1912 / 255 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 25 Oct 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Oberlehrer am Matthias⸗Gymnasium in Breslau, Pro⸗ fessor Dr. Julius Machnig zum Gymnasialdirektor zu er⸗ nennen, . den Rentmeistern Siecke in Wongrowitz, Kummetz in Kosten, Eckhardt in Gnesen, Maaß in Trebnitz, Blaß in Neustadt O. S., Schneemann in Münden, Schlömer in Burgsteinfurt, Breetsch in St. Goarshausen, Lotze in Hanau, Jung in Düsseldorf, Ley in Crefeld, Peter in Wetzlar, Hallauer in Cöln und Brücken in Prüm den Charakter als Rechnungsrat zu verleihen sowie der Wahl des bisherigen Leiters der Hildaschule (Lyzeum nebst Oberlyzeum) in Koblenz Julius Zassenhaus zum Direktor der Anstalt die Allerhöchste Bestätigung zu erteilen.

8 Auf den Bericht vom 11. Oktober d. J. will Ich der Stadtgemeinde Altona, Regierungsbezirk Schleswig, auf Grund des Gesetzes vom 11. Juni 1874 (Gesetzsamml. S. 221) hierdurch das Recht verleihen, die zur Anlage eines Bolksparkes und eines Zentralfriedhofes erforderlichen, in dem zurückfolgenden Flächenverzeichnisse aufgeführten Grundstücke Wege der Enteignung zu erwerben. 2 Pläne folgen ebenfalls zurück. 8 8 Hubertusstock, den 15. Oktober 1912. Wilhelm R. von Breitenbach. von Dallwitz.

An die Minister der öffentlichen Arbeiten und des Innern.

Justizministerium.

Der Rechtsanwalt Langerfeldt in Kirchhain, Bezirk Cassel, ist zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts zu Cassel mit Anweisung seines Amtssitzes in Kirchhain, Bezirk Cassel, der Rechtsanwalt Schlüter in Neusalz a. O. zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts zu Breslau mit An⸗ weisung seines Amtssitzes in Neusalz a. O. und der Rechts⸗ anwalt Höffken in Wallmerod zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts zu Frankfurt a. M. mit Anweisung seines Amtssitzes in Wallmerod ernannt worden.

Der Rechtsanwalt, Justizrat Martin Mankiewicz in Frankfurt a. M. ist zum Notar für den Bezirk des Ober⸗ andesgerichts zu Frankfurt a. M. ernannt worden mit Anweisung seines Amtssitzes in Frankfurt a. M., und zwar im Stadtteile Bockenheim, östlich begrenzt von dem Straßenzuge Zeppelin⸗ Allee, Viktoria⸗Allee und Hohenzollernplatz.

Dem Notar, Justizrat Cremer in M.⸗Gladbach ist der Amtssitz in Cöln und

dem Notar Dr. von Katzler in Bitburg der Amtssitz in M.⸗Gladbach angewiesen worden.

Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Betrifft: Aufstellung von Preisverzeichnissen für laufende handwerksmäßige Unterhaltungsarbeiten bei taat⸗ lichen Hochbauten.

Im Anschluß an Abschnitt IX des Erlasses vom 4. Sep⸗ tember d. J., betreffend Verdingungswesen (Eisenbahn⸗ verordnungsblatt Seite 341; Zentralblatt der Bauverwaltung Seite 473), ordne ich an, daß die bisher nur für einige Bezirke probeweise eingeführte Einforderung von Zusammen⸗ stellungen der Preise für handwerksmäßige Unterhaltungs⸗ arbeiten bei staatlichen Hochbauten bei den Handwerkskammern nunmehr im Gesamtbereich der mir unterstellten Verwaltungen vorzunehmen ist. Die Verhandlungen mit den Handwerks⸗ kammern über die Art der Aufstellung und das zu beobachtende Verfahren sind von den Regierungspräsidenten und von der Ministerial⸗, Militär⸗ und Baukommission als Provinzial⸗ behörden der staatlichen Hochbauverwaltung gemeinschaftlich und im Einverständnis mit den Eisenbahndirektionen zu führen. Diesen Verhandlungen überlasse ich insbesondere auch die Ent⸗ scheidung der Frage, nach welchen räumlichen Bezirken die Auf⸗ ttellungen zu trennen und ob sie für den einzelnen Bezirk je für ein Jahr oder für einen anderen Zeitraum anzufertigen und in welchen Zeitabschnitten sie nachzuprüfen sind.

Die Zusammenstellungen sollen den ver⸗ dingenden Staatsbehörden bei der Vergebung der laufenden handwerksmäßigen Unterhaltungs⸗ arbeiten bei Hochbauten je nach der Art der Auf⸗ stellung auch bei Neubauarbeiten in den geeig⸗ neten Fällen zum Anhalt dienen, mit der Maßgabe jedoch, daß die Beurteilung der Angemessenheit der Preise im einzelnen Fall unter allen Umständen der vergebenden Staatsbehörde gewahrt bleiben muß.

Ich hoffe, daß diese in erster Linie im Interesse des Hand⸗ werks getroffene Anordnung von den Vertretungen des Hand⸗ werks, insbesondere von den Handwerkskammern überall im richtigen Sinne aufgefaßt wird und daß sich diese Vertretungen in ausreichender Weise bei der Bearbeitung der Zusammen⸗ stellungen betätigen werden. Die mir unterstellten Behörden

werden sich eine verständnisvolle Förderung der Sache be⸗ sonders angelegen sein lassen.

In welcher Weise die Angelegenheit in der Staatseisen⸗ bahnverwaltung für die außerpreußischen Gebietsteile zu regeln sein wird, überlasse ich den beteiligten Königlichen Eisenbahn⸗ direktionen. 1

Berlin, den 22. Oktober 1912.

Der Minister der öffentlichen Arbeiten. von Breitenbach.

An die Königlichen Eisenbahndirektionen und das Königliche

Eisenbahnzentralamt

sowie

an die Herren Oberpräsidenten in Danzig, Breslau, Magde⸗ burg, Hannover, Koblenz und Münster (Westf.), Strombau⸗ bezw. Kanalverwaltung, die Herren Regierungspräsidenten bei Potsdam auch Verwaltung der Märkischen Wasser⸗ haag- den Herrn Polizeipräsidenten in Berlin, die hiesige Königliche Ministerial⸗, Militär⸗ und Baukommission,

die Königlichen Kanalbaudirektionen in Hannover und Essen

und das Königliche Hauptbauamt in Potsdam.

8 Ministerium für Handel und Gewerbe. du Baugewerkschuloberlehrern sind ernannt worden

die Lehrer: Regierungsbaumeister Walcker, Regierungs⸗ baumeister a. D. Petersen und Regierungsbaumeister a. D.

Dipl.⸗Ing. Michaelis in Fr urt a. O., Dipl.⸗Ing. Lücke und Regierungsbaumeister Schröder in Deutsch Krone, Regierungsbaumeister Schrader, Dipl.⸗Ing. Nagl und Dipl.⸗Ing. Leimbach in Posen, Dr.⸗Ing. Niemann in Königsberg i. Pr., Regierungsbaumeister in Thorn, Regierungsbaumeister Dipl.⸗Ing. Weser und Dipl.⸗Ing. Reuter in Stettin, Dipl.⸗Ing. Soll in Barmen, Regierungs⸗ baumeister Dipl.⸗Ing. Friedrich Müller und Regierungs⸗ baumeister Dipl⸗Ing. Grünig in Frankfurt a. M., Regierungs⸗ baumeister Dipl.⸗Ing. Zeidler und Regierungsbaumeister Dipl.⸗Ing. Kuno Müller in Essen, Regierungsbaumeister Dih n6 Doerner in Kattowitz und Dr.⸗Ing. Thieme in Cöln.

Zum Oberlehrer ist ernannt worden: der Lehrer Dipl.⸗ Ing. Bucholtz an der Königlichen Schiffsingenieur⸗ und See⸗ maschinistenschule in Stettin. b““

. 8 8 * 8 Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.

Dem Gymnasialdirektor, Professor Dr. Julius Machnig ist die Direktion des Gymnasiums in Groß Strehlitz über⸗ tragen worden.

Ministerium des Innern.

Der Regierungsassessor Goedecke in Münster ist zum Mitglied der der Regierung in Münster angegliederten Ober⸗

versicherungsämter ernannt worden.

Nichtamtliches. Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 25. Oktober 191

In der am 24. d. M. unter dem Vorsitz des Staats⸗

ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück ab⸗ gehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde der Vorlage, betreffend Uebergangsbestimmungen zur Reichs⸗ versicherungsordnung, und der Vorlage, betreffend ein Abkommen mit Belgien über Unfallversicherung, die Zustimmung erteilt. Zur Annahme gelangten ferner die Vorlage, betreffend die Inkraftsetzung von Vorschriften des Versicherungsgesetzes für Angestellte, die Vorlagen, betreffend die Errichtung eines Rentenausschusses und die Errichtung eines Schiedsgerichts für die Angestelltenversicherung, sowie der Antrag Preußens, betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer der nach der Bekanntmachung vom 23. Dezember 1911 erlassenen Uebergangsbestimmungen zur Reichsver⸗ sicherungsordnung. Die Wahl von Mitgliedern des Reichs⸗ gesundheitsrats und die Wahl eines Mitglieds des Reichs⸗ bankkuratoriums wurde vollzogen. Demnächst wurde über Eingaben wegen anderweiter Festsetzung des Zündwaren⸗ kontingents und über Eingaben, betreffend Erlaß oder Er⸗ stattung von Zöllen und Abgaben, Beschluß gefaßt.

S. „Möwe“

Laut Meldung des . B.“ ist S. . „Iltis“ am

am 22. d. M. in Swakopitnund und S. M. 23. in Kiukiang (Nangtse) seingetroffen.

Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Marie Gabriele, Gemahlin Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Rupprecht von Bayern, ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern nachmittag in Sorrent im 35. Lebensjahre plötzlich an Herz⸗ paralyse gestorben.

In der gestrigen Sitzung der Kammer der Ab⸗ geordneten kam es bei der Beratung der Anträge, betreffend die Verbesserung der Lohnverhältnisse der Staats⸗ arbeiter, zu lebhaften Debatten und gegen Schluß zu einer

stürmischen Auseinandersetzung zwischen dem Präsidenten Dr.

von Orterer und den Rednern der Minderheitsparteien.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ über den Verlauf der Sitzung war der sozialdemokratische Abg. Roßhaupter in der Debatte auf die Rede des Verkehrsministers von Seidlein gegen den süddeutschen Eisenbahnerverband und die Sozialdemokralie zurückgekommen, in der der Minister bekanntlich erklärt hatte, daß die Regierung den Eisen⸗ bahnarbeitern ein Koalitionsrecht im Sinne der Reichsgewerbe⸗ ordnung und damit auch ein Streikrecht nicht zuerkennen könne. Roßhaupter betonte in seinen Ausführungen nach⸗ drücklich, daß die Sozialdemokratie das volle Koalitions⸗ recht und in Verbindung damit das Stre krecht für diese Arbeiter aus⸗ drücklich fordere. Darauf nahm der Verkehrsminister von Seidlein Veranlassung, nochmals entschieden den Standpunkt der bayrischen Regierung zu wiederholen. Die Ausführungen des Ministers, denen das Zentrum zustimmte, wurden wiederbolt von lärmenden Zurufen der Sozialdemokraten unterbrochen. Der sozialdemokratische Abg. Auer, der an der Estrade des P äsidententisches stand, rief dabei dem Minister, als dieser bemerkte, daß der süddeutsche Eisenbahnerverband mit der Sozialdemokratie zusammenarbeite, wie sich dies aus den Verhandlungen im Hause ergeben habe, zu: Das ist unerhört! Der Präsident von Orterer ertcilte darauf dem Ahgeordneten Auer einen Ordnungsruf. Es entstand eine lange heftige Geschäftsordnungsdebatte, in der der Abgeordnete ent⸗ schieden gegen die Be echtigung dieses Ordnungsrufes Einspruch erhob und dabei von Mitgliedern seiner Partei und den Liberalen unterstützt wurde. Der Präsident Dr. von Orterer bemerkte, er habe sich zu dem Ordnungsruf veranlaßt gesehen, weil der Abgeordnete Auer in herausfordernder Weise vorne an die Estrade sich hingestellt habe. Namens des Zentrums er⸗ klärte der Vorsitzende der Partei, Abg Lerno, daß seine Partei den Ordnungsruf des Präsi enten als gerechtfertigt anerkenne. Schließ⸗ lich rief der Abg. Auer das Haus an, zu entscheiden, ob der Ordnungsruf zu Recht erfolgt sei. Der Präsident Dr. von Orterer erklärte, er werde sich der Entscheidung des Hauses, die geschäfts⸗ ordnungsmäßig in der heutigen Sitzung zu erfolgen hat, fügen.

Zu Beginn der heutigen Sitzung gedachte der Präsident Dr. von Orterer des plötzlichen Hinscheidens Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Rupprecht. Darauf wurde über den Appell des Abgeordneten Auer (Soz.) an das Haus entschieden. Das Zentrum, die Konservativen und die Deutschen Bauernbündler stimmten, obiger Quelle zufolge, geschlossen dafür, daß der Ordnungsruf des Präsidenten zu Recht erfolgt sei.

Oesterreich⸗Ungarn. 1 österreichische Abgeordnetenhaus begann erste Lesung des Staatsvoranschlages. Wie „W. T. B.“ berichtet, führte der Ministerpräsident Graf Stuergkh aus:

Da er zum ersten Male seit seiner Eenesung im Hause spreche, so möchte er seine hesondere Freude über den durch die Erledigung der Wehrreform erzielten glänzenden Erfolg ernster parlamentarischer Arbeit sowie über die Bewilligung der Militärkredite durch die De⸗ legation ausdrücken. In einer Zeit auswärtiger Spannungen, die auch den Friedlichsten nötigten, an die Sicherung des häuslichen Herdes zu denken, habe die Delegation der bewaffneten Macht die Mittel zu ihrer unbedingt gebotenen Ausgestal⸗ tung zur Verfügung gestellt. Diese kraftvolle Bestätigung eines zielbewußten Arbeitseifers lasse ihn mit gewisser Zuversicht auf die parlamentarische Zukunft blicken. In seiner Besprechung des Ausgleichswerkes in Böhmen gedachte der Ministerpräsident der Be⸗ mühungen der hervorragendsten Vertreter beider Nationalitäten, denen man es danken müsse, daß eine weitere Annäherung in wichtigen Fragen erzielt worden sei. Die eingetretene 1“ der Ver⸗

andlungen sei namentlich auf äußere Umstände zurückzuführen. Der Ministerpräsident erklärte sich für überzeugt, daß der Fort⸗ schritt des Ausgleichswerkes nicht mehr gehemmt werden könne. Tie finanzielle Notlage Böhmens und die Vorteile des nationalen Friedens machten den Ausgleich zu einem Bedürfnisse von solcher Stärke, daß er an einem schließlichen Erfolg des ehrlichen Willens zum Ausgleich nicht zweifeln könne. Auch in Galizien habe der Ge⸗ danke der nationalen Verständigung unverkennbare Fortschritte gemacht, sodaß auch hier ein Erfolg der darauf hinzielenden Bemühungen zu erhoffen sei. Die Hemmung der Tätigkeit eines Teiles der Landtage stehe einer er⸗ folgreichen Erledigung des Arbeitsstoffes durch die anderen Landes⸗ vertretungen entgegen. In den innerpolitischen Erscheinungen der jüngsten Zeit könne man kein ungünstiges Vorzeichen für die jetzige Tagung des Hauses erblicken. Das Abgeordnetenhaus werde gewiß angesichts der wichtigen wirtschaftlichen Fnsgaben wie der Erledigung des Budgets, der Dienstpragmatik, der wasserwirtschaftlichen Vorlagen, des Lokalbahngesetzes und der sozialpolitischen Vorlagen, das wertvolle Gut der Arbeitsfähigkeit ungeschmälert zu erhalten wissen. Insbesondere sei die rascheste Durchführung der Finanzreform unbedingt notwendig; sie könne von pflichtbewußten Volksvertretern unmöglich an einen unbe⸗ stimmten Zeitpunkt geknüpft werden. Deshalb könne er ein Junktim zwischen der von allen Seiten erstrebten Festigung der parlamentarischen Verhältnisse und der Finanzreform nicht gelten lassen. Dem einmütigen Zusammenwirken müsse es gelingen, eine Finanzreform zu schaffen, solle nicht eine Gefährdung der Staatsfinanzen oder eine Hemmung des kulturellen Fortschritts eintreten. Die Regierung erwarte be⸗ stimmt, daß das Haus seine volle Arbeitsfähigkeit beweisen werde. Die Regierung werde dem Hause ihre volle Unterstützung bei der Lösung der schwierigen Fragen der nächsten Zukunft leihen.

Das gestern die

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause wurden gestern verschiedene An⸗ fragen, die Dardanellen, die ägäischen Inseln und Südpersien betreffend, an die Regierung gerichtet.

Auf die Anfrage Carliles, ob die türkische Regierung der briti⸗ schen Zusicherungen über eine dauernde Offenhaltung der Dardanellen gegeben habe, antwortete der Staatsseketär des Aus⸗ wärtigen Amtes Sir Edward Grey laut Meldung des „W. T. B.“: Wir sind uns der schweren Unzuträglichkeiten bewußt, die die Schließung der Dardanellen dem britischen Seehandel bereiten würde, und wir tun ebenso wie bei einer früheren Gelegenheit alles, um dem neutralen Handel die Durchfahrt zu sichern, aber ehe ich endgülttg sagen kann, daß keine Gefahr für die Schließung der Dardanellen vorhanden ist, ist ein Einverständnis mit beiden kriegführenden Parteien notwendig. Wir sind mit beiden kriegführenden Parteien in Verbindung getreten, aber da das Haus weiß, was sich in diesem Jahre bereits ereignet hat, so ist es sehr schwer, vollkommen sicher zu sein über das, was sich weiterhin zutragen wird.

Der Abg. George Greenword fragte, ob Italien nach dem Friedensvertrage die besetzten ägäischen Inseln an die Türkei zurückgeben werde, und wenn dem so sei, ob Grey seinen Einfluß dahin geltend machen wolle, daß diesen Inseln das Recht der Selbst⸗ verwaltung gewährleistet werde, und daß ihre Einwohner vor Unter⸗ drückungsmaßnahmen, die, wie berichtet werde, ihnen angedroht seien, geschützt würden. Sir Edward⸗Gted erwiderte: Ich habe den voll⸗ ständigen Text des Vertrages noch nicht erhalten, aber ich höre, daß die Inseln seinerzeit von Italien an die Türkei zurückgegeben werden sollen, und zwar unter gewissen Bürgschaften hinsichtlich ihres Status, an dem alle Mächte das gleiche Interesse haben. Soviel ich weiß, liegt kein Grund vor, zu glauben, die Einwohner der Inseln seien mit Unterdrückungsmaßregeln bedroht worden.

Auf Anfragen über den Stand der Dinge in Südpersien er⸗ klärte der Staatssekretär Grey: Es wäre für uns möglich, die Be⸗ lästigung des Handels auf den südlichen Straßen zu unterbinden, wenn wir die zu ergreifenden Maßnahmen in unsere Hand nehmen würden. Das würde aber ein Mittel sein, das vie eicht ernstere Folgen nach sich ziehen würde als die Belästigung des Handels. Deshalb besteht alles, was wir tun können, darin, daß wir so weit als möglich die persische Regierung bei allen Maßnahmen ermutigen, die sie trifft, um die Belaͤstigung des Handels zu beseitigen. 8 1“

Rußland.

Der Thronfolger hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ den gestrigen Tag verhältnismäßig gut ver⸗ bracht. Die Schmerzen waren mäßig. Die Temperatur be⸗ trug während des Tages 38,1, Abends 38,7, Der Puls war

während des Tages 132, Abends 136.

S

Spanien. 8 .

In der Frage der Abgrenzung des Mulujagebiets hat der französische Botschafter Geoffray von seiner Regierung nach einer Meldung

Weisungen erhalten, durch die „W. T. B.“ zwischen dem französischen und spanischen Standpunkt eine solche Annäherung herbeigeführt wurde, daß ständigung als gesichert betrachtet werden kann.

daß eine Ver⸗ Die Ab⸗

grenzungsarbeiten selbst werden von einer gemischten Kom⸗

mission sofort nach Unterzeichnung des Vertrags vorgenommen

werden. 8—

Norwegen.

Bei den Wahlen zum Storthing sind nach Meldungen des „W. T. B.“ 15 Anhänger der Rechten und Freisinnigen, 38 Anhänger der radikalen Linken und 8 Sozialdemokraten gewählt worden. 81 Stichwahlen werden stattfinden. Die radikale Linke hat von der Rechten und der freisinnigen Partei neun Kreise gewonnen.

Türkei.

Wie die „Agence Bulgare“ meldet, haben die bulga⸗ rischen Truppen gestern vormittag nach wiederholtem An⸗ sturm Kirkkilisse genommen. Die Bulgaren erbeuteten zahlreiche Feldzeichen, Kruppkanonen und Schießbedarf und machten einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ zufolge fünfzig⸗ tausend Mann mit zwei Paschas zu Gefangenen. Die Truppen zogen sich in Unordnung gegen Bunarhisar zurück.

Nach weiteren Meldungen aus bulgarischer Quelle haben die Bulgaren vorgestern auf der Südfront die Arda über⸗ schritten und nach Einnahme der vorderen Befestigungslinie bei

5.

ibergesiedelt ist.

Marasch Adrianopel von Süden eingeschlossen. Zwei türkische Bataillone machten einen Ausfall, die Bulgaren unter⸗ nahmen einen Gegenangriff, erbeuteten drei Schnellfeuerbatterien und machten 1200 Gefangene.

Im Bezirk Razlog leisteten die Türken bei der Ortschaft Elechnitza den Bulgaren heftigen Widerstand, wurden jedoch gezwungen, zu weichen und zogen sich gegen Bansko und in der Richtung auf Nevrokop zurück.

Ein vom türkischen Kriegsministerium veröffent⸗ lichter Bericht teilt mit, daß die Kämpfe bei Adrianopel fortdauern und noch heftiger geworden seien. Es werde gegenwärtig in einer Linie nordwestlich von Kirkkilisse bis östlich vom Tundjaflusse gekämpft. Auch in der Umgegend von Kirdschali würden große Gefechte geliefert. Die türkischen Streitkräfte hätten in der Richtung auf Dschumaibala über Karewo und Egri⸗Palanka die Offensive ergriffen.

Die von der serbischen Grenze eingegangenen Nach⸗ richten widersprechen sich vollkommen. Nach amtlichen türkischen Meldungen hat die bei Kumanowo zusammengezogene türkische Westarmee die Serben, die vier Divisionen stark waren und unter dem Kommando des Kronprinzen Alexander standen, in einer blutigen Schlacht vollständig geschlagen. Die Schlacht erstreckte sich von Berakli bis Cukarka. Einer weiteren vom „W. T. B.“ verbreiteten Nachricht aus Saloniki zufolge hat die türkische Armee die Bulgaren und Serben unter schweren Verlusten aus Kratowo, Kotschana, Bujanovice, Osmanie und Kumanowo hinausgeworfen und dabei zehn Geschütze erbeutet.

Die aus Vranja in Belgrad eingetroffenen amtlichen Be⸗ richte besagen dagegen: Die serbische Armee hat gestern die türkische Stellung nördlich von Kumanowo, die von drei Di⸗ visionen verteidigt wurde, angegriffen. Nach hartnäckigem Kampfe zogen sich die Türken fluchtartig in der Richtung auf Uesküb zurück. Kumanowo ist in den Händen der Serben. Ein Teil der serbischen Truppen ist Nachmittags in die Stadt einmarschiert, nachdem ein von der türkischen Artillerie ver⸗ suchter Angriff erfolgreich zurückgeschlagen worden war. Die Konstantinopler Meldung über eine Niederlage der serbischen Truppen bei Kumanowo ist demnach unrichtig. Wie weiter amtlich gemeldet wird, ist gestern nachmittag Sienitza von den Serben eingenommen worden.

Die montenegrinischen Truppen haben sich Skutari in nordwestlicher Richtung bis auf 10 km genähert und, wie „W. T. B.“ meldet, gestern mit der Beschießung der Stadt begonnen. Einige Geschosse schlugen in die Zitadelle und in die türkische Stadt ein, ohne Schaden anzurichten. Mit Ein⸗ bruch der Nacht wurde das Feuer eingestellt. Am gleichen Tage eröffnete, derselben Quelle zufolge, der General Martinowitsch mit der Südarmee von drei Seiten das Feuer gegen den von den Montenegrinern umzingelten Bees Tarabosch. Besonders heftig war das Feuer vom Berge Muritschan, der vor wenigen Tagen genommen worden war. Die Türken erwiderten aus 22 Geschützen das Feuer. Nach zweistündigem Feuer wurden die türkischen Geschütze auf dem höchsten Punkte des Tarabosch zum Schweigen gebracht, worauf die montenegrinischen Fußtruppen zum Angriff auf die frkischen Stellungen schritten. Gegen morgen waren die Türken durch die fortwährenden Angriffe ermüdet und ge⸗ zwungen, die höchsten Stellungen auf dem Tarabosch zu ver⸗ lassen und niedrigere Positionen aufzusuchen. General Marti⸗ nowitsch forderte den Feind auf, sich zu ergeben, weil Skutari von allen Seiten umzingelt und weiteres Blutvergießen nutzlos und sündhaft sei.

Die französische Botschaft hat, wie „W. T. B.“ meldet, einen sehr energischen Schritt wegen der von türkischen

Behörden gegen griechische Untertanen verübten Erpressungen⸗

bei der Pforte unternommen.

. .—.

Griechenland.

Der König Georg hat sich gestern abend mit Gefolge nach Serfidje begeben, wohin gestern auch der Generalstab

Das Exekutivkomitee der Insel Kreta hat dem Ministerpräsidenten Venizelos ein Gluͤ⸗ ckwunschtelegramm gesandt, in dem, wie „W. T. B.“ meldet, der Begeisterung des kretischen Volkes über den glänzenden Sieg der griechischen Armee und dem Wunsche Ausdruck gegeben wird, daß die Vollendung des nationalen Werkes, das Venizelos unternommen habe, nicht auf sich warten lassen werde.

V V V V

Wie die „Agenzia Stefani“ meldet, trafen vorgestern früh drei türkische Offiziere und acht Araberhäuptlinge, die als (Karlamentäre abgeschickt waren, mit italienischen Offizieren in Addul Gelil zusammen. Sie tauschten ihre Ansichten über die nach dem Friedensschluß hinsichtlich der türkischen und arabischen Streitkräfte zu ergreifenden Maßregeln aus. Am Nachmittag kehrten die türkischen Parlamentäre in Begleitung des Majors Laldieri und der Araberhäuptlinge, geleitet von Karabinieri, in das türkische Lager zurück.

Parlamentarische Nachrichten.

Das Haus der Abgeordneten ehrte in der heutigen 85. Sitzung, welcher der Präsident des Staatsministeriums, seichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg und der Lmister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer beiwohnten, zunächst das Andenken es gestern verstorbenen Abg. Felisch (kons.), Ver⸗ veters des Kreises Teltow, des Stadtkreises Berlin⸗Wilmers⸗ ug und des Kreises Beeskow⸗Storkow, in der üblichen Weise dd nahm dann die Wahl eines Präsidenten an Stelle verstorbenen Präsidenten Abg. Dr. Freiherrn von Erffa vor. Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.) zug vor, durch Zuruf den Abg. Dr. Grafen von Schwerin⸗ viß (kons.) zum Präsidenten zu wählen. Da kein Widerspruch erfolgte, erklärte der Vizepräsident Ir Porsch die Wahl des Genannten für vollzogen. Abg. Dr. Graf von Schwerin⸗Löwitz Meine Herren, ich das durch die Einmütigkeit der eben vollzogenen Wahl mir ent⸗ veengebrachte Vertrauen und die hohe Ehre des mir damit zu⸗ kdachten Amtes in vollstem Maße zu würdigen, ich bin mir aber 8o der Schwere der mir damit zufallenden Aufgaben voll bewußt. gien ich mich doch entschlossen habe, dieses Amt zu⸗ übernehmen, so chieht es ganz und gar nur in dem Pflichtgefühl, nicht zu versagen, geach in den Dienst des Vaterlandes gerufen werde. Ich werde s mein Amt, wie ich das für selbstverständlich ansehe, mit der

unbedingtesten Unparteilichkeit führen, und ich werde, wie ich das für die Aufgabe des Präsidenten halte, auch bemüht sein, überall unbedingt die Rechte der Minderheilt zu wahren. Ich werde aber auch meine ganze Kraft dafür einsetzen, nicht nur die Geschäfte des Hauses zu fördern, soͤndern auch unter allen Umständen die Würde unserer Verhandlungen zu wahren, und ich vertraue zu⸗ versichtlich darauf, daß ich in dieser Hinsicht von Ihnen allen ein⸗ mütig werde unterstützt werden. Denn ich bin der Meinung, daß wir alle das gleiche Interesse daran haben, das Ansehen einer Körper⸗ schaft, der wir angehören, auch zu wahren. Mit diesem Ver⸗ sprechen und mit dieser Erwartung nehme ich die auf mich gefallene Wahl mit Dank an.

Die Sozialdemokraten waren bei dem Wahlakt nicht an⸗ wesend.

Abg. Dr. das Präsidium.

An Stelle des Schriftführers Abg. Lüdicke (freikons.), der dieses Amt niedergelegt hat, wurde auf Vorschlag des Abg. Freiherrn von Zedlitz und Neukirch der Abg. von Flottwell

reikons.) durch Ferof zum Schriftführer gewählt.

Auf der 2 agesordnung standen ferner die Inter⸗ pellationen der Abgg. Dr. Friedberg und Schiffer (nl.) und der Abgg. Aronsohn und Genossen (fortschr. Volksp.),

betreffend die Fleischteuerung. Die Interpellation der Abgg. Dr. Friedberg und Schiffer inl.) lautet:

„Ist die Königliche Staatsregierung in der La e, darüber Aus⸗ kunft zu erteilen, a. in welcher Art und mit welchem Erfolge die von ihr angekündigten vorübergehenden Maßregeln gegen die Fleischteuerung zur Ausführung gelangt sind, b. welche Maß, regeln sie im einzelnen zur Steigerung der inländischen Fleischproduktion zu treffen gedenkt, um der Fortdauer oder baldigen Wiederkehr der Fleischteuerung vorzubeugen?“

Die Interpellation der Abgg. Aronsohn und Genossen (fortschr. Volksp.) lautet:

FIst die Königliche Staatsregierung bereit, mit Rücksicht darauf, daß die bisher getroffenen vorübergehenden Maßnahmen gegen die Fleischteuerung unzulänglich sind und die Gemeinden nicht dauernd die außerhalb ihres Wirkungskreises liegende Aufgabe übernehmen können, in die Gestaltung der Lebensmittelpreise einzugreifen, a. im Bundesrat für weitere Maßnahmen egen die Teuerung, insbesondere für die Abänderung des Fleischbeschaugesetes und die Aufhebung der Futtermittelzölle einzutreten, zwecks Steigerung der in⸗ ländischen Fleischproduktion auf die Vermehrung des mittleren und kleineren bäuerlichen Besitzes durch zweckmäßig und nachdrücklich betriebene innere Kolonisatton derart hinzuwirken, daß die Deckun des heimischen Fleischbedarfs durch die deutsche Viehzucht möglichst gesichert wird?“

Auf die Frage des Präsidenten des Hauses erklärte der Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg sich bereit, die Interpellationen sofort zu beantworten. .

Zur Begründung der Interpellation der Nationalliberalen nahm das Wort

Abg. Schiffer (nl.): Am 28. September hat die preußische Staatsregierung diejenigen Maßnahmen bekanntgegeben, die zur Beseitigung der gegenwärtigen Fleischnot geeignet sein sollten. Wenn sie der Meinung gewesen ist, daß dadurch eine Beruhigung im Lande herbeigeführt werden würde, so hat sie sich nach den inzwischen gemachten Erfahrungen offensichtlich sehr schwer getäuscht. Die mittlere Linie, die sie zu gehen beabsichtigt, ist von rechts und links gleichmäßig scharf verurteilt worden. Die grobe Ausdrucks⸗ weise gehört ja zu den Eigentümlichkeiten der Sozialdemokratie, ich bin mir aber doch im Zweifel, ob nicht bei der schlechten Behand⸗ lung der Staatsregierung dem Bunde der Landwirte die Palme zuzu⸗ erkennen ist. Es ist ihr von dieser Seite gesagt worden, sie duͤrfe sich nicht wundern, wenn durch ihr Vorgehen der Anschein erweckt werde, daß ihre Maßnahmen erfolgt seien, um dem Ge⸗ schrei der landwirtschaftfelndlichen Demokratie nachzugeben. Daß aber die jüngste Aktion der preußischen Staatsregierung eine sehr beschränkte ist, kann nicht geleugnet werden. Schön“vor Jahkesfrist ist ihr gesagt worden, daß solche Zustände eintreten würden, wie sie eingetreten sind. Die Staatsregierung wußte, daß die Dürre des vorigen Sommers mit Notwendigkeit derartige Konsequenzen nach sich ziehen mußte; sie wußte, wie die Maul⸗ und Klauenseuche mit unseren Viehbeständen aufgeräumt hat. Wenn man die üble Lage der ärmeren Bevölkerung, nicht nur der Arbeiter, sondern auch der kleinen Gewerbetreibenden und vor allem der niederen Beamten berücksichtigt, so müssen wir sagen, daß jede Verzögerung einer Abhilfe im höchsten Grade bedauerlich ist. Vielleicht sagt man: Wir können froh sein, daß die Regierung überhaupt etwas getan hat. Ich kann ein solches Kompliment der Regierung nicht machen. Daß sie überhaupt nichts tat, war doch vollkommen ausgeschlossen angesichts des Zustandes, wie er sich entwickelt hat. An gewissen hohen Stellen schien die Neigung zu bestehen, gegen die Fleischnot weiter vorzugehen. Da der leitende Staatsmann im Reiche und der in Preußen ein Herz und eine Seele sind, so war kaum mehr zu erwarten, als geschehen ist. In Bavyern ist aber doch ein Umschwung eingetreten. Im bayerischen Landtage hat der Minister des Innern sich für eine Auf⸗ hebung des § 12 des Fleischbeschaugesetzes ausgesprochen. Bei dem berzlichen Verhältnis der leitenden Staatsmänner in Bavern und Preußen, von dem offiziös erzählt wird, ist dieser Gegensatz in der Behandlun der vorlicgenden Frage doch auffallend. Württ, mberg ist nach der Erklärung des Ministers von Pischeck nur deshalb im Bundesrat nicht für die Aufhebung des § 12 eingetreten, weil es erst die Wirkungen der von der preußischen Regierung beabsichtigten Maßregeln abwarten wollte. Der Zweck unserer Interpellation ist vor allem der, über alle diese Dinge Klarheit zu verschaffen. Diese ist die Vorbedingung für die weiteren Entschließungen der Konsumenten, des Handels, der Kommunen, der Produzenten, die Voraussetzung für die Beruhigung im Lande, für eine Eindämmung einer schrankenlosen Agitation. Nur auf den tatsächlichen Unterlagen, die wir von der Regierung erhalten, läßt sich eine sachliche Kritik aufbauen. Erst dann können wir beurteilen, was geschehen ist, was wir zu erwarten haben, und was vielleicht noch geschehen kann. Wir sind der Meinung, daß es sich hier nicht um eine vorübergehende Erscheinung handelt, sondern um eine wenn nicht dauernde, so doch jedenfalls sehr leicht und sehr schnell wiederkehrende Erscheinung. Es müssen zur augenblicklichen Bekämpfung dieser Notstände und zur Verhinderung einer Notlage alle Mittel, auch unter schweren Opfern, angewendet werden, die irgendwie zulässig sind und auch Erfolg versprechen. Diese Mittel müssen aber im Rahmen unserer geltenden Schutzzollpolitik stehen. Wir stehen auch hier auf dem Boden des Schutzes der nationalen Arbeit mit allen ihren Folgerungen. Wir sind der Meinung, daß dieser Boden festgehalten werden muß. Wir würden es für eine unverantwortliche Handlungsweise halten, eine Grundlage des Wirt⸗ schaftslebens aufzugeben oder nur zu erschüttern, auf der dieses Wirt⸗ schaftsleben sich harmonisch und erfolgreich entwickelt hat. Wir halten insbesondere fest an dem Schutze der Landwirtschaft, nicht nur um ihrer selbst willen; sie muß auf eigenen Füßen selbständig erhalten werden. Wir werden nichts dulden, was irgendwie ihre Lage erschwert oder erschweren könnte durch eine Abkehr von dem bisher Erreichten. Innerhalb des Rahmens der Landwirtschaft muß die Viehproduktion erhalten werden 8 dem Wege, den sie eingeschlagen hat; das Reich muß mehr und mehr selbständig gemacht werden gegenüber dem Aus⸗ lande. Die Vorkommnisse der letzten Tage sprechen ja eine beredte Sprache. Die Viehproduktion ist stetig aufsteigend gewesen, es fehlen nur noch einige Prozente. Da kann es nur eine Losung geben: Los vom Auslande! Von diesem Gesichts⸗ punkte aus können wir den von der Regierung angekündigten

Graf von Schwerin⸗Löwitz übernahm darauf

1““ Maßnahmen im ganzen zustimmen. Bedenken erregt uns nur die eventuelle Rückerstattung des Fleischzolls; da scheint uns, als ob schon bis hart an die Grenze der Berücksichtigung unserer Schutzzollpolitik gegangen wird. Diese Froge gehört aber ebenso wie diejenige der Einfuhr von Gefrierfleisch vor den Reichstag. Wir hören heute wieder, daß der Vorstand des Deutschen Städtetages sich zwecks Ab⸗ änderung des § 12 des Fleischbeschaugesetzes an die Regierung gewandt hat. Wir wissen das Votum des Städtetages durch⸗ aus zu schätzen; wir sprechen ihm nicht etwa nach Art der „Konservativen Korrespondenz“ die Fähigkeit des ÜUrteils in diesen Fragen ab, sondern halten ihn sogar für besonders zu einem vollen Urteil befugt; wir erkennen auch an, daß die Stadtoberhäupter in ihrer schweren Sorge jede Maßnahme getroffen haben, die un⸗ mittelbar zunächst. zu einer Linderung des Notstandes führen kann. Aber bei näherer Prüfung können wir diesen Weg zu gehen lediglich zur Ermöglichung einer erweiterten Einfuhr von Gefrier⸗ fleisch unsererseits nicht empfehlen. Es würde sich da nicht um eine vorübergehende, sondern um eine dauernde Maßregel zu handeln haben. Die inländische Produktion kann bezüglich der Fleischbeschau nicht schlechter gestellt werden als die ausländische. Der Gedanke einer Aenderung des Gesetzes lediglich mit Rücksicht auf die Möglich⸗ keit einer weiteren Einfuhr von Gefrierfleisch ist aber auch deshalb zurückzuweisen, weil auch bei aller Kontingentierung die Wirkung auf die inländische Fleischproduktion gar nicht über⸗ sehen werden kann. Die Ankündigungen der Regierung müssen nun⸗ mehr ergänzt werden durch eine Mitteilung dessen, was schon ge⸗ schehen ist; wir müssen diese Informationen haben, um uns ein Bild von der Sache zu machen. Wir müssen erfahren, inwieweit die Be⸗ teiligten von den Befugnissen, die die Ankündigung aufführt, schon Gebrauch gemacht haben, wie die Einfuhr von ausländischem Fleisch sich gestaltet hat, wie die Preise dafür sich stellen, ob und in welchem Umfange davon bereits der Preis des inländischen Fleisches beeinflußt worden ist, und welche Rückwirkungen auf die Händler⸗ und Produzentenkreise bemerkbar geworden sind. Auf jeden Fall ist die. Stellung der Kommunen keine leichte, und die Staatsregierung hat ja auch selbst erkannt, eine wie schwere Last sie den Kommunen damit zugedacht hat. Die Schwere der Last wird da besonders fühlbar, wo die Fleischer versagen. Es handelt sich ja hier nur um vereinzelte Fälle, da in anderen Städten, z. B. in Magdeburg, die Fleischer sich vollzählig in den Dienst der Sache gestellt haben. Bei der ganzen Frage handelt es sich um Dinge von ö“ Tragweite, und zwar nicht nur auf finanziellem Gebiete; es handelt sich darum, Maßregeln zu treffen, die auch für die Zukunft wirken. So ist zu wünschen, daß die Regierung sich damit nicht nur eine Last hat abwälzen wollen, sondern daß sie diesen Gesichtspunkt auch fernerhin im Auge behält. Die Städte haben sich ja der Aufgabe unterzogen und den Fleischverkauf in die Hand genommen. Die Staatsregierung hat diesmal in einer so schweren Frage sehr leicht den Weg zu den Städten efunden. Wir wollen hoffen, daß sie ihn auch bei anderer Gelegen⸗ eit findet. Wenn später einmal die Städte ihrerseits in bezug au Fragen der Freiheit und der Selbständigkeit Anliegen an die R gierung haben, wie z. B. betreffs der Uebertragung der Polizeigewal an sie, dann werden sie hoffentlich bei der Regierung ebenfalls Entgegenkommen finden. Eine zweite Frage ist die, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um * dauernd Abhilfe zu schaffen. Die Staatsregierung bezeichnet die Gesamtheit dieser Aufgaben als die vornehmste Aufgabe der nächsten Jahre. Als ich dies las, stutzte ich; denn ich glaubte, den Passus schon einmal gelesen zu haben, und richtig, ich fand ihn in einer Thronrede bei dem Versprechen einer Wahlreform. Wenn nun eine Aufgabe, die der König in der Thronrede die vornehmste Aufgabe enannt hat, so langsame Fortschritte macht, so steigen einem doch edenken auf, ob dies nicht auch hierbei geschehen wird, da dieselben Kreise, die den Widerstand bei der Wahlreform geleistet haben, auch hier die widerstrebenden sind. Ueber die Art, wie die Bevölkerung dauernd mit Fleisch zu versorgen ist, ist schon sehr gesprochen worden, aber es ist nur wenig geschehen. Wenn hier etwas geschehen soll, so kostet es viel Geld. Aber dieses Geld ist gut angelegt und kann hundertfältige Früchte tragen. Als besonderes Mittel ist die innere Kolonisatjon empfohlen worden. Sie ist der Mittelpunkt und der Gegenstand zahlreicher Beschlüsse gewesen. Aber aus dem Stadium der Experimente ist man nicht herausgekommen.

darüber bestehen, daß die innere Kolonisation tatsächlsch ein ausgezeichnetes Mittel ist. Wir werden die Produktion am besten vermehren, wenn wir die Zahl der Produzenten vermehren. Dazu müssen aber unsere Domänen herangezogen werden. Und diese Verwendung unseres Domänenvorrats würde keine schlechte Verwendung sein. Die öffentlichen Domänen können, wenn sie aufhören, solche zu sein, eine große Einnahmequelle werden. Aber was soll daraus werden, wenn wir auf der einen Seite innere Kolonisation treiben und auf der anderen Seite den Prozeß weiter fortschreiten lassen, der immer mehr Land der freien Ansiedlung entzieht, indem die fidei⸗ kommissarische Bindung des Landes zunimmt! Auf diesem Wege ist selbstverständlich eine innere Kolonisation nicht möglich. Es ist des⸗ halb notwendig, daß wir endlich das Fideikommißgesetz bekommen. Es gibt sehr viele Dinge, von denen sehr biel gesprochen wird, die aber nie kommen, und das Fideikommißgesetz gehört dazu. Deshalb müssen wir ver langen, daß gleichzeitig mit der Inangriffnahme der inneren Kolonisation dieses Gesetz zustande kommt. Wie die innere Kolonisation wirken kann, sehen wir da, wo Oedländereien in den Besitz vieler kleiner Leute kommen. Diese Gegend blüht sofort auf. Den um⸗ ekehrten Prozeß können wir da beobachten, wo viele kleine Feen ges in einer Hand zusammengefaßt werden. Die Verteilung unserer Bevölkerung ist ungesund und auf die Dauer nicht haltbar. Eine gesunde Mischung des Besitzes ist für die Volkswirtschaft wichtig. Gewiß halten auch wir den Großgrund⸗ besitz für unentbehrlich, aber wir wollen die Latifundienbildung nicht erweitern. Die Latifundien können die kleinen Städte nicht erhalten, nur der kleine Besitz erhält den Gewerbestand in den kleinen Städten. Wir sehen an den Ansiedelungen in Posen, daß diejenigen kleinen Städte aufblühen, die von kleinen Besitzern umgeben werden. Es ist für unsere nationale Wirtschaft ein Unheil, daß unsere Landwirtschaft von so vielen ausländischen Arbeits⸗ kräften abhängig ist. Wir dürfen unsere Landwirtschaft nicht weiter von fremden Ländern abhängig machen, umsomehr, als auch diese schon versagen und der Menschenschlag zurückgeht, der für diese Arbeiten in Frage kommt. Auch unsere Wehrkraft kommt in Betracht, das Rekrutenmaterial ist immer schlechter eworden, die Vermehrung der Bevölkerung kommt zum Stillstand, 1g. in den Städten, und nur das Land bringt noch neue Kräfte Die Hauptsache für mich liegt aber in der Notwendigkeit, selbständige Menschen zu schaffen, und diese Selbständigkeit ist nur durch Ansiedlung mittlerer und kleiner Besitzer zu schaffen. In den Städten besteht so viel Abhängigkeit, daß von persönlicher Freiheit kaum noch die Rede ist. Wir müssen deshalb Menschen schaffen, die am letzten Ende nur davon abhängig sind, was der liebe Gott ihnen an Licht und Sonnenschein schenkt. Allerdings müssen dazu noch manche rechtliche, gesellschaftliche, politische Rück⸗ ständigkeiten beseitigt werden, die das Land noch bedrücken. Wir werden von dem Reichskanzler ja manche interessante Aufschlüsse hören, aber ich hoffe, daß es nicht wiederum bloß Worte sind, sondern bald kräftige Taten folgen, die uns dem großen Ziel näher führen und nicht nur den Fmecbrnger⸗ sondern auch den Landhunger des deutschen Volkes stillen und das deutsche Land mit deutschen Menschen besetzen.

(Schluß des Blattes.)

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d . Hoffentlich kommt man nunmehr dazu, daß etwas Positives geleistet wird.* Denn es kann kein Zweifel

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