Die Landesparteivertretung der tschechischen
sozialen Partei hat, obiger Quelle zufolge, gestern die Zurückziehung ihrer Vertreter aus der nationalpolitischen Aus⸗ gleichskommission beschlossen, nachdem kürzlich auch die tschechische staatsrechtliche Partei ihre Vertreter aus dieser Kommission zurückgezogen hatte. Dadurch sind die Ausgleichsverhandlungen erschüttert, da die nationalsoziale Partei unter den Wählern den größten Anhang hatte und die übrigen tschechischen Parteien daher nicht gegen sie aufkommen können.
11““
Fraukreich.
Der vorgestern in Rambouillet tagende Ministerrat hat laut Meldung des „W. T. B.“ beschlossen, den General Liautey zum Generalresidenten für Marokko und Gaillard, den gegenwärtigen Konsul in Fes, zu seinem Generalsekretär zu ernennen. Regnault, der bisherige Gesandte in Tanger, wird einen Gesandtenposten in Europa erhalten. Im weiteren Verlauf der Sitzung erklärte der Ackerbau⸗ minister Pams: die amtlichen Statistiken zeigten, daß in Frankreich ein Getreidevorrat vorhanden sei, der genüge, um die Bedürfnisse mehr als ausreichend bis zur nächsten Ernte zu decken. Die Getreideversorgung in der Zeit zwischen zwei Ernten werde durch die neuen Getreide⸗ zufuhren aus Algier und Tunis, die im Juni einträfen, voll⸗ ständig gesichert. Es sei infolgedessen unnütz, eine Veränderung des Zolltarifs ins Auge zu fassen. Im höheren Landwirt⸗ schaftsrat werde aber eiligst über Veränderungen, die zur zeit⸗ weiligen Erleichterung der Einfuhr möglich seien, beraten werden. Der Ministerrat erteilte dann dem Kriegsminister grundsätzlich die Ermächtigung, nötigenfalls Getreideankäufe im Ausland vorzunehmen.
In einem Bericht, Loincaré in der Frage lichten Ernennung des Generals Liautey zum Generalresidenten in Marokko dem Pröäsidenten Fallisres unterbreitet hat, weist der Ministerpräsident, einer Note der „Agence Havas“ zufolge, zunächst auf die Be⸗ dingungen hin, unter denen Regnault nach Fes gesandt worden sei, wie dieser die Zustimmung des Sultans zum Protektorats⸗ vertrage erlangt habe und wie schließlich die Erwägungen Regnaults über die einzuführenden Reformen durch die Ereignisse in Fes unterbrochen worden seien. Weiter betont Poincaré die Not⸗ wendigkeit eines einheitlichen Vorgehens in Marokko. Es sei ein Werk der Zivilisation und des Fortschritts, das Frank⸗ reich auf sich nehme; aber nur in denjenigen Gegenden Marokkos, wo bereits der Friede eingekehrt sei, könnten die französischen Verwaltungsmaßregeln durchgeführt werden. Um die friedliche Durchdringuug des Landes planmäßig vor⸗ zubereiten und auszudehnen, sei es durchaus nötig, daß die bürgerlichen und die militärischen Machtbefugnisse in die Hand eines einzigen Mannes gelegt würden. Die Aufgabe, die e harre, sei schwierig und verwickelt; er solle dem Protektorat Geltung verschaffen unter Beobachtung der Verpflichtungen Frank⸗ reichs gegenüber den Mächten und solle gerade der Auffassung des Protektorats treu bleiben, die im Einklang stehe mit den internationalen Verträgen. Auch solle er es verstehen, durch geschickte Verfügung über die französischen Streitkräfte in Marokko und durch eine vernünftige Ausführung des politischen, wirtschaftlichen und strategischen Programms die Annahme des Protektorats seitens der marokkanischen Stämme vorzubereiten und zu sichern. Ein passender Mann für diese Aufgaben sei
Liautey. Rußland.
Der Reichsrat hat vorgestern nach 13 Sitzungen die Beratung der Volksschulfrage beendet. Wegen vieler großer und prinzipieller Aenderungen gegenüber der Dumafassung muß, wie „W. T. B.“ meldet, die Vorlage einer aus Reichsrats⸗ 85 ö“ bestehenden Ausgleichskommission über⸗
en werden.
8 — Die Reichsduma setzte in der vorgestrigen Sitzung die Beratung des Etats des Ministeriums des Aeußern fort und sprach dabei den Wunsch auf Festsetzung der Anteils⸗ quote Finnlands an diesen Ausgaben sowie die Notwendigkeit der Errichtung einer Akademie für orientalische Sprachen aus. vm Laufe der Debatte führte der Abg. Miljukow, obiger Quelle zufolge, aus, daß die Beziehungen zwischen den Nationalitäten in den türkischen Provinzen aufs äußerste zu⸗ gespitzt seien. Es müsse die Frage gelöst werden, wie der Möglichkeit der Ausartung in einen Aufstand vorgebeugt werden könne und, falls das unmöglich sei, welche Haltung für den Fall möglicher Verwicklungen Rußland einzunehmen beschlossen habe. Notwendig sei es ferner, die Be⸗ ziehungen Rußlands zu den Staaten, die in der Balkan⸗ frage mitzureden hätten, klarzustellen. Das der Oeffentlichkeit übergebene Programm der leitenden Grundlagen der russisch⸗ österreichischen Politik auf dem Balkan halte er für nichts anderes als das Programm des früheren Ministers des Aeußern Iswolski. Der Redner verfolgte den Gang der Ver⸗ handlungen Iswolskis mit dem österreichischen Kabinett an der Hand von Dokumenten und kam zu dem Schluß, Iswolskis Deutung der Antwort des Wiener Kabinetts könne nicht einmal Optimismus genannt werden, sie sei einfach eine Auto⸗ uggestion. Wien habe bloß die Tatsache festgestellt, daß die Beziehungen beider Kabinette wieder hergestellt seien, und habe den status quo unterstrichen. Der gegenwärtige Minister des Auswärtigen habe vielleicht auf Grund weiteren Schrift wechsels das Recht zu der Behauptung, daß Wien die Absicht hege, die erwähnten Grundlagen zu beobachten. Wenn der Minister wirklich Grund habe zu seiner Zuversicht⸗ ichkeit in bezug auf die Haltung Oesterreichs, so erwarte die öffentliche Meinung die Veröffentlichung des weiteren Schriftwechsels, sonst werde sie annehmen müssen, aß der Optimismus Ssasonows eben so grundlos sei wie der 8 is. Ergebe sich' somit für die russisch⸗österreichischen
den der der heute
Ministerpräsident amtlich veröffent⸗
cleemngen vorläufig eine Periode der Besserung, so bleibe
doch die Frage offen, auf welchen gemeinsam vereinbarten Grundlagen Rußland und Oesterreich ihre Balkanpolitik treiben önnten. Den Optimismus Ssasonows betreffs der möglichen gebnisse einer Vermittlung im türkisch⸗italienischen Kriege halte er für einigermaßen übertrieben. Er befürchte, daß, da as Ideal eines Balkanbundes nicht verwirklicht sei, die Ver⸗ ältnisse auf die Möglichkeit einer Teilung zutrieben. Un⸗ estreitbar bilde sich ein realer Boden für diese Lösung, die den drei Punkten der Verständigung mit Oesterreich wider⸗ spreche. Somit entstehe die Frage, ob die russischen Be⸗ ziehungen zu Oesterreich durch die Erklärung Ssasonows er⸗ schöpft würden. Der Redner kam zu dem Schluß, vorläufig nüsse Rußland für den status quo und die Integrität der
national⸗
„Agenzia Stefani“ meldet, gibt der Admiral Presbitero vom Panzerkreuzer „Pisa“ aus funkentelegraphisch bekannt, daß er, um die Besetzung der Insel Astro⸗ palia zu einer vollständigen zu machen, zwei Kompagnien an Land gesetzt habe. Diese hätten sich durch einen Handstreich der Pässe bemächtigt, die die Stadt Livadia beherrschten, in der Absicht, die dort versammelten türkischen regulären Truppen zu umzingeln. Die Umzingelung sei vollständig geglückt. Bei Tagesanbruch hätte ein Parlamentär die Türken zur Uebergabe aufgefordert, die angenommen worden sei. Man habe der kleinen Garnison, die für kriegsgefangen erklärt worden wäre, militärische Ehren erwiesen. .
Türkei. 1b
Vorgestern vormittag fand aus Anlaß des Jahrestages der Thronbesteigung des Sultans ein Empfang im Palais statt. Wie „W. T. B.“ meldet, wurde darauf die von der Nürnberg⸗Augsburger Maschinenfabrik erbaute Brücke von Galata nach Stambul feierlich eröffnet. Nachmittags wurde auf dem Fher hentst eine Musterung über 30 000 Mann aller Waffengattungen abgehalten, der der Sultan, die Prinzen, das diplomatische Korps, zahlreiche Würdenträger und eine große Menschenmenge beiwohnten. Der erstmalige Auf⸗ stieg eines Militärflugzeugs, das über dem Paradefelde in großer Höhe manövrierte, machte großen Eindruck. Abends war die Stadt festlich beleuchtet. Etwa 200 wegen politischer Delikte Verurteilte wurden begnadigt.
— Der Ministerrat hat nach einer langen Besprechung über die Oeffnung der Dardanellen für die Schiffahrt noch
keinen Beschluß gefaßt.
Griechenland. Nach Meldungen des „W. T. B.“ hat die Regierung bei den Großmächten die Versicherung erneuert, daß die kretischen Abgeordneten zu den Sitzungen der griechischen Kammer nicht zugelassen werden.
Serbien.
Bei der gestrigen 1s Nachwahl zu der Skupschtina ist, wie „W. T. B.“ meldet, in Pirot der jungradikale Kandidat gewählt worden. Damit erlangt die Regierung eine knappe Mehrheit. 8
*.
Amerika.
Das amerikanische Staatsdepartement hat, wie „W. T. B.“ meldet, seine Bereitwilligkeit ausgesprochen, an einer inter⸗ nationalen Konferenz zur Herbeiführung größerer Sicher⸗ heit im Verkehr auf dem Ozean teilzunehmen.
— Die mexikanische Deputiertenkammer hat vor⸗ gestern, obiger Quelle zufolge, eine Bill über die Ausgabe von Schatzscheinen in Höhe von 20 Millionen Pesos ange⸗ nommen. Das Geld soll zu der bereits beschlossenen Erhöhung des Heeres auf 60 000 Mann dienen.
— Nach Blättermeldungen aus Asuncion hat der Bürger⸗ krieg in Paraguay wieder begonnen. Vier Regierungs⸗ schif haben am Freitag die revolutionären Streitkräfte des rüheren Präsidenten Jara angegriffen, die sich in dem Fort Encarnacion festgesetzt hatten. Das mörderische Feuer der
lutionäre zwang sie aber, sich mit Havarien zurückzuziehen.
8116“ 5 Asien.
Das persische Kabinett hat laut Meldung des „W. T. B.“ dem Polizeichef in Teheran Vollmacht erteilt, alle Gegner der gegenwärtigen Regierung zu ver⸗ haften. Unter denen, die gestern verhaftet worden sind, be⸗ findet sich Suliman Mirza, der Führer der demokratischen Partei im letzten Medschlis. Das Los der Verhafteten scheint die “ nach irgend einem entfernten Ort Persiens zu sein.
— Wie die „St. Petersburger Telegraphen⸗Agentur“ aus
Kuldscha meldet, arbeitet die Lokalregierung auf eine Aus⸗ scheidung des Iligebiets aus der Provinz Hsin⸗Kiang hin und drängt den Präsidenten Huan, auf seinem Posten zu bleiben. Gestern sind dort zwei Sotnien sibirischer Kosaken eingetroffen. — Die chinesische Regierung ist, dem „Reuterschen Bureau“ zufolge, gewillt, die Ueberwachung der Verwendung der zu er⸗ wartenden Anleihe der internationalen Gruppe dem früheren Präsidenten der Bank von Javae Vissering, zu übertragen. Vissering ist im vorigen Jahre zum Ratgeber der Regierung bei der geplanten Währungsreform ernannt worden.
1“
Wie der „Imparcial“ aus Melilla meldet, berichten aus dem Innern kommende Eingeborene, daß einige Stämme den Bruder des Sultans Mulay Hafid, Mulay Mohammed den Einäugigen, zum Sultan ausgerufen haben.
Nach einer Meldung des L ö’.“ Bureaus“ haben zwei in Algeciras und San Roque stehende spanische Re⸗ “ abend Befehl erhalten, sich nach Larrasch einzuschiffen.
— Dem türkischen Kriegsministerium wird, dem „W. T. B.“ fufolge, aus Tripolis vom 23. d. Mts. gemeldet, daß zwei eim Blockhause von Buchamez lagernde italienische Regimenter Tuzla angegriffen, aber infolge des Widerstandes der Türken und Araber die Flucht hätten ergreifen müssen. Sie hätten eine Anzahl Tote und Verwundete zurückgelassen und seien bis zur Festungslinie verfolgt worden. Die türkischen und arabischen Truppen hätten 15 Tote und 120 Verwundete gehabt. Nach diesem Kampfe hätten die Italiener Sidi Said ohne Erfolg bombardiert.
Das Kriegsministerium veröffentlicht ferner ein Telegramm Enver Beys vom 23. April über einen Kampf, der in dieser Nacht bei Tobruk stattgefunden habe. Die Italiener hätten etwa 40 Tote gehabt. Ferner seien zwei Maschinengewehre unbrauchbar gemacht und ein Scheinwerfer zerstört worden. Die türkischen und arabischen Truppen hätten zwei Tote und drei Verwundete gehabt.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
8
Reichseisenbahnen, Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach und der Staatssekretär des Reichskolonialamtz Dr. Solf beiwohnten, wurde die Spezialberatung des Etatz der Reichseisenbahnen fortgesetzt. Die Abstimmung über die zu den Ausgaben für die Zentralverwaltung beantragten Resolutionen, bei der es am Sonnabend zur Feststellung der Be⸗ schlußunfähigkeit des Hauses⸗kam und die heute zunächst zu wieder⸗ holen gewesen wäre, wurde auf Vorschlag des Präsidenten Dr Kaempf an den Schluß der Beratung dieses Etats verschoben Die Ausgaben für die Zentralverwaltung wurden bewilligt Bei den Ausgaben für die „Betriebsverwaltung“ trat der
Abg. Dr. Weill (Soz) für Aufbesserung der Bezüge der Hilfe, schaff 9 10 fbesserung zůg Hilfs.
Abg. Dr. Schatz (Els.): Die Eisenbahngehilfen gehören eb 1. falls zu den am schlechtesten bezahlten Angestellten des Werkstäͤtten. und Betriebsdienstes und bedürfen vor anderen Kategorien einer Auf⸗ heslerveng Dasselbe gilt von den Stellwerksweichenstellern, über deren besonders schweren und verantwortungsvollen Dienst kein Zweifel sein kann. Ebenso wünschen die Lademeister mit Recht, in die Klasse der mittleren Beamten eingereiht zu werden. Die Zurücksetzung der Lade⸗ meister muß notwendigerweise böses Blut bei dieser Angestellten⸗ kategorie erzeugen.
Abg. Werner⸗Hersfeld (D. Reformp.): Besonders schlecht sind die Anstellungsverhältnisse der Zivilsupernumerare. Clchlec sin die Lage der Eisenbahnkanzleibeamten sehr zu wünschen übrig. Obwohl sie selbst vom Minister als Angehörige der Beamten⸗ schaft anerkannt werden, ist ihre Besoldung keineswegs dem⸗ entsprechend. Die Lademeister klagen nicht nur darüber, daß sie materiell schlecht gestellt sind, sondern auch über ihre Rang. verhältnisse; sie haben ein Heer von Arbeitern unter sich, es mangelt ihnen aber die notwendige äußere Autorität. Die Wagenwärter haben jetzt auch schwerere Anforderungen zu erfüllen besonders infolge der Fortschritte der Beleuchtungstechnik. Auch sie
bitten um eine andere Amtsbezeichnung; die meisten von ihnen sind aus dem Handwerkerstande hervorgegangen und haben bedeutende Auf⸗ wendungen für ihre Ausbildung machen müssen.
Die Abgg. Windeck (Lothr.) und Peirotes (Soz.), die hierauf das Wort erhielten, waren im Hause nicht anwesend.
„— In der heutigen (59.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister des Innern Dr. von Dal lwitz beiwohnte, erbat zunächst der Präsident Dr. Frei⸗ herr von Erffa die Ermächtigung, Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen die Glückwünsche des Hauses zum Geburtstage auszudrücken. Diese Ermächtigung wurde erteilt.
Dann setzte das Haus die zweite Beratung des Etats des Ministeriums des Innern für 1912, und zwar zunächst die Besprechung der nordschleswigschen Frage bei dem ersten Titel der dauernden Ausgaben, „Gehalt des Ministers“, fort.
„Abg. Dr. Schifferer (nl.). Der Herr Minister des Innern ist bereits am Sonnabend den Ausführungen des Abg. Nissen ent⸗ gegengetreten. Jene Rede des Abg. Nissen war in diesem Jahre zu erwarten, denn sie bildete einen unentbehrlichen Baustein für die Plattform, die seit einiger Zeit der politischen Arbeit der Dänenpartei im Lande und auch in den Parlamenten zugrunde liegt. Man kann, wenn man der Frage der Staatlosen und ihrer Behandlung näher kommen will, sie nur so behandeln, wie es der Herr Minister getan hat; man muß sie in Verbindung bringen mit dem geschichtlichen, staatsrecht. lichen und nationalpolitischen Zusammenhang, man muß sie auch in das Milieu der Nationalitätskämpfe in Nordschleswig stellen. Seit Februar 1909, wo darüber hier ausführlich gesprochen wurde, ist die nationalpolitische Bewegung der dänischen Partei in Nordschleswig radikaler geworden, es wird gegen die Deutschen angriffsweise vorgegangen, in wachsender Zahl werden dänische Sondervereine gegründet und Vereinshäuser gebaut, und dazu tritt eine weit angelegte und geschickt geleitete Bodenpolitik. Der Däne, der innerhalb Nordschleswigs Grundbesitz verkauft, wud öffentlich als Schurke und Verräter gebrandmarkt. In steigen⸗ dem Maße wird auch die Jugend in diese Bestrebungen einbezogen Die ganze Agitation wird geführt unter dem Deckmantel und unter dem Schutze der Behauptung, daß man deutscherseits und namentlich seitens der preußischen Regierung die dänische Sprache, Sitte und Kultur unterdrücken wolle. Diese Behauptung wird ohne den Schatten eines Beweises aufgestellt. Die deutsche und die preu⸗ ßische Regierung müßten unendlich töricht sein und in unglaubliche Unkenntnis der Verhältnisse sich befinden, wenn dies wirklich ihr Kampfesziel wäre; denn die dänische Sprache ist doch die Mutter⸗ sprache eines großen Teils der deutschgesinnten Bevölkerung und bildet dort die tägliche Umgangssprache. Diese falsche Behauptung wirdaber tretz unserer immer wiederholten Erklärung, daß wir nur der verhetzenden dänischen Agitation entgegentreten wollen, aufrecht erhalten, um den Schein des Rechts für die verhetzende Agitation zu retten und einen Schlachtruf zu haben, um dem Ziele der Lostrennung von Nordschleswig und seiner Wiedervereinigung mit Dänemark näher zu kommen. Diesem Endziele
ist auch der Versuch gewidmet, die dänisch gesinnte Bevölkerung von der
deutsch gesinnten wirtschaftlich und politisch zu trennen und sie all⸗ mählich so zu präparieren, daß, wenn einmal der Artikel v wieder Leben gewinnt, Nordschleswig als reife Frucht vom preußischen Stamme abfällt. Diese Arbeit erfährt moralische und materielle Unterstützung aus dem Königreich Dänemark, wo eigene Organisationen dafür vorhanden sind, die mit den Führern der Agitation in Nordschleswig in engster Beziehung stehen. Ich weise nur auf jene Preßstimmen hin. Die Zeitschrift „Söderjylland“ eines politischen Vereins in Dänemark spricht noch immer von dem Art. V und seinem Inhalt und verherrlicht die beiden Protestabgeordneten Koyger und Ahlmann. Eine weitere Preßstimme ist ein Artikel des Herin Lauridsen im „Flensborg⸗Avis“ vom 3. Januar 1912. Der Artikel in Form eines Neujahrswunsches behandelt die Wahlbewegung und unterstellt, daß der darin zutage getretenen Kampfesfreude der dänisch Gesinnten die Wiedervereinigungshoffnung zugrunde liegt. Als klassischen Zeugen für diesen Nationalitätseifer zittere ich den Kollegen und heute abwesenden Abg. Kloppenborg, der in einer Beilage zu der in Nordschleswig erscheinenden „National⸗Tidende“ einen Beitrag zu den „Erinnerungen angesehener Persönlichkeiten“ beigesteuert hat, in dem er ausführt, die Dänen lebten 1“4“ unter einer Fremdherrschaft, sie warteten auf den Heimüurlaub in das gelobte Land, und in dem er unter Ver⸗ herrlichung des Abg. Hansen angibt, daß er sich dafür entschieden habe, als es galt, die Wahl zu treffen, in Preußen zu bleiben, um die Südgrenze des dänischen Volkes wieder gewinnen zu helfen. Ich kann diese Gesinnung des Herrn Kloppenborg von seinem Stand⸗ punkt aus verstehen; wenn sie sich aber in dem Munde eines preußi⸗ schen Abgeordneten zu Kundgebungen in einer reichsdänischen Zeitung verdichtet, so sieht das anders aus. Der Geist, der aus diesen Aus⸗ führungen spricht, ist der wahre Geist der Bevölkerung, wie er auch in allen Lersammlungen seinen Ausdruck findet. Mit dieser Ge⸗ sinnung stehen die Erklärungen, die wir im Abgeordnetenhaus und im Reichstage von den dänischen Abgeordneten zu hören bekommen, im Widerspruch, und auf diesen Widerspruch muß immer wieder hir⸗ gewiesen werden. Das Ziel der dänischen Arbeit in Nordschleswig im Sinne der Wiedervereinigung dieses Landesteils mit Dänemark ist nie treffender illustriert worden, als durch die letzte Reichstage⸗ wahlbewegung. In allen Versammlungen wurde die Lehre aus dem großen Zusammenstoß gezogen, der sich vor einiger Zeit im dänischen Lager ereignete, wo diejenigen, die vorsichtiger zu Werke gehen
Türkei eintreten bis ein Balkanbund möglich werde.
In der heutigen (49.) Sitzung des Reichstags, welcher der Chef des Reichsamts für die Verwaltung et
wollten, mit denen zusammenstießen, die es für praktischer hielten, energisch vorzugehen. In Dänemark selbst werden diese Dinge eifrig verfolgt, und der Ausgang der Reichstagswahl ist als
ein großer Sieg der dänischen Partei gefeiert worden. Der Optanten⸗ 2 hat 82 auf ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt, die dänische deutschfeindliche Agitation ist vielmehr weiter gefördert worden. Wie die Frage der Niederlassung, so wird jetzt auch die Frage der Staatlosen zum Ausgangspunkt für die dänischen Asptrationen gemacht. Diese Staatlosen sind die Kinder dänischer Einwanderer, die nach dänischem Recht infolge ihrer Geburt außer⸗ halb Dänemarks nicht dänische Staatsangehörige sind und nach unseren gesetzlichen Bestimmungen nicht Preußen werden können. 1898 hat Dänemark ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz erlassen, nach dem diejenigen Kinder von dänischen Staatsangehörigen, die im Aus⸗ lande geboren sind, nicht die dänische Staatsangehörigkeit haben. Leider ist der Fehler gemacht worden, daß diese Frage nicht auch in dem Vertrage von 1907 ihre Erledigung gefunden hat. Daß daraus Härten sind, wird von meinen Freunden ausdrücklich anerkannt. Die Frage hätte sich aber sehr leicht aus der Welt schaffen lassen, wenn der zuerst dazu berufene Staat, nämlich Däne⸗ mark, sie gelöst hätte. Die Staatlosen sind die Kinder dänischer Staatsbürger, die aus freiem Willen zu uns nach Preußen gekommen sind. Dänemark hätte diese Frage lösen können, wenn es seinem Gesetz von 1898 keine rückwirkende Kraft gegeben hätte; dann wäre die Frage der Staatlosen mit einem Schlage aus der Welt geschafft. Das liegt allerdings nicht im Sinne der dänischen Agitation, denn diese verlangt analog der Behandlung der Optantenkinder die bedingungslose Naturalisation der Staatlosen in Preußen. Wenn das gelingt, so werden die dänischen Schlachtreihen wiederum um 2000 tüchtige Glieder verstärkt; denn so viel Staat⸗ lose gibt es. Die Deutschen können dann sehen, wie sie sich in diese Verhältnisse in Nordschleswig schicken. Die Frage ist ein ausgezeichneter Agitationsstoff für die dänische Partei.
(Schluß des Blattes.)
Nach dem vorläufigen amtlichen Wahlergebnis haben, wie W. T. B.“ meldet, bei der Reichstagsersatzwahl im Zoldenburgischen Wahlkreise (Varel⸗Jever) Dr. Wiemer (Fortschr. Vp.) 10 901, Hug (Soz.) 12557, Dr. Albrecht (Natl.) 1898 und Frhr. v. Hammerstein (Bund der Land⸗ wirte) 998 Stimmen erhalten. Zersplittert waren zwei Stimmen.
Statistik und Volkswirtschaft
eutsche und Polen in Preußen nach der Volkszählung von 1 910.
Im preußischen Staate wurden nach der „Stat. Korr.“ ermittelt Deutsche Polen v. H. der v. H. der Gesamt⸗ Gesamt⸗ bevölkerung bevölkerung 88,02 23 88,14 8,89 32 857 970 88.,11 3 325 717 8,92 35 426 335 88,20 3 500 621 8,72. Berechnet man die Zunahmequoten beider Volksstämme im Ver⸗ bältnis zur Zahl ihrer eigenen Stammesgenossen, so zeigt sich, daß zugenommen haben im Staate die Deutschen die Polen
vom Tausend der Polen um 102,4 82,1 51,2
in den Jahren
1900 1905 1910
überhaupt
2 765 101 3 063 490
überhaupt
26 367 355 30 383 089
1890/1900 1900/1905 . . b 1 1905/,1910 1 1890/1910 . .. 8 234,8.
Die Zunahmequote der Deutschen, welche die der Polen 1890/1900 noch übertraf (141,5: 102,4 v. T.), war 1900/1905 etwas niedriger (78,3: 82,1 v. T.) und im letzten Jahrfünfte wieder nicht unerheblich höher (75,2: 51,2 v. T.). Das Deutschtum hat demnach im Gesamtstaate etwas an Boden gewonnen, und zwar nicht nur im letzten Jahrfünfte, sondern auch in dem zwanzigjährigen Zeitraume von 1890 bis 1910. Wie die Schwankungen innerhalb der einzelnen Volkezählungsperioden zustande gekommen sind, wissen wir nicht, da wir bisher weder die deutsche und polnische Aus⸗ und Einwanderung, noch die natürliche Vermehrung kennen. In den polenreichen Re⸗ gierungsbezirken der Ostmark wurde 1905 und 1910 folgendes fest⸗
gestellt: Es waren vorhanden deutsch und polnisch
in den Deutsch Deutsche Sprechende
“
irken
8 1910 1905] 1910
Allenstein. . . 242 751 274 320 3 249 11 763
Danzig 511 423 532 620 3 727 5 684
Marienwerder 550 262 565 323 6 673 13 508 427 232 3 984 6 867
posen 406 587 V Bremberg .. 354 714 379 488 365 167 378 831] 3 301 4 929 884 045 54 094 88 798.
Oppeln. 757 187 1 158 765 1 169 340
Auffällig ist die starke Zunahme der Polen in dem bezirke Allenstein, nachdem bei den früheren Volkszählungen eine zegelmäßige Abnahme zu verzeichnen war, und ebenso deren Abnahme im Bezirke Danzig. Berechnet man in gleicher Weise wie oben die Zunahmequoten von Deutschen und Polen im letzten Jahrfünfte, so ergeben sich die folgenden Verschiebungen:
CI e Marien⸗
ezw. Abnahme — stein werder
der Deutschen vom Tausend der Deutschen P 122,1 + 40,6 + 27,0 + 49,5 + 67,5 + 154,6 der Polen vom Tausend der
Polen. + 254,9 — 237,2 + 19,2 + 56,2 + 36,7 + 9,1 Abgesehen von Allenstein, wo sich jede Sprachenaufnahme wegen der gemischt mit den Polen wohnenden Masuren etwas schwierig gestaltet, haben die Polen sich nur im Regierungsbezirke Posen etwas schneller vermehrt. Im ganzen kann daher die Entwicklung des Deutschtums in der Ostmark, soweit es die Kopfzahl betrifft, nicht als ungünstig
angesehen werden. 1 dhen anders ist das Bild in dem industriellen Westen. Dort
wurde dö 8 h getöte deutsch und polnisch in den Sprechende Reg.⸗Bez. 1890 1900] 1905] 1910 Münster... 62 624] y588/1 679 2 552 5 408 Arnsberg 1“ 119130]2 005 7 209/ 6 805 12 924 Düsseldorf 1 67 211 615 3 885/4 8 7 081
4 528 23 220 43 435 Vehe 24 207 91 497,125869 182507 2 699 117 9 466,18 503 We u 9 57118 7 Rheinprot 1 71 695, 940 4 570/4 900 8 406.
Rheinprovinz 5 635 25 455 46 936 .en8 Das ungewöhnlich starke Wachstum der Polen in diesen Landes⸗ teilen nach b Volkszählungen hat also auch im letzten Jahrfünfte angehalten. In Verhältnisziffern ausgedrückt, zeigt sich, daß sich vermehrt haben die Polen vom Tausend der Polen in den Reg.⸗Bez. 1900/1905 1905/1910 ““ um 372,4 um 473,3 E1111.6“ „ 293,2 „ 318,8 Düsseldorf. „ 606,6 „ 429,8
Polen
1905 56 615 129 545 366 663 850 834 900 059
1910 73 154
102 080
373 773
Brom⸗
Danzig Posen berg Oppeln
1890 5 415
18 478 86 369
64 283
einer genauen Prüfung durch bevollmächtigte
Es haben sich also die Polen in den Regierungsbezirken Münster und Arnsberg im letzten Jahrfünfte schneller vermehrt als im vorher⸗ gehenden, dagegen sind die entsprechenden Anteile in dem Regierungs⸗ bezirke Düsseldorf und der Rheinprovinz in der letzten Volkszählungs⸗ periode etwas geringer gewesen.
Zur Arbeiterbewegung. “ In Duisburg haben, wie die „Köln. Ztg.“ berichtet, die Rheinschiffer am Mittwoch in drei Versammlungen über die bei ihrer Lohnbewegung (vgl. Nr. 90 d. Bl.) zu ergreifenden Maß⸗ nahmen beraten. Man wollte das Gewerbegericht als Einigungsamt zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorschlagen. Die Arbeit⸗ nehmer wollten sich mit dem Schiedespruch einverstanden er⸗ klären und eine etwaige Weigerung der Arbeitgeber mit dem Streik d. beantworten. Nach der Rhein⸗ und Ruhrzeitung“ beschlossen die li Organisationen der deutschen und holländischen Rheinschiffer, am Sonnabend in den Ausstand zu treten, und haben zum Teil diesen Beschluß S hsgefchie Die übrigen wollen nach der Löhnung am morgigen enstag folgen. 8 .1““ In Hannover sind, wie „W. T. B.“ meldet, sämtliche Fahrer der Adler⸗Werke, die den Kraftdroschkenverkehr in der Stadt zu besorgen haben, gestern, nach vierzehntägigem Streik, wieder in den Dienst getreten, ohne daß ihre Forderungen bewilligt worden sind. (Vgl. Nr. 91 d. Bl.) Aus London wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: der allge⸗ meine Eisenbahnarbeiterverband hat mit 15 986 gegen 110 Stimmen sich für die Verschmelzung der einzelnen Eisen⸗ bahnarbeiterverbände ausgesprochen. Auf Grund einer am Sonnabendabend von der Ortsgruppe Liverpool des Verbandes der englischen Matrosen und Heizer getroffenen Entscheidung werden, „W. T. B.“ zufolge, die l Matrosen und Heizer aller Schisße 9 aß Soh rau en, die Rettungsbootsvorrichtungen auslaufen, darauf bestehen, daß Vertrete n Verbandes unterzogen und daß ferner die Löhne für Matrosen auf 4 ½ und für Heizer auf 5 Pfd. Sterl. monatlich erhöht werden. Aus Anlaß der Vorgänge in den Lenabergwerken (pgl. Nr. 97 d. Bl.) haben, wie „W. T. B.“ meldet, die russischen Arbeiter zahlreiche Protestversammlungen veranstaltet. Aus verschiedenen Provinzstädten werden auch Proteststreiks gemeldet.
Kunst und Wissenschaft.
Die diesjährige Große Berliner Kunstausstellung wurde am Sie anheschhche ee. blauen Saal des Ausstellungsgebäudes am Lehrter Bahnhof feierlich eröffnet. Der Feier wohnten u. a. der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz, der Abteilungsdirigent, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Dr. Schmidt, der Polizeipräsident von Jagow, der Rektor der Universität, Geheimer Regierungsrat Professor D. Dr. Lenz und zahlreiche Künstler, an ihrer Spitze der Präsident der Königlichen Akademie der Künste, Professor Kampf bei. Nachdem das philharmonische Orchester unter Leitung des Dr. Kunwald das Vorspiel zum dritten Akt des „Lohengrin vorgetragen hatte, hielt der zeitige Vorsitzende der Auestellungs⸗ kommission, der Maler Max Schlichting die Eröffnungsrede. Er wies auf die Eigenart der zu eröffnenden großen, durch Staatsmittel unterstützten Ausstellung hin, die unter Ausschaltung nur des Dilet⸗ tantismus alle künftlerischen Bestrebungen gleichmäßig zu fördern be⸗ rufen sei. Die Ausstellung wolle daher einen Ueberblick über das Kunstschaffen ganz Deutschlands bieten, wenn auch unter besonderer Berücksichtigung der Künstler Berlins, zugleich aber füge sie zum Vergleich einen Ausschnitt aus der Kunst des Auslandes hinzu. Man werfe derartigen großen Ausstellungen oft vor, daß sie in ihrer Fülle langweilig seien; dem gegenüber dürften die Künstler sich darüber beklagen, daß dem Publikum der rechte Sinn für die Betrachtung von Kunstwerken fehle; man wolle, entsprechend der allgemeinen Hast unserer Zeit, auch die Kunst im luge genießen. Die Kunst aber erfordere Sammlung und ein uße, genhes auch die wahre Freude an ihr könne nur durch Arbeit erworben werden. Zu einer solchen geistigen Arbeit wolle die Aus⸗ stellung anregen und damit zugleich ein Gegengewicht gegen das Hasten und zuhelose Treiben des modernen Lebens bieten. Der Redner wandte sich dann gegen den Schmutz in Wort und Bild, der es versuche, sich auch im Hause der Kunst einzunisten. Sache der Künstler sei es, sich dagegen zu wehren, wenn jener Mißbrauch unter An⸗ rufung der Freiheit, unter Mißbrauch des Namens der Kunst Seah Die Wurzel des Uebels liege in mangelndem Kunst⸗ verständnis; dem wahren Kunstfreund könnten jene übeln Dinge nichts anhaben; sie erfüllten ihn mit ästhetischem Miß⸗ behagen. Das Kunstgefühl gelte es zu fördern, und die Ausstellung sei berufen, Kunst und Freude an der Kunst in weite Kreise zu tragen. Der Redner schloß mit einem Dank an Seine Majestät den Kaiser und König, der solchen Bestrebungen stets Förderung habe angedeihen lassen. Nach ihm ergriff der Staatsminister D. Dr. Trott zu Solz das Wort. Er betonte, wie die Kunst ihrem Wesen nach Freiheit verlange und ein behördliches Eingreifen im einzelnen nicht vertrage; die aus den Künstlern gewählten Vertrauensleute seien die gegebenen Leiter. Ein weihevolles Versenken in die Kunst biete einen Ruhepunkt in der Hast des Lebens. Die Künstler sollten nicht ver⸗ essen, daß sie nicht nur freie Künstler, sondern Vasallen des Schönen gg Der Minister schloß mit einem Hoch auf Seine Majestät den Kaiser und König und erklärte sodann die Ausstellung für eröffnet. Ein Rundgang durch die Säle schloß sich der Feier an; Abends ver⸗ einigte ein Festmahl die Künstler.
Der Berliner Bildhauer prcfesge Otto Stichling ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern früh im 46. Lebensjahre in einem hiesigen Sanatorium gestorben. Stichling war zuletzt Professor an der Kunstgewerbeschule zu Charlottenburg. Die e ist im Besitz eines seiner bekanntesten Werke „Das nackte Mädchen“. Stichling besaß die goldene Medaille der Berliner Kunstausstellung.
8 Literatur.
1 „ 2 „ 2 2 — Zeitschrift für Bauwesen. Herausgegeben im Mi⸗ nüstecm er fefenaen Arbeiten. Verlag von Wilhelm Ernst u. Sohn, Berlin. Der hochbautechnische Teil der vorliegenden efte 4—6 beschäftigt sich zunächst mit dem Neubau der Marineschule Helte tr gicbosheh einer recht bedeutenden Anlage, die mit ihren gothischen Backsteinformen im Aeußern der Norddeutschland eigenen Bauweise gerecht zu werden sucht. Die Bauten des St. Jürgens⸗ Asyls in Ellen bei Bremen wirken bei einfachster Aus⸗ bildung durch die hübsche Anordnung der einzelnen Pavillons auf dem Gelände und durch deren gute Massenverhält⸗ nisse. Besondere Bedeutung haben die Angaben über das Verwahrungshaus geisteskranker Verbrecher, da für derartige Anlagen bisher keine längeren Erfahrungen vorliegen. Der letzte Bericht über das neue Landgestüt in Marienwerder bringt Abbildungen der Wohn⸗ häuser und gibt Aufschluß über die zum Betriebe erforderlichen tech⸗ nischen Anlagen. Der ingenieurtechnische Teil enthält u. a. die Fort⸗ setzung des Aufsatzes über die Eisenbahnbrücke unterhalb Duisdurg⸗ Ruhrort über den Rhein, im besonderen eingehende Angaben über die Bauausführung. H. Markus gibt einen Beitrag zur Theorie der Rippenkuppel, und R. Tholens berichtet über die Wasserwirtschaft in Mesopotamien in der Vergangenheit und ihre Wiederbelebung in der
Gegenwart. Handel und Gewerbe. 4“
e eutigen Sitzung des Zentralausschusses der Rei a ben Henüet das Vorsitzende, Präsident des Reichs⸗
des Diskontsatzes zurzeit keine Veranlassung vorliege. Zentralausschuß hatte gegen diese Ausführungen nichts einzu⸗ wenden und erteilte einiger Wertpapiere zur Beleihung im Lombardverkehr.
aufführen ließ. hühnen nommene Versuche endeten vorerst mit Mißerfolgen; erst allmählich errang es sich den Platz, der ihm gebührt: einen der ersten unter den wenigen deutschen Lustspielen, die bleibenden Wert besitzen. empfindet die Fülle 1G und treuherziger Geradheit, die dieses Lustspiel birgt, freut sich an dem meisterhaften dramatischen Aufbau der Handlung und dem Widerspiel der gegensätzlichen Charaktere.“ Die Darstellung, die das Stück am Sonn⸗ abend im Königlichen Schauspielhaus fand, war in der Hauptsache durchaus dazu angetan, seinen inneren Reichtum zur Geltung zu bringen. An erster Stelle ist Herr Clewing, der den Küchenjungen Leo spielte, zu nennen. Er wußte den frischen Uebermut dieses Naturburschen ebenso natürlich darzustellen, wie die Treue und Herzlichkeit, die sich unter seinem kecken Mutwillen verbirgt. Herr Werrack, dem die Rolle des verweich⸗
Der
odann seine Zustimmung zur Zulassung
“ 88 8*
Theater und Musik.
Königliches Schauspielhaus Grillparzers geist⸗ und lebensvolles Lustspiel „Weh' dem, der
* .
lügt“ ging am Sonnabend nach langer Pause neueinstudiert in Szene und fand einen überaus lebhaften und herzlichen Beifall. Das Stück hat eine seltsame Geschichte. 2 Burgtheater wurde es so schroff und lärmend abgelehnt, daß der schon durch frühere Unterschätzung verbitterte Dichter sich vom öffentlichen
Bei seiner Erstaufführung im
terarischen Leben gänzlich zurückzog und keines seiner Stücke mehr Auch auf anderen Bühnen mit dem Lustspiel unter⸗
Heute dichterische Werte Empfängliche
wohl von urwüchsiger Schalkhert
sed er für von Ge
st und Humor,
ichten und verzogenen Bischofsneffen Atalus anvertraut war, zeichnete
einen wirkungsvollen Widerpart; auch Fräulein Arnstädt als Edrita gelang im wesentlichen die Sbe der bäurisch⸗gewandten Grafen⸗ tochter, weniger lag i
Bischofs. 8 1 r Galomir waren in ihrer äußeren Erscheinung vortrefflich auch ihr Spiel erregte große Heiterkeit, wennschon, namentlich Herr Zimmerer, an ungeschlachter Komik wohl etwas zu viel des Guten tat. In allem wesentlichen aber stand das Spiel durchaus auf der Höhe und verdiente den lauten Beifall, den es im ausverkauften Hause fand. Hoffentlich erlebt die mit vieler Sorgfalt durchgeführte Aufführung viele Wiederholungen.
Herrn Pohl die kindlich⸗schlichte Frömmigkeit des immerer als Kattwald und Herr Vallentin als
Herr
Kleines Theater.
Im Kleinen Theater fand am Sonnabend die Erstaufführung eines dreiaktigen französischen Lustspiels: „Der Nachtwächter“ von Sascha Guitry statt. Für einen Einakter hätte der dürftige Stoff vielleicht gereicht; drei Akte aber konnte der gute Dialog, der des Stückes Hauptvorzug ist, nicht kurzweilig und auch die moralisch auf⸗ geputzte Unmoral des Inhalts nicht genießbarer machen, die darin liegt, daß ein alter verliebter Narr, angeblich ein großer Gelehrter, einen jungen Nebenbuhler duldet, um die leichtfertige Geliebte davor zu bewahren, in schlechte Gesellschaft zu geracten und im Sumpfe der Großstadt unterzugehen. Auch die gute Darstellung konnte da nichts beschönigen. Herrn Abel gelang es nur, die Langweiligkeit des alten Gelehrten hervorzuheben, die es begreiflich erscheinen ließ, daß seine Freundin es bei ihm nicht aushalten konnte. Diese Freundin gab Fräulein Brand recht nett, und Herr Adalbert entwickelte als junger Eindringling in diesen Bund einen wirksamen, trockenen “ Als häßliches, liebebedürftiges Dienstmädchen lieferte Ilka Grüning wieder eine Probe ihrer außerordentlichen Wandlungsfähigkeit. Der Beifall, der wohl in der Hauptsache der Darstellung galt, war recht matt. 1
Im Königlichen Opernhause beginnt, morgen Dienstag, der historische Zyklus heiterer Opern, für den ein Sonder⸗ abonnement eröffnet wurde. Aufgeführt werden Glucks Schäfer⸗
spiel „Die Maienkönigin“, in den Hauptrollen mit den Damen Ober, Durx, Dietrich, den Herren Henke und Mang besetzt, und Dittersdorfs komische Oper in zwei
Akten „Doktor und Apotheker“, mit den Damen Andrejewa⸗ Skilondz, Böhm⸗van Endert, von Scheele⸗Müller, den Herren Mang, Krasa, Lieban, Philipp, Habich, Dahn und Alma in den Hauptrollen. Der Kapellmeister Blech dirigiert das erste, der Kapellmeister von Strauß das zweite Werk. Im Königlichen Schauspielhause wird morgen das neu⸗ ö Fnstiet gh dem, der lügt!“ von Fr. Grillparzer
Male wie 88
Mannigfaltiges. Berlin, 29. April 1912.
Am Donnerstag, den 2. Mai Fuden in den Morgenstunden internationale wissenschaftliche Ballonaufstiege statt.
Es steigen Drachen, bemannte oder unbemannte Ballons in den meisten Hauptstädten Europas auf. — Der Finder eines jeden un⸗ bemannten Ballons erhält eine Belohnung, wenn er der jedem Ballon beigegebenen Instruktion gemäß den Ballon und die Instrumente sorgfältig birgt und an die angegebene Adresse sofort telegraphisch Nachricht sendet.
Im Wissenschaftlichen Theater der „Urania“' wird am Mittwoch, Abends 8 Uhr, der Vortrag „Ueber den Brenner nach Venedig“ gehalten und am Sonnabendnachmittag noch einmal wieder⸗ holt werden. Morgen und am Sonnabend wird der Vortrag „Welt⸗ bäder an europäischen Küsten“ und am Donnerstag der Vortrag „Der Großglockner, Gastein und die Salzburger Alpen“ gehalten werden.
Borsigwerk (Schlesien), 27. April. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Auf dem hiesigen Bahnhofe stießen gestern früh drei Leerlokomotiven mit einem Rangierzuge zusammen. Sechs Wagen entgleisten und wurden teilweise beschädigt. Ein Rangierer wurde erheblich, ein zweiter leicht verletzt. Der Materialschaden ist unerheblich. 1
Elbing, 27. April. (W. T. B.) Seine Majestät der König von Sachsen und Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Mathilde trafen im Extrazug um 4 Uhr 25 Minuten in Elbing ein. Mit ihnen kamen der Geheimrat Ziese, der Direktor Carlsen⸗Banzig, ferner der Geheime Oberbaurat Veith und der Geheime Regierungsrat, Professor Busley aus Berlin an. Die Stadt hatte Flaggenschmuck angelegt. Zuerst wurde die Lokomotiv⸗ fabrik in Trettinkenhof und die Kesselschmiede besichtigt, worauf man sich zu Wagen zu den Werftanlagen am Elbingflusse begab, wo besonders die Turbinenanlagen für das neue Linienschiff „König Albert“ in Augenschein genommen wurden. Nach einem kurzen Aufenthalt in Lerchwalde, der Besiz ung des Geheimrais Ziese, begaben sich die hohen Herrschaften im Wagen zurück nach dem Bahnhof in Elbing, von wo gegen 6 ½ Uhr die Rückfahrt nach Danzig erfolgte. Von Danzig reisten Seine Majestät der König und Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Mathilde von Sachsen um 7 Uhr 14 Min. mit dem fahrplanmäßigen Nachtschnellzuge nach Dresden ab.
Dresden, 28. April. (W. T. B.) Heute nachmittag stiegen auf der Reicker Flur die sieben Freiballons „Abercron“⸗ Mühlheim, „Windsbraut“⸗Breslau, „Francken 2“*, „Trier“, „Chemnitz*, „Krefeld“, „Leipzig“ zum Gordon⸗Bennett⸗Aus⸗ scheidungsrennen der Lüfte glatt und ohne Unfall auf. Der erste
n d vi zen .“ um 316, 3 um 367,3
Westfalen .. .“ Rheinprovinz.. „ 593,5 „ 417,4.
bankdirektoriums Havenstein, aus, daß zu einer Aenderung
Aufstieg erfolgte um 5 Uhr, nachdem bereits eine halbe Stunde vorher der Veflties eee gte un als Pilotballon mit dem Leutnant Freiherrn von