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uns allen zugänglichen Natur. Die sichtbare Wirklichkeit, nicht ein sehtafteebilde des Künstlers, ist Ausgangspunkt und Ziel der Dar⸗ tellung. Es ist daher für den denkenden Beobachter der neueren Malerei nicht schwer, Cézannes besondere Vorzüge zu würdigen, die Unmittel⸗ barkeit und Schlagkraft seiner Charakteristik, den Reichtum und die Ausdruckskraft der Tonabstufungen, die Großzügigkeit der Landschaften, in denen Dinge, wie das Durcheinander⸗ spielen der berbstlichen Blätter einer Baumgruppe gleichsam zum ersten Male dargestellt scheinen, die monumentale Wucht der körper⸗ lichen Erscheinung in den Stilleben, die gerade bei dem Verzicht auf jede kunstvolle Anordnung, auf jedes liebevolle Verweilen bei der berfläche so stark zur Geltung kommt. Cézanne war, recht ver⸗ standen, eine nüchterne Natur. Er war noch mehr als die andern Impressionisten Maler und nichts als Maler. Mit dem Eigensinn des Genies bahnt er sich seinen Weg und schafft Dinge, die schon in ihrer Schlichtheit und Eindeutigkeit das Merkmal großer Kunstwerke an sich tragen. Die Mitwelt hat ihn lange als Sonderling verlacht. Wir beginnen gerade seine Folgerichtigkeit zu bewundern und die Notwendigkeit einer solchen Erscheinung im geschichtlichen Zusammen⸗ hang der impressionistischen Malerei zu begreifen. Th. D.
In Venedig wurde gestern die Internationale Kunst⸗ ausstellung eröffnet. Zugegen waren, „W. T. B.“ zufolge, u. a. der Herzog von Genua als Vertreter des Königs, der Unterrichts⸗ minister, die Staatssekretäre des Auswärtigen und der Justiz, das diplomatische Korps, die Behörden und Notabeln. Der Bürger⸗ meister Graf Grimani und Minister Credaro hielten mit großem Beifall aufgenommene Reden. Die Ausstellung ist prächtig gelungen. 70 000 Fremde sind zu den Festlichkeiten in Venedig eingetroffen.
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Verkehrswesen. 1 1
Vom 1. Mai ab können auch im deutschen Wechselverkehr (Reichspostgebiet, Bayern uud Württemberg) die Bestellgebühren für Postsendungen vom Absender im voraus entrichtet werden. Ueber die Bestellgeldsaͤtze erteilen die Postanstalten Auskunft.
Nach einer telegraphischen Meldung des Postamts Apia sind dort die am 8. April fällig gewesenen Briefposten von den deutschen Bahnposten Cöln⸗Verviers und Hannover⸗Borxtel sowie aus London nicht eingetroffen. Mit den fehlgemeldeten Briefversanden von den vorbezeichneten deutschen Bahnposten sind die Briefsendungen für Samoa abgesandt worden, die in Deutschland nach dem Postabgang aus Cöln am 27. Fe⸗ bruar 10,42 Abends (Postschluß für den Dampfer „Kronprinz Wilhelm“ des Norddeutschen Lloyd, am 28. Februar ab Cherbourg nach New York) bis zu den Postabgängen am 8. März aus Hannover 3 ³6 Nachmittags und aus Cöln 642 Abends (Postschluß für den Pebß „Lusitania“ der Cunard Linie, am 10. März ab Queenstown nach New York) aufgekommen waren.
Anscheinend haben die erwähnten Briefposten unterwegs den An⸗ schluß an die planmäßige Dampferverbindung verfehlt und werden 8 der nächsten Gelegenheit, voraussichtlich am 6. Mai, in Apia ein⸗ reffen.
Theater und Musik.
Königliches Opernhaus.
Die italienische Aufführung von „Rigoletto“ am Montag im Königlichen Opernhause stand, obgleich drei berühmte Künstler in Hauptrollen beschäftigt waren, unter keinem besonders günstigen Stern. Herr Jadlowker, der uns aus Amerika Zurückgekehrte, gab den Herzog; es zeigte sich aber bald, daß der Künstler gegen eine heftige Indisposition anzukämpfen hatte, die sogar einen hohen Ton mißglücken ließ. War seine hochentwickelte Gesangskunst trotz allem zu erkennen, so war das Bedauern doch allgemein, daß die Freude daran getrübt wurde. Die Partie des Rigoletto sang als Gast Herr d'Andrade, früher einer ihrer besten Vertreter. Seine Stimme hat zwar der Zeit ihren Tribut zollen müssen, aber mancher Ton zeigte noch den früheren Glanz, und sein Temperament hatte noch das unverminderte Feuer von ehedem. Ganz auf der Höhe war nur Fräulein Hempels Gilda, eine in jeder Hinsicht be⸗ wunderungswürdige Leistung. Am Pult saß der Generalmusikoedirektor Dr. Muck, der, was einem Dirigenten ebenfalls begegnen kann, ent⸗ schieden nicht gut disponiert war. Seiner Stabführung fehlte diesmal der gewohnte Schwung, und auch die Rücksicht auf die Sänger wurde schmerzlich Fen
Im Königlichen Opernhause findet morgen, F“ eine Aufführung von „Cavalleria rusticana“ in Verbindung mit „Bajazzi“ statt. Die Damen Rose, Andrejewa⸗Skilondz, von Scheele⸗ Müller sind mit den Herren Maclennan und Habich in den Haupt⸗ rollen der ersten Oper, Fräulein Artöôt de Padilla und die Herren Berger, Bischoff, Bronegeest, Philipp in der zweiten Oper beschäftigt. — Am Freitag findet die Erstaufführung des
einaktigen Schäferspiels „Die Maienkönigin“
mit der Musik von Gluck in der Bearbeitung von J. N. Fuchs, statt. In den Hauptrollen sind die Damen Ober, Dux, Dietrich, die Herren Henke und Mang beschäftigt. Der Kapellmeister Blech dirigiert. Es folgt e neu einstudiert, „Doktor und Apotheker“, Komische Oper in zwei Akten von Karl Ditters von Dittersdorf. In den Hauptrollen wirken die Damen Andrejewa⸗Skilondd, Böhm⸗van Endert, von Scheele⸗Müller und die Herren Mang, Krasa, Lieban, Philipp, Habich, Dahn und Alma mit. Dirigent ist der Kapellmeister von Strauß. Die Regie beider Opern führt Herr Droescher. — Als Nachfolger des am 1. April d. J. in den Ruhe⸗ stand getretenen Konzertmeisters Professor Fritz Struß ist Herr Leopold Premyslav aus Bremen für das Orchester der König⸗ lichen Oper zu Berlin verpflichtet worden.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen das länd⸗ liche Sittengemälde „Freund Fritz“ von Erckmann⸗Chatrian, mit den Damen Thimig und Butze sowie den Herren Vollmer, Clewing, Pohl, Stange, Eichholz und Paris in den Hauptrollen wiederholt.
Die Ausgabe der Abonnementskarten für den Monat Mai 1912 zu 31 Opern⸗ und 30 Schauspielvorstellungen in den Königlichen Theatern findet am 27. und 29. April, Vormittags von 10 ¼ bis 1 Uhr, in der Königlichen Theater⸗ hauptkasse im Königlichen Schauspielhause (Eingang Jägerstraße), und zwar nur gegen Vorlegung des Abonnementsvertrages, statt. Es werden am 27. April nur die Karten zum 1. Rang und Parkett und am 29. April diejenigen zum 2. Rang bezw. Balkon und 3. Rang bezw. 2. Balkon verabfolgt. Gleichzeitig wird ersucht, den Geldbetrag abgezählt bereit zu halten.
Das Deutsche Opernhaus in Charlottenburg hat als erste Heldentenöre die Herren Alfred Goltz und Alexander Kirchner verpflichtet. Herr Alfred Goltz ist zurzeit Kammersänger in Coburg, vorher war er am Stadttheater zu Leipzig. Seine Lehrjahre machte er in Nürnberg, Regensburg, Koblenz, Rostock und Basel durch. Herr Alexander Kirchner ist gegenwärtig erster Heldentenor an der Königlichen Hofoper in Stockholm. 86 8
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Mannigfaltiges. 1 Berlin, 24. April 1912.
In dem auf dem Priorsberg bei Neuzelle i. d. M. (Bahnstation zwischen Frankfurt a. O. und Guben) unmittelbar am Hochwald ge⸗ legenen Walderholungsheim des Vereins „Jugendschutz“ finden genesende und im Erwerbsleben überarbeitete Mädchen Wund Frauen zur Hebung der geminderten Kräfte für 3 ℳ den Tag Verpflegung und Unterkunft. — Die stete Nachfrage nach hauswirtschaftlich und gärtnerisch geschulten Kräften, besonders von Besitzern kleinerer Villen in den Vororten der Großstädte, für die das Halten eines Gärtners oder einer Gärtnerin nicht in Frage kommen kann, rechtfertigen die vom Verein „Jugendschutz“ F Neueinrichtung eines zweijährigen Kurses zur Ausbildung von hauswirtschaftlich und gärtnerisch geschulten Stützen in der Haushaltungs⸗ und Obst⸗ und Gartenbauschule des Heims III in Neuzelle. Um erst einmal einen größeren Schülerinnenkursus für eine derartige Ausbildung zu gewinnen, werden die Ausbildungskosten hierfür weit niedriger bemessen, als die für Gärtnerinnen; sie betragen für das Jahr nur ebenso viel wie für die ““ — Im Heim II in Berlin (Beuth⸗ traße 14) beginnen zum 1. Mai neue billige Unterrichtskurse für Schneidern, Wäschenähen und Putz. Näheres ist in der Geschäftsstelle des Vereins in Berlin (Kurfürstenstraße 114, Sprechstd. 3 ½ — 4 ½ Uhr, Tel. Kurfürst 8802), woselbst auch Anmeldungen ent⸗ gegengenommen werden, zu erfahren.
Johannisthal bei Berlin, 24. April. (W. T. B.) Bei⸗ einem Flugversuch mit einem Häfelineindecker stürzte der Gradepilot Gasser heute morgen in Johannisthal ab. Der Apparat wurde gänzlich zertrümmert. Der Flieger erlitt innere Ver letzungen und wurde nach dem Kreiskrankenhause Britz gebracht.
St. Petersburg, 23. April. (W. T. B.) Der Großfürst Alexander Michailowitsch, der Präsident des Luftflotten⸗ Komitees, weist in einem Aufruf an die Bevölkerung auf die Leistungen des Komitees hin, deren wesentlichste die Gründung einer Militärfliegerschule in Sebastopol sei, die 102 Offiziere und 200 Untermilitärs beschäftige und 55 Flugmaschinen besitze. Binnen zwei Jahren seien 77 Flugzeuge teils im Auslande erworben, teils in Rußland gebaut worden. Die Bedürfnisse der Staatsver⸗ teidigung überragten aber weit die Zahl der Flieger, die die Flieger⸗ schule in Sebastopol vorbereiten könne. Deshalb seien neue Geld⸗ opfer seitens der Nation unentbehrlich, sonst verliere Rußland die zweite Stelle im Flugwesen.
Odessa, 23. April. (W. T. B.) An verschiedenen Punkten der Küste des Schwarzen Meeres wurden durch Stürme
große Verwüstungen angerichtet, besonders in Odessa, Eupatoria,
Theodosia und Kertsch. In Theodosia wurde
Dampfer „Cavour“ stark beschädigt.
Kopenhagen, 24. April. (W. T. B.) Aus Anlaß der Meldung aus Washington, der zufolge der dänische Dampfer „Hellig Olav“, der am 17. April in New York eintraf, das vom vierten Steuermann der „Titanic' gesehene Fahr⸗ zeug gewesen sei, das die Notsignale der „Titanic“ un⸗ beachtet ließ, hat „Ritzaus Bureau“ sich an die Reederei des Dampfers „Det Forenede Dampfkibsselskabz gewandt und von dieser die Erklärung erhalten, daß mit der größten Bestimmtheit nachgewiesen werden kann, daß der Dampfer „Hellig Olav“ im Augenblick der Titanic Katastrophe mindestens 350 Seemeilen westlich von der Unglücksstätte entfernt gewesen sei (s. u. Washington). “
Washington, 23. April. (W. T. B.) Der dritte Offizier der „Titanic Pittman sagte vor der Untersuchungskom⸗ mission des Senats (vgl. Nr. 98 d. Bl.) aus, er habe vor dem Eintreten des Unglücks kein Eis bemerkt, aber gewußt, daß Sonn⸗ abend oder Sonntagfrüh durch Funkentelegramm Eis gemeldet sei. Die Eiswarnungen seien aber nicht ernst genommen worden. Die „Titanic“ sei auf der ganzen Reise mit der größten Geschwindigkeit gefahren. Nach dem Zusammenstoß sei Pitt⸗ man dem Direktor Jsmay begegnet, der ihm geholfen habe, Frauen und Kinder in Booten unterzubringen. Pittman gab zu, daß er die „Titanic“ in einem Boot verlassen habe, das vierzig Insassen trug, während es sechzig hätte aufnehmen können. Als die „Titanic“ sank, habe er heftige Explosionen gehört, die wahrscheinlich durch das Bersten der Schotten hervorgerufen worden seien. Sofort nach dem Untergang habe er herzzerreißende Hilferufe und das Gestoͤhne der Ertrinkenden vernommen, das ununterbrochen über eine Stunde angedauert habe. Er habe mit seinem nicht voll besetzten Rettungs⸗ boot zurückrudern und den Ertrinkenden Hilfe leisten wollen, aber die im Boot befindlichen Geretteten hätten erklärt, es wäre Wahnsinn, das Leben der 40 Bootsinsassen zu gefährden. Keine von den im Boot befindlichen Frauen habe ihn gebeten, zurückzurudern. — Der Seemann Fleet, der sich im Mastkorb der „Titanic“ auf dem Ausguck befand, erklärte, er habe den Auftrag gehabt, nach Eis auszuschauen und habe nach 10 Uhr Abends Eis gemeldet. Er hätte den Eisberg mit einem Marineglas zeitig genug ent⸗ decken können, um auszubiegen, aber es sei kein Fernglas für ihn an Bord gewesen. — Der vierte Offizier der „Titanic“ erklärte, daß sich ein nicht festgestelltes Fahrzeug in Sichtweite der „Titanic“ befunden habe, von dem man aber auf Notsignale keine Antwort habe erhalten können. Dieses Schiff, dessen Lichter der vierte Offizier gesehen hat, ist vielleicht der dänische Dampfer „Hellig Olav“ gewesen, der am 17. April in New York eingetroffen ist und gemeldet hat, daß er in der Nähe der Unglücksstelle einen Eisberg angetroffen habe.
Boston, 24. April. (W. T. B.) Der Kapitän des Dampfers „Californian“ erklärt, daß sein Dampfer weniger als zwanzig Meilen von der „Titanic“ entfernt gewesen ist, als diese sank. Hätte er gewußt, daß die „Titanic“ sank, so hätten alle Reisenden gerettet werden können. Er stellt in Abrede, daß der Dampfer „Californian“ derjenige gewesen ist, der innerhalb fünf Meilen an der „Titanic“ vorübergefahren ist, ohne die Notsignale zu beachten. 10 Uhr 30 Minuten Abends gelangte die „Californian“ in ein ungeheures Eisfeld und ließ sofort die Maschinen stoppen. Erst bei Tagesanbruch fuhr sie weiter. Da die Apparate 8 draht⸗ lose Telegraphie nicht in Tätigkeit waren, erfuhr die „Cali⸗ fornian“ von dem Unfall der „Titanic“ erst am Morgen durch die „Virginian“, worauf sie an die Stelle des Unglücks eilte.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
Colomb Bechar, 24. April. (W. T. B.) Zwei ein⸗ geborene Eilboten, welche den französischen “ zwischen Beni⸗Abbes und Taberlabat besorgen, Marokkanern niedergemetzelt und ausgeplündert.
Kuldscha, 24. April. (Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“.) Der Präsident der Provinz Hsin⸗ chiang ist, da der Präsident der Provinz Ili zurückgetreten und kein Nachfolger vorhanden ist, für drei Monate auch zum Präsidenten der Provinz Ili ernannt worden. Er soll diese Provinz nach dem Programm der Regierung in Kuldscha verwalten.
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten SWSweiten Beilage).—
Theater.
Königliche Schauspiele. Donnerstag: Opern⸗ haus. 107. Abonnementsvorstellung. Cavalleria rusticana. (Bauernehre.) Oper in einem Aufzug von Pietro Mascagni. Text nach dem leichnamigen Volksstück von G. Verga. Musi⸗ kalische Leitung:; Herr Kapellmeister Dr. Besl. Regie: Herr Oberregisseur Droescher. Bajazzi. ( Pagliacci.) Oper in zwei Akten und einem Prolog. Musik und Dichtung von R. Leoncavallo, deutsch von Ludwig Hartmann. Musikalische Leitung: Herr Kapellmeister Dr. Besl. Regie: Herr Oberregisseur Droescher. Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus. 111. Abonnementsvorstellung. Freund Fritz. Ländliches Sittengemälde in drei Akten von Erckmann⸗Chatrian. In Szene gesetzt von Herrn Regisseur Patry. Anfang 7 ½ Uhr. Frreitag: Opernhaus. 108. Abonnementsvor⸗ stellung. (Gewöhnliche Preise.) Dienst⸗ und Frei⸗ plätze sind aufgehoben. Zum ersten Male: Die Maienkönigin. Neu einstudiert: Doktor und Apotheker. Anfang 7 ½ Uhr. Schauspielhaus. 112. Abonnementsvorstellung. 1812. Schauspiel in fünf Aufzügen von Otto von der Pfordten. Anfang 7 ½ Uhr. 1 Die Ausgabe der Sonderabonnementskarten für den „Zyklus heiterer Opern“ erfolgt im Königl. Opernhause am 27. und 29. A 3-5 Uhr.
surter.
furter.
Deutsches Theater. Donnerstag, Abends 7 ½ Freitag
Goorge Dandin. Freitag bis Sonntag: George Dandin. Kammerspiele.
Donnerstag, Abends 8 Uhr: Sumurün Freitag bis Sonntag: Sumurün.
Herliner Theater. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Große Rosinen. Originalposse mit Gesang und Tanz in drei Akten (5 Bildern) von R. Bernauer
und R. Schanzer.
Freitag: Große Rosinen.
Sonnabend, Nachmittags 3 ½ Uhr: Der Talisman. — Abends: Große Rosinen.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Bummelstudenten. — Abends: Große Rosinen.
Theater in der Königgrätzer Straße. Donnerstag, Abends 8 Uhr:
Freitag und folgende Tage: Die fünf Frank⸗ Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Ein Fallissement.
Lessingtheater. Hedda Gabler.
Freitag: Das Friedensfest.
Sonnabend: Wenn wir Toten erwachen.
Neues Schauspielhans. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Alt⸗Heidelberg.
Freitag: Der Turm des Schweigens. 88
Sonnabend: Gyges und sein Ring.
Sonntag: Gyges und sein Ring.
8 — Komische Oper. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Zaear und Zimmermann. 2. Opernabend des Sternschen Konservatoriums. Sonnabend: La Traviata. Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Zu kleinen Preisen:
Rigoletto. — Abends: 8 Firma. s. ö“ Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Ein Walzer von
- Kurfürsten-Oper. Donnerstag, Abends 8 Uhr: —— Oberst Chabert. von Hermann Wolfgang von Waltershausen. Freitag: Oberst Chabert. Sonnabend: Tiefland. Sp Emmy Destinn.) Sonntag, Nachmittags Madonna. — Abends: Oberst Chabert.
Schillertheater. o. Donnerstag, Abends 8 Uhr:
—
Der scharfe Junker.
Die fünf Frank⸗ Akten von Georg Engel.
Sonnabend: Der Kompagnon.
Donnerstag, Abends 8 Uhr: Die schöue Helena.
Freitag und folgende Tage: Die Sonntag, Nachmittags 3 ¼ Uhr:
Pneneag. Abends 8 Uhr: Alles Schwank in
Freitag und folgende Tage:
Chopin.
Musiktragödie in drei Aufzügen
Uhr: Der Schmuck der von Jean Gilbert.
(Wallnertheater.) Der Kompagnon.
Lustspiel in vier Akten von⸗-Adolf L'Arronge. Freitag: Die Jüdin von Toledo. 8 Sonnabend: Der scharfe Junker.
Charlottenburg. Donnerstag, Abends 8 Uhr: Eine Komödie in
Freitag: Lady Windermeres Fächer.
Theater des Westens. (Station: Zoologischer Garten. Kantstr. 12.) Donnerstag, Abends 8 Uhr:
Komische Operette in drei Abteilungen von Jacques Offenbach.
Lustspielhaus. (Friedrichstr. 236.) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Das lauschige Nest. drei Akten von Julius Horst und Artur Lippschitz.
Freitag; Zum ersten Male: So 'n Windhund!
onnabend: So 'n Windhund!
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die Damen des Regiments. — Abends: So 'n Windhund!
Residenztheater. (Direktion: Richard Alexander.)
drei Akten von M. Hennequin und Georges Mitchell. In Szene gesetzt und für die deutsche Bühne bearbeitet von Bolten⸗Baeckers.
Thaliatheater. (Direktion: Kren und Schönfeld.)
Donnerstag, Abends 8 Uhr: Autoliebchen. mit Gesang und Tanz in drei Akten von Jean Kren, Gesangstexte von Alfred Schönfeld,
Freitag und folgende Tage: Autoliebchen.
Trianontheater. (Georgenstraße, nahe Bahnhof Friedrichstr.) Donnerstag, Abends 8 Uhr: Der Che⸗ G“ Fenster. Hierauf: Ein angebrochener
end.
Freitag und folgende Tage: Der Ehemann 1i e Hierauf: Ein angebrochener
end.
vier Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Mein Baby.
NBirhus Schumann. Donnerstag, Abends 7 Uhr: Große Galavorstellung. Auftreten sämtlicher Spezialitäten. — Zum Schluß: Das neue Aus⸗ stattungsstück „Das Motorpferd“ in 5 Akten. Hervorzuheben: Die Poßse Schlußapotheose mit noch nie dagewesenen Effekten.
Sonntag, Nachmittags 3 ½ Uhr und Abends 7 ¼ Uhr: 2 große Galavorstellungen. — In beiden Vor⸗ stellungen: Das Motorpferd.
schöne Helena. Wiener Blut.
Schwank in
Familiennachrichten.
Verlobt: Frl. Marie von Platen mit Hrn. Ober⸗ forstmeister Christoph von Heydebrand und der Lasa (Magdeburg). — Frl. Ilse Fischer mit Hrn. Oberleutnant Werner Ramin (Bromberg).
für die Firma. Hr. Geheimer Justizrat Paul Herr
Alles für die Verantwortlicher Redakteur:
Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg. Verlag der Expedition (Heidrich) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗ Anstalt Berlin SW., Wilhelmstraße 32.
Zehn Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Posse Musik
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wurden von
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zum No. 99.
Deutscher Reichstag.
44. Sitzung vom 23. April 1912, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der ersten Beratung der Gesetzentwürfe zur Abänderung des Reichs⸗ militärgesetzes sowie zur Ergänzung des Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres vom 27. März 1911 und des Besoldungsgesetzes in Verbindung mit der ersten Beratung der Novelle zu den Flottengesetzen vom 14. Juni 1900 und 5. Juni 1906, der Ergänzung zum Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaushaltsetats für das BB“ 1912, und der Vorlage, betreffend die Beseitigung des Branntwein⸗ kontingents.
Abg. Gans Edler Herr zu Putlitz (kons.) in seiner Rede, deren Anfan in der gestrigen Nummer d. Bl. mitgeteilt worden ist, fortfahrend: Die 1909 aufgestellten Grundsätze sind gewahrt worden, denn die Ausgaben für Heer und Flotte sollen aus laufenden Mitteln bestritten werden, namentlich auch die neuen Kriegsschiffe. Man ist über die damaligen Grundsätze noch hinausgegangen. Der frühere Staatssekretär Wer⸗ muth wünschte nun begreiflicherweise, daß man auch diejenigen Sachen, die schon angefangen waren, die Bauten, von der Anleihe fortzieht und mit den Ueberschüssen deckt, die vorhanden seien. Dieser Wunsch konnte erst kommen, nachdem das Jahr 1911 so große Ueberschüsse gebracht hat. Das geht zu weit, denn es müßten neue Steuern be⸗ willigt werden. Wir können sagen, die Grundlagen, auf denen die Denkschrift aufgebaut ist, sind solid und gesund. Ob nun die er⸗ warteten Summen auch einkommen werden, ist zu prüfen. 1911 hat ja einen sehr hohen Ueberschuß gebracht. Wenn wir auch mit solchen Uleberschüssen in Zukunft kaum rechnen können, so müssen wir doch anerkennen, daß die Unterlagen für die Zukunft vorsichtig aufgestellt worden sind. Nicht verhehlen kann ich, daß gegen die “ des Kontingents bei der Branntweinsteuer schwere Bedenken bestehen. Gleichwohl wollen wir den Versuch machen, der Regierung auf dem Wege zu folgen, die sogenannte Liebesgabe aufzuheben, unter der Vor⸗ aussetzung, daß die Brennerei als landwirtschaftliches Nebengewerbe lebensfähig bleibt. Es handelt sich um die Erhaltung eines Ge⸗ werbes, das für die Hebung der Landeskultur auf leichten Böden von der größten Bedeutung ist. Die Ausführungen des sozialdemokrati⸗ schen Redners haben klar vor Augen geführt, daß von den Sozial⸗ demokraten unsere Wehrvorlagen nicht vom nationalen deutschen Standpunkt betrachtet werden, sondern von ihrem internationalen. Dem jetzigen Staat wollen sie nichts bewilligen. Das ist ganz konse⸗ quent. Inkonsequent ist nur, daß sie dagegen ankämpfen, daß man ihnen vorwirft, daß sie vaterlandslos seien, und sich bei einem Ueber⸗ fall wehren wollen. Bei vielen anderen Reden klingt es anders.
PComit wollen sie sich denn wehren, wenn sie alle solche Vorlagen ablehnen. Vom Milizheer spreche ich nicht. Sie würden die ersten x8 wenn wir nicht gewappnet wären und eine Niederlage erlitten, er unvernünftigen Regierung die Schuld zuzuschieben. Sie haben nicht den deutschen Geist, sondern einen anderen Geist. Sie ver⸗ suchen dauernd, im Heer den Geist zu bekämpfen, der uns unsere Siege hat erfechten lassen. (Fortdauernde Unruhe bei den Sozialdemo⸗ kraten. Zwischenruf: 1806!) Reden Sie doch nicht von 1806. Die⸗ selben Offiziere haben auch in den Freiheitskriegen gefochten und wieder gut gemacht, was sie zum Teil verschuldet hatten. (Erneute Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Ich meine den Geist, der davon durchdrungen ist, daß alles für das deutsche Vaterland einzusetzen ist. Daran denken Sie nicht. Die Aeußerungen, daß die Militärvor⸗ lagen nur für die besitzenden Klassen gemacht werden, hören wir jedes Jahr. Wir machen solche Vorlagen doch nur für unser deutsches Vaterland und für unser deutsches Volk. Wo wären wir hinge⸗ kommen, wenn wir wehrlos geblieben wären? Wir wären als Staat wahrscheinlich gar nicht mehr vorhanden. Sie verleumden unser Hecr. weil es nicht ein Heer ist, das Ihnen (zu den Sozialdemo⸗ 86 dienstbar ist. Gestern wurde hier gesagt, die Junker rufen nach Kriegen, um ihrer Ruhmsucht zu frönen. (Lebhafter Wider⸗ spruch bei den Sozialdemokraten; Glocke des Präsidenten; Abg. von Bieberstein ruft: Das ist gesagt worden!) Ich pro⸗ testiere dagegen. Es werden heute keine Kabinettskriege mehr geführt. Die Erkenntnis, daß wir um unserer Existenz willen abwehrbereit sein Plsfen ist in immer weitere Kreise unseres Volkes gedrungen; diese Erkenntnis wird auch bei der Verabschiedung dieser Wehrvorlagen zum vollen Ausdruck kommen. Wir werden bewilligen, was not⸗ wendig ist, und uns auch nicht scheuen, dafür mit unserem Vermögen aufzukommen. Unsere Nachbarn wissen, daß wir friedliebend sind. Im Auslande wird der Eindruck einer möglichst einstimmigen An⸗ nahme dieser Vorlage ein tiefer und nachhaltiger sein.
Abg. Bassermann (nl.): Wir sind bereit, auf den Boden der Vorlage zu treten. Die Wehrvorlagen beantrage ich, der Budget⸗ kommission, die Branntwein⸗Kontingentsvorlage einer besonderen Kommission zu überweisen. Wenn die letztere Vorlage auch noch an die überlastete Budgetkommission verwiesen wird, wird die Erledi⸗ Lung der Vorlage sehr verzögert werden. Es wird dann eventuell die Deckungsfrage in der Budgetkommission vorausgenommen, und dann liegt die Gefahr nahe, daß auch die Wehrvorlagen vor Pfingsten ihre Erledigung nicht finden. Aus der einleitenden Rede des Reichs⸗ kanzlers greife ich die Aeußerung über die Ghag heraus. Der Reichskanzler wendet sich an die Anhänger der Erbanfallsteuer und sie, im Interesse der Erhaltung des Friedens unter den bürgerlichen Parteien diese Frage nicht in die Erledigung der De ungsfrage hineinzuziehen. Warum wendet sich der Reichskanzler nicht an die Rechte? Warum richtet er an sie nicht den Appell, um des Friedens willen und um des Vaterlandes willen die Erbanfall⸗ steuer zu bewilligen? Statt dessen rechnet er uns vor, daß es sich nur um 24 Millionen Differenz handelt. Zweifellos war im Anfang der Vorbereitung dieser Wehrvorlagen die Erbanfallsteuer und mit ihr der Schatzsekretär Wermuth. Man konnte damals auch annehmen, daß eine gewisse Verbindung der Wehrvorlagen und der Deckungs⸗ vorlagen vorhanden war; man braucht sich nur an die Ausführungen des Schatzsekretärs Wermuth und auch des Kanzlers vom 16. Februar 1912 zu erinnern. Der Reichskanzler entgegnete damals dem Abg. Speck, daß hinter dem Worte „Brüskierung mit Erbschaftssteuer“, einem sehr Worte, sich Machtansprüche verbergen, die er nicht anerkennen könne. Der Reichskanzler hat selbst den Beweis geliefert, daß er den Zusammenhang anerkennt, der zwischen der Ablehnung einer volkstümlichen Forderung und dem Wachstum der Sozialdemo⸗ kratie besteht. Freiherr von Hertling, der Schöpfer des parlamentari⸗ schen Cihets in Bayern, ließ die Erbschaftssteuer in der Versenkung verschwinden, und Herr Wermuth folgte ihr nach, der doch gestern so⸗ wohl vom Kanzler wie vom Reichsschatzsekretär so gelobt worden ist. Es ist ein Verhängnis 8 Kurses, wie jetzt Staatssekretäre zu
runde gehen. Der Abgang Wermuths muß den Ein⸗ druck hervorrufen, daß man von dem Grundsatze abgewichen ist, wo⸗ nach kein neues Gesetz ohne neue Einnahmequellen eingebracht werden dürfe. Man hat den Eindruck, daß die Deckung, die bei dieser Vor⸗ lage vorgeschlagen wird, lange nicht ausreicht, um die nötigen Mittel u liefern. Wir haben ja das Satyrspiel erlebt, daß die offiziöse rresse immer betonte, daß die Erbschaftssteuer im Bundesrat ein⸗ immig zurückgewiesen worden ist, und daß dann die Minister der nzelstaaten in den betreffenden Parlamenten verlauten ließen, daß
Deutschen Reichsanze
Erste Beilage
Berlin, Mittwoch, den 24. April
sie sich gern zur Erbschaftssteuer bekannt hätten. Die Darlegungen Wermuths in der „Deutschen Revue“, die er dort vor kurzem gemacht hat, müssen deshalb sehr nachdenklich stimmen. Seine Ausführungen, daß die Deckung, wie sie jetzt konstruiert ist, nicht genügt, deckt sich ja mit manchen Ausführungen dieses hohen Hauses. Man will die Ueberschüsse hier heranziehen. Der Abg. Speck hat sich seinerzeit über solche Finanzierung genügend ausgesprochen. Das deckt sich völlig mit dem, was von 38— Seite oft ausgeführt worden ist, wie es noch vor kurzem Goercke im „Hannoverschen Courier“ getan hat. Zudem hat ja der Staatssekretär Kühn gesagt, die Erbschaftssteuer wird kommen, bloß zurzeit nicht. Aus den Ausführungen des Staatssekretärs des Reichsmarineamts ersieht man, wie überall neue Ansätze zu neuen Forderungen vor⸗ handen sind, so ganz besonders die Mitteilung, daß die Material⸗ reserve später wieder verlangt werden wird. Wenn man die Ueber⸗ schüsse bis zum letzten Rest auspreßt und sie für die laufenden Be⸗ dürfnisse ausgibt, was soll dann mit den Dingen geschehen, die wir in den letzten Jahren uns vorgenommen haben. Die Zuckersteuer soll u. a. ermäßigt werden. Wenn man einen Vertreter der ver⸗ bündeten Regierungen unter vier Augen sprechen würde, so würde wohl der offene Zweifel ausgesprochen werden, ob, wenn es soweit ist, die Finanzlage es gestattet. So haben wir auch bewegliche Klagen darüber gehört, daß das Versicherungsalter nicht herabgesetzt worden ist. Wenn in dieser Weise die Ueberschüsse herangezogen werden, dann wird der Termin für die Herabsetzung des Rentenalters wohl nie eintreten. Auch werden manche Besoldungswünsche zurückgestellt werden müssen. Wenn man sich das alles deeh dann wird man ein trübseliges Bild der Zukunft bekommen. So werden noch manche andere Wünsche nicht erfüllt werden können. Der Reichskanzler be⸗ handelt die Frage der Aufhebung der Liebesgabe doch etwas zu leicht. Wir sind gern bereit, auf, den Boden der Abschaffung der Liebes⸗ gabe zu treten, aber anderseits ist zu untersuchen, ob nicht in dem⸗ selben Verhältnis der Konsum bhlastet werden wird. Was nun die Wehrvorlagen betrifft, so ist ohne weiteres anzuerkennen, daß das Ziel, das die Militärverwaltung hat, die Kriegsbereitschaft zu er⸗ höhen, ein erstrebenswertes ist. Dies Ziel wird auf verschiedene Weise zu erreichen sein Die Zahl der Mannschaften soll vermehrt, zwei neue Korps sollen gebildet werden. Es sollen neue Offiziersstellen geschaffen werden. Das sind Ausfüllungen von Lücken, und die Militarverwaltung ist dabei auf dem richtigen Wege. Daß starke Lücken vorhanden waren, hat der Kriegsminister schon beim Quin⸗ quennat gefunden. Bedauerlich is es, wie sehr wir mit der Durch⸗ führung der allgemeinen Wehrpflicht sogar in kritischer Zeit no vom Ziel 1 sind. Im Verhältnis zu Frankreich vollzieht dch diese Entwicklung doch zu langsam. Das ist ein Punkt, auf den die Kriegsverwaltung ihre volle Aufmerksamkeit wird lenken müssen, auch aus Gründen der Gerechtigkeit. Es ist unbillig, daß alle Reservisten und Landwehrmänner in den Krieg he müssen, während 70 000 waffenfähige junge Leute nicht in den Waffen ausgebildet werden. Es ist zu begrüßen, daß die kleineren Regimenter die dritten Bataillone bekommen, daß nur noch 18 mit 2 Bataillonen übrig bleiben. Zu begrüßen ist auch, daß von dem Grundsatz der Herabminderung der Etatsstärke abgegangen ist. Bernhardi hat in seinem Buch aus⸗ geführt, daß, je stärker die Formationen im Frieden sind, um so besser sie für den Krieg sind. Die Kavallerie hat für die Aufklärung und für die Verschleierung des Anmarsches in den ersten Zeiten eines Krieges eine große Bedeutung; in dieser Beziehung enthält die Vorlage einen Fortschritt. Dieselbe Anerkennung verdient die Vorlage auch in der Vermehrung der Artillerie. In der Bespannung sind wir im Vergleich zu Frankreich zurückgeblieben. Wir haben da ein Minus von vielen ee Pferden. Ich begrüße es ferner, daß die Vorlage der Be⸗ deutung der Luftschiffahrt Rechnung trägt, für die in Frankreich sehr viel geschieht. Es wird in der Vorlage eine Fliegertruppe ange⸗ fordert für Heer und Marine. Die Franzosen legen auf diese Seite ihrer Wehrkraft ein besonderes Gewicht, wie aus ihren Etatsforde⸗ rungen hervorgeht. Auf die Qualität r deutschen Offizierkorps sind wir stolz und hoffen, daß wir dieses Ruhmesziel werden festhalten können. Leider besteht noch ein Mißverhältnis zwischen den Leistungen unserer Offiziere und den Bezügen, die der Staat ihnen gibt. Dies Mißverhältnis findet seinen Ausdruck in dem Bestreben der Offi⸗ ziere, in Privatbetrieben Stellungen zu finden, und in den Manque⸗ ments. Ich habe schon früher den Kriegsminister gebeten, der Frage der schlechten Grenzgarnisonen seine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Wenn selbst ein pflichttreuer Offizier 20 Jahre seines Lebens in einer solchen Garnison zubringen muß, so muß sein Dienst⸗ eifer erlahmen. Solche Offiziere bringen dann auch für die Aus⸗ bildung der Mannschaften nicht mehr die volle Berufsfreudigkeit mit. Der Hauptpunkt ist die Verhütung der Veralterung des Offizier⸗ korps. Es ist sehr mißlich, wenn die Ernennung zum Hauptmann und zum Stabsoffizier erst in einem vee vorgerückten Lebensalter erfolgt. Es war vorhin von Jena die Rede. Die Ur⸗ sache für die Niederlage von Jena lag nach Feststellungen, die 1906 erfolgten, vor manchem anderen in dem zu hohen Alter der Kompagnie⸗ und Eskadronchefs. Die Armee darf nicht überaltern; das Springersystem, das jetzt eingeführt worden ist, ist not⸗ wendig, aber es hat anderseits auch seine Gefahren, indem hier und da Protektions⸗ und Konnexionsrücksichten den Ausschlag geben können. In einigem Umfange wird ja durch die vorgeschlagene Neuschaffung von Offiziersstellen gebracht; auch die beiden neuen Land⸗ wehrinspektionen haben unseren Beifall; alle diese Vorschläge werden nicht bloß ihre organisatorische Bedeutung haben, sondern auch in der Richtung der Verbesserung des Avancements wirken. Was die Novelle zum Flottengesetz betrifft, so heißen wir ihre Vorschläge gut. Wir werden unsere Flottenpolitik, die keine aggressive ist, wie bisher nach unseren eigenen Bedürfnissen einzurichten haben. Unter die Frage der englisch⸗deutschen Beziehungen können wir jetzt einen Strich machen, nachdem der englische Marineminister erklärt hat, daß die englische Flottenrüstung nicht nur auf Deutschland, sondern auch auf die Maßnahmen anderer maritimen Mächte Rücksicht nehmen muß. Die Verdienste des Flottenvereins und des Alldeutschen Verbandes erkenne ich durchaus an, ebenso aber auch das historische Verdienst des Admirals von Tirpitz, des großen Organisators der deutschen Flotte, der es verstanden hat, als kluger Mann dem Ueberschwange dessen, was in jenen Verbänden zutage trat, zu steuern. Der Ausgangs⸗ punkt für die Verstärkung der Flotte und des Heeres liegt ja in den Marokkowirren; blitzartig ist damals die internationale Gefahr vor unseren Augen erschienen. Infolge der Entwicklung dieser Affäre ist zweifellos in Frankreich der nationale Chauvinismus mächtig ge⸗ wachsen, wie selbst die „Leipziger Volkszeitung“ und der „Vorwärts“ haben anerkennen müssen. Erkennt man das aber als richtig an, so muß man auch für Deutschland die Konsequenz ziehen und darf die Vorbereitungen für den Verteidigungskrieg nicht in sentimentaler Weise unterlassen. Die Entscheidung in einem Weltkrieg wird immer auf dem Kontinent fallen. Unsere Marokkopolitik war von dem Gedanken beherrscht, daß die Beseitigung dieser Wirren eine Zeit ewigen Friedens herbeiführen werde; wir haben 1.““ egen⸗ seitige Freundschaftsbesuche von kommunalen Behörden usw. en. und das Ende sind diese Wehrvorlagen! Wir stimmen für die Vor⸗ lage vorbehaltlich der Prüfung im einzelnen, und wir hoffen daß die Erhöhung unserer Wehrkraft etwaige Kriegsgelüste anderer Nationen dämpfen wird.
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): In bezug auf die geschäftliche Behandlung stimmen wir den Vorschlägen des Abg. Bassermann zu. Wenn aber die Vorlage vor Phnssten nicht mehr sollte zu erledigen sein, so trifft die Schuld die ver⸗
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iger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
1912
bündeten Regierungen. Wir sind ja an die Behandlung seitens der eichsregierung gewöhnt. Bereits seit November vorigen Jahres “ sie, deß derartig bedeutende Vorlagen kommen würden, sie hat Monate verstreichen lassen, und jetzt erst die Vor⸗ lagen gemacht. Und jetzt drängt man und treibt einen wahren Raub⸗ ban mit der Arbeitskraft des Reichstages nach dem Rezept: Friß Vogel oder stirb! Fast sämtliche Parteien des Hauses si 1
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1— ind mit dieser Behandlung durch die Regierung unzufrieden. Der Reichstag wird auf Mittel und Wege sinnen müssen, um eine derartige Behandlung abzustellen. Was nun die Vorlage selbst betrifft, so werden wir bereit bein um mit dem Reichskanzler zu sprechen, in ruhiger und ernster E“ ohne jede taktische Parteispekulation die Vorlage zu prüfen und zu bewilligen, was notwendig ist. Diese Prüfung ist um so notwendiger, als die Motive das Mangelhafteste sind, was uns je vorgekommen ist. Den Standpunkt des Grafen Posadowsky und des Abg. Herzog, daß das hier einfach eine Frage des Vertrauens gegen die Militärverwaltung sei, können wir nicht einnehmen. Da wäre das Parlament auf dem wichtigsten Gebiet überflüssig, es könnte seine Tätigkeit auf Diesem Gebiete einstellen. Zwischen blindem Vertrauen und blindem Mißtrauen ist doch eine sehr große Kluft vorhanden, und die nennt sicbetttisch⸗ genaue und sachliche Prüfung. (Zuruf von rechts.) Es scheint ein Herr zu sein, der bis jetzt ge⸗ schlafen hat. Die Entwicklung hat unserem verstorbenen Euger Richter recht gegeben, daß endlich mit dem alten Zopf der Bindung des Etats gebrochen werden muß, zumal sich doch die Regierun
sie niemals gekehrt hat und es auch jetzt nicht tut. Diese Bindung geht einfach aus dem Mißtrauen gegen den Reichstag hervor, und das ist vollständig falsch. Es ist ein Nachteil für eine Flotte, wenn man in einer derartigen Weise den Schiffsbau durch ein Gesetz festlegt. Der Staatssekretär von Värbis wird mir zugeben, daß es scbr,. wer ist, solche Bindung taktisch durchzuführen, weil die Technik so schnell fort schreitet. Ebenso ist es bei der Armee. Was soll man bei solche Bindungspolitik von der Weitsichtigkeit der Regierung denken? Sogar der Präsident des Wehrvereins, Generalmajor Keim, hat gefragt, wie es möglich sei, daß schon binnen einem Jahre die Bindung über den Haufen geworfen werden muß. Entweder hat die militärische Ver⸗ waltung schwere Unterlassungssünden begangen, oder die Gefahr der jetzigen Situation wird unter dem Druck auswärtiger Momente allzu gewaltig übertrieben. Es 8 sich gar nicht leugnen, daß das Sicher heitsgefühl der Völker gewaltig und gewaltsam im Laufe der letzten Jahre erschüttert wurde. Die Erregung dieser internationalen Nervosi⸗ tät in allen Kulturländern wurde miterzeugt durch eine Agitation von Chauvinisten, der mit aller Schärfe entgegenzutreten eine ge⸗ meinsame Pflicht aller Parlamente und Regierungen ist. So sind internationale Taktlosigkeiten selbst von Mitgliedern dieses Hauses begangen worden. So sind über verbündete Armeen bedenkliche Aeußerungen gefallen. Sehen denn die Herren nicht ein, wohin 1 uns damit treiben? (Zuruf: Wer ist es?) Ich will keine Namen nennen, der Herr wird so rot, daß man ihn ohne weiteres erkennt. Man stellt unsere Armee so hin, als ob sie nichts taugt, preist daber die französische und liefert dabei Wasser auf die Mühlen der S. schen Chauvinisten. Deshalb kann die „France militaire“ solche Ar⸗ tikel schreiben, die auch in englische Blätter übergehen. Die Frage zu beantworten, ob sich im 8r Jahre die europäische Mächte⸗
konstellation so geändert hat, daß diese Vorlage nötig ist, wird durch derartige Dinge außerordentlich erschwert. Mit außerordentlicher Genugtuung muß konstatiert werden die Bemerkung eines hochange⸗ sehenen Mitgliedes des englischen Parlaments, die “ wirkt. Niemals hat der Kanzler größere Zustimmung gefunden hier im Parlamente, als er von den Verhandlungen mit England Mitteilung machte. Es wäre sehr zu bedauern, wenn sie jetzt auf den toten heh ehe . sind. Die Völker in einen pathologischen auto-“ uggestiven Zustand zu hetzen, ist verwerflich. Die lärmenden Minder⸗ heiten, die bei uns derartiges tun, sitzen dem Kanzler viel näher Wir haben das Zutrauen zu der Vernunft der Völker, daß sie diese Krise überwinden. Wir freuten uns, als der Kanzler 84 Abg. von Heydebrand zurückwies, indem er erklärte, daß es ihm bitter h sei, mit anderen Völkern in Frieden zu leben. Die Nachrichten von schweren Unstimmigkeiten vesiee einzelnen Ländern sind nicht neu, und von dem Hescht punnt⸗ aus mässen wir betonen, daß wir die Tätigkeit der Presseabteilung des Reichsmarineamts für 1 lich bedenklich halten. Man kann sie sogar als unerträglich bezeichnen. Was die materiellen Forderungen anlangt, so stehen wir den tech⸗ nischen durchaus sympathisch gegenüber. Das Beste und Zeit⸗ gemäßeste, was es an Ausrüstung gibt, ist für unsere Armee gerade gut genug. In dieser Beziehung sind wir uns der schweren Verant⸗ wortung vollständig bewußt. Auch wir legen größten Wert auf so⸗ fortige Kriegsbereitschaft. Ohne eine solche ist unser gewaltiges Wasser und zu Lande nur ein Messer ohne Klinge. ie Verpflichtung der gewissenhaftesten Prüfung ist um so größer, als wir uns darüber klar sind, daß es bei den 880 Millionen, die im ganzen gefordert werden, nicht sein Bewenden haben wird. Man spricht bereits von einer stärkeren Heranziehung unserer Reserve zu Uebungen, und das Beispiel, das uns Frankreich auf diesem Gebiete gibt, derf nicht unbeachtet bleiben. Dann der Unterofsieessaz und die Fortschritte der Technik, die Ergänzungen notwendig machen, der Ersatz der Bespannung für unsere Feldartillerie usw. Die Lastenver⸗ mehrung ist eine ganz ungeheuerliche, und um so mehr hat der Reichs⸗ tag die Pflicht, zu verlangen, daß der Schrei nach Sparsamkeit end⸗ lich gehört wird. Nur eine Reform der körperlichen Erziehung unserer männlichen Jugend wird es ermöglichen, die allgemeine Wehr⸗ pflicht durchzuführen, ohne daß die Kosten steigen. Ohne den guten Willen der Militärverwaltung ist eine Sparsamkeitsaktion nicht möglich. Die Militärverwaltung muß uns darin mehr entgegen⸗ kommen, als es in den letzten 10 Jahren geschehen ist. Es hat bei ihr in Futem Willen in dieser Beziehung gefehlt. Sie hält an dekora⸗ tiven Geschichten mit großer Zähigkeit fest. Wir haben ein ganzes Bündel von Wünschen, mit denen wir ganz bedeutende Ersparnisse einleiten könnten. 1908 war es Fürst Bülow, der dem Reichstage eine dereeg. Sparsamkeitsaktion von seiten der Reichsregierung versprochen hat. Die Regierung hat diesen Wechsel nicht eingelöst, andere Ressorts auch nicht. Wir können deshalb nicht in Bausch und Bogen diese Riesenbelastung des Volkes ohne weiteres annehmen. Selbstverständlich begrüßen wir die Erhöhung der Mannschaftslöhne und sind vollständig mit dem Vorschlag des Zentrums einverstanden, diese schon vom 1. Oktober ab eintreten zu lassen. Große Bedenken haben wir nun aber bezüglich der wichtigsten, der Deckungsfrage. Hier ist erst recht die allerpeinlichste Gewissenhaftigkeit notwendig. Wir haben auch keine 48 für Bewilligung von Steuern auf Vorrat, auch wir besitzen die Steuerscheu, von der der Schatzsekretär sprach; wir wollen aber auch nicht mit offenen Augen das alte Finanz⸗ elend des Reiches wieder heraufbeschwören. ie Streckung der Einnahmen mag ja für das Jahr 1912 stimmen, wenn auch die Zucker⸗ steuer zu hoch angesetzt ist; aber ist denn diese ganze Milchmädchen⸗ rechnung eine 1“ als momentane? Tatsächlich sind die Voraus⸗ setzungen dafür schon jetzt nicht mehr vorhanden. ie sich doch die Verhältnisse und Menschen ändern können! Als Reklameschild für das Reichsschatzamt möchte ich vorschlagen: „Hier wird eine unüber⸗ treffliche Stimmungsschnellmalerei getrieben!“ Weiß, schwarz, rot, je nach Bedarf. Ich sehe noch Herrn Wermuth die Hände ringen, als wir die 9 Millionen für die Ferähfäbeng der Altersgrenze für die Invalidität von 70 auf 65 Jahre “ 8 die Verweigerung unserer Forderung für die armen öchnerinnen setzte man geradezu das kulturelle Niveau Deutschlands herunter. (Stürmischer Wider⸗ spruch rechts und im Zentrum. Lebhafte Zurufe.) Gerade weil man