bei der Erstaufführung getan hatte. Sein Rabb zeichnet sich weniger urwüchsigen Humor und schelmische “ als durch eine überlegene Sittlichkeit aus, der er in ort und Tat nicht ohne Ironie Wirkung zu verschaffen weiß. Sicher läßt sich aus solchen Gesichtspunkten eine lebensvolle Figur schaffen, deren Wirkung wächst, je mehr ihr Charakter sich über die anderen mithandelnden Personen erhebt. Herrn Pohls Auffassung der Rolle hat aber doch wohl den Vorzug, daß sie in ihrer frischeren Ur⸗ wüchsigkeit sich besser in den Gesamtcharakter des Stückes einfügt, auch den Einfluß des Rabbiners auf seine banausischen Freunde wahrscheinlicher macht. Jedenfalls war Herrn von Possarts Darstellung feinsinnig durchdacht und sicher gezeichnet, sodaß die Zuhörer ihr mit Anteil⸗ nahme folgten und mit ihrem Beifall nicht kargten. Das Zusammen⸗ spiel ließ nichts zu wünschen übrig; in den anderen Rollen boten wieder namentlich Herr Clewing als Freund Fritz und Fräulei Thimig als Susel Treffliches.
Komische Oper.
„Die Hexe“, eine Operette in drei Akten von Richard Jäger fand gestern abend in der Komischen Oper eine freundliche, wenn auch dicst immer ungeteilt beifällige Aufnahme. Richard Jäger zeigte sich an diesem Abend von erstaunlicher ““ er hatte nicht nur den Text und die Musik verfaßt, er hatte seine Arbeit auch in Szene gesetzt und war außerdem noch als Dirigent Bedeutsames wurde freilich auf keinem Gebiete geleistet; ging aber alles gefällig und harmlos unterhaltend vonstatten Der Text schon bot keine Ueberraschung. Die Handlung spielte zwa nicht in dem heute so beliebten Ungarn, aber doch in Siebenbürgen und das gab Veranlassung, bunte Volkstrachten zu malerischer Bühnen wirkung zu vereinigen; es war auch kein Zigeunerbaron, der durch di Liebe eines Mädchens von dunkler Herkunft das Schloß seiner Ahne und ungezählte Reichtümer zurückgewinnt, aber doch wenigstens ei armer Graf und Husarenleutnant, und neben dem edlen, gefühlvohle Liebetpaar fand sich als Gegenstück das bekannte bäurisch lustig
ärchen; dazu gesellten sich als komische Personen die verschiedene
äter: der alte Graf, der für seinen Sohn eine reiche Braut sucht und der reiche Goldhofbauer, der seine Steffi durchaus zur Gräfi machen will. Die Handlung rollt sich nach dem bekannten Operetten muster ab. Die Personen werden erst tüchtig durcheinander geschüttelt bis zum Schluß sich die 3 Liebespaare zusammenfinden. Ferner sind in den Text verschiedene, zuweilen recht grobkörnige Kupletstrophen verstreut und eine reichliche Zahl mehr oder minder guter Witze. Dasselbe alltägliche Gepräge wie die Handlung träg
tätig.
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