1912 / 256 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Oct 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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Personalveränderungen.

Königlich Sächsische Armee. Evangelische Militärgeistliche.

Dusrch Allerhöchsten Beschluß. Den 11. Oktober. Schulze, Militäroberpfarrer beim XIX. (2. K. S.) Armeekorps, Standort Leipzig, auf seinen Antrag unterm 1. November d. J. mit Pension in den Ruhestand versetzt. b Durch Verfügung des Kriegsministeriums. Den 16. Oktober. Dr. Wolf, Div. Pfarrer bei der 2. Div.

Nr. 24, Standort Leipzig, auf seinen Antrag unterm 1. Januae 1913 mit Pension in den Ruhestand versetzt.

Beamte der Militärverwaltung. Durch Verfügung des Kriegsministeriumms. Den 11. Oktober. Wangemann, Unterapotheker der Res. im Landw. Bezirk II Dresden, zum Oberapotheker der Res. befördert. Foertsch, Oberapotheker der Landw. 1. Aufgebots im Landw. Bezirk Chemnitz, behufs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots der Ab⸗ schied bewilligt. . Den 14. Oktober. Zscherp, Geheimer Rechnungsrat, Geheimer expedierender Sekretär im Kriegsministerium, auf seinen Antrag unterm 1. Januar 1913 mit Pension in den Ruhestand versetzt.

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Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Katasterinspektoren Lotz in Allenstein, Maurer in Arnsberg, Heilandt in Merseburg und Boedecker in Frankfurt a. O. den Charakter als Steuerrat zu verleihen sowie der Wahl des bisherigen Leiters der in der Entwicklung begriffenen Realschule in Barth, Oberlehrers Dr. Franz Ost zum Direktor dieser Anstalt die Allerhöchste Bestätigung zu erteilen. 8 Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Hofapotheker Dr. Johannes Hörmann in Berlin anläßlich seines Ausscheidens aus dem Dienst den Charakter als Medizinalrat zu verleihen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Kaufmann Karl Glaeser in Charlottenburg den Charakter als Kommerzienrat zu verleihen.

Justizministerim.

Dem Amtsgerichtsrat, Geheimen Justizrat Reinking in Hannover, dem Landgerichtsrat Bastian in Altona, den Amtsgerichtsräten Kölle in Euskirchen und Herz in Kiel ist die nachgesuchte Dienstentlassung mit Pension erteilt.

Dem Notar Plato in Treuenbrietzen ist der Amtssitz in Schlawe angewiesen worden.

In der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht die Rechts⸗ anwälte: Justizrat Müller bei dem Amtsgericht in Schlawe und dem Landgericht in Stolp, Justizrat Hertel bei dem Amtsgericht in Hermsdorf u. K., Dr. Schocke bei dem Land⸗ gericht in Cassel, Dr. Marxheimer und Dr. Hosbach bei dem Landgericht in Frankfurt a. M.

In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen die Rechts⸗ anwälte: Engels aus Wetzlar und Köhrmann aus Cöln bei dem Oberlandesgericht in Düsseldorf, Dr. Marxheimer und Dr. Hosbach vom Landgericht in Frankfurt a. M. bei dem Oberlandesgericht daselbst, Dr. Grühl aus Ohligs bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Düsseldorf, Spieß aus Koblenz bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Wies⸗ baden und Plaio aus Treuenbrietzen bei dem Amtsgericht in Schlawe, der frühere Rechtsanwalt Gideon Hahn bei dem Amts⸗ gericht in Sontra, die Gerichtsassessoren: Dr. Wachsner bei dem Kammergericht, Dr. Feld, Möhle und Fritz Schumann bei dem Landgericht I in Berlin, Dr. Bodenheim bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Cöln, Oidtmann bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Düsseldorf, Kaschau bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Wiesbaden, Dr. Haarmann bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Hagen, Wrobel bei dem Amtsgericht in Labiau, Jenrich bei dem Amtsgericht in Wolmirstedt und der frühere Gerichts⸗ assessor, Regierungsassessor a. D. Dr. Oberwinter bei dem Oberlandesgericht in Frankfurt a. M.

Der Landgerichtsdirektor Dr. Kautz in Duisburg und der Rechtsanwalt und Notar, Justizrat Schönborn in Berlin sind gestorben.

Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ 8 angelegenheiten.

Dem Privatdozenten in der Medizinischen Fakultät der Universität zu Königsberg Dr. Kurt Goldstein ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

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Bekanntmachung.

Gemäß § 46 des Kommunalabgabegesetzes vom 14. Juli 1893 (G.⸗S. S. 153) wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß das im Jahre 1912 kommunalabgabepflichtige Rein⸗ einkommen aus dem Betriebe der Brohltal⸗Eisenbahn⸗ gesellschaft im Jahre 1911 auf 27 750 festgestellt worden ist. Cöln, den 23. Oktober 1912.

Der Königliche Eisenbahnkommissar 5 Riesen.

Bekanntmachung.

Für die Turnlehrerprüfung in der Provinz Pommern, welche im Jahre 1913 in Greifswald statt⸗ findet, ist Termin auf den 17. bis 19. März 1913 an⸗ beraumt.

Zur Prüfung werden zugelassen: a. Bewerber, welche bereits die Befähigung zur Erteilung von Schulunterricht vor⸗ schriftsmäßig erworben haben, b. Studierende.

Meldungen der in einem Lehramt stehenden Bewerber sind durch Vermittlung der vorgesetzten Dienstbehörde, Meldungen anderer Bewerber unmittelbar bei uns bis zum 15. Januar 1913 einzureichen.

Der Meldung sind beizufügen: 1) der Geburtsschein, 2) der Lebenslauf, auf dessen Titelblatt der vollständige

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Name, der Geburtsort, das Alter, die Konfession, der Wohn⸗

ort und die Wohnung des Bewerbers anzugeben ist, 3) ein ärztliches Gesundheitszeugnis, 4) ein Peuggnie⸗ über die erwor⸗ bene Lehrerbildung und die seitherige Wirksamkeit als Lehrer, 5) ein Zeugnis über die erlangte turnerische Fertigkeit und die sonstige Ausbildung für die Prüfung. Für Studierende tritt an Stelle des unter 4 genannten Zeugnisses ein akademisches Sittenzeugnis.

Die Prüfung wird nach der von uns durch die Amts⸗ blätter der Königlichen Regierung in Stettin, Köslin und Stralsund veröffentlichten Prüfungsordnung für Turnlehrer vom 9. Juli 1900 abgehalten werden. 4

Im Anschluß an die Turnlehrerprüfung finden auch Schwimmlehrerprüfungen statt, und zwar: .

in Greifswald, ungefähr am 1. und 2. August 1913, in Stettin, gegen Mitte August 1913, in Stettin jedoch nur für solche Bewerber, welche die Turn⸗ lehrerprüfung in Pommern vorschriftsmäßig bestanden haben.

Diese Prüfungen werden nach dem Nachtrage vom 25. September 1905 zur Prüfungsordnung für Turnlehrer abgehalten werden.

Die Anmeldung zu den Schwimmlehrerprüfungen hat bis zum 1. Juli 1913 unter ““ des Zeugnisses über die bestandene Turnlehrerprüfung bei uns zu erfolgen.

Abdrücke der Prüfungsordnungen werden den Bewerbern auf Antrag zugefertigt werden.

Stettin, den 9. Oktober 1912. 3 Raünig. Provinzialschulkollegium. A.: Friedel.

Richtamtliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 26. Oktober 1912.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll⸗ und Steuerwesen und Handel und Verkehr, der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen sowie die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Justizwesen hielten heute Sitzungen.

Am 24. Oktober starb nach schwerer Krankheit im Alter von 47 Jahren der ständige Hilfsarbeiter des Reichsbank⸗ direktoriums, Kaiserliche Bankdirektor Paul Weinert. Er stand seit 1889 im Reichsbankdienst, war von 1897 an als Kassier bei der Reichshauptbank, dann als Bankvorstand in Hirschberg, demnächst als zweiter Vorstandsbeamter der Reichsbankstellen in Frankfurt a. O. und Görlitz und seit 1910 im Reichsbankdirektorium tätig. Die Reichsbänk verliert in

ihm einen ausgezeichneten Beamten von großer Begabung und musterhafter Pflichttreue und einen allgemein geschätzten und beliebten Kollegen, dessen allzufrühes Hinscheiden tief beklagt wird.

* . Laut Meldung des „W⸗Pei B.“ sind am 24. d. M. S. M. S. „Seeadlee norto Amelia (Mozambique), das Geschwader⸗Beglechcht det Rania“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders in Taku ulo S. M. Flußkbt. „Vaterland“

in Kiukiang (Nangtse) eingetroffen.

8 Bayern.

In der gestrigen Sitzung der Kammer der Abgeord⸗ neten gab der Ministerpräsident Freiherr von Hertling auf eine sozialdemokratische Interpellation eine Erklärung ab, in der er laut Bericht des „W. T. B.“ u. a. sagte:

Die bayerische Regierung hat nicht Anlaß genommen, den Bundesratsausschuß für die auswärtigen Angelegen⸗ heiten einzuberufen. Das Haus wird mit mir in der Anschauung übereinstimmen, daß angesichts der Vorgänge auf dem Balkan für die Regierung äußerste Zurückhaltung in der Darlegung der Momente geboten ist, die uns bestimmen, von einer Anreaung zum Zusammentritt des Bundesratsausschusses abzusehen. Und ich glaube, es liegt im Inter⸗ esse des Reichs, nicht minder aber auch im Interesse des Ansehens des bayerischen Landtages, wenn wir hier nicht der parlamentarischen Instanz vorgreifen, die für die Besprechung der deutschen auswärtigen Politik an erster Stelle berufen und zuständig ist, nämlich dem Deutschen Reichstag. Die Zweckbestimmung des achten Bundesrats⸗ ausschusses ist es nicht, daß beim Eintritt jeder internationalen Ver⸗ wicklung die Forderung nach dem Zusammentritt des auswärtigen Ausschusses erhoben wird. Nicht nur, daß eine durch nichts ver⸗ anlaßte Beunruhigung der öffentlichen Meinung eintreten müßte, wollte der Ausschuß in diesem Augenblick sich versammeln, sondern es würde auch der Anschein entstehen, als gebreche es der auswärtigen Politik des Deutschen Reiches an jener unbeirrbaren Einheitlichkeit und Zielbewußtheit, die eines großen und mächtigen Volkes allein würdig ist. Die Regierung hat, und hiermit komme ich zur zweiten Frage der Interpellation, auch keine Schritte zur Einberufung des Reichstages getan. Die Einberufung des Reichs⸗ tages steht nach der Reichsverfassung dem Kaiser zu, und das Urteil darüber, ob es den Interessen des Reiches angemessen und nützlich, ob es für unsere auswärtigen Beziehungen erwünscht oder auch nur förderlich ist, daß die internationale Lage im Reichstage erörtert werde, kann nur der Reichsleitung zustehen, die allein imstande ist, sämtliche für einen solchen Entschluß in Betracht kommenden Momente gegeneinander abzuwägen. Ich möchte aber trotzdem den Anlaß dieser Interpellation benutzen, um nach einer anderen Richtung hin einige Worte der Aufklärung zu geben. Ich habe von der Notwendigkeit der Einheitlichkeit und Bestimmtheit unserer Auslandepolitik gesprochen. Daß die Reichsleitung die Interessen des Deutschen Reiches soweit solche bei der gegenwärtigen Balkankrise in Betracht kommen mit dieser Bestimmtheit wahrt, daß sie im Ver⸗ ein mit den übrigen Großmaͤchten aufrichtig und energisch bemüht ist, den im Orient aufgeflammten Brand auf 8öe zu beschränken und seinem Uebergreifen auf das Gebiet der wie tigsten Interessen Europas vorzubeugen, dafür haben wir, ich möchte dies betonen, dank der vertraulichen Mitteilungen, die uns über alle Phasen der Ereignisse am Balkan aus Berlin gegenwärtig zugehen, die Bürgschaft der eigenen U berzeugung. Es gereicht mir zur Genugtuung, ja ich halte es für meine Pflicht, an dieser Stelle ausdrücklich zu erklären, daß weder für die Faktoren, die esee öffentliche Meinung, noch für jene, die unser wirtschaftliches Leben bestimmend beeinflussen, Anlaß zu jener Unruhe und zu jenem Pessimismus gegeben ist, wie sie bedauerlicherweise in der jüngsten und allerjüngsten 3 P“ Lage an unseren Börsen und in unserer Presse sich vielfach wahrnehmen ließen. Wir können, meine Herren, das volle Vertrauen haben, daß das Deutsche Reich das Gewicht an Macht und Einfluß, das die wirtschaftliche und politische Entwicklung von vier Jahrzehnten ihm erworben haben, nicht vergebens in die Wagschale des Friedens legen wird, an dessen Aufrechterhaltung alle Großmächte üͤberein⸗ stimmend das größte Interesse haben. .

An die Erklärung schloß sich eine kurze Debatte an. 8

durchzog,

Zeit in der Beurteilung der inter⸗

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Der Abg. Lerno (Zentr.) erklärte namens seiner politischen Freunde, daß sie von den Erklärungen des Ministerpräsidenten be⸗ friedigt seien. Der Abg. Dr. Casselmann (lib.) führte aus, die Politik des Deutschen Reiches solle nicht ohne die deutsche Volksvertretung gemacht werden. Ob heute ein Bedürfnis zur Einberufung des Reichstags bestehe, sei eine andere Frage. Indessen könne er die Gründe, die der Ministerpräsident für die Nichteinberufung des Aus⸗ schusses für auswärtige Angelegenheiten angeführt habe, als ent⸗ scheidend nicht anerkennen. Wenn dieser Ausschuß noch eine Bedeu⸗ tung haben solle, so sei gerade im Fegermhrtigen Moment seine Be⸗ rufung am Platze. Der Abg. Beck (kons.) erklärte, daß seine Partei keinen Anlaß habe, in eine längere Besprechung einzutreten. Der Abg. Müller (Soꝛz.) sagte, er sei mit der Beantwortung der Inter⸗ pellation nicht ganz einverstanden. Er müsse aber von seiner Forde⸗ rung der Einberufung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und des Reichstags zur Zeit absehen, weil die Mehrheitsparteien

doch unter allen Uuständen die Ansicht des Ministerpräsidenten unter⸗

stützten.

Weimar die Taufe Seiner Königlichen Hoheit des Erbgroßherzogs in Gegenwart der hohen Eltern des Täuflings, Ihret Majestäten des Kaisers, der Kaiserin und des Königs von Sachsen, Ihrer Königlichen Hoheit der Groß⸗ herzogin Marie von Mecklenburg, Ihrer Hoheiten des Herzogs und der Herzogin Johann Albrecht zu Mecklenburg, des Erb⸗ prinzen von Sachsen⸗Meiningen und anderer Fürstlichkeiten stattgefunden. Der Oberhofprediger D. Spinner taufte den Erbgroßherzog auf die Namen Wilhelm Ernst Carl August riedrich Georg Johann Albrecht mit dem Rufnamen Carl August. Nach der Faufe war Gratulationsdefiliercour und darauf Galatafel im Weißen Saal, zu der auch die Spitzen der Behörden und das Präsidium des Landtags geladen waren. Bei der Tafel brachte Seine Königliche Hoheit der Großherzog Wilhelm Ernst, wie „W. T. B.“ meldet, folgenden Trinkspruch aus:

Meiner Gemahlin und Mir ist es ein Herzensbedürfnis, einem jeden, der an dem heutigen Ereignis Anteil genommen, Unseren innigsten Dank auszusprechen. Eure Kaiserlichen und Königlichen Majestäten haben geruht, bei Unserem erstgeborenen Sohn Patenstelle zu übernehmen und damit der schon oft gezeigten freundlichen Gesinnung Unserem Hause gegenüber von neuem Ausdruck zu geben. Möge die Anwesenheit des Deutschen Kaiserpaares für Unseren Sohn späterhin ein Ansporn sein, stets sich seiner Pflicht als deutscher Fürst bewußt zu sein. Wir Eltern aber werden ihn dazu erziehen, daß er stets seine Pflicht dem großen Vaterlande gegenüber erfüllt. Seine Majestät der König von Sachsen hat ebenfalls geruht, hier zu erscheinen. Wir danken Eurer Majestät auf das herzlichste dafüär und werden Uns stets bemühen, die freundschaftlichen Beziehungen zu dem Königlichen Hause Sachsen aufrechtzuerhalten. Wir danken allen lieben Ver⸗ wandten, die so weit hergekommen sind, um dieses Fest mit Uns zu feiern. Wir gedenken Ihrer Majestät der Königin der Niederlande, die auch die Güte gehabt hat, bei Unserem Erben Patenstelle zu über⸗ nehmen, ebenso wie Seiner Hoheit des Herzogs von Meiningen, der durch sein hohes Alter leider verhindert ist, heute hier zu er⸗ scheinen, und bitten Seine Hoheit den Erbprinzen, ihm Unseren herz⸗ lichsten Dank zu übermitteln für die stets bewiesene Teilnahme an Unserem Geschick. Wir begrüßen die Vertreter Unseres Landes und freuen Uns, daß sie Zeugen Unseres Glückes sind. Wir erheben Unsere Gläser und trinken auf das Wohl Unserer Gäste. Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, Kaiserin, der König von Sachsen, alle Unsere lieben Verwandten und Fürstlichen Gäste leben hoch!

In Erwiderung auf diesen Trinkspruch hielt Seine Majestät der Kaiser und König, obiger Quelle zufolge, nachstehende Rede:

Gestatten sammelten Gäste den herzlichsten Glückwunsch und. Dank zu gleicher Zeit zu dem heutigen Tage auszusprechen; den Glückwunsch, daß Weimar einen Erbgroßherzog begrüßen kann, den Dank, daß Wir Paten sein durften. Daß Freude und Jubel Weimar als die Botschaft ausgerufen wurde: „Ein Erbgroß⸗ herzog ist da!“, fühlen Wir voll mit. Möge der junge Herr, der in dem Lande geboren ist, aus dem die Wartburg grüßt,

vorbildlich sein in ritterlicher Tugend, wie seine Vorfahren und 8 Ahnen, und sein Schwert. bereit halten für des Reiches Herrlichkeit.

Möge er eine Säule unserer evangelischen Kirche sein und möge er, von dem Geiste der großen Dichterzeit Weimars umflossen, auch einst ein Schützer und Förderer der deutschen Wissenschaft und Dichtung sein. Möge er zur Freude seiner Eltern und zum Segen für sein

Land aufwachsen. Wir aber vereinigen alle unsere Gefühle in dem

Wunsche: Gott segne Eure Königliche Hoheit, die Frau Großherzogin, den Erbgroßherzog und das Großherzogliche Haus und das weimarische Land. Ihre Königlichen Hoheiten und der Erbgroßherzog hurra, hurra, hurra!

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Kaiser Franz Joseph hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern den Minister des Aeußern Grafen Berchtold in be⸗ sonderer Audienz empfangen, italienische Reise Bericht erstattete.

Das österreichische Abgeordnetenhaus der gestrigen Sitzung die erste Lesung des Budgets fort.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ tadelte der Abgag. Dr. Kramarcz, daß der deutsch⸗tschechische Ausgleich durch die jüngsten Sprachenerlasse des Justizministers und durch die Sperrung der Wiener Komensky Schule gestört worden sei. Em guter ehrlicher Ausgleich zwischen den Völkern sei aber notwendig, namentlich mit Rücksicht auf die äußere Lage. Nach den Siegen der Balkanvölker bestehe keine große Hoffnung, daß es möglich sein den Siegern zu entreißen, was sie erobert haben. Glüc licherweise vertrete jetzt die öffentliche Meinung in Oesterreich eine realpolitische Auffassung der Dinge. Von Oesterreich hänge heute der europäische Friede ab. Durch eine falsche Politik, namentlich jenseits der Leitha, dürften die Lebensinteressen der Mon⸗ archie auf dem Balkan nicht verletzt werden. Die Tschechen seien aufrichtig für den Frieden nach außen und nach innen. Der Abg. Jäger erklärte, die Alldeutschen seien unbedingt für den Frieden und wollten nicht, daß deutsches Blut und deutsches Geld für slawische Interessen zur Erwerbung slawischer Gebiete geopfert werde. Der Abg. Lewicki bezeichnete es schon mit Rücksicht auf die äußere Lage als notwendig, daß die Grenzvölker zufriedengestellt würden. Gegen die russische Agitation in Galizien geschehe seitens der Regierung nichts. Die Ruthenen belasse man weiter unter dem polnischen Joche.

Rußland.

Wie „W. T. B.“ meldet, hat der Großfürst⸗Thron⸗ folger nach dem gestern abend erschienenen Bulletin den Tag gut verbracht. Er schlief drei Stunden und zeigte besseren Appetit. Die Temperatur betrug am Tage 38,3 Grad, am Abend 37,9 Grad, der Puls am Tage 128, am Abend 122.

Norwegen.

Die norwegische Regierung hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern ihre Neutralität in dem Kriege zwischen der Türkei und d Balka ten erklärt.

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Saäachsen⸗Weimar. Gestern nachmittag hat im Großherzoglichen Schlosse in

der Deutsche Kaiser, die

Eure Königliche Hoheit Mir namens der hier ver⸗

mmittelbarer Nähe der Feuerlinie. (Cukarka her mit dem Generalstabschef auf dem Gefechtsfelde.

in der der Minister über seine

setzte in

werde, Glück⸗

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Ueber die Erstürmung von Kirkkilisse meldet der Kriegsberichterstatter der in Wien erscheinenden „Reichspost“, dessen Berichten, wie „W. T. B.“ mitteilt, in militärischen Küssen Hauptstadt Bedeutung beigemessen wird, folgendes:

Der Fall von Kirkkilisse wurde durch einen Nachtangriff vor⸗ bereitet, der die Bulgaren zu Herren der Stellungen nördlich und nordöstlich der Stadt machte. Die Bulgaren brachten auf diesen Höhen sofort Artillerie in Stellung, und beim Morgengrauen begann das Bombardement der Stadt, die in kurzer Zeit in Brand geschossen war. Gleichzeitig setzte die bulgarische Infanterie auf der ganzen Front von Demirdscha auf der Straße Mali —Tirnovo-Kirkkilisse über Karakotsch und Raklica östlich von Petra zum Angriff auf Kirkkilisse an, während eine weitere Kolonne östlich über die Höhen von Jundala gegen die Straße nach Bunar Hisar vorstieß. In den Wein⸗ bergen im Norden von Kirkkilisse entspannen sich nun zwischen den angreifenden Bulgaren und den Türken furchtbare Nahkämpfe. Die Bulgaren wurden wiederholt zurückgeworfen, setzten jedoch immer wieder von neuem zum Sturm an. Das Gros der Türken hatte bereits im Laufe der Nacht den Rückzug auf Bunar 8— sowie in südlicher Richtung angetreten. Um 10 Uhr Bormittags drangen die ersten bulgarischen Truppen durch die Weingärten nordwestlich von Kirkkilisse in die Stadt, wo sich ein furchtbarer Straßenkampf entspann. Schon nach einer Stunde war der Kampf entschieden, die Bulgaren waren Herren der Stadt. Trotz allgemeiner Erschöpfung der Truppen wurde sofort die Verfolgung der Türken aufgenommen, während starke Kolonnen einen Vorstoß über Uesküb auf Bunar Hisar unternahmen, um den Rückzug der türkischen Truppen abzuschneiden. Von großer Bedeutung wird jetzt das Vorgehen der durch die Waldzone an der Küste auf Viza vorrückenden bulgarischen Streitkräfte sein, da durch diese den Türken der Weg nach Konstantinopel vollständig verlegt werden kann. Die türkische Hauptkraft, die bei Kirkkilisse im Kampf stand, hat den Rückzug auf die zweite Verteidigungsstellung am Ergenefluß

angetreten.

In türkischen Kreisen wird, dem genannten Telegraphen⸗ bureau zufolge, versichert, daß der Rückzug des rechten türkischen Flügels unter Mahmud Mukhtar Pascha auf ein falsches Manöver des Generals Asis Pascha, der die Kavallerie kommandierte, zurückzuführen sei. Nach weiteren Nachrichten aus Konstanti⸗ nopel ist es Mahmud Mukhtar Pascha gelungen, seine Streit⸗ kräfte zu sammeln. Er hat in der Richtung auf Kirkkilisse die Offensive wieder aufgenommen.

Der Kommandant von Adrianopel hat eine strenge Verordnung über den Belagerungszustand der Stadt veröffentlicht. Den Einwohnern ist verboten, große Mengen Lebensmittel zu kaufen. Greise und Kranke und diejenigen, die kein Geld oder Lebensmittel für zwei Monate besitzen, sowie verdächtige Personen werden entfernt. Die kriegstüchtige Bevölkerung wird, wenn es erforderlich sein sollte, gezwungen, die Truppen zu unterstützen. Personen, die beunruhigende Gerüchte verbreiten, sollen erschossen werden.

Vom westlichen Kriegsschauplatz melden amtliche serbische Berichte, daß Verissovitsch, Voucitrou und Ghilan von den serbischen Truppen eingenommen worden seien, und geben von dem Kampf bei Kumanowo, dessen Bedeutung darin liege, daß Uesküb von der türkischen Armee nunmehr nur von 8. einzigen Stellung verteidigt werden könne, folgende Dar⸗ stellung:

Der Kampf begann in der Nacht vom 23. zum 24. und dauerte den ganzen folgenden Tag bis zum Abend an. Die Stärke der türkischen Truppen wird auf 25 000 Mann geschätzt. Trotz des völlig estrichenen Gefechtsfeldes ging die serbische Infanterie gegen die ürkischen Schanzen mit einem Bajonettangriff vor; es kam rieederholt zu einem Handgemenge. Besonders erfolgreich war der Eingriff der serbischen Artillerie bei Dolni Konjare in den Kampf, der drei zu einer Attacke ausholende türkische Schwadronen vernichtete. Die beiderseitigen Verluste sind groß, die Türken sollen 5000 Mann verloren haben. Der Kronprinz leitete den Kampf in Auch der König erschien von Unter underer Kriegsbeute eroberten die Serben zwölf türkische Geschütze.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Konstantinopel

wird amtlich bestätigt, daß die Serben Pristina besetzt

haben und die Verbindung zwischen Uesküb und Mitrowitza unterbrochen ist. Derselben Meldung zufolge haben die Bulgaren nach einem siegreichen Kampfe gegen die türkische Westarmee bei Domousova Kotschana eingenommen.

Griechenland

Der frühere Ministerpräsident Dragumis ist nach einer Meldung der „Agence Havas“ zum Gouverneur von Kreta ernannt worden und bereits dort eingetroffen. Sobald der Gouverneur an Land gegangen war, überreichte ihm das kretische Exekutivkomitee seine Demission. 6

Amerika.

Nach einem vom „W. T. B.“ verbreiteten Telegramm aus Mexiko hat der Bundesrichter des ersten Bezirksgerichts einen Gerichtsbefehl erlassen, der den General Felix Diaz der Gerichtsbarkeit des Militärgerichts vorläufig 8 Der Cerichtshof wird einen Plenarbeschluß fassen, ob Diaz dem Militärgericht wieder übergeben oder von einem Zivilgericht abgeurteilt werden soll.

Afrikͤa. 1

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Casablanca ind der Kaid Triahi und der spanische Schützling Sicrisu, der ihm Zuflucht gewährt hatte, gestern durch das Kriegs⸗ gericht zum Tode verurteilt worden.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (86.) Sitzung des Hauses der Feordneten wurde die Besprechung der Inter⸗ gallationen der Nationalliberalen und der Fortschrittlichen bolkspartei, betreffend die Fleischteuerung, fortgesetzt. en g Ströbel (Soz.): Es ist bemerkenswert, daß der üach Ministertisch heute absolut leer ist, gerade in dem Augen⸗ sict, in dem der Vertreter der Mehrheit des Volkes das Wort Pomt. Eine größere Mißachtung der Minister gegenüber dem 1 kann gar nicht gedacht werden. Wenn wir endlich a ein gleiches Wahlrecht in Preußen hätten, dann würden viele in Jönen (zur Rechten gewandt) nicht hier sein. Es war auffällig, 8 überbaupt die Nationalliberalen hier vor dieses Haus mit ihrer ir erpellation gekommen sind. Man mußte sich fragen: was einen Zweck hat dies? Sind die Nationalliberalen Ee naiv, daß sie sich einbilden, daß das Dreiklassen⸗ bns irgend etwas unternehmen würde, um die Notstandsaktion der Das konnte man doch wirklich n

1““ 8 26 8 5 8 8 8 8 nehmen, und die Rede, die gestern Abg. Schiffer hier gehalten, hat das Rätsel gelöst. Es hat sich gezeigt, daß die Interpellation nichts anderes war als eine Hilfsaktion zugunsten der Junker. Darüber hat Abg. Schiffer keinen Zweifel gelassen, als er erklärte, er verlange nur Maßnahmen, soweit sie im Rahmen unserer Zoll⸗ shußgesehe möglich sind. (Inzwischen ist der Minister für Landwirt⸗ schaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer er⸗ schienen.) Anders konnte es ja auch Abg. von Heydebrand nicht aus⸗ drücken. Er hat sogar dem Abg. Schiffer seine Anerkennung über dessen verständige Auffassung der Dinge ausgedrückt. Schiffers Rede war ein eigentümliches Ding. Er fing mit einigen Spitzen gegen die Konservativen an, und Abg. von Heydebrand erklärte, die Rede wäre wirkungsvoller gewesen, wenn diese Spitzen fortgelassen worden wären. Aber diese Spitzen sollten nur vor dem Volke verhehlen, daß zwischen Nationalliberalen und Konservativen kein Unterschied ist. Man hätte meinen sollen, daß Abg. Schiffer, als er zugab, daß nicht nur Arbeiter, sondern auch andere große Schichten des gesamten Volkes in Mitleidenschaft gezogen seien, dann wenigstens sich auf den Standpunkt des Abg. Wiemer gestellt hätte. Statt dessen aber empfahl er der Regierung, doch um Gottes Willen nicht weiter zu gehen. Er erklärte: „wir halten unbedingt fest an unserer Schutzzollgesetzgebung’. Das ist kennzeichnend für die Nationalliberalen und ganz besonders eigentümlich, wenn man dagegen die Artikel der „Nationalzeitung“ liest. In diesen steht etwas ganz Anderes. (Zuruf der Nationalliberalen: Das Blatt drückt nicht die Meinung der Partei aus.) Sie schütteln ja jedes Blatt ab, das etwas sagt, was Ihnen nicht angenehm ist. Herr von Bethmann Hollweg bet ja den Nationalliberalen und Konser⸗ vativen zugesagt, daß nicht beabsichtigt sei, an unserer Zollgesetz⸗ gebung zu rütteln, sondern daß es sich nur um ganz vorüber⸗ gehende Notstandsaktionen handelt, und daß diese sofort wieder eingestellt würden, wenn der ärgste Notstand beseitigt sei. Auch im Fleischbeschaugesetz soll keine Aenderung eintreten. wurde noch erklärt, es handle sich nur um eine ganz anormale Preis⸗ steigerung, und es werde bald besser werden. Dieselbe Erklärung hat die Regierung auch schon früher bei ähnlicher Gelegenheit ab⸗ gegeben. Aber es ist immer alles beim alten geblieben; im Gegen⸗ teil, die Preise sind immer noch gestiegen, und zwar so, daß selbst die Regierung jetzt genötigt war, in der „Norddeutschen All⸗ gemeinen Zeitung“ die Teuerung zuzugestehen. Auch diesmal werden die Preise wieder weiter steigen. Die Konservativen, das Zentrum und die Nationalliberalen sind natürlich anderer Meinung. Sie lauben, daß von einer Teuerung keine Rede sein kann, wenn die leischpreise auch nur um einige Pfennige heruntergehen. Trotz⸗ dem sind die Preise dann immer noch hoch genug, ganz besonders, wenn man sie in Vergleich stellt mit den Preisen, die im Ausland für Fleisch gezahlt werden. Der Ministerpräsident hat offen ausgesprochen, daß das Volk Opfer bringen müsse für die nationale Wohlfahrt. Diese wird dadurch gewahrt, daß die breiten Volksmassen möglichst gut ernährt werden, aber nicht dadurch, daß einem kleinen Teil besonders günstige Bedingungen geschaffen werden. Die der Landwirtschaft angehörende Bevölkerung beträgt nur etwa 28 % der Gesamtbevölkerung, also nur ein geringer Bruchteil hat ein Interesse an hohen Schweinefleischpreisen. Die Preise für Fleisch und Vieh sind in den letzten Jahren verhältnismäßig hoch gewesen, und wenn auch jetzt ein gewisser Preisabschlag eintritt, wenn das Fleisch um 10 billiger wird, so ist es doch immer noch viel zu teuer. Das sächsische Statistische Landesamt hat selbst zugeben müssen, daß eine erhebliche Ermäßigung der Vieh⸗ und Fleischpreise kaum zu erwarten ist. Die deutsche Fleisch⸗ und Viehproduktion ist absolut unzulänglich. Wenn man auf die Vermehrung des Fleisch⸗ konsums seit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts hinweist, so vergißt man, daß sich seitdem die Verhältnisse vollständig um⸗ Fedendens haben, daß der Fleischbedarf inzwischen außerordentlich tärker geworden ist. Das ist zurückzuführen auf die Industrialisierung Deutschlands, die ungeheure Vermebrung der Einwohnerzahl der großen Städte. Es ist ein Unfug sondergleichen, zu behaupten, daß vegetabilische Nahrung ausreichend sei. Der Landarheiter kann sich wohl von Vegetabilien ernähren, der industrielle Arbeiter muß sich von Fleisch, Eiern und Milch ernähren. Der Landbewohner hat ganz andere Verdauungsorgane und Bedürfnisse, wie ein Stadt⸗ bewohner und Industriearbeiter. (Unruhe rechts.) Die Herren dort drüben sind doch wohl auch nicht Vegetarier. Sie haben keine Ursache zu lächeln, Sie zeigen damit, daß es Ihnen nicht ernst ist um die Sache. Auf jener Seite heißt es: Wir wollen höhere Sg. preise, damit wir unseren Vorteil haben auf Kosten der großen Massen des Volkes. Neugierig bin ich, wie der Arbeitervertreter Giesberts sich mit der Sache abfinden wird. Es gehört die ganze Unverfrorenheit des Junkertums dazu, den Proletariern das Recht auf den Fleisch⸗ konsum zu bestreiten. Der Pfarrer Paul hat offen erklärt, das Vater⸗ unser sage, daß wir unser tägliches Brot haben sollen, nicht aber unser täͤgliches Fleisch. Von solchen Pastoren gilt das heidnische Wort: „Sie trinken heimlich Wein und predigen öffentlich Wasser“. Man hat den täglichen Fleischverbrauch in Deutschland pro Kopf auf 90 g berechnet. Das ist viel zu wenig. Ein Erwachsener braucht mindestens 150 g. Nach amtlichen Erhebungen beträgt der Fleisch⸗ verbrauch in Arbeiterfamilien aber nur 60 g. Was sollen wir davon sagen, wenn ein Minister der Landwirtschaft es gestern aus⸗ gesprochen hat: die Arbeiterfrauen möchten doch mehr Gemüse kochen, dann würden sie viel besser auskommen; aber da heiße es immer: Fleisch, Fleisch und immer wieder Fleisch! Das ist die blutigste Verhöhnung der Arbeiter. Woher hat er seine Kenntnis über den Fleischverbrauch in Arbeiterfamilien, hat er vielleicht eine Schlafstelle in einer Arbeiterfamilie innegehabt? Seine Behauptung war mindestens eine Unvorsichtigkeit parlamentarisch ausgedrückt. Ein Herr mit einem Ministergehalt, der außerdem Millionär ist, sollte sich so etwas auszusprechen. (Zustimmung bei den Sozialdemo⸗

raten; Heiterkeit rechts.) Geistes sind wie der Landwirtschaftsminister; sie glauben, dem Volke 8 bieten zu können. Der Altenaer Kreisarzt hat im dortigen reisblatt auf die traurige Zunahme der Skrophulose und Tuberkulose bei der Schuljugend hingewiesen und dies auf die unzweckmäßige Ernährung und die Teuerung, besonders des Fleisches, zurück⸗ geführt. Das ist allerdings ein ganz anderer Sachverständiger als der Landwirtschaftsminister. Es ist zu erwarten, daß die Fleischnot auch in der nächsten Zeit fortbestehen wird. (Schluß des Hlet) 111““ 6““ Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Gera wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Nachdem die errenstoff⸗ und Wechselstuhlarbeiter der Firma Lummer⸗ ach und Ramminger, um eine Lohnerhöhung durchzusetzen, ihre

Kündiaung eingereicht haben, ist gestern von der Ortsgruppe Gera des Verbandes sächsisch⸗thüringischer Webereien sämtlichen Arbeitern gekündigt worden. Dreitausend Weber und Weberinnen kommen dabei in Betracht.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft.

A. F. Im Anschluß an die im Abgeordnetenhause erfolgte „Aus⸗ stellung“ eines bedeutenden Teiles der Erwerbungen der Deutschen innerafrikanischen Forschungsexpedition aus den Jahren 1904 1912, worüber an dieser Stelle in voriger Woche berichtet worden ist, er⸗ stattete Herr Leo Frobenius in fast zweistündigem Vortrage der Gesellschaft für Anthropologie Bericht über die ethnolo⸗ gischen Ergebnisse seiner beiden letzten Reisen von 1910 bis 1912. Unter Begleitung zahlreicher farbiger Lichtbilder gab der Redner ächst eine fesselnde Schilderung der ganz

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Die Herren beweisen, daß sie desselben

8 1“ 11“ 11“ 5 85 1““ außerordentlichen, auf den Forscher immer wieder als Ueber⸗ raschung wirkenden Verschiedenheit der Bevölkerungen des Sudans, die sich nur aus Einwanderungen in weit auseinander liegenden Zeit⸗ räumen erklären kann, Einwanderungen, die teils in Massen, auf Er⸗ oberungszügen, erfolgten, teils sich in mehr friedlicher Art und in kleinerem Umfange auf längere Zeit verteilten. So nur sind ebenso die in die Augen springenden, großen Rassenverschiedenheiten, z. B. die auf 11“ Weißen und Negern, Berbern und Arabern, Aegyptern und Nubiern mit Niggerblut deutenden „Fulbe“ neben den reinblütigen Haussanegern zu erklären, wie auch die überaus großen kulturellen Unterschiede zwischen den kaum be⸗ kleideten wilden Stämmen der entlegenen Gegenden und den reich gekleideten, mit allem Luxus des Orients ausgestatteten Städtern. Die Frage erhebt sich für die Forschung: Hat es eine Urbevölkerung in diesem ausgedehnten Teil Nordafrikas gegeben und welche Spuren deuten auf eine solche; zu welchen Zeiten und woher, durch welche Bevölkerungen Fn die verschiedenen Einwanderungen und mit welcher Wirkung auf die Kultur? In Beantwortung dieser Fragen darf zunächst als gesichertes Ergebnis bezeichnet werden, daß die Ein⸗ wanderung, welche dem Zentralsudan den Islam brachte, verhältnismäßig jungen Datums ist. Das ist aus den Aufzeichnungen arabischer Schrift⸗ steller zu entnehmen. Wahrscheinlich entspricht das Jahr 1329 der Eroberung von Timbuktu und dem Beginn einer Herrschaft des er⸗ obernden islamitischen Volkes in diesem Teile Nigeriens, die aber nichts weniger als von großer Ausdehnung war und den Süden des Nigerlandes sowie den atlantischen Teil des Sudans ganz unberührt ließ. Hier in diesem überaus volkreichen Gelände im äußersten Westen ist der Eindruck unabweisbar, daß man einer älteren und in vielen Stücken vom Durchschnitt der Sudanvölker stark abweichenden Kultur gegenübersteht. Man hat von diesen Jorubaländern in der Nähe des Atlantischen Ozeans bisher eine pöllig irrige Vorstellung gehabt, z. B. nichts davon gewußt, daß es hier eine beträchtliche Anzahl volkreicher Städte gibt, deren Zahl bis zu 10 000 Einwohnern mit 400 nicht zu hoch geschätzt wird. Auch Städte über 100 000 Einwohner sind namhaft zu machen, Ibghu wird auf 200 000 Bewohner geschätzt. Straßen in unserem Sinne darf man dort allerdings nicht suchen, die Häuser stehen aber ziemlich dicht beieinander, tragen überhängende Kuppel⸗ dächer, errichtet über einem flachen Dach, das neben den Lehmwänden durch hohe Säulen gestützt ist. Manche Kunstfertigkeiten sind ver⸗ hältnismäßig, hoch entwickelt, die Weberei sogar bis zur Stufe der Samtweberei. Doch von einer ungleich höheren Kultur in einer fernen Vergangenheit melden viele plastische Werke, u. a. Porträt⸗ köpfe in Terracotta von feinster Durcharbeitung, deren edelste man griechischen Plastiken an die Seite stellen könnte, belehrte nicht die treue Wiedergabe von Tätowierung, daß die Künstler und ihre Modelle einem von den Griechen sehr verschiedenen Volke angehörten. Nichts⸗ destoweniger ist auch nach anderer Richtung eine gewisse Verwandtschaft mit hellenischer Kultur augenfällig. Die Geräte des eigenartigen Kults der Jorubabevölkerungen, der Tempel oder ähnliche Kultstätten nicht kennt, sondern die religiösen Handlungen in dichte Haine ver⸗ legt und 16 scharf gegeneinander charakterisierte Gottheiten verehrt, sind in ihrer Form und Ausschmückung, heißen sie nun Donnerkeile oder Tanzrasseln, von außerordentlicher Schönheit, und der Vor⸗ tragende hatte nur zu bedauern, daß ihm der englische Gouverneur den Ankauf von mehr solcher Stücke, als das religiöse Gefühl des Volkes verletzend, verbot, obgleich die Eingeborenen sich gern gegen gute Zahlung dieser Dinge Füsgheft hätten. Frobenius hält auf Grund seiner Beobachtungen und Erkundungen dafür, daß die Bevölkerung des atlantischen Sudans, wenn nicht die Nachkommen der nordafrikanischen Urbevölkerung, so doch der ältesten heute noch nachweisbaren Bevölkerung Nordafrikas darstellt. Ihn dünkt, auch in der Bedeutung, die heute noch dem Amulett hier beigemessen wird, vor allem aber in der bestimmt um⸗ grenzten Götterlehre, eine Anknüpfung an Iberer und Etrusker gegeben, und er deutet eine ägvptische Erzählung von Kämpfen, die Ramses III. mit einem Volke im Westen des Erdteils geführt, auf diese Bevölkerung. Aehnliche Kriterien wendet Frobenius auf die übrigen, noch deutlich bestimmbaren Bestandteile des nordafrikanischen Völkergemisches an. Die dem Heidentum noch völlig ergebenen Haussaneger hält er für bodenständig. Sie haben im 7. Jahrhundert, vereint und zum Teil vermischt mit anderen Einwanderern, eine Blütezeit afrikanischer Industrie hervorgerufen, mit der verglichen der heute noch bestehende Rest einer Bronze⸗, Steinschneide⸗ und Glastechnik wie der Keramik, Weberei und Stickerei stark in den Hintergrund tritt. Immerhin sind die Städte Makwa und Bida in Nigerien auch heute noch der Beachtung werte Industrieorte des Sudans. Auf der Suche nach Zusammenhängen und Erklärungen des ethnographischen Wirrwarrs in Nordafrika, ist es Frobenius auch gelungen, im Zentralsudan die Existenz eines Nupe⸗ reiches nachzuweisen, das heute noch unter anerkannten und auf ihren alten Stammbaum stolzen Fürsten steht, das dem Ansturm des Islams s. Z. Widerstand geleistet und sich mit Erfolg behauptet hat, in seinen Städten Kultur 5 während die Landbewohner noch in tiefster Barbarei leben. Ein Rätsel scheinen eine Menge von kleinen Siedlungen und Dörfern aufzugeben, die sich in Südnigerien und im östlichen Teile des Sudans befinden. Sie bieten zunächst den Eindruck eines Sprach⸗ gewirrs; jedes Dorf, wenn auch nur durch eine Talwelle von dem anderen getrennt, spricht seine eigene Sprache. Sieht man aber näher zu, so finden sich die wichtigsten Vergleichspunkte in völliger Uebereinstimmung: dieselben Lebensformen, derselbe Ahnenkultus, dieselben Bräuche und abergläubischen Vorstellungen. Alles dies gestattet, diese Bevölkerungen nachzuweisen als aus Aethiopien aus gewandert und als einem Zuge von Ost nach West folgend, der sie wahrscheinlich in langen Zeiträumen in kleinen Trupps der ursprünglichen Heimat entfremdet hat. Von Interesse erscheint auch eine andere Spur. Im 6. Jahrhundert, als Aegypten noch eine Provinz von Byzanz war, hat, wie u. a. aus Eigen⸗ und Ortsnamen nachweisbar ist, von dort her eine Einwanderung stattgefunden wie anzunehmen, von landflüchtigen Persern, und es ist recht möglich, zu⸗ sammengehalten mit dem 100 Jahre später nachgewiesenen industriellen Aufschwung der Haussaländer, daß diese Ein⸗ wanderung das Land mit Industrie befruchtete. Was, abgesehen von dem atlantischen Sudan mit seiner mehr stetigen Kultur⸗ entwicklung, an vielen Stellen des Sudans, vor allem in Timbuktu, befremdlich anmutet, ist der sich aufdrängende Eindruck beträchtlicher Rückschritte gegen einen in weit zurückliegender Zeit viel höher ent⸗ wickelt gewesenen Kulturzustand. Bezeichnend hierfür ist u. a., daß man unter den elenden Lehmhütten des heutigen Timbuktu steinerne Grundmauern findet und daß mehrfach die Anwendung von Backsteinen nachweisbar ist, u. a. auch zu Gewölbebauten. Die zahlreichen Licht⸗ bilder ließen, soweit sie Marktszenen, Aufzüge, Spiele darstellten, deutlich erkennen, was der Vortragende mit einem luxuriösen Auf⸗ treten der Städter im Vergleich zum Urzustande der Landbewohner des Sudans gemeint hatte. In dieser Kleiderpracht, in der grelle Farben, wie Rot und Blau, überwiegen, wiederholen sich die Zeiten mittelalterlicher Prunkentfaltung, welche der nahe Orient heute auch nicht mehr kennt. Dem Vortragenden wurde, als er geendet, der lebhafteste Beifall zuteil, und mit allgemeiner Zustimmung durfle der Vorsitzende ihm sagen, daß er in bewundernswerter Art ein ungeheures Gebiet nicht nur räumlich, sondern auch kulturell kraftvoll durch⸗ drungen habe. Erfreulich sei die Aussicht, im künftigen Meinungs⸗ austausch feste Stellung zu den neuen und interessanten Anschauungen des Redners zu gewinnen. b

Verkehrswesen.

Cöln, 25. Oktober. (W. T. B.) Die Königliche Eisenbahn⸗ direktion in Cöln teilt mit: Infolge Verkehrsstörung wird mit Genehmigung der Landesaufsichtsbehörde die Annahme von⸗ Fracht⸗ gut in Wagenladungen von den preußisch⸗hessischen Staatsbahn⸗ stationen und Privateisenbahnen nach dem linksr heini⸗ schen Empfangsgebiet, umgrenzt von der Linie Uerdingen Neuß —Cöln Bonn Euskirchen Düren— Grevenbroich —Rheydt M.⸗Gladbach— Viersen —Crefeld Uerdingen, für die Tage vom 26.

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bis einschließlich 29. Oktober gesperrt.