1912 / 102 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Apr 1912 18:00:01 GMT) scan diff

druck gebraucht, die I bayerische Regierung hätte sich mit Dreistigkeit über ein Reichsgesetz hinweggesetzt oder ein Reichsgesetz umgangen. Er müsse diesen Ausdruck, der die Beleidigung einer Regierung enthalte, zurückweisen. Tatsache sei, daß über den Begriff der Ordenstätigkeit Differenzen zwischen der preußischen nd bayerischen Regierung beständen. Er enthalte sich einer Aeußerung darüber, in welcher Weise die sächsische Regierung em Begriff der Ordenstätigkeit Stellung nehme, weil er das dem zuständigen Kultusminister zu überlassen habe. Er möchte ur zur formalen Stellung der bayerischen Regierung hier geltend machen, daß sie in durchaus loyaler Weise die Differenzen in der Aus⸗ legung über den Begriff der Ordenstätigkeit zum Anlaß genommen abe, beim Bundesrat einen Antrag zu stellen, daß der Bundesrat über den Begriff der Ordenstätigkeit eine authentische Interpretation eerlasse. Die baverische Regierung werde den Jesuitenerlaß nicht eher in Anwendung bringen, als bis der Bundesrat seine Gnsgchn 1 habe. Hierauf gab der Kultusminister Dr. Be die Erklärung ab, daß, abgesehen von den Vorschriften des Reichs⸗ esetzes von 1872, wonach der Orden der Gesellschaft Jesu und ver⸗ wandte Orden vom Gebiete des Deutschen Reichs ausgeschlossen seien und ihnen die Niederlassung versagt sei, für Sachsen noch die Vorschrift des § 56 der sächsischen Verfassungsurkunde von 1831 in Betracht komme, wonach weder neue Klöster er⸗ richtet, noch Jesuiten oder andere geistliche Orden jemals im Lande aufgenommen werden dürften. Die sächsische Regierung habe dem⸗ ach die Ausübung jedweder Tätigkeit der Ordensmitgliedar als uner⸗ aubt anzusehen. Nach alledem sei durch die sächsische Verfassungs⸗ rkunde nach wie vor in Sachsen nicht nur die Aufnahme des esuitenordens und anderer Orden, sondern auch einzelnen Jesuiten ie Ausübung jeder Ordenstätigkeit verboten. Die Regierung nehme also in dieser Frage eine durchaus klare Stellung ein.

Braunschweig.

Seine Hoheit der Herzog⸗Regent hat, wie

W. T. B.“ meldet, ein Frauenverdienstkreuz in zwei

Klassen, in Gold und Silber, gestiftet, das an weißem

Seidenbande mit blauer Einfassung getragen wird. Es ist ein

leicharmiges, mit feinem blauen Emalllestreifen umrandetes reuz mit der Inschrift: Wirke treu in Nächstenliebe.

EE1114“*

RußlanndH.

Die Reichsduma begann gestern die Beratung des Etats des Ministeriums des Aeußern. Nachdem der Budgetreferent Krupens ki den Etat, der mit 6 569 190 Rubeln balanciert, erläutert und erklärt hatte, daß es notwendig sei,

as Konsulatswesen zu erweitern und baldigst die Quote Finn⸗ lands zu den Ausgaben des Ministeriums des Aeußern fest⸗ zustellen, ergriff der Minister des Aeußern Ssasonow das Wort und führte laut Bericht des „W. T. B.“ aus:

Die Grundlage der russischen auswärtigen Politik bleibe un⸗ rschütterlich die den Weltfrieden sichernde Allianz mit Frankreich. ei seinem Aufenthalte in Paris habe er sich überzeugt, daß die eitenden französischen Kreise ebenso wie Rußland feste Anhänger der Ulianz seien und danach strebten, sie zu beiderseitigem Vorteil sowie zur Sicherung des europäischen Friedens auszunutzen. Das Abkommen mit England vom Jahre 1907 habe die besten Früchte gezeitigt. Das gegen⸗ seitige Vertrauen und die Sympathien beschränkten sich nicht auf die leitenden Kreise, sondern ruhten auf breiter Grundlage, wie der üngste Besuch der englischen Gäste bewiesen habe. Was Deutsch⸗ land betreffe, so halte Rußland an der alten traditionellen Freund⸗ chaft und guten Nachbarschaft fest, die es aufrichtig schätze, überzeugt, Deutschland dasselbe tue. Diesen Eindruck habe die Potsdamer zusammenkunft befestigt, die das Fehlen von Gegensätzen in den beider⸗ eitigen politischen Interessen im nahen wie im fernen Osten klar⸗ estellt habe. Bei dem Charakter der russisch deutschen Be⸗ iehungen könne der Besuch Haldanes in Berlin, wie überhaupt jeder Versuch, die englisch⸗deutschen Beziehungen zu verbessern, nur egrüßt werden. Wenn es gelänge, den Boden einer Verständigung

in für beide Staaten wichtigen Fragen zu finden, würde dies die russischen Beziehungen zu Deutschland und England keineswegs be⸗ inträchtigen. In der Zusammenkunft von Racconigi seien die freund⸗ schaftlichen Beziehungen zu IJtalien zum Ausdruck gelangt, die sich weiter entwickelten und kräftigten. Ihre Festigkeit sei gesichert durch die Uebereinstimmung in den Anschauungen über die Lage auf dem Balkan. Rußland und Italien folgten wohlwollend der friedlichen ntwicklung der Balkanvölker. Die russisch⸗österreichischen Beziehungen hätten jüngst eine Prüfung zu bestehen 8 ehabt, aber es sei den beiden Regierungen gelungen, den Frieden dadurch zu befestigen, daß man leitende Grundsätze geschaffen abe für den Fall, daß die beiderseitigen Interessen sich berührten. Diese Prinzipien seien die Wahrung des status quo auf dem Balkan, die Unabhängigkeit, Kräftigung und friedliche Entwicklung der kleinen alkanstaaten und die Unterstützung und Festigung der Neuordnung der Türkei. Rußland habe seinerzeit die Großmächte und die öffent⸗ liche Meinung über diese Entschließungen unterrichtet. Der jüngst verstorbene österreichische Minister des Aeußern Graf Aehrenthal habe sie vor den Delegationen bestätigt. Aus autoritativer Quelle sei der ussischen Regierung bekannt geworden, daß beabsichtigt sei, diese Grundlagen künftighin zu beobachten, und daß es ein fester Entschluß Oesterreich Ungarns sei, auf diesem Boden zu beharren. Dies könne die fernere Gestaltung der gegenseitigen Beziehungen nur ünstig beeinflussen. Die Lage im nahen Osten sei nicht voll befriedigend und gewinne infolge des italienisch⸗türkischen Krieges eine erhöhte Bedeutung. Es liege Grund zu der Hoffnung vor, daß die Ruhe auf dem Balkan nicht gestört werden und der Krieg keinen allgemeinen Konflikt hervorrufen würde. Bisher habe die russische Regierung die Gefahr eines solchen Konflikts in der Kriegsweise der Italiener nicht erblickt und tatsächlich habe Italien bisher das perationsfeld auf entfernte Gegenden beschränkt, um die Interessen der neut alen Mächte nicht allzu fühlbar zu berühren. Das Bom⸗ bardement der Dardanellen sei nicht von Aktionen begleitet gewesen, ie zum Beweis hätten dienen können, daß Italien von dieser Er⸗ ägung abgewichen sei. Die Schließung der Dardanellen durch die Türken schädige die russischen Handelsinteressen wesentlich. Die ussische Botschaft habe in diesem Sinne Vorstellungen in Konstanti⸗ nopel erhoben und darauf hingewiesen, daß neutralen Schiffen vertragsmäßig freie Durchfahrt gewährleistet sei. Gegenwärtig fei man zu der Annahme berechtigt, die freie Schiffahrt in den Dardanellen werde demnächst wieder eröffnet werden. Die jüngsten Ereignisse hätten die Initiative Rußlands gerechtfertigt, mit den interessierten Großmächten die Grundlagen der den Kriegführenden E Vermittlung festzustellen. Die Verschiedenheit des Standpunktes Italiens von dem der Türkei sei aber so groß, daß eine unmittelbare Wirkung des Schrittes der Mächte für die nächste Zeit nicht vorauszusehen wäre. Doch würden die Mächte die Ver⸗ söhnungsversuche möglichst bald erneuern. Ssasonow gab sodann seinem Bedauern Ausdruck, daß die Kreter auf revolutionärem Wege die Einigung mit Griechenland durchzusetzen versuchten und sich sowohl wie Griechenland äußeren Gefahren aussetzten. Die Verstärkung der ahl der Kriegsschiffe beweise den Kretern die Entschlossenheit der Schutz⸗ mächte, dies nicht zu gestatten. Wenn es erforderlich sein sollte, würden die Mächte noch entschiedener vorgehen. Was Bulgarien und Serbien betreffe, könne, ohne daß man sich einer Täuschung hingebe, die Hoffnung ausgesprochen werden, daß die politische Weisheit ihrer Herrscher, die Besonnenheit der Regierungen und der Patrio⸗ smus der Bevölkerung diese Länder sogar im Falle einer Gärung auf dem Balkan vor der Gefahr politischer Abenteuer bewahren

päischen Türkei, notwendig sei. Das am besten hierfür geeignete Mittel sei die 8 der kulturellen und wirtschaftlichen Be⸗ dürfnisse der chriftlichen Bevölkerung. Die Lage in Persien, fuhr der Minister fort, dürfte dank dem Abkommen mit England vom Jahre 1907 keine außerordentlichen Verwicklungen hervorrufen. Die unbefriedigenden russisch persischen Beziehungen seien hauptsächlich das Ergebnis der Unversöhnlichkeit der demokratischen oder nationalistischen Partei gegenüber Rußland. An der Hartnäckigkeit dieser Mehrheit des Medschlis sei jeder Versuch der persischen Regierung gescheitert, den Wünschen Rußlands entgegenzukommen Es sei jedoch anzunehmen, daß dem jetzigen persischen Kabinett mit russisch⸗englischer Unterstützung die Beruhigung des Landes gelingen werde und daß es die Notwendig⸗ keit freundnachbatlicher Beziehungen mit Rußland erkennen werde. Die russischen Truppen, deren alleinige Aufgabe der Schutz der russischen Untertanen bilde, würden zurückberufen werden, sobald die Regierung des Schahs imstande wäre, die Ruhe mit eigenen Mitteln aufrechtzuerhalten. Die Frage der Besetzung persischen Gebiets durch die Türkei sei in eine neue Phase getreten. Falls von der Grenz⸗ kommission in Konstantinopel keine Verständigung erzielt würde, werde die Frage vor dem Haager Schiedsgericht zur Entscheidung ge⸗ langen. Das in Potsdam vereinbarte Abkommen über die persischen An⸗ gelegenheiten erkenne die besonderen Interessen Rußlands in Persien an und stelle fest, daß Deutschland nicht die Absicht habe, Konzessionen politischen oder strategischen Charakters in der russischen Interessen⸗ sphäre in Persien nachzusuchen. Von seiten Rußlands sei der Grundsatz der offenen Tür für den ausländischen Handel in Persien anerkannt und versprochen worden, der Bagdadbahn keine Hindernisse entgegenzusetzen sowie deren Verbindung mit den künftigen nord⸗ persischen Bahnen zuzulassen. Das Abkommen festige zweifellos die traditionellen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland und stelle die russisch⸗ persischen Bezi hungen auf einen festen Boden, was um so wertvoller sei, als das Abkommen Rußland keine außerordentlichen Opfer auferlege und die russischen Interessen gegenwärtig so gut wie möglich wahre. Rußland habe seine Bereitwilligkeit erklärt, sich nötigenfalls den Maßnahmen der übrigen Mächte zum Schutz der allgemeinen Interessen in China anzuschließen. Rußland vertrete die Ansicht, daß der Abschluß chinesischer Anleihen von der Zustimmung der interessierten Mächte abhängen müsse. Es sei der Viermächtegruppe beigetreten und habe dabei die von den befreundeten Mächten an⸗ genommene Bedingung gestellt, daß die Finanzoperationen der sich bildenden Sechsmächtegruppe in keiner Weise die russischen Sonderrechte und Interessen außerhalb der Chinesischen Mauer in der Mongolei und Nordmandschurei verletzen dürften. Nach dem Abfall des Chalcha genannten nördlichen Teils der Mongolei hätten die Mongolen Rußland um seine Unterstützung ge⸗ beten. Das Ziel der russischen Politik könne nicht die Erweiterung seiner Besitzungen in Asien sein, da dies seine Stellung in Europa auf der Balkanhalbinsel gefährden würde. Territoriale Erwerbungen in Asien seien nur zulässig, wenn sie wertvoll und notwendig wären. Die russischen Interessen verlangten nur, daß in der benachbarten Mongolei sich nicht ein militärisch starker Staat festsetze. Die Nach⸗ barschaft der Mongolen sichere die sibirische Grenze besser als Festungen und starke Garnisonen. Die Erhaltung dieses Zustandes sei die Aufgabe der russischen Diplomatie. Sie sei lösbar durch die Wahrung der Interessen der Mongolen, die eine nationale Verwaltungsform bewahren wollten. Die zweite Aufgabe der Diplomatie sei die Wahrung guter Beziehungen zu China. aher müsse Rußland auf einer Verständigung zwischen China und den Mongolen unter Teilnahme Rußlands bestehen und unterdessen die Mongolen bei der Schaffung einer autonomen Verwaltung unter⸗ stützen. Auf die Kündigung des Handelsvertrags durch die Vereinigten Staaten übergehend, wies der Minister die Be⸗ hauptung zurück, daß Rußland den Vertrag nicht in vollem Umfange beobachtet habe. Sollte die Frage eines neuen Vertrags angeregt werden, so werde Rußland die Wünsche der interessierten russischen Kreise eingehend berücksichtigen und keine Eingriffe in die innere Gesetzgebung gestatten, die ausschließlich die Bedingungen des nationalen Lebens berücksichtigen müsse. Der Minister gab der Hoffnung Ausdruck, daß dieser Zwischenfall nicht verhindern werde, daß die früheren guten Beziehungen Rußlands zu den Vereinigten Staaten wiederkehrten und daß, wo die beiderseitigen Interessen sich berührten, eine Uebereinstimmung erzielt würde. Der Minister schloß mit der Aufforderung, den umlaufenden Kriegsgerüchten keinen Glauben zu schenken. Dem Faseden unter den Völkern drohe in der nächsten Zukunft keine Gefahr, und Rußland könne sich ruhig schöpferischer Arbeit im Innern hingeben.

In der Debatte erklärte der Oktobrist Kowalewski u. a., alle seien Augenzeugen des Anfanges der Liquidation derjenigen Be⸗ ziehungen, die durch den andauernden bewaffneten Frieden geschaffen worden wären. Wie der Ausgang auch sein möge, Rußland dürfe dabei keine passive Rolle spielen. Der Kadettenführer Miljukow wies auf die schwere Lage hin, die durch die ernsten Fragen im nahen, mittleren und fernen Osten geschaffen worden sei. Die versteckte Gegnerschaft Englands und Deutschlands bilde die Achse, um die die

esamte Weltpolitik sich drehe. Die Weltpolitik habe eine neue Phase n dem Augenblick begonnen, in dem Deutschland —— der un⸗ mittelbaren Einmischung Englands seine Forderungen habe mäßigen müssen. Das habe genügt, um den europäischen Frieden zu schützen, und die enorme Bedeutung der Tripleentente für die Erhaltung des Friedens innerhalb der Großmächte bewiesen, indessen nicht die Ent⸗ stehung offener Konflikte zwischen den Mächten zweiten Ranges ge⸗ hindert. Zum Schluß folgerte der Redner in bezug auf die Lage auf dem Balkan, daß nur das Bestreben, die Balkanpolitik auf einen Bund der Balkanstaaten mit der Türkei an der Spitze zu richten, die mögliche Lösung der Balkanfrage bilde, die nicht zugunsten eines einzelnen Reiches, am allerwenigsten Oesterreich⸗Ungarns dienen dürfe.

Hierauf wurde die Debatte auf heute vertagt.

In geschlossener Abendsitzung nahm die Reichsduma gestern das Rekrutenkontingent für 1912 an und bewilligte die Kredite für die Vervollständigung des Reservematerial⸗ bestandes der Artillerie und die Vervollkommnung der Landesverteidigung sowie für die Bildung von

Fliegerabteilungen und Luftschifferkompagnien.

Griechenland. 8

Siebzehn kretische Abgeordnete sind, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Athen angekommen, um ihren Sitz in der griechischen Kammer einzunehmen. Durch ein Königliches Dekret wurde die Eröffnung der Kammer um dreißig Tage vertagt.

Amerika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat das amerikanische Waffentransportschiff „Crook“ Befehl erhalten, von San Francisco nach der Westküste Mexikos auszulaufen, um amerikanische Flüchtlinge aufzunehmen. Das Schiff ist auf Verlangen des Staatsdepartements abgesandt worden, welches dringende Bitten von Amerikanern erhalten hat.

Afrika.

Der „Agence Havas“ wird aus Tanger gemeldet, daß die Gärung im Gharbgebiete zunehme. Nach Arbaua seien dem Hauptmann Vary zwei Kompagnien Kolonialinfanterie und eine Maschinengewehrabteilung als Verstärkung geschickt worden. Doch sei es sehr fraglich, ob die Verstärkungen genügen würden, da auch die von Vary befehligten scherifischen Truppen deser⸗ tieren dürften. Einer Depesche des „W. T. B.“ zufolge meldet der Hauptmann Vary vom 24. April, daß die Infanterie noch im Lager sei, sich aber eine lebhafte Unruhe bemerkbar mache. Die Instrukteure und Kaids hätten sich in

Die „Agencia Stefani“ meldet aus uchameg der Umgebung der Befestigungen vorgenommene Erkunduna bestätigten, daß die Verluste des Feindes am 23. d. M. G schwer gewesen seien, und daß die Zahl der Toten mehre Hundert übersteige, was auch von den in diesem e in g. fengenschaft geratenen Arabern zugegeben werde. Insbesond as Kreuzfeuer der italienischen Batterien auf der Halbinsel m auf dem Festlande habe dem Feind große Verluste zugefüt Aus allen Berichten gehe hervor, daß es sich am 23. Ar um einen ernsten Angriff gehandelt habe, der von türkisch Offizieren und Regulären mit großen Massen von Arakbe vorbereitet worden wäre und den Zweck gehabt hätte, die gan ausgeschiffte Division ins Meer zu treiben. Der Feind hie sich nach Osten über Sebca hinaus zurückgezogen.

Koloniales.

Das Aprilheft der „Kolonialen Rundschau“, Monatssche für die Interessen unserer Schutzgebiete und ihrer Bewohner (Hera geber: Ernst Vohsen, Schrift eitung: Professor D. Westermang enthält zwei längere Aufsätze über die bisher so gut wie unbekam Eingeborenenbevölkerung Neukameruns. B. Struck gibt eine Uete sicht über „die Sprachverhältnisse im Moyen Congo“ (mit einer Völt⸗ und einer Sprachenkarte), in der die in dem neuen deutschen Gech herrschenden Sprachen im Zusammenhang mit den großen Spna familien Afrikas behandelt und besonders auf die für den Vereg wichtigen Idiome, die für den Europäer in erster Linie in Betnt kommen, hingewiesen wird. Diese sind für den Süden das BYaunde nahe verwandte Tang und weiter nördlich das auch; belgischen Congo weit verbreitete Bangala. In dem Aufsatz „Gahn (mit 4 Abbildungen) gibt G. Teßmann eine lebhafte Schilderung) Eingeborenen im Süden des neuen deutschen Gebiets. Sowohl, wirtschaftlichen Zustände als auch das geistige, speziell das religit Leben dieser primitiven Völker hat Teßmann während eines jeh⸗ langen Aufenthalts studiert, und er bringt sie in dem vorliegene Aufsatz in anregender Form zur Darstellung. Der frühere Beißn geologe in Südwestafrika Dr. Lotz gibt in seiner Abhandlung „Rm glossen zur deutschen Diamantenproduktion“ wertvolle Mitteilwm ber den heutigen Stand der Schwierigkeiten und die Aussichten; Diamantengewinnung in Südwestafrika.

8 Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reich tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (48.) Sitzung des Reichstag welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten von Breite bach beiwohnte, wurde die zweite Beratung des Reichshan beim Etat der Verwaltung der Reichseise

ahnen, und zwar bei den fortdauernden Ausgaben für Besoldung der Zentralverwaltung fortgesetzt.

Abg. Koßmann (Z.): Der Etat zeigt ein durchaus günstz Bild. Gestützt auf diese günstige Finanzlage, will ich ein Wünsche vortragen, die das Verkehrswesen und das Verkehrspersen betreffken. Beim Ausbau des Eisenbahnnetzes mussen die landmt schaftlichen Gegenden mehr berücksichtigt werden, auch muß J sorge getroffen werden, daß die Arbeiterzüge nicht so überfüllt st diese sind dann auch nicht genügend geheizt, woraus hät Krankheiten entstehen. Die Petition des Vereins der Reichsei bahnzivilsupernumerare ist sehr berechtigt. Das Gehalt der Bo⸗ steigschaffner und Pförtner muß auf jeden Fall aufgebessert wer Sie müssen häufig den Dienst anderer Beamten mit verseh erhalten aber nicht die entsprechenden Zulagen. Den Kla der Schaffnerdiätare muß durch Vermehrung der etatsmäßt Schaffnerstellen abgeholfen werden. Wenn gegenüber den Petition der Arbeiterorganisationen auf Erhöhung der Löhne geantwon wird, diese seien erst kürzlich aufgebessert worden, so zeigt die , daß sie früher ganz unzureichend waren. Es wäre freudig un. grüßen, wenn über die Lohnverhältnisse uns bald eine Stels vorgelegt würde. Den Bahnunterhaltungsarbeitern müßte holungsurlaub gewährt werden, da ihr Dienst sehr 4 strengend und für die Sicherheit des Betriebes sehr vichtig Das Eisenbahnpersonal steht treu zu seiner Verwaltung und hat a volles Vertrauen zu seinem jetzigen Chef. Möge dieses Vertrot durch Entgegenkommen gegen seine berechtigten und erfüllbat Wünsche gerechtfertigt werden. Das liegt auch im nationalen Intere

Hierauf ergriff der Chef des Reichsamts für die N. waltung der Reichseisenbahnen, Minister der öffentlich Arbeiten von Breitenbach das Wort, dessen Rede übe morgen im Wortlaut mitgeteilt werden wir.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heuti (58.) Sitzung, welcher der Minister des Innern Dr. 1 Dallwitz beiwohnte, die zweite Beratung des Etats Ministeriums des Innern für 1912 und zwar zunk die beim ersten Titel der dauernden Ausgaben, „Gehe des Ministers“, übliche allgemeine Besprechung in bindung mit der Erörterung der zu diesem Etattitel gestellt bereits mitgeteilten Anträge der fortschrittlichen Volkspe und der Sozialdemokraten fort.

Abg. Hammer (kons.): Das Haus hat vor 2 Jahren einstimg einen Antrag angenommen, den Wanderlagerbetrieb der Bedürfniefe zu unterwerfen und auf eine entsprechende Abänderung der einschlägi Bestimmung der Gewerbeordnung hinzuwirken. Die Kaufleutt allen Fe namentlich im Osten, klagen außerordentlich über Gebahren der Hausierer. Die Bestimmungen über die Wandergeme scheine werden in der Praxis nicht mehr genau beobachtet. Fri begrüßte man auf dem Lande den soliden Hausierer, aber bestehen in den kleinsten Orten Gewerbebetriebe, die alle Bedi nisse der Bevölkerung befriedigen können. Die Kaufleute koe namentlich darüber, daß auch den bestraften Hausierern Gewerbescheine immer wieder erneuert werden; die Hausierer l sogar die Gepflogenheiten der Behörden. Ein erheblicher Teil Hausierer ist mit ansteckenden Krankheiten behaftet, aber auch

esunden tragen zur Verbreitung von Epidemien und Viehseuchen 1s Zesonders unnütz machen sich die Haustererinnen, die sich einen; gleiter halten, der den sogenanten Packen trägt. Solche Bilder nicht schön auf dem Lande und in den kleinen Städten. Mit sogenannten Marktschein lebt sich ein solcher junger Bursche Ein Gendarm erzählte mir kürzlich, daß er einen Hausierer hätte haften mögen, weil er andere Waren führte, als sein Gewerbe erlaubte; aber er mußte erst zum Amtsvorsteher gehen, um die Erlaut zur Verhaftung zu erwirken, und inzwischen war der Mann über Berge. Die Hausierer mit Lebensmitteln führen die Lebenen tagelang auf ihren Wagen mit sich. Ein solcher Haufierer, Heringen sagte auf die Frage, woran er sich die Hände troct am Pferdeschweif. Die Lebensmittel werden auf diesen Wagen vielen Händen berührt, auch von den Händen kranker Personen werden z. B. Anzüge, Wäsche, Trikotwaren von Hunderten von Hn angefaßt, ehe sie gekauft werden. Die Hausierer gebrauchen⸗ Tricks, um ihre Ware abzusetzen: sie verkaufen ein Han

im Werte von 60 für 10 ₰; die Landfrau weiß genau, daß

werden. Ihre Besonnenheit könnte die Türkei überzeugen, daß die Sicherung des inneren Friedens, namentlich in der euro⸗

sein Zelt geflüchtet, und es seien schon mehrere Gewehrschüsse gefallen, ohne indessen jemand zu verletzen. 8

zu billig ist, und läßt sich dann noch Tuch zu einem Anzuge fük

Pöariges auszusprechen.

bis 30 aufschwatzen, das 5 oder 6 Wert hat. Ein Tei der Industrie und des Handels wird dadurch 9; auf un et Bahnen gelenkt, und wie in den Warenhäusern werden den kleinen Leuten Waren mitaufgeschwatzt, die sie gar nicht brauchen. Man darf allerdings das Kind nicht mit dem Bade ausschütten; die Heimarbeiter, die mit selbstgefertigten Waren umhergehen, mit Körben, Christbaumschmuck, Bürsten, Besen, Holzwaren usw., müssen geschont werden. Der Handel mit Gewerbescheinen muß unmöglich gemacht werden; eingewanderte russische Juden zahlen bis zu 30 für einen Wandergewerbeschein. Unter dieselbe Rubrik fallen die Detail⸗ reisenden, die allerdings nicht gern sich mit den Hausierern in einen Topf werfen lassen. Wenn man sieht, wie in Berlin und Vororten die Straßenhändler mit Lebensmitteln mit schmutzigen Händen Obst verkaufen und selbst gut gekleidete Leute diese Sachen von den Wagen nicht bloß kaufen, sondern sofort essen, ohne sie zu waschen so erkennt man, wie wenig die Hygiene in die Bevölkerung ein⸗ gedrungen ist. Diese Wagen der Straßenhändler halten zum Teil gerade vor den Obstwarengeschäften, die ihre Steuer und hohe Mieten zahlen müssen. Verschiedene Gemeinden haben diesen Straßenhandel eingeschränkt, aber in Berlin ist wenig dagegen geschehen. Eine Bundesratsverordnung verlangt jetzt, daß auf dem Wandergewerbeschein die Photographie des Iehaterd angebracht wird, und das ist gut, weil dadurch der Verkauf der Wandergewerbe⸗ scheine unterbunden wird. Ausländern sollte man lieber Wander⸗ gewerbescheine überhaupt nicht erteilen. Die deutschen Juden empfinden die russischen jüdischen Hausierer sehr unliebsam. Ich möchte bitten, daß der Polizeipräsident von Berlin nicht zu sehr den Forderungen des Käuferbundes folgt. Ursprünglich hatten wir in Berlin 40 Ausnahmetage, an denen die Geschäfte länger offen bleiben konnten. Dann wurden es 15, und jetzt sind es nur 7. Darunter leiden die Geschäftsleute, die hohen Damen in diesem Verein haben gar keine Ahnung davon. Die Aufstellung der weißen Listen dieser Vereine wirkt außerordentlich gefährlich. Da sind nur die Geschäfte angeführt, in die diese Damen gekommen sind. Aber die vielen anderen Geschäfte, die auch ihre Pflichten gegen die An⸗ gestellten erfüllen, werden auf diese Weise geschädigt. Die Ueber⸗ wachung der Ausführung der sozialpolitischen Gesetze ist nicht Aufgabe derartiger Damen, dazu sind die Behörden da. In einem Regierungsbezirk in Schlesten hat sich der Regierungspräsident an die Spitze seiner Beamten gestellt, um den Einkauf von Kohlen gemeinsam vorzunehmen. Die Kohlenhändler sind durch die Konkurrenz dieser Behörde außerordentlich geschädigt. Ein Kohlenhändler hatte 1907 65 000 1911 aber nur 34 000 ℳ. Der Minister muß darauf achten, daß die Sparkassen sich einem Revisionsverbande anschließen. Haben die Sparkassen Pr süns vecnc . ah ängig⸗ Sparkassen Mündelsicherheit verliehen, da muß er auch darau achten, daß die Geldanlagen sicher sind. In 84 80er vch d säuf bei einer Kreissparkasse 2 700 000 unterschlagen worden Die Steuerzahler des Kreises haben die Summe wieder aufbringen müssen. In gewissen Gegenden der Stadt Berlin, wo das Zuhältertum und Verbrechertum immer mehr überhand nimmt, dürften nie Schutzleute allein patrouilliren. Es müßten dort immer Doppel⸗ posten vorhanden sein. Erst vor kurzem ist wieder ein Schutzmann schlimm von Zuhältern zugerichtet worden. Zwei Schutzleute können sich aber gut mit ihren Revolvern 30 bis 40 Mann vom Leibe halten. Die Stadt Berlin muß mehr für die Anstellung von Schutzleuten tun. Beim Polizeikostengesetz ist der Minister zu nachgiebig gewesen. Die große Steuer⸗ kraft, die Berlin dadur erhalten hat, daß es Residenz ist, verpflichtet es auch, die Sicherheit auf den Straßen aufrecht zu erhalten. Die Wünsche verschiedener Gemeinden des Kreises Teltow, die an den Landtag gerichtet sind, sind vielleicht vom Standpunkte dieser Gemeinden aus berechtigt. Aber der Kreis Teltow wehrt sich mit allen Kräften dagegen, weil die Steuerkraft des Kreises durch Erfüllung jener Wünsche ver⸗ ringert werden würde. Vielleicht läßt sich auf dem Wege des Gesetzes ein Ausgleich finden, der für beide Teile eine Besserung bringt, vielleicht in der Weise, daß allen Gemeinden mit über 20 000 Einwohnern das Städterecht verliehen wird daß sie aber innerhalb des Kreises bleiben müssen. Vielleicht gelingt es der Initiative und der Sachkenntnis des Ministers, einen Ausweg zu fiaden. Wenn der Abg. Dr. Friedberg gestern für eine Reform des Wahlrechts eingetreten ist, so müßte er als erfahrener Politiker doch wissen, daß durch eine solche der Einfluß der Sozial⸗ demokratie gestärkt wird. Das ist mit den Interessen des Vaterlandes nicht verträglich, das behaupte ich als konservativer Mann. Warum kommen die Nationalliberalen erst jetzt zu der Erkenntnis, daß das Wahlrecht geändert werden muß, warum nicht früher, als sie die stärkste Partei im Hause waren? In dem gegenwärtigen Moment, in dem die Entscheidung über große Gedanken, über große Werke im Reichstage bevorsteht, ist es nicht richtig, daß die Führer sich gegen⸗ seitig angreifen. Da werden wieder alle bürgerlichen Parteien einig zusammengehen müssen. Aber hat denn der Abg. Dr. Pachnicke ein Recht. derartig gegen uns vorzugehen, wie er es gestern getan hat? Im Jabre 1907 haben unsere konservativen Leute den Abg. Gyßling in Königsberg herausgehauen, er hat es selbst anerkannt. (Abg. Hoffmann (Soz.): Diesmal haben wir ihn herausgehauen.) Wir haben Sie bisher immer herausgehauen, weil wir Sie als das kleinere Uebel ansahen; wir sind aber dabei unter den Schlitten gekommen, das machen wir nicht mehr mit, wir sagen jetzt: Auge um Auge, Zahn um Zahn, wir lassen Sie einfach hineinschlittern. Das ist die politische Noblesse der freisinnigen Volkspartei. Es ist gut, daß das Stichwahlabkommen veröffentlicht worden ist. Das gilt aber für Sie: Wer von der Sozialdemokratie ißt, der stirbt daran. Die Sozialdemokratie will Sie nur an sich ketten, weil Sie blamiert sind, wenn Sie nur als ein Appendix der Sozialdemokratie angesehen werden. Die Entrüstung des Abg. Dr. Pachnicke über die Ausführungen des Freiherrn von Zedlitz waren weiter nichts als Schaumschlägerei. Sagen Sie doch offen: wir wollen mit den Roten zusammengehen, wir sind ein roter Block; dann sagen Sie wenigstens das, was Sie hinter den Kulissen tun. Die „Freisinnige Zeitung“ hat vor drei Jahren geschrieben, daß die Sozialdemokratie von Stufe zu Stufe herabsinkt, daß sie eine Verleumdungspartei geworden ist, daß man es ablehnen muß, irgendwie Bundesgenosse der Sozialdemokratie zu werden, daß man sich nicht zu Mitschuldigen dieser Partei machen will, daß die Sozialdemokratie die moralische Korrumpierung des deutschen Volkes will. Das war die Meinung des führenden Blattes der Freisinnigen. (Zurufe von der fortschritt⸗ lichen Volkspartei und von den Sozialdemokraten. Abg. Hoff⸗ mann (Soz.): Wo alles haßt, kann Hammer allein nicht lieben! Erregte Zurufe des Abg. Dr. Liebknecht (Soz.). Wiederholte Glockenzeichen des Präsidenten. Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Herr Liebknecht, Sie hören doch, daß ich ilingle. Ich muß bitten, daß Sie dann ruhig sind; Sie sollen die Zwischenrufe nicht von hier vorn, sondern vom Platze aus machen. Erneute Zwischenrufe des Abg. Dr. Liebknecht. Stürmische Rufe rechts: Ruhe! Ruhe! Wiederholte Glockenzeichen des Präsidenten. Präsident: Herr Liebknecht, ich bitte Sie, meinen Anordnungen zu folgen!) Die Abgg. Ströbel und Liebknecht gehören doch demselben Volke 99 das Sie in dieser Weise beschimpft haben. (Abg. Dr. Lieb⸗ fnecht: Das ist eine Lüge!) Jawohl, Sie haben Ihr Volk be⸗ schimpft. (Lärm bei den Sozialdemokraten. Präsident: Herr Febknecht, ich rufe Sie zur Ordnung.) Es gibt keinen Staat der elt, der eine bessere Verwaltung, eine bessere Schule besitzt als wir, der höher in der Kultur steht als wir. Und da wagen Sie, derartige Dinge hier auszusprechen, in einem deutschen Parlament! (Lachen 8 den Sozialdemokraten.) Abg. Liebknecht, es ist für uns ein Jammer, si Sie uns angehören.. (Lärm bei den Sozialdemokraten.) Preußen eht nicht nur mit seiner Beamtenschaft an der Spitze, es steht zuch mit seiner Schule an der Spitze. Italien hat 30 % nalphabeten, Frankreich 3 %, England 1 %, bei uns sind es .02 %. Ueber ein solches Volk erlauben sich diese Männer hier (Abg. Dr. Liebknecht: Dreiklassenwahl!)

eigene Revisoren angestellt, Der Staat hat den

demokraten sämtliche bürgerlichen Parteien einigen werden

eine Geschäftsordnung machen, und zwar auch eine wrdeict daß 6. der Republik Frankreich übernehmen, die mir sehr gefällt. Wenn dort ein Redner ausfallend wird und dreimal zur Ordnung gerufen ist, so wird er nicht nur mit Gewalt von den Dienern aus dem Saale befördert, sondern es werden ihm vier Wochen lang die Diäten ' (Abg. Hoffmann: Standrechtlich erschossen muß er

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtscha

Zur Arbeiterbewegung.

Der⸗ Verband der Metallindustriellen in furt a. M. teilt der „Frkft. Ztg.“ mit, daß von 4976 durch den Streik freigewordenen Arbeitsstellen über 700 inzwischen wieder bzeh fin zum Teil durch Neueingestellte, zum weitaus 86 8 8 urch Rückkehr der streikenden Arbeiter. (Vgl.

um Ausstand der Heizer an Bord des Dampfers „Oly: 4 (vgl. Nr. 100 d. Bl.) wird dem „W. T. B.“ bl PeeE telegraphiert: Als ein Bugsierdampfer mit nicht organisierten Heizern aus Liverpool gestern an der „Olympie“ anlegte, sprang eine herbemn Matrosen der „Olympic“ an Bord des Dampfers und weigerte sich mit nicht organisierten Leuten zusammen zu arbeiten. Die „Olympic“ unterrichtete den Kreuzer „Cochrane“ und setzte sich mit der Polizei in Portsmouth in Verbindung. Der Kommandant der 1““ ging an Bord der „Olympic“ und erinnerte die ausständigen Leute daß sie vertraglich gebunden seien und daß ihr Verhalten daher einer Meuterei gleichkomme. Die Polizei verhaftete 53 Mann der Besatzung, die heute vor dem Polizeigericht erschienen unter der Anklage des Ungehorsams gegen die Befehle ihres Kapitäns. Sie wurden gegen Bürgschaft freigelassen. Die Verhandlung wurde auf 1“ 98 1 ist die Ausreise

„Olympie“ aufgegeben worden. Das

pon Swuthanvien Krüͤck. u“

er Hafenarbeiterstreik in Gent ist „W. T. B.“ zufolge beendet. Die Docker erhalten vom 1. Mai an eine Lo ühus von etwa 10 % (Vgl. Nr. 83 d. Bl.)

Frank⸗

Kunst und Wiss enschaft.

Die Ausstellung von Schülerzeichnungen im Lich hofe des Kunstgewerbe⸗Museums hat in Schulkreisen bch Künstlern so vielseitige Teilnahme gefunden, daß sie auf wiederholt ausgesprochenen Wunsch noch um 14 Tage, und zwar bis einschließlich Sonntag, den 12. Mai, verlängert wird. Sie ist wochentags außer Veehtags von 10 bis 4, Sonntags von 12 bis 6 Uhr, unentgeltlich e .

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe spricht am 1. Mai Abends 8 ½ Uhr, im sreß Festsaale des Künstlerhauses, Bellevue⸗ straße 3, der Geheime Oberregierungsrat, Professor Dr. Ludwig Paklat über den Handfertigungsunterricht. Der Vortrag wird von einer reichhaltigen Ausstellung von Arbeiten begleitet sein, die aus den höheren deutschen Lehranstalten, aus den staatlichen Hand⸗ fertigkeitskursen in Berlin und aus den Werkstätten des Berliner Hauptvereins für Knabenhandarbeit hervorgegangen sind.

Literatur.

Von der unter Mitwirkung hervorragender Fachleute vo Ernst Friedel und Robert ielke 8 en Fachl Dietrich Reimer (Ernst Vohsen) in Berlin herausgegebenen Landeskunde der Provinz Brandenburg liegt, nachdem in den letztverflossenen Jahren die ersten beiden Bände (die Natur und die Geschichte) er⸗ schienen waren, nunmehr der dritte Band vor, der sich mit der Volkskunde der Provinz beschäftigt. Die Bearbeitung des reichen Stoffes, der einen mit zahlreichen Abbildungen, mehreren Tafeln und einer Karte geschmückten, über 450 Seiten starken Band füllt haben vier Herren durchgeführt: Robert Mielke behandelte die äußere, W. von Schulenburg die innere Volkskunde; Dr. H. Lohre gibt eine Darstellung der Volksdichtung und Dr. A. Kiekebusch bearbeitete die Vorgeschichte der Mark. In dem Kapitel über äußere Volkskunde wird der Märker in seiner ethnographischen Stellung umgrenzt und die Herkunft des Branden⸗ burgischen Volkstums, besonders die geistige Struktur des Berliner⸗ tums, geschildert; die Lage der Siedelungen, ihre Formen und Ver⸗ breitung, Haus und Hof, die Wohnung, Trachten, die verschiedenen Formen der Arbeit in Stadt und Land, Speise und Trank ziehen in Wort und Bild an dem Leser vorüber. Er lernt auch die eigenartigen in eine weite Vergangenheit zurückweisenden Züge kennen, die sich die märkische Bevölkerung bis in unsere Tage bewahrt und denen sie ein besonderes märkisches Gepräge gegeben hat. Im zweiten Kapitel, das sich mit der inneren Volkskunde beschäftigt, wird u. a. eine wissenschaftliche Analyse märkischer Volkssagen geboten, die den Be⸗ weis für das Fortbestehen altheidnischer 1“ bis in die Gegenwart erbringt; an der Hand einer kartographischen Dar⸗ stellung wird ferner gezeigt, daß sich die Bevölkerung vor⸗ handenen Ueberlieferungen auch dann unterwirft, wenn sie ver⸗ hältnismäßig spät eingewandert ist. Im Kapitel über die Volks⸗ dichtung erfährt der Leser, daß der Volksgesang in Brandenburg noch keineswegs erstorben ist. Zahlreich mitgeteilte Balladen, lyrische Ge⸗ sänge, Soldaten⸗, Jäger⸗ und Handwerkslieder, geistliche Volkslieder sowie Kinderlieder und Spielreime liefern hierfür den Beweis. In dem Abschnitt über die Vorgeschichte sind zum ersten Male die ge⸗ samten Ergebnisse der in den letzten Jahren mächtig geförderten wissenschaftlichen Arbeit berücksichtigt. Alle namhaften, in der Mark gemachten Funde aus der Steinzeit, der Bronzezeit, der frühesten Eisenzeit, der La Tone⸗Zeit, der römischen Kaiserzeit und der Wenden⸗ zeit sind in Wort und Bild mit eingehender Sachkenntnis geschildert. Den Schluß bildet eine Schilderung von Denkmälern aus der brandenburgischen Frühgeschichte bis zum 14. Jahrhundert. Die Reichhaltigkeit und treffliche Verarbeitung des in dem Bande gebotenen Materials sichert ihm eine Bedeutung auch für die Nachbarprovinzen, die teilweise denselben Ueberlieferungsstoff besitzen, der in ihnen aber eine so ein⸗ gehende wissenschaftliche Bearbeitung noch nicht gefunden hat. Der dritte Band kostet, wie die beiden vorhergehenden, geheftet 4, gebunden 5 ℳ. Zwei weitere Bände, in denen die Kultur und die Sprache der Provinz Brandenburg behandelt werden sollen, werden folgen.

Neue Briefe Wilhelm von Humboldts an Schiller aus den Jahren 1796—1803 hat Friedrich Clemens Ebrard be⸗ arbeitet und im Verlage der Gebrüder Paetel in Berlin in Buch⸗ form herausgegeben. (4 ℳ, geb. 5 ℳ.) Die 37 mitgeteilten Briefe, die bereits in der „Deutschen Rundschau“ veröffentlicht waren, ge⸗ hören seit kurzem der Frankfurter Stadtbibliothek. Schillers Sohn Ernst hatte die Originalbriefe Humboldts an seinen Vater, soweit sie sich im Besitze der Familie von Schiller befanden, im Jahre 1826 dem General von Wolzogen übergeben, der sie für die von Karoline von Wolzogen geplante Veröffentlichung des Briefwechsels abschreiben ließ. Humboldt fand diese Abschriften un⸗ genügend und ließ neue anfertigen. Die in dem vorliegenden Bande veröffentlichten neuen Briefe waren in jenen beiden Abschriften aber nicht enthalten; da zugleich mit ihnen eine Anzahl auf den General von Wolzogen bezüglicher Schriftstücke an den Tag gekommen ist, muß man annehmen, daß unsere Briefe zwar von Ernst von Schiller dem General von Wolzogen mit den übrigen übergeben worden sind, aber bereits während der von dem General veranlaßten Abschrift auf eine beute nicht mehr festzustellende Weise abhanden gekommen waren. Die Bedeutung der Briefe ergibt sich schon aus deren rein äußerlicher

hoffe, daß die letzten Reden und Zwischenrufe der Sozial⸗

Wertung; mit ihnen besitzen wir jetzt aus den Jahren 1796 1803

ve

Curt Kraatz und Arthur Hoffmann wurde gestern Abend im

46 Briefe Wilhelm von Humboldts an Schiller, und es fehlen wenn wir Schillers von Ernst Müller im Jahre 1893 Kalender zu Rate ziehen, nur noch 22 Briefe aus der Zahl derer. die der Dichter in jenen acht Jahren von Humboldt erhalten hat. Noch größer ist natürlich die inhaltliche Bedeutung der Briefe. Wie in 2 Fnbe. hen sgß auch in diesen mit Vor b rische Pläne, bei denen ihm der Freun ö kritische Instanz war; eingehend aber verbreitet er ungedruckte Dich batte. 4 8 igenart Humboldts, an die Besprechung irgend eines, oft n 8 erwähnten Gegenstandes allgemeinere, 12 in die zil⸗ 8 philosophisch begründete Erörterungen anzuknüpfen, tritt auch in diese Briefen oft zutage. In den Anmerkungen hat der Herausgeber u. a wichtige Stellen aus den Briefen anderer, namentlich Goethes Schillers und Körners, zum Verständnis oder zur Ergänzung heran⸗

gezogen. Professor Dr. Heinrich Kraeger hat im Verla Schulzeschen Hofbuchhandlung in Oldenburg 132 Leipzig einen Pcde „Vorträge und Kritiken“ herausgegeben, der in überarbeitete Form eine Auswahl aus den Aufsätzen, Vorträgen und Besprechungen des Verfassers aus alter und neuer, deutscher und fremder Literatu bietet. Die Kritiken befassen sich meist mit dem jüngsten Schrifttum und suchen aus den Erzeugnissen der letzten Jahrzehnte Fruchtbares, jedes in seiner Art, vor einem größeren Kreise zu kennzeichnen. Bei der Schnelligkeit, mit der die Gegenwart literarische Werke, die sie kurze Zei über die Gebühr beachtete, vergißt, und bei der Flüchtigkeit, mit der si oft über Wertvolles, das sich nicht vorzudrängen vermochte, hinweg geht, ist eine kritische Rückschau, wie sie das Buch bietet, durchau dankenswert. Um so mehr, wenn ihr Verfasser ein gereiftes und durchgebildetes Urteil besitzt, das ihn befähigt, die Spreu vom Weizen zu sondern, eine Fähigkeit, die man dem Verfasser zusprechen darf. Seine verständigen Kritiken, die sich von lauten, vordringlichen Ein tagserscheinungen nicht beeinflussen und von Scheingrößen nicht blenden lassen, suchen einzig nach einem ernsten, künstlerischen Maßstab zu be werten; sie dürften auch rückwirkend einen aufklärenden und erziehe rischen Einfluß ausüben. Wohltuend wirkt, im Hinblick auf die sich gegenwärtig in der Kritik breitmachende selbstgefällige Manieriertheit, die schlichte, sachliche Art, mit der der Verfasser seine Ansichten

vorträgt.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Saatenstand in Italien während des ersten Dri des Monats April 1912.

Die wesentlich niedrigere Temperatur, die während der Berichts⸗ periode einsetzte, hat der schnellen und vorzeitigen En denHerichts⸗ Saaten einigermaßen Einhalt geboten, und auch hier und da den in Blüte stehenden Obstbäumen geringen Schaden zugefügt. Der Stand der Feldfrüchte ist im weitaus größten Teile Italiens nach wie vor zufriedenstellend; nur aus den südlichen Gegenden am adriatischen Meer wiederholten sich die Klagen über die anhaltende Trockenheit und vrn 1“ auf vie Entaeickung der Feldfrüchte. Die

ühjahrsaussaat dauerte an. ericht des Kais konsulats Genua vom 22. April 1912.) 1

Theater und Musik.

8 Königliches Opernhaus. „Das Königliche Opernhaus, das demnächst einen Zyklu heiterer Opern zu eröffnen gedenkt, führte gestern in abend zwei ältere Werke auf, die den Zyklus einleiten werden, und zwar zunächst Glucks einaktiges Schäferspiel „Die Maiten⸗ königin“ („Les amours champétres“). Glucks Werk, eine jener kleinen Operetten, die er für den Wiener Hof nach französischem Texte schrieb, stammt in der jetzigen musikalischen Fassung von dem Hofkapellmeister Fuchs her, der die Partitur um einige der wirk⸗ samsten Nummern aus anderen Singspielen des Meisters bereicherte; den deutschen Text verfaßte Max Kalbeck. Er schildert in schlichten Reimen das vergebliche Werben eines auf⸗ geputzten Gecken und eines groben Bauern um die Hand der schönen Schäferin Helene, die beiden den Laufpaß gibt, Wum dem Hirten Philint anzugehören. Diese Handlung inter⸗ essiert an und für sich gar nicht, aber sie stellt in gefälliger Form die Verbindung zwischen den verschiedenen musikalisch feinen und an⸗ mutigen Gesangsstücken her, unter denen ein Quartett in G⸗Dur, dem Singspiel 88 fausse esclave“ entlehnt, das reizvollste ist. Die Damen Ober, Dux, Dietrich, die Herren Henke und Mang hatten die seenge des Schäferspiels inne und führten sie an⸗ gemessen durch. Besonders schön klang Frau Obers prachtvolle Alt⸗ stimme. Der Kapellmeister Blech hatte sich des Werkes mit Liebe angenommen, dessen zierliche Musik das Ohr umschmeichelte. Als zweite Gabe folgte Karl Ditters von Dittersdorfs erfolg⸗ reichstes Werk „Doktor und Apotheker“. Dieses Singspiel, welches unter dem ursprünglichen Titel „Der Apotheker und der Doktor“ am 11. Juli 1786 in Wien zum ersten Male in Szene ging, ist niemals ganz vom Spielplan der deutschen Theater verschwunden; auch die hiesige Königliche Bühne hat es ab und zu wieder in Er⸗ innerung gebracht; die letzte Neueinstudierung erfolgte im Jahre 1899 zum 100. Todestage des Komponisten. Daß Dittersdorf kein musikalischer Pfadfinder, sondern nur bestrebt war, sein Schaffen auf der Höhe der für seine Zeit geltenden Kunst⸗ formen und normen zu halten, tut seiner Arbeit auch beute keinen Abbruch; es ist vielmehr ganz lehrreich, darin die musikalischen Ueberlieferungen kennen zu lernen, auf denen Haydn, Mozart und Beethoven, weiter bauend, Unsterbliches schufen. Namentlich wird man an den zweitgenannten Meister oft so stark erinnert, daß man, zumal in den Ensemblesätzen, Stellen aus den gelungensten seiner komischen Opern zu hören vermeint. Ueberhaupt bilden diese Ensemblesätze und die überaus charakteristische Behandlung des Orchesters, durch das zuweilen zündend komische Wirkungen erzielt werden, die starke Seite des Singspiels, während die Soli von einer den . Ansprüchen nicht mehr zusagenden Naivität sind. Der nach einem französischen Vorbild „L Apothi- caire de Murcie“ von Stephanie verfaßte Text hat zwar viele Längen und Schwächen, ist aber in seiner Art ebenfalls charak⸗ teristisch für die Geschmacksrichtung der Zeit. Von Verwechslungen und Verkleidungen wird darin, wie auch in manchen späteren Werken, in ausgiebiger Weise Gebrauch gemacht. Die gestrige Aufführung brachte gerade diese possenhaften Szenen, in denen Herr Lieban als durchtriebener Hemhefen Sichel seine vollsaftige Komik ent⸗ falten konnte, am besten heraus, während für die Besetzung der beiden Hauptrollen des Doktors und des Avpothekers die Kräfte fehlten; denn weder Herr Krasa noch Herr ang sind Baßbuffos im eigentlichen Sinne. Gesang und Darstellung war bei ihnen zu nüchtern. Gut waren die weiblichen Partien mit den Damen von Scheele. Müller, Andrejewa⸗Skilondz und Boehm van Endert und die kleinen Rollen mit den Herren Philipp und Habich besetzt. Auch der Kapellmeister von Strauß als musikalischer Leiter und der Ober⸗ regisseur Droescher als Spielleiter walteten mit vollem Verständnis für g e fibres 8 vab cham Hengeecs sich namentlich zweiten, lustigeren es Singspiels offenbar recht gut t es an Beifall nicht fehlen. 1-

eeigneten

Lustspielhaus.

Mit dem dreiaktigen Schwank „So'n Windhundl“ von Lustspielhause ein starker Heiterkeitserfolg erzielt. Die B

arbeiten mit ziemlich groben und durchaus dcht 8e Meitsckerfasser gibt es Wahlmanöver mit drolligen Umzügen und überraschenden Ständchen wie in Freytags „Journalisten“, da sind lustige Schauspielerinnen, die nach bekannten Mustern als gelehrte Frauenrechtlerinnen in bürgerlichen

Kreisen einer Kleinstadt eine erfolgreiche Rolle spielen, eifersüchtige