1912 / 118 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 May 1912 18:00:01 GMT) scan diff

41) durch insizierten Honig, namentlich durch Stampfbonig und durch Gegenstände, die damit in Berührung gekommen sind (leere Honigfässer und Gefäße, Verpackungsmaterial und

ddeergleichen);

5) durch verseuchte Bienenwohnungen; 3

6) durch Imkergeräte, z. B. Futtergefäße, Honigschleuder, Wabenmesser.

EFndlich liegt noch die Möglichkeit vor, daß die Faulbrut durch Persenen, an deren Händen der Infektionsstoff haftet, verschleppt wird. Die Wahrscheinlichkeit einer derartigen Uebertragung ist aber erfahrungsgemäß sehr gering. Niicht festgestellt ist bis jetzt, daß die Seuche verbreitet wird urch nackte (brut⸗ und futterfreie) Bienenvölker, durch Schwärme der Feglinge, durch Bienenköniginnen, durch pollen⸗ und brutfreie Honigwaben mit verdeckelten Zellen, durch Wachs, durch KHunst⸗ waben, durch die Luft und durch die Begegnung der Bienen im Fluge der auf Blüten. Als Anlässe zur Verbreitung der Faulbrut sind zu nennen:

1) der Handelsverkehr mit Bienen und deren Erzeugnissen, namentlich der Ankauf von Muttervölkern, von Wabenbau und von Futterhonig; 1

2) die Aufnahme geschenkter Bienenvölker, Bienenwohnungen

5 und Waben 5* den Stand; 3.,) das Halten kranker Völker auf dem Stande;

4) die Hantierungen beim Mobilbaubetriebe, besonders das Auswechseln und von Waben bei der Verstärkung der Völker und das Vertauschen der Waben bei der Honigernte; 1

5) das Stehenlassen von verseuchten Bienenwohnungen (der Wohnungen an der Seuche ö.“ Völker oder der von den Bienen verlassenen Stöcke), von Wabenbauten

nd Honiggefäßen an Orten, die den Bienen zugänglich sind; 6) das Verfüttern von Honig (besonders von Stampfhonig) aus kranken Bienenvölkern; 7) die Wiederbenutzung nicht oder schlecht desinfizierter Wohnungen kranker Völker und der alten Waben, ins⸗ besondere auch der Pollenwaben; 8) das Verleihen von Bienengeräten, z. B. der Honigschleuder, und die Benutzung fremder Geräte, z. B. der Futtergefäße; 9) das Wandern mit Bienenvölkern, die Ueberführung aus trachtarmen Gegenden in trachtreiche; b das Abhalten von Ausstellungen mit lebenden Bienen an Orten und Bezirken, wo die Faulbrut herrscht. Für die gesetzliche Regelung der Faulbrutbekämpfung ergeben sich

hieraus folgende Gesichtspunkte:

I. Zum Schutze gegen die Einschleppung der Faul⸗ brut aus dem Aus land muß, um der Hauptgefahr wirksam zu begegnen, »ʒdie Einfuhr von Bienenvölkern mit Bau und Brut 1 und von Wabenwerk mit Brut grundsätzlich verboten werden. Ausnahmen können gegenüber Ländern, wo die Bekämpfung der Faulbrut gesetzlich geregelt ist, zugelassen werden unter Sicherheits⸗ 8 regeln, welche die Verhütung der Seucheneinschleppung gewähr⸗ eisten. Die Einfuhr von nackten Völkern (Bienenvölkern ohne Waben⸗ bauten, Schwärmen und Feglingen), von Bienenköniginnen, brutfreiem Wabenwerk, von gebrauchten Bienenwohnungen und Stampfhonig dauernd zu verbieten, ist aus bienenwirtschaftlichen Gründen nicht an⸗ gängig, aber auch zur Abwehr der Süche aus dem Ausland nicht unbedingt notwendig. Hier genügt die Beschränkung, daß die Einfuhr nur zugelassen wird, wenn der Ursprung, bei Bienenwohnungen auch der letzte Standort, nachgewiesen ist. Nur gegenüber Ländern, wo die Faulbrut herrscht, wird ein Einfuhrverbot oder die schärfere Be⸗ schränkung berechtigt sein, daß die Einfuhr von einer amtlichen Be⸗ scheinigung abhängig gemacht wird, nach der der Ort oder der Stand,

woher die Bienen, die Bienenerzeugnisse oder die Bienenwohnungen

stammen, seuchenfrei ist. Weitere Maßregeln sind zum Zwecke des Seuchenschutzes nicht

notwendig. Insbesondere kann von dem Verbot oder von der Be⸗ schränkung der Einfuhr von Speise⸗ und Backhonig abgesehen werden. Es liegt hbier in der Macht des Bienenzüchters, die Gefahr zu ver⸗ meiden. Er muß nur die Vorsichtsmaßregeln befolgen, Honig aus fremden Stöcken nicht zur Fütterung seiner Bienen zu benutzen.

II. Die Bekämpfung der Faulbrut im In land muß ihre S in der sorgfältigen Ermittlung des Seuchenstandes finden. Hierzu bedarf es in erster Linie der gesetzlichen Festlegung der An⸗ zeigepflicht in Fällen des Seuchenausbruchs. Die Bestimmungen hierüber finden ihr Vorbild in den entsprechenden Vorschriften des Rieiichsviehseuchengesetzes.

Der Anzeige muß die umfassende und sorgfältige Ermittlung des Umefeangs und des Ursprungs der Verseuchung folgen.

Diese Ermittlung kann ebenso wie die technische Leitung des anschließenden Bekämpfungverfahrens nur Sachverständigen anver⸗ traut werden.

b Die Voraussetzung für eine geregelte Durchführung des Be⸗ kämpfungsverfahrens ist dee halb, daß Sachverständige in genügender Zahl zur Verfügung stehen. Infolge der Sonderstellung, die die Faulbrut unter den Tier⸗ seuchen einnimmt, können die für die Tierseuchen berufenen Sachver⸗ ständigen, die Tierärzte, nicht ohne weiteres als Sachverständige für die Faulbrut gelten. Bei den eigenartigen Verhältnissen der Bienen⸗ wirtschaft werden zudem die Sachverständigen den Anforderungen nur dann entsprechen können, wenn sie Erfahrungen im bienenwirtschaft⸗ lichen Betriebe haben. Man wird daber für die Bekämpfung der Faulbrut besondere Sachverständige heranzuziehen haben. Um ihnen eine einheitliche Aus⸗ bildung zu ermöglichen, werden seit Anfang 1911 in der Biologischen Anstalt 14 tägige gebübrenfreie bakteriologische Lehrkurse über Bienen⸗ krankheiten und ihre Bekämpfung abgehalten, die zunächst bestimmt sind für imkerisch vorgebildete Naturwissenschaftler (Tierärzte, Mediziner, Nahrungsmittelchemiker, Oberlehrer usw.), welche das b eeegh tah zu handhaben verstehen und die bakteriologischen Methoden kennen. Auf die Anzeige eines Seuchenausbruchs oder des Verdachts des Ausbruchs hat der Sachverständige zunächst an Ort und Stelle fest⸗ zustellen, ob der Befund bei den Bienenvölkern die Anzeige rechtfertigt. Er hat weiter nachzuforschen, auf welchem Wege die Seuche ein⸗ geschleppt worden ist (Ursprung der Seuche), wobei ihn der Bienen⸗ Bes oder sein Vertreter und nötigenfalls die örtlichen Polizel⸗ behörden unterstützen müssen. enn der Verdacht besteht, daß benachbarte Bienenstände die Infektionsquellen sind, so wird der Sachverständige eine Kontrolle dieser Bienenstände vornehmen müssen. 3

Eine der wichtigsten Aufgaben für die wirksame Feinxp der

übeesis ist dabei die Ermittlung verborgener und verheimllichter euchenherde.

Schon der Verdacht des Seuchenausbruchs erfordert, daß Vor⸗

sichtsmaßregeln gegen die Verbreitung der Seuche ergriffen werden.

Ist aber der Ausbruch der Seuche endgültig festgestellt, so hat alsbald

das Bekämpfungsverfahren einzusetzen.

Während der Dauer der Seuchengefahr sind von dem Bienen⸗ besitzer oder seinem Stellvertreter bestimmte Maßregeln zu beobachten. Sie werden unverzüglich Vorkehrungen zu treffen haben, die eine Verschleppung der Faulbrut durch die Bienen Uabereh verhüten. it Rücksicht auf die BEEEöö ist die Verlegung des Bienenstandes, die Entfernung der Bienenvölker vom Stande, die Weß abe von Muttervölkern, von nackten Völkern (Schwärmen,

u- und von Bienenköniginnen, das Wandern mit Bienen⸗ völkern zu verbieten. Die Aufnahme von Königinnen für vesense Völker ds dagegen zu gestatten. Ferner ist zu verbieten die Weggabe von Waben, Stampf. oder Futterhonig, gebrauchten Bienenwohnungen und ebrauchten Geräten (Honigschleuder, Futtergefäße); die Abgabe von Epeisehonig, sefemn er nicht sichtlich kranken Völkern entnommen ist, wird nicht zu beanstanden sein

8

Unzuläsfsig ist es een an Orten oder Bezirken, die von der Faulbrut heizagesucht sind, während der Dauer der Seuchengefahr bienenwirtschaftliche Ausstellungen, d. h. Ausstellungen von lebenden Bienenvölkern, abzuhalten.

ur Tilgung der Faulbrut ist es von größter Bedeutung, daß das Hauptgewicht darauf gelegt wird, alle Wabenbauten der kranken und krankheitsverdächtigen Völker zu beseitigen, d. h. den gesamten Wabenbau, also das ganze Wabenwerk mit Brut, Pollen⸗ und Honig⸗ vorräten, einschneslich der außerhalb der Stöcke aufbewahrten ver⸗

dächtigen Waben. 24 Stunden unschädlich zu beseitigen, am zweckmäßigsten durch Ver⸗

brennen zu vernichten. der Faulbrut auf dem Bienenstande

Der vor der Feststellun . t ewonnene Stampf⸗ oder Futterhonig und der zum Füttern der

ienen benutzte Honig fremder Herkunft ist gleichfalls zu beseitigen.

Von der Tötung der kranken und verd chtigen Bienenvölker, einer zur wirksamen Bekämpfung der Faulbrut bisher unbedingt not⸗ wendig erachteten Maßregel, kann in besonderen Fällen Abstand ge⸗ nommen werden. Die von den Wabenbauten abgefegten oder ab⸗ getrommelten Bienen sind dann wie nackte Völker zu behandeln; sie werden auf Mittelwände oder besser auf Anfänge davon in desinfizierte alte oder in neue Bienenwohnungen übergesetzt und so erhalten.

Die Tötung der Bienen wird jedoch steis anzuordnen sein, wenn es sich darum handelt, schnell und tatkräftig vorzugehen, zumal an Orten, wo bisher die Faulbrut unbekannt war, außerdem wenn die Völker stark verseucht sind oder die Bienenwirtschaft nicht imkerrecht geleitet wird oder die Erhaltung der Bienen sich wegen der Volks⸗ schwäche des Stockes nicht lohnt oder wegen der vorgerückten Jahres⸗ zeit nicht durchführen läßt.

Wenn der Sachverständige auf Grund seiner Untersuchungen zu der Ueberzeugung kommt, daß der Bienenstand stark verseucht und deshalb der Ausbruch der Faulbrut auch bei den anscheinend noch

esund befundenen Bienenvölkern zu erwarten ist, so wird zur

schnellen und sicheren Tilgung der Seuche anzuordnen sein, daß die kranken und die krankheitsverdächtigen Völker getötet, die ansteckungs⸗ verdächtigen Völker (also alle anderen Völker des Standes) aber dem Sanierungsverfahren unterzogen werden.

Das Sanierungsverfahren ist, sofern es sorgfältig E wird, stets von Erfolg. Es hat sich in zahlreichen Fällen bewährt und wird auch in Ländern angewandt, wo gesetzliche Verordnungen zur Bekämpfung der Faulbrut bereits bestehen (Dänemark, Schweiz, Nordamerika).

Durch eine verständige Anwendung des Santerungsverfahrens läßt sich die Seuchengefahr vermindern oder sogar vollständig besei⸗ tigen. Das Verfahren ist deshalb auch immer am Platze, wenn es darauf ankommt, einen Bienenstand 1 seuchenfrei zu machen.

Welche dieser Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche zu er⸗ greifen sind, richtet sich nach der Lage des einzelnen Falles. Das Gesetz kann nur den Rahmen aufstellen, während die Bestimmung den örtlich zuständigen Behörden nach dem Gutachten der Sachverständigen überlassen werden muß. 3 r 8.

In unmittelbarem Anschluß an die genannten Maßnahmen ist die Desinfektion des Bienenstandes, der Bienenwohnungen und Bienen⸗ geräte vorzunehmen. Sie kann mit verhältnismäßig einfachen Mitteln und ohne Schädigung der Gegenstände durchgeführt werden (vgl. hierzu die Vorschriften zur Desinfettion in Heft 7 der Mitteilungen aus der Kaiserlichen Biologischen Anstalt 1909, 2. Auflage S. 26 bis 29).

Wird im gemeinsamen Interesse der Bienenzüchter die Faulbrut⸗ bekämpfung nach diesen, dem vorstehenden Gesetzentwurfe zugrunde liegenden Gesichtspunkten geregelt, so erscheint es billig, den von den Bekämpfungsmaßnahmen im einzelnen Falle schuldlos Betroffenen für seine Verluste angemessen zu entschädigen. Die Aussicht auf Ent. schädigung würde außerdem der Neigung zur Verheimlichung von Seuchenausbrüchen entgegenwirken und so die Bekämpfung der Seuche kräftig fördern. Die Entschädigung wird sich auf Verluste an Bienen und Wabenbau erstrecken müssen, aber zweckmäßig auf einen Teilbetrag beschränkt werden.

Die Deckung der Kosten einheitlich zu regeln, besteht kein Be⸗ dürfnis; die Regelung wird daher den Einzelstaaten überlassen bleiben können. Würde die Aufbringung der Entschädigungen im Wege der Zwangsversicherung den Imkern auferlegt, so würde ein Beitrag von 5 jährlich für jedes Muttervolk hierzu voraussichtlich genügen.

Deutscher Reichstag. Sitzung vom 15. Mai 1912, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Fest⸗ stellung des Reichshaushaltsetats für das Rechnungs⸗ jahr 1912, und zwar des „Etats für die Verwaltung der

Kaiserlichen Marine“. 1

Abg. Dr. Struve (fortschr. Volksp.) fortfahrend: Wir, die wir in der Oeffentlichkeit so herabgesetzt sind, müssen hier vortragen, was in der Marine geändert werden muß. Dankbar ist anzuerkennen, daß der Staatssekretär neue Stellen in den Etat eingestellt hat. Aber es muß noch viel mehr geschehen. Es ist merkwürdig, daß von allen Marinen die deutsche in bezug auf die Ingenieure am schlechtesten dasteht. Die Hälfte unserer In⸗ genieure bekleidet den untersten Offiziersrang. In England, Frank⸗ reich, Italien, Japan und Rußland ist das Verhältnis der Ingenieur⸗ offiziere zu den Seeoffizieren ein viel günstigeres. Dabei wird der Schiffsmechanismus immer komplizierter. Es müßten neue höhere Chargen aufgestellt werden. Daneben muß festgestellt werden, daß die Ingenieure nicht neben den Seeoffizieren stehen; ein Gegen⸗ seitigkeitsverhältnis existiert nicht. Es ist auch nicht richtig, daß der Ingenieur dem Konstrukteur nicht mehr gewachsen ist. Der Ingenieur ist nun einmal zum vollwertigen Offizier gemacht worden. Diesem Willen des Allerhöchsten Kriegsherrn sollte die Marineverwaltung auch nachkommen. Unsere Ingenieure gehen viel zu früh ab, und in den nächsten Jahren wird ein großer Ingenieurmangel eintreten. Schon jetzt sind in ihre Stellen Obermaschinisten eingerückt. Das kann zu unangenehmen dienstlichen Komplikationen führen. Außer⸗ dem haben wir keine Reserveingenieure. Die Ingenieure sollen in bezug auf das Ehrengerichtsverfahren den Aerzten gleichgestellt werden. Diese Zusage des Staatssekretärs wäre ein Fortschritt. Die Aus⸗ bildung der Ingenieure auf dem Schiff ist noch vervollkommnet und die Ingenieurschule von der Deckoffizierschule getrennt worden. Er⸗ wünscht wäre es, wenn der Staatssekretär die dienstliche und gesell⸗ schaftliche Gleichstellung der Ingenieuroffiziere mit den Seeoffizieren auch hier im Plenum bestätigte. In ver Prahi liegen die Verhält⸗ nisse leider anders. Der Seeoffizier ist jedenfalls in die Schwierig⸗ keiten der Schiffstechnik nicht c weit eingeweiht, wie der Ingenieur⸗ offizier. Der Staatssekretär sollte diese ganze Ingenieurfrage wohl⸗ wollend prüfen. Bezüglich der Deckoffiziere hat der Staatssekretär einige Zu efkinvnisse emacht, die erfreulich sind. Der Deckoffizier muß zedenfalls bessere Anstellungsaussichten erhalten. Die Kommission hat ja auch eine Resolution angenommen, welche die Hebung der Pesialen und wirtschaftlichen Stellung der Deckofftziere enthielt. Zu edauern ist, daß die Kommission 10 000 beim Bildungswesen ab⸗ gestrichen hat. Zu billigen ist, daß die Kommission in bezug auf die Werften eine Resolution vorgeschlagen hat, wonach bei den Wahlen der Betriebskasse und zu den Arbeiterausschüssen die Verhältniswahl eingeführt wird. Was die Dienstzeit auf den Werften betrifft, so müßte die alte, durchgehende Arbeitszeit wieder eingeführt werden. In Orten wie Wilhelmshaven und Kiel haben die Arbeiter zur Mittags⸗ Feit sehr weite Wege F ulegen. Auch die Löhne Ersezeinen viel⸗ ach zu gering. Den Technikern und Bauräten müßte mehr Freiheit zur Bearbeitung der ihnen überwiesenen Materialien eingeräumt werden. Wir haben der Flottenvorlage is 8” 8

as Wabenwerk ist womöglich sofort, spätestens aber innerhalb

die Häfen der eseeee zur möglichsten Vollkommenheit aus⸗ bauen. Unsere Unterseeboote arbeiten mit einer Exaktheit, über die

man sich nur freuen kann.

Staatssekretär des von Tirpitz:

Meine Herren! Auf die Anregung des Herrn Abg. Vogtherr, die Fischer zu berücksichtigen, namentlich in der Nordsee, kann ich erwidern, daß, wie mir mitgeteilt ist, bereits von der zuständigen Dienststelle verfügt worden ist, daß von diesem Frühjahr ab die täg⸗ lichen Absperrungen während der Schießübungen von Cuxhaven auf die beiden letzten Ebbe⸗ und die beiden ersten Flut⸗ stunden gelegt werden sollen, sodaß also die Fischer in den übrigen Flutstunden die Gelegenheit haben, durch die Schießzone hindurch zu kommen. Damit wird eine wesentliche Erleichterung für die Fischer geschaffen sein.

Was die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Struve betrifft, so möchte ich meinen Dank dafür aussprechen, daß er die Arbeit der Marine anerkennt. Ich kann meinerseits nur bestätigen, daß in der Marine mit aller Hingebung gearbeitet wird. Diese große Arbeit, die teilweise zu große Arbeitsleistung des höheren Personals und der Chargen, wird meines Erachtens auf die Dauer am besten durch die Novelle gemildert, die die Herren gestern genehmigt haben. Die Errichtung des dritten Geschwaders ist der einzige Weg dafür. Im übrigen müssen und werden wir uns natürlich weiter bestreben, den Ausbildungsstand der Flotte auf größter Höhe zu halten.

Der Herr Abg. Struve hat auf einige Unstimmigkeiten in Kapitel 45 Titel 5 hingewiesen. Da möchte ich nur sagen, daß be⸗ züglich der Zulagen für höhere und mittlere Beamte die Aenderung auf Veranlassung des Reichsschatzamts stattgefunden hat, um eine Gleichmäßigkeit sämtlicher Reichsressorts mit den preußischen Ressorts herbeizuführen.

Ueber die Ingenieurfrage haben wir uns ja schon früher ein⸗ gehend unterhalten. Ich möchte noch einmal konstatieren, daß ich vom Anbeginn meiner Karriere an mit dem größten Wohlwollen für dieses ausgezeichnete Personal unserer Marine erfüllt gewesen bin. Ich habe aus meiner eigenen persönlichen Initiative die jetzige Um⸗ organisation der Marineingenieure eingeführt; früher rekrutierten sich diese aus dem Unteroffizierstand, während der Ersatz jetzt eine höhere Ausbildung hat und in höhere Stellen gelangt. Ich habe das getan gegen manche Bedenken, die gegen eine solche Organisationsänderung wohl vorliegen konnten. In der Novelle ist nicht nur eine beträchtliche Vermehrung der Ingenieure vorgesehen, sondern es ist auch, im Jahre 1912 anfangend, eine Umwandlung von 34 Ingenieurstellen niederer Rangklasse in solche höherer Rangklasse, der Rangklasse der Stabsoffiziere, vorgesehen. Dazu habe ich manche Widerstände überwinden müssen. Weiter hobe ich aus eigener Initiative und gegen starke Bedenken des Reichsschatzamts eine Seefahrtszulage für die Ingenieure eingeführt, welche kein Seeoffizier bezieht.

Was den Punkt anbetrifft, den der Herr Abg. Struve auch be⸗ rührt hat, daß ich erwähnt habe, daß die Ingenieure vielfach nicht einverstanden sind mit der Art und Weise, wie ihre Interessen von dem Herrn Abg. Struve teilweise vertreten worden sind, so liegt die Sache so, daß die Ingenieure mich selbst gebeten haben, dies zum Ausdruck zu bringen, und zwar sowohl die Ingenieure der Nordsee⸗ station, wie die der Ostseestation. Mir ist diese Sache von den Stationschefs mit der Bemerkung zugegangen, daß es für mich ja von Interesse sein werde, einen Einblick in die Auffassungsweise der Ingenieure zu bekommen. Ich möchte dazu sagen, daß es doch eine Freude für mich gewesen ist das werden die Herren mir nicht ver⸗ denken können daß das aktive Ingenieurkorps in seiner Gesamtheit sich an mich gewendet hat; denn ich sehe daraus, daß unser Ingenieur⸗ korps zu mir Vertrauen hat. Selbstverständlich hat der Herr Abg. Dr. Struve seine Auffassung bona fide ausgesprochen, aber ich möchte doch meinen nach ausdrücklicher Angabe der Ingenieure meinen —, daß er seine Nachrichten zumeist von pensionierten Herren hat, und daß er sich ein Bild von der Situation gemacht hat, welches den wirklichen Auffassungen der Ingenieure nicht ganz ent⸗ spricht. So stelle ich mir die Sache vor. Ich habe in der Budget⸗ kommission und auch früher im Plenum schon ausgeführt, daß unsere Organisation, und daß das Personal, welches diese Organisation füllt, nach der Ueberzeugung der gesamten Marine ausgezeichnet funktioniert (hört, hört! im Zentrum), und daß jede Marine beneidet werden kann, wenn sie eine solche Sicherheit bezüglich des Funktionierens einer Marine hat, wie wr. Es liegt deshalb auf der Hand, daß wir an Aenderungen unserer Organisation mit einer gewissen Vorsicht herangehen, besonders ich, der ich eine sehr große Erfahrung Sie werden mir das nicht als Eitelkeit auslegen in bezug auf organisatorische Fragen infolge meines Entwicklungsganges habe. Ich glaube, das ist nur richtig, und das hohe Haus wird mir in bezug auf dieses Vorgehen wohl im großen und ganzen zustimmen. Man muß auch berücksichtigen, daß es sich hier um Betriebsingenieure handelt, daß vor allem das praktische Funktionieren der Maschinen im Vorder⸗ grunde steht, und daß deshalb eine große Gefahr darin liegt, wenn man die Herren, die die große Verantwortlichkeit, wie das auch Herr Dr. Struve ausgeführt hat, in dieser Beziehung haben, zu sehr mit Theorie bepackt und womöglich ihr Examen darauf zuschneidet. Dann bleibt eben einfach nicht mehr die Zeit, in der Praxis das zu leisten, was geleistet werden muß. Ich glaube, andere Marinen, die von diesem Prinzip abgegangen sind, haben keine guten Erfahrungen damit gemacht.

Ferner muß ich sagen, daß für die Grenze des Avancements lediglich das Bedürfnis maßgebend ist, daß man nicht einfach über das Bedürfnis hinausgehen kann. Tritt ein Bedürfnis in der Weise ein, wie der Herr Abg. Struve dies vorhin ausgeführt hat, so würde ich der erste sein, der diesem Bedürfnis nachkommt.

Was die soldatische Ausbildung anbetrifft ich weiß nicht, ob ich da den Herrn Abg. Struve richtig verstanden habe, ich verstehe darunter die Ausbildung mit der Handwaffe —, so bin ich allerdings nicht der Ansicht, daß man diese Ausbildung den Ingenieuren in die Hand geben soll (sehr richtig!), einmal, weil sie durch den Drill mit der Waffe von dem abgezogen werden würden, was das Wichtigste für den Ingenieurberuf ist, und zweitens, weil die Heizermannschaften in den Landungskorps, wie wir sie bei allen Schiffen haben, wenn sie an Land gebracht werden, von Seeoffizieren kommandiert

Reichsmarineamts, Großadmiral

werden. Wir haben das bei der Seymour⸗Expedition und einer Reihe von kolonialen Expeditionen gehabt. 1

Was den zu frühen Abgang der Ingenieure betrifft, so müssen die Herren berücksichtigen, daß es sich bei der bisheri gen Ab

gungezohl lediglich um diejenigen Ingenieure handelt, die noch nach den früheren Verhältnissen eingetreten und ausgebildet worden sind. Diese Herren konnten erst mit dem 15. Jahre die Ingenieurscharge ereichen und waren dann natürlich sehr viel ungünstiger daran als jett, wo sie schon im 8. Jahre Ingenieure werden. Man wird also übwarten müssen, bis Erfahrungen für den Abgang derjenigen Ingenieure vorliegen, die nach dem neuen System eingetreten sind⸗ Die Verringerung des Abgangs war auch ein Motiv und ich komme damit doch den Wünschen des Herrn Abg. Struve entgegen —, weshalb ich mich seinerzeit entschlossen habe, die Neuorganisation ein⸗ uführen.

Meine Herren, was die Strafgewalt für die Ingenieure mnlangt, die der Herr Abg. Struve befürwortet, so ist darüber auch des längeren in der Budgetkommission gesprochen worden. Ich habe ausgeführt ich will es nur kurz andeuten —, daß an Bord wirk⸗ lihe Strafgewalt eigentlich nur der Kommandant hat und daß selbst der erste Offizier, der auf den großen Schiffen ein Fregattenkapitän it, nur die Strafgewalt eines Kompagniechefs hat, und zwar im all⸗ gemeinen für Unordnung im Schiffsbetrieb. Die eigentliche Straf⸗ gewalt ist auf eine Person konzentriert, weil man in einem so ge⸗ schlossenen Organismus, wie ihn ein Schiff darstellt, nicht verschiedene individuelle Auffassungen in der Beziehung haben wollte. Das ist auch der Grund, weshalb wir den höheren Seeoffizieren an Bord, den Kapitänleutnants und den Stabsoffizieren, die außer dem ersten Offizier an Bord sind, keine Strafgewalt geben. Wenn wir denen Strafgewalt geben würden, dann würde ja eine Konsequenz davon sein, daß der älteste Ingenieur tbenfalls Strafgewalt bekäme. Wir haben aber die Absicht nicht.

Meine Herren, bezüglich der gesellschaftlichen Stellung des Ingenieurs gibt es keine Bestimmung, und es sind auch Vor⸗ schiften in der Beziehung nicht erlassen. Wenn nach der Richtung hin noch manche Wünsche vorhanden sind und auch zugegeben werden kann, daß in der Beziehung noch manche Unstimmigkeiten beseitigt werden möchten, so liegt dies daran, daß bei einer solchen Um⸗ organisation, wie wir sie beim Ingenieurkorps erlebt haben, wo von den jetzt vorhandenen Ingenieuren ich glaube, es sind etwa 470 nur ungefähr 30 40 nach der neuen Methode cingestellt sind, während die übergroße Zahl sich noch aus dem Unteroffizierstand rekrutiert hat, diese Verhältnisse natürlich eine gewisse Zeit brauchen, ehe sie sich ein⸗ renken. Wenn man da gewaltsam eingreifen würde, würde man meiner Ueberzeugung nach nur schaden. (Sehr richtig! rechts.) Man muß diese Verhältnisse der natürlichen Entwicklung überlassen.

Dann, meine Herren, hat der Herr Abg. Dr. Struve mir

empfohlen, daß wir der Ausbild ung der Ingenieure und der Ingenieuraspiranten die größte Sorgfalt zuwenden möchten. Ich kann

ihm in dieser Beziehung nur zustimmen. (Bravo! links.) Wir haben selbst das dringendste Interesse, daß die Neuorganisation, die inmerhin die praktische Ausbildung etwas beeinträchtigt hat, gut funktioniert; denn zurückkonstruieren können wir nicht mehr. Wir haben ilso das brennendste Interesse daran, daß die Ausbildung dieses Personals in bester Weise vor sich geht. Ich möchte dabei bemerken ich Hlaube, das wußte der Herr Abg. Dr. Struve nicht —, daß wir auf den Schiffen besondere Ingenieursaspiranten extra über den Etat kommandiert haben, welche die Ausbildung der Anwärter in der Hand haben, daß also ganz besondere Personen dafür bestimmt werden. Wir können die Ingenieursaspiranten nicht auf Schulschiffen, wie ja wohl auch einmal angeregt worden ist, ausbilden; denn erstens müßten vir zwei Schulschiffe mehr in Dienst stellen mit Offizieren, Mann⸗ shaften usw,, also erheblich mehr Geldaufwendungen machen, denn sie Kadettenschulschiffe und Schiffsjungenschulschiffe sind überfüllt; vir müßten also mehr Schiffe im Dienst halten. Aber, neine Herren, wir würden nicht neue Schiffe dazu nehmen kinnen, sondern müßten veraltete Schiffe nehmen. Es kommt uns über in hohem Maße darauf an, daß gerade das Ingenieuranwärter⸗ dersonal in bezug auf die Details der Technik nicht auf alten Schiffen aus⸗ sebildet wird, an alten Einrichtungen und Maschinen, die sonst nicht nehr vorkommen, mit Kesseln, die in der Marine sonst nicht mehr nistieren, sondern daß seine Ausbildung gleich an dem Material statt⸗ indet, mit dem das Personal nachher zu arbeiten hat. Deshalb ist diser Vorschlag nicht durchführbar, und wir müssen die Ausbildung so vornehmen, wie wir es angeordnet haben.

Was die höhere Ausbildung der Ingenieure anbetrifft, so nöchte ich bemerken, daß von den Ingenieuren doch 3 % auf die bochschule geschickt werden, während wir von den Seeoffizieren nur 2 % auf die Marineakademie und die militärtechnische Hochschule scicken können. Im übrigen verbietet sich eine stärkere Beschickung der Hochschulen von selbst in einem Stadium, in dem die Marine in der rapidesten Entwicklung ist. Das liegt in der Natur der Verhältnisse.

Ich möchte mich noch kurz über die Deckoffiziere auslassen, vir haben ja darüber in der Budgetkommission eingehend gesprochen Ich möchte nur berichtigen, daß ich nicht gesagt habe, oder wenigstens icht habe sagen wollen, daß die Deckoffiziere Vorgesetzte aller Unteroffiziere sind, sondern sie sind nur Vorgesetzte der Unteroffiziere lhtes Dienstbereichs. Es steht das allerdings in dem Protokoll, aber in dem unberichtigten Protokoll. (Heiterkeit links.) Ich habe natürlich nur meinen können, daß die Deckoffiziere und Oberdeckoffiziere Vorgesetzte sind der Unteroffiziere ihres Dienstbereichs; denn zu Vor⸗ gesetten der Unteroffiztere auch anderer Dienstbereiche können wir sie ücht machen, weil der Altersunterschied der Unteroffiziere in den ver⸗ siedenen Branchen zu groß ist. Es werden die Maschinisten nach ttvas mehr wie zehnjähriger Dienstzeit Deckoffiziere, die Bootsmanns⸗ maate erst nach 19 Jahren. Also das würde nicht funktionieren. Die Vorgesetzteneigenschaft liegt innerhalb des Dienstbereichs, und das ist euch ganz gut so.

Meine Herren, ich habe bereits in der Budgetkommission aus⸗ gefährt, daß wir das Verhältnis der etatsmäßigen Beamten euf den Werften zu den im Privatdienstvertrag angestellten zugunsten er etatsmäßigen zu verbessern uns bemühen werden. (Bravo! links.) Schließlich möchte ich noch meinen Dank dafür aussprechen, daß der v Abg. Struve unseren Unterseebooten ein gutes Zeugnis ausge⸗ ellt hat. Ich habe bedauert, daß es in letzter Zeit vorgekommen 8 daß in unserer Presse unser Unterseebootswesen, sowohl Fahrzeuge Mannschaften, einer nicht zutreffenden und ungerechten Kritik mterzogen sind. Ich habe das Nähere, da wir nichts zu scheuen *₰ in der Budgetkommission eingehend erörtert und möchte im 8 nicht näher darauf eingehen. Ich freue mich aber, daß der * Abg. Struve unser Unterseebootswesen rückhaltlos anerkannt der (Bravo! rechts.)

Abg. Erzberger (Zentr. ch te nur einige Kleinig⸗ keiten zur Sprache bringen. Daß wir mit zu Prser Geschwindigken den Etat behandeln, kann ich nicht zugeben. Es ist 818 richtig, daß die Sache über das Knie gebrochen werde. Dem Staatssekretär möchte ich einige Reformen auf dem Gebiete des Beschaffungswesens ans Herz legen. Es sind ja auch süddeutsche Fabriken berücksichtigt worden. Es ist aber nötig, daß namentlich die süddeutsche Landwirt⸗ schaft mehr berücksichtigt wird., Die Süsbrss üs tragen ja u den Kosten der Marine bei. Die Reform des erkaufs unserer 18 materialien muß schneller durchgeführt werden. Der Staatssekretär würde sehr einfach und rasch alles an den Stahlwerksverband und andere verkaufen können. Es sind ferner Maßnahmen notwendig, daß die Konkurrenz des Kieler Kasinos auf dem Gebiete des Weinhandels eingeschränkt wird. Es wird von Kiel ein sehr schwunghafter Wein⸗ handel auch an Private betrieben. Zu diesem Kasino werden auch Matrosen kommandiert zu diesem Zweck. Es bedarf wohl nur eines Wortes an den Staatssekretär, um die berechtigten Klagen des deut⸗ schen Weinhandels abzustellen. Auf die große Frage der Beschaffung der Panzerplatten und Kanonen will ich nicht eingehen, weil hier jetzt befriedigende Zustände herrschen. Wenn der Abg. Struve Wünsche betreffs der Beamten vorgebracht hat, so kann ich mich ihm darin nicht anschließen. Seine Wünsche würden zu sehr bedenklichen Konse⸗ quenzen für andere Beamtenkategorien führen. Die Deckoffiziere sind eigentlich nicht Offiziere, sondern Feldwebelleutnants. Ihre Be⸗ zahlung ist keineswegs zu karg. Wenn die Kommission eine allge⸗ meine Resolution angenommen hat, die soziale und wirtschaftliche Stellung der Deckoffiziere zu heben, so hat sie sich damit nicht die Gesichtspunkte zu eigen gemacht, die in den Petitionen niedergelegt 8 Entgegenkommen könnte man den Deckoffizieren vielleicht in ezug auf das Pensionswesen. Was die Ingenieure betrifft, so be⸗ greife ich nicht, wie der Abg. Struve auf die in der Kommission abge⸗ lehnte Resolution wieder zurückkommen konnte. Für die Ingenieure ist in den letzten Jahren sehr viel geschehen. Es muß aber betont werden, daß es sich hier um Betriebs ingenieure handelt. Eine Strafgewalt auf den Schiffen kann ihnen nicht gewährt werden. Die Matrosen kämen aus dem Arrest gar nicht heraus, wenn eine Anzahl von Personen die Strafgewalt hätten. Nur der Kommandant des Schiffes darf die Strafgewalt haben. Wie der Ingenieur durch die Strafgewalt eine höhere, gehobene Stellung erlangen soll, verstehe ich nicht. Es wäre auch verfrüht, die Rangverhältnisse der Ingenieure jetzt 88 zu ändern. Das könnte dazu führen, daß ein Ingenieur im Range über dem Kommandanten steht. In den Privatbetrieben, wie der Allgemeinen Elektrizitäts⸗Gesellschaft, erhalten die Betriebs⸗ ingenieure geringere Bezüge, als in unserer Marine. Wir dürfen keine Reorganisation vornehmen, die über das Ziel hinausschießt und zu bedenklichen finanziellen Konsequenzen führen müßte. Auf den Werf reorganisationsplan des Abg. Strude, den er vor einigen Jahren ein⸗ gereicht hat, brauchen wir nicht zurückzukommen. Dieser Plan hat sich als verfehlt herausgestellt. Aus den Kreisen der Kieler Werft sind mir einige Wünsche zugegangen, deren Berechtigung ich dahin⸗ gestellt sein lasse. Es ist mir mitgeteilt worden, daß die geteilte Ar⸗ beitszeit, namentlich im Winter, unpraktisch ist. Die Durchführung der ungeteilten Arbeitszeit soll allerdings 60 000 kosten. Der Staatssekretär hat die Bildung von Angestelltenausschüssen in Aussicht gestellt. Leider ist bis jetzt hierin nichts geschehen. Der Staats⸗ sekretär hat selbst ein Interesse daran, daß eine solche Vertretung be⸗ steht, sonst bilden sich Organisationen, die Unruhe in den Betrieb hineinbringen können. Der Staatssekretär sollte wirklich damit einen Versuch machen. Der Resolution der Kommission über die Verhältniswahl bei den Wahlen zu den Betriebskassen stimmen wir u. Den Wunsch der Kieler Arbeiter, daß den Arbeiterausschüssen bei er Aufstellung der Lohnklassen usw. ein Mitbestimmungsrecht ein⸗ geräumt, daß den Arbeitern ein angemessener Erholungsurlaub ge⸗ währt wird, wie es die Stadt Kiel auch macht, und die Bezahlung der Wochenfeiertage kann nur empfohlen werden. Wenn man in letzterer Beziehung auf die Schwierigkeiten hinweist, die andere Ressorts machen, so ist der Staatssekretär ja auch Mitglied des preußischen Staatsministeriums, wo seine Stimme gewiß ins Gewicht fallt. Vizeadmiral Capelle: Der Abg. Erzberger hat das Sub⸗ LEb1 in der Marine berührt. Wir bringen dem Sub⸗ missionswesen das allergrößte Interesse entgegen, und es ist eine Reihe von Mißständen abgestellt worden. Natürlich ist es außerordentlich schwer, allen Wünschen in bezug auf das Submissionswesen gerecht zu werden. Diejenigen, die bei der Submission nicht berücksichtigt werden, werden immer etwas dushseten haben. Vor allem aber ist das Gebiet der beschränkten Submission nach Möglichkeit eingeschränkt worden. Wir haben damit keine schlechten Erfahrungen gemacht, ondern auf finanziellem Gebiete sogar recht gute Erfahrungen. Der Abg. Erzberger hat uns ans Herz gelegt, auch Süddeutschland nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Daß wir ein großes Interesse haben, Süddeutschland zu berücksichtigen, liegt wohl auf der Hand. Denn Süddeutschland liegt so weit vom Meere entfernt, daß ein gewisser Ausgleich wohl am Hlatze ist. Ich werde mir erlauben, dem Abg. Erzberger eine Uebersicht aus meinem Departement vorzulegen, aus der hervorgeht, welche Teile der Lieferungen nach Süddeutschland fallen. Die Berücksichtigung der süddeutschen Landwirtschaft ist aller⸗ dings sehr schwierig. Es ist ganz natürlich, daß wir den Bedarf der Flotte doch nicht aus Süddeutschland beziehen können, sondern aus der nächsten Umgebung. Wohl aber können wir Konserven und ähn⸗ liche Sachen aus Süddeutschland beziehen. Wir haben eine Kom⸗ mission nach Süddeutschland geschickt, um die dortigen Konserven⸗ fabriken zu berücksichtigen. In der Verurteilung des Weinhandels des Kieler Offizierkasinos kann das Reichsmarineamt dem Abg. Erzberger nur voll und ganz zustimmen. Ein solcher Weinhandel ist auch nach der Ansicht des Staatssekretärs gänzlich ungehörig. Das Offizier⸗ kasino darf außerhalb des Kreises der Offiziere Wein nicht verkaufen. Es ist uns auch eine Reihe von Beschwerden zugegangen, und der Staatssekretär hat sie eingehend untersuchen lassen. Meistenteils haben sich aber diese Beschwerden als unzutreffend erwiesen; meistenteils beruhten sie auf Heutedst ben. Der Abg. Erzberger hat in Aussicht gestellt, uns die ihm zugegangenen Beschwerden zukommen zu 1e Ich werde mich revanchieren und ihm auch unser Material zur Ver⸗ fügung stellen. Daraus ergibt sich u. a., daß das Offizierkasino ge⸗ täuscht worden ist, da Weine durch Deckadressen bestellt wurden. Abg. Hoff (fortschr. Volksp.): Kiel befindet sich in einer großen finanziellen Krisis, und ich möchte an den Staatssekretär den dringenden Appell richten, die schweren Schädigungen, die sich nament⸗ lich aus den Schullasten ergeben, möglichst auszugleichen. Daß die Fischer an der Kieler Förde durch die Uebungen in der Nordsee schwer geschädigt werden, kann ich nur bestätigen. Die ergrauten Fischer müssen einigermaßen sichergestellt werden. Ebenso kann ich den von dem Abg. Erzberger vorgetragenen Arbeiterwünschen aus Kiel nur beistimmen. Der Abg. Dr. Struve ist nach meinen praktischen Er⸗ fahrungen mit seinen Beschwerden über die Zurücksetzung der In⸗ genieur⸗ und Deckoffiziere durchaus im Recht. Es handelt sich hier nicht um eine Personenfrage, sondern um die sachlichen Interessen der Marine, gewissermaßen um einen Kampf der Technik. Seit 25 Jahren lebe ich in Kiel und kann aus vollster Ueberzeugung sagen, daß alle diese tüchtigen Ingenieuroffiziere die unverdiente Zurück⸗ setzung bitter empfinden. Unterstreichen möchte ich den Wunsch aus Kiel, c die geteilte Dienstzeit wieder aufgehoben wird. Aus der Untersuchung des Kieler Werftprozesses ist die Mehrzahl der Magazin⸗ aufseher makellos hervorgegangen. Es hat sich herausgestellte diese Beamten zeitweise sehr überlastet waren. Nun hat am 1. Januar 1911 der Werftdirektbr eine neue Beamtenkategorie eingeführt, und zwar ohne Zutun des Reichstages, nämlich die Lagerperwalter. Diese werden allerdings nicht als Beamte behandelt, sondern sie sind auf den Privatdienstvertrag übernommen. Die altgedienten Magazinaufseher sind bei der Besetzung dieser Stellen völlig übergangen und dadurch in ihrer Dienstfreudigkeit aufs ärgste beeinträchtigt worden. Die Lagerverwalterstellen hat man, indem man den Lagerverwaltern sofort höhere Bezüge gewährte, meistens mit pensionierten Deckoffizieren be⸗ setzt. Von wem eigentlich ist diese neue Organisation ins Werk gesetzt worden? Man spricht davon, 8 es eine Privatarbeit des Oberwerftdirektors ist. Woher hat man die Mittel für diese Mehr⸗ ausgaben genommen? Auch sonst geben in der Werftverwaltung noch

viele Zustãꝛ de zur Kritik Anlaß. Ueber die „Reisekosten“ liegt mir von der Kieler Werft ein & umfangreiches Material vor, das ich nur mit Rücksicht auf die 2 äftslage nicht vortrage. Bei der Ab⸗ nahme der Ware sind immer 2 Beamte tätig, einer, der die Quantität und einer, der die Qualität beurteilt; das ist doch des Guten wirklich u viel. Auf der Kieler Werft geht der Verdruß über den soldatisch⸗ ureaukratischen Geist hoch hinauf bis in die Kreise der Oberbauräte. Die Herren werden schon koramiert, wenn sie 5 Minuten zu spät kommen; man hat ein förmliches Spionagesystem eingerichtet. Slche 8 kleinlichen Maßnahmen können die Berufsfreudigkeit nicht stärken; ich bemängele die Methode, die dabei verfolgt wird. Die Pensionierungen sind in neuester Zeit ganz außergewöhnlich zahlreich. Da muß etwas nicht in Ordnung e. es wird zu stark vom grünen Tisch aus gewirtschaftet. Zu meiner Freude bat der Staatssekretär erklärt, daß die außeretatsmäßigen Stellen, soweit sie dauernden Bedarf decken allmählich in etatsmäßige übergeführt werden sollen. Da möchte ich ihm nun die sog. Bureauhilfsarbeiter empfehlen, die jetzt in ihrem Fortkommen sehr schlecht daran 8 und nur geringe Remunerationen trotz hoch qualifizierter Arbeitskraft beziehen. Die technischen Sekretäre der Werft wünschen schon seit 10 Jahren ihre Einreihung in die Rangstufe V.

8 Vogtherr (Soz.): Für die Erteilung der Stra gewalt an die Marineingenieure einzutreten, lehnen wir ab. Zur Sprache bringen muß ich eine Zuschrift, die ein Submittent bei einer Marine⸗ ausschreibung in Kiel von der Vereinigung der Großhändler erhielt, wonach seine Preise zu gering seien und er sie „berichtigen“ solle. Etwas spater wurde er von derselben Seite befragt, ob er „Be⸗ richtigung“ schon oder warum er sie noch nicht abgesandt habe. Wer hat dem Jerein Mitteilung von der Offerte des Betreffenden gemacht? Der Marineverwaltung kann es nicht schwer werden, das zu ermitteln. Wenn ein solches Verfahren, eine solche Erpresserpolitik seitens des Unternehmertums und Händlertums betrieben wird, dann liegt die Gefahr. schwerer Schädigung des Reichs durch die hohen reise vor Wir dürfen doch nicht auf solchen Umwegen zu denselben schon über⸗ geglaubten Zuständen gelangen, die der Kieler Werftprozeß nthüllte.

Abg. Dr. Struve sfortschr. Volksp.): Eine allgemeine theoretische Ausbildung und ebenso eine Hochschulbildung für alle Ingenieure habe ich gar nicht verlangt. Der Abg. Erzberger will die Deckoffizierfrage durch Regelung der Pension lösen, aber zuerst muß doch die Dienstfrage geregelt werden und das Gehalt, damit sie länger im Dienste bleiben. Die Rede des Abg. Erzberger sollte man in den und anfchiga und besonders auf en Satz hinweisen, worin er behauptet, daß die Ingenie mit Glacéhandschuhen auf Deck spazieren gingen.

Abg. Ahlhorn (fortschr. Volksp.): Die Angelegenheit der Verkaufsstellen auf den Kaiserlichen Werften steht auf dem alten Fleck. Noch immer machen sie den Kaufleuten und dem Gewerbe große Konkurrenz, sodaß viele Leute ihr Geschäft haben auf⸗ geben müssen. Sie sollen angeblich nur für die Arbeiter und Beamten der Werft eingerichtet sein. Aber wie ich auch jetzt wieder beweisen kann, kann dort jeder kaufen. So beziehen von dorther viele Offiziere und Unteroffiziere in Wilhelmshaven ihre Waren. Ja, die Ver⸗ kaufsstellen geben ihre Waren häufig billiger ab, als der übliche Einkaufspreis ist. Die Werftverwaltung hat angeblich damit nichts zu tun. Aber das Gegenteil wird dadurch bewiesen, daß, als in eine solche Verkaufsstelle eingebrochen war, die Werftverwaltung eine Belohnung aussetzte. Man will dem Mittelstande nützen und ihn schützen, aber die Kaiserliche Werft schafft hier Einrichtungen, die gerade das Gegenteil bewirken müssen. Diese Wohlfahrtseinrichtungen sollen ja in erster Linie zur Bekämpfung der Sozialdemokratie dienen. Aber ob dies damit erreicht wird, das ist zweifelhaft, man kann sogar böö daß dadurch die Leute erst recht in ihre Arme getrieben

rden.

Abg. Erzberger (Zentr.): Meine Aeußerungen über die Deck⸗ offiziere sind so zu verstehen, daß eine Aenderung 5 Penstonssatzes erst dann eintreten soll, wenn sie eine laäͤngere Zeit gedient haben. Auch meine Aeußerung über die Marineingenieure hat man falsch ausgelegt. Ich wollte nur betonen, daß sie so beschaffen sein müssen, daß sie jederzeit auch selbst mit Hand anlegen können. In bezug der Verleihung der Strafgewalt ist ja die Partei des Abg. Struve anderer Meinung als dieser selbst. 8

Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt.

„Bei den Ausgaben für die Intendantur ü 1 g. erner⸗Hersfeld (d. Reformp.) wiederum für d Besserstellung der Marineintendantursekretäre 9, und fragt, 8 4 mit ihrer Neuuniformierung stehe. Vizeadmiral Capelle: Die Frage der Neuuniformierung der Marineintendantursekretäre läßt sich allein nicht lösen. Sie läßt sich nur im Rahmen einer allgemeinen Aenderung der Uniformierung lösen. Sie ist schon einmal ins Auge gefaßt worden. Aber man gab es auf, da sich grundsätzlich schwierige Fragen herausgestellt haben. Eine Aenderung kann also in nächster Zeit nicht in Aussicht gestellt werden. Zum Kapitel „Geldverpflegung der Marine⸗

teile“ liegt folgende Resolution der Budgetkommission vor: dden Herrn Reichskanzler zu ersuchen, in Erwägung darüber einzutreten, die soziale und wirtschaftliche Stellung der Deckoffiziere der Marine zu heben.“

Die Resolution wird angenommen.

Bei den Ausgaben für Indiensthaltungen, und zwar für Kohlen und sonstige Betriebsmaterialien, 28 973 000 ℳ, kommt der

Abg. Brandes⸗Halberstadt (Soz.) auf wiederholt beschlosse Resolutionen des Reichetages zurück, daß Reichs⸗ und Gelhlossen⸗ rungen nur solchen Firmen übertragen werden sollen, die einigermaßen vernünftige Arbeitsbedingungen eingeführt haben. Leider habe die Marineverwaltung sich an diese Resolutionen nicht gekehrt. Nament⸗ lich in der Firma Krupp seien die Gesundheitsverhältnisse der Arbeiter sehr wenig befriedigend, die Zahl der Unfälle steige, und die Löhne seien unzureichend. (Vizepräsident Dove ersucht den Redner, sich mehr an die Sache zu halten.) Daß Preisverschlechterungen bei Krupp eingetreten seien, stehe außer Zweifel. Sowohl die Stück⸗ wie die Zeitlöhne seien derartig, daß die Arbeiter dabei nicht bestehen können. Sie würden auf Ueberstunden verwiesen, darunter leide aber ihre Gesundheit Das Schlimmste aber sei, daß die Firma nicht ein⸗ mal Arbeiterausschüsse zulasse. Die Arbeitsbedingungen bei der Firma Schichau in Danzig seien die denkbar erbärmlichsten, obwohl die Profite der Firma eine Erhöhung der Löhne gestatten.

Staatssekretär des Reichsmarineamts, von Tirpitz:

Meine Herren! Es ist ja für die Marineverwaltung gar nicht möglich, in die Verhältnisse der ungezählten Industrien und Privat⸗ lieferanten, die wir haben, so hereinzusteigen, wie der Herr Vorredner es wünscht. Das ist gar nicht möglich. Wir würden, glaube ich, nur Schaden anrichten, wenn wir das tun wollten.

Und dann möchte ih dem Herrn Abg. Brandes (Halberstadt) da er besonders in bezug auf die Firma Krupp mehreres gesagt hat, doch fragen, wo wir die Kanonen bestellen sollen. (Sehr richtig! im Zentrum.) In Deutschland haben wir keine andere Firma. (Zu⸗ rufe bei den Sozialdemokraten.)

Ich möchte weiter sagen: ih bin bei der Firma Krupp gewesen und habe mir nach Möglichkeit Einblick verschafft in die dortigen Arbeiterverhältnisse, soweit man das in verhältnismäßig kurzen Be⸗ suchen überhaupt erlangen kann. Ich habe mich aber bemüht, es zu tun, und ich kann nur sagen, daß der allgemeine Eindruck, den ich ge⸗ rade von den Arbeiterverhältnissen bei der Firma Krupp bekommen

Großadmiral