1912 / 101 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 26 Apr 1912 18:00:01 GMT) scan diff

achte. Und drittens hat ebenfalls Herr⸗ Abg. Korfanty auf Grund eines Falles gesagt, dem Minister sei infame Rechtsbeugung vorzuwerfen, weil er nicht das Nötige gegen einen Landrat veranlaßt habe, der das Recht mit Füßen getreten habe. Meine Herren, das sind zwei Be⸗ schuldigungen, die nicht etwa gegen die in erster Instanz zur Entscheidung berufenen Behörden erhoben worden sind, sondern gegen die Staatsregierung an sich, gegen mich als Inhaber, als Ver⸗ treter des Ressorts des Innern, und auch gegen andere höhere Be⸗ hörden. Ich bin daher den dortigen Fällen nachgegangen und habe folgendes Ergebnis ermittelt. In 8 Fällen schwebte das Verfahren noch, sodaß überhaupt nicht angegeben werden konnte, ob nicht Remedur eintreten würde, und die vorgebrachten Fälle nicht durchaus richtig be⸗ handelt worden seien. In 4 Fällen hat sich der Sachverhalt über⸗ haupt nicht ermitteln lassen, weil Vorkommnisse da vorgebracht worden sihd, die sich nicht ermitteln ließen, weil entweder die Namen der Orte, wo ich die Sachen zugetragen haben sollen, nicht existieren (Heiterkeit rechts), der die Verwaltungsbehörden nicht mit der Sache befaßt waren. (Erneute Heiterkeit rechts.) 18 Fälle haben sich allein 1909 und 1910 abgespielt. Ich vermute, daß darunter ein Teil der heute erwähnten sich befinden, ie also längst hier im Parlament vorgebracht werden und ihre Er⸗ edigung gesunden haben konnten. In 12 Fällen ist gegen den an, eblich gesetzwidrigen Bescheid überhaupt keine Beschwerde erhoben orden, sodaß auch die in erster Reihe angegriffenen oberen Instanzen nit der Sache nicht befaßt worden waren. In zwei weiteren Fällen st eine weitere Beschwerde gegen den Bescheid des Landrats nicht rhoben. In drei Fällen haben die ordentlichen Gerichte die Auf⸗ assung der Poltzeibehörden ausdrücklich anerkannt und in acht Fällen tehen die Entscheidungen ganz zweifellos im Einklang mit dem Gesetz und den in letzter Instanz ergangenen richterlichen Entscheidungen. In zwei Fällen handelte es sich überhaupt nicht um Verfügungen ereinsgesetzlicher Natur, sondern in dem einen um eine baupolizeiliche Ver⸗ gung, in einem anderen um eine gewerbepolizeiliche. (Heiterkeit rechts.) In drei Fällen haben die Versammlungen tatsächlich stattgefunden, was von den Herren im Reichstag gar nicht erwähnt worden ist. In 0 Fällen haben die Verwaltungsbehörden, und zwar in 6 Fällen ereits der Landrat und in 4 Fällen der Regierungspräsident, Remedur uf Beschwerde eintreten lassen, in 7 Fällen hat die Untersuchung die bfolute Unrichtigkeit der im Reichstage erwähnten Tatsachen ergeben. Ich glaube, meine Herren, es ist von Interesse, drei Fälle, die amals vorgebracht worden sind, vorzutragen, in denen sich die absolute Unrichtigkeit der erhobenen Beschwerden ergeben hat. Im dem inen Fall war behauptet worden, daß die Genehmigung einer öffent⸗ lichen Versammlung untersagt worden sei, weil an dem betreffenden Sonntage das heilige Abendmahl stattfände. Die Untersuchung hat er⸗ eben, daß die Anmeldung der fraglichen Versammlung seinerzeit von dem Bürgermeister mit der Bitte dem Antragsteller zurückgegeben worden st, die Versammlung wegen der Feier des heiligen Abendmals auf inen der nächsten Sonntage zu verschieben. Der Einberufer der mehr Empfindung für das religiöse Gefühl der Bevölkerung hatte als der Beschwerdeführer im Reichstage (Heiterkeit rechts) hat diesem Wunsche ohne weiteres stattgegeben. (Hört, hört! rechts.) Weder ist in Verbot erlassen, noch ist irgend welche Beschwerde erhoben worden. Hört, hört!) Der Abg. Korfanty hat in einem Falle behauptet und zwar m vorigen Jahre im Landtage und demnäͤchst im vorigen Herbst auch m Reichstage —, daß in Birkenhain in Oberschlesien die Genehmi⸗ ung zu einer öffentlichen Versammlung vom Amtsvorsteher versagt worden sei, weil das Grundstück zu klein sei, besonders aber nd hier sagte der Abg. Korfanty: „Ich zitiere wörtlich’⸗ weil sich bei den Teilnehmern gewisse Bedürfnisse melden önnten, zu deren Befriedigung sie auf Nachbargrundstücke bertreten würden, was Streitigkeiten und damit eine Gefährdung er öffentlichen Sicherheit zur Folge haben könnte. Das ist der Fall des Herrn Abg. Dr. Pachnicke, den ich in der Budgetkommission m Auge hatte, wo ich ausführte, daß die Beschwerde nicht zutreffend ei. Meine Herren, es hat sich nun herausgestellt, daß nicht ein Wort von der ganzen Bedürfnisfrage (Heiterkeit) in dem Bescheide teht (hört, hört!), daß die Gewährsmänner des Abg. Korfanty sich as vollkommen aus den Fingern gesogen haben, und daß der Abg. Korfanty vielleicht in etwas übereilter Weise, in dem Wunsche, die taatlichen Behörden lächerlich zu machen, sich darauf eingelassen hat, iese angebliche Beschwerde weiter zu tragen. Die Beschwerde ist ediglich abgelehnt worden mit Rücksicht auf die Lage und die zu geringe Größe des Grundstückes und den Zwiespalt zwischen der polnischen und er deutschen Bevölkerung, der bei den letzten Wahlen bereits zu Tätlich⸗ eiten geführt hat, also ein sachlich ganz korrekt begründeter Bescheid, von dem man zweifelhaft sein kann, ob er haltbar ist, der aber jedenfalls die Kritik nicht verdient, die der Abg. Korfanty ihm zweimal, und war hier im hohen Hause und dann im Reichstage, hat zuteil werden assen. Dann, meine Herren, hat der Abg. Korfanty noch folgendes im Reichstage zur Sprache gebracht:

Ich habe am 28. August um die Genehmigung einer derartigen Versammlung in Sternalitz im Kreise Rosenberg nachgesucht. Leute, die meine persönlichen Bekannten sind, haben sich riesig gefreut, daß bei ihnen endlich einmal eine politische Versammlung stattfinden soll. Es war eine der ersten Versammlungen, die ich im Kreise Rosenberg anmeldete, 6 auf einmal. Als der Landrat von Rosen⸗ berg die Nachricht bekam, daß der Korfanty 6 Versammlungen im Kreise Rosenberg anmeldet, da war eine große Beratung. Der Landrat berief sich den Kreistierarzt (Heiterkeit), den Kreisarzt, den Kreisbaumeister, wahrscheinlich alle Potentaten dieses kleinen Ortes, um zu beraten, was zu geschehen habe, um die Versammlung zu hintertreiben. Sie finden Diphtheritis, Maul⸗ und Klauenseuche, aber auch andere Mittel wurden angemeldet. So wurde nach dem Orte Sternalitz der Beamte des Landrats gesandt. Dieser berief die Bauern zusammen und sagte zu ihnen: Wenn der Korfanty bei Euch eine Versammlung hält, paßt auf. Ihr habt eine neue Schule zu bauen, und die Königliche Regierung wird Euch die Subvention zum Bau der Schule versagen. Es wird eine Sitzung der Gemeindeversammlung einberufen, und der Besitzer, der mir den Grund und Boden zu der Versammlung hergeben wollte, ver⸗ steckt sich, aber der Lehrer, der in diesem Falle Gemeindeschreiber ist, läßt üͤberall herumsuchen. Schließlich finden sie ihn. Die Gemeinde schickt an mich eine Petition des Inhalts, ich möchte doch mit Ricksicht darauf, daß ihr die Subvention zum Bau der Schule entzogen werden könnte, von der Versammlung absehen;

(Hört, hört!)

weder mit noch ohne Auftrag in der fraglichen Angelegenheit nach Sternalitz

brechen, die Kommunalsteuern müßten um so viel erhöht werden. Dieser Grundeigentümer schreibt an mich einen polnischen Brief und sagt: Nehmen Sie es mir nicht übel, aber der Lehrer kam, es war vom Landrat ein Beamter da, ich mußte es versagen, das Herz hat mir geblutet, daß ich mich so weit erniedrigen mußte, aber ich kann nicht, ich würde es in der Gemeinde nicht aushalten.

Ich lege die Beweise für diese infamen Rechtsbeugungen seitens des Landrats im Kreise Rosenberg auf den Tisch. Dann führt der Abg. Korfanty noch aus: Ich bin damit einverstanden, er war zur Ordnung gerufen worden aber ich hoffe, daß der Landrat des Kreises Rosenberg auch in Zukunft das Recht beachten wird, das er hier mit Füßen getreten hat. Ich habe für meine Behauptungen Beweise erbracht, und wenn ich mich an den Minister des Innern von Preußen gewandt und ihm das mitgeteilt habe und der Minister nicht das Nötige veranlaßt hat, so habe ich keinen anderen Ausdruck für diesen Mann. Meine Herren, es ist festgestellt worden, daß der Landrat, der so öffentlich beleidigt worden ist, zu der fraglichen Zeit längst beurlaubt gewesen ist. Es ist festgestellt, daß ein Beamter des Landratsamts sich

begeben hat. Der Gemeindevorstand und der Gemeindeschreiber haben zu Protokoll erklärt, daß ihnen von keiner Seite mit der Entziehung der Beihilfen gedroht worden sei. Die große Beratung bestand darin, daß der Vertreter des Landrats die über das Versamlungsverbot er⸗ hobene Beschwerde dem Kreisarzt und dem Kreistierarzt zur Aeuße⸗ rung zugeschrieben hat. (Hört, hört! rechts.) Meine Herren, die Rechtsbeugung soll darin bestanden haben, daß ich auf eine Mittei⸗ lung das Nötige nicht veranlaßt habe. Ich möchte nun prinzipiell einmal klarlegen, daß ich gesetzlich, wenn die Einberufer von Ver⸗ sammlungen telegraphisch Beschwerden an mich richten, ohne weiteres diesen Beschwerden gar nicht stattgeben und einen Be⸗ scheid der zuständigen Ortspolizeibehörde gar nicht aufheben kann; denn gesetzlich ist die Entscheidung der Ortspolizeibehörde über⸗ tragen, und nach unseren bestehenden Gesetzen kann auch die Be⸗ schwerde nur im instanzmäßigen gesetzlich vorgesehenen Zuge weiter⸗ geführt werden, die versehentlich bei einer höheren Instanz eingelegte Beschwerde muß vielmehr der zur Entscheidung gesetzlich berufenen Instanz vorgelegt werden.

Herr Abg. Korfanty konnte also gar nicht erwarten, daß ich auf eine von ihm telegraphisch an mich gerichtete Beschwerde über eine polizeiliche Verfügung, über die der Landrat bezw. in 2. Instanz der Regierungspräsident gesetzlich zu entscheiden hat, ohne die Herren gehört zu haben, Entscheidung treffen würde. (Sehr richtig! rechts) Er kann sich daher nicht darüber wundern, daß ich die Sache an die zuständige Behörde zur Entscheidung abgegeben und ihm davon Mit⸗ teilung gemacht habe. Wollte ich auf solche einseitigen Vorbringungen des Abg. Korfanty eingehen, dann könnte ich überhaupt einen Rund⸗ erlaß an alle Amtsvorsteher und Ortspolizeibehörden richten, daß jeder Antrag des Abg. Korfanty auf Einberufung einer Versammlung von vornherein ohne Prüfung genehmigt werden müsse. (Sehr gut! rechts.)

Meine Herren, ich habe geglaubt, Ihnen diese vielleicht etwas zu breiten und zu langen Ausführungen machen zu müssen, weil an die Verhandlungen des Reichstags ganz weitgehende Konsequenzen ge⸗ knüpft worden sind. Es liegt mir ja durchaus fern, bestreiten zu wollen, daß tatsächlich in den ersten 3 Jahren seit dem Inkrafttreten des Reichsvereinsgesetzes wiederholte und mannigfache Miß⸗ griffe und Verstöße vorgekommen sind. Ich weise aber darauf hin, daß das Reichsvereinsgesetz sich zwar eng anschließt an das frühere preußische Vereinsgesetz, daß es aber doch ganz wesentliche Verschiebungen in bezug auf die Machtbefugnisse der Ortspolizei⸗ behörden gegenüber den Veranstaltern von Versammlungen gegen früher enthält. Darauf dürfte unschwer ein nicht geringer Teil der Verstöße und Mißgriffe zurückzuführen sein; denn wenn erfahrungs⸗ mäßig jedes neue Gesetz, wenn es den bei seiner Redaktion Be, teiligten noch so einwandfrei und zweifelsfrei erschienen sein mag, doch demnächst nach seinem Inkrafttreten zu allerhand unvor⸗ gesehenen Zweifeln und Mißverständnissen Anlaß gibt, so mußte das umsomehr bei dem neuen Reichsvereinsgesetz der Fall sein, als dieses Gesetz nicht nur mit einer langjährigen, fest eingebürgerten Praxis in Preußen gebrochen hat, sondern eine Reihe neuer Begriffe und Kriterien aufgestellt hat, die noch dazu dem subjektiven Ermessen für die Beurteilung der besonderen Verhältnisse jedes Einzelfalls einen sehr weitgehenden Spielraum gewähren. Es konnte daher nicht aus⸗ bleiben, daß darüber, ob gemäß § 7 des Vereinsgesetzes eine Ver⸗ anstaltung unter freiem Himmel zu genehmigen oder zu versagen sei, mancherlei Zweifel und Bedenken hervorgetreten sind, daß auch Ent⸗ scheidungen gefällt worden sind, die demnächst bei der Nachprüfung vom Oberverwaltungsgericht aufgehoben worden sind.

Durch die Judikatur des Oberverwaltungsgerichts und der sonstigen Gerichte ist eine gewisse Klärung über die Voraussetzungen des § 7 des Reichsvereinsgesetzes inzwischen eingetreten. Ich habe daher und das hat Herr Abg. Pachnicke auch vorhin bereits er⸗ wähnt bereits im September vorigen Jahres einen Erlaß an die Regierungspräsidenten abgesandi, in dem sie ersucht werden, die zur Entscheidung zuständigen Behörden auf die inzwischen bekannt ge⸗ wordene Judikatur des Oberverwaltungsgerichts aufmerksam zu machen und sie auf die Verpflichtung hinzuweisen, bei entstehenden Zweifeln über die Genehmigung einer Veranstaltung unter freiem Himmel sich ausschließlich von dem im Gesetz selbst angegebenen Gesichtspunkte der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit leiten zu lassen, gleichviel, ob sonstige Bedenken obwalten mögen oder nicht.

Meine Herren, eine Ergänzung dieses Erlasses hat demnächst im November v. J. stattgefunden aus Anlaß von Meinungsverschieden⸗ heiten, welche sich darüber herausgestellt hatten, ob das Reichsvereins⸗ gesetz eine Aenderung der Bestimmungen über die Polizeistunde herbei⸗ zuführen geeignet sei oder nicht. Bei dieser Gelegenheit habe ich aus⸗ drüͤcklich die einzelnen, häufiger vorgekommenen Verstöße und Miß⸗ griffe einzeln aufgeführt und die Regierungspräsidenten ersucht, die zur Entscheidung berufenen Behörden darauf aufmerksam zu machen und ihrerseits mit aller Energie dem entgegenzuwirken, daß eine Wieder⸗ holung solcher Mißgriffe in Zukunft vorkommen möge. Ich habe sie ersucht, nicht nur mit dem schriftlichen Verkehr sich zu begnügen, sondern da, wo es nötig sein sollte, eine mündliche Be⸗

Pflicht gemacht, die Handhabung des Gesetzes durch die ihnen unterstellten Behörden dauernd von Amts wegen zu über⸗ wachen instanzmäßig zu ihrer Kenntnis gelangenden Beschwerden zu beschränken. Ich habe endlich darauf hingewiesen, daß, wenn trotzdem in Zukunft schuldhafte oder auf Willkür oder Schikane zurückzuführende Fehl⸗ entscheidungen ergehen sollten, auch unnachsichtlich mit Disziplinar⸗ maßnahmen vorgegangen werden sollte. Ich begreife nicht, wie Herr Abg. Pachnicke diesen Anweisungen gegenüber behaupten kann, daß die preußische Staatsregierung, die oberen Behörden und namentlich auch die Zentralinstanz nicht den Ernst der Sache erkannt haben und nicht das Ihrige getan haben, um dafür zu sorgen, daß die nun einmal be⸗ stehenden reichsgesetzlichen Bestimmungen auch in Preußen tunlichst einwandfrei zur Geltung gelangen.

und sich dabei nicht lediglich auf die Prüfung der

(Sehr gut! rechts.) Meine Herren, ich glaube auch nicht, daß in Zukunft die Klagen

und Beschwerden über die Handhabung des § 7 völlig aufhören werden. Denn bei dem weiten Spielraum, den die Worte „wenn Gefahr für die össentliche Sicherheit zu befürchten ist“ dem subjektiven Ermessen für die Beurteilung jedes Einzelfalles überlassen, und bei der großen Ver⸗

schiedenartigkeit der Verhältnisse in jedem einzelnen Falle kann es gar nicht ausbleiben, daß bei der Versagung unter Umständen Meinungs⸗ 8 verschiedenheiten darüber entstehen werden, ob die Summe derjenigen 8

Momente, welche für die Versagung sprechen, ausreichen, um die Be⸗

fürchtung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu rechtfertigen.

(Sehr richtig! rechts.) Jedenfalls aber kann man doch wohl hoffen, daß die Zahl derjenigen Bescheide, welche zu erfolgreicher Anfechtung 8 Anlaß geben, sich in Zukunft vermindern wird.

Meine Herren, der Herr Abg. Pachnicke hat dann die Frage der Wahlrechtsreform berührt. Nach seinen Ausführungen wie auch schon nach früheren Ausführungen, die bei anderen Ver⸗ handlungen in diesem Hause erfolgt sind, könnte es beinahe den Anschein gewinnen, als ob die Staatsregierung nicht ernstlich be⸗ müht gewesen sei, die in der Thronrede vom Jahre 1908 angekündigte Absicht einer organischen Fortentwicklung des bestehenden Wahlrechts 3 zu verwirklichen, als ob insbesondere die im Jahre 1910 von der Staatsregierung eingebrachte Wahlrechtsvorlage eine Ausführung der in der Thronrede angekündigten Absicht nicht enthalte. Mein Herren, um einer Legendenbildung vorzubeugen, will ich ausdrücklich feststellen, daß der im Jahre 1910 eingebrachte Wahlrechtsentwurf vollkommen den Intentionen der Thronrede von 1908 (hört, hört! bei den Sozialdemokraten) und den zu ihrer Erläuterung von dem Herrn Ministerpräsidenten abgegebenen Erklärungen entsprochen hat (Sehr richtig! rechts.) Nachdem nun der in Ausführung der Thron rede von 1908 von der Staatsregierung eingebrachte Wahlrechtsentwur an dem Widerstreit der Meinungen in diesem hohen Hause gescheitert i muß die Königliche Staatsregierung das Recht für sich in Anspruch nehmen, nach pflichtmäßigem eigenen Ermessen darüber zu befinden wann ihr der Zeitpunkt für die Wiederaufnahme der Wahlrechtsvor⸗ lage gekommen zu sein scheint. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, die Gründe, welche der Staatsregierung den gegenwärtigen Zeit punkt als nicht geeignet erscheinen ließen, habe ich der ersten Lesung darzulegen mir erlaubt. Ich glaube auch nicht, daß so manche Erscheinungen des politischen Lebens in neuerer Zeit irgendwie dazu beitragen können (Heiterkeit rechts) den gegenwärtigen Zeitpunkt (hört, hört! bei der fortschrittliche

die veränderte Stellungnahme einzelner bürgerlicher Parteien zur Sozialdemokratie (sehr gut! und Heiterkeit rechts Lachen links), an die recht verworrene Situation anderer bürgerlichen Parteien zueinander —, also ich glaube nicht, daß diese Erscheinungen dazu angetan sind, den gegenwärtigen Zeitpunkt als besonders geeignet erscheinen zu lassen (lebhafte Zustimmung rechts), eine Aktion in die Wege zu leiten, deren befrledigender Abschluß doch zweifellos dadurch bedingt ist, daß sie von der Zustimmung der großen bürgerlichen Parteien dieses Hauses getragen wird. (Sehr gut! rechts Zuruf bei den Sozial⸗ demokraten: Doch die dringendste Aufgabe der Gegenwart!)

Meine Herren, am allerwenigsten scheinen mir aber diejenigen Parteien, die überhaupt eine Wahlrechtsreform im Sinne der Thron⸗ rede gar nicht wollen, die ganz andere Absichten verfolgen (Zu⸗ stimmung rechts), ein Anrecht zu haben, unter Berufung auf die Thronrede auf die baldige Inangriffnahme der Wahlrechtsfrage hinzudrängen. (Sehr richtig! und Bravo! rechts) Es ist in der Ta eine eigentümliche Erscheinung, daß gerade diejenigen Parteien sich imme wieder auf die Thronrede berufen, die sich durch die in der Thronred von 1908 angekündigte organische Fortentwicklung des bestehende preußischen Wahlrechts für nicht befriedigt erklärt haben, die vielmehr schlechthin gegen den Willen und den Wortlaut der Thronrede die Einführung des Reichstagswahlrechts verlangen, (sehr richtig! und Bravo! rechts) die immer wieder betont haben, daß sie nicht eher ruhen und rasten werden, (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) bi dieses Ziel erreicht sei. (Wiederholtes sehr richtig! bei den Sozial demokraten. Lachen rechts.) 2

Meine Herren, noch eins! Darüber, daß die dauernde Agitation für das Reichstagswahlrecht, wie sie durch die immer wiederkehrende Einbringung der Wahlrechtsanträge der Herren Aronsohn und Ge⸗ nossen betrieben wird, nur geeignet ist, der Wiederaufnahme der Wahl⸗ rechtsvorlage Hemmnisse in den Weg zu legen (Widerspruch links sehr gut! rechts), kann doch kein Zweifel bestehen. Meine Herren, denn daß der Zweck einer Wahlrechtsreform ganz wesentlich darin be⸗ stehen muß, eine auf absehbare Zeit dauernde Regelung zu treffen, die geeignet ist, auch eine Beruhigung der durch die langjährige Agi⸗ tation erhitzten Gemüter herbeizuführen, liegt doch auf der Hand.

Zweck nicht erreicht werden wird, weil sie nicht eher ruhen werden, als bis das von ihnen verlangte weitergehende Reichstags⸗ wahlrecht oder noch radikalere Bestimmungen zur Durchführun gelangt sein werden, so fällt naturgemäß ein recht wesentliches Moment für die baldige Inangriffnahme der Wahlrechtsvorlage for Uebrigens können die freisinnigen Herren Antragsteller sich meine Dafürhaltens auch nicht darauf berufen, daß die dauernde Wieder holung dieser Anträge geeignet sei, zu einem praktischen Erfolg na dieser Richtung hin zu führen. Das ist angesichts des Wortlaut der Thronrede und der wiederholt von der Staatsregierung hierz abgegebenen Erklärungen nicht wohl möglich. Um aber jeden Zweife nach dieser Richtung hin zu beseitigen, möchte ich heute nochmal ausdrücklich aussprechen, daß die Uebernahme des Reichstagswahlrecht auf Preußen nach wie vor für die preußische Staatsregierung nicht

denn es würde ein unsägliches Unglück über die Gemeinde herein⸗

lehrung eintreten zu lassen, und es ihnen zur

besonderen

in Frage kommen kann. (Lebhafter Beifall rechts.)

Von den russischen Beamten werden fortgesetzt die schwersten Ueber⸗

Volkspartei und bei den Sozialdemokraten) ja, ich erinnere an 8

Wenn nun die Freisinningen immer wieder betonen, daß dieser

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Vor kurzer Zeit hat der Minister gegen Beamte die schärfsten Worte gesprochen, und derselbe Minister schüttet heute nur christliche Sanftmut über die Beamten die Verstöße gegen das Vereins⸗ und Versammlungsrecht begangen haben. Der Minister stellt diese Verstöße nur dar als eine gott⸗ wollte Abhännigkeit von der menschlichen Schwäche und der Ver. tändnislosigkeit für die Gesetze, an die sie sich noch nicht haben e⸗ wöhnen können. „Immer und immer ist das ceterum censeo der? e⸗ gierung die Bekämpfung der Sozialdemokratie; sogar der Verkehrs⸗ minister, hat neulich darin eine seiner ersten Aufgaben gesehen. Keine Partei hat die Elemente und Grundzüge des Staates so erkannt, wie die Sozialdemokratie. Das Wesen der jetzigen Staatsgewalt ist nichts als die brutale Exekution im Interesse der herrschenden Klasse, die Regierung ist im Schlepptau einer einzelnen großen Partei, als deren Beauftragte sie nur angesehen werden kann sodaß auch die bürgerliche Linke als Aschenbrödel behandelt wird. Das moderne reußen ist nichts anderes als das Preußen vor 50 und 100 Jahren, es gibt kein modernes Preußen, das ist ein Widerspruch in sich; man kann 88 Preußen e anwenden: plus elle a changé, lus elle est la même chose. Der Ministe im vorige Jahre erklärt, die Unterstellung der Freien Bültethat 11 Vereinsgesetz sei kein unfreundlicher Akt gewesen, sondern aus reiner Ordnungsliebe erfolgt. Aber der Minister bestätigt diese Ordnungsliebe nur einseitig, wenn es den Kampf gegen uns gilt. Das Vorgehen des Kultusministers gegen den Berliner Volkschor zeigt in gleicher Weise wie nur das Bildungsbestreben des Volks bekämpft werden soll. Man geht darauf aus, alle Arbeitervereine für politisch zu erklären, alle anderen Vereine sollen aber nicht politisch sen. Selbst der Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie wird zum nicht⸗ politischen Verein gestempelt, man trägt ihn in das Vereinsregister ein. Das ist wirklich, um auf die Bäume zu steigen! Der Bund der Landwirte soll ja auch ein unpolitischer Verein sein, man beabsichtigt, den Deutschen Wehrverein ebenfalls für einen nichtpolitischen Verein zu erklären. Die Vereine, die die Königstreue, die Sie meinen, die die Vaterlandsliebe, die Sie meinen, pflegen, sind nicht politisch, alle anderen politisch. Es ist ein Erlaß ergangen, daß alle, die bereits eine gewisse Führerrolle in der Sozialdemokratie eingenommen haben oder agitatorisch tätig gewesen sind, der Militärbehörde gemeldet werden sollen. Auch in den Führungsattesten der Polizei, allerdings nicht in denen, die der Staatsbürger in die Hand bekommt, sondern in denen, die zum Gebrauch der Behörden bestimmt sind, befindet sich ein gedruckter Passus: „Ueber seine Person und Führung ist Nachteiliges nicht zur Kenntnis gelangt, auch hat er nicht an sozialdemokratischen Bestrebungen teilgenommen“. So wird durch geheime Konduiten⸗ lisen unter Umständen einem Manne das Genick gebrochen, ohne daß ihm der Grund bekannt ist. Das politische Bekenntnis geht die Behörden aber gar nichts an, davon sollen sie ihre Finger weglassen!

riffe verübt. Wenn es sich um einen Deutschen in China oder onstwo handelt, wird sofort eine große Expedition ausgerüstet; —da ist das nationale Gefühl außerordentlich empfindlich. Warum nicht wenn es sich darum handelt, gegen die Beamten Väterchens zu protestieren? Erst vor wenigen Wochen ist wieder eine b? jährige Frau in Myslowitz verhaftet und nach Rußland aus⸗ gewiesen worden, um sie den Armen den Schergen auszuliefern. Ueber das Vereinsrecht hat der Abg. Dr. Pachnicke schon recht treffende Ausführungen gemacht. In der Rednerliste hat man den Abg. Pachnicke und mich hintereinander gesetzt der Abg. Pachnicke mag verzeihen, daß ich ihn in einem Atemzuge mit meinem Namen nenne —, damit der nachfolgende Redner Abg. von Zedlitz uns beide dann frisch, fromm, fröhlich in die Pfanne hauen kann, damit er wie ein Don Quichotte auf uns los⸗ zen kann. (Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Ich kann nicht zulden, daß Sie einen Abgeordneten als Don Quichotte bezeichnen.) Das dickste Aktenstück in unserer Registratur betrifft das Reichs⸗ tereinsgesez. In der Rede des Ministers ist der Absolutismus unserer Bureaukratie gegenüber den Staatsbürgern in denkbar kräftigster Weise zum Ausdruck gekommen. Es wird wieder nach einem Gesetz zum Schutze der Arbeitswilligen gerufen, nach einem neuen Zuchthausgesetz.. Dieser Forderung setzen wir die Forderung nach einem Gesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit ent⸗ gen. Das ist eins der nötigsten Gesetze, die wir brauchen. z dem Fall des Gewerkschaftskassierers Schabel in Friedrichs⸗ heg, der wegen Mordverdachts verhaftet worden ist, hat die Lichtenberger Polizei einen schweren Mißgriff begangen. Der Polizeipräsident von Berlin sucht nicht nur die Damen durch den Hutnadelerlaß zu entwaffnen, sondern auch die Zivilbevölkerung durch das Verbot des Waffenverkaufs zu entwaffnen, während die Polizei in jeder Weise bewaffnet wird. Berlin steht ordentlich unter dem Belagerungszustand, in manchen Bezirken wirken die Schutzmanns⸗ mtrouillen direkt provozierend mit ihrem Revolver an einem schreiend gelben Gurt. Der Schießerlaß hätte, wenn er auf das Apachentum abschreckend hätte wirken sollen, nicht als Geheimerlaß, sondern für die Oeffentlichkeit herauegegeben werden müssen. Der Minister hat sich mit der Verteidigung dieses Erlasses selbst geschlagen. Bei dem Streik im Ruhrrevier haben sich die christlichen Gewerk⸗ scaften als nichts weiter als gewöhnliche Streikbrecher erwiesen. (Der Redner geht sodann auf den Streik im Ruhrrevier ein und verliest eine ganze Reihe von Zeitungsberichten, darunter mehrere Berichte aus der „Rheinisch⸗Westfälischen Zeitung“. Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Sie können doch unmöglich die ganzen Zeitungen vor⸗ lesen!) Die Schutzleute und das Militär sind herangerufen worden, um mit ihrer Plempe und mit den Maschinengewehren diese Streik⸗ brecher zu schützen. Der Minister hat sich bei der Inter⸗ pellation üͤber den Bergarbeiterstreik auf Hammerstein und ähnliche pölizeiberichte berufen, die ein durchaus falsches Bild von den Zu⸗ sänden im Ruhrrevier gegeben haben. Die weitaus größte Zahl der [Celikte ist gegen streikende Arbeiter begangen worden. In Charlotten⸗ burg hat eine Konferenz der Nbge stattgefunden. Welchen Zweck hat diese Konferenz gehabt? Will man da eine Gewerkschaft zur Wahrung der Standesinteressen gründen? Der Minister des Funnern hat die Beamten, die sozialdemokratisch denken, als Eidbrecher und Lügner bezeichnet; derartige schwere Beschimpfungen hat er gegen die Beamten losgelassen. Er greift damit in einer verfassungs⸗ widrigen Weise in die Verfassungsbestimmungen des Reiches ein. Der Minister sucht die Beamten in gesetz⸗ und verfassungswidriger weise zum Bruch der Verfassung zu verleiten. (Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Sie haben dem Minister vorgeworfen, daß er in gesetz⸗ und verfassungswidriger Weise gehandelt hat. Ich rufe Sie zur Ordnung! Abg. Hoffmann (Soz.): Hat er auch getan!) Wenn ich ein Homer wäre, würde ich ein Lied von dem Minister von Dallwitz singen: „Singe mir, Muse, ein Lied vom Zorn des Herren von Dallwitz!“ Ja, der Minister von Dallwitz hat gesiegt in dem Protess den er gegen den sozialdemo⸗ untischen Redakteur angestrengt hat. Ich wundere mich darüber, daß 6 keinen Lorbeer um sein Haupt sehen. Der Minister von Dallwitz 1 von Eidbrechern, Lügnern und Heuchlern gesprochen; aber wie Miiir den Wald hineingeschallt hat, hat es hinausgeschallt. Der 1 6 er ist zum Kadi gelaufen. Wenn man als Politiker die Lerichte anruft, dann tut man es, um etwas festzustellen. 8 hinzulaufen und zu erklären, man ist beschimpft worden, nachdem han selbst geschimpft hat. Mein Gott! Die Glorie der preußischen Fegierung strahlt dreimal hell über diesen Sieg des Ministers von siallwitz. (Jronische Rufe rechts: Köstlich!) Wenn der Minister sich äe Hosen aufbüͤgeln wollte, dann sollte er lieber dazu beitragen, ha eine ordentliche Reform unserer Verwaltung bekommen. nikr. der Kern des Uebels liegt in dem Wahlrecht! Der Minister d keinen Erisapfel wegen des Wahlrechts zwischen die bürgerlichen 8 Fien werfen, er will als Sammlungsnachtwächter an der Seite Eie deichskanzlers figurieren. (Präsident Dr. Freiherr von Erffa. vun . Minister nicht mit einem Nachtwächter vergle eheh age echten sind Aeußerungen. gefallen, die darauf schließen sen, daß man einen Konflikt berbeizuführen wünscht, damit die

Tantah,

b „Deutsche Tageszeitung“ hat am 28. Februar 1912 dem 1 Vorwürfe gemacht, hat sich gegen die Humanitätsduselei erklärt und einen starken Mann gegen die Sozialdemokratie verlangt. Wie hat doch Herr von Heydebrand und der Lasa aus⸗ gerufen: „Dann wird unser Tag kommen!“ Dann wird es lustig segehen, ich glaube, Sie gehören zur Kavallerie, Herr von Heyde⸗ hüün Wir kennen ja das Raubrittertum. Natürlich, Sie sehnen ich danach, daß ein solcher Tag kommt. Aber auch gegen die genze Sreußische Verwaltung steht die Entwicklung nicht stil, be ie (rechts) sich auch unter dem Schutz der Kanonen und noch so sicher fühlen. Sie (rechts) sind perantwortlich für bas Prestige, das Preußen in der Welt hat. (Abg. Hammer: Gott 18 9) Das preußische Dreiklassenwahlhaus hat sich zum Spott dür die ganze gebildete Welt gemacht. (Präsident Dr. Freiherr von Er 1a: Ich rufe Sie zum zweiten Male zur Ordnung und mache 1 die Folgen eines dritten Ordnungsrufes aufmerksam!) Pr uüßen wird mehr und mehr zu einem Kinderspott für die ganze 85 8 (Stürmische Unruhe im ganzen Hause. Präsident 88 Freiherr von Erffa: Ich rufe Sie zum dritten Male zur h nung. Lebhafter Beifall. Erneuter großer Lärm. Abg. Dr. Porsch (Zentr.) ruft erregt: Unerhört, daß man sich so etwas gefallen lassen muß! Abg. Hoffmann: Sie sind doch starke Leute! Fortgesetzter Lärm.) Der Vizepräsident

* Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Dr. Krause hat eine Stelle von dem Abg. Liebknecht nicht verstanden und sich vorbehalten, das Stenogramm einzusehen. Der Abg. Se G hat nach dem Stenogramm gesagt: „Warum sehen Min enn gar nichts von dieser mimosenhaften Empfindlichkeit unseres 1n ionalgefühls, des Ehrgefühls unseres Staates, wenn es sich handelt um das Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland, das ist zwischen Deutschland und dem barbarischsten und verächtlichsten aller Staatswesen, die wir in Europa haben?“ Dazu hat der Abg. Ströbel den Zuruf gemacht: „Außer Preußen.“ Abg. Liebknecht ich rufe Sie wegen dieser Beleidigung eines mit Deutschland be⸗ freundeten Staates zur Ordnung, und Abg. Ströbel, Sie erst recht, 1 Sie den traurigen Mut gehabt haben, das zu sagen. (Lebhafter Beifall rechts. Lärm im ganzen Hause. Lebhafte Rufe rechts: Pfui! Abg. Hoffmann 9 Präsidenten: Sie sollen die Ordnung auf⸗ 5 Erlarg. fral. haben F teüriqen Mut! Heüsident Dr. Frei⸗ r von Erffa: Ich bitte Sie, daß Sie ruhig si V hat der Minister des Innern.)

Minister des Innern Dr. von Dallwitz:

Mieeine Herren! Auf die Einzelheiten, die der Herr Abg. Lieb⸗ knecht hier vorgebracht hat, einzugehen, liegt mir fern. (Bravo! rechts.) Wenn aber der Herr Abg. Liebknecht, wie auch soeben durch die Ausführungen des Herrn Präsidenten bestätigt worden ist, folgenden Satz gesprochen hat: Rußland ist das barbarischste und verächtlichste aller Staatswesen, die wir in Europa haben, so lege auch ich namens der preußischen Staatsregierung (Abg. Ströbel: Und der russischen!) entschieden Verwahrung ein gegen einen solchen Angriff auf einen uns befreundeten Staat. Ich kann mit dem Ausdruck des lebhaften Bedauerns nicht zurückhalten darüber, daß etwas Derartiges in einem deutschen Parlament sich hat ereignen können. (Stürmischer Beifall rechts Zuruf bei den Sozialdemokraten: Geht Sie gar nichts an! Pfuirufe rechts Abg. Dr. Liebknecht: Diese intime Freundschaft!)

Präsident Dr. Freiherr von E 1 191 Strö sich durch meine Worte Nmnecin.Sng t 82 bat sar Abg. Shröhe ordnungsmäßigen Mittel dagegen. (Abg. Ströbel: Sie können mich nicht alterieren! Großer Lärm rechts und Rufe: Unverschämt!) ““ 5 Uhr wird die Weiterberatung auf Freitag 11 Uhr

Statistik und Volkswirtschaft.

Ein⸗ und Ausfuhr einiger wichtiger Waren in der Zeit vom 11. bis 20. April der beiden letzten 11“

Einfuhr Ausfuhr im Spezialhandel dz = 100 kg 1912 22 260 8 925 1 742

208 587

1912 214 641 15 733

9 513 50 632 29 829

38 846 34 004 344

3 790 619 ¹⁰2750991 719 770 513 563 3 142 164 [12 287 792 2 400 814 1 841 600 13 800

195 206 330 641 25 220

1911

Baumwolle. Flachs, gebrochen, ge⸗ schwungen ushw.. . Hanf, roh, gebrochen, ge⸗ chwungen usw. . . Jute und Jutewerg. Merinowo eim Schweiß Kreuzzuchtwolle im Gchrei Eisenerze CCCC66““ Steinkohlern. Braunkohlen.. Erdöl, gereinigt (Brenn⸗ und Leuchtöl))... Chilesalpeter... 888 fise Rs⸗ 1““ Rohluppen, Rohschienen, Rohblöcke uscw.. . 1 828 Träger, eisere.. 98 Eisenbahnschienen. 8 Straßenbahnschienen Eisenbahnschwellen aus Eisen. 5 Feeeeö“ Feingold, legiertes Gold, Barren aus Bruch⸗ eutsche Goldmünzen. 1,72 1,50 0 Fremde Goldmünzen 0,14 28 91z. Einschließlich: ¹) von eisen⸗ oder manganhaltiger Gasreini un 8⸗ masse, Ferrochanschlamm, Konverterschlacken, ausgebranntem Fecsgn⸗ haltigen Schwefelkies, ²) des Ferroaluminiums, Ferromangans und anderer nicht schmiedbarer Eisenlegierungen, ³) der Eisenbahnlaschen und ⸗unterlagsplatten aus Eisen, ⁴) ohne Barren aus Bruchgold.

Berlin, den 26. April 1912. 8

Kaiserliches Statistisches Amt. Delbrück.

118 338

9 716

8 225 24 322 21 914

¹) zIr 131 6 967 078 11 153

5 1 21 303 18 589 400 841] ²) 192 269 63 685 92 127 31 786 865

6 816

168 416

279 735 ²) 29 184

83 152 72² 938 56 084

8 143

6,49 2,86

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ Nr. 17 vom 24. April 1912.)

Pest. Aegypten. Vom 6. bis 12. April erkrankten (starben) 26 (17 Personen, davon 11 (10) in Kuß, 6 (4) in Abnub, 9) -ê- je 2 (1) in Beni Suef und Minieh, 1 (1) i

Nachtmittel gegen die Sozialdemokratie verstärkt werden können.

Assuan und 1 (—) in Senures.

8 Von dem nach Triest bestimmten österreichischen Lloyddampfer . Bregens war in Suez am 26. März ein in Bombay an Beord ge ommener indischer Reisender zweiter Klasse, der Tags zuvor en est erkrankt war, in das Lazarett ausgeschifft worden.

Persien. Im Bezirk von Buschär sind vom 10. bis 16. März 32 Personen erkrankt und 24 gestorben; die Seuche hat insbesondere nach der 10 km von Buschär entfernten Ortschaft Emamzadeh übergegriffen. Im ganzen haben sich bisher etwa 8

88

2000 Personen zum Schutze gegen die Pest impfen lassen. 8 Personen erkrankt

Vom 17. bis 23. März sind in 2 8 . Hehatnd 5 Buschär 12

Br Ostindien. Vom 3. bis 9. März er in Indien 19 145 und starben 16 608 Personen an 8 Fectrenggen 8s Todesfällen kamen 7844 auf die Vereinigten Provinzen (davon 2944 auf die Division Benares), 3398 auf Bengalen (davon 90 auf die Stadt Kalkutta), 1906 auf die Zentralprovinzen, 989 auf das Punjabgebiet, 979 auf die Präsidentschaft Bombay davon auf die Städte Bombay und Karachi 36 und 76, auf die Zentraldivision 449), 618 auf Zentralindien, 379 auf den Staat Hyderabad (davon 205 auf die Stadt Hyderabad mit Vorstädten), 192 auf die Präsidentschaft Madras, 115 auf Wajputang, iit zner 106 auf den Staat

67 auf Burr 5 1

n 1g ef Keheh. na (davon 16 auf die Stadt Rangun)

Straits Settlements. 9. Ieruor bi.9. Böö 3 fefise festgestellt.

Siam. In Bangkok sind im Januar 2 Pestfälle vorgekommen. 8

ongkong. Vom 11. Februar bis 9. Mär

(davon 25 in der Stadt Vitlo ria) und 27 C““ . Brasilien. In Pernambuco sind in der zweiten Hälfte es Januar 2 Personen der Pest erlegen, in Rio de Janeiro ist 1 in der Zeit vom 4. bis 10. Februar erkrankt.

i Cholera.

8 Fürkei. Zufolge Mitteilung vom 15. April ist im Wilajc Adana, insbesondere in Adana selbst, die Fbeere ö 1 8 Siam. In Bangkok sind vom 23. Dezember v. J.

2. März 414 Todesfälle zur Anzeige gekommen.

Gelbfieber. Es gelangten zur Anzeige in: Wärito 1Bomg. 17 März 2 Erk enezuela. Vom 1. bis 15. Februar 5 Erkrankun

5 „Todesfälle) in Caracas, vom 16. bis 19. März ö. Macuto und am 8. und 9. März 2 (1) in Maiquetia;

Brasilien. Vom 26. Februar bis 2. März 5 Todesfälle in Manaos, vom 16. bis 31. Januar 1 in Pernambuco.

Pocken.

Deutsches Reich. In der Woche vom 14. bis 20. Apri wurden 16 Erkrankungen (davon 13 bei russischen dh 9e 20.) Ahfil gestellt, und zwar 3 in Bochowsloos (Kreis Oberbarnim, Reg.⸗ Bez. Potsdam), je 1. in Zoldekow (Kreis Kammin, Reg.⸗Bez. Stettin), in Oschersleben (Reg.⸗Bez Magdeburg), in Bornstedt (Kreis Sangerhausen, Reg.⸗Bez. Merseburg), in Lambergholz (Kreis „Sonderburg, Reg.⸗Bez. Schleswig), in Leveste (Land⸗ kreis Linden, Reg.⸗Bez. Hannover), in Northeim (Reg.⸗ Bez. Hildeeheim), in Oestrich (Kreis Erkelenz, Reg.⸗Bez. Aachen), in Dürrmenz⸗Mühlacker (Oberamt Maulbronn, Neckar⸗ kreis), in Aue (Bez.⸗Amt Durlach, Baden), in Utphe (Kreis Gießen, Oberhessen), 2 in Klocksin (Waren, Mecklenburg⸗Schwerin) und 1 in Teschendorf (Neubrandenburg, Mecklenburg⸗Strelitz).

Für die Zeit vom 24. März bis 13. April sind nachträglich Ther Srfrantungen eess 1 aus Singen und 3

ischen Arbeitern) aus ohanni

Dur,ee worden. 1 b1e“

esterreich. om 7. bis 13. Apri izi 2 Er⸗ krankungen, davon 1 in der Stadt S.enh

chweiz. Vom 30. März bis 6. Rappersweil im Kanton St. Gallen. 8 Sram. 888 Bangkok wurden vom 23. Dezember v. J. bis 2.giange 78 Pockentodesfälle gemeldet, vom 28. Januar bis

ongkong. Vom 11. Februar bis 9. März sind in der Kolonie an den Pocken 261 Personen erkrankt (dav Viktoria) und 196 vestl ben.

Fleckfieber.

Oesterreich. Vom 7. bis 13. April i krankungen, in der ee ina 1. pril in Galizien 116 Er

In Singapore wurden vom

bis

April 1 Erkrankung in

Genickstarre.

Preußen. In der Woche vom 7. bis 13. April sind 6 Er⸗ krankungen 8 3 Todesfälle) in folgenden 8 Fe8. Ggr. [und Kreisen gemeldet worden: Landespolizeibezirk Berlin 1 [Stadt Berlin), Reg.⸗Bez. Arnsberg 2 (1), [Altena 1 (1), Bochum Stadt 12 B reslau 1 (1) (Breslau Stadt], Frankfurt 1 [Lands⸗ berg Land M bnstenh⸗ Land)].

1 erreich. Vom 31. März bis 6. April i Brünn 1 Erkrankung. G müeit

9 Spinale Kinderlähmung.

Preußen. In der Woche vom 7. bis 13. April ist 1 Er⸗ krankung gemeldek worden im Reg.⸗Bez. Arnsberg (im Kreise Bochum Stadt). deg.⸗Bez Arnsberg (im Kreise

Verschiedene Krankheiten. Pocken: Paris 1, St. Petersburg 2, Warschau 16 Todesfälle; Paris 3, St. Petersburg 19, Warschau (Krankenhäuser) 24, le, 1 Erkrankungen; Varizellen: Budapest 41, New York 274, Wien 72 Erkrankungen; Fleckfieber: St. Petersburg 1 Todesfall; St. Petersburg 12, Warschau (Krankenhäuser) 1 Er⸗ krankungen; Milzbrand: Reg.⸗Bezirke Koblenz, Oppeln je 1 Todesfall; Reg.-Bezirke Aachen, Breslau, Koblenz je 1, Königs⸗ berg 2, Lüneburg, Oppeln, Schleswig je 1 Erkrankungen; Influenza: Berlin 4, Charlottenburg, Halle, Nürnberg, Budapest, Edinburg Kopenhagen je 1, London 9, New York 14, Paris 8, St. Peters⸗ burg 5 Todesfälle; Kopenhagen 47 Erkrankungen; Genickstarre: Christiania 6, New York 2 Todesfälle; Christiania 14, Kopen⸗ hagen 1, New York 6, Wien 2 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen ist an Scharlach (Durch⸗ schnitt aller deutschen Berichtsorte 1895/1904: 1,04 %) gestorben in Gladbeck, Zabrze Erkrankungen wurden gemeldet im Landespolizei⸗ bezirk Berlin 141 (Stadt Berlin 86), in Breslau 25, in den Reg.⸗Be⸗ zirken Arnsberg 123, Düsseldorf 143, in Hamburg 45, Budapest 81, Christianta 26, Kopenhagen 23, London (Krankenhäuser) 119, New York 387, Paris 79, St. Petersburg 100, Warschau (Kranken⸗ häuser) 87; an Masern und Röteln (1895/1904: 1,10 %) ge⸗ storben in Ludwigshafen Erkrankungen wurden angezeigt in Nürn⸗ berg 103, Budapest 61, Kopenhagen 80, London (Krankenhäuser) 54, New York 1289, Paris 628, St. Petersburg 75, Prag 120, Stock⸗ holm 53, Warschau (Krankenhäuser) 454; an Keuchhusten gestorben in Berlin⸗Pankow, Harburg Erkrankungen kamen zur Anzeige in Budapest 39, London (Krankenhäuser) 44, New York 61, Wien 26. Ferner wurden Erkrankungen gemeldet an iphtherie und Krupp im Landespolizeibezirk Berlin 179 (Stadt Berlin 114), in den Reg.⸗Bezitken Arnsberg 113, Düsseldorf 106, in Hamburg 51

Kopenhagen 29, London (Krankenhäuser) 108, New York 338, Paris 63, St. Petersburg 37, Wien 47; an Typhus in New York 26,

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