1912 / 78 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 28 Mar 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Sie Immatrikulation für das bevorstehende Studienhalbjahr findet vom 16. April an bis zum 6. Mai d. J. einschl. statt. Später können nach den estehenden Vorschriften nur diejenigen Studierenden noch immatrikuliert werden, welche die Verzögerung ihrer Anmeldung mit gültigen Verhinderungsgründen zu entschuldigen vermögen. Behufs der Immatrikulation haben: 1) diejenigen Studierenden, welche die Universitätsstudien beginnen, insofern sie Inländer sind, ein vorschriftsmäßiges Schulzeugnis und, falls sie Ausländer sind, einen Paß oder sonstige ausreichende Legitimationspapiere sowie einen Ausweis über die erforderliche Schulbildung, 2) diejenigen, welche von anderen BeegeSee kommen, außer den vorstehend bezeichneten 8 noch ein vollständiges Abgangszeugnis von jeder früher be⸗ uchten 8 vorzulegen. Diejenigen Inländer, welche keine Reifeprüfung bestanden, beim Besuche der Universität auch nur die Absicht haben, sich eine allgemeine Bildung für die höheren Lebens⸗ kreise oder eine besondere Bildung für ein gewisses Berufsfach zu geben, ohne daß sie sich für den eigentlichen gelehrten Staats⸗ oder Kirchendienst bestimmen, können auf Grund des § 3 der Vorschriften vom 1. Oktober 1879 immatrikuliert werden, Inländerinnen edoch nur nach vorheriger Genehmigung des Herrn Ministers. Ebenso b is. Ausländerinnen in jedem Falle zur Immatrikulation ministerieller Genehmigung. Inländerinnen mit dem Lehrerinnen⸗ zeugnis für mittlere und vöhere Mädchenschulen, die das Universitäts⸗ studium mit dem Ziele der Prüfung für das höhere Lehramt (pro facultate docendi) beginnen wollen, haben zum Zwecke ihrer Im⸗ matrikulation eine von dem Direktor der wissenschaftlichen Prüfungs⸗ kommission ausgestellte Bescheinigung darüber vorzulegen, daß hin⸗ sichtlich ihrer Schulbildung und ihrer praktischen Lehrtätigkeit die Voraussetzungen für die Zulassung zur erwähnten Prüfung gemäß der Ministerialverfügung vom 3. April 1909 zutreffen.

Bonn, den 25. März 1912.

Die Immatrikulationskommission. Küstner.

Preußen. Berlin, 28. März.

Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen, die vereinigten Aus⸗ schüsse für Handel und Verkehr, für das Seewesen und für Rechnungswesen, die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen sowie der Ausschuß für Handel und Verkehr Sitzungen.

Im Monat Februar 1912 haben 1837 Schiffe (gegen 2611 Schiffe im Februar 1911) mit einem Nettoraumgehalt von 315 725 Registertons (1911: 457 921 Registertons) den Kaiser Wilhelm⸗Kanal benutzt und, nach Abzug des auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden Elblotsgeldes, an Gebühren 146 373 (1911: 227 033 ℳ) entrichtet.

Der Kaiserlich russische Botschafter Graf von der Osten⸗ Sacken hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt der Botschaftsrat von Schebeko die Geschäfte der Bot⸗

a Der Königlich dänische Gesandte von Hegermann⸗ Lindencrone hat Berlin verlassen. Während seiner Ab⸗ wesenheit führt der Legationssekretär Kruse die Geschäfte der Gesandtschaft. 11“

adler“ vorgestern in Lourencço⸗Marques angekommen.

Schwarzburg⸗Sondershausen.

In der gestrigen Sitzung des Landtags ist, wie „W. T. B.“ meldet, der Regierungsentwurf, betreffend Ab⸗ änderung y mit allen gegen eine Stimme angenommen worden. Der Entwurf bringt für die Land⸗ tagswahlen anstatt der bisherigen v. Wahl die geheime Wahl durch Stimmzettel. Die Wahlmänner zu den sechs allgemeinen Wahlen und ebenso auch die Abgeordneten werden künftig durch Stimmzettel gewählt. Sechs Abgeordnete werden nach wie vor von dem regierenden Frse⸗ ernannt und sechs von den Höchstbesteuerten gewählt. as Wahlalter ist vom 21. auf das 25. Lebensjahr erhöht worden. 8

Hamburg.

Die Bürgerschaft hat laut Meldung des „W. T. B.“ einstimmig die vom Senat dringend beantragten 5 Millionen zu Hafenbauten im alten Hafen um dem Be⸗ 8 nach Schiffsliegeplätzen entgegenzukommen, bis die roßen neuen Anlegeplätze in Waltershof vollendet sind, wa

8 .

in fünf Jahren der Fall sein dürfte.

3 SDestterreich⸗Ungarn. 1

Das österreichische Abgeordnetenhaus verhandelte in der gestrigen Sitzung über die Anträge, betreffend die

Lohnzahlungen im Bergbau. Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Abg. Ben⸗ kovic, im gegenwärtigen Moment, wo eine Lohnbewegung durch die ganze Bergarbeiterschaft Oesterreichs gehe, müsse verlangt werden, daß alle maßgebenden Faktoren, namentlich die Regierung, den Berg⸗ arbeitern möglichst weit entgegenkämen, um zu verhindern, daß 88 esamte Volkswirtschaft schweren Schaden leide. Der Redner unter⸗ stte das Minderheitsvotum des Abg. Cingr über eine acht⸗ tägige Lohnzahlung und trat für die unentgeltliche Lieferung der Sprengmittel an die Arbeiterschaft ein. Der 186 Reger (F he egsent trat für die gesetzliche estlegung von Mindestlöhnen ür die Bergarbeiter ein. Der Abg. Pik (tschech. Sozialdemokrat) beantragte eine Resolution, in der die Regierung aufgefordert wird, spätestens bis Ende 1912 eine Gesetzesvorlage über die Mindestlöhne im Bergbau zu unterbreiten und eine Enquete über die Mindestlohn⸗ frage zu veranstalten. Er forderte die Regierung auf, für die Forde⸗ rungen der Bergarbeiter einzutreten, indem er darauf hinwies, daß es sich Böhmen um eine große Bewegung von 177 000 Bergarbeitern Lhandle. Der deutsche Sozialdemokrat S 8 r eein

82*

zur Kammer sind 150 Anhänger von Venizelos und 31 Mit⸗

vor der Gefahr eines allgemeinen Bergarbeiterstreiks, dessen Folgen für die wirtschaftliche Lage Oesterreichs unuͤbersehbar wären. Der General⸗ redner Abg. Fresl trat für die Ueberweisung der Streikfälle an die ordentlichen Gerichte ein, da die Bergarbeiter zu den Bergämtern kein Vertrauen mehr hätten.

Die Anträge des Ausschusses, in denen eine vierzehntägige Lohnzahlung beim Bergbau vorgeschrieben wird, wurden darauf angenommen. Alle Minderheitsanträge, die eine achttägige Lohnzahlung fordern, wurden abgelehnt. Desgleichen wurde die Resolution des Abg. Pik abgelehnt, dagegen sein Antrag auf Veranstaltung einer Enquete zum Studium der Frage des Mindestlohns angenommen. Ebenso wurde ein Antrag, in dem die Regierung aufgefordert wird, zur Beilegung des Streiks in Böhmen vermittelnd einzugreifen, angenommen.

Großbritannien und Irland.

Das Oberhaus hat laut Meldung des „W. T. B.“ gestern die Mindestlohnbill in zweiter Lesung angenommen. Die weiteren Verhandlungen wurden auf heute vertagt, um die Regierung instand zu setzen, den Wortlaut eines technischen Zusatzantrages in Erwägung zu ziehen, den die Regierung in die Bill einzufügen beabsichtigt.

Im Unterhause fragte 85 Claude Lowther, ob nicht die Regierung im Hinblick auf das Elend, das infolge des andauernden Streiks im ganzen Lande herrsche, dahin wirken wolle, daß die Kohlengruben geöffnet würden, und ob den Arbeitswilligen ein angemessener Schutz gewährt würde. Der Staatssekretär des Innern MeKenna erwiderte hierauf, obiger Quelle zufolge:

Wenn Lowther meint, daß die Regierung die Grubenbesitzer zwingen solle, den Bergleuten zu gestatten, in ihren Gruben zu arbeiten, und die Bergleute zwingen solle, zu arbeiten, so ist diese Frage mit „Nein“ zu beantworten. Für den Fall aber, daß die

rubenbesitzer bereit sind, ihre Kohlengruben zu öffnen, und die Berg⸗ leute bereit sind, zu arbeiten, ist von den lokalen Behörden für an⸗ Fe Schutz gesorgt, der gegebenenfalls mit Unterstützung der egierung gewährt werden wird.

Italien.

Der Senat hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, den Gesetzentwurf, betreffend die Verstaatlichung des Ver⸗ sicherungswesens, angenommen.

In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer erklärte der Justizminister Finocchiaro⸗Aprile, obiger Quelle zufolge, daß das jüngst erlassene Motuproprio des Papstes, das Laien zu verbieten suche, Angehörige des Priester⸗ standes vor die ordentlichen Gerichtshöfe zu zitieren, für Italien nicht die geringste Geltung haben könnte, da Italien als die Grundlage seines Rechts die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz betrachte.

Türkei.

Irnfolge der Wahlagitation haben in einigen Ortschaften in der Umgebung Salonikis blutige Unruhen stattgefunden. Einzelheiten fehlen noch.

V Griechenland. Die „Hoßengollern. mit dem Deutschen Kaiser, dem Prinzen und der Prinzessin August Wilhelm und der Prinzessin Victoria Luise an Bord und der Kreuzer „Kolberg“ sind wie „W. T. B.“ meldet, gestern gegen 6 Uhr nach herrlicher Fahrt vor Korfu eingetroffen und unter dem Salut der Fors im Hafen vor Anker gegangen.

Nach dem endgültigen Ergebnis der Wahlen

glieder der Opposition gewählt.

Rumänien. Die Deputiertenkammer hat, wie „W. T. B.“ meldet, in der gestrigen Sitzung einen Gesetzentwurf, betr. Anlage einer Petroleumleitung von Baicoi nach Constanza, angenommen.

Bulgarien.

Die Abgeordnetenkam mer hat in der vesss gen Sitzung laut Meldung des „W. T. B.“ den Handelsvertrag zwischen Bulga ien und Oesterreich⸗Ungarn an⸗

genommen. Amerika.

Nach einem vom „W. T. B.“ verbreiteten Telegramm aus Jiminez in Merxiko haben die Rebellen dort einen glänzenden Sieg errungen.

8 Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags, der Bericht über die gestrige Sitzung des Herren⸗ hauses und der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (37.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke und der Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn beiwohnten, wurden zunächst eine Anzahl Petitionen für ungeeignet zur Erörterung im Plenum erklärt und darauf in dritter Beratung die Vorlage wegen Verlängerung des Handelsvertrages mit Bulgarien und der Notetat⸗Gesetzentwurf ohne Debatte nach den Beschlüssen zweiter Lesung endgültig ge⸗ nehmigt.

Sodann wurde die Spezialberatung des Etats der Reichspost⸗ und Tleg.ct h fortgesetzt.

Es erfolgte zunächst die Abstimmung über die zum ersten Titel des Ordinariums der Ausgaben ‚Staatssekretär 44 000 ℳ“ gestellten Resolutionen. Die Resolution der Nationalliberalen und der fortschrittlichen Volkspartei, worin die 1 ½ fache Anrechnung des an Sonn⸗ und Feiertaghn sowie im übrigen nach 8 Uhr Abends abzuleistenden

ostbetriebsdienstes erneut gefordert wird, wurde gegen die Stimmen der Rechten und eines Teils des Zentrums angenommen. Die Resolution derselben Antragsteller wegen Erweiterung des Erholungsurlaubs der Postunterbeamten und die Resolution Dr. Will⸗Schlettstadt (Els.)⸗Hubrich (fortschr. Volksp.) wegen Gleichstellung der reichsländischen Post⸗ und Telegraphenbeamten mit den Beamten der Betriebsverwaltung der Reichseisenbahnen in bezug auf die Gewährung nicht⸗ pensionsfähiger Zuschüsse wurden fast einstimmig angenommen. Bei dem Titel „Oberpostpraktikanten und Bureaubeamte beim Reichspostamt“ trat der Abg. Werner⸗Hersfeld

besprach den Kohlenarbeiterstreik in Böhmen, der durchaus Sympathiestreik für die englischen Bergarbeiter sei.

Reformp.) für die Besserstellung der Bureaubeamten zweiter lasse b der Generalpostkasse ein

Bei findungen auf dem Gebiete des Post⸗ und Telegraphenwesen (8000 ℳ)“ führte der 8

Abg. Tr. Struve (fortschr. Volksp.) aus: Der Staatssekreta hat von den 8000 im vergangenen Jahre nur 3180 2-S Gewiß ist es anzuerkennen, wenn der Staatssekretär Ersparnisse 1.. aber wenn er diese kleine Summe ganz aufgebraucht hätte, so würde ihm aus diesem Hause sicherlich von keiner Seite ein Vorwurf dar⸗ über gemacht worden sein. Die nützlichste Erfindung, die auf dem Gebiete des Post⸗ und Telegraphenwesens überhaupt gemacht werden könnte, wäre die, wie der Staatssekretär bewogen werden könnte, auch nur einen Beschluß dieses hohen Hauses auszuführen.

Beim ersten Titel der Ausgaben für verwaltung“ führte der

Abg. Kuhnert (Soz.) aus: Bei den Stadtverordnetenwahlen in Halle im Jahre 1911 ist gegen die Sozialdemokratie ein ganz unerhörter Terrorismus geübt worden. Nach den Wahlen fand sich ein denunzia⸗ torischer Klüngel zusammen, der auf die Aufstellung einer Statistik hin⸗ wirkte, aus der hervorgehen ollte, wie die Reichsbeamten und insbesondere die Postbeamten gestimmt haben. Diesem Vorgehen des denunziatori⸗ schen Klüngels hat die Oberpostdirektion geradezu Vorschub geleistet. Das Verhalten der Oberpostdirektion Halle ist als eine unver⸗ schämte Reaktion zu bezeichnen. Eine solche Einschüchterung von Beamten, also von wirtschaftlich abhängigen Männern ist zweifellos eine Verletzung der staatsbürgerlichen Rechte, die die Leute haben. Ob und wie die Beamten gestimmt haben, geht die Behörde garnichts an. Wenn die wirtschaftliche Uebermacht dazu henutzt wird, einen Mann zu verhindern, wirklich seine Meinung zu sagen und zu wählen, wen er will, dann wird an dem Betreffenden geradezu ein Verbrechen hepangen, und wenn sich solche Dinge wiederholen, so handelt es sich um ein gewohnheitsmäßiges Verbrechertum. Der Hallesche Fall steht nicht vereinzelt da; im Jahre 1907 sind bei den Kommunal⸗ wahlen in Oberschlesien diejenigen, die nicht im Sinne der Regierung gewählt hatten, strafversetzt worden, und die weitere Debatte wird den Beweis erbringen, daß solche Fälle auch in Elsaß⸗Lothringen vorgekommen sind. Der Wahlaufruf des Ministerialdirektors Just an die Beamten ist nicht von dem Ministerialdirektor, sondern von dem Ministerpräsidenten, dem Reichskanzler, verfaßt worden. Dr. Paas che: Der Reichskanzler gehört nicht in den

eitel „Ich wollte nur nachweisen, daß durch diesen Aufruf durch den Reichskanzler ein unerhörter Druck auf die Beamten und auch auf die Postbeamten ausgeübt worden ist. Wir sind verpflichtet, alles zu tun, was in unseren Kräften steht, die Un⸗ abhängigkeit der Beamten hochzuhalten und diejenigen Akte der Be⸗ heb die vorgekommen sind, auf das allerenergischeste zu miß⸗ billigen.

1 Unterstaatssekretär im Reichspostamt Granzow: Auf die allge⸗ meinen Angriffe des Vorredners lasse ich mich nicht ein. Er hat nur allgemeine Bemerkungen gemacht. Es ist richtig, daß im Halleschen Buüͤrgerverein in einem Vortrage und einer gedruckten Statistik be⸗ hauptet worden war, daß mehrere Staatsbeamte und darunter auch solche der Postverwaltung bei den Stadtverordnetenwahlen sozial⸗ demokratisch gewählt hätten. Die Behörde wollte nur untersuchen, ob dies wahr sei, um den Vorwurf entkräften zu können. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Das geht Sie gar nichts an! Der Abg. Ledebour ruft: Das ist eine Unverschämtheit! Der Vizepräsident Pa asche ruft den Redner deshalb zur Ordnung.) Wir haben nur im Interesse der Beamten gehandelt. So sieht die unverschämte Reaktion aus, von der der Abg. Kunert gesprochen hat.

Abg. Graf Praschma (Zentr.): Wir bitten um etwas mehr Entgegenkommen bei der Verbesserung im Post⸗ und Telegraphendienst, besonders was die oberschlesischen Postdirektionen betrifft. So läßt besonders die Verbindung mit Breslau und seinen Vorstädten viel zu wünschen übrig. Auch ist es wünschenswert, daß der Telegramm⸗ nachtdienst ausgedehnt wird. Ganz besonders was die Brieftele⸗ gramme betrifft.

(Schluß des Blattes.)

die „Betriebs⸗

Das Herrenhaus erteilte in der heutigen (7.) Sitzung, welcher der Justizminister Dr. Beseler beiwohnte, in ein⸗ maliger Schlußberatung die verfassungsmäßige Zustimmung zu der von dem Königlichen taatsministerium unter dem 2. August 1911 erlassenen, unter dem 28. September 1911 wieder G Verordnung zur Bekämpfung der Masernepidemie im Kurort Trebnitz, Kreis Trebnitz, nahm den zunächst dem Herrenhause vorgelegten Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung eines Amtsgerichtes in Schönsee und die Aenderung der Amtsgerichtsbezirke Briesen, Gollub und Thorn, sowie den Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung eines Amts⸗ gerichts in Gladbeck, unverändert an und ging dann zur einmaligen Schlußberatung über den Gesetzentwurf, beo⸗ neffen die Umlegung von Grundstücken in der Residenzstadt Wiesbaden, über.

Berichterstatter Herr Dr. Johansen beantragt, dem Gesetz⸗ entwurf unverändert die eeencah ge Zustimmung zu erteilen. Er weist darauf hin, daß die sogenannte lex Adickes nunmehr ihren Siegeszug auch auf Wiesbaden ausdehne, und darauf, daß die Wies⸗ badener Wohnungsverbältnisse die Einführung dieses Gesetzes, das von der Stadtvertretung Wiesbadens gewünscht werde, notwendig machten. Zu erwägen sei, ob die lex Adickes nicht überhaupt generell überall dort einzuführen sei, wo die örtlichen Verhältnisse dies erheischen.

Der Gesetzentwurf wird ohne Debatte unverändert an⸗ genommen.

Ueber den vom Abgeordnetenhause unverändert ange⸗ nommenen Gesetzentwurf, Erweiterung des Stadtkreises Lichtenberg, nach dem die Landgemeinde Boxhagen⸗Rummelsburg am 1. April 1912 der Stadtgemeinde und dem Stadtkreise Lichtenberg einverleibt werden soll, be⸗ richtet Herr Dr. von Schönstedt. Er beantragt, dem Gesetzentwurf unverändert die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Das Haus beschließt dementsprechend ohne Debatte.

Der Bericht über die Ergebnisse des Betriebes der vereinigten preußischen und hessischen Staats⸗ eisenbahnen im Rechnungsjahr 1910 wird nach einem von dem Berichterstatter der Eisenbahnkommission, Herrn Dr. von Burgsdorff, gestellten Antrage durch Kenntnisnahme erledigt. Denselben Beschluß faßt das Haus über die über⸗ sichtliche Darstellung des Ergebnisses der Verhandlungen des Landeseisenbahnrats von 1911 und der darauf getroffenen Ent⸗ 1. über den Baubericht der Eisenbahnverwaltung für en Zeitraum vom 1. Oktober 1910 bis dahin 1911 und den Rechenschaftsbericht über die Verwendung der extraordinären Dispositionsfonds dieser Verwaltung für das Etatsjahr 1910.

Dann folgen Petitionsberichte.

Her von Becker berichtet namens der Finanzkommission über eine Petition des Kanzleisekretärs L. Bensch zu Hannover, namens des Verbandes Königlicher Kanzleibeamten der preußischen Monarchie, um Gleichstellung der Kanzleibeamten der Land⸗ und Amtsgerichte mit den Kanzleibeamten der Oberlandesgerichte im Endgehalt. Er be⸗ antragt Uebergang zur Tagesordnung. 1 5

Das Haus beschließt demgemäß. 1

(Schluß des Blattes.) 3

den Ausgaben für „Prämiierung nützlicher Er⸗

vicklung

worden ist,

HOrtspolizeibehörde jetzt weit mehr als

1 hectif ist,

Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesetzes über die Polizeiverwaltung im Re⸗ gierun sbezirk Oppeln nebst Begründung zugegangen. Nach 12 88 Gesetzentwurf sollen die Vorschriften des Gesetzes über die Polizeiverwaltung in den Regierungsbezirken Düssel⸗ dorf, Arnsberg und Münster vom. 19. Juli 1911 auf die

olizeiverwaltung im Regierungsbezirk Sppeln mit der Maß⸗ gabe Anwendung finden, daß die örtliche Polizeiverwaltung au hinschtich der Gesundheitspolizei, einschließlich der Veterinär⸗ polizei, besonderen staatlichen Behörden oder Beamten übertragen forhen kann. In der dem Gesetzentwurf beigegebenen Be⸗ gründung wird u. a. ausgeführt:

Zur Vorlegung des Gese entwurfs nötigt die eigenartige Ent⸗ der polizeilichen Verhältnisse des Amtsbezirks Zabrze im andkreis gleichen Namens. Der Amtsbezirk, der am 1. April 1905 durch Vereinigung der Amtsbezirke Zabrze und Zaborze gebildet umfaßt auf einem Gebiete von 24,14 qkm die Land⸗ emeinden Zabrze mit 63 373 Einwohnern und Zaborze mit 27 065 Finwohnern. Die Bildung des einheitlichen Amtsbezirks, die mit großen Schwierigkeiten verknüpft war, galt von vornherein unter den Beteiligten als Provisorium. Inzwischen haben sich infolge der fortschreitenden Entwicklung der Industrie die dem Zustande anhaftenden Mängel von Jahr zu Jahr ge⸗ steigert und zu lebhaften Klagen namentlich der Gemeinde Zaborze über ihre unverhältnismäßig hohe Belastung mit Volizeikosten Anlaß gegeben, deren Berechtigung anerkannt werden muß. Die Aufbringung der Verwaltungskosten des Amtsbezirks er⸗ folgt nach § 70 Abs. 5 der Kreisordnung für die sechs östlichen Pro⸗ vinzen vom 13. Dezember 1872 nach dem Maßstabe der Kreisabgaben. ür dessen Feststellung blieb im Jahre 1905 das Einkommen des Fütn aus dem Betriebe seiner in der Gemeinde aborze belegenen Steinkohlengrube „Königin Luise“, das nach § 14 Abs. 4 a. a. O. zu den Kreisabgaben nicht heranzuziehen war, außer Betracht. Nach § 7 des Kreis⸗ und Provinzialabgabengesetzes vom 23. April 1906 dient jedoch als Maßstab für die Potteilung der Kreis⸗ steuern das Soll der Einkommensteuer, wie es in den Ge⸗ meinden nach den Vorschriften des Kommunalab abengesetzes der Ge⸗ meindebesteuerung zugrunde zu legen ist, sodaß seit dem Inkraft⸗ treten des Kreis⸗ und Provinzialabgabengesetzes bei der Verteilung der Verwaltungskosten des Amtsbezirks Zabrze auch die sehr beträchtliche fiskalische Eiokommensteuer berücksichtigt werden muß. Die dadurch verursachte, erhebliche Verschiebung in der Belastung wird von der Gemeinde Zaborze um so stärker empfunden, als die Tätigkeit der

früher von der Gemeinde abrze, die sich kräftiger entwickelt, in Anspruch genommen wird. 5 eine Einigung der beiden Gemeinden über die Aenderung des Verteilungsmaßstabes nicht zu erzielen ist, könnte dem jetzigen Zu⸗ stande nur dadurch abgeholfen werden, daß unter Aufhebung des einheitlichen Amtsbezirks aus jeder der beiden Gemeinden wieder ein eigener Amtsbezirk gebildet würde. Indessen würde dies, besonders soweit das Gebiet der Sicherheitspolizet in Betracht kommt, zu den größten Unzuträglichkeiten führen. Dieser zweig der polizeilichen Tätigkeit muß in einer Hand -ee bleiben, wenn nicht eine gerade in jenem Landesteile höchst beden liche Zer⸗ splitterung der Polizeigewalt entstehen soll. Die Entwicklung der Industrie hat hier zu ähnlichen Verhältnissen wie im rheinisch⸗west⸗ sälischen Industriebezirk geführt. Infolge der vielseitigen Arbeits⸗ gelegenheit, die durch die Konzentrierung großer industrieller Werke hat sich eine dicht gedrängte, lebhaft fluktuierende Arbeiter⸗ evölkerung angesammelt, die, zumal im Hinblick auf die Nähe der eine Verstärkung des polizetlichen Schutzes er⸗ Die Kräfte der zu dem Amtsbezirk gehörenden Ausbau der Polizeiorganisation nicht Vorgang im rheinisch⸗westfälischen Industriebezirk, auch in diesem Amtsbezirk die Schaffung einer staat⸗ sichen Polizeiverwaltung erforderlich. Hierzu ist der Erlaß eines Gesetzes nötig, weil die Schaffung der neuen Einrichtung eine ander⸗ weitige Re ; der gesetzlich geordneten Zustäodigren der Behörden erfordert. Auch muß nach der tatsächlichen Entwicklung der Ver⸗ hältnisse mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß künftig die Er⸗ weiterung des zu schaffenden Polizeibezirks auf einzelne benachbarte Hemeinden notwendig wird. Die in § 2 des Gesetzes über die olizeiverwaltung vom 11. März 1850 dem Minister des Innern in eschränktem Umfange erteilte Ermächtigung zur Einrichtung staat⸗ licher Politeivermaltuggen reicht daher im 8” Falle nicht aus. Der räumliche Geltungsbereich des Gesetzes ist zur Vermeidung weiterer Gesetzesvorlagen, die durch die Entwicklung des Industrie⸗ bezirks nach der erwähnten Richtung künftig etwa notwendig werden Sh auf den Umfang des die oberschlesische Großindustrie in sich schließenden Regierungsbezirks ausgedehnt worden.

Auslandsgrenze, forderlich macht. Gemeinden reichen für den aus. Daher ist, nach dem

Deutschlands Ernte im Jahre 1911. Nach der Statistik des Deutschen Reichs wurden im Jahre

dagegen im Durchschnitt der Jahre 1901/1910 vom Hektar Tonnen

2,08

1,91

1,43

1,78

1,16

1,99

1,78

10,35

10,22

3,52

im ganzen vom Hektar

3 640 229 426 106 402 729

10 727 071 139 045

3 159 915 7 704 101 34 374 225 33 934 174

7 070 465

1 091 821 4,50

19 975 324 3,37

8 beträgt die Mehrernte an Brot⸗ getreide 574 610 t oder + 3,9 v. H. Sommergerste und Hafer ergaben zusammengefaßt einen Mehrertrag von 60 702 t oder

66 v. H., Klee⸗, Luzerne⸗ und Wiesenheu einen Minderertrag von 13 714 381, t oder 32,8 v. H. Die Minderernte an gesunden Kartoffeln betrug 6 049 478 t oder 15,1 v. H.

Für das Erntejahr vom 1. Juli 1910 bis zum 30. Juni 1911 standen unter Berücksichtigung der Aussaat sowie der Ein⸗ und Aus⸗ fuhr für menschliche und tierische Ernährung und für gewerbliche

wecke zur Verfügung auf den Kopf der Bevölkerung an

Roggen 139 3, an Weizen 82,5, an Spelz 5,1, an Gerste 95,9, an Hafer 115,5 und an Kartoffeln 565,8 kg. .“

8d Zur Arbeiterbewegung. ie Gärtnereigehilfen Berlins, soweit sie in der Land⸗ schaftsgärtnerei Eschäftigt sind, beschlossen, der „Voss. Ztg.“ zu⸗ olge, gestern abend einstimmig, in allen Betrieben die Arbeit nieder⸗ zulegen, die ihre Forderungen: Lohnerhöhung und Verkürzung der

rbeitszeit von 10 auf 9 Stunden, bisher nicht bewilligt haben. 1 gl. Landeszeitung“,

Zur Bergarbeiterbewegung in bernkirchen

8 75 d. Bl.) erfährt die „Schaumburg⸗Lippische Lan

die Streikleitung den Auöstand für beendet erklärt

Pmäß den ausständigen Bergarbeitern empfohlen hat, sich beim ergamt wieder zur Arbeit zu melden. Bereits vor Ausgabe dieser

Parole hatten sich zahl 1 instell reiche Bergleute zwecks Wiedereinstellung an as Bergamt 888 8 g

an Winterweizen Sommerweizen Winterspelz.. Winterroggen. Sommerroggen Sommergerste. Hasfer Kartoffeln

davon gesunde „Kleeheu . 8 b““ Wiesenheu

Dem Vorjahre gegenüber

In Frankfurt a. M. begannen, wie „W. T. B“ berichtet, Pfters früh unter der Leitung des unparteiischen Vorsitzenden, Magistratssyndikus Dr. Hiller die Verhandlungen zwischen dem Verband der Arbeitgeber und dem Verband der Arbeitnehmer für das Schneidergewerbe (vgl. Nr. 75 d. Bl.). Trotz der Versuche Dr. Hillers, eine Einigung herbeizuführen, wurde über keinen strittigen Punkt eine Einigung erzielt. Abends um 7 Uhr wurden die Ver⸗ handlungen auf heute früh 9 Uhr vertagt. 11

Die Lohnfrage des Schiffspersonals der oberrheinischen Reedereien ist, wie der „Rh. Westf. Ztg.“ aus Mainz gemeldet wird, auf friedlichem Wege geregelt worden, so daß ein Ausstand nunmehr nicht zu erwarten ist (vgl. Nr. 74 d. Bl.).

Aus Prag wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Im Braun⸗ kohlenrevier ist die Lage seit gestern nahezu unverändert. Die Zahl der Ausständigen hat nur wenig zugenommen. Unter der Arbeiterschaft aber macht sich eine schärfere Bewegung bemerkbar, die namentlich darauf abzielt, im Falkenau⸗Elbogener Revier den Aus⸗ stand zu einem allgemeinen zu machen (vgl. Nr. 77 d. Bl.).

Zum Ausstand der englischen Bergarbeiter (vgl. Nr. 77 d. Bl.) wird dem „W. T. B.“ aus London berichtet: Der Berg⸗ arbeiterverband beschloß, während der Festsetzung der Mindest⸗ löhne durch die Distriktsämter eine Abstimmung über die Frage der Wiederaufnahme der Arbeit zu veranstalten. Das Er⸗ gebnis der Abstimmung wird am nächsten Mittwoch voöllständig vorliegen. Der Bergarbeiterverband hat beschlossen, die Leute bei der Abstimmung nicht zu beeinflussen. Ein Führer aus dem Derbyshiredistrikt erklärte gestern nachmittag einem Presse⸗ vertreker, daß nach seiner Ueberzeugung, soweit das nordöstliche Derbyshire in Frage komme, die Mehrheit sicher für eine sofortige Wiederaufnahme der Arbeit sei. Fast ebenso sicher scheine ihm, daß das übrige Verbandegebiet ebenfalls überwiegend für die Wiederauf⸗ nahme der Arbeit sei. Der Vertreter von Südwales erklärte dagegen, die Bergleute würden nicht eher zur Arbeit zurückkehren, als bis sie die geforderten Mindestlohnsätze schwarz auf weiß hätten. Der Verband der Srng. faßte gestern eine Ent⸗ schließung, die die Grubenbesitzer au fordert, alle Anstrengungen zu machen, um das Gesa über die Mindestlöhne durchzuführen. Der Vorstand der Gewerkschaft der Bergleute von Warwickshire hat seine Mitglieder aufgefordert, die Arbeit sofort wieder aufzu⸗ nehmen. Die Gewerkschaft zählt 10000. Mitglieder. Nach einer wird erwartet, daß in Lanarkshire in Schott⸗

and und in Nordwales heute gegen 13000 Bergleute die Arbeit

wieder aufnehmen werden. In einigen Streikgebieten kam es gestern zu großen Unruhen. In Cannock⸗Chase in Staffordshire behaupteten die Streikenden, daß mehr Arbeiter in den Gruben beschäftigt seien, als für die Er⸗ haltungsarbeiten notwendig wären. Etwa 7 bis 8000 Streikende aus dem ganzen Bezirk sammelten sich bei der Grube Littleton an. Die Polizei war machtlos. Sie telegraphierte nach Stafford um Unterstützung, mußte aber die Tore zu der Grube öffnen. Der Umkleideraum wurde in Brand gesetzt und der Generaldirektor der Grube durch einen Stockhieb verletzt, ebenso ein Schutzmann, der den Täter verhaften wollte. Die Menge zerstörte das Bureaugebäude und schlug die Fenster ein, bis die Polizei gegen die Streikenden mit ihren Knüppeln vor⸗ Eng. An dem entstehenden Handgemenge beteiligten sich auch Frauen. Erst die Nachricht, daß Militär aus Lichfield abgegangen sei, brachte die Menge zur Ruhe. Bei der Grube Rykinald Cirk in Schott⸗ land, wo die Arbeit wieder aufgenommen ist, kam es zu neuen Un⸗ ruhen. Die Streikenden persuchten, den Güterschuppen und die Eisenbahngleise der Grube zu zerstören, wurden aber von der Polizei zurückgetrieben. Die Grube wurde von Militär besetzt. Eine Versammlung von Eisenbahn⸗ direktoren gestern, den gesamten Güterverkehr mit Ausnahme des Verkehrs leicht verderblicher Güter für die Zeit vom 3. bis zum 9. April aufzuheben. Zwei Regimenter in Aldershot sind bereit, im Fall der Not ins Streikgebiet zu gehen. Eine Abteilung Infanterie ist gestern abend aus Shrewsbury nach Nordwales abmarschiert, um die Bergleute, die die Arbeit wieder aufzunehmen beabsichtigen, zu schützen.

Der Ausstand der Heseh in Gent gewinnt, wie „W. T. B.“ erfährt, an Ausdehnung, da die meisten Arbeiter aus Furcht vor einem Angriff der Streikenden die Arbeit eingestellt haben (pgl. Nr. 76 d. Bl.).

Aus Valladolid wird dem „W. T., B.“ gemeldet: Vier⸗ tausend Angestellte der Eisenbahnen im Norden haben be⸗ Lahegllen die Arbeit einzustellen. Sie verlangen eine Lohn⸗ erhöhung von 25 %.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)

8 Knunst und Wisseuschaft.

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Der Salon Cassirer zeigt noch knapp vor Eröffnung der Sezession Werke einiger Künstler, die wir sonst in den Räumen am Kurfürstendamm zu sehen gewöhnt sind, und den Münchner Weis⸗ gerber. Er ist die Hoffnung des jungen Münchner Malergeschlechts, ihr ‚kommender Mann“. Wohlgemerkt: der jungen, nicht etwa der jüngsten, was sehr genau zu unterscheiden ist. Er hat die gediegene glänzende Schulung der „Scholle“⸗Mitglieder, ihren breiten Pinsel⸗ strich und das, was man etwa im Gegensatz zur norddeutschen, be⸗ sonders berlinerischen Art: die „offene Faktur“ nennen könnte. Und doch würde man vergeblich bei ihm das genaue System eines Putz oder Münzer suchen; was ihm half, die Scholle⸗Rudimente zu überwinden, war Paris, wo er sich den unaufhaltsamen Fluß der Modellierung zu eigen machte, der beim Cézanne⸗Kreis verbindlich ist. Dieses Arbeiten mit dünnen, tintigen Lasuren half ihm, das starre System Münchner Observanz zu beseitigen, vielmehr zu verarbeiten. Dazu gesellte sich das Pathos der Linien Domenico Theotokopulis, des viel⸗ genannten Griechen, das seine Bilder. vollends den dekorativen Grenz⸗ ebieten der „Scholle“ entrückte. Diese Zerlefung Weisgerbers in Einzelelemente soll ihn keineswegs als einen ge chickten Eklektiker dar⸗ zustellen versuchen; es sollte nur angedeutet werden, wie ein starkes Talent spielend die verschiedensten Einflüsse in sich auf⸗ zunehmen imstande ist, ohne etwas von seiner Eigenart E Werke, wie die noch in Paris entstandene „Gesellscheft im Walde“ sind so lebendig gesehen, mit einer so selbstverständlichen Sinnlichkeit für Farbe gegeben, daß man sie nur mit Widerstreben zergliedert. Das egenstück dazu, der „Sebastian im Walde“, zeigt in der delikaten Behandlung des schummerigen, mysteriösen Waldinneren, wie weit wir von ähnlichen Darstellungen etwa Böcklins entfernt sind, um wie viel Grade unsere öö für Farbe und den Linienzug sich gesteigert hat. Einige Bildnisse, wie namentlich das „Herrenbildnis“, beweisen, daß Weisgerber auch dem Gegenständlichen gerecht zu werden versteht; wenn auch keines von ihnen die Höhe des im Vorjahr auf der Münchner Sezession ausgestellten Bildnisses des Kunsthändlers Brakl erreicht. Alles in allem: eine der erfreulichsten Erscheinungen der Münchner Künstlerschar. Waldemar Röslers Aufstieg hat etwas Hinreißendes; kaum ist er mit seinen Landschaften in Berlin aufgetreten und schon beeilt sich die Sezession, ihn in den Vorstand zu wählen, und wenn man von guten Aussichten des Vereins spricht, wird meist sein Name genannt. Tatsächlich ist in diesen einfachen, puritanisch anspruchslosen Motiven ein neues Sehen enthalten, ein gewaltiges Ringen mit dem Licht. Daß Rösler mit Vorliebe sich direkt vor die Lichtquelle hinstellt und aus den tiefen Schatten, die auf ihn nun zulaufen, sonore Farben⸗ klänge herausholt, das zeugt für den mächtigen Anlauf, den er der Natur gegenüber nimmt, häuft aber auch die Schwierigkeiten in unge⸗ wohnter Weise. Wenn er dann des Motivs Herr wird, wie etwa am „Bahnübergang“ oder in der „Schlucht“, erregt er Bewunderung für seine Kraftleistung z er haut aber auch daneben, wie etwa in der „Winterlandschaft’. Für Ulrich Hübners Land⸗ schaften, die die Wand gegenüber einnehmen, ist die Nachbarschaft Röslers sehr gefährlich; so feine Beobachtungen in ihnen auch stecken

mögen, ihre Zahmheit wirkt neben dem Sturzbach Rösler geradezu

ermüdend. impressionisten in Berlin, allgemeine Geltung zu verschaffen vermochten. lrusnen, daß die Zerlegung der Mischtöne in ihre Bestandteile, das u das Verfängliche des Systems eben in der Systematik zu liegen. Das Sich⸗ festlegen auf eine Methode ist wohl immer gefährlich. Trotzdem soll nicht bestritten werden, daß sich gerade dieses Verfahren für gewisse stellungen, etwa Stilleben, im besonderen Blumenstücke, vorzüglich eignet, wie denn auch kungen auszulösen imstande sind. Und für sonnige Wintervormittage, wenn spiegelt, scheint diese Technik geradezu erfunden zu sein.

Curt Herrmann ist bekannt als Führer der Neo⸗ deren Bestrebungen sich doch keineswegs Es ist ja nicht zu

hellen des aelert⸗ eine gesunde Errungenschaft bedeuten, nur scheint

Dar⸗ Herrmanns „Blumenstudien“ eigenartige Wir⸗

das kalte Licht sich an unzähligen Schneeflächen bricht und

J. B.

Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin hat einen ersten vor⸗

Füst Bericht über die von dem Oberleutnant Dr. Wilhelm Filchner geleitete

e deutsche antarktische Expedition herausgegeben. Nach einleitenden Bemerkungen, in denen die Fahrt des Expeditions⸗ schiffes „Deutschland“ von Bremen bis Grytviken auf Südgeorgien (7. Mai— 10. Dezember v. J.) kurz skizziert und die auf ihr an⸗ Fee Beobachtungen aufgeführt werden, folgt ein ausführlicher Bericht des Expeditionsleiters über die Arbeiten der Forscher nach ihrer Ankunft in Grytviken. In diesem Ort befindet sich eine Walfangstation der Compania Argentina de Pesca, über die der Kapitän der „Deutschland⸗ Vahsel eine ausführliche Abhandlung veröffentlichen wird. Der Leiter der Station, Herr Karl Larsen, hat die Expedition gastlich aufgenommen und die Unterstützung, die die Forscher bei ihm fanden, hat erst ihre wissenschaftliche Durch⸗ forschung Südgeorgiens ermöglicht, vor allem durch die kosten⸗ lose Ueberlassung einer 500 Tons fassenden Jacht, die den Besuch der Küsten gestattete. Für die Erforschung der wenig bekannten Insel standen 13 Tage zur Verfügung. Es gelang, durch astronomische Be⸗ stimmungen und unzählige Kompaßpeilungen eine gute Umrißkarte von Südgeorgien zu entwerfen, die demnächst in den „Annalen der Hydrographie“ als Beigabe zum 4. ozeanischen Bericht Dr. Brenneckes erscheinen wird. Für die Küstenschiffahrt wichtig ist die Auffindung und Auslotung emes guten, leicht zugänglichen Hafens im süd⸗ lichen Teil der Insel; von der Küste mit ihren mannigfachen Ver⸗ gletscherungen konnten zum ersten Male zahlreiche Photographien auf⸗ genommen werden, und einzelne Gletscher an der Nord⸗ und Südküste wurden photogrammetrisch festgelegt. Bei den Landungen in den Buchten sah man zahlreiche Küstentie re, wie Seeelefanten und Pin⸗ guine. In geologischer Hinsicht wurde festgestellt, daß Südgeorgien ein irge ist, dessen Falten meist von Nordwest nach Südost streichen und nach Norden übergekippt sind. Im Schiefer eine nördlich gelegenen Bucht wurde das Bruchstück eines Ammoniten gefunden. In den Fjorden der Südostspitze konnten Gesteine von paläovulkanischem Typus anstehend und in den Moränen Blöcke offenbar dazugehörigen Tiefgesteins nachgewiesen werden. Die gesamten Funde dürften einen Beitrag zur Annahme liefern, daß Südgeorgien ein Stück der südamerikanischen Anden und des sogenannten antarktischen Grahamlandes ist. Auf den Fahrten wurden auch meteorologische Beobachtungen angestellt und Piloten⸗ aufstiege ausgeführt; auch eine kleine zoologische Sammlung wurde angelegt. Vom 1. bis 14. November wurde bei sehr stürmischem Wetter eine Sandwichfahrt unternommen; diese Inseln sind zum Teil erloschene, zum Teil tätige Vulkane. In erster Linie wurden auf dieser Fahrt ozeansgraphische Forschungen betrieben. Es konnten z. B. neue Tiefseelotungen gemacht werden, deren eine eine Tiefe von 6511 m ergab. Untersuchungen von Temperatur und Salzgehalt er⸗ gaben das Vorhandensein einer kalten salzarmen Schicht an der Oberfläche, die von einer wärmeren salzreichen Schicht um⸗ lagert ist, die dann schließlich in eine gleichmäßige Boden⸗ schicht übergeht. Am Meeresboden herrscht dort eine Temperatur von 40 C. Meteorologische Arbeiten wurden alle 4 Stunden vor⸗ genommen. Am 10. Dezember v. J. wurde Grytviken S und nach Süd und Eis vorgegangen. Nach Auftreffen auf die iskante sollte der Kurs östlich gerichtet werden, um eine günstige Einfahrtstelle zu erkunden. Auf den Bericht Dr. Filchners folgt ein solcher der u lieder Dr. Fritz Heim über die auf Reise 8— einschließlich der Fahrt nach den Sa Meeresboden entnommenen Grundproben sowie Be⸗ richt des Dr. H. Lohmann über die biologischen Arbeiten auf der Fahrt der „Deutschland“ von Bremen nach Buenos Aires. Interessant war dabet die Feststellung, daß das Meer in den Tropen des Atlantischen Ozeans z. Z. der Fahrt fünfmal spärlicher bevölkert war als die beiden Mischgebiete. Der Wert dürfte sich zu andern Jahreszeiten aber erheblich niedriger stellen, da wir annehmen müssen, daß in den Tropen im wesentlichen das ganze Jahr hindurch die Besiedlung des Meeres sich gleich bleiben wird, während in den kühleren Gebieten n. bedeutende Schwankungen vorkommen. Der Absturz, den die Bevölkerungsdichte des Meeres erleidet, wenn man von den Buchten der Flachsee aus nach dem Ozean hinausgeht, ist kolossal und bringt auf das deutlichste die Abhängigkeit der Besiedlung von der Zufuhr von Nahrungs⸗ stoffen vom Lande zum Ausdruck. Diesem Absturz gegenüber tritt der Unterschied zwischen Tropen und kühlem Mischgebiet ganz zurück. In den kühlen Gebieten ist der Reichtum der Oberfläche an Lebe⸗ wesen sehr groß und der Absturz bis zu 50 m sehr stark; in den Tropen dagegen ist die Oberfläche nur ganz unbedeutend dichter be⸗ siedelt als die 50 Meterzone. Der Hauptunterschied zwischen den kühlen Gebieten und den Tropen liegt also in der Besiedlungs⸗ schicht der oberen 50 m, die in jenen Meeresteilen neun⸗ mal höher ist. Es ist jedoch bemerkenswert, . im einzelnen die dichteste Bevölkerung nicht immer an der Oberfläche liegt, sondern oft in 25 oder 50 m, selten bei 75 oder gar 100 m Tiefe angetroffen wird. Eine sehr merkwürdige Beobachtung wurde im kühlen Gebiet nördlich der Azoren gemacht. Vom 18. bis 24. und dann wieder vom 28. bis 29. Mai trieben im Meer zahllose Seenadeln (Noerhi⸗); gleichzeitig traten zahllose große Salpen, Pelagien und andere Makro⸗ planktonen auf. Während aber die wirbellosen Tiere alle wohl und munter waren, waren gegen drei Viertel der Seenadeln tot⸗ Ob die Tiere an einer Krankheit zugrunde gegangen, oder ob sie mangels der an den Küsten wuchernden Algen verhungert waren, V sich nicht feststellen. Ueber die eographischen Studien berichtet schließlich der Professor Pr⸗ Ule. Bei Ponta Delgada und auf der Azoreninsel Säo Miguel wurden mehrtägige Ausflüge ins Land unternommen, wobei interessante Studien über Wind⸗ und Wassererosionen angestellt werden konnten. Von Pernambuco aus wurde das Hochland des östlichen Brasiliens besucht, von Bahia wurden die Unterläufe der Flüsse befahren und ein Ausflug ins Binnenland veranstaltet, wobei Untersuchungen des Laterits möglich wurden, der hier im Mittel eine Mächtigkeit von 4— 6 m besitzt; seine Bildung scheint nur unter dem Sape einer dichten Pflanzendecke möglich zu sein. Von Rio de Janeiro aus wurde das Gebiet des höchsten Berges Brasiliens, des Itatiaja, besucht (etwa 2700 m). Dann führte die Reise nach Säo Paulo und über Santos nach der Kolonie Blumenau, wo man in Deutschland zu sein glaubt. Nach der Rückkehr nach Rio wurde mit der Bahn noch eine Reise 8

nach Chile ausgeführt. 8 8 8 Theater und Musik. Königliches Schauspielhaus. In der gestrigen Aufführung des „Kauf mann von Venedig“ setzte Ernst von Po ssart sein Ehrengastspiel in der Rolle des Shylock fort, in der er schauspielerisch eine Glanzleistung bot, die sich von Akt zu Akt steigerte, um in der Gerichtsszene ihren Höhepunkt zu finden. Possart gehört zu jenen Shylock⸗Darstellern, die mit allen Mitteln der Schauspielkunst diejenigen Züge herausarbeiten, die den grimmigen

Haß Shbylocks erklären und die ihn uns menschlich näher führen. 2 art übte diese Kunst so zweckbewußt und virtuos, daß heim Zuschauer

chließlich das Mitleid mit dem schwer benngesugen Wucherer über⸗ wog, den sein Darsteller zu einer Art tragischer Gestalt erhob. Das