1912 / 111 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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güter, wie Halbzeug, Kalksteine, ich erinnere daran, wie der Herr Abg. Macco selbst hervorhob, daß die Transporte von 1—50 km, die zurzeit vom Rohstofftarif keinen Nutzen ziehen, durch diese Er⸗ mäßigung der Abfertigungsgebühr werden entlastet werden, daß gerade die Massengüter der Industrie innerhalb dieser Entfernung eine immerhin nicht unerhebliche Erleichterung erfahren. Bei Beurteilung des Wertes der geplanten Tarifmaßnahme ist festzuhalten, daß sich der Ausfall, der den preußischen Staatseisenbahnen aus dieser er⸗ wachsen wird, auf 10 Millionen beziffern wird, und ich meine, wir sollten uns davor hüten, eine solche Summe als Bagatelle zu bezeichnen.

Abg. Baerecke (kons.): Der Kreis Marienburg hbat seit

1856 keine neue Station mehr erhalten. Er hat zwar ein Netz von Kleinbahnen geschaffen, diese dienen aber hauptsächlich zur Be⸗ förderung von Gütern und nicht von Personen. Unser Kreis wünscht deshalb neue Haltestellen für Schönwiese, Königsdorf, Altfelde. Bisher ist er leider durch die Eisenbahndirektion Danzig ab⸗ schlägig beschieden worden. Es handelt sich aber um drei Ort⸗ schaften mit tausend Einwohnern, sodaß sich die Haltestellen wohl rentieren würden. Von einer Schädigung der Kleinbahnen kann nicht die Rede sein, da sich der Kreis selbst für diese Halte⸗ stellen ausgesprochen hat. Es ist freudig zu begrüßen, daß nach dem Osten ein drittes Zugpaar eingelegt ist, es führt aber leider nur I. und II. Klasse. Im Interesse der Gewerbetreibenden wäre die Einlegung der III. Klasse dringend erforderlich.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Der Herr Abg. Baerecke hat in seinen letzten Ausführungen eine grundsätzliche Frage behandelt. Wenn verlangt wird, daß wir in den schnellfahrenden Zügen, die wir jetzt von Berlin aus nach fast sämtlichen Provinzen eingerichtet haben, die dritte Klasse führen, so zwingt man uns geradezu, einen Fortschritt zu unterlassen⸗ den wir innerhalb des ganzen Staatsbahngebtetes durchführen wollen Denn wir können diese Züge mit solcher Geschwindigkeit, Sicherheit und Pünktlichkeit nur befördern, wenn wir sie nicht zu stark belasten; das würde aber in dem Augenblick geschehen, wo wir ihnen Wagen dritter Klasse beigeben wollten. Nun würde man mit Recht ver⸗ langen können, daß wir die dritte Klasse nicht vernachläfsigen dürfen. Aus diesem Gesichtspunkt haben wir auch unmittelbar vor oder hinter solchen Zügen andere Schnell⸗ oder D⸗Züge eingerichtet, die mit der ersten, zweiten und dritten Klasse versehen sind, die freilich nicht mit ganz derselben Schrelligkeit, immerhin mit großen Geschwindigkeiten befördert werden. Ich will übrigens bemerken, daß die von dem Herrn Vorredner er⸗ wähnten Züge, obwohl sie erst seit dem 1. Mai verkehren, sehr gut besucht sind, wie wir das auch zu unserer großen Befriedigung bei anderen gleichartigen Zügen feststellen können, die wir in den letzten Jahren neu geschaffen haben. Was den Wunsch nach Errichtung einer Haltestelle in Schön⸗ wiese betrifft, so hat Herr Abg. Baerecke alle die Gründe angegeben, die von der Staatseisenbahnverwaltung gegen diesen Wunsch geltend gemacht worden sind. Die Anlage kostet etwa 20 000 ℳ; die Ein⸗ nahmen sind nach Ansicht der Eisenbahndirektion, die dem Plan sicher vorurteilslos gegenübersteht, sehr geringe, die Ausgaben verhältnis“ mäßig hohe, sodaß die Aufwendung kaum zu rechtfertigen ist. Ich bin aber bereit, da im Osten noch verhältnismäßig große Entfernungen zwischen den einzelnen Verkehrspunkten liegen, diese Frage noch einmal zu prüfen. Abg. Dr. Ider freikons.) sich übe Material der Fbrholf, 8 tronsh, bedagt sich B Abg. vom Rath (nul.): Der Minister hat eine Ermäßigung der Tarife für Erze und Koks im österreichischen und luxemburgischen Revier in Aussicht gestellt. Davon erwarten die Interessenten an der Lahn und Sieg eine Schädigung und erbitten ihrerseits einen Ausgleich durch eine Tarifermäßigung. 8 Abg. Kriege⸗Bentheim (freikons.) wünscht Tariferleichterung uf der Strecke Bentheim Nordhorn—Neuenhaus und bittet um Aufbesserung der Bezüge der Eisenbahnwerkführer.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Ich glaube nicht fehlzugehen, wenn ich annehme, daß die Ausführungen des Herrn Abg. Kriege sich nicht sowohl auf Nebenbahnen, wie er sagte, sondern auf Kleinbahnen beziehen. Mit den nichtstaatlichen Nebenbahnen richtet die Staatseisenbahn⸗ verwaltung direkte Tarife ein, dagegen lehnt sie die Herstellung direkter Tarife mit den Kleinbahnen ab. Nun interessiert sich der Herr Abg. riege für die Bentheimer Kreisbahn. Wir haben es abgelehnt, irekte Tarife mit den Kleinbahnen einzurichten, weil dies im wohlverstandenen Interefse der Kleinbahnen selber liegt. Es würde sich aus der Herrichtung solcher Tarife eine außerordentliche Kompli⸗ kation des Abrechnungswesens ergeben, unter der die Kleinbahnen schwer eiden würden, außerdem eine nennenswerte Komplikation der gesamten Tarife. Die Kleinbahnen sind von der Staatseisenbahnverwaltung in Weise begünstigt bezüglich des Aunschlusses selber, ferner bezüglich er für Benutzung der Anschlußbahnhöfe in Rechnung gestellten osten und ferner sehr erheblich dadurch, daß wir einen Teil unserer Abfertigungsgebühren im Verkehr mit den Kleinbahnen auflassen. Ich bin daher der Meinung, daß, zumal die Zahl der Kleinbahnen von Jahr zu Jahr zunimmt, und die von mir geschilderten Komplikationen erheblich zunehmen, daß die Kleinbahnen die Herstellung solcher Tarife nicht wünschen dürfen.

Dem Herrn Abg. vom Rath darf ich erwidern, daß, wenn wir zu der in Aussicht genommenen Regulierung der Erz⸗ und Koks⸗ tarife zwischen dem Ruhrrevier und dem lothringisch⸗luxemburgischen und Saarrevier kommen werden, wir selbstverständlich alle Wünsche und Beschwerden, die aus dieser Tarifmaßnahme aus anderen Revieren heraus geltend gemacht wurden, einer sehr sorgfältigen Nachprüfung zu unterziehen haben.

Dem Herrn Abg. Iderhoff teile ich mit, daß seine Annahme, daß die in Aurich jetzt stationierten Akkumulatorenwagen dort nur provisorisch untergebracht sind, zutreffend ist; in nicht ferner Zeit werden dort Wagen Verwendung finden, die den Wünschen des Herrn Abgeordneten entsprechen.

Abg. Dr. von Woyna (freikons.) bit 1 Bahnhossverhältnisse in vn adff deh .“ Kaee slens des den mittleren Beamten der Eisenbahn Gelegenheit zur besseren Aus⸗ bildung in der Elektrotechnik geschaffen werde. Der Redner bemerkt ferner, daß seine Bemerkungen bei der zweiten Lesung über die Beamten⸗ organisationen falsch verstanden worden seien; er habe nichts anderes gesagt, wie der Minister selbst. Die Berechtigung der Beamten⸗ organisationen erkenne er durchaus an, aber er wünsche nicht den Zu⸗ sammenschluß zu großen Verbänden und Abhaltung von Kon⸗ gressen usw. Das Reklamewesen in den Eisenbohnwagen werde ganz verschieden gehandhabt; wenn darin einhbeitliche Vorschriften gegeben

Abg. Graf von Reventlow (kons.) regt verschiedene Ver⸗ besserungen der Hochbrücke bei Levensau, insbesondere Ver⸗ breiterung der Fahrbahn durch Verlegung der Fußwege nach außen, an.

Abg. Leinert (Soz.): lenke die Arßmerksamtest auf einen schweren Unglücksfall, der am 4. April in der Nähe von Hannover infolge des 18,35 einer Uebergangsschranke sich er⸗ eignet hat, wobei ein Fuhrwerk von einem Zuge überfahren wurde. Der Minister muß diesen Fall, der nicht der erste an dieser Stelle ist, prüfen und mindestens für die Errichtung einer Schranke sorgen. Bei dem Anstrich der Bahnhofshalle in Hannover sind infolge des mangelhaften Gerüstes sieben Maler abgestürzt, drei davon sind tot gewesen. Die Gerüste beis diesen Arbeiten haben nicht immer die genügenden Sicherheitsvorrichtungen. Ich selbst habe gesehen, wie an der Unterführung des Bahnhofs Heerstraße Maler⸗ auf einem schmalen Brett ohne jede Sicherheitsvorrichtung tanden und die Unterführung strichen. Was hat die Regierung an⸗ läßlich des Unglücks in Hannover getan, um für eine größere Sicher⸗ heit der Gerüste zu sorgen? Miinister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach: Mieine Herren! Der schwere Bauunfall auf dem Bahnhof Han⸗ nover, dem leider drei Menschenleben zum Opfer fielen, während noch vier verletzt wurden, hat mir selbstverständlich Veranlassung gegeben, eine Untersuchung einzuleiten. Ich bin heute noch nicht in der Lage, über das Ergebnis dieser Untersuchung Mitteilung zu machen. Darin stimme ich aber mit dem Herrn Abg. Leinert überein, daß es Pflicht der bauleitenden Stelle ist, sich um die Schutzvorrichtungen für die Arbeiter, auch wenn sie bei Unternehmern tätig sind, wie es hier der Fall war, eingehend zu kümmern. (Bravo! bei den Sozialdemo⸗ kraten.) Ich werde aus diesem Bauunfall, soweit es notwendig ist, weitergehende Maßregeln treffen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

Was den Unfall betrifft, der sich auf der Strecke Hannover Walsrode zugetragen hat, so bin ich augenblicklich über den Hergang nicht unterrichtet. Aber auch dieser Unfall wird Anlaß geben, in eine Untersuchung darüber einzutreten, ob die Einrichtungen der betreffenden Bahn die Sicherheit des Betriebes und die Sicherheit der Passanten genügend gewährleisten. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

Abg. von Bonin⸗Stormarn (freikons.) bittet um Verbesserung der Bahnhofsverhältnisse in Oldesloe.

Abg. Dr. Grunenberg (Zentr.) wünscht eine Erweiterung des Bahnhofs Gelsenkirchen; der Verkehr sei dort ganz außerordent⸗ lich gestiegen. Auch die Nordstrecke müsse mehr ausgebaut werden; diese sei jetzt gegenüber der Südstrecke benachteiligt worden, sodaß schon eine große Erbitterung entstanden sei. Es bedürfe ferner des 111“ trecke von Norden Fach Süden.

nterstaatssekretär Stieger sagt eine Prüfung der Wünsche der Abgg. von Bonin und Grunenberg zu. füng sch

Abg. Schreiner (Gentr.): Die älteren Handwerker und Arbeiter, die den Kern der Arbeiter bilden, müssen besser gestellt werden. Ebenso ist eine Gleichstellung der Handwerker in den Haupt⸗ werkstätten und Betriebswerkstätten nötig.

Abg. Hirsch⸗Essen (nl.): Auf der Bahnstrecke Hemer Iserlohn

sind in 2 Jahren nicht weniger als 5 Menschen totgefahren worden. Es muß eine weitgehende Umarbeitung der ganzen Bahn unter Ver⸗ legung des auf der Chaussee liegenden Teils und unter Beseitigung der größeren Kurven vorgenommen werden. Abg. von Stockhausen (kons.): Bei den Viehversendungen sind gewisse sanitätspolizeiliche Begleitpapiere notwendig. Gehen diese Papiere einmal verloren, so wird das Vieh nicht ausgeliefert. Die Bahn hat in solchen Fällen auch Entschädigungsansprüche ab⸗ gelehnt. Hier muß Abhilfe geschaffen werden.

Der Etat der Eisenbahnverwaltung wird bewilligt. Bei dem Etat der Bauverwaltung tritt

Abg. Tourneau (Zentr.) für die Kanalisierung der Werra nach dem Projekt des Vereins zur Schiffbarmachung der Werra ein. Der Minister möge zunächst mit dem Verein unverbindlich ver⸗ bandeln, um das Projekt zu prüfen. Auch wären Verhandlungen mit den interessierten Staaten, vor allem mit Bayern angezeigt. Geheimer Oberbaurat Dr.⸗Ing. Syvmpher sagt zu, daß die Regierung die Vorarbeiten und Voruntersuchungen des Vereins so wohlwollend wie bisher fördern werde. Verhandlungen mit anderen Staaten könnten noch nicht angeknüpft werden, dazu sei das Projekt noch nicht reif.

Abg. Graf von Wartensleben⸗Rogäsen (kons.): Im vorigen Jahre hat die Regierung für den Ausbau der „Fahrt“ vom Großwusterwitzer See eine Unterstützung zugesagt, diese aber leider jetzt nach Prüfung der Verhältnisse zurückgezogen, mit der Begründung, daß von Staats wegen keine Kosten aufgewandt werden könnten, weil die vorhandenen Ton⸗ und Kieslager nicht derart seien, um eine Ver⸗ zinsung des Kapitals zu garantieren. Die Anlieger sind aber selbst nicht in der Lage, die hohen Kosten aufzubringen, die die Erweiterung wegen der großen Dimensionen der Fahrzeuge verursachen würde. Wenn der Staat nicht eine nennenswerte Unterstützung gibt, so werden die dortigen Ziegeleien ruiniert werden. Das wäre um so mehr zu be⸗ dauern, als ich von der Brandenburgischen Ton⸗ und Kies⸗ baggerei die Nachricht bekommen habe, daß dort große Ton⸗ und Kies⸗ lager sind.

„Miinisterialdirektor Peters: Von seiten des Ministeriums wird die Angelegenheit noch einmal wohlwollend geprüft werden, um so mehr, als der Vorredner einzelne Tatsachen vorgebracht hat, die der Regierung noch nicht bekannt waren.

Abg. Thurm (fortschr. Volksp.) bittet die Regierung um einen Staatszuschuß für den neuen Brückenbau bei Fürstenberg, da diese Brücke in einer Länge von 600 m nicht von der Stadt und den Kreisen gebaut werden könne.

Ministerialdircktor von Dömming sagt eine wohlwollende Prüfung zu.

„Abg. Lüdicke (freikons.): Die alte Havelbrücke in Spandau, die den Bahnhof mit der Altstadt verbindet, stammt aus der Zeit, 8 noch 20 000 Einwohner hatte. Ein Neubau ist dringend erforderlich.

Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels von der Brügghen erkennt die Berechtigung der Forderung an.

Abg. Dr. Iderhoff (freikonf.) äußert verschiedene Wünsche in bezug auf Deichanlogen im Auricher Bezirk.

Darauf wird ein Schlußantrag angenommen. Der Etat der Bauverwaltung wird bewilligt.

Um 4 Uhr schlägt Präsident Dr. Freiherr von Erffa vor, da nur noch der Etat des Ministeriums des Innern zu erledigen ist, keine Abendsitzung abzuhalten, sondern bis 5 ¼ oder 5 ½ Uhr weiter zu beraten.

Das Haus tritt in die Beratung dieses Etats ein.

Abg. Dr. Schepp (fortschr. Volksp.): Der Bund der Pfleger und Pflegerinnen in der Fürsorgeerziehung steht nicht auf dem sozial⸗ demokratischen Standpunkt, und doch hat der Direktor Kluge von der Provinzialpflegeanstalt in Potsdam nicht gestattet, daß in Potsdam ein Ortsverein der Pfleger und Pflegerinnen gebildet werde; ja, er hat sogar verlangt, daß die Pfleger und Pflegerinnen seiner Anstalt aus dem Bunde austreten. (Rufe bei den Sozialdemokraten: Terrorismus!) Gewiß ist das Terrorismus, gegen den auch die bürgerlichen Parteien Front machen müssen. Der Minister sollte dem Herrn Direktor Kluge klar machen, daß er seine Befugnisse über⸗ schritten babe. Sodann möchte sch wiederum für eine Verlnebrung der Apotbeten eintreten; in den letzten Jahren hat nicht mehr eine solche Vermehrung nach der Bepölkerungszahl stattgefunden wie Büber Die Stadt Elbing hat z. B. in einer Zeit, in welcher ihre Bevölkerungszahl um 22 000 stieg, zu ihren sechs Apotheken nicht

gierung die Konzession fuür eine neue Apotheke aus, die esitzer waren aber entschieden dagegen und warfen der Re⸗ sogar vor, daß bei der neuen Konzession verwandtschaftliche eine Rolle spielten. Zu derselben Zeit wurde in Danzig er Apotheke für 300 000 verkauft. Die Regierung sollte doch eis solchen Fällen lernen. Die rheinische Gemeinde Breyell echa schon seit langem vergebens eine Apotheke. Ich muß gegen die au machungen protestieren, die dort zwischen den drei Apothekenbest b. in den umliegenden Orten und vier Regierungsvertretecn get sind, daß einer von den drei Apothekenbesitzern eine errichten soll, wenn diese Gemeinde bestimmte Garantien überneh

Abg. Cafsell (fortschr. Volksp.): Ich muß mich gegen Standpunkt des Polizeipräsidenten von Berlin wenden, daß d. Stadtverordnetenversammlung nicht über die Handhabung der Polc in Berlin zu verhandeln Fabe. Nach Erkenntnissen des Ohh verwaltanssgerichts hat sich die Stadtverordnetenversammlung 1 allen wirtschaftlichen und kulturellen Fragen zu befassen, welche 8 geistige und leibliche Wohl der Bürger der Stadt angehen. g diesem Sinne hat das Oberverwaltungsgericht auch eine Petition 8 Stadt Stettin gegen die Getreidezölle für zulässig erklärt. Die Stätt ordnung der Provinz Hannover ist längst veraltet. Die Bürgerverkreth 4 hat keinen genügenden Einfluß auf die Besetzung der städtische Aemter, und die Zahl der Bürgervorsteher ist viel zu gering. 89 allen Dingen ist das Wahlrecht ganz veraltet. Das Wahlrach hab nur die Bürger, die das Bürgerrecht erworben haben, und die amten; die übrigen Bürger und Steuerzahler scheiden ganz aus. d Erwerbung des Bürgerrechts ist an Kosten geknüpft, infolgedese sind Bürger eigentlich nur die Hausbesitzer und die Gewerg treibenden, die das Bürgerrecht erwerben mussen; außerdem gehäre noch die Beamten dazu, die das Bürgerrecht kostenlos erwerze können. So kommt es, daß von 63 000 Steuerzahlern nur Z0 wahlberechtigt sind. Wir erkennen die Gründe der Regierung nich an, daß eine Aenderung schwierig sei und nur bei einer Revision des gesamten Wahlrechts vorgenommen werden könne. b eine einhelt⸗ liche Städteordnung für die ganze Monarchie möglich ist, ist zweife haft, und deshalb müssen die schlimmsten Mißstände, wie sie noch at dem Mittelalter her bestehen, durch Spezialgesetz beseitigt werden Der Minister des Innern hat sich gerühmt, daß in seinem Ressen konfessionelle Rücksichten keine Rolle spielen. Dann sollte er abe auch dafür sorgen, daß seine nachgeordneten Behörden danach verfahren

Abg. Dr. Lohmann (nl.): wollte mich mit dem Mg Bell über die Frage der Parität auseinandersetzen; da er aber nich hier ist, will ich mich darüber bei der nächsten Etatsberatung mit ihn weiter unterhalten. Als ich bei der zweiten Lesung der Sojiͤt demokratie unter Bezugnahme auf eine Rede des Abg. Hirsh Berlin vorwarf, daß sie die einzige Partei sei, die den politischen Terrorismus gebilligt habe, bestritt dies der Abg. Hirsch⸗Verh in einer persönlichen Bemerkung. Er sagte: „Ich gebe zu, diß die Sozialdemokratie bei den Landtagswahlen Terrorismus geübt hut aber von einer Billigung des Terrorismus ist in meiner Rede ki Wort gewesen, im Gegenteil, ich habe nachgewiesen, daß der Tems rismus nur als ein Akt der Notwehr getrieben wird. Wollen Ei⸗ mit uns den Terrorismus bekämpfen, so soll uns das recht sene⸗ Der Abg. Hirsch hat aber in seiner Rede von 1908, die eine mert würdige Logik zeigt, gesagt, indem er von dem Terrorismus de bürgerlichen Parteien sprach: „Wir sind im Vergleich zu Ihna (nämlich den Konservativen) die reinen Waisenknaben, werden m. aber bemühen, von Ihnen zu lernen. Wollen Sie aber mit uns de Terrorismus bekämpfen, so soll uns das recht sein, wir werden und als treue Bundesgenossen in diesem Kampfe erweisen. Dann aba sorgen Sie dafür, daß die öffentliche Stimmabgabe durch die gehein ersetzt wird; solange das nicht der Fall ist, werden Sie sich niche über den sozialdemokratischen Terrorismus beklagen dürfen.“ Solang also nicht die geheime Wahl besteht, hält die Sozialdemokrat den Terrorismus ür berechtigt. Ich überlasse dem Hause das Urti ob das eine Mißbilligung des Terrorismus gewesen ist, was der Ag Hirsch gesagt hat.

Abg. von Kloeden (b. k. F.): Daß bei den Millitäranwärten bei den Kommunen, Versicherungsanstalten, kirchlichen Behörden nsm keine Anrechnung eines Teiles der Militärdienstzeit auf das Be ““ erfolgt, ist eine durch nichts begründet Zurücksetzung dieser Ffohen Beamtengruppe gegen die au gleichen Verhältnissen hervorgegangenen Kollegen im Reichs⸗ un Staatsdienst. Diese Beamten stehen infolge ihres späten Ueben tritts in das Beamtentum um drei bis vier Gehaltsstufen hinn ihren gleichaltrigen Kollegen aus dem Zivilanwärterstande zurück. I. Regierung hatte gehofft, daß die Kommunen freiwillig die Militn dienstzeit auf das Besoldungsdienstalter ihrer Militäranwärtern rechnen würden, aber nur einzelne Gemeinden sind darin dem 2 spiel des Staates efolgt, die große Menge der Kommunen belttit sich vollständig ablehnend. Der einzige Weg zur Abhilfe ist also ih gesetzliche Regelung. Diese würde kein Eingriff in die Selfs verwaltung sein. Auch die Anrechnung der Millittärdienstzeit da Volksschullehrer ist gesetzlich geregelt. Die Regierung möge baldam Gesetz zur Beseitigung dieser Zurücksetzung vorlegen, zumal di Beamten stets Treue bewahrt haben, und wir auf ihre Treue und 3 verlässigkeit in Zukunft mehr als je werden rechnen müssen.

Minister des Innern Dr. von Dallwitz:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat wiederum die Wünsch der Militäranwärter zur Sprache gebracht, die dahin gebe daß bei ihrer Anstellung im Kommunaldienst die Dienstjahre, die beim Militär absolviert haben, auf das Kommunaldienstalte angerechnet werden. Der Herr Vorredner hat die Gründe, die d gegen geltend gemacht werden können und in früheren Jahren geltn gemacht worden sind, selbst durchaus zutreffend skizziert.

Diese Gründe bestehen darin, daß einmal die Kommunen 1i gezwungen werden können, die Gehälter der Beamten nach Dier altersstufen zu bemessen, daß es ihnen freisteht, Einheitsgehäͤlter zuführen, und daß daher, wenn ein Zwang gegen sie ausgeübt werr sollte, wie der Herr Vorredner es gewünscht hat, ein Teil h Gemeinden sich dem dadurch entziehen könnte, daß sie Einheitsgehäle einführen würden.

Der zweite Grund, der gegen ein Vorgehen im Vermaltuns wege im Sinne des Herrn Vorredners spricht, besteht darin, daß Leistungsfähigkeit der Kommunen eine ganz außerordentlich . schiedenartige ist, daß wir unmöglich sehr hoch belastete Kommung Kommunen, die 300 bis 400 % der Staatssteuern als Kommun steuern aufbringen müssen, zwangsweise anhalten koͤnnen, eine Geheal⸗ regulierung eintreten zu lassen, zu der sie gesetzlich nicht verpflict sind, die aber ihre Kommunalbelastung ganz außerordentlich zu steiheg geeignet wäre.

Der dritte Grund ist der, daß überhaupt die Aufsichtsbehln nicht in der Lage ist, einen derartigen Eingriff in die Selbstverwaltn vorzunehmen, wie er darin liegen würde, wenn sie ohne gesehl

Unterlage eine anderweite Regelung der Gehälter der Militärbeant verlangen sollte.

Der Herr Vorredner meint, daß alle diese Gründe sich li widerlegen ließen; er glaube nicht daran, daß die Gemeinden G heitsgehälter einführen würden, falls man das Ansinnen an stellte, die Dienstzeit beim Militär anzurechnen; er meint, daß Gemeinden doch in der Regel so leistungofähig seien, daß G sie ziemlich gleichgültig sei, ob sie ihre Beamten höher besolden

nicht, und den Eingriff in die Selbstverwaltung läßt er auch 1.

vhrden. würde sich eine größere Einnahme aus den Reklamen erzielen assfen. 8 8 1“ 8* Lö“ .

eine einzige neue bekommen. Erst vor zwei Jahren schrieb die Re⸗ 1

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Zweite Beilage

ichsanzeiger und Königlich Preußi

Berlin, Mittwoch, den 8. Maäai.

1912.

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Daß aber diese Einwendungen doch nicht so leicht zu beseitigen sind, hat der Herr Vorredner schließlich selbst damit zugegeben, daß er zum Schluß gesagt hat: wenn die Regierung im Ver⸗ waltungswege eine derartige Regelung nicht einführen kann, dann sollte sie doch einen Gesetzesvorschlag nach dieser Richtung einbringen. Nun, meine Herren, einen Gesetzesvorschlag ein⸗ zubringen, der die Finanzen einer ganzen Reihe von Gemeinden unter Umständen sehr schädigen könnte und eine sehr weitgehende Einschränkung der Selbstverwaltung herbeizuführen geeignet wäre, das will doch sehr genau überlegt sein. (Sehr richtig! bei der fortschritt⸗ lichen Volkspartei.) In bezug auf den Verwaltungsweg glaube ich andererseits, daß die drei Gründe, die ich angeführt habe, durchaus stichhaltig sind. Es ergibt sich das auch aus den Berichten einer größeren Anzahl von Bürgermeistern, die ich auf Grund der früheren Anregungen zu der Frage gehört habe und die sich alle in direkt ab⸗ lehnendem Sinne, und zwar aus den von mir soeben dargelegten Gründen, ausgesprochen haben.

Herr Abg. Dr. Schepp hat sich dann darüber beschwert, daß die Zahl der Vollapotheken, deren Vermehrung regierungsseitig in Aussicht genommen sei, in den letzten Jahren nicht nur nicht ge⸗ stiegen, sondern daß sogar ein Rückgang in der Zahl der Voll⸗ apotheken eingetreten sei. Er hat einige Fälle genannt, in denen seines Dafürhaltens die Umwandlung von Nebenapotheken in Haupt⸗ apotheken zu Unrecht abgelehnt worden sei. Ich bin bereit, die Fälle einer näheren Prüfung zu unterwerfen, falls die Vorgänge nicht be⸗ reits in den Akten enthalten sind, worüber ich jetzt eine Auskunft zu geben nicht in der Lage bin.

Soweit Herr Dr. Schepp gegen den Vorsteher einer Provinzial⸗ idiotenanstalt wegen seines Vorgehens gegen die ihm unterstellten Beamten Angriffe gerichtet hat, muß ich darauf hinweisen, daß, da es sich um eine Provinzialanstalt handelt, nicht ich, sondern in erster Reihe der betreffende Landeshauptmann oder Landesdirektor zuständig sein würde. (Abg. Dr. Schroeder (Cassel): Sehr richtig!)

Abg. Hirsch⸗Berlin (Soz.): Ich frage den Minister, ob er eine ministerielle Verordnung hat ergehen lassen, daß rote Kranzschleifen nicht im Trauerzuge geduldet werden sollen. Unerhört ist es, daß von der Zensur der Freien Volksbühne die Aufführung eines Stückes des verstorbenen Reichstagsabgeordneten Rosenow verboten worden ist, das das soziale Milieu des Bergmanns schildert. In Frankfurt ist dieses Stück ohne Bedenken aufgeführt worden. Der Beamte, von dem diese Verfügung ausgeht, kann das Stück überhaupt nicht gelesen haben. Ein starkes Stück hat sich die Essener Polizei geleistet. Sie hat eine Abschrift der Mitgliederlisten des Transportarbeiterverbandes, die sie bei einer Haussuchung be⸗ schlagnahmt hat, der Eisenbahnbehörde ausgeliefert. Und die Eisen⸗ bahnbehörde hat diese Arbeiter sofort gemaßregelt. Dem Abg. Dr. Lohmann gegenüber bemerke ich, daß ich keineswegs dem Terrorismus bei den Wahlen das Wort geredet habe. Wir haben immer den Terrorismus verurteilt. Wenn Sie aber den Terrorismus aus⸗ scheiden wollen, müssen Sie mit uns den Kampf gegen die offene

Stimmenabgabe führen. 6 1 Abg. Korfanty (Pole): Der Minister hat in seinen An⸗

griffen gegen mich gisagt, ich hätte behauptet, das Reichsvereinsgesetz habe sic zu einem Ausnahmegesetz gegen die Arbeiterbewegung ent⸗ wickelt. Das habe ich nicht gesagt; davon steht kein Wort in meiner Reichstagsrede. Allerdings ist es wahr, daß in der Tat sich das Reichsvereinsgesetz zu einem Ausnahmeg esetz entwickelt hat. Der Minister hat Fälle zur S gebracht, die ich gar nicht gehört habe. So greift sich der Minister einfach einige Stellen heraus und erklärt dann meine Ausführungen für unbegründet! Im einzelnen ist der Minister von den Behörden direkt irregeführt worden. Ich habe nicht dem Minister eine infame Rechtsbeugung vorgeworfen, sondern dem Landrat von Rosenberg; dafür habe ich einen Ordnungsruf be⸗ kommen. Der Herr, der dem Minister die Rede zugestellt hat, hat meine Rede vollständig entstellt. Der Landrat des Kreises Rosenberg hat eine Konferenz einberufen, an der auch der Tierarzt teilnahm, um Mittel zu finden, die Versammlungen zu verbieten. Alle polnischen Vereine werden für politisch ertlärt, so die polnischen Berufsvereine, die rein wirtschaftliche Zwecke verfolgen, die polnischen Frauenvereine, der Verband der polnischen Handlungsgehilfen, ein polnischer Arbeiterverein in Gnesen, der keinen anderen Zweck verfolgt als die deutschen Arbeitervereine. Da stellt sich noch der Minister hin und sagt, das Vereinsgesetz werde nicht zuungunsten der Polen angewendet. Das Vereinsgesetz ist aber ein direktes Ausnahmegesetz gegen uns ge⸗ worden. Minister des Innern Dr. von Dallwitzꝛ Meine Herren! Daß die Sokolvereine politische Verelne sind, ist wiederholt gerichtlich festgestellt worden. (Zuruf des Abg. Korfanty: Davon habe ich garnicht geredet!) Die politische Eigenschaft der polnischen Berufsvereine ist ferner meines Wissens niemals in Zweifel gezogen worden. Im übrigen ist Herr Abg. Korfanty von einer irr⸗ tümlichen Auffassung ausgegangen, wenn er geglaubt hat, daß meine Ausführungen, die ich neulich bei der zweiten Beratung des Etats über die im Reichstage erörterten Verstöße der Behörden gegen das Vereins⸗ und Versammlungsrecht geprüft habe, sich ausschließlich auf die von ihm im Reichstage vorgebrachten Fälle bezogen hätten. Ich habe ganz allgemein zunächst von der Interpellation, die am 18. Oktober v. J. im Reichstage stattgefunden hat, gesprochen und gesagt, daß damals 58 Fälle zur Sprache gebracht worden sind, von denen soundsoviele entweder zutreffend oder unzutreffend waren. Von diesen 58 Fällen ist natürlich nur ein kleiner Teil von dem Herrn Abg. Korfanty vorgebracht worden, der⸗ weitaus größte Teil vielmehr von Herrn Abg.Albrecht. Ich habe keineswege gesagt, daß die vorgebrachten Beschwerden lediglich von Herrn Korfanty zur Sprache gebracht worden sind. Jedenfalls gaben meine Ausführungen keinen Anlaß zu der Annahme, daß der Herr Abg. Korfanty allein alle Fälle zur Sprache gebracht hätte; diese Fälle sind selbstredend nur zum Teil von Herrn Abg. Korfanty, zum Teil aber von Herrn Müller (Meiningen) und anderen Herren, der Löwen⸗ anteil aber von Herrn Abg. Albrecht vorgebracht worden. Herr Albrecht hat auch die Wendung gebraucht, daß das Vereins⸗ gesetz zu einem Ausnahmegesetz gegen die Arbeiterbewegung zugespitzt werde. Sollte aus meinen Ausführungen etwas

anderes zu entnehmen gewesen sein, so beruht dies insoweit

ich lediglich die beiden Fälle angeführt, die meines Dafürhaltens auf absolut unzutreffenden Voraussetzungen beruhten; der eine Fall spielte sich in Birkenhain ab, der andere in Sternalitz. Der eine Fall be⸗ zieht sich meines Wissens auf eine politische Versammlung, die am 2. Juni 1910 stattgefunden hat. Der Bescheid ist da, und in ihm steht kein Wort von der Bedürfnisfrage. (Zuruf: 24. April!) Sollte noch eine andere Versammlung früher stattgefunden haben, so werde ich dieserhalb Ermittlungen an⸗ stellen lassen. Ich habe allerdings aus dem mir vorliegenden Material nicht entnehmen können, daß in früherer Zeit noch ein anderer Fall in Birkenhain vorgekommen sein könnte, auf den eventuell die Behauptungen des Herrn Abg. Korfanty sich beziehen könnten.

Herr Abg. Korfanty hat es in Ahrede gestellt, daß er mir infame Rechtsbeugung vorgeworfen habe. Der Wortlaut der Reichstags⸗ verhandlungen ist folgender:

Meine Herren, ich lege die Beweise für diese infamen Rechts⸗ beugungen seitens des Landrats im Kreise Rosenberg (Glocke des Präsidenten.)

Präsident: Herr Abg. Korfanty, Sie dürfen einem Königlichen Beamten eine „infame Rechtsbeugung“ nicht vorwerfen.

Das bezog sich auf den Landrat. Dann fährt Herr Korfanty weiter fort:

Ich bin damit einverstanden, aber ich hoffe, daß der Landrat des Kreises Rosenberg auch in Zukunft das Recht beachten wird, das er hier mit Füßen getreten hat. Ich habe für meine Behauptung den Beweis erbracht, und wenn ich mich an den Minister des Innern von Preußen gewandt und ihm das mitgeteilt habe und der Minister das Nötige nicht veranlaßt hat, so habe ich keinen anderen Ausdruck für diesen Mann. (Lebhafte Rufe bei den Polen: Für den Landrat nämlich!)

Ich kann nach meiner Kenntnis der deutschen Sprache nichts anderes darin finden, als daß Herr Korfanty mir eine infame Rechtsbeugung vorgeworfen hat. Das ergibt der Wortlaut. Wenn er es anders gemeint hat, so ist mir dies an⸗ genehm. Jedenfalls konnte man das nicht aus den Worten, die er gebraucht hat, herauslesen.

Nun beanstandet der Abg. Korfanty, daß ich erwähnt habe, daß keine große Zahl von angeblichen Verstößen im Reichstag vorgebracht worden seien, ohne daß den zuständigen Behörden vorher Gelegen⸗ heit gegeben worden sei, sich darüber zu informieren, daß mithin eine Widerlegung im Reichstag nicht habe stattfinden können. Herr Korfanty sagt, er hätte mir im Laufe des Sommers eine ganze Reihe Beschwerden vorgelegt, ich hätte Zeit gehabt, mich darüber zu informieren, da diese Fälle zum Teeil dieselben Beschwerden betroffen hätten, die er nachher im Reichstag angeführt habe. Ich muß bemerken, daß das die Fälle sind, in denen Herr Abg. Korfanty unter Umgehung aller Instanzen direkt von dem Amtsvorsteher an den Minister des Innern appelliert hat, was zur Folge haben mußte und gehabt hat, daß ich die Sache zur zuständigen weiteren Ver⸗ anlassung an den betreffenden Regierungspräsidenten abgegeben habe. Daß ich also über diese Sachen informiert sein konnte, muß ich bestreiten.

Im übrigen ist die Handhabung des Reichsvereinsgesetzes durch preußische Behörden eine Frage, die vor den preußischen Landtag gehört. Wenn ich also seine Handhabung durch die preußischen Be⸗ hörden zu vertreten habe, so tue ich das im Landtage, habe aber keine Veranlassung, im Reichstage über eine preußische Angelegenheit Rede und Antwort zu stehen (sehr richtig! rechts); dazu liegt keine Veran⸗ lassung vor. (Beifall rechts. Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Wenn Herr Abg. Korfanty sich dann darauf bezogen hat, daß ich von einer baupolizeilichen und einer gewerbepolizeilichen Verfügung gesprochen hätte, die am 18. Oktober als eine Verletzung des Reichs⸗ vereinsgesetzes im Reichstag vorgebracht worden sei, so sind auch diese beiden Fälle solche, die nicht Herr Abg. Korfanty, sondern einer der anderen Herren ich glaube, es war Herr Abg. Albrecht damals erwähnt hat. Also ich wiederhole nochmals, daß natürlich nicht alle 58 Fälle, die im Reichstag zur Sprache gebracht worden sind, allein von dem Abg. Korfanty vorgetragen worden sind, sondern natürlich auch von anderen Mitgliedern des Reichstags.

Herr Abg. Hirsch hat einen Fall in Essen erwähnt, in dem Mit⸗ teilungen über die Zugehörigkeit zu Gewerkschaften, ich glaube, an andere Behörden seitens der Polizeiverwaltung abgegeben worden seien. Im Wege der Beschverde ist diese Sache bei mir noch nicht anhängig gemacht worden. Ich habe aber aus einer Zeitungsnotiz von dem Vorkommnis kürzlich Kenntnis erhalten und Bericht erfordert. Der Bericht ist noch nicht eingegangen, sodaß ich mich zu dieser Frage nicht äußern kann.

Genau so liegt der Fall wegen des Zensurverbots eines von dem verstorbenen Schriftsteller Rosenow herrührenden Theaterstückes. Auch hier ist Beschwerde nicht eingelegt worden. Ich habe aber, da ich aus Zeitungsnotizen von dem Vorkommnis Kenntnis erhalten habe, Bericht erfordert, der gleichfalls noch nicht eingegangen ist, sodaß auch dieser Fall meinerseits nicht erörtert werden kann.

Dann aber hat Herr Abg. Hirsch zur Sprache gebracht, daß in Breslau in einigen Fällen polizeilich eingeschritten worden sei, weil bei Leichenbegängnissen in demonstrativer Weise Kränze mit roten Schleifen vorangetragen worden sind, und zwar mit der Begründung, daß die Leichenbegängnisse durch derartige demonstrative Be⸗ gleiterscheinungen zu außerordentlichen Umzügen gestempelt würden. Er hat gefragt, ob eine Anordnung von der Zentral⸗ instanz nach dieser Richtung hin ergangen sei. Das ist nicht der Fall. Dagegen hat sich der Polizeipräsident mit vollem Recht auf eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 4. Juli 1911 gestützt, in der ausdrücklich ausgeführt worden ist,

daß der Angeklagte, der einen Kranz mit der von der sozial⸗ demokratischen Partei gestifteten roten Schleife dem Sarge voran⸗

(Lachen bei den Sozialdemokraten.) Genau ebenso lagen die Fälle in Breslau, nur daß der demonstrative Charakter noch stärker hervor⸗ getreten ist. Es waren ungewöhnlich große Kränze von mehr als einem Meter Höhe, die dem Sarge vorangetragen wurden. (Lebhafte Zurufe bei den Sozialdemokraten: Hinter dem Sarge!)

demonstrativen Umzugs verliehen worden ist, unterliegt keinem Zweifel. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Das Oberlandesgericht hat demnächst auch die von dem Polizeipräsidenten erlassenen Stra verfügungen als rechtsgültig anerkannt. 1 Es ist somit nach den Entscheidungen des Oberlandesgerichts und des Reichsgerichts ganz zweifellos, daß derartige Demonstrationen die Leichenbegängnisse zu ungewöhnlichen und genehmigungspflichtigen Um⸗ zügen machen und daß das Vorgehen des Polizeipräsidenten in Breslau durchaus berechtigt war. Ich muß es daher zurückweisen, wenn ihm von dem Herrn Abg. Hirsch in diesem Falle Gesetzwidrigkeit vorge⸗ worfen worden ist, und kann meinerseits nur bedauern, daß selbst so ernste Anlässe, wie es Leichenbegängnisse und Trauerfeiern sind, von der Sozialdemokratie zu parteipolitischen Demonstrationen mißbraucht werden. (Lebhafter Beifall. Zurufe und Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Hierauf wird ein Schlußantrag gegen die Stimmen der Linken angenommen und der Etat des Ministeriums des Innern bewilligt.

Damit ist der Staatshaushaltsetat erledig

Das Etatsgesetz und das Anleihegesetz werden ohne Debatte genehmigt. Bei der Gesamtabstimmung wird der Etat im ganzen gegen die Stimmen der Sozialdemokraten bewilligt.

Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 12 Uhr. (Kleine Vorlagen, Gesetz über die Besitzfestigung.)

Handel und Gewerbe.

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Postscheckverkehr Ende April 1912 auf 66 671 gestiegen. (Zu⸗ gang im Monat April allein 930.) Auf diesen Postscheckkonten wurden im April gebucht 1279 Millionen Mark Gut⸗ schriften und 1247 Millionen Mark Lastschriften. Das Gesamt⸗ guthaben der Kontoinhaber betrug im pril durchschnittlich 147 Millionen Mark. Im Verkehr der Reichspostscheckämter mit dem Postsparkassenamt in Wien, der Postsparkasse in Budapest, der luxemburgischen, der belgischen Posiverwaltung und den schweizerischen Postscheckbureaus wurden 6,4 Millionen Mark umgesetzt und zwar auf 2600 Uebertragungen in der Richtung nach u

tragungen in der Richtung aus dem Auslande.

Galizien.

Konkurs ist eröffnet über das Vermögen des nicht protokollierten Konfektionärs Lazar Steinberg in Tarnopol mittels Beschlusses des K. K. Kreisgerichts, Abteilung IV, in Tarnopol vom 30. April 1912 Nr. S. 10/12. Provisorischer Konkursmasseverwalter: Advokat Dr. Jakob Horowitz in Tarnopol. Wahltagfahrt (Termin zur Wahl des definitiven Konkursmasseverwalters) 14. Mai 1912, Nachmittags 4 Uhr. Die Forderungen sind bis zum 28. Juni 1912 bei dem genannten Gerichte anzumelden; in der Anmeldung ist ein in Tarnopol wohnhafter Zustellungsbevollmächtigter namhaft zu machen. Liquidierungstagfahrt (Termin zur Feststellung der Ansprüche) 2. Juli 1912, Nachmittags 4 Uhr.

Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts Nam 7. Mai 1912: Ruhrrevier Oberschlesisches Revier 8 Anzahl der Wagen 8 Gestellt 28 086 9 894

Nicht gestelt.

In der gestrigen außerordentlichen Generalversammlung der Hannoverschen Gummiwerke Excelsior A.⸗G. (vorm. Hannoversche Gummikamm Compagnie A.⸗G.) wurde laut Meldung des „W. T. B.“ beschlossen, das Kapital um Nom. 500 000 ℳ, also auf 2 500 000 zu erhöhen. Die neuen Aktien sollen zur Hälfte für das Jahr 1912 dividendenberechtigt sein und den alten Aktionären im Verhältnis von 4 zu 1 zum Kurse von 265 zum Bezuge an⸗ geboten werden.

Der Aufsichtsrat der Deutschen Afrika⸗Bank hat, laut Meldung des „W. T. B.“, beschlossen, der zum 29. Mai einzu⸗ berufenden Generalversammlung die Verteilung einer 80 % igen Dividende für 1911 vorzuschlagen.

Nach den Ermittelungen des Vereins Deutscher Eisen⸗ und Stahlindustrieller betrug laut Meldung des „W. T. B.“ aus Berlin die Roheisenerzeugung in Deutschland und Luxemburg während des Monats April 1912 insgesamt 1 427 559 t gegen 1 424 076 t im März 1912 und 1 285 396 t im April 1911. Die Erzeugung verteilte sich auf die einzelnen Sorten wie folgi, wobei in Klammern die Er⸗ zeugung für 1911 angegeben worden ist: Gießereiroheisen 270 145 (254 065) t, Bessemerroheisen 37 129 (30 405) t, Thomasroheisen 919 587 (809 642) t, Stahl⸗ und Spiegeleisen 155 580 (145 618) t, Puddelroheisen 45 118 (45 666) t. Die Erzeugung während der Monate Januar bis 30. April 1912 stellte sich auf 5 542 510 t gegen 5 107 387 t in dem gleichen Zeitabschnitt des Vorjahres.

Laut Meldung des „W. T. B⸗ betrugen die Einnahmen der Avatolischen Eisenbahnen betrugen vom 16. his 22. April 1912: 258 795 Fr. (+ 8444 Jr) seit 1. Januar 1912: 3 903 224 Fr. (+ 564 514 Fr.). Die Einnahmen der Macedonischen Eisen⸗ bahn N betrugen vom 16. bis 22. April 1912: Stammlinie 888 km) 8 6,738 25 171 Fr.), seit 1. Januar

12: 934 834 Fr. (mehr 40 72 r.). 3 . 8 London, 7. Pla (W. T. B.) Nach dem Ausweis hat der englische Handel im Monat April in der infuhr eine Zunahme von 8 564 127 Pfund Sterling und in der Ausfuhr eine Abnahme von 2 805 329 Pfund Sterling gegen das Vorjahr erfahren.

New York, 7. Mai. (W. X. B.) Der Wert der in der

trug, das Leichenbegängnis dadurch zu einem ungewöhnlichen, mithin

auf einem Versehen. Von Herrn Abg. Korfanty habe

anmeldepflichtigen, gemacht habe. 8

vergangenen Woche ausgeführten Waren betrug 17 130 000 Dollars gegen 15 440 000 Dollars in der Vorwoche.

Daß dadurch diesem Leichenbegängnis der Charakter eines politisch 18

Im Reichspostgebiet ist die Zahl der Kontoinhaber im

zuc⸗tln. —n——