Perhältnis nach der historischen Entwicklung oder aus wirtschaftlichen Ursachen anders gestaltet ist. Wir hätten auch gegen eine abweichende Behandlung der erwähnten Landesteile keine Bedenken; darauf be⸗ zügliche Wuͤnsche der Interessentenkreise sind aber nicht an uns heran⸗ getreten.
Abg. Dr. von Kries (kons.): Nach dieser Erklärung haben wir gegen den Antrag Iderhoff nichts zu erinnern. Für die Gleich⸗ stellung der Fristdauer sprechen überwiegende sachliche Gründe, vor allem Gründe der Billigkeit. Es wäre unbillig, bisherige Eigen⸗ tümer durch die kurze Frist von 2 Jahren der Gefahr auszusetzen, ihr Eigentum zu verlieren.
Abg. Ecker⸗Winsen (nl.): Die Frist von 2 Jahren reicht voll⸗ ständig aus, um Klarheit zu schaffen. Den Antrag Iderhoff möchte ich zur Annahme empfehlen.
Abg. Fürbringer (nl.) erklärt sich gegen den Antrag Iderhoff, dessen Annahme zwar die Stellung der Sielrechte sehr 2 sie aber auch eventuell von dem Nachweis des Eigentums befreien würde. Dadurch könnten dann vielleicht die Schiffahrtsinteressen sehr benach⸗ teiligt werden, deren sich natürlich die Sielrechte erst in zweiter Linie annähmen. Der Antrag müsse auch seiner präjudizierlichen Wirkung halber abgelehnt werden.
Auf eine Anregung des Abg. Freiherrn Schenk zu Schweins⸗ berg (kons.) gibt ein Regierungskommissar die Erklärung ab, daß auf die besondere Begriffsbestimmung des Eigentums in § 9, Absatz 2, im Unterschied zu derjenigen des § 7 auch in den Aus⸗ führungsbestimmungen ausdrücklich werde hingewiesen werden.
An der weiteren Besprechung beteiligen sich die Abgg. Ger⸗ hardus (Zentr.), Lieber (nl.) und Dr. Iderhoff (freikons.), der ausführt, daß der Abg. Fürbringer von ganz falschen Voraussetzungen bei der Bekämpfung seines Antrags ausgegangen sei, da die Siele nicht etwa natürliche Wasserläufe, sondern in erster Linie Ent⸗ wässerungsanlagen seien.
Absatz 1 von § 9 wird angenommen, ebenso der Antrag Iderhoff. Der Antrag der Konservativen zu Absatz 2 wird mit 122 gegen 109 Stimmen abgelehnt, Absatz 2 gelangt in der Kommissionsfassung zur Annahme.
Nach § 10 kann der Staat das Eigentum an einem Strome, der ihm nicht gehört, aber von ihm unterhalten wird, in Anspruch nehmen, wobei der bisherige Eigentümer zu ent⸗ schädigen ist.
Abg. Dr. Wagner⸗Breslau (freikons.) beantragt, daß die Inanspruchnahme nur aus Gründen des öffentlichen Wohles erfolgen darf.
Berichterstatter Abg. Bitta empfiehlt die Antrages.
Ablehnung dieses
Abg. Dr. Wagner⸗Breslau (freikons.): Ich möchte doch meinen Antrag zur Annahme empfehlen. Der Antrag entspricht einem Wunsche des Magistrats von Breslau und ist damit begründet, daß sonst rein fiskalische Gesichtspunkte die Uebernahme des Eigen⸗ tums auf den Staat veranlassen können. Für die Kommune ist es aber nicht gleichgültig, wem das Eigentum übertragen ist. Es muß deshalb bestimmt werden, daß nur aus Gründen des öffentlichen Wohls der Staat das Eigentum übernehmen kann. Es handelt sich um eine Frage, die für die Kommunen in späterer Zeit von großer Wichtigkeit sein kann. Es liegt keine innerlich begründete Veranlassung vor, dem Staate in diesem Falle mehr Recht zu gewähren, als das Enteignungsgesetz ihm in anderen Fällen gibt. Ich bitte also, dem wohlerwogenen Wunsche des Magistrats von Breslau zu entsprechen. Eine ganze Anzahl von Anträgen wünscht an anderen Stellen den Zusatz des öffentlichen Wohls als Voraussetzung für einzelne Be⸗ stimmungen. Wenn es an anderen Stellen nötig ist, so ist es jeden⸗ falls hier noch nötiger.
Unterstaatssekretär im Ministerium der öffentlichen Arbeiten Dr. Freiherr von Coels von der Brügghen: Es ist undenkbar, daß die Enteignung aus anderen Gründen als denen des zffentlichen Wohles geschehen soll. Sie soll nicht etwa aus fiskali⸗ schen Gründen erfolgen. Ich kann mich sachlich mit dem Antrag einverstanden erklären, aber formell halte ich es doch für sehr bedenklich, an den wohlerwogenen Beschlüssen der Kommission in diesem Punkte etwas zu ändern.
Abg. von Strombeck (Zentr.) hält die Bestimmungen des § 10, insbesondere über die Entschädigung, juristisch nicht für genügend geklärt. .
Abg. Lippmann s(fortschr. Volksp.): Die Entschädigung ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Eigentumsrechts zu gewähren, und bei diesem Paragraphen brauchen wir uns darüber nicht zu unterhalten. Zum Antrag Wagner hat die Regierung ja bereits erklärt, daß das öffentliche Wohl selbstverständlich die Voraussetzung der Anwendung des Enteignungsrechts sein soll, und daß sie niemals daran denke, aus anderen Gründen zu exnteignen. Die Regierung ver⸗ langt also gar kein weitergehendes Recht, als der Antrag Wagner geben will, und wir handeln nur praktisch und prinzipiengemäß, wenn wir den Antrag Wagner annehmen.
Nach Ablehnung des Antrages Wagner gegen die Stimmen der Freikonservativen und der Volkspartei wird § 10. unverändert in der Kommissionsfassung angenommen, ebenso ohne Debatte die §§ 11 und 12. .
Zu § 13 beantragt der Abg. von Brandenstein, daß die Festlegung der Uferlinie den Beteiligten bekannt zu machen ist und binnen vier Wochen nach Zustellung im Verwaltungsstreit⸗ verfahren angefochten werden kann. Der Regierungsentwurf sieht nur eine Frist von zwei Wochen vor.
Der § 13 wird in der Fassung nach dem Antrage Branden⸗ stein angenommen. 4
Den §§ 14, 15 und 16 wird ohne Debatte zugestimmt.
Die Beschlußfassung über § 17 wird ausgesetzt bis nach Beratung des § 71. Es liegt zu § 17 der Antrag der Abgg. von Brandenstein (kons.) und Genossen vor, daß gegen den Beschluß binnen zwei Wochen die Beschwerde bei dem Stromausschuß zulässig sein soll. Die Kommission hat an die Stelle des Stromausschusses das neu zu schaffende Landes⸗ wasseramt gesetzt. 3
Ein Antrag des Abg. Kuhr⸗Rogasen (fortschr. Volksp.) will im § 18 Abs. 1 hinter „Anspülung“ die Worte einfügen: „oder sonstige natürliche Ablagerung von Sinkstoffen“.
Abg. Kuhr (fortschr. Volksp.): Unser Antrag will Unklarheiten vermeiden, die entstehen können, weil das Gesetz nur die Land⸗ vergrößerung durch Verlegung des Strombettes oder durch Senkung des Wasserspiegels vorsieht. —
Ein Regierungskommissar: Ich bitte, den Antrag ab⸗ zulehnen, da es selbstverständlich ist, daß auch die Vergrößerung durch Ablagerung von Sinkstoffen unter das Gesetz fällt.
Der Antrag Kuhr wird zurückgezogen. Der dritte Titel handelt von der Benutzung der Wasserläufe. In den allgemeinen Vorschriften (§ 20. bis 24) sind insbesondere die Vorkehrungen vorgesehen, die einer Verschmutzung der Wasserläufe durch industrielle An lagen usw. vorbeugen sollen. Die Kommission hat einen § 24 a hinzugefügt, der über die Haftung für Verunreinigungen Bestimmung trifft, und zwar in einer gegen den Beschluß der Kommission bei der ersten Lesung wesentlich abgeschwächten
Nach der Kommissionsfassung zweiter Lesung haftet für den Schaden, der durch die unerlaubte Verunreinigung eines Wasserlaufs entsteht, der Unternehmer der Anlage, von der die Verunreinigung herrührt. Die Haftung ist ausgeschlossen, wenn der Unternehmer zur Verhütung der Verunreinigung die
im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. (Der Beschluß der Kommission bei der ersten Lesung schloß die Haftung aus, wenn der Unternehmer bewies, daß die Verunreinigung durch höhere Gewalt verursacht ist.) Rührt die Verunreinigung von mehreren Anlagen her, so haften die Unternehmer als Gesamt⸗ schuldner. Unter sich sind sie nach dem Verhältnis ihres Anteils an der Verunreinigung, im Zweifel zu gleichen Teilen verpflichtet.
Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Der Abschnitt über die Benutzung der Wasserläufe ist der wichtigste des ganzen Gesetzes. Allerdings ist ja nur gesagt, was verboten ist, aber dies ist aus dem Grunde geschehen, um einer Verschmutzung vorzubeugen, die leicht gesundheitsschädliche Folgen haben kann. Bei dem Wachsen unserer Industrie und der Städte, die die Wasserläufe zur Abwässerung nötig haben, müssen sich ja Gegensätze herausbilden. Die Kommission hat nun versucht, diese zu vereinigen, ohne daß die Reinhaltung der Flüsse unmöglich gemacht wird. Es ist für nützlich befunden worden, festzusetzen, daß dem Geschädigten der Nachweis erlassen wird, von wem die schädlichen Abwässer herrühren. Anderseits hat man dem Unternehmer Erleichterungen insofern gewährt, daß er vom Schaden⸗ ersatz befreit bleibt, wenn er nachweisen kann, daß er die notwendigen Vorsichtsmaßregeln getroffen hat. Die von der Kommission be⸗ schlossene Resolution will nun die Regierung veranlassen, beim Bundesrat dahin vorstellig zu werden, daß ein Reichswassergesetz er⸗ lassen wird. Dieses ist ganz besonders für Preußen wichtig, damit nicht weitere Industrielle nach Bundesstaaten abwandern, wo ein derartiges Wassergesetz, wie wir es jetzt einführen wollen, nicht besteht. Bis ein solches Reichsgesetz ergeht, kann man eine Schädigung unserer Industrie vermeiden, wenn die Königliche Verordnung, nach der der größte Teil des Gesetzes in Kraft treten soll, bis zu diesem Zeitpunkt hinausgeschoben wird.
Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Iderhoff (freikons.) erklärt ein Regierungskommissar, daß bezüglich der Deich⸗ und Siel⸗ ordnung in der Provinz Hannover es bei dem jetzt geltenden Recht bleiben wird.
Abg. Winckler (kons.): Im allgemeinen bin ich mit den Aus⸗ führungen des Herrn Lippmann einverstanden. Doch habe ich be⸗ züglich des § 24 a erhebliche Bedenken. Er führt eine Aenderung des Zivilrechts herbei, anderseits ist auch die Umkehrung der Beweislast bedenklich. Gegen den § 24 a bestehen namentlich in industriellen Kreisen die größten Bedenken. Ich wäre begierig, zu hören, wie sich der Handelsminister zu diesen Bedenken verhält. Nicht nur aus einzelnen Berufszweigen sind Klagen erhoben worden, sondern der hannoversche Städteverein hat sich mit einer Petition an das Haus gewandt. Diese Bestimmungen können zu schikanösen Prozessen aller Art führen. Es ist zu befürchten, daß die Bestimmungen dieses Paragraphen dazu führen, einen gewerblichen Betrieb einfach un⸗ möglich zu machen. Es stehen sich hier verschiedene Interessen ent⸗ gegen, die Interessen der Fischerei und die Interessen der großen Fabriken. Die Interessen dieser werden vielfach überwiegen, denn es werden in den Fabriken viel mehr Personen beschäftigt als in der Fischerei. Es wird sich darum handeln, die richtige Grenze zu finden, um beiden Interessen gerecht zu werden. Die Kommission ist über die Grenze hinausgegangen, die wir für notwendig halten. § 24 a bedeutet eine schwere Gefährdung unserer gesamten Industrie. Dieser Paragraph geht über die zulässige Grenze hinaus. Einen Antrag auf Streichung des Paragraphen habe ich nicht eingebracht. Aber in solchen Fallen spricht man gegen einen solchen Paragraphen und stimmt dagegen.
Ein Regierungskommissar: Die Beschlüsse der ersten Lesung verändern die Regierungsvorlage zuungunsten der Unternehmer. Der Unternehmer sollte haftbar sein ohne Rücksicht auf sein Ver⸗ schulden. Diese Beschlüsse waren für die Staatsregierung nicht an⸗ nehmbar, es konnte dadurch der Unternehmer übermäßig belastet werden. Aber in zweiter Lesung hat der § 24a eine wesentlich andere Fassung erhalten. Es ist die Beweislast geändert worden. Der Geschädigte hat nachzuweisen, daß er widerrechtlich geschädigt wird, und daß die Schädigung aus dem und dem Unternehmen herstammt. Wenn auch die Streichung des § 24 a lediglich die Regierungsvorlage wieder herstellen würde, so ist doch anderseits anzuerkennen, daß die Schädigung des Unternehmens nicht so erheblich ist, daß man dagegen Widerspruch erheben könnte.
Auf einige Anfragen des Abg. Gerhardus über die Tr weite der §§ 20 bis 24 gibt ein Regierungskommissar Auskunft.
Abg. Fürbringer (nl.): Es ist ich, durch das Partikularrecht das Reichsrecht zu brechen. stimmungen des B. G. B. stehen diesem Paragraphen direkt gegenüber. Namentlich in Hannover hat dieser Paragraph großen Anstoß erweckt. Ich bitte Sie, diesen Paragraphen abzulehnen.
Geheimer Oberjustizrat Greiff: Es ist zweifellos, daß das Partikularrecht nicht im Widerspruch stehen darf mit dem Reichs⸗ recht, aber die Justizverwaltung ist der Meinung, daß ein solches Bedenken hier nicht vorliegt.
Abg. Dr. Liebknecht zeigen sich die Grenzen der staat, hier regelnd einzugreifen. Es zeigt sich hier, wie wenig die für die Gesundheit der Bevölkerung verantwort⸗ lichen preußischen Instanzen ihre Schuldigkeit bisher getan haben. Die Mißstände, die seit Jahrzehnten auf diesem Gebiete bestehen, spotten jeder Beschreibung. Dies gilt besonders von den Zuständen im Wuppertal. Das ganze märkische Land ist durch die Abwässer der Industrie verschmutzt worden. Es gilt ja von der Wupper das schöne Wort: wenn ein Nationalliberaler auf der einen Seite in sie hinein⸗ springt, kommt er auf der anderen Seite als Zentrumsmann wieder heraus. Schuld hieran sind in erster Linie die Fabrikherren, die sog. Königlichen Kaufleute, die sich so gern als Führer der Nation auf⸗ spielen, in zweiter Linie die Aufsichtsbehörden, die ihre Pflicht ver⸗ säumen. Es ist nicht zuzugeben, daß keine technische Möglich⸗ keit besteht, die Abwässer zu reinigen. Man sträubt sich nur gegen die dadurch entstehenden Kosten. In England werden die Ab⸗ wässer direkt durch Kanäle ins Meer befördert. Bei uns wird sich die Misere in Zukunft noch verstärken. Darunter haben auch die herrschenden Klassen, die ganze Bevölkerung, besonders in Oberschlesien und im rheinischen Gebiet, zu leiden. Ich habe schon beim Rawagesetz darauf hingewiesen, daß es schon nach dem bestehenden Gesetz möglich wäre, diesem Mißstande abzuhelfen, wenn die Regierungsorgane mit der nötigen Energie hätten ein⸗ schreiten wollen. Die Wasserpolizei hat in nicht zu billigender Weise die Interessen einzelner, d. h. der Industrie, geschont und die Inter⸗ essen der Allgemeinheit vernachlässigt. Es müssen deshalb stärkere Garantien zum Schutze der Allgemeinheit gegeben werden. Wenn auch zuzugeben ist, daß die einzelnen Gemeinden recht bedürftig sind, so müssen doch im allgemeinen Interesse auch die Kommunen angehalten werden, auf diesem Gebiet ihre Pflicht zu tun. Wir haben keinen Anlaß, diese zügellose Schändung der Flußläufe und die zügellose Ausnutzung einer Naturkraft ruhig mitanzusehen. Am schlimmsten ist es in dieser Beziehung in Amerika. Aber viel besser ist es bei uns auch nicht. Die Kommission hat sich ja bemüht, die Vorlage in einigen Punkten zu verbessern, aber in anderen hat sie sie verschlechtert. Sie hat Ausnahmen gestattet im § 20, die überhaupt nicht gestattet werden sollten. Wir sollten nicht jede Verschmutzung eines Flusses als etwas Unabänderliches hinnehmen, sondern müssen fordern, daß vom Inkrafttreten des Gesetzes an die Wasser läufe reingehalten werden. Jedenfalls darf aber keinem Unter nehmer ein Recht auf Verschmutzung des Wassers eingeräumt werden. Auf die Reichsgewerbeordnung darf man sich bei einer Verschmutzung der Flußläufe nicht berufen. Jedenfalls ist die Bestimmung im . 24, wonach der Oberpräsident fur alle oder einzelne Wasserläufe fest⸗ etzen darf, daß es für die Einleitung bestinmter Arten und der Menge von Flüssigkeiten keiner Anzeige bedarf, wenn sie gemeinüblich und unter den gegebenen Verhältnissen keine Schädigung von ihr zu befürchten ist, so kautschukartig, daß sie Bedenken erregen muß. § 24 a widerstreitet auch meiner Ansicht nach dem Bürgerlichen Gesetz⸗
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(Soz.): Bei diesen Paragraphen Möglichkeit für den Einzel⸗
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buch nicht. Der Paragraph bedeutet entschieden einen Fortschritt, wenn er auch in mancher Beziehung unklar ist und Ueberflüssiges enthält. Zu beanstanden ist allerdings die Bestimmung in demselben Para⸗ graphen, daß die Haftung ausgeschlossen ist, wenn der Unternehmer zur Verbütung der Verunreinigung die im Verkehr erforderliche Sorg⸗ falt beobachtet hat. Wie oft hat sich ein Unternehmer dahinter zurückgezogen, daß er die Vorkehrungen einem Untergebenen übertragen hat und sich dann damit von aller Verantwortung befreit hat. Wenn in der Kommission von Vertretern der Industrie gesagt worden ist, daß sie gegen das ganze Gesetz stimmen würden, wenn 8 24 a an genommen würde, so ist das ein Beweis des grenzenlosen Egoismus, der in industriellen Kreisen herrscht. Abg. Freiherr von Maltzahn (kons.): Der Abg. Liebknecht hat keineswegs mit seinen Anregungen den Interessen der Kommunen entsprochen, sondern lediglich seinen parteipolitischen Standpunkt ver⸗ treten. Das Verlangen der Sozialdemokratie, die ganze Materie durch Reichsgesetz zu regeln, läuft nur darauf hinaus, der Sozialdemokratie im Reichstage einen großen Einfluß auf die Gestaltung des betreffenden Gesetzes zu schaffen. Die Kommission hat in voller Einmütigkeit versucht, die Interessen der Allgemeinheit wahrzunehmen. Sie ist gleichmäßig der Vertretung einseitig agrarischer und einseitig in dustrieller Interessen entgegengetreten. Der von den Sozialdemokraten gestellte Antrag auf Ergänzung des § 20 in being auf die Haftung für entstehenden Schaden ist vollständig überflüssig, da in dieser Be ziehung das Bürgerliche Gesetzbuch (131) schon Vorsorage trifft. Im übrigen stehe ich im Gegensatz zu dem Abg. Winckler auf dem Boden der Beschlüsse zweiter Lesung der Kommission in An 1 sehung des § 24 a. Jeder verständige Industrielle wird ohnehin darauf sehen, daß in seinem Betriebe alles in Ordnung ist. Durch die schon erwähnte Resolution wird ja hoffentlich erreich werden, daß auch die übrigen Bundesstaaten sich dem preußischer Vorgehen Lnschließen werden. Abg. Styczvynski (Pole) verlangt wirksameren Schutz gegen die Abwässer der Fabriken und exemplifiziert auf Verhältnisse in der
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Provinz Posen, wo der Fischbestand der Gewässer auf Jahre hinaus durch die Abwässer der Zuckerfabriken vernichtet sei.
Abg. Dr. Arning (nl.): Der Abg. Liebknecht hat sich nich . nur gegen die Industrieherren, sondern auch sehr entschieden gegen die Industrie als solche geäußert. Der überwiegende Teil meiner Fraktion steht auf dem Boden des § 24 a.
Abg. Winckler (kons.): Ich habe schon vorher anerkannt, daß die Kommission bei der zweiten Lesung eine erhebliche Abmilderung und Verbesserung ihrer Beschlüsse erster Lesung zu § 24 a hat ein⸗ treten lassen. Meine Bedenken gegen eine Erweiterung des bestehen den Rechts sind dadurch aber nicht abgeschwächt worden.
Abg. Dr. Wagner⸗Breslau (freikons.): Gegen die Z1 des § 24 a durch die Kommission haben namentlich große Kommune nicht geringe Bedenken erhoben, weil gerade durch die Fassung „un erlaubte Verunreinigung eines Wasserlaufes“ noch immerhin durch Unterlieger die Frage angerührt werden könnte, daß sie durch die Abwässer der Kanalisationen der großen Städte geschädigt werden könnten, selbst wenn diese Abwässerabführung von den behörd lichen Instanzen gestattet und einwandfrei hergestellt wo ist. Ich will aber anerkennen, daß namentlich durch die klärung des Justizkommissars diese Bedenken in so hobem Grade be seitigt sind, daß ein Aufrechterhalten dieses § 24 a wohl ver treten werden kann. Gerade die Umkehrung der Beweislast, befürchtet wird, dürfte für die großen Städte am wenigsten 1 denklich sein, denn deren Kanalisationsanlagen, Abwässerabführungen, Reinigung usw. liegen ja vor aller Augen und können sofort nach⸗ geprüft werden, sodaß die großen Städte am wenigsten eine Um kehrung der Beweislast zu fürchten haben werden. Gegen § wurde eingewendet, daß kein Anlaß wäre, Besitzer von Wassergrund stücken anders zu behandeln als diejenigen, die eine Beeinträchtigun ihres Landbesitzes erfahren hätten. Das Verschulden der großen Städte durch ihre Kanalisationsleitungen nachzuweisen, ist sicher nich leicht; immerhin waren die Bedenken nicht ungerechtfertigt. In de Einzelbestimmungen des § 24 a korrespondieren allerdings zwei Saͤtz nicht ganz, dieser Widerspruch wird sich aber wohl bei der dritten Lesung durch eine andere Fassung lösen lassen.
Abg. Freiherr von Eynatten (Zentr.): Ich habe nie und so kraß zugunsten der Hochfinanz sprechen hören, wie es der Abg. Winckler getan hat.
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Gerade in der Kommission wu weitergehende Wünsche in objektiver Würdigung der ganzen Sachlag zurückgestellt. Ich muß das vor dem Hause und vor dem Lar hervorheben, damit wir nicht in den Verdacht geraten, als ob m in der Kommission industriefeindlich gewesen sind. Wenn man be denkt, wie die Sachen bisher lagen, so ist dieser Paragraph gerad eine Wohltat. Früher mußten die Leute allerlei kostspieli Prozesse führen. Dieser Paragraph ist für uns so wichtig, daß wir am Zustandekommen des Gesetzes ohne ihn kein Interesse haben. Das mögen alle die bedenken, die dieses Gesetz habe wollen. 1.“ Abg. Lippmann effortschr. Volksp.): In der Sache bin ich mit dem Herrn Vorredner einig. Hinsichtlich dieser Frage herrscht allerdings große Erregung. Die Situation ist merkwürdig. Wir haben gehört, daß Herr Liebknecht Ausnahmegesetze verlangt, wir haben aber auch gehört, wie empfindlich der Abg. Winckler gegenüber den vermeintlichen Angriffen auf die Industrie gewesen ist. Nach Herrn Liebknecht hat sich die Kommission von den Industriellen be einflussen lassen. Wie wenig dieser Vorwurf berechtigt ist, geht daraus hervor, daß sich gerade die beteiligten Kreise darüber beschwert baben, weil kein einziger von ihnen Mitglied der Kommission war.⸗ Auf die Fassung des 8 hat sich die ganze Kommission ein⸗ stimmig geeinigt. Si hat sich nur der bisherigen P der Gerichte angeschlossen. Wer den Schaden anrichtet, sich zu entschuldigen. r muß bezahlen, falls er nicht be⸗ weisen kann, daß sich der Schaden nicht hat vermeiden lassen. Ueberläßt man betreffenden Fabrik oder in dem betreffenden Betriebe Fehler vor⸗ gekommen sind, so kann er dies nur feststellen, indem er sich hinte Angestellte stect. Er wird geradezu veranlaßt, sich unerlaubter Mittel zu bedienen. Das hat aber die Kommission vermeiden wollen. Geheimer Oberjustizrat Greiff: Die Regierung steht auf den Standpunkt, daß eine unerlaubte Handlung dann nicht vorliegt, wenn ein Recht zur Verunreinigung vorhanden ist. Dieses kann unter Um⸗ ständen verliehen werden oder sich aus einem bestehenden Rechte her⸗ leiten. Daß ein Unternehmer sich der Entschädigungspflicht entzieht durch den Hinweis auf das Versehen eines Vertreters, ist ausgeschlossen; denn er hat die Pflicht, sich zu überzeugen, ob die von ihm zur Auf⸗ sicht gestellte Person ihre Schuldigkeit getan hat. b Ministerialdirekter im Ministerium für Landwirtschaft ꝛc. Wesener: Nach dem Abg. Winckler solldie Regierung keinen Wert auf den § 24 a legen. Das ist nicht richtig. Die Regierung und besonders die landwirtschaftliche Verwaltung legen den aller⸗ größten Wert auf ihn. Das geht aus einer Reihe von Berichten hervor, die an mich gelangt sind, aus denen zu ersehen ist, welch ein Interesse die Landwirtschaft an diesem Paragraphen hat. 8 Ein Regierungskommissar beantwortet die von den Abgg. Dr. Arning und Fürbringer gestellten Fragen und ein anderer Regierungsvertreter eine Anfrage des Abg. Dinslage. Abg. Dr. Wendlandt inl.) pflichtet dem Abg. Winckler bei und spricht ihm für seine Haltung gegenüber dem § 242 seinen besonderen Dank aus. Wenn wir diesen Paragraphen einführen, verschlechtern wir nur die Lage der Interessenten Preußens gegenüber der in den übrigen Bundesstaaten. Das gibt ja die Kommission indirekt selbst zu, indem sie in einer Resolution die Einführung eines Reichswasser⸗ gesetzes fordert. Hierauf wird die Debatte geschlossen. Persönlich bemerkt Abg. Dr. Liebknecht (Soz.), er sei von dem Abg. Lippmann ganz unmotiviert angegriffen worden, habe aber keine Veranlassung, auf diese kindischen Angriffe zu antworten. 1 Referent Abg. Bitta weist im Schlußwort darauf hin, daß. sich eine Bestimmung wie § 24a als unbedingt notwendig heraus⸗
. 8 2— 1 — 2 “ 8 s allein dem Geschädigten, nachzuweisen, daß in der
C“ “ — gestellt habe. Bei der ersten Lesung der Kommission seien lediglich die vbjektiven Momente hervorgekehrt worden; erst auf die eingegangenen Petitionen hin sei in zweiter Lesung auch das subjektive Moment des Verschuldens hineingezogen worden, aber mit der Einschränkung, daß der Unternehmer sich exculpieren könne. Dazu gehöre aber mehr, als der Abg. Liebknecht angeführt habe; die Uebertragung der Auf⸗ sicht an einen Bevollmächtigten genüge nicht, denn das Reichsgericht habe wiederholt entschieden, daß der Unternehmer nicht nur be⸗ rechtigt, sondern auch verpflichtet sei, seinen Betrieb zu kontrollieren. Die Umkehrung der Beweislast sei von größter Bedeutung, ebenso die Bestimmung über die anteilige Tragung des Schadens durch eine Mehrheit von Unternehmern. Wie überhaupt, so hat in diesem Falle die Kommission sich bemüht, nach bestem Wissen und Gewissen die widerstreitenden Interessen nach Recht und Billigkeit auszugleichen.
Abg. Lippmann f(fortschr. Volksp.): Wenn der Abg. Lieb⸗ knecht meine Ausführungen als kindisch empfunden hat, muß er ein hartes Fell haben.
Bei der Abstimmung werden die §§ 20 —24 a mit großer Mehrheit angenommen; gegen § 24a stimmen nur eine kleine Minderheit der Konservativen und vereinzelte Nationalliberale.
Die §§ 25— 39 regeln den Gemeingebrauch der Wasserläufe.
§ 25 besagt nach den Kommissionsbeschlüssen, daß die natürlichen Wasserläufe von jedermann zum Baden, Waschen, Schöpfen mit Handgefäßen, Viehtränken, Schwemmen und Eislaufen sowie zur Entnahme von Wasser für die eigene Haushaltung und Wirtschaft benutzt werden dürfen, wenn da⸗ durch andere nicht benachteiligt werden.
Die Abgg. Schmedding und Genossen (Zentr.) be⸗ antragen, auch das „Kahnfahren“ in § 25 aufzunehmen; den⸗ selben Antrag haben die Abgg. Meyer⸗Diepholz und Ge⸗ nossen (nl.) gestellt.
Von den Abgg. Borchardt und Genossen (Soz.) ist folgende Einschaltung beantragt:
„Zum Gemeingebrauch gehören auch solche Einwirkungen der Gewässer auf Luft⸗ und sonstige klimatische Verhältnisse, deren Erhaltung im Interesse des öffentlichen Wohles liegt.“
Abg. Schmedding (Zentr.): Ich bedaure sehr, daß nicht auch der Kultusminister in der Kommission zugegen gewesen ist; er hätte gewiß sein Veto gegen den Beschluß eingelegt, welcher das Kahn⸗ hren vom Gemeingebrauch ausschließt. Zu einer vernünftigen Jugendpflege gehört vor allem das Kahnfahren und der Rudersport; und das alles will man hier plötzlich mit rauher Hand zerstören?
Abg. Dr. von Kries (kons.): Die Mehrheit der Kommission bat Bedeutung und Wichtigkeit des Kahnfahrens und des Rudersports für die Volksgesundheit nicht verkannt. In erster Lesung nahm sie das Kahnfahren auch unter den Gemeingebrauch auf; in zweiter Lesung überwogen die Bedenken, die aus den Rechten des Eigen⸗ tümers hergeleitet wurden. Das Recht des Kahnfahrens bleibt ja ethalten nach § 35 überall da, wo ein öffentlicher Verkehr stattfindet; nicht zugelassen soll es sein, wo auf den Wasserläufen zweiter und dritter Ordnung ein solcher Verkehr nicht stattfindet. Wir sind bereit, etwas entgegenzukommen, indem wir das Kahnfahren lüberall da zulassen wollen, wo es bisher gemeinüblich gewesen ist; die An⸗ näge Schmedding und Meyer⸗Diepholz gehen aber zu weit.
Abg. Meyer⸗Diepholz (nl.): Wenn ich mit meinen Freunden denselben Antrag gestellt habe, wie der Abg. Schmedding, so hat mich
namentlich die Rücksicht auf die Volksgesundheit geleitet. Das Kahnfahren ist ein herzerfrischender Sport, der mindestens denselben Wert hat, wie das Eislaufen. Schädigungen anderer durch das Kahn⸗ fahren mögen ja im Einzelfalle vorgekommen sein. Im großen und anzen kann man das aber nicht behaupten. Die nötigen Kautelen sind dauch im § 25 gegeben.
Abg. Lippmann fortschr. Volk⸗p.): An Freiheit auf den Strömen wenig genug übrig geblieben. In der Kommission sind diejenigen, eiche für die Freiheit des Kahnfahrens eingetreten sind, unterlegen. Lir sind dafür, daß das Kahnfahren freigegeben wird oder vielmehr leibt. Dieselben Gründe, die gegen die Freiheit des Kahnfahrens vor⸗ thracht worden sind, sind auch gegen den freien Eislauf angeführt worden. dder vernünftige Besitzer läßt die Jugend frei Eis laufen. Höchstens ir Wirtschafter jagt die Jugend weg, genau so auch beim Kahn⸗ bren. Insofern eine Schädigung durch das Kahnfahren eintreten ann, gibt § 39 dagegen eine Handhabe, der bestimmt, daß die Wasser⸗ volizeibehörde den Gemeingebrauch regeln, beschränken oder verbieten
lann. Die Eigentümer der Grundstucke werden also vor Schaden llewahrt werden.
wahrt Das Erziehliche des Kahnfahrens ist doch nicht zu unterschätzen. Halten wir also am Eislaufen als Gemeingebrauch st und führen wir den Gemeingebrauch beim Kahnfahren ein.
B Ein Regierungsvertreter gibt auf Wunsch des Abg. henne Auskunft über die Ausdehnung des Begriffs Gemein⸗ gebrauch.
Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.) hält den sozialdemo⸗
mratischen Antrag zu diesem Paragraphen für undurchführbar.
Abg. Styczynski (Pole) erklärt sich für die Freiheit des Kahnfahrens.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): An einem allgemeinen Schutz 66 Gemeingebrauches hat es bis jetzt gefehlt. Man war lediglich zuf das Wohlwollen der Behörden angewiesen. Deshalb muß dieser bichtige Punkt in diesem Abschnitt geregelt werden. Daß der Gemeingebrauch noch weiter ausgedehnt werden muß, bedarf einer weiteren Begründung. Der konservative Antrag reicht nicht dus. Ich gebe dem Antrag Schmedding den Vorzug. Unser Antrag rill einer Verseuchung und Verpestung der Luft vorbeugen. Hier jegt ein dringendes Bedürfnis einer gesetzlichen Regelung vor. Lir haben auch zu den §§ 36 und 39 entsprechende Zusätze be⸗ gragt, 88 den Zweck haben, daß der Gemeingebrauch nicht er⸗ vert wird. 8 Abg. Freiherr von Eynatten (SZentr.): Ich möchte etwas Casser in den Wein derjenigen Herren gießen, die der unbedingten seiheit des Kahnfahrens das Wort geredet haben, selbst auf die gefahr hin, hier für unmodern erklärt zu werden. Durch das Kahnfahren vird doch eine große Anzahl von Grundstücken erheblich gefährdet. Noch hlimmer sind die Fischer daran. Der Fischer ist meistens dagegen chutzlos, daß die Leute in aller Gemütsruhe auf seinem Revier rrumfahren. Es kann gar nichts schaden, daß die jungen Herren ümftig genötigt sind, um Erlaubnis zu fragen, wenn sie Kahn fahren ollen. Dagegen, daß anständige junge Leute fahren, wird niemand was einzuwenden haben. Leider aber kommt es häufig vor, aß junge Leute z. B. auf dem Gutshof oder Schloßhof sich un⸗ Ingemessen betragen, den Besitzer nicht einmal grüßen. Ich kann ur zustimmen dem konservativen Antrag, der das Kahnfahren aufrecht⸗ kbalten will, wo es bisher schon gemeinüblich war. Ein notwendiges vereigt zu dieser Bestimmung ist der schon erwähnte § 39. * Abg. O. r. Liebknocht (Soz.): Der Vorredner hat offenbar ine Ausführungen auf das Benehmen der Angehörigen der höheren stände gemünzt. Auf die Arbeiterjugend können sie jedenfalls nicht sogen werden. Wie sich die Jugend der höheren Stände bewegt, kweisen die bekannten 19 Vorgänge.
Damit schließt die Diskussion.
Versönlich bemerkt
Freiherr von Eynatten (Zentr.), daß er nicht entfernt an Inen Unterschied der Stände gedacht hat.
M Bei der Abstimmung gelangt der Antrag des Abg. Schmedding, Ler den konservativen Antrag in den seinigen aufgenommen ct, zur Annahme. Der Antrag Borchardt wird abgelehnt. . Gegen den § 30, der für den Schaden, der durch die be⸗
Landen, Befestigen oder Aussetzen entsteht, oder Eigentümer des Floßes verantwortlich macht, erhebt Abg. Dr. Liebknecht (Scoz.) Bedenken, weil er den Schiffs⸗ eigner für alle Fälle, nicht nur im Falle eigenen Verschuldens, haftbar mache.
§ 30 wird unverändert angenommen, ebenso §§ 31 bis 35. — Nach 5 ¼ Uhr wird die Fortsetzung der Beratung auf Donnerstag, 10 Uhr, vertagt.
Ein Antrag des Abg. Lippmann, die Sitzung um 11 Uhr beginnen zu lassen, wird nach längerer Erörterung zurückgezogen, nachdem ein Einverständnis darüber herbei⸗ geführt worden, daß der Schluß der nächsten Sitzung spätestens um 4 Uhr stattfinden soll. (Beratung des Wasser⸗
Nach dem Septemberheft der „Monatsberichte des Statistischen Amts der Stadt Berlin“ belief sich die fortgeschriebene Bevölkerungs⸗ ziffer der Reichshauptstadt Anfang Oktober 1912 auf 2 079 830 (zu der gleichen Zeit des Vorjahres auf 2 066 413). Sie ist im September um 1530 gestiegen (während sie im September 1911 um 2015 zurückgegangen war). Lebend geboren wurden im September 1912 3517 lim gleichen Monat des Vorjahres 3475) Kinder, darunter 807 (763) oder 22,95 (21,96) % uneheliche. Auf das Jahr und Tausend der mittleren Bevölkerung berechnet, stellte sich die Geburten⸗ ziffer auf 20,64 (20,45). Ehen wurden im September 2004 (in demselben Monat des Vorjahres 2242) geschlossen, darunter 400 (404) Mischehen. Die Zahl der Sterbefälle (ohne die Totgeburten) belief sich im September 1912 auf 2098 (im Sep⸗ tember 1911 auf 2714). Im Alter bis zu 1 Jahr starben 430 (834) Kinder, das sind 20,50 (30,73) % aller Sterbefälle des Berichtsmonats. Auf das Jahr und Tausend der mittleren Bevölkerung berechnet, betrug die allgemeine Sterblichkeitsziffer 12,31 (15,97).
Als zugezogen waren im September 16 364 (im gleichen Monat des Vorjahres 15 682) männliche und 12 859 (11 424) weih⸗ liche, zusammen 29 223 (27 106) Personen zu verzeichnen. Für die in demselben Monat Fortgezogenen ergaben sich ein schließlich des Zuschlags für die unterbliebenen Abmeldungen die Zahlen: 14 984 (15 547) männliche, 14 128 (14 335) weibliche, zu⸗ sammen 29 112 (29 882) Personen. Somit verblieb bei der Wanderung ein Mehrzuzug von 1380 (135) männlichen und ein Mehrfortzug von 1269 (2911) weiblichen, zusammen ein Mehrzuzug von 111 (im September 1911 ein Mehrfortzug von 2776) Personen. Bei der Statistik der Wanderungen ist mit Beginn dieses Jahres eine wesentliche Veränderung insofern eingetreten, als die Grundlagen nicht mehr wie bisher durch die individuellen Listen der Polizeireviere, sondern durch die Originalmeldungen selbst gebildet werden, wodurch allem Anschein nach auch eine erhebliche Beeinflussung der Ergebnisse herbeigeführt wird, sodaß die Zahlen nicht ohne weiteres mit denen des Vorjahres verglichen werden können.
Der Auftrieb auf dem städtischen Viehhof betrug für den Monat September 1912 14 148 (für denselben Monat des Vorjahres 20 822) Rinder, 11 360 (17 157) Kälber, 49 102 (58 460) Schafe, 111 422 (147 625) Schweine. In den öffentlichen Schlacht⸗ häusern wurden im September 9 240 (im gleichen Monat des Vorjahres 12 550) Rinder, 9 812 (12 831) Kälber, 42 321 (45 460) Schafe, 100 421 (109 609) Schweine geschlachtet.
Bei der städtischen Sparkasse beliefen sich die Einzahlungen im September 1912 auf 5 090 174 ℳ (im September des Vorjahres auf 4 713 131 ℳ), die Rückzahlungen auf 6 854 978 (7 720 765) ℳ; demnach ergab sich ei Mehr an Rückzahlungen von 1 764 804 ℳ (in demselben Monat des Vorjahres ein Mehr an Rückzahlungen von 3 007 634 ℳ).
Der Mitgliederbestand der der Aufsicht des Magistrats⸗ kommissars unterstellten Krankenkassen betrug am 1. Oktober 1912 880 734 Gur gleichen Zeit des Vorjahres 844 683) unter denen sich 62 988 (57 247) freiwillige Mitglieder befanden. Erwerbsunfähig waren an diesem Tage bei den bezeichneten Kassen 25 236 (26 681) verpflichtete Mitglieder. .
Die städtische Armenpflege umfaßte im Monat September 35 555 (in demselben Monat des Vorjahres 35 328) Almosengeld⸗ empfänger mit einem Gesamtbetrage an laufenden Unterstützungen von 633 267 (617 466) ℳ, darunter 2046 (1894) Almosenempfänger mit außerdem gewährten 15 356 (13 551) ℳ Exrtraunterstützungen. Solche wurden ferner für 7027 (6300) nicht laufend unterstützte Personen im Gesamtbetrage von 97 080 (81 642) ℳ gewährt. Pflege⸗ kinder waren 13 307 (13 154) vorhanden, für die 128 373 (123 553) ℳ aufgewendet wurden.
Die Ausgaben für Universitäten in Preußen. In den universitätsstatistischen Heften der „Preußischen Statistik“ finden sich bis an das Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahr⸗ hunderts zurückreichende Nachweisungen über die Einnahmen und Ausgaben der preußischen Universitäten, auch über die außer⸗ ordentlichen Ausgaben. Wenn die älteren Zahlenreihen bis auf die Gegenwart (Etatsjahr 1911) ergänzt werden, so ergibt sich, daß die ordentlichen Ausgaben für preußische Universitäten sich seit 1868 von 3 935 449 ℳ auf 21 009 488 ℳ im Jahre 1911, d. i. um mehr als 433 % gesteigert haben. Der Zunahme steht aber auch eine sehr bedeutende, indessen immerhin verhältnismäßig ge⸗ ringere Zunahme der Studenten (männliche und weibliche, Preußern und Nichtpreußen zusammengerechnet) gegenüber. Im Durchschnitte der beiden Halbjahre des Studienjahres 1868/69 waren auf den preußischen Untversitäten 7338, 1911/12 aber 27 913 Studenten immatrikuliert, was einer Zunahme von rund 280 % entspricht. Aus der Bewegung der Zahlen für die Studenten und die ordentlichen Universitätsausgaben berechnet sich, daß auf einen Studenten der preußischen Universitäten an solchen Ausgaben 1868 wesentlich weniger als in der Folgezeit entfiel, daß aber schon seit dem Ende des Jahr⸗ hunderts und insbesondere neuerdings mit dem rascheren Steigen der Studentenzahl der Kopfbetrag für einen immatrikulierten Studierenden wiederum eine stark rückläufige Bewegung einschlägt. Es betrug nämlich im Jahres⸗ die Zahl die ordentliche der Kopfbetrag durchschnitte der Studenten Gesamtausgabe für 1 Srudenten vö6“ 7 338 3 935 449 ℳ 536 ℳ 8 7292 243 857 „ “ 9 599 969 700 3 864 12 085 296 872 13 198 213 831 3 14 782 317 828 20 255 16 238 519 80² 23 991 18137 610 „ 1785 „ 21 00h0h0 Nimmt man als den durchschnittlichen Aufenthalt auf der Universität etwa 4 ½ Jahre an, so wird für jeden Studierenden ein ziemlich an⸗ sehnlicher Betrag aus öffentlichen Mitteln und eigenen Einnahmen der Universitäten aufgewendet. Gedeckt werden die Universitäts⸗ ausgaben neuerdings etwa zu drei Vierteln aus Staatsmitteln, im Rest aus den eigenen Einnahmen der Universitäten, der Institute usw. sowie aus Stiftungs⸗ u. dergl. Fonds. 8 Neben den ordentlichen Ausgaben gehen außerordentliche einher, in einem Jahre mehr, im andern weniger; wegen der Schwankungen darin ist es nicht ratsam, auch diese Aufwendungen
17 855
Ummungswidrige Benutzung des Leinpfades oder durch das
für einzelne Jahre auf den Kopf der Studierenden zu berechnen.
den Schiffseigner
Seit 1868 bis 1911 sind solcher Aufwendungen im ganzen 118268 232 ℳ gemacht, denen für dieselbe Zeitspanne 478 937 760 ℳ an ordentlichen Ausgaben gegenüberstehen, sodaß die außerordentlichen Ausgaben im Jahresdurchschnitt sich auf 2 687 914 ℳ belaufen und zu den ordent⸗ lichen im Verhältnis von 24,69 zu 100 gestanden haben. Ueber die Schwankungen der außerordentlichen Aufwendungen für die preußischen Universitäten mögen noch die nachstehenden Zahlen bier Platz finden. Es stellten sich die außerordentlichen zu den ordentlichen Universitäts⸗ ausgaben, wie folgt: ℳ ℳ 1868 — 1874 11 190 719 32 567 932 1875 — 1881 19 977 296 52 077 836 1882 — 1887 13 245 592: 52 981 321 1888 — 1893 14 299 072 b: 64 504 531 1894 — 1899 14 601 461 : 74 063 122 1900 — 1905 23 719 483 : 89 920 387 1906 — 1911 21 234 609 : 112 822 631
im ganz 118 268 232 : 478 937 760
34,36 : 38,36 25,00 22,17 19,71
100 100
100 100
100 26,38 100 18,82 : 100 24 69: 100. (Stat. Korr.)
IIIThü-
Nr. 46 der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts“ vom 13. November 1912 hat folgenden Inhalt: Jahres bericht über die Verbreitung von Tierseuchen im Deutschen Reiche, 1911. (Ankündigung.) — Gesundheitsstand und Gang der Volkskrank⸗ heiten. — Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. — Desgl. gegen Choler⸗ — Desgl. gegen Pocken. — Sterblichkeit in 348 großen Ortschaften des Deutschen Reichs, 1911. — Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Einlaßstellen für die Fleischeinfuhr. — Stempelzeichen der Einlaß stellen. — (Preußen.) Schwefliae Säure im Weine. — (Oesterreich.) Sonn⸗ und Feiertagsruhe. — (Spanien.) Weinzusätze. — Tierseuchen im Deutschen Reiche, 31. Oktober. Tuberkulose unter Quarantäne⸗ rindern im Deutschen Reiche, 2. Vierteljahr. — Tierhaltung, Tier⸗ zucht ꝛc. in Deutsch Neuguinea. — Tierseuchen im Auslande. — Zeitweilige Maßregeln gegen Tierseuchen. (Preuß. Reg.⸗ Bez. Schleswig, Württemberg, Baden). — Vermischtes. (England und Wales). Sterbefälle, 1910. — (Japan). Ansteckende Krank⸗ heiten auf Formosa, 1. Halbjahr. — Geschenkliste. — Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Ein wohnern. — Desgleichen in größeren Städten des Auslandes. — Er⸗ krankungen in Krankenhäufern deutscher Großstädte. — Desgleiche in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Witterung. — B. Gerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiete der öffentlichen Gesund heitspflege (Wasserversorgung). — Besondere Beilage: Vorläufige Mitteilung über Ergebnisse der Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschau im
1
Deutschen Reiche, 1911.
Nr. 92 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, heraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 13. November 1912, hat folgenden Inhalt: Zur Einführung in eine Theorie des architektonischen Entwerfens. (Fortsetzung.) — Das Bismarck⸗ Nationaldenkmal am Rhein. (Schluß.) — Vermischtes: Wallot⸗ Gedächtnisfeier in Dresden. — Reuleaux⸗Feier in Berlin. — Wett⸗ bewerbe um Entwürfe für den Bau einer massiven Brücke über die Saar in Saarbrücken und zu einem Bebauungsplan für Relchenberg in Böhmen samt Vororten. — Jahrhundertausstellung Königs⸗ berg i. Pr. 1913. — Stadtbaurat der Stadt Zwickau i. Sa.
Li’eratur.
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