chädigungen gesprochen. Wer ist eigentlich der Geschädigte? Der Spareinleger keinesfalls. Dem ist es furchtbar — „ wie die Spareinlagen angelegt werden. Ich habe noch niemanden gesehen, der Geld in die Sparkasse gebracht und sich er⸗ kundigt hat: was macht ihr mit dem Geld? Die Spareinleger wollen ihr Sparkassenbuch und regelmäßig ihre Zinsen haben; alles andere ist ihnen gleichgültig. Es kann sich höchstens darum handeln, daß durch die Anlage der Spareinlagen vielleicht etwas niedrigere Gewinne erzielt werden. Ich habe gestern ja schon darauf hingewiesen, daß die Gewinnerzielung durch die Anlage in Inhaberpapieren nur zu Zeiten herabgedrückt wird, daß es viele Zeiten gibt, wo höhere Gewinne durch die Inhaberpapiere erzielt werden. Wenn man die Abschlüsse der Sparkassen auf längere Zeit vergleicht, so wird man finden, daß die viel beklagten Rückgänge der Zinserträge in den Inhaberpapieren durchaus nicht so schwer sind, wie es immer dargestellt wird. Es gibt soviel Gewinnjahre dabei, wo die Sparkassen den Vorteil gehabt haben, daß diesen Verlust⸗ jahren fast Paroli geboten ist.
Ich habe gestern schon darauf hingewiesen, wenn einige über⸗ ängstliche Sparkassen, z. B. in der Provinz Hannover, vermeiden wollen, daß sie Schaden durch die Anlage in Inhaberpapieren haben, daß ich ihnen raten möchte, sich Schatzanweisungen zu kaufen. Herr Waldstein allerdings, offenbar weil ihm dieser Rat sehr unbequem war, bezweifelt, daß er durchführbar wäre, und hat gemeint, es wären große Kosten damit verbunden. Das ist beides nicht zu⸗ treffend. Von Schatzanweisungen sind ungefähr eine Milliarde aus⸗ gegeben. Sie sind an der Börse jederzeit zu haben, nnd die See⸗ handlung ist imstande, den Sparkassen die Schatzanweisungen zu liefern. Allerdings hat der Abg. Waldstein hinzugefügt, er müsse den Staat warnen, nicht soviel Schatzanweisungen auszugeben, weil dadurch der Staat in Verlegenheit kommen könnte, indem er die Schatz⸗ anweisungen zu einer bestimmten Zeit zurückzahlen muß. Das ist durchaus zutreffend. Die Staatsregierung weiß das selbst; sie hat infolgedessen die Zahl der ausgegebenen Schatzanweisungen begrenzt, indem sie sich klarmacht, daß zu einem gewissen Fälligkeitstermin sie event. vor die Notwendigkeit gestellt ist, die Schatzanweisungen voll⸗ ständig einzulösen. Bis dahin ist es fast regelmäßtg so gewesen, daß bei der Fälligkeit die Schatzanweisungen von neuem begeben sind, und daß bei der Begebung der neuen Schatzanweisungen die bisherigen Inhaber für Annahme der anderen eine Bonifikation erhielten. Es ist also meistens ein gewisser Vorteil dabei gewesen und nichts ver⸗ loren. Wenn eine Schatzanweisung umgetauscht wird, eine fällige gegen eine neue, werden dafür gar keine Kosten berechnet. Das bischen Arbeit, was den Sparkassenverwaltungen dadurch erwächst, daß ein Umtausch stattfindet, fällt nicht weiter ins Gewicht. Ich möchte allen denjenigen, welche ängstlich sind, raten, daß sie Schatz⸗ anweisungen nehmen; sie werden vor allen Kursverlusten bewahrt werden. (Bravo!)
Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.): Der Minister hat ge⸗ sogt, daß die Hebung der Liquidität der Sparkassen das Hauptziel der Vorlage ist. An anderer Stelle ist jedoch gesagt worden, daß man in ie Linie ein finanzpolitisches Ziel verfolgt, und daß erst in zweiter Linie die Liquidität der Sparkassen in Frage kommt. Die Regierung hat also jetzt einen absoluten Frontwechsel vorgenommen. Den Gedanken, daß die Seehandlung die Gelder der Sparkassen auf⸗ nimmt und wie tägliches Geld behandelt, hat der Minister zurück⸗ gewiesen. Aber das wäre doch im Falle der Annahme dieses Gesetzes der beste Ausweg. Nach dem Minister sollen jährlich 1 Milliarde Mark Schatzanweisungen auf dem Markte sein. Aber diese befinden sich im Besitze der Banken und sind in großer Anzahl kaum käuflich. Deshalb hat der Rat an die Sparkassen, ihr Geld in Schatz⸗ anweisungen anzulegen, keine praktische Bedeutung.
Auf eine Anfrage des Abg. von Strombeck (Zentr.) erwidert der 8 Minister des Innern Dr. von Dallwitz: “ Der Herr Abg. von Strombeck hat durchaus recht. Es soll den Gemeinden vollkommen überlassen bleiben, welchen Typ von Staats⸗ papieren sie ihrerseits aussuchen.
Berichterstatter Abg. von Kardorff (reikons.): Der Abg. Waldstein hat einen Widerspruch zu konstruieren versucht zwischen den Ausführungen des Finanzministers und dem schriftlichen Bericht. Ich mache darauf aufmerksam, daß die ersten Seiten nicht von mir her⸗ rühren, sondern von dem Abg. Klußmann. Dieser hielt sich an die Begründung. In dieser Begründung steht allerdings, daß an erster Stelle finanzpolitische Ziele mit dem Entwurf verfolgt würden. Aber die Staatsregierung hat gar keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie auf die Liquidität ein wesentlich größeres Gewicht legt als auf die Hebung des Kurses der Staatspapiere. Das ist in dem Bericht des Abg. Klußmann auch zum Ausdruck gekommen. Ein Widerspruch zwischen dem Bericht und den Ausführungen des Finanzministers be⸗ steht nicht.
§ 2 wird unverändert nach den Kommissionsbeschlüssen
angenommen, ebenso § 3 ohne Debatte. Nach § 4 kann der Oberpräsident unter besonderen Ver hältnissen ausnahmsweise den Sparkassen Erleichterungen von den Auflagen dieses Gesetzes gewähren, wenn dies ohne wesent liche Beeinträchtigung ihrer Liquidität geschehen kann.
Abg. Johanssen (freikons.) befürwortet einen Antrag, wo⸗ nach diese Befugnis in Schleswig⸗Holstein dem Provinzialrat gegeben werden soll.
Abg. Winckler kkons.): Es ist anzuerkennen, daß die Ver⸗ hältnisse Schleswig⸗Holsteins anders liegen als in anderen Provinzen, insofern als dort jetzt nur ein geringer Teil, der Einlagen in Inhaberpapieren angelegt ist. Wenn man aber die Tendenz des Ge⸗ setzes billigt, dann muß man doch wünschen, daß in Schleswig⸗Holstein mit der Zeit hierin ein Wandel eintritt und die Sparkassen dort einen größeren Prozentsatz in Inhaberpapieren anlegen, um allen Anförde⸗ rungen gerecht zu werden. Wenn man also auch anerkennt, daß die Wirkungen des Gesetzes in Schleswig⸗Holstein vielleicht schärfer her⸗ vortreten werden als in anderen Provinzen, so kann man aus dieser Tatsache doch nicht die Schlußfolgerung ziehen, die der Antrag ziehen will. Es ist nicht einzusehen, weshalb man an die Stelle des Ober⸗ präsidenten für Schleswig⸗Holstein den Provinzialrat setzen soll. Ich glaube, das Vertrauen, welches man im allgemeinen den Oberpräsi⸗ denten wird entgegenbringen müssen, daß sie entsprechend den Vor⸗ schriften dieses Gesetzes die besonderen Verhältnisse der einzelnen Sparkassen prüfen und eine Milderung, wo es notwendig ist, eintreten lassen werden, wird man auch dem jeweiligen Oberpräsidenten von Schleswig⸗Holstein entgegenbringen müssen. Das Gegenteil würde geradezu ein von der Gesetzgebung ausgesprochenes Mißtrauen sein. Ich habe überhaupt das Bedenken, ob es nach unserer ganzen staats⸗ rechtlichen Struktur zulässig ist, hier an die Stelle des Oberpräsidenten den Provinzialrat zu setzen. Der Provinzialrat ist dazu berufen, eine ganze Reihe von Gegenständen vorzubereiten und zu begutachten. Nach außen tritt immer der Oberpräsident hervor. Nach dem Antrage würde dies geändert werden, dafür gibt es keinen Vorgang in unserer Gesetzgebung. Ich würde der Staatsregierung dankbar sein, wenn sie uns hierüber Auskunft geben wollte. Ich habe dann noch einen anderen Wunsch. In den Kreisen meiner polikischen F östlichen
Provinzen setzt auf diesen § 4 ganz besondere Hoffnungen. Die dortigen Sparkassen müssen anders beurteilt und behandelt werden, als die Sparkassen in anderen Landesteilen, da sie unter gewissen Konkurrenzverhältnissen stehen. Wir würden es mit Dank begrüßen, wenn die Zusicherung gegeben werden könnte, daß die besonderen Ver⸗ hältnisse der östlichen Sparkassen von den Oberpräsidenten besonders berücksichtigt werden.
Minister des Innern Dr. von Dallwitz
1
Meine Herren! Der letzten Anregung des Herrn Abg. Winckler kann ich durchaus zustimmen. Sein Wunsch wird sich um so leichter erfüllen lassen, als die östlichen Sparkassen erheblich mehr an Reichs⸗ und Staatspapieren besitzen, als der Gesetzentwurf verlangt. Ich bin aber bereit, durch eine allgemeine Anweisung an die Ober⸗ präsidenten dafür Sorge zu tragen, daß die besonderen Verhältnisse der einzelnen Sparkassen in weitest gehendem Maße, namentlich in der Uebergangszeit, Berücksichtigung finden.
Eine derartige Anweisung muß aber meines Dafürhaltens generell erlassen werden und kann nicht einzelne Fälle, einzelne Provinzen betreffen, wie dies nach dem Antrage der Herren aus Schleswig der Wunsch zu sein scheint.
Was die Zuständigkeit des Provinzialrates betrifft, so stimme ich auch darin mit dem Herrn Abg. Winckler überein, daß es nach der Struktur des Provinzialrates, der eine beschließende, begutachtende, beratende, zustimmende Behörde ist, nicht aber eine Exekutivbehörde ist, vollkommen ausgeschlossen ist, dem Provinzialrat Exekutivbefugnisse zu übertragen. Eine solche Maßnahme würde aus dem Rahmen unserer Behördenorganisation herausfallen, und die Staatsregierung würde garnicht in der Lage sein, sich auf einen derartigen Antrag einzulassen. (Hört, hört!)
Daß für die Provinz Schleswig⸗Holstein ein Ausnahmegesetz nicht erlassen werden kann, habe ich vorhin schon angedeutet. Ich muß dringend bitten, den Antrag Johanssen abzulehnen.
Abg. Dr. Schroeder⸗LCassel (nl.): Nicht nur in Schleswig⸗ Holstein, sondern auch in der Provinz Hannover verdienen die Spar⸗ kassen eine besondere Berücksichtigung. Aber auch ich kann mich nicht damit einverstanden erklären, daß nur für eine Provinz Ausnahmen geschaffen werden.
Abg. Reinhard (Zentr.): Wenn ich auch anerkenne, daß die
Schleswig⸗Holsteiner gerade bei diesem Gesetz Schulter an Schulter;
mit den Hannoveranern gekämpft haben, so bin ich doch nicht in der Lage, für den Antrag zu Fiemanen. Es ist nicht angängig, für Schles⸗ wig⸗Holstein allein eine Ausnahme zu machen. Auch andere Pro⸗ vinzen, insbesondere Hannover und auch die Rheinprovinz, werden von diesem Gesetz sehr schwer betroffen. § 4 gibt nun die Möglichkeit, diese Härten wenigstens einigermaßen zu beseitigen. Besonders be⸗ troffen sind die Sparkassen in den Grenzbezirken, die aus den anderen Bundesstaaten Einlagen erhalten und dahin Geld ausgeliehen haben. Die Oberpräsidenten sollten angewiesen werden, besonders diesen Be⸗ ken alle möglichen Erleichterungen zu gewähren.
Minister des Innern Dr. von Dallwitz:
Die Fassung des Gesetzes ist eine allgemeine, es würde also nicht ausgeschlossen sein, auch Erleichterungen gegenüber den Satzungen zu gewähren. Dies würde aber immer nur ausnahmsweise geschehen können und besondere Verhältnisse voraussetzen. Im übrigen habe ich bereits vorhin erklärt, daß ich bereit bin, die Oberpräsidenten anzu⸗ weisen, besondere Verhältnisse der einzelnen Sparkassen in angemessener Weise zu berücksichtigen.
Abg. von Kardorff (freikons.) bittet um eine Erklärung, daß auf Grund dieses Paragraphen die kreisfreien Städte nicht anders behandelt werden sollen als die in einem Kreise belegenen Städte.
Minister des Innern Dr. von Dallwitz
Ich kann diese Erklärung abgeben; es wird auf Grund des § 4 möglich sein, dem Wunsche Rechnung zu tragen.
Abg. Waldstein ffortschr. Volksp.); Wenn allein der Ober⸗ präsident entscheidet, so köͤnnen fiskalische Gesichtspunkte der Provinz den Sparkassen gegenüber geltend gemacht werden. Deshalb muß der Bezirksausschuß die Entscheidung über die Ausführung des § 4 haben. Eine Unklarheit besteht übrigens noch in dem Wortlaut des § 1. § 1 geht davon aus, daß es keine öffentliche Sparkasse gibt, deren Garantiebezirk über die Grenzen eines Stadt⸗ oder Landkreises hin⸗ ausgeht; es gibt aber solche Sparkassen, und deshalb muß der Wort⸗ laut des § 1 noch geändert werden. Daß § 4 dieser Anomalie ab⸗ helfen könnte, ist nicht richtig.
Abg. Johanssen (freikons.) zieht nach der entgegenkommenden Erklärung des Ministers seinen Antrag zurück.
§ 4 wird unverändert angenommen, desgleichen ohne Debatte §§ 5 und 6. 8
§ 7 bestimmt in der Kommissionsfassung, daß Sparkassen, die Mindestbeträge unter 25 %, aber nicht unter 15 % in mündelsicheren Papieren anzulegen haben, ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde von ihren Jahresüberschüssen zu öffent lichen, dem gemeinen Nutzen dienenden Zwecken des Garantie verbandes verwenden können: a. ein Drittel, wenn der Sicher heitsfonds der Sparkasse 2 bis 5 % der Spareinlagen beträzt, b. die gesamten Jahresüberschüsse, wenn der Sicherheitsfonds 5 % oder mehr beträgt.
Sparkassen, die mindestens 25 % ihres Vermögens in mündelsicheren Papieren anzulegen haben, können ohne Ge⸗ nehmigung der Aufsichtsbehörde von ihren Jahresüberschüssen zu den genannten Zwecken verwenden a. die Hälfte, wenn der Sicherheitsfonds 2 bis 5. % der Spareinlagen beträgt, b. die gesamten Jahresüberschüsse, wenn der Sicherheitsfonds 5 %ℳ oder mehr beträgt.
Der Kompromißantrag der Abgg. Winckler (kons.), Dr. Schroeder⸗Cassel (nl.), von Kardorff (freikons.D) und Mommsen (fortschr. Volksp.) schlägt die Aenderung vor, daß Sparkassen bei einer Anlage unter 25 %, aber nicht unter 20 % in mündelsicheren Papieren für die genannten Zwecke verwenden können: a. ein Viertel der Jahresüberschüsse bei einem Sicherheitsfonds von 2 bis 5 % der Spareinlagen, b. die Hälfte bei einem Sicherheitsfonds von 5 bis 8 %, c. die gesamten Jahresüberschüsse bei einem Sicherheitsfonds von 8 oder mehr Prozent.
Der Antrag bestimmt ferner, daß Sparkassen, die mindestens 25 % des Vermögens in mündelsicheren Papieren anzulegen haben, in der genannten Weise verwenden können: a. die Hälfte bei einem Sicherheitsfonds von 2 bis 5 %, b. drei Viertel bei einem Sicherheitsfonds von 5 bis 8 %, c. die ge⸗ samten Jahresüberschüsse bei einem Sicherheitsfonds von 8 oder mehr Prozent. Endlich bestimmt der Antrag, daß die Verwen⸗ dung der Jahresüberschüsse der Genehmigung der Aufsichts⸗ behörde nur bedarf, wenn die Ueberschüsse zur Deckung von auf gesetzlicher Verpflichtung beruhenden Ausgaben des Garantie⸗ verbandes verwendet werden sollen.
Ein Eventualantrag der Abgg. Tourneau
(Zentr.)
u. Gen. will für den Fall der Annahme des Antrags Winckler
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1
in dessen Fassung im ersten Absatz unter b die gesamten Jahres⸗
überschüsse bei einem Sicherheitsfonds von 5 oder mehr Prozent
verwenden lassen und demgemäß die Nr. e streichen. In der⸗ selben Weise soll in dem zweiten Absatz die Nr. b geändert und demgemäß auch dort die Nr. c gestrichen werden. Endlich bestimmt dieser Antrag, überschüsse der Genehmigung der nicht bedarf.
Die Abgg. Borchardt (Soz.) u. Gen. beantragen den Zusatz zu § 7: „Von den zur Verwendung stehenden Beträgen ist in allen Fällen die Hälfte zur Erhöhung des Zinsfußes der Spareinlagen zu verwenden.“ .
§ 7 enthält endlich in der Kommissionsfassung die Be⸗ stimmung: „Soweit Sparkassensatzungen für die Garantie⸗ verbände günstigere Vorschriften über die Verwendung der Sparkassenüberschüsse enthalten, werden sie durch vorstehende Bestimmungen nicht berührt.“ 81
Ein Antrag der Abgg. Dr. Iderhoff (freikons.) u. Gen. schlägt hierfür folgende Fassung vor: „Im übrigen verbleibt es hinsichtlich der Verwendung der Sparkassenüberschüsse bei den bestehenden Bestimmungen, und zwar auch für die vor bezeichneten Sparkassen, wenn deren Satzungen für die Garantie⸗ verbände günstigere Vorschriften enthalten.“ —
Abg. Tourneau (Zentr.): Der §7 ist in der Kommissionsfassung für uns annehmbar, dagegen würde der Antrag Winckler für uns nur annehmbar sein, wenn er nach unserem Antrag geändert würde. Der Abg. Arendt hat gestern den § 7 als ein kleines Trinkgeld bezeichnet; wir wollen dieses Trinkgeld wenigstens möglichst angemessen gestalten, ohne die Grundlagen der Sparkassen zu gefährden. Wir wollen zwar, daß der Sicherheitsfonds möglichst groß ist, daß aber anderseits den Sparkassen nicht übermäßig viel Geld verbleibt, das die Garantie⸗ verbände für ihre Zwecke verwenden können. Die Sparkassen müssen ein Aequivalent dadurch erhalten, daß ohne Genehmigung der Auf⸗ sichtsbehörde ihre Bestände verwendet werden können. Die Garantie⸗ verbände werden selbst entscheiden können, wie es nützlich ist, diese Bestände für ihre Zwecke zu verwenden. Mit Rücksicht auf die Haftung der Garantieverbände erscheint uns ein Sicherheitsfonds von 5 % vollkommen ausreichend. Wenn im Großherzogtum Baden ein Reservefonds von 5 % genügt, so genügt er auch bet uns. Wenn wir den Antrag Borchardt annehmen wollten, so müßte der Zinsfuß in jedem Jahre nach den Erträgnissen erhöht oder vermindert werden: das wäre die Form der Dividende. Der Antrag ist übrigens unvollständig, denn er müßte auch die Ermäßigung des Zinsfußes vorsehen, wenn keine Ueberschüsse da sind. Darauf werden sich die “ wohl nicht einlassen. Wir lehnen diesen Antrag also ab.
daß die Verwendung der Jahres⸗ Aufsichtsbehörde “
—₰
Minister des Innern von Dallwitz:
Meine Herren! Es ist der Staatsregierung nicht leicht geworden, daß sie gerade beim § 7 dem weitergehenden Wunsche, wie er in den Kommissionsbeschlüssen zum Ausdruck gekommen ist, nicht im vollen Umfange stattgeben kann. Aber, meine Herren, es würden bei einer gleichzeitigen völligen Ausschaltung der Kontrolle der Aufsichtsbehörde und einer unbegrenzten Ausdehnung der Verwendungszwecke, wie sie in den Kommissionsbeschlüssen vorgesehen ist, doch Zustände sich ergeben, die, wie ich glaube, in diesem Hause als hochbedenklich und und nicht als haltbar angesehen werden dürften. (Sehr richtig!) Meine Herren, der jetzige Zustand ist der, daß die Kommunen mit Ausnahme von 37 Sparkassen in 3 Provinzen, für die besondere Bestimmungen gelten, ganz allgemein entweder durch die Satzung oder die Bestimmungen des Sparkassenreglements an die Genehmigung der Aufsichtsbehörden für alle Verwendungs⸗ zwecke gebunden sind, die sie im Auge haben. Diese Genehmigung wird nur erteilt, wenn es sich um gemeinnützige Aufwendungen handelt. Nach dem Vorschlage der Kommission wird zunächst die Verwendung der Sparkassenüberschüsse, die jetzt, wie ich eben erwähnt habe, auf gemeinnützige Zwecke beschränkt sind, auf alle dem gemeinen Nutzen dienenden Zwecke ausgedehnt, und das, meine Herren, sind so ziemlich alle Ausgaben, die in den Etat einer Gemeinde eingestellt werden können; ich wüßte momentan wenigstens keine Ausgaben zu nennen, die nicht dem gemeinen Nutzen dienen; jedenfalls gehören auch alle Ausgaben dazu, die auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen geleistet werden müssen. Die einzige Ausgabe, die mir augenblicklich vorschwebt, ist die der Verwendung für parteipolitische Zwecke und für Unter nehmungen, die zur Erreichung parteipolitischer Zwecke dienen sollen. Ich nehme an, daß das Haus mit mir darin übereinstimmt, daß solche Zwecke allerdings nicht als dem gemeinen Nutzen dienend bezeichnet werden können. (Sehr richtig! rechts.)
Wenn nun aber die Verwendung durch die Beschlüsse der Kom⸗ mission auf alle Ausgaben ausgedehnt worden ist, die in den Etat einer Gemeinde Aufnahme finden können, und gleichzeitig das Er⸗ fordernis einer Genehmigung, die Kontrolle der Aufsichtsbehörde, fallen gelassen ist, so würde sich folgendes Bild ergeben. Er würde, abgesehen etwa von einzelnen größeren Gemeinden, die nach wie vor die Sparkassenüberschüsse zu gemeinnützigen Zwecken, zu denen sie ursprünglich bestimmt waren, verwenden werden, alle anderen, wenigstens die überwiegende Mehrzahl der mittleren und kleineren Gemeinden, die Sparkassenüberschüsse einfach in den Etat einstellen. Meine Herren, daraus würde sich doch aber die Folge ergeben, daß die Sparkassenüberschüsse, die aus den Einlagen der minderbemittelten Schichten der Bevölkerung sich ergeben, zu Steuerherabsetzungen ver⸗ wendet werden, die doch. ganz überwiegend den wohlhabenderen Schichten zugute kommen, da diese infolge der Steuenprogression an eine Herabsetzung des Steuersolls immerhin ein größeres Interesse haben oder stärker beteiligt sind, als die armen Bewohner, die entweder gar nicht oder nur in geringerem Maßstabe zu den städtischen Steuern herangezogen werden. 1
Ferner würde die Folge sein, daß die Stadtgemeinden die Spar⸗ kassen nicht mehr als das, was sie ursprünglich waren, nämlich als gemeinnützige Institute ansehen werden, um der ärmeren Bevölkerung Gelegenheit zu geben, ihre Spareinlagen sicher und einwandsfrei niederzulegen, sondern daß die Stadtgemeinden sie als städtische Erwerbsinstitute behandeln würden. Das würde aber wiederum die Folge haben, daß das Streben nach Plusmacherei, nach hohen Ueber⸗ schüssen, die Oberhand gewinnen würde, und daß das wiederum die Sicherheit und auch die Liquidität der Sparkassen und der Einnahmen wohl zu beeinträchtigen geeignet sein würde. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, für die Finanzen der Städte würde das nach meinem Dafürhalten auch recht bedenkliche Folgen zeitigen können Es liegt doch auch in den Gemeindeparlamenten das Streben vor, möglichst hohe Aufwendungen zu machen, ohne die Steuerschraube allzu sehr anzuziehen. Die Magistrate sind bisweilen kaum in der Lage, dem Drängen nach dieser Richtung Widerstand zu bieten, und sie würden, wenn die Notwendigkeit einer staatlichen Genehmigung gänzlich aus⸗ geschaltet werden sollte, um dem Andrängen Widerstand leisten zu
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können, dauernde Ausgaben auf unbestimmte, schwankende Einnahmen fundieren. Das kann für die Finanzen einer Gemeinde von geradezu verhängnisvoller Wirkung sein.
Schließlich kommt aber auch der Gesichtspunkt in Betracht, daß wir bisher alljährlich an Sparkassenüberschüssen im ganzen Lande mehr als 20 Millionen Mark für kulturelle, gemeinnützige, wohltätige Zwecke aufgewendet haben. Diese 20 Millionen würden zum über⸗ wiegenden Teile verschwinden, und es würde damit ein Rückschritt in der kulturellen Entwicklung eintreten können und eintreten müssen, der zu sehr schwerwiegenden Bedenken Anlaß gibt. Um aber den Wünschen, wie sie in der Kommission zur Geltung gebracht worden sind, tunlichst entgegenzukommen, ist die Staatsregierung bereit, zu⸗ nächst dem zuzustimmen, daß nicht mehr wie bisher die Verwendungs⸗ zwecke beschränkt bleiben auf gemeinnützige Aufwendungen, sondern daß sie ausgedehnt werden sollen auf alle dem gemeinen Nutzen dienenden Ausgaben, und „daß ferner die staatliche Genehmigung ganz in Fortfall kommen soll für alle bisher zugelassenen Auf⸗ wendungen zu gemeinnützigen Zwecken, daß sie ferner in Fortfall kommen soll für alle Aufwendungen zu Zwecken, die dem gemeinen Nutzen dienen, soweit sie nicht auf gesetzlicher Grundlage beruhen. Es soll lediglich in den Fällen, wo es sich um Ausgaben handelt für Zwecke, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen, die Genehmigung erforderlich sein, um zu verhüten, daß nicht ohne weiteres, und ohne daß ein dringendes Bedürfnis vorliegt, die Einnahmen einfach in dem großen Topf ver⸗ schwinden, und von gemeinnützigen Aufwendungen, auch wo es an⸗ gebracht und notwendig wäre, in Zukunft völlig Abstand genommen wird. Das sind Erwägungen, die es in der Tat geboten erscheinen lassen, in dieser Beschränkung, wie ich sie eben angedeutet habe, und wie sie, soweit ich weiß, mit dem Antrage Winckler übereinstimmt, die Genehmigung aufrecht zu erhalten. Bedenken Sie, daß den Stadtgemeinden schon ein sehr weitgehendes Entgegenkommen erwiesen wird einerseits mit der Ausdehnung der Verwendungszwecke und andererseits mit der Beschränkung der Genehmigung auf einen Bruch⸗ teil der Verwendungszwecke, für die sie jetzt Sparkassenüberschüsse überhaupt nicht verwenden dürfen.
Nun enthält der Antrag des Herrn Abg. Tourneau auch den Wunsch oder die Forderung, daß der Reservefonds, der nach den Anträgen der Abgg. Iderhoff und Genossen auf 8 % festgesetzt werden soll, auf 5 % normiert werden möge. Es sollen mithin dann, wenn 5 % des Vermögens als Reservefonds angesammelt sind, alle weiteren Ueberschüsse zu beliebigen Zwecken verwendet werden können. Der Reservefonds ist durch das Sparkassenreglement gefordert und gedacht als Puffer, um zu verhüten, daß eine Gemeinde, welche eine Spar⸗ kasse einrichtet, dadurch in finanzielle Bedrängnis gerate. Diese Ein⸗ richtung findet ihre Begründung darin, daß unter Umständen die Sparkassenunternehmen einen Umfang haben, der zu dem Umfang der betreffenden Gemeinde oder der betreffenden Garantieverbände und ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit nicht mehr im Verhältnis steht. Es können unter Umständen durch Defekte oder durch Verluste, die bei der Sparkasse entstehen, die Finanzen einer Stadtgemeinde nicht nur gestört, sondern geradezu ruiniert werden. Um solche Mißstände zu verhüten, muß man eine recht weitgehende Vorsicht obwalten lassen.
Ich darf mir erlauben, Ihnen mitzuteilen, daß, ganz abgesehen von den bekannten Fällen der Stadt Verden in Hannover, die im Jahre 1886 ein so hohes Manko hatte, daß 1908 noch an der Sanierung der Gemeinde gearbeitet wurde, und abgesehen von dem Fall Torgau, der auch vor 1900 lag, seit dem Jahre 1900 in nicht weniger als 21 Fällen Sparkassen derartige Verluste erlitten haben, daß die Finanzen der Garantieverbände dadurch geradezu ruinös be⸗ einflußt worden wären, wenn nicht glücklicherweise zum Teil recht hohe Reservefonds angesammelt gewesen wären. (Hört, hört!)
In einer Kreissparkasse in Westpreußen sind 1910 102 500 ver⸗ loren gegangen durch Veruntreuungen. Es war möglich, annähernd die Hälfte aus dem Reservefonds zu decken, wodurch der Kreis vor recht unangenehmen Konsequenzen bewahrt blieb. In einer anderen Kreissparkasse in Westpreußen sind in diesem Jahre 30 000 verloren gegangen, in ähnlicher Weise in einer städtischen Sparkasse des Kreises Pommern 21 800 — alles aus neuerer Zeit —, in einer Kreissparkasse in Pommern ebenfalls durch Veruntreuungen 42 000, in Posen in einer Kreissparkasse 77 000, die aus dem Reserve⸗ fonds voll gedeckt werden konnten, in einer städtischen Sparkasse im Regierungsbezirk Merseburg 1902 31 000, in der städtischen Spar⸗ kasse Merseburg in demselben Jahre 3840, davon ist mehr als die Hälfte aus dem Reservefonds gedeckt worden; in einer Fleckensparkasse in Hannover 1901 31 000, die aus dem Reservefonds gedeckt werden konnten, in einer Amtssparkasse im Regierungsbezirk Hildesheim 43 000, in der städtischen Sparkasse Duderstadt 32 000 — im ganzen 21 Fälle. Ich kann mir wohl ersparen, Ihnen alle einzelnen Daten zu nennen; aber ich möchte auf einen Fall hinweisen, der in diesem Jahre vorgekommen ist. In einer Stadtgemeinde von 1900 Ein⸗ wohnern ist ein Manko hervorgetreten von 220 000 ℳ. Der Reserve⸗ fonds beträgt 50 000, es werden 150 000 ℳ in einer winzigen Klein⸗ stadt zu decken sein, die meines Erachtens nur durch eine allgemeine Hilfsaktion, durch Eintreten des Staats, werden beschafft werden können.
Wenn man derartige Konsequenzen vor Augen hat und überlegt, daß seit 1900 in 21 Fällen — durchschnittlich pro Jahr in 2 Fällen — derartig betrübende Vorfälle sich ereignet haben, die tatsächlich die Finanzen der betreffenden Städte durchaus zu erschüttern geeignet waren, dann, glaube ich, kann man nicht leichtfertig von dieser An⸗ sammlung eines ausreichenden Reservefonds absehen. Bisher haben wir an einem Reservefonds von 10 % festgehalten. Wenn wir jetzt auf 8 % herabgehen, so scheint mir das das Aeußerste zu sein, wa nach dieser Richtung hin konzediert werden kann angesichts der von
mir angeführten Verhältnisse und der Tatsache, daß, abgesehen von.
niedrigste Satz
Baden, in ganz Deutschland bisher 8 % der mich
für derartige Fonds ist. Bayern hat, soweit ich entsinne, 8 %, Württemberg 8 ½ %, Lothringen 10 %, Sachsen 10 %, Hessen⸗Nassau 10 % und Oesterreich 10 %. Es ist also nur Baden, das nach dieser Richtung hin etwas weniger weitgehende Ansprüche stellte. Ob das zum Vorteil der betreffenden Kommunen, Garantieverbände und Sparkassen ist, möchte ich doch bezweifeln. Alle anderen Staaten haben höhere Sätze als die, wie sie hier in dem Antrag der Herren Abgg. Winckler und Genossen vor⸗ esehen sind, nämlich höhere Sätze als 8 %.
Ich kann Sie nur dringend bitten, unter diesen Umständen den latrag der Herren Abgg. Tourneau⸗ und Gen., der ja von guten lbsichten für die Interessen der Städte und der Sparkassen diktiert ist, nicht anzunehmen, weil er den tatsächlichen Verhältnissen nach
1“ 1 9 8 11“ 1““
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meiner Ansicht nicht in genügendem Maße Rechnung trägt. rechts.)
Abg. Dr. Iderhoff (freikons.): Die Forderung eines Prozent⸗ satzes von 20 % ist durchaus gerechtfertigt. Auch halten wir die vom Gesetz vorgeschriebene Grenze für die Verwendung der Uebherschüsse für durchaus richtig. Wir halten deshalb an dem Antrag Winckler fest. Unser Antrag soll nur eine Lücke ausfüllen, die vielleicht bei der Auslegung des Gesetzes entstehen könnte. Es ist in der Tat unter Umständen zu erwarten, daß Gemeinden Ueberschüsse in den Etat ein⸗ stellen, und daß dann diese dazu dienen, die Kommunalsteuer herab⸗ zusetzen. Die Aufsichtsbehörde muß eine Handhabe haben, hier ordnend eingreifen zu können. Nach dem Wortlaut des Gesetzes müßte man annehmen, daß beabsichtigt ist, die Ueberschüsse nachträglich auf die Einleger zu verteilen. Ich bin gespannt darauf, wie die Antragsteller, die Derartiges wünschen, sich die Sache denken.
Unterstaatssekretär Holtz: Es ist hier Bezug genommen auf Verhältnisse der Provinz Hannover, und diese sind in Vergleich mit denen anderer Provinzen gezogen worden. Wir sind schon in Er⸗ wöchagen darüber eingetreten, die eine einheitliche Regelung möglich machen.
Abg. Dr. Schroeder⸗Cassel (nl.): Wir treten für die Kom⸗ missionsbeschlüsse ein, aber wir haben auch nichts gegen den Abände⸗ rungsantrag Tourneau, da er eine erhebliche Veränderung nicht mit sich bringt.
Abg. Mommsen sfortschr. Volksp.): Wir sind für den §7 in der Fassung des Antrags Winckler, soweit es mich und meine Freunde betrifft, die diesem Gesetz freundlich gegenüberstehen. Einen Teil der Ueberschüsse für andere Zwecke herauszunehmen, halte ich für bedenklich. Aber in diesem Falle müssen wir erst einmal abwarten, wie die Dinge sich weiter entwickeln werden. Ich werde für den Antrag Iderhoff stimmen. Die Abag. Borchardt und Genossen wollen, daß die Ueberschüsse der Sparkassen zur Erhöhung des Zinsfußes benutzt werden. Dagegen muß ich mich ohne weiteres erklären, denn das würde die Einführung eines schwankenden Zinsfußes für die Spar⸗ kassen bedeuten, der auf jeden Fall unzulässig ist. Denn die Spar⸗ kassen sind doch nicht dazu da, um Leuten, die 50 — 100 000 ℳ auf kurze Zeit aufbewahren wollen, zu einem höheren Zinsfuß zu ver⸗ helfen. Für diese Leute hat doch Herr Borchardt und seine Freunde sonst nichts übrig.
Abg. Reinhard (Zentr.): Für die Provinzen, wo das Spar⸗ kassenreglement gilt, bringt § 7 große Erleichterungen, für die neuen Provinzen, in denen es nicht gilt, dagegen erhebliche Erschwerungen. Die Kommission hat eine Fassung vorgeschlagen, welche den Wünschen der neuen Provinzen einigermaßen entsprach; durch den Antrag Winckler wird dieser Fortschritt leider wieder beseitigt. Wir werden für die Kommissionsfassung, (pentuell für den Antrag Tourneau stimmen, aber auch für den eine Verbesserung darstellenden Antrag Iderhoff. Wir wollen in die bisherige Freiheit der Sparkassen, über ihre Ueberschüsse frei zu verfügen, nicht eingreifen und können unsere Verwunderung darüber nicht unterdrücken, daß gerade Herren von der liberalen Partei gegen diese Freiheit auftreten. Der Grundgedanke des Antrages Borchardt hat etwas Bestechendes; aber schon der Abg. Mommsen hat völlig zutreffend die dagegen sprechenden Bedenken vor⸗ getragen. Der Antrag ist auch prattisch nicht durchführbar; ob sein Grundgedanke irgendwie in eine bessere Form gebracht werden kann, läßt sich nicht übersehen.
Abg. Leinert (Soz.): Die Schädigung, die durch das Gesetz den Sparkassen zugefügt wird, wollen wir nicht rücksichtslos auf die Einleger legen; wir sehen nicht ein, warum die Heraufschraubung des Kurses der Staatspapiere lediglich auf ihre Kosten geschehen soll. Daher unser Antrag. Für diesen ist aber auch noch ein anderer Grund maßgebend gewesen. Indem man die Verwendung der Ueber⸗ schüsse zu Zwecken, „die dem gemeinen Nutzen dienen“, zuläßt, wird der Spielraum für die Garantieverbände erweitert; können die Ueber⸗ schüsse auch nur teilweise zur Deckung von Wegebau, Schul⸗ und Armenlasten verwendet werden, so wird dadurch eine Reduktion der Steuerbelastung ermöglicht, und das wollen wir nicht. Der Abg. von Kardorff meinte gestern, ich hätte den Sinn des Antrages Winckler überhaupt nicht verstanden, die Regierung wolle gerade die Verwendung zu gemeinnützigen Zwecken, und die vor⸗ geschriebene Genehmigung des Oberpräsidenten beziehe sich nur auf die Fälle der Verwendung zu Ausgaben, die gesetzlich den Garantie⸗ verbänden obliegen. Sehr richtig; aber in dem Antrage steht doch ausdrücklich: „die dem gemeinen Nutzen dienen“, das sind ja solche, die der Gemeinde gesetzlich obliegen. Damit wird die Genehmigung für alle diese Ausgaben aus den Ueberschüssen wieder eingeführt, während die Kommission sie gerade aufheben wollte und dies als ein großer Segen bezeichnet wurdc. Ich habe den Antrag nur zu gut verstanden. Man will die Freiheit der Garantieverbände wieder ein⸗ schränken, und zwar von hinten herum. Die gegen den Antrag er⸗ hobenen Einwendungen lassen sich leicht beseitigen, die Einwendung des Abg. Mommsen dadurch, daß man die Einlagen bis zu einer gewissen Höhe höher verzinst; dann sind die reichen Leute ausgeschlossen. Unser Antrag würde den Spartrieb fördern, ein Ziel, das doch auch Sie alle wollen. Eine andere Fassung zur dritten Lesung können wir nicht beantragen, weil bei der dritten Lesung dazu 30 Mitglieder nötig sind; wir müssen schon den anderen Parteien überlassen, diese Form zu finden, wenn Sie das Prinzip wollen. Die Veruntreuungen, die den Sparkassen geschadet haben, sind doch nicht die Schuld der Einleger, sondern der Aufsichtsbehörden.
Abg. von Hassell (kons.): Ich verstehe sehr wohl, wenn man bei dieser Gelegenheit für die Garantieverbände zu erreichen sucht, was zu erreichen ist. Es liegt aber auch im Interesse der Garantieverbände, daß die Sparkassen einen starken Reservefonds haben. Der Kompromißantrag geht an die Grenze dessen, was wir noch annehmen können. Der Antrag Borchardt ist schließlich selbst dem Interesse der kleinen Sparer entgegen, denn Krankenhäuser usw. werden dann aus den Ueberschüssen der Sparkassen nicht mehr er⸗ richtet werden.
Abg. Reinhard (Zentr.): Der Abg. Leinert muß wenig praktische Erfahrungen haben, sonst müßte er wissen, daß fast alle Sparkassen für kleine Einlagen einen höheren Zinsfuß zahlen.
Bei der Abstimmung wird der Antrag Winckler unter Ablehnung der Anträge Tourneau und Borchardt mit dem Antrag Iderhoff angenommen.
Ferner gelangt folgende, von der Kommission vor geschlagene Resolution ohne Debatte zur Annahme: „die Staatsregierung zu ersuchen, eine Uebersicht darüber vor⸗
zulegen, in welchem Umfange die öffentlichen Sparkassen durch Bar⸗ vorräte oder vorübergehende Belegung der Barbestände bei anderen Sparkassen oder sonstigen Kreditinstituten zurzeit für ihre Liquidität gesorgt haben.“ Ferner liegt ein Antrag des Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.) vor, die Staatsregierung um Vorlegung eines Gesetzentwurfs zu ersuchen, durch den die öffentlichen Sparkassen gegen das Kursrisiko tunlichst sichergestellt werden 5 das ihnen der Zwangsbestand an Inhaberpapieren auf⸗ ürdet.
Der I steller beruft sich zur Begründung dieses Antrags auf seine Ausführungen in der allgemeinen Besprechung und 8. fesefle der Sicherstellung der Sparkassen um Annahme es Antrags.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Meine Freunde erblicken in dem Antrag eine durchaus dankens⸗ werte Anregung und wünschen, daß aus dieser Anregung auch Praktisches für die Sparkassen hervorgehe, aber bisher habe ich keinen gangbaren Weg zur Erreichung des in dem Antrag Vorgeschlagenen erkennen können und auch in den Ausführungen des Antragstellers sichere Mittel vermißt, wie sich in der Praxis die Ausführung des Gedankens gestalten läßt. Es erscheint uns deshalb wünschenswert, diese Aufgabe der Kommission zu über⸗
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weisen, die mit der Vorberatung des Sparkassengesetzes betraut war. Ob sie freilich zu einem positiven Ergebnis kommen wird, ist zweifelhaft.
Abg. Winckler (kons.): Mit dem Vorbehalt, daß durch Ueberweisung des Antrags an die Kommission die geschäftliche Er⸗ ledigung des Gesetzentwurfs selbst hier im Hause nicht beeinträchtigt
wird, kann ich mich der Anregung des Abg. von Zedlitz anschließen.
Ich glaube allerdings auch kaum, daß dabei etwas heraustommen wird. Ich nehme an, daß die Kommission nach der dritten Beratung des Gesetzentwurfs in die Beratung dieses Antrags eintritt. —
Abg. Dr. Schroeder⸗Cassel (nl.): Auch ich möchte bitten, von der Behandlung des Antrags, den ich an sich für beachtenswert halte, nicht das Schicksal des Gesetzes abhängig zu machen.
Abg. Dr. Faßbender (Zentr.): Für uns ist die Sache von geringem Belang. Wir lehnen das ganze Gesetz ab. 1
Abg. Waldstein (fortschr. Volkep.): Ein Gesetz, das die Ab⸗ sicht hat, Wunden zu schlagen, hat auch die Aufgabe, für die Heilung Vorsorge zu treffen.
Abg. Winckler (kons.) beantragt darauf, den Antrag Waldstein einer besonderen Kommission von 21 Mitgliedern zuu überweisen. 8
Dies wird mit großer Mehrheit beschlossen. 8
Damit ist die zweite Beratung des Sparkassengesetzentwurss beendet.
„Es folgt die Interp ellation der Abgg. Mizerski (Pole) und Genossen:
„Ist der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß die König⸗ liche Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen am 10. d. M. beschlossen hat, verschiedene ländliche Besitzungen im Wege der Enteignung zu Ansiedlungs⸗ zwecken zu erwerben? Wie glaubt die Königliche Staats⸗ regierung, diese mit dem Artikel 9 der Verfassungsurkunde für den preußischen Staat und mit dem Artikel 3 der Verfassung des Deutschen Reiches in Widerspruch stehende Maßnahme rechtfertigen zu können?“
Auf die Frage des Präsidenten erklärt sich der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Frei⸗ herr von Schorlemer bereit, die Interpellation sofort zu beantworten.
Zur Begründung der Interpellation erhält das Wort
Abg. Korfanty (Pole): In dem Augenblick, wo auf dem Balkan die christlichen Völker, von den Sympathien aller anständigen Elemente der zivilisierten Welt begleitet, mit ihren Bedrängern ab⸗ rechnen, unternimmt die preußische Regierung einen Schritt, der die Rechte anderer Nationalitäten mit Füßen tritt. Die preußische Regierung macht zum ersten Male von ihrem sogenannten Recht der Enteignung Gebranch. Die Ansiedlungskommission hat am 10. d. M. beschlossen, vier Güter zu enteignen. Der Besitzer des einen Gutes ist der Nachkomme eines Mannes, der auf dem Schlachtfelde von Königgrätz für besondere Tapferkeit zum Leutnant besfördert worden ist. Ein anderes. Gur gehört einer Witwe mit unmündigen Kindern. Im ganzen sind es 1700 ha, und wegen dieser 1700 ha sollen die heiligsten Grundsätze jedes geordneten Staatswesens verletzt werden. Zur Besiedlung kommen von jenen 1700 ha nur 827 ha, auf denen ungefähr 75 Bauern angesiedelt werden sollen. Seit dem 20. März 1908 batte die Regierung formell dieses Recht zur Verfügung, ohne davon Gebrauch zu machen. Trotz des Drängens der Hakatisten, dieser Patentpatrioten, scheute sich die Re⸗ gierung bisher, unser Eigentum anzutasten, sich daran zu vergreifen. Die Kolonisation ist in diesem Falle Hekuba. Man gibt nur dem Drängen des rachsüchtigen Hakatismus nach, ein Bedürfnis der Ent⸗ eignung liegt nicht vor. Die Ansiedlungskommission hat größere Flächen zur Ansiedlung zur Verfügung gestellt. Die polnische Be⸗ völkerungsziffer ist gesunken. Ein Mangel an Land ist nicht vor⸗ handen. Der Schritt der Regierung ist also eine Verhöhnung alles dessen, was bisher unter zivilisierten Völkern als Recht bestanden hat. Die bisherige Polenpolitik war schon schädlich und aufreizend genug; nachdem man uns jahrzehntelang in Kirche und Schule und durch die Ansiedlungsnovelle und die Sprachen⸗ verordnungen drangsaliert hat, greift man nun zum Aeußersten. Wir leben unter einer Gewaltherrschaft. Man knechtet unsere Nation Jetzt will man sie von Hof und Heimat verjagen. Bei uns werden alle ohne Rücksicht auf Rang und Stellung drangsaliert. Man ruiniert unseren Wohlstand und sucht unsere Kultur zu vernichten Im Herrenhause sagte ein Mitglied seinerzeit, man könne nicht in derselben Weise kolonisieren und germanisieren wie früher. Das heißt doch nur, man könne uns nicht mit Feuer und Schwert vernichten wie es seinerzeit Markgraf Gero gegenüber den slawischen Völkerschaften getan hat. Das Herrenhaus soll ein Gegengewicht sein gegen etwaige schädigende Tendenzen des anderen Hauses. Da ist es doch charakteristisch, daß dort ein solcher Ausdruck fallen konnte. Gegen da Polentum geht man vor, weil die Bevölkerung sich nicht nur behauptet sondern auch vorwärts kommt und die größten Opfer nicht scheut um sich als Volk zu behaupten. Als seinerzeit der preußische König polnische Teile okkupierte, da hieß es: „Auch ihr habt ein Vaterland. Ihr werdet meiner Monarchie einverleibt, ohne eure Nationalität verleugnen zu müssen. Ihr werdet in meinem Staate eine be⸗ sondere Verfassung erhalten. Eure Religion wird aufrecht erhalten werden, und euer Eigentum kehrt wieder unter den Schutz des Gese zurück“. Deshalb vergreift man sich wohl jetzt an dem polnischen Eigentum, um den Wert von Königsworten zu bekräftigen. Ferner heißt es: „eure Sprache soll neben der unserigen gebraucht werden, und jeder Pole soll nach seinen Fähigkeiten zu allen Aemtern zu⸗ gelassen werden“. Solches versprach der preußische König, der uns zu diesem Staate geschlagen hat. Vergleichen Sie unsere Lage, und dann frage ich jeden: was ist aus den Worten des Königs geworden? Welche Achtung sollen wir vor einem Staate haben, in dem Königs⸗ worte einen solchen Wert haben? Die preußischen Minister haben sich nicht gescheut, von der Tribüne dieses Hauses herab, ohne Widerspruch zu finden, unserer Bevölkerung vorzuwerfen, daß sie genügsamer und bodenständiger als die deutsche ist und dadurch die Deutschen verdränge. Fast eine Milliarde Mark hat der Staat ausgegeben, um unsere Bevölkerung zu drangsalieren. Zieht sie nach der Stadt, sofort erhalten die Deutschen außerordentliche Mittel, um sich zu behaupten. Ziehen die Polen nach dem Westen, dann wird ein Geschrei erhoben, daß im Westen ein zweites Polen entstehe. So wird es
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unserer Be⸗ völkerung unmöglich gemacht, Grund und Boden zu erwerben. Auf der anderen Seite wird der mit uns zusammenlebenden deutschen Be⸗ völkerung alles Vorteilhafte geboten. Die ganze Bevölkerung besteht deshalb doch zum größten Teil aus Staatsstipendiaten, die selbst aus eigenen Mitteln nicht zu unterbalten sind. Das ist ein ununter⸗ brochener Bruch der Verfassung. Zu diesen Mitteln müssen wir doch auch beitragen. Wir wissen alle, welche Pression die Minister und die Regierung angewandt haben, um ihren schlimmen Zweck zu er⸗ reichen. Entgegen den Tatsachen hielten die Regierungsvertreter stundenlange Reden über die angebliche Gefährlichkeit der Polen, die ganz besonders während der Zeit eines Krieges zu Tage treten würde. Fürst Bülow hat sich sogar hinter der Krone verschanzt und behauptet, daß es der Wunsch dieser sei, daß dieses Gewaltgesetz zustande kommt. So etwas darf doch kein Minister tun. Die Krone ist doch verant⸗ wortungsfrei. Fürst Bülow hat dann die berühmte Erklärung 4 gegeben, daß eine Anwendung des Gesetzes wohl kaum erfolgen werde. Die Tatsachen aber stehen zu dieser Behauptung in krassem Wider⸗ spruch. Eine solche Handlungsweise der Regierungsvertreter will ich nicht qualifizieren. Ein jeder kann sich das Urteil darüber allein bilden. Trotzdem beide Häuser des Landtages mit nicht so großer Mehrheit ihre Zustimmung gegeben haben, halten wir das Vorgehen der Königlichen Staatsregierung für ungesetzlich und im Wider⸗ spruch mit der Verfassung stehend. Deshalb ist auch der Beschluß der Ansiedlungskommission verfassungswidrig. Die Staatsgrund⸗ gesetze sollen doch ein unerschütterliches Recht darstellen
sie bedeuten, daß die individuelle Freiheit durch keine Kamme