1912 / 106 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Sitzung vom 1. Mai 1912, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

„Das Haus setzt die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Feststellung des Reichshaus⸗ haltsetats für das Rechnungsjahr 1912, und zwar

„Etat für das Reichskolonialamt“, fort.

angestellt.

Abg Dr. Paasche (nl.) in seiner Rede, deren Anfang in der gestrigen Nummer d. Bl. mitgeteilt worden ist, fortfahrend: Das deutsche Volt braucht Kolonien. Es ist doch müßig, eine Statistik aufzustellen, wieviel Beamte in den Kolonien auf den einzelnen Europäer kommen. Es wird dabei vergessen, daß diese Beamten doch auch für die Tausende von Einge⸗ borenen da sind. Es sind doch eine Reihe von werbenden Beamten Die Lehrer, Tierärzte kann man doch nicht als über⸗

flüssiges fressendes Kapital bezeichnen. Mir ist der Vorwurf gemacht worden, ich hätte die Neger als Arbeitstiere bezeichnet. Es war in der Kommission über die Steuerleistung gesprochen worden, da habe ich ausgeführt, daß, wenn auch die Neger vielleicht mehr Steuern aufbringen, man doch den Einfluß der Weißen darunter nicht leiden lassen dürfe. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Sie haben in der Kommission den Ausdruck „Arbeitstiere“ gebraucht.) Das habe ich allerdings getan, aber es ist illoyal, diesen Ausdruck, der in der Kom⸗ mission gefallen ist, hier in dieser Weise auszunutzen. (Der Präsi⸗ dent rügt den Ausdruck „illoyal“ als nicht engängig) Ich nehme diesen Ausdruck hiermit zurück. Wir haben die Aufgabe, die Kultur in die Kolonien zu tragen, die ohne das auf das äußerste verkümmern müßten. Wir haben es ja erlebt, wie die Eingeborenen von ihren Häuptlingen in der schlimmsten Art ausgebeutet wurden. Da kamen die Missionare in das Land, Wege und Stege wurden geschaffen und Ruhe und Ordnung. Natürlich können die Früchte nur langsam eifen, aber die Entwicklung schreitet stets fort. Die große Masse er Arbeiter sieht auch ein, wie wir z. B. in der Produktion von Baumwolle von Amerika abhängig sind, wie notwendig es ist, uns vom Auslande unabhängig zu machen. Es ist selbstverständlich sehr schwer, neue Kulturen auch bei uns im Inlande, wie es schwer ist, die Neger zur Arbeit anzuhalten. Alles das kostet Zeit. Man muß erst machen, auch die klimatischen Verhältnisse een. Jedenfalls haben wir in der Baumwollenkultur schon gute Erfolge erzielt. Lehrgeld haben wir ja zahlen müssen, aber das ist nicht zu vermeiden. Ich bin überzeugt, daß nach einigen Jahren auch die Sozialdemokraten einsehen werden, daß eine gesunde Kolonial⸗ politik im Interesse des ganzen Volkes liegt, daß die Kolonialpolitik nicht bloß von einigen großen Kapitalisten betrieben wird. Von allen Seiten 8 gewünscht worden, daß der Alkoholgenuß in den Kolonien eingeschränkt werden solle. In der Tat, nirgends ist er ge⸗ fährlicher als in den Kolonien, und vor allem für die Schwarzen. Leider wird auch der durch Steuern und Zölle verteuerte Branntwein immer noch von den Schwarzen getrunken, weil diese jetzt mehr Geld verdienen. Bei dem Wein drücken wir gern ein Auge zu, wie die Ausführungen des Abg. Erzberger zeigen. Der Abg. Noske hingegen sprach von Südwestafrika als von der eeggeensten Kolonie“. Unsere bohen Beamten werden immer noch gewissermaßen gezwungen, einen großen Teil ihres Einkommens für Alkohol anzulegen, das gilt nicht nur von Ostafrika, sondern auch von Südwestafrika. Der höhere Beamte 8 beinahe 3000 vertrinken, der mittlere und untere Beamte ent Es ist die Hälfte des Einkommens, das für Alkohol bezahlt werden muß. Da sollte man lieber Leute hinaus⸗ schicken, die dem Alkohol entsagt haben; das wäre für die Beamten nützlicher, denn die Beamten, die nicht trinken, fühlen sich viel wohler als diejenigen, die trinken. Der Alkoholgenuß verleitet nur zu leicht dazu, ein Glas mehr zu trinken, als bekömmlich ist. Meine Aus⸗ führungen werden ja bei manchen von Ihnen keinen Beifall finden, aber sie treffen zu. Hoffentlich werden wir hier im Hause bald alle Freunde der Kolonien sein. Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Ich be⸗

brift die Erklärung der Regierung, daß sie die Kongoakte unter allen

Umständen aufrecht erhalten will. In sügei Drittel des belgischen Kongo ist an die Stelle des bisherigen Monopols die Handelsfreiheit gesetzt worden. Eine wirkliche Handelsfreiheit kann aber nur da be⸗ stehen, wo der Kaufmann unmittelbar mit den Eingeborenen handeln kann, wo der Eingeborene ein Recht auf den Boden be itzt. Die bel⸗ gische Regierung hat erklärt, dies Recht stehe allein der Regierung zu, die den Eingeborenen zwar das Land zur Benutzung überlassen, aber diese wieder zurückziehen könne. Die beh Regierung hat einer englischen Seifenfabrik ein L“ Areal über⸗ wiesen, entgegen den Bestimmungen der Kongoakte. Eine große Reihe anderer Verletzungen ist durch die belgische Regierung er⸗ folgt. Diese fortgese ten Verletzungen geben dem sseh ein steigendes Gefühl der Unsicherheit. Er muß gewärtigen, daß das von ihm in Besitz genommene Gebiet als Konzession erklärt und wieder zurückgenommen wird. Auch diese Konzessionen sind nach der Kongo⸗ akte G“ zu beseitigen. Die wichtigsten Artikel der Kongoakte, Verbot der Monopolfreiheit der Schiffahrt, Schutz der Eingeborenen vor Mißhandlungen usw. werden von Frankreich und Belgien syste⸗ matisch verletzt und außer Kraft gesetzt. Es ist daher die Forderung laut geworden, daß Deutschland die Anregung zu einer neuen Kongo⸗ konferenz 8 soll. Sämtliche Signatarmächte, auch England, haben an der Aufrechterhaltung der Akte das größte Interesse; für uns ist es sicher, daß durch diese auch der Wert der Er⸗ werbung Neu⸗Kameruns sehr geschmälert wird. Der Erlaß einer Jagdordnung für Ostafrika ist erfolgt; man sollte sie auf alle Schutz⸗ gebiete ausdehnen. Der Edelreiher⸗ und Paradiesvogelmassenmord ist in unseren Schutzgebieten geradezu zum Skandal geworden. England und Amerika gehen in ihrer Gesetzaebung um Schutz der Vogelwelt viel radikaler vor als wir. Die kolonialen Rechtsverhältnisse sind ganz unhaltbare geworden. Das Verordnungsrecht hat eine unge⸗ heure Verworrenheit geschaffen. Wir haben ein einheitliches Kompetenzgesetz dringend notwendig; bezüglich der Zuständigkeit kennen sich die Beamten in den Kolonien ü berhaupt nicht mehr aus. Erfreulicherweise hat auch die Kommission dieses Verlangen in einer Resolution zum Ausdruck gebracht. Die Rechtsverwirrung hat den höchsten Grad erreicht. In Ostafrika mußte 1910 eine einschneidende Polizeiverordnung von neuem erlassen werden, die schon früher er⸗ lassen, aber damals von einem nicht zuständigen Beamten unterzeichnet worden war. Daß wir den Entwurf wegen des obersten Kolonial⸗ gerichtshofes wieder bekommen sollen, und zwar unter Ausschaltung des allseitig beanstandeten Verwaltungsbeamten, ist sehr erfreulich. Unser Zivil⸗ und Strafrecht in den Kolonien ist ebenfalls durchaus unbrauchbar. Wie steht es mit der von uns verlangten Sammlung des Eingeborenenrechts? Das schlimmste ist die Verquickung von Justiz und Verwaltung in den Kolonien. Auch der Staatssekretär hat die Trennung als notwendig bezeichnet; möchte er recht bald von der Theorie ss Fshs übergehen. Haben wir jetzt in Ostafrika schon fest angestellte Richter? Zum Prozeß Waechter möchte ich dem Er⸗ staunen darüber Ausdruck geben, daß das Urteil bis jetzt nicht zu uns gelangt ist; der Angeklagte soll aber bereits 4 Wochen in Deutsch⸗ land sein. Namentlich die Südkameruner Handelskammer hat schwere Klagen über unsere Rechtspflege, sowohl in bezug auf Ein⸗ geborene wie auf Weiße, erhoben. Es muß vor allem für die völlige Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Richter in den Kolonien ge⸗ sorgt werden; auch ihre materielle Position muß völlig sichergestellt werden. Eine Auslandsakademie würde auch für unseren diplomati⸗ schen Nachwuchs sehr nützlich sein. Im Gebiete des Strafrechts sind die Klagen über Rechtsunsicherheit ganz allgemein. Das deutsche Strafrecht wird ganz willkürlich angewendet, ebenso die Prügel⸗ strafe. Die Bestimmungen über Beweisaufnahme, Strafvollstreckung, Verteidigung, Beweismittel liegen völlig im Argen, sodaß niemand

weiß, woran er ist. So schmer es sein mag, es muß ein geordnetes

6 Prozeßrecht geschaffen wer

1 rden, sonst kann man die lokalen Verhält⸗ nisse der einzelnen Kolonien nicht gebührend berücksichtigen. Es ist dann geklagt worden über die ungerechtfertigte Verlegung des Gerichts von Kribi nach Duala, ebenso wie über die Besetzung der Schwur⸗ gerichte. Allen diesen Klagen kann ohne einen vollständigen Neubau

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der Gerichtsverfassung nicht abgeholfen werden.

auf das Vorgehen Rußlands bezüglich der Förderung des

Meiner Auffassung nach hat erst der

Der Strafrichter in den Kolonien ist Staatsanwalt, Untersuchungsrichter, Zeuge usw. in einer Person. Das ist ein vollständig unhaltbarer Zustand. Auch die Reorganisation der Kolonialrechtsanwaltschaft bedarf einer durch⸗ greifenden Reform. Der Rechtsanwalt ist dort vollständig abhängig von dem Richter. Deshalb muß die Unabhängigkeit der Rechts⸗ anwaltschaft dringend gefordert werden. Eine besondere Aufmerksam⸗ keit verdient das Schulwesen in unseren Kolonien. Es ist ja viel⸗ leicht nicht möglich, unsere Schulverhältnisse ohne weiteres in den Kolonien einzuführen. Die Missionen haben ja nach der Richtung hin eine schätzenswerte Tätigkeit entwickelt. Aber es muß einmal der Zeitpunkt kommen, wo das Versagen des Staates auf dem Ge⸗ biete des Schulwefens zu einer großen Gefahr werden kann. Der Erfolg des staatlichen Schulwesens ist bisher äußerst gering. Das kann man aus der Denkschrift ersehen. Auf jeden Fall müßte genau die Relation zwischen den Missions⸗ und staatlichen Schulen darin zum Ausdruck gebracht werden. Der Staat arbeitet in den Kolonien mit ganz unzulänglichen Mitteln, und er überläßt auf dem Gebiete des Schulwesens fast alles den Missionen. So besuchen über 90 % die Missionsschulen. Die Denkschrift gibt selbst zu, daß, was Ost⸗ afrika anlangt, die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten gegen⸗ über dem Schülerangebot nicht ausreichen. Diesem Mangel muß unbedingt abgeholfen werden. Der Ausdehnung unseres Regierungs⸗ schulsystems stellen sich allerdings große Schwierigkeiten entgegen. Da läßt sich vielleicht Abhilfe schaffen, indem man genügendes Lehrer⸗ material für die Kolonien heranzieht. Auf jeden Fall müssen ge⸗ nügend Schulen für die weiße Bevölkerung vorhanden sein. Ich bin der Meinung, daß die Verwaltung nicht nur für Ruhe und Ordnung zu sorgen hat, sondern auch für die Erziehung der deutschen Schutz⸗ angehörigen. Ich bitte deshalb, dieser großen Zukunftsfrage des staatlichen Schulwesens eine gesteigerte Aufmerksamkeit zu widmen.

Abg. Mumm (wirtsch. Vgg.): Mit Ausnahme der Sozial⸗ demokratie stellen sich alle Parteien unserer Kolonialpolitik freund⸗ lich gegenüber. Wenn etwa der Abg. Troelstra in der holländischen Kammer sich derselben Argumente, wie der Abg. Noske bei uns, be⸗ dient hätte, dann wären die Holländer, denen ich eine Menge Ruhe doch aufsässig geworden. Nach Ansicht der Sozialdemo⸗ raten liesern unsere Kolonien nichts Bemerkenswertes an Rohpro⸗ dukten. Vielleicht aber hat der Abg. Noske heute früh zur Feier des 1. Mai ein Schälchen Kakao getrunken, das aus unseren Kolonien herstammt, oder ein Hühnchen mit Pflanzenbutter aus unseren Süd⸗ seekolonien gegessen. Die Ausfuhrziffern weisen auf einen stetigen bedeutsamen Aufschwung hin. Wir müssen vor allem eine richtige Eingeborenenpolitik treiben. Es gilt, die Eingeborenenkultur zu kräftigen, in Ostafrika. Jede Wanderarbeit hat ihre Viel besser 8 offenbar landwirtschaftliche Kul⸗

ndbesitz der Eingeborenen, doch darf der Besitz nicht zu gering bemessen werden. Es müssen hier kräftige bodenreformerische Gedanken zur Geltung kommen. Der Wieder⸗ kehr von Aufständen muß vorgebeugt werden, aber anderseits muß jede unnötige Strenge vermieden werden. Von Fall zu Fall sollte den Eingeborenen eine gewisse Mitwirkung an der Rechtsprechung zu⸗ gestanden werden. Warnen möchte ich davor, die Bastarde von Re hobot als Mischlinge zu betrachten. Die ärmsten der armen Busch⸗ männer, die Ureinwohner, werden von den Farmern unbarmherzig behandelt. Sie sind durch Geschlechtskrankheiten noch herunter⸗ gekommen. Es sollten ihnen nach dem Vorbilde von Nordamerika und Australien Reservate angeboten werden, um sie nach und nach der Kultur zu gewinnen; heute sind noch etwa 8000 vorhanden, von denen etwa 1000 im Dienste der Farmer stehen. Es herrscht Ein⸗ mütigkeit im ganzen Deutschen Reichstag in der Anerkennung des Opfermutes der Missionare. Es ist gesagt worden, sie vertreten den Herenstandpunkt. Das ist durchaus unrichtig. Sie nehmen sich der Eingeborenen an, namentlich auch der evangelischen, die 10 bis 12 Jahre dort bleiben, ehe sie in die Heimat zurückkehren. Herrn Rohrbach trifft die gerechte Strafe, daß er zum Zitatenredner der Sozialdemokratie geworden ist. Er ist eine Autorität auf wirt⸗ schaftlichem Gebiete, aber nicht auf dem der Missionen. Von der größten Wichtigkeit ist der Ausbau des Schulwesens in den Kolonien. Es wäre richtig, daß die von den Eingeborenen erhobenen Steuern in ihrem Bezirk für Schulzwecke verwendet würden. Von einem Schulzwang habe ichmig der Kommission nicht gesprochen, sondern nur dagegen, daß die Farmer die Kinder und Neger zur Arbeit be⸗ nutzen und sie von dem Schulbesuch abhalten. Der mangelnde Arbeiterschutz in Südwest ist in der Kommission ebenfalls erörtert worden. Für die Notwendigkeit der Aufhebung der Haussklaverei brauche ich kein Wort mehr zu verlieren. Natürlich dürfen bei Aus⸗ führung dieser Maßregel die Hilflosen nicht ins Elend gestoßen wer⸗ den. Von der größten Wichtigkeit für die Kolonien ist die Lösung der Alkoholfrage. Ich habe eine Resolution beantragt, den Reichs⸗ kanzler zu ersuchen, 1) darauf hinzuwirken, daß der Alkoholimport für den Konsum der einheimischen Bevölkerung in den deutschen Schutzgebieten stetig mehr eingeschränkt werde, 2) an seinem Teile darauf hinzuwirken, daß die am 5. Februar 1912 vertagte Brüsseler Konferenz zur Revision des afrikanischen Spirituosenhandels bald wieder zusammentrete. Das Ziel ist, daß der Alkohol im Innern und an der Küste für die Eingeborenen vollständig verboten wird. Das Alkoholaift ist schlimmer als die Schlafkrankheit.

Präsident Dr. Kgempf: Gegen meinen Vorschlag einer Abend⸗ sitzung ist aus dem Hause eine Einwendung erhoben worden. Ich würde derselben Rechnung tragen, wenn das Haus damit einver⸗ standen wäre, bis etwa 7 ½ Uhr weiter zu tagen. Ich stelle Ihr Ein⸗ verständnis fest.

Abg. Ledebour (Soz.): Um dem Präösidenten ein Entgegen⸗ kommen zu zeigen, werde ich mich möglichst kurz fassen. Staats⸗ sekretäre, die eben in den Reichstag eingetreten sind, haben es für nötig gehalten, der Sozialdemokratie gute Lehren zu geben. Nur des falschen Nimbus wegen, der den Staatssekretär Solf zu umgeben scheint, bin ich genötigt, dem entgegenzutreten. Der neue Staats⸗ sekretär hat uns 5 Jahre für unsere Besserung auf dem Gebiete der Kolonialpolitik gegeben. Er wundert sich, daß wir hier trotz unserer ablehnenden Stellung gegen diese Politik dann und wann irgendeine Maßregel gutheißen oder gar einen Gouverneur, der angegriffen wird, verteidigen; er hat wohl während seines idyllischen Auf⸗ enthaltes in Samoa, als er dort Gouverneur war, lediglich die „Norddeutsche Allgemeine“ gelesen. Wir bekämpfen die Kolonial⸗ politik, die Aneignung der Kolonien, die Unterjochung fremder Völker zum Zwecke kapitalistischer Ausbeutung. Wir führen im Lande den Kampf des Proletariats gegen jedwede Unterdrückung, wir würden also unsern Grundsätzen ins Gesicht schlagen, wenn wir diese Kolonial⸗ politik. billigen würden. Natürlich können wir aber um die Tat⸗ sache nicht herum, daß das Reich sich fremde Landstrecken mit ihren Bewohnern angegliedert hat. Darum haben wir ständig Anträge eingebracht zum Schutze der Eingeborenen; die Zurückgabe des den Togonegern gewaltsam weggenommenen Landes ist wesentlich auf unser Andrängen zurückzuführen. Alle diese positive Arbeit ist keine Mitarbeit an der deutschen Kolonialpolitik in dem Sinne, wie sie der Staatssekretär plötzlich an uns entdeckt zu haben alaubt. Die Regierungspolitik mit ihrer Ausrottung der Herero usw. ist nicht kulturfördernd, sondern kulturstörend. Der Staatssekretär sprach von der „bösen Fee“ der heimischen Parteipolitik, die an der Wiege der deutschen Kolonialpolitik gestanden habe; auf dieses Zitat, welches bezeugt, daß der Staatssekretär sich auch mit unserer schönen Lite⸗ ratur beschäftigt, möchte ich ihm mit einem andern Zitat dienen: „Ueber diese Antwort des Kandidaten Jobses geschah allgemeines Schütteln des Kopfes“.

Abg. Colshorn (Welfe): Die Verweisung des Staatssekretärs Baum⸗ wollbaues in Transkaukasien und Turkestan entspricht nicht ganz den tatsächlichen Verhältnissen; der Stgatssekretär hat den hohen Schutz⸗ zoll außer acht gelassen, den Rußland auf Baumwolle geleat hat.

Reichskanzler Fürst Bülow die Parteipolitik auch in die Kolonialangelegenheiten hineingetragen.

Abg. Davidsohn (Soz.): Unsere Kolonialbeamten sollen doch auch in ihrem Verhalten Vorbilder für die einheimische Bevölkerung sein, auch in der Alkoholfrage. Man darf sich nicht der Illusion

Schattenseiten. b turen mit eigenem kleinen Lan

hingeben, daß den Eingeborenen der Alko

holgenuß auf Wege, etwa durch Zwangsmittel, abgewöhnt werden kann. ein Neger den anderen 2 betrunken sieht, sagt er: „Er is trunken wie ein Weißer“. Das ist schon sozusagen zum Spr eworden. Die Ansicht des Abg. Erzberger, daß der Weiße in Tropen dem Alkoholgenuß huldigen müsse, ist unhaltbar und! widerlegt. Der Sohn des Kollegen Paasche, der Kapitin nant a. De Pgesche und seine Gemahlin haben auf einer monatlichen Reise durch Afrika auch nicht ein Tröpfchen Alkohol geführt. Darüber ist gar nicht zu lachen; er wollte damit ad o demonstrieren, solche Behauptungen à la Erzberger nich halten sind. Die Resolution Mumm ist ja auch von dem Abg. b mit unterschrieben; sie verlangt eine Differenzierun zwischen (oh borenen und Weißen. Das Verhalten der französisschen Regie ist nicht egstaunlich denn Frankreich hat seinerzeit auch bei 6 ähnlichen Versuch des finnischen Volkes auf Grund der Hen verträge bei der russischen Regierung mit Erfolg Einspruch erze Deshalb FeüIt ß wir uns von der Fiffer 2 des Antrages Mu Oertel und Genossen keinen großen Erfolg. (Zuruf: Warum re Sie denn immer Oertel?) ch betrachte den Abg. Oertel als prominenten Kenner auf diesem Gebiete. Die Beamten dürfen nicht eine Lizenz bekommen, sich besonders alkobolisieren zu dürfe

Damit schließt die Diskussion.

Persönlich bemerkt der

Abg. Nos ke (Soz.): Der Staatssekretär und der Abg. M. haben gesagt, ich hätte bei meiner Zusammenstellung der Beak und der Wrißen die Eingeborenen nicht zum Verglei herangen Das ist unrichtig, ich habe die Eingeborenen wohl erwähnt, aber Zahl nicht bestimmt angeben können.

Abg. Mumm (wirtsch. Vgg.): Ich habe keineswegs den Iℳ* jeden Exzeß nachgesehen, wie der sozialdemokratische Redner eg untergelegt hat, ich habe nur die Politik bekämpft: alles oder lii

Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt.

Die Resolution Mumm wird angenommen, und zwar vngrcc 1“ unter Streichung des Wortes neinheimisch in Ziffer 1. b

Die übrigen Ausgaben für die Zivilverwaltung wer ohne weitere Debatte nach den Kommissionsanträgen genommen.

Die Kommission hat eine Anzahl von Bureaubeamtenste als künftig wegfallend erklärt. Desgleichen soll bei den ) gaben für die Militärverwaltung, und zwar bei der Posit „27 Expedienten und Registratoren“ eine Stelle als künf wegfallend bezeichnet werden.

Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (dkons.D) begründet e Antrag, diesem Vermerk den Zusatz zu geben: „Jedoch erst n Einrücken der zurzeit vorhandenen fünf Intendantursekretäre ine klassige Stellen.“ Diese fünf verdienten Beamten dürften unter die neu zu treffenden Bestimmung nicht leiden. Abg. Werner⸗Herzfeld (d. Rp.) äußert sich in demselh Sinne.

Der Antrag von Böhlendorff⸗Kölpin wird angenommen.

Zu den einmaligen Ausgaben liegt folge Kommissionsresolution vor:

‚die verbündeten Regierungen zu ersuchen, einen Gesetzentm vorzulegen, durch welchen unter Abänderung des Schutzgebietsgesen vom 25. Juli 1900 das Verordnungsrecht eingeengt und die M wirkung der Reichsgesetzgebung in der den Verhältnissen der Sch gebiete entsprechenden Weise erweitert wird.“

Die Resolution wird angenommen.

Der im Extraordinarium für bauliche Verbess⸗ rungen an den Dienstgebäuden des Reiche kolon ialamts, speziell für den Ausbau der Kassenräu ausgeworfene Betrag von 17 500 wird nach dem Antn der Kommission auf 10 000 herabgesetzt.

Im übrigen werden das Extraordinarium und die Eil

nahmen des Etats des Reichskolonialamts genehmigt.

Das Haus geht über zur Beratung der Etats der einzelner Schutzgebiete. Schutzgebiet Ostafrika. 8

Referent ist der Abg. Dietrich (bkons.).

Dazu liegt die Resolution der Budgetkommission vor:

„den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die Haussklaverei

Ostafrika ab 1. Januar 1920 restlos aufzuheben und die N. bereitungen dazu alsbald zu treffen.“

Abg. Erzberger (Zentr.): Der Abg. Henke hat unter 9 rufung auf eine Schrift Rohrbachs behauptet, daß die katholisct Missionare an Stelle des Fetisch das Marienbild anbeten ließen. will hier nur feststellen, daß der Abg. Henke die Aeußerung Reth bachs nicht wiedergegeben, sondern direkt das Gegenteil gesagt bu Das hat der Abg. Henke später wohl selbst eingesehen, indem er seinem Stenogramm das Wort „angebetet“ ausgestrichen und defß „verehrt“ gesetzt hat. In dem Werke Rohrbachs steht nun aber nic daß das Marienbild angebetet, sondern an Stelle des Fetisch and Baum angeheftet worden ist.

Abg. Dr. Arendt (Rp.: Unsere ostafrikanische Kolonie sie vor einem wichtigen Punkt ihrer Entwicklung. Der Abg. von Liehe hat den großen Aufschwung der Finanzen der Kolonie als ein W dtenst des bisherigen Gouverneurs von Rechenberg hingestellt. 3 möchte demgegenüber sagen, daß trotz seiner Tätigkeit die Koloniest so entwickelt hat. Ich möchte eine Reihe von Wünschen an d neuen Gouverneur richten. wieder zurückkehren. Es muß dahin gestrebt werden, daß zische der Schutztruppe und dem Gouvernement das nötige Einvernehme herrscht. Aber auch die Farmer und die Beamten dürfen nicht Gegensatz zum Gouvernement stehen. Solche Zustände, wie Prozeß Wächter zu Tage getreten sind, müssen aufhören. Io. Einnahmen sind im Etat sehr vorsichtig bewertet wordch

Ich hoffe, daß sie aher über die Voranschläge hinausgehen werde

Das gilt in erster Linie von der Hüttensteuer, die ja im vorig Jahre schon mehr gebracht hat, als diesmal veranschlagt worden Die Salzverbrauchsabgabe halte ich für sehr unglücklich. Denn es kaum anzunehmen, daß sie ihre Erhebungskosten deckt. daß Salz gerade in Afrika nicht nur Nahrungsmittel, sondern ah einer der wichtigsten Handels⸗ und Hausartikel ist. Es ist desboah für den deutschen Verkehr vom größten Nachteil, wenn durch die Steuer darin eine Erschwerung stattfindet. Der veranschlagte Min gewinn ist ja sehr erfreulich, doch halte ich die deusst ostafrikanische Rupienwährung für gänzlich verunglückt. M. hätte entweder die indische Rupie beibehalten oder die deutst Währung einführen sollen. Eine deutsche Rupienwährung

schaffen, war pöllig verfehlt. Es muß deshalb dahin gestu’ werden, daß wir allmählich für Ostafrika unsere Reichswährm bekommen. Denn die Kolonie ist nicht so groß, daß ein eigene Währungssystem gerechtfertigt ist. Der aus diesem Münzgewi zurückgelegte Reservefonds ist schon vom vorigen Staatresekretär 1. gänzlich unhaltbar hingestellt worden. Es ist wunderbar, daß er all diesmal noch beibehalten ist. Es wäre deshalb besser, ihn af zulösen. Wir dürfen ferner Ostafrika nicht als reine Eingeborenen kolonie ansehen, sondern müssen versuchen, sie in steigendem Mis auch als Ansiedlungskolonie zu gestalten. Dazu ist es nötig. d die Handelsbeziehungen zwischen der Kolonse und Deutschland

gebeihlich entwickeln. Deshalb ist auch die Inrerfrage vom arößt Wichtigkeit. s 1

Durch den Eiufluß der Inder ist der Verke der Kolonie und Indien sehr groß. Es muß dan Nahrungsmittel, wie Reis z. B., Ebenso ist es wünschenswer t, de

zwischen gesehen werden, daß wir die der Kolonie selbst erzeugen. diee indischen Industrieerzeugnisse durch deutsche Es wäre deshalb zweckmäßig, diese Handelsfragen genn zu studieren und damit besondere Beamte zu beaufttage

Die Beratung beginnt mit dem Etat für

In erster Linie muß der innere Friedc

Dazu komn

ersetzt werdeh

mit den Negern vergleichen? Damit beweisen Sie nur,

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Namentlich auch die Sozialdemokraten verkennen, daß die Neger vor der deutschen Besitzergreifung nicht etwa in einem glücklicheren Zu⸗ stande der Freiheit und des Wohlbefindens waren, sondern daß sie Not litten und unter der Anarchie der ständigen gegenseitigen Stammesbekämpfung schwer zu leiden hatten. Deutschland hat den Negern erst die Möglichkeit einer menschenwürdigen Existenz gebracht. Es gibt gar keine andere Kolonialpolitik als die kapitalistische. (Zuruf deseelbg. Ledebour: Sehen Sie dech nach China!) Aber Herr Ledebour, wie können Sie China mit seiner tausendjährigen Kultur daß Sie

keine Ahnung von China und von Afrika haben. (Vizepräsident Dope

ersucht, nicht soweit abzuschweifen.) Das Schlagwort „kapitalistisch“

ja nun die letzte Zuflucht der Sozialdemokratie. In den 80er Jahren waren es die nationalen Kreise, die mit großem Opfermut, ohne Hoffnung auf Gewinn sich als Kulturpioniere n Ostafrika bewährten und ein Aufblühen der Kolonie in 25 Jahren herbeiführten, wie es gar nicht zu erwarten gewesen ist. Wir haben a endlich auch nach langen schweren Mühen Eisenbahnen in Deutsch⸗ Ostafrika bekommen; die Kolonie wäre viel weiter, wenn der Widerstand dagegen nicht solange aufrecht erhalten worden wäre. Die Fortführung der Bahn von Tanga nach Moschi ist unerläßlich; wir müssen bis an den Victoria Nyansa heran. Es darf also über der Südlinie diese Nordlinie nicht vergessen werden. Das Privat⸗ kapitel hat hier schon eine Bahn, die Sigibahn, gebaut, die für die Erschließung von Usambara sehr wichtig ist; es sind hier Schwierig⸗ keiten eingetreten, welche die Uebernahme der Bahn durch das Reich und ihren Anschluß an die Usamkarabahn wünschenswert machen. Der wertvolle Holzbesitz von Usambara, besonders der reiche Bestand an Zedernholz, wird uns durch diese Bahnbauten vermittelt. Schon verarbeitet die Fahrik von A. W. Faber solches Zedernholz; es gibt schon Faberbleistifte, die den Aufdruck tragen „Zedernholz aus Deutsch Ostafrika“. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Wenn Sie darüber lachen, so zeigen Sie damit nur, daß Ihnen an der Aufrechterhaltung der so wichtigen deutschen Bleistiftindustrie nicht viel liegt. Die Eisenbahntarife und die Tarife der Ostafrikalinie müssen tunlichst herabgesetzt werden. Bedauern muß ich die Abweisung der Petition eines Fabrikanten, die der Reichstag im vorigen Jahre dem

Kanzler zur Erwägung überwiesen hat, und zwar lediglich auf Grund⸗

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lage der Akten, ohne den Petenten, der sich zur Verfügung gestellt hatte auch nur zu hören. Das Kolonialamt hat hier kein richtiges Verfahren beobachtet; es hat sich unberechtigterweise hinter Form⸗ fehler gesteckt. Es handelt sich bei der Kilimandscharogesellschaft, die der Petent vertritt, nicht um eine eigentliche Erwerbsgesellschaft. Man sollte doch diese Seeschlange von Petitionen endlich aus der Welt schaffen. Möge die ostafrikanische Kolonie in dem erfreulichen Wetteifer, der unter den Kolonien jetzt entstanden ist, an der ersten Stelle bleiben, mäge es besonders dem neuen Gouverneur gelingen, den natürlichen Reichtum dieser Kolonie zu entwickeln und zu ihrem Wachsen und Gedeihen beizutragen. Die Rede des Abg. Henke hat mich an die Zeiten von vor mehr als 25 Jahren erinnert; damals konnte man vielleicht noch so reden, heute nicht mehr. Es freut mich, das die Fortschrittliche Volks⸗ partei so deutlich von den Sozialdemokraten abgerückt ist. Das gereicht uns zu großer Genugtuung, nicht uns als Partei, sondern als Kulturpolitikern. Unsere Enkel werden auf diejenigen als eine Kuriosität hinweisen, die sich der Kolonialpolitik heute noch ent⸗ gegenstellen.

Abkg. Henke (Soz.): Der Abg. Erzberger hat vorhin zum Aus⸗ druck gebracht, daß er mit Verwunderung wahrgenommen habe, daß ich in meinem Stenogramm das Wort „angebetet“ geändert habe. Ich

habe es so verstanden, als ob der Abg. Erzberger mir eine Fälschung

hat vorwerfen wollen. Ich habe gesagt, daß die Misssionare die Fetischanbetung ausnutzen. Ich habe das Wort „angebetet“ in „ver⸗ ehrt“ nicht deswegen geändert, um dem Abg. Erzberger den Anlaß zu einer Polemik zi nehmen. Mir kam es nur in den Sinn, daß die Neger den Begriff „anbeten“ nicht in dem Sinne auffassen wie wir. Ich hoffe, daß der Abg. Erzberger mir bestätigen wird, daß ich jetzt die Wahrheit sage. Dem Sinne nach steht jedenfalls in der Rohr⸗ bachschen Schrift das, was ich gesagt habe, ja noch Schärferes. Schwere Angriffe auf die Missionare zu richten, ist mir gar nicht eingefallen. Auf die Personen kam es mir nicht an, sondern auf die Art, wie das offizielle Christentum sich zu der Frage stellt. Die Missionare sind die Pioniere des Kapitalismus. Ich habe nur wiedergegeben, was Rohrbach über die Missionstätigkeit in Ost⸗ afrika üsw. berichtet hat. Der Abg. von Liebert meirte, ich hätte die Abhandlung von Zöphel nicht verstanden. Das trifft nicht zu. (Vizepräsident Dove bittet den Redner, nicht auf die Generaldebatte zurückzugreifen.)

Abg. Erzberger (Zentr.): Ich mache selbstverständlich keinem Kollegen einen Vorwurf, daß er sein Stenogramm geändert hat. Etwas Anderes ist es, wenn sich daran eine Polemik anschließt. Im übrigen nehme ich von der Erklärung des Abg. Henke Akt. Falsch ist aber seine Auffassung, daß die Missionare die Pioniere des Kapi⸗ talismus sind. Ich nehme aber sehr gern von seiner Erklärung Notiz, daß er die Missionare nicht habe angreifen wollen. Der Abg. Arendt hat dem scheidenden Gouverneur Vorwürfe nachgeworfen, während er dem neuen Lorbeerkränze gebunden hat. Das ist doch nicht ge⸗ recht. Ich wünsche ebenfalls dem neuen Gouverneur den besten Er⸗ folg. Aber wenn der Abg. Arendt gemeint hat, die Kolonien hätten sich finanziell günstig entwickelt trotz des alten Gouverneurs, so ist das nicht richtig. Die Kolonie hat sich günstig entwickelt wegen der gesteigerten Kaufkraft der Eingeborenen, sonst hätte man die Hüttensteuer nicht einführen und nicht erhöhen können. Die Kolonie hat sich also nicht trotz, sondern wegen der Tätigkeit des alten Gou⸗ verneurs entwickelt, und ich kann nur wünschen, daß sich die Kolonie auch unter dem neuen Gouverneur so günstig entwickle. 8

Abg. Noske (Soz.): Wie die kapitalistische Kolonialpolitik aussieht, hat der Abg. Arendt selber einmal geschildert. Er schrieb, für solche Unternehmungen würden zunächst einige glänzende Namen gewonnen, die Unternehmungen hätten nicht leben, nicht sterben können usw. Wer sich an solchen Geschäften beteiligt, habe ich gestern gesagt. Der Abg. Arendt braucht sich gar nicht weit umzusehen. Kolonialpolitik wird doch nicht der Schwarzen, sondern der Weißen wegen getrieben. Wir wehren uns gegen eine solche Berechnungs⸗ politik und werden uns weiter dagegen wehren. Der Abg. Arendt berief sich auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Kolonie Ostafrika, auf die Zedernholzgewinnung usw. Der Abg. Arendt hat schon früher in diesen Dingen eine so glühende Phantasie entwickelt, daß man fast auf den Gedanken kommen muß, daß sie orientalischen Ursprungs ist. Da wurde von großen ertragreichen Natronseen gesprochen, die man nur auszubeuten brauche. Es dauerte nicht lange, so mußte ein Fraktionskollege des Aba. Arendt, pardon, so etwas gibt es ja nicht, die Reichspartei ist ja keine Fraktion, zugeben, daß unsere Industrie keinen roten Pfennig in das Unternehmen hineinstecken wolle. Gewiß, einige Verbesserungen sind natürlich in Ostafrika gegenüber den früheren Zuständen einoetreten. Doch das sind für uns nur Ab⸗ schlagszahlungen, die noch dazu verschwinden gegenüber den Nachteilen, die die Besitzergreifung zur Folqge gehabt hat. So sind Seuchen wie Typhus, Tuberkulose, eingeschleppt worden und breiten sich immer mehr aus. Unsere Kultur hat eben zwei Seiten. Auch muß man bedenken, welche Menschenmengen in den zwei Aufständen nieder⸗ geschlagen worden sind. Der Abg. Arendt wünscht, daß der neue Bouverneur andere Wege einschläägt als sein Vorgänger. Danach soll eine Siedelungspolitik betrieben werden. Dieses Verlangen ist vollständig unbegreiflich, zumal wenn man in Betracht zieht,

wie schnell unsere Beamten durch das mörderische Tropenklima ver⸗

braucht werden. Das wuͤrde noch in einem höheren Maße von den weißen Ansiedlern gelten. Ostafrika muß ein Land der Negerbauern leiben. Es iist unerhört, wenn man dem bisherigen Gouverneur, det eine solche Politik getrieben hat, einen derartigen Fußtritt ver⸗ setzt, wie es hier geschehen ist. Wir erwarten deshalb, 88 der neue Gouverneur keine Aenderung eintreten läßt und nur eine Politik treibt, die auf eine kulturelle Hebung der Eingeborenen gerichtet ist.

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Mir ist vorgeworfen worden, daß ich dem früheren Gouverneur von Rechenberg einen Abschiedsgruß

Die Firmen schrien über bureau 1 b sie brauchten nicht lange zu scheeien, denn die Verordnung wird

in nichtfreundlicher Art⸗ geocht hätte. Die Sozialdemokraten nehmen sich doch sonst nicht abgegangener Beamten und Gouverneure an. Ich habe jede persönliche Spitze vermieden und habe dem neuen Gou⸗ verneur keine Vorschußlorbeeren gestiftet, sondern ihm gegenüber nur Wünsche ausgesprochen. Ich meine, daß man bei dem bisherigen System der Entfaltung der europäischen Plantagenwirtschaft nicht verecht geworden ist. ur so kann die Kaufkraft der eingeborenen evölkerung wachsen. Die eingeborene Bevölkerung kann aus sich selbst heraus nicht auf die Höhe der modernen Kultur gebracht wer⸗ den; sie muß sich an eine weiße Bevölkerung anlehnen. Mit einem Land von Negerbauern können wir nichts anfangen. Man kann keine Sisal⸗ oder Kautschukkultur ohne Plantagenbetrieb führen. Der Abg. Noske spricht von mhawüchsen des Kapitalismus und zitiert mich dabei selbst. Aus diesem Zitat hätte er aber ersehen müssen, daß wir gerade diese Auswüchse bekämpfen. Außerdem ist es falsch, wenn man aus den Auswüchsen darauf schließt, das das ganze System nichts taugt. Der Abg. Noske hat sich über meine orientalische hantasie gewundert. Vielleicht hat ihm der b. Stadthagen dieses chöne Wort vorgesagt. Was Voraussagungen betrifft, so kann ich es mit den Sozialdemokraten durchaus aufnehmen. Man darf jedoch nicht ohne Kenntnis der Sachlage behaupten, 8 eine Sache nichts wert ist. Wenn z. B. ein Natronvorkommen festgestellt ist, dann muß natürlich untersucht werden, ob der Abbau sich lohnt. Auch Südwestafrika sollte ja weiter nichts als Wüstensand sein, und man hat doch Diamanten gefunden. Der Abg. Noske bezeichnet das, was bisher geleistet worden ist, als eine kleine Ab chlagszahlung. Aber auch diese wäre nicht erfolgt, wenn wir in der Kolonialpolitik nach dem Rezept der Sozialdemokraten verfahren wären. Ich habe nicht von der Besiedelung am Kilimandscharo gesprochen, sondern von der Besiedelung im allgemeinen. Der Abg. Noske nennt diese Be⸗ siedelungspolitik viele Kenner halten die Besiedelung der höher gelegenen, sehr gesunden und auch wasserreichen Landstriche am Kilimandscharo für sehr aussichtsreich. Der Abg. Noske meinte, von einer Reichsparteifraktion könnte man im Reichstage nicht reden; der Abg. Noske mag sich bei seinen Wahlgenossen im preußischen Abgeordnetenhause erkundigen, mit welcher Eifersucht sie sich alle Rechte einer Fraktion dort gewahrt haben, obwohl sie nicht halb so stark sind wie die Reichspartei. Die Verlängerung des Urlaubs sollte im Anschluß an die Verlängerung der Dienstzeit der Kolonial⸗ beamten ins Auge gefaßt werden. Nicht von einer Bereicherungs⸗ politik ist in unseren Kolonien die Rede, sondern lediglich davon, den Wohlstand der Kolonien und den Nationalwohlstand zu heben.

Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (dkons.): Was der Abg. Arendt über die Petition des Oscar Wolff gesagt hat, wird von uns aufs wärmste unterstützt; auch wir halten für dringend geboten, daß die Sache sehr ernst von neuem geprüft wird, und man sich nicht auf die formelle Seite beschränkt. Wenn Kapital in die Kolonien geht, so will es doch auch etwas verdienen, und wir wünschen, daß es sich dort lebhaft beteiligt; wir müssen ihm also vor allem Vertrauen einflößen. Ic bedauere, daß der Abg. Arendt den Gouverneur von Rechenberg nicht sehr freundlich behandelt hat; wir schließen uns unserseits den anerkennenden Worten des Abg. von Liebert durchaus an. Daß ein so bedeutender Mann auch seine Feinde hat, gereicht ihm nur zur Ehre.

Damit schließt die Diskussion.

Das Gehalt des Gouverneurs wird bewilligt, die Resolution angenommen. Die übrigen ordentlichen Ausgaben, das Extra⸗ ordinarium und die Einnahmen werden ohne Diskussion nach den Kommissionsanträgen bewilligt.

Es folgt der Etat für das Schutzgebiet Kamerun. Referent ist der Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.). Es liegt hier vor die von der Budgetkommission vorgeschlagene Resolution:

die verbündeten Regierungen zu ersuchen, eine Einschränkung des Alkoholverbrauchs in den Schutzgebieten durch Erhöhung des Zolls auf Branntwein und Beschränkung der Lizenzen herbei⸗ zuführen.“

Abg. Noske (Soz.): Das Problem der Einführung der Selbstverwaltung in Kamerun ist bisher noch nicht im geringsten seiner Lösung nähergebracht worden; die Weißen wollen eben Herren des Landes und der Eingeborenen bleiben oder werden; sie wehren sich sogar dagegen, daß den Negern auch nur ein ganz bescheidenes Mitbestimmungsrecht gegeben werden soll, obwohl die Neger doch die Gelder für die Verwaltung in der Hauptsache aufbringen. Zu einer solchen Sorte von Selbst⸗ verwaltung wird der Reichstag die Hand nicht bieten, da ist uns sogar der so mangelhafte jetzige Zustand noch lieber. Die Rechtsverhältnisse in Kamerun sind traurig. Die Kameruner Herren arbeiten in brutaler Weise und mit einer beneidenswerten Ungeniertheit dem Dernburgischen Prügelerlaß entgegen, sie wehren sich dagegen, daß ihnen das Prügelrecht etwas eingeschränkt wird. Von Humanität ist dort recht wenig zu merken. Hie Kameruner Fumen möchten im Profitinteresse den Galgen viel öfter gegen die Neger bei Eigentumsverbrechen in Wirksamkeit sehen. Das Neger⸗ material in Kamerun soll zwar weniger wertvoll sein als das ost⸗ afrikanische, aber der bisherige Gouverneur Dr. Gleim hat anerkannt, daß die Eingeborenenkultur sehr wohl zu heben sei. Ich bitte die Ver⸗ waltung aber, nicht mit der einen Hand zu nehmen, was man mit der anderen gibt. In einer Eingabe der Kameruner Handelskammer wird be⸗ hauptet, daß die Firmen von Duala sich gegen das Bestreben der Ver⸗ waltung haben wehren müssen, die Oeipalmländereien den Eingeborenen einfach wegzunehmen und Großkaufleuten zu überlassen. Das läuft auf eine einfache Beraubung der Eingeborenen hinaus. Die Neger dürfen durch die Bodenpolitik der Regierung nicht besitzlos, nicht landlos gemacht werden. Es wird weiter behauptet, daß der Kameruner Eisenbahngesellschaft so ausgerehnte Landgebiete über⸗ lassen würden, daß damit den Eingeborenen die Möglichkeit der Existenz genommen werde. Wie wenig die Kameruner Fücnen nach dem Grundsatz „leben und leben lassen“ handeln, geht aus dem Protest der Südfirmen hervor, daß die Neger als Händler den weißen Kauf⸗ leuten Konkurrenz machen. Diese Herren haben ihren Einfluß bis in den Reichstag hinein geltend gemacht. Sie wünschen die mög⸗ lichst rasche Erbauung einer Süd⸗Kamerun⸗Bahn. Auf eine Ren⸗ tabilität dieser Bahn ist auch nicht entfernt zu rechnen. Die Herren meinen, selten sei das Vertrauen einer Bevölkerung zu der Re⸗ gierung so getäuscht worden, wie in bezug auf den Bau dieser Bahn. Die Südfirmen haben die Eingeborenen bei der Kautschukgewinnung durch Gründung eines Syndikats damit geschädigt, daß dieses Syndikat die Preise möglichst niedrig hält. Die Folge ist, daß die Zahlungs⸗ kraft, die Kaufkraft der Eingeborenen ebenfalls niedrig gehalten wird. Die Eingeborenen werden um einen Teil des Ertrages ihrer Arbeit betrogen. Gegen diese unangebrachte Uebervorteilung der Ein⸗ geborenen sollte die Verwaltung energisch vorgehen. Die Eingeborenen werden auch durch das Truck⸗ und Pumpsystem geschädigt, das die Firmen eingeführt haben. Die Erfahrung in Südwestafrika zeigt, wie verhängnisvoll die zwangsweise Eintreibung der Schulden der Eingeborenen gewesen ist. Es darf nicht eine Politik in Kamerun getrieben werden, die die Zahl der Kriegszüge noch vermehrt. Das Trägersystem richtet die Eingeborenen körperlich zugrunde und macht sie zu Nomaden. Es sind ja sehr gut gemeinte Verord⸗ nungen erlassen worden, aber sie stehen in der Hauptsache auf dem Papier. Eine Verordnung sollte dem mörderischen Trägerwesen steuern, aber nachdem die einzelnen Firmen dagegen Sturm gelaufen waren, wurde die schöne Bestimmung einfach wieder außer Kraft gesetzt. So ist es auch in bezug auf ö“ für die Landarbeiter.

ratische Ueberhebungen usw., aber

jetzt tatsächtich nicht mehr angewendet. Die Herren haben den Sieg über die Gebote der Menschlichkeit davongetraaen. Wir haben in Kamerun im Laufe der Jahre eine Reihe von Aufseänden gehabt. Verwaltung und Firmen werfen einander vor, daß sie den Aufstand hervorgerufen haben. Wahrscheinlich haben belde Teile schuld, einesteils wegen der Eintreibung der Schulden, andernteils

mehr auf Buea verwenden.

8 8 wegen des Eisenbahnbaues. Eine Anzahl der Eingeborenen soll wegen Veroftegungemengel bei dem Wegebau eingegangen und verhungert sein, wie die Firmen behaupten. Das ist ein sehr schwerer Vorwurf. Der Staatssekretär hat mir gegenüber gestern behauptet, daß in Kamerun Gefangene bei Eisenbahnbauten nicht beschäftigt worden seien. Trotzdem gibt die Methode der zwangsweisen Rekrutierung der Eingeborenen für die Mittellandbahn zu größten Bedenken Anlaß. Solche Zwangsmaßregeln dürfen nicht angewandt werden. Das Bedenklichste von allen Kameruner Vorgängen ist, daß wir dort Jahr für Jahr Berichte erhalten über vorgenommene Straf⸗ expeditionen gegen Eingeborene. Man wittert eben gleich bei den kleinsten Sachen Aufstandsgefahr und sendet sofort Militär aus. Die Südkameruner Firmen behaupten, daß in ihrem Bezirk die Aufstände nur durch das Vorgehen der Regierung ausgebrochen sind. Da muß man sich doch fragen, ob es nicht richtiger ist, zuerst cine friedliche Verständigung zu versuchen.

Abg. von Liebert (Rp.): Ich bedauere es, baß der Staats⸗ sekretär den Bau der Südbahn in Kamerun abgelehnt hat. Die bis⸗ herigen Gouverneure Seitz und Gleim haben sie doch ebenfalls be⸗ fürwortet. Durch diesen Bahnbau können allein die mißlichen Zu⸗ stände in Südkamerun beseitigt werden. Das Trucksystem ist ebenso wie das Trägersystem nicht vorteilhaft. Südkamerun gehört zu den fruchtbarsten Gebieten der Erde. Die Eingeborenen würden sich an die Bahn heranziehen und dort Pflanzungen anlegen. Man kann die Eingeborenen jetzt nicht zwingen, den Boden zu bebauen, weil sie für ihre Produkte einen schlechten Absatz haben. Der Abg. Noske hat meinen Namen mit faulen Gründungen in Verbindung gebracht. Ich habe früher zu den Kolonialentbusiasten gehört und habe vier Jahre in den Kolonien zugebracht. Nachdem ich mich zur Ruhe gesetzt habe, habe ich mich mit der wirtschaftlichen Entwicklung der Kolonien mehr befaßt und habe dabei erfahren, daß man sich nicht bloß persönlich interessieren darf, sondern auch seinen Geldbeutel in Anspruch nehmen muß.

Ich habe mich deshalb an einer Reihe von Gesellschaften beteiligt, die u. a. Kautschuk und Baumwolle bauten. Besonders die Baum⸗ wollgesellschaft hat mir keine Freude gemacht. Ich gebe dem Abg.

oske gern meine Aktien, wenn er sie haben will. Aber diese Ge⸗ sellschaft ist keine faule Gründung. Wir haben den allerbesten Boden, und auch die Arbeitsverhältnisse sind günstig. Wir haben aber mit dieser Gesellschaft dieselben Kinderkrankheiten durchzumachen, von denen gestern hier schon gesprochen worden ist. Wenn eine Ge⸗ sellschaft sich nicht rentiert, so ist es in den Augen der Sozialdemo⸗ kraten eine faule Gründung. Rentiert sie sich dagegen, dann ist es kapitalistische Ausbeutung.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Solf: Meine Herren! Ich möchte von dem hohen Hause und von dem

Herrn Abg. von Aeebert nicht so verstanden werden, als ob ich mich

gestern grundsätzlich gegen eine Südbahn in Kamerun aus⸗ gesprochen hätte, oder als ob ich gegen die Aufschließung des Südens dieses reichen Schutzgebietes wäre. Ich gehe weiter, als das Projekt der Südkameruner Firmen geht. Während diese Firmen lediglich eine Stichbahn haben wollen, bin ich dafür, daß eine große Zubringerbahn vom Inland an die Küste gebaut werden soll. Wenn es aber dem Herrn Abg. von Liebert gelingt, die Rentabilität der von der Südkameruner Kammer gewünschten Stich⸗ bahn nachzuweisen, dann würde die Regierung voraussichtlich geneigt sein, im Einverständnis mit den gesetzgebenden Körperschaften die Mittel zu bewilligen. Ich glaube aber, es wird nicht gelingen, das hohe Haus zu überzeugen, daß diese Renta⸗ bilität gesichert ist. Wir müssen eine große Bahn haben. Eigentlich ist ja auch Herr von Liebert Gegner der Stichbahn. Ich glaube, die Stichbahn kann erst kommen, wenn die großen Systeme geschaffen sind. Ich bitte also, diese Sache von dem Standpunkt aufzufassen, daß wir noch einmal sehr ernst an die Nachprüfung gehen müssen. Das aufgestellte Projekt der Südkameruner Stichbahn ist ebenso subjektiv wie der Inhalt der Denkschrift, die uns Herr Nosre vorgetragen hat.

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Wir haben in Duala einen ganz aus⸗ gezeichneten Hafen. Es muß notwendigerweise dahin kommen, daß sich dort der Handel des Schutzgebiets konzentriert. Dem Süd⸗ bezirk ist desbalb mit einer Eisenbahnlinie nicht geholfen, weil dort die natürlichen einer Hafenbildung nicht vorhanden sind. In diesem Sinne stimme ich dem Staats⸗ sekretär bei. Duala muß notwendig auch die Haupt⸗ stadt der Kolonie und der Sitz des Gouvernements seln. Seit 1907 hat denn auch keine Forderung für Buea mehr im Etat gestanden bis jetzt, wo zwei Beamtenhäuser neu angefordert sind.

ie würden überflüssig sein, wenn man das Gouvernement nach Duala zurückverlegt. Es ist verkehrt, den Regierungssitz soweit ah⸗ seits hoch in den Bergen zu etablieren. Heute kann man nicht in einem Tage von der Küste nach Bueca gelangen. Der Verkehr der Be⸗ völkerung mit dem Gouvernement ist durch diesen Gouvernementssitz ausgeschlossen. Für die Entwicklung der Kolonie ist die Zurüch⸗ verlegung durchaus notwendig. Dann soll man aber auch kein Geld Ich muß sehr bedauern, daß diese Forderung in der Budgetkommission, der ich ja leider nicht mehr au⸗ gehöre, ohne Widerspruch bewilligt worden ist.

Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. Sols:

Meine Herren! Grundsätzlich ist dem Herrn Abg. Dr. Arendt wohl zuzustimmen, daß es eine Anomalie ist, wenn ein Regierungssitz in einer abgeschlossenen Bergeinsamkeit angelegt wird. Mit dieser Idee, den Sitz von Buea nach Duala zu verlegen, ging aus denselben Gründen, die eben der Herr Abgeordnete angab, der damalige Gouverneur Herr Seitz in das Schutzgebiet Kamerun. Aber bald merkte er, daß Buea große Vorzüge hatte. Er hat gefunden, daß die Verlegung des Regierungssitzes von Buea nach Duala heutigen Tages mit großen Kosten verknüpft sein würde. Die Kosten liegen hauptsächlich darin, daß die Arbeitsleichtigkeit und die Arbetis⸗ freudigkeit der Beamten in Buea erheblich größer ist, als sie in dem immerhin nicht gerade ungesunden, aber doch stark tropischen Niederungsklima in Duala sein würde. Er hat des⸗ wegen den Plan fallen lassen, auch zunächst nur, nicht für die ganze Zukunft. Sein Nachfolger, der Gouverneur Gleim, hat sich der Idee des Gouverneurs Seitz angeschlossen und ist auch der Meinung⸗ daß zunächst Buea der Sitz der Regierung bleiben sollte. Wir wollen abwarten, meine Herren!

Sicher ist es kein idealer Zustand, daß, wie ich schon bemerkt habe, der Regierungssitz von der anderen Bevölkerung abgeschlossen ist. Aber es ist nicht so aufzufassen, daß nun jedermann nach Buea reisen muß, um den Gouverneur und die Beamten zu sehen. Nein, der Gouverneur ist sehr beweglich und alle Gouverneure sollen sehr beweglich sein —; er soll nicht immer in Buea sitzen bleiben, sondern im Lande herumreisen. Wir hoffen ja, daß durch den Ausbau der Bahnen man später die Frage erwägen wird, welcher Ort im Innern der beste sein wird, um dir Regierung von Buea dorthin zu verlegen. Vorderhand ist es billiger und besser, dazubleiben, wo man die Einrichtungen getroffen hat. Daß man in der Zeit des Schwankens, ob man in Buea bleiben foll oder nach Duala ziehen möchte, nicht die Mittel aufgewandt hat, ist klar und verständlich. Nahdem man sich aber einmal entschlossen

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