einheitliche gesetzliche Reoelung haben, so sind ihre Bedenken in der
Verschiedenheit der Verhältnisse begründet. Sie würden es für ein
außerordentliches Unglück halten, wenn die gleichen Bestimmungen,
die ohne eine nesenil che Bceinträchtigung der Schiffer auf dem
Rhein mövlich sind, beispielsweise auf unseren östlichen
Wasserst ömen eingeführt würden. Im vorigen Jahre blieben
Honderte und Tausende von Schiffen wigen Wassermangels
monatelang liegen, sie hatten also nicht nur eine Sonn⸗
ta 8⸗, sondern auch eine vollständige Wochentagsruhe. Es können doch Fälle eintreten, wo man auch in der Nacht oder am Sonntage westerfahren muß. Auch die Reichsregierung hat sich diesen Be⸗ denken nicht verschlossen Wenn man die Sache reichsgesetzlich regelte, so müßten für die einzelnen Stromgebiete Ausnahmen zugelassen werden. Am besten wäre es, wenn die Sache einfach durch den
Arbeitevertrag geregelt würde. Ich gehöte zum Vorstande des
Zentralvereins für Binnenschiffahrt, gebe ihm aber nicht in allem
recht. Jedenfalls ist aber eine zu weitgebende Reglementierung
nicht am Platze. Auf dem Wege des Tarifvertrages ist die Sache viel einfacher und praktischer durchzuführen. Ist aber die Sache gesetzlich geregelt, so muß man sich strikt an den Buchnaben des Gesetzes halten, und der Führer eines Dampfers könnte unter Umständen riskieren, daß ihm das Patent entzogen wird.
Abg. Freiherr von Gamp⸗Massaunen (Rp.) stimmt dem Vorredner im wesentlichen zu. Man könne die Frage, ob für den Rhein eine erweiterte Sonntags⸗ und Nochtruhe eingeführt werden solle, durchaus bejaben, ohne damit zu der Flage einer allgemeinen Sonntags⸗ und Nachtruhe eine zustimmende Stellung einzunehmen. Die Verhältnisse liegen eben durchaus verschieden. Unter denfenigen, die der verlangten gesetzlichen Regelung widersprechen, befindet sich auch der Vorstand des Provinzialp reins für Hebung der Fluß⸗ und Kanalschiffahrt in der Provinz Posen. Bei dem Uebergang zur Tagesordnuna handle es sich also nur darum, das Petitum angebrachter⸗ maßen abzulehnen.
Abg. Molkenbuhr (Soz.): Schon 1895 und vorher hat sich der Reichstag mit dieser Frage beschäfttgt und Resolutionen auf die Anstellung von Erhebungen über die Arbeitszeit beschlossen. Die Kommission für Arbeiterbatistik und später der Beirat für Arbeiter⸗ statistik haben dazu mehr als ein Jahrzehnt gebraucht. Wenn der Abg. von Gamp hier alles von der freien Vereinbarung erwartet, ist er dann auch damit einverstanden, daß zu diesem Zwecke die
ewerkschaftlichen Organisationen alle ihre Machtmittel in volle Wirksamkeit setzen? Die Schiffer gehören nicht zu den Leuten, die durch einen langen Winterschlaf das Bedürfnis an Ruhe fur den Sommer zu decken im stande sind. Der Hinweis des Arg. Bassermann auf die Gewerbeordnung ist verfehlt; diese bezieht sich nicht nur auf Betriebe, in denen dauernd mehr als zehn Arbeiter beschäftigt sind, es kommt auch sehr häufig vor, daß die Leute Nachts fahren und tagsüber löschen und laden. Das Mindestmaß an Rubezeit muß gesetzlich gewährt werden. Wird durch den Tarisvertrag noch mehr erzielt, so wird das den Arbeitern nur angenehm sein. Das Eingreifen der Gesetzgebung muß möglichst bald gescheben, nachdem über diese Forderung schon einige Jahrzehnte dahing egangen sind.
Abg. Gothein (fortschr. Volksp.) findet, daß die Abgg. Molkenbuhr und Schumann im Widerspruch miteinander stehen. Die gesetzliche Bindung könnte den Unternehmern wie den Arbeitern in vielen Fällen zum Nachteil gereichen. 8 —
Abg. Schumann (Soz.): Meine Ausführungen decken sich vollstär dig mit denen des Kollegen Melkenbuhr. In für die Arbeiter E e Zeiten wird die ganze tarifliche Regelung wieder in Frage
estellt.
8 Nach den Anträgen Spahn und Albrecht wird mit großer Mehrheit der Uebergang zur Tagesordnung beschlossen. 1
Der „Niedersächsische Schutzverband für Handel und Gewerbe“ petitioniert um Aenderung der Bestimmungen über den Offenbarungs⸗ eid in der Z P. O. Da die jetzigen Vorschriften den Bedürfnissen der Gläubiger nicht gerecht würden, wird eine Reihe formulierter Aenderungen zu den einschlägigen Paragraphen vorgeschlagen. Die Kommission beantragt Ueberweisung an den Reichskanzler zur Kenntnisnahme.
Abg. Bell (Zentr.): Man würde der Bedeutung der Sache nicht gerecht werden, wenn man die Angelegenheit ohne Sang und Klang erledigte. Ich wünsche dringend und hoffe, daß der Reichs⸗ kanzler und das Reichsjustizamt die Fragen gründlich prüfen und in geeigneter Weise für Abhilfe der tatsächlich vorhandenen schweren Schäden sorgen. Es handelt sich hier nicht etwa um Hartherzigkeit gegen unglückliche Schuldner und auch nicht um Sonderwünsche einzelner Gruppen. Es handelt sich vielmehr um Anregungen, die schon seit Jahren aus den Kreisen des Mittel⸗ und Handwerkerstandes an uns und an die Regierung gelangt sind. Es stehen da nicht den reichen Gläubigern die armen Schuldner egenüber, sondern das Verhältnis liegt oft gerade umgekehrt. Es fehlt uns bisher pöllig an einer Statistik über den Offenbarungseid; auch das Reichsjustizamt hat eine solche bisber nicht geführt. Wir wünschen für die Zukunft diese Statittik, sie muß enthalten die Zahl derer, die überhaupt den Offenbarungseid geleistet haben, derer, die sich dem Verfahren entzogen haben, und endlich derer, die nach der Ladung verhaftet worden sind. Wünschens⸗ wert wäre auch eine Erhebung darüber, wie viele den Eid doppelt und mehrfach geleistet haben. Es ist verhältnismäßig eine sehr große Anzahl von Schuldnern, die trotz des Eides ruhig weiter bestellen und sich ruhig weiter liefern lassen, dadurch kommen viele Gläubiger zu ganz empfindlichem Schaden. Der Schuldner, der so handelt, macht sich des Betruges scheldig, dem Gläubiger ist aber mit der Bestrafung gllein vielfach gar nicht gedient, zumal er dem oft außerordentlich gerissenen böswilligen Schuldner mit dem Strafgesetzbuch nicht beikommen kann. Der Gläubiger will vor allem zu seinem Gelde kommen. Geeignete Abhilfe wäre zunächst in einer Aenderung der sehr reformbedürftigen Gesetzgebung zu suchen, noch mehr aber in einem einheitlichen und wirksamen hesfaare bei der Auslegung und praktischen Anwendung des benehenden Gesetzes, und ganz besonders in der größeren Be⸗ schleunigung. Es muß dem Gläubiger in Erweiterung des § 115 gestattet sein, nicht nur in die Manifestantenliste Einsicht zu nehmen, sondern auch eine Abschrift davon zu nehmen, und es muß dieses Recht
auch den Handels⸗ und Handwerkerkamnmern zustehen.
8 Abg. Giebel (Soz.): Man will den gerissenen, bösartigen und böswill’gen Schuldner treffen. Aber dazu bedarf man doch keiner so drakonischen Maßregeln. Die Erweit rung der Eidesformel ist zudem außerordentlich bedenklich. Dann ist vorgeschlagen worden, daß die Naͤmen aller derer, die den Offenbarungseid geleistet haben, ver⸗ öffentlicht werden sollen. Das heißt doch, die Leute an den Pranger stellen. Dies liegt aber gar nicht einmal im Interesse des selb⸗ ständigen Handels und Gewerbes. Es gibt eine ganze Reihe von Leuten, die durch irgendwelche Verhältnisse in wirtschaftlichen Verfall geraten. Wenn nun die angeregten Verschärfungen Platz greifen, so wird gerade diesen Leuten die Möglichkeit genommen, sich wieder emporzuarbeiten. Sie finden nirgends mehr Kredit. So tritt dann direkt eine Schädigung auch des Gläubigers ein.
Das Haus beschließt nach dem Kommissionsantrage.
Eine Petition verlangt eine Erweiterung des § 1269 der Reichs⸗ versicherungsordnung. Danach soll die Wohltat, daß zwecks Ab⸗ wendung drohender Invalidität eines Versicherten oder einer Witwe ein Heilverfahren ceingeleitet werden kann, auch auf die Invaliden ausgedehnt werden.
Die Petitionskommission beantragt Ueberweisung als Material.
Abg. Hoch (Soz.): Das Gesetz enthält hier tatsächlich eine sehr bedauerliche Lücke. Es ist nötig, auch die Invaliden in das Heilverfahren einzuheziehen. Thecretisch haben sie ja das Recht, sich den Anspruch an ihre Krankenkasse zu erhalten. Aber sie müssen in diesem Falle den vollen Beitrag aus ihrer Tasche zahlen. Meine Partei hat schon bei der Beratung der Reichsversicherungsordnung einen der⸗ artigen Antrag gestellt, den alle Parteien gutgeheißen haben. Er wurde aber nicht angenommen, da man ihn als selbstverständlich ansah. Nun hat aber die lFraris gelehrt, daß die verschiedenen Versicherungs⸗
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anstalten nicht einheitlich handeln. Die einen gewähren das Heil⸗ verfahren, wieder andere lehnen es ab. Hier 86 nun Vorsorge ge⸗ troffen werden, daß jeder Invalide des Heilverfahrens teilhaftig wird. Die bisherige Auslegung steht also dir kt mit der Absicht des Gesetz⸗ gebers im Widerspruch. Ueberweist der Reichstag die Petition nur als Material, so enthält er sich jeder eigenen Stellungnahme. Um aber gerade diese zu betonen, beantragen wir, die Petition der Re⸗ gierung zur Berücksichtigung zu überweisen.
Der sozialdemokratische Antrag wird abgelehnt, und das Haus tritt den Kommissionsbeschlüssen bei. 3
Eine Petition betrefks Aenderung der Prüfungs⸗ ordnung für Aerzte wird durch Ueberweisung zur Berück⸗ sichtigung erledigt, eine Petition be treffend die Post prüfung, wonach unter gewissen Umständen eine zweite Wieder⸗ holung der Post⸗ und Telegraphensekretärprüfung zugelassen werden soll, wird der Regierung als Material übergeben, und die Petition betreffend Aenderung der deutschen Gebührenordnung für Rechtsanwälte wird der Regierung zur Kenntnisnahme über⸗ wiesen.
Eine weitere Petition fordert ie Beseitigung der Zucker⸗ steuer bei Verarbeitung von Früchten in gewerblichen Etablissements. Die Kommission beantragt Ueberweisung als Material, ein sozialdemokratischer Antrag will sie dagegen der Regierung zur Berücksichtigung überweisen. 1
Abg. Brey (Soz.): Es handelt sich hier um die Wünsche von sechs gewerblichen Vereinigungen, die alle einer jung auf⸗ strebenden Industrie angehören. Von der Konservenfabrikation hat nicht nur die Landwirtschaft Vorteile, sondeen sie gibt auch einer ganzen Reihe anderer Nebenbetriebe Beschäftigung. Die Zuckersteuer verteuert nun den ganzen Betrieb. Es ist deshalb wünschenswert, daß dem Verlangen der petitionierenden Veretne Rechnung getragen wird. Das liegt auch im Interesse des deutschen Arbeiters. Wenn auch dadurch seine Kompotschüssel nicht besonders gefüllt wird, so wird doch seine Nahrung eine mannigfaltigere. Die Zuckersteuer soll ja im Jahre 1914 auf 10 ℳ ermäßigt werden. Deshalb hat die Kommission diese Petition einfach als Material überwiesen. Es ist jedoch recht zweifelhaft, ob die Regierung zur gegebenen Zeit ihr Versprechen einlöst. Wir haben es ja oft erlebt, daß in solchen Fällen das Gegenteil eingetreten ist. Wir hecüeen deshalb die Ueberweisung der Petition zur Berück⸗ ichtigung.
Ab- Liz. Mumm (Wirtsch. Vgg.): Es handelt sich hier um eines der wichtigsten Nahrungsmittel unseres Volkes. Zudem hat nerade unsere Landwirtschaft ein großes Interesse an der Konserven⸗ industrie, die deshalb möglichst gefördert werden muß. Diese Industrie ist in der Lage, all das Obst aufzunehmen, das als Tafel⸗ obst nicht verwertbar ist. Und wir werden deshalb für Ueberweisung zur Berücksichtigung stimmen.
Nachdem sich auch der Abg. Marquart (nl.) im Sinne der Vorredner ausgesprochen hat, wird der Antrag auf Ueber⸗ weisung zur Berücksichtigung mit großer Mehrheit angenommen.
Der Privatier Joseph Schulte in Essen als Vormund des ent⸗ mündigten Kriegsinvaliden Johann Hörsters in Essen petitioniert um Wiedergewährung der Militärpension an diesen.
Die Kommission empfiehlt, die Petition dem Reichskanzler zur Kenntn snahme zu überweisen. Um den eigenartigen Fall zur Kenntnis der Oeffentlichkeit zu bringen, hat sie einen eigenen schrift⸗ lichen Bericht anfertigen lassen. . ,
Abg. Sachse (Soz.): Das Eigenartige liegt darin, daß einem 69 jährigen Krie sinvaliden die Pension entzogen worden ist, während hochgestellte Regierungsbeamte, die in hohe Privatst llungen gelangt sind, ganz ruhg und unbeanstandet ihre hohe Pension in die Tasche stecken dürfen. Ich erinnere nur an Herrn van der Borght, der 10 000 ℳ Pension erhält und daneben 40 000 ℳ Gehalt von der betreffenden Gesellschaft. . 8
Major von Kornatzki: Hörsters hat die Feldzüge von 1866 und 1870/71 mitgemacht. 1870 erkrankte er am Wechselfieber, kam ins Lazarett und ging dann in Privatpflege über. Am 1. April 1871. schied er aus dem Dienst aus. Später stellte er einen Antrag auf Invalidenversorgung. Seinem Antrage wurde stattgegeben, weil sich herausstellte, daß bei ihm noch Folgen des Wechselfiebers zurück⸗ geblieben waren. Die Pension wurde ihm dann dauennd zugebilligt und später auf Grund des Gesetzes erhöbt. 1904 bekam ereine Alterszulage. Späterhin ergab die Prüfung der Alterszulage, daß sie nicht zu Recht erteilt war. Es hatte sich herausgestellt, daß Hörsters ein nicht un⸗ erhebliches Vermögen erworben hatte; er hat es allerdings wieder verloren. Im Jahre 1908 kamen die Atten an das Kriegsministerium, weil er gegen die Entscheidung des Generalkom⸗ mandos wegen Entziehung der Alterszulage Einspruch erhoben hatte. Nun stellte sich heraus, daß es notwendig war, seinen Gesundheits⸗ zustand erneut zu prüfen, denn die Höhe der Alterszulage ist ab⸗ hängig von der Höhe der Invalidenpension. Die Untersuchung ergab, daß irgendwelche Rückstände von Krankheit, auf Grund deren die Invalidenpensio bewilligt war, nicht mehr be⸗ standen. Die Millitärverwaltung war gesetzlich verpflichtet, die Zahlung der Invalidenpension einzustellen. Dies ist geschehen. Es ist nun angeregt worden in der Kommission, in eine erneute wohlwollende Prüfung einzutreten, daß Hörsters die Pension wieder bekäme, wenn er vielleicht auf Grund eines militärärztlichen Attestes den Nachweis erbringen sollte, daß doch noch Rückstände der Krankheit bei ihm vorhanden wären. Er hat dies seitdem nicht getan; es liegt kein Antrag von ihm vor.
Abg. Sachse (Soz.): Es ist doch merkwürdig, daß der Mann plötzlich wieder vollständig gesund geworden sein soll, obwohl er in⸗ zwischen noch ein paar Jahr älter geworden ist. 1u“
Abg. Schwarz⸗Schweinfurt (Zentr.): Wie soll Hörsters ein neues ärztliches Attest beibringen, nachdem er eben auf Grund eines Attestes seine Pension verloren hat! Es macht fast den Eindruck, als wenn die Untersuchung stattgefunden hat, nachdem Hörsters die Klage eingereicht hat. ian Major von Kornatzki: Dies muß ich entschieden in Abrede
ellen.
Abg. Schwabach (nl.): Ich möchte feststellen, daß sich in der Kommission der Referent oder das eine oder andere Mitglied bereit erklärt hat, den Petenten von dem Beschluß der Kommission zu benachrichtigen.
Der Antrag der Kommission wird angenommen.
Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Schluß der Sitzung gegen 6 ½ Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Wahl des Präsidiums; Interpellationen Bassermann und Albrecht, betreffend die auswärtige Politik; Interpellation Albrecht, betreffend die Teuerung; Interpellation Albrecht, betreffend das Koalitionsrecht der in Militärbetrieben beschäftigten Arbeiter; erste und zweite Beratung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend vorübergehende Zollerleichterungen bei der Fleischeinfuhr.)
1“ .““ Preußischer Landtag. Herrenhaus. 17. Sitzung vom 26. November 1912, Nachmittags 2 ½ Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)
Der Präsident von Wedel⸗Piesdorf eröffnet die Sitzung mit einem Nachruf für die verstorbenen Mitglieder von Bodenhausen, Fürst zu Carolath⸗Beuthen, Kardinal Dr. Fischer, Freiherr von Blanckart und Graf Botho zu Eulen⸗ burg; der Präsident hebt hervor, daß alle diese Herren, ins⸗ besondere der letztgenannte, sich große Verdienste um den Staat
8 8 “
erworben hätten, und daß das Haus tief um ihren Hingang traure. Das Haus ehrt das Andenken der Verstorbenen in der üblichen Weise. b
Ausgeschieden aus dem Hause sind u. a. infolge der Nieder⸗ legung ihrer Mandate die Oberbürgermeister Dr. Oertel⸗Liegnitz, Dr. Adickes⸗Frankfurt a. M., Kirschner⸗Berlin, Dr. Bender⸗ Breslau, Voigt⸗Barmen.
Neu eingetreten in das Haus sind die Herren von Sydow⸗ Kalzig, Freiherr von Geyl, Bürgermeister Dr. Gerding⸗ Greifswald, Professor Dr. Küstner⸗Bonn, Burggraf zu Dohna⸗ Schlobitten, Oberbürgermeister Dr. Scholz⸗Cassel, von Dewitz⸗ Naumburg und Oberbürgermeister Dr. Wermuth⸗Berlin.
Nach Eintritt in die Tagesordnung wird zunächst eine Reihe von Petitionen auf Antrag der Kommunalkommission für nicht geeignet zur Beratung im Plenum erklärt.
Dann folgt der mündliche Bericht der Finanzkommission über den aus Anlaß eines Antrages der Abgg. Viereck (freikons.), Dr. von Kries (kons.) und Genossen vom Abgeordnetenhause angenommenen L*”n wonach die Heran⸗ ziehung der Beamten, G
den Lasten der Schulsozietäten auf das Maß be⸗
schränkt werden soll, wie es dem Kommunalsteuerprivileg der
genannten Personen entsprechen würde.
Namens der Kommission empfiehlt Berichterstatter Dr. Graf YVorck von Wartenburg die Ablehnung des Gesetzentwurfs und
dafür die Annahme einer Resolution, durch welche die Regierung ersucht wird, für die erheblichen Mehraufwendungen, die die genannten Beamten usw. in der Provinz Posen durch ihre Stellung in den Schulsozietäten im Vergleich mit denselben Kategorien von Personen im Geltungsbereich des Volksschulunterhaltungsgesetzes zu lessten haben, durch Einstellung eines besonderen Fonds in den Staats⸗ e oder auf andere geeignete Weise einen Ausgleich zu chaffen.
In der Generaldiskussion nimmt das Wort
Herr Dr. Wilms⸗Posen: Bei Verabschiedung des Volks⸗ schulunterhaltungsgesetzes wurde uns ein Gesetzentwurf in Aus⸗ sicht gestellt, der die besonderen Verhältnisse der Provinz Posen regeln sollte. Ein solcher ist uns bisher nicht vorgelegt worden. Daraus haben sich nun die Schwierigkeiten ergeben, denen der Antrag des anderen Hauses abhelfen will. Gegen ihn muß man große Bedenken haben. Dadurch, daß die Beamten und Militärs in der Provinz Posen nicht dieselben Privilegien wie die Beamten in anderen Provinzen haben, stehen sie sich bedeutend schlechter. Ihre Lage in der Provinz Posen ist noch dazu besonders schwierig; das hat man ja auch anerkannt, indem man ihnen Zulagen gibt. Aber selbst diese Zulagen reichen vielfach nicht aus, um die hohen Sozietätsbeiträge leisten zu können. Das muß natürlich zu einer Verstimmung und Verärgerung in den Beamtenkreisen führen. Vermindert man die Beiträge der Beamten, dann erhöht man natürlich die Lasten der übrigen Sozietätsmitglieder. Das Gesetz will nun einen allgemeinen Fonds schaffen, aus dem die Sozietäten subventioniert werden sollen. Aber das ist immerhin bedenklich. Es ist nicht ratsam, Schulangelegenheiten mit einem solchen Fonds zu verquicken Bei der Zuwendung aus solchen Fonds könnten doch einmal andere Gesichtspunkte als nur rein sachliche zur Anwendung gelangen. Nun könnte man ja vielleicht die juristischen Personen heranziehen oder auf andere Weise neue Steuerträger heran⸗ zuziehen suchen. Aber alles das verspricht keine radikale Abhilfe. Diese wird auch nicht durch die uns vorgeschlagene Resolution ge⸗ schaffen. Ich bitte deshalb, eine von mir mit meinen Freunden zu⸗ sammengestellte Resolution anzunehmen, welche die Königliche Staats⸗ regierung auffordert, in Anbetracht der Härten, die in der
rovinz Posen für die Beamten durch ibre Heranziehung zu den Schulsozietätslasten entstanden sind, baldigst den bei Verabschiedung des Volksschulunterhaltungsgesetzes in Aussicht gestellten besonderen Volksschulgesetzentwurf für die Provinz Posen vorzulegen.
Herr von Köller: Auch ich bin ebensowenig wie meine
Freunde in der Lage, dem Gesetzentwurf, wie er aus dem anderen Hause zu uns gekommen ist, zuzustimmen. Ich will dabei nur erwähnen, daß besonders der § 2 geradezu eine Mißhandlung der deutschen Sprache darstellt. Es ist doch sonst nicht üblich, einen Paragraphen mit „wo“ anzufangen. Wir verkennen nicht, daß sich für die Beamten und Militärs in der Provinz Posen große Uebel⸗ stände herauegebildet haben. Trotzdem können wir auch für die Resolution der Kommission nicht stimmen, da sich die finanziellen Folgen gar nicht absehen lassen. Es genügt vorläufig, wenn der Uebelstand allseitig anerkannt wird. Es ist jetzt Sache der Staats⸗ regierung, ihrerseits geeignete Vorschläge zu machen. Wir können uns deshalb nicht mit einer Resolution festlegen, sondern müssen die Vor⸗ lage der Staatsregierung erst abwarten. Damit schließt die Generaldiskussion. Eine Spezialdiskussion findet nicht statt. Das Haus lehnt mit großer Mehrheit nach dem Antrage der Kommission den Gesetzentwurf a b. Auch die Resolution der Kommission wird, ebenso wie die Resolution der Herren Dr. Wilms und Gen., abgelehnt.
Eine Reihe von Gesetzentwürfen über die Aende⸗
rung von Amtsgerichtsbezirken, und zwar der Bezirke Demmin und Loitz, Köslin und Zanow, Brieg und Löwen, Jüterbog, Luckenwalde und Treuenbrietzen, Bad Orb und Gelnhausen, Beckum und Oelde, wird ohne Debatte an⸗ genommen. Bezüglich der allgemeinen Rechnung über den Staatshaushalt des Etatsjahres 1908 und der Rechnung von den Verwaltungseinnahmen und zausgaben der Preußischen Zentralgenossen⸗ schaftskasse von 1908 beantragt die Finanzkommission, die Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausgaben nachträglich zu genehmigen und der Regierung Entlastung zu erteilen.
Herr von Buch bemerkt, daß über die Verwendung der Gelder bei der Zentralgenossenschaftskasse doch eine nähere Erörterung er⸗ wünscht wäre, und beantragt deshalb, die Rechnung der Zentral⸗ genossenschaftskasse an die Kommission zurückzuverweisen.
Das Haus beschließt nach diesem Antrage, im übrigen nach dem Antrage der Kommission. 1
Betreffs der Rechnung der Kasse der Oberrechnungs⸗
kammer für das Etatsjahr 1910 beschließt das Haus auf
Antrag der Finanzkommission, der Regierung Entlastung zu erteilen. Dann folgt die Beratung von Petitionen.
Die Petition des Vorsitzenden des Kreisausschusses des Kreises⸗
Oels und des Magistrats und der Stadtverordnetenbersammlung zu Oels um Bau einer Eisenbahn von Oels nach Bricg beantragt »vdie Eisenbahnkommission der Regicrung als Material zu überweisen.
Berichterstatter Graf von Carmer befürwortet diesen Antrag. Er betont daß der Bau der Bahn von Oels nach Brieg die einzige Möglichkeit sei, die schlechten Verkehrsverhältnisse, die seit langem im Kreise Oels herrschen, zu beseitigen.
Graf von Kospoth: Wenn man die Eisenbahnkarte be⸗ trachtet, kann man feststellen, daß in dem Eisenbahnnetz in Schlesien ereh an dieser Stelle eine bedeutende Lücke vorhanden ist. Wenn ich dort ein Tru ppentransport als notwendig erweist, so werden sich große Schwierigkeiten herausstellen. Der Bau der Bahnstrecke ist also in militärischer Beziehung absolut notwendig, wenn auch die
eistlichen, Elementarlehrer G und niederen Kirchendiener, sowie der Militärpersonen und Mitglieder der Gendarmerie in der Provinz Posen zu
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8
Ein⸗ und Ausfuhr einiger wichtiger Waren in der Zei
Rentabilität der Bahn nicht groß sein wird. Ich bitte deshalb, den Antrag der Kommission abzulehnen und die Petition zur Beruck⸗ sichtigung 15 überweisen. 8 in Regierungskommissar bemerkt, daß die ganze Frage der Ausgestaltung des Eisenbahnnetzes Reantglaas Pehan Flan vune Prifung nerdalb der Recherhe unterliege und daher noch nicht gesagt werden könne, in we is Fra Vetiton g.aft verhen könne. hber as Haus beschließt nach Ablehnung des Antra f Kospoth nach dem Antrag daha nbeFtna re ge ncwan⸗ Die Petition des Magistrats zu Ohlau und des Kreisausschusses des Kreises Ohlau um den Bau einer Eisenbahn von Oels über Minken nach Ohlau wird auf Antrag der Eisenbahnkommission, der vom Berichterstatter Grafen von Carmer befürwortet wird, der Regierung zur Erwägung überwiesen. . „Zu einer Petition um den Bau einer Eisenbahn von Bojanowo nach Kröben beantragt die Eisenbahnkommission, 18 Freiherr von Schlichting, Uebergang zur Tages⸗ 0 . „Herr Dr. Soetbeer⸗Glogau bemerkt, daß eine gleiche Petition früher vom Hause der Regierung zur Erwägung überwiesen worden sei; es sei zu verwundern, daß die Kommission diesmal den Ueber⸗ gang zur Tagesordnung empfehle, und er beantrage deshalb, die Petition der Regierung zur nochmaligen Erwägung zu überweisen. Das Haus beschließt unter Ablehnung dieses Antrages gemäß dem Antrah 58 Kommision. 8 ine Petition des Bürgermeisters und der Handelskammer zu Stolberg (Rheinland), welche eine Besserung der Verkehrsverhältntsse und Abschaffung von sonstigen Uebelständen auf dem dortigen Bahnhof verlangt, wird auf Antrag der Kommission der Regierung als Material und eine Petition des Lokomotivführers von Söhnen zu Barmen um Bestimmung der Stadt Barmen zum amtlichen Wohnsitz der Lokomotiv⸗ beamten der Eisenhahnstationen Barmen und Langerfeld wird auf Antrag⸗ der Kommission der Regierung zur Erwägung überwiesen. 8 Die Beratung einer Petition des Vereins für die bergbaulichen Interessen im Oberbergamtsbezirk Dortmund zu Essen (Ruhr) um Vermehrung der Betriebsmittel des deutschen Staatsbahnwagenverbandes beantragt der Präsident von Wedel⸗Piesdorf von der Tagesordnung abzusetzen und an einem späteren Tage mit der Verhandlung über eine ähnliche Angelegenheit
zu verbinden.
„Herr Dr. Weidtman: Ich habe gegen eine Vertagung nichts einzuwenden, möchte aber bitten, die Beratung nicht allzu lange hinauszuschieben. Es handelt sich um eine fur das ganze Industrierepier äußerst wichtige Angelegenheit. Der Ausfall in diesem Jahre beträgt über 40 Millionen, von denen 20 Millionen dem preußischen Staate und über 20 Millionen den Bergarbeitern als Lohn entgangen sind. Kommissare des Ministeriums und der Minister selbst haben sich an Ort und Stelle mit den Interessenten⸗ treisen in Verbindung gesetzt und über Mittel zur Abhilfe beraten. Was dabei herausgekommen ist, darüber haben wir noch nichts gehört. Wir haben alle ÜUrsache, einmal klarzustellen, wie diese Uebelstände entstehen konnten, und wie ihnen abgeholfen wird.
Herr Funck⸗Elberfeld: Ich halte eine Vertagung für sachlich geboten, da wir morgen in der Eisenbahnkommission Aufklärung des Ministers zu erwarten haben. b Herr Holle⸗Essen (Ruhr): Diese Frage interessiert alle Kreise im rheinisch westfälischen Industrierevier. Auch den Stadtverwaltungen sind sowohl von Arbeitnehmern wie von Arbeitgebern Petitionen zu⸗ gegangen. Die Stadt Essen hat allein einen Lohnausfall von 3 Millionen feststellen können. Die Sache darf deshalb nicht hmaus⸗ geschoben werden.
Präsident von Wedel⸗Piesdorf: Ich werde diesen Punkt über⸗ morgen oder am darauffolgenden Tag auf die Tagesordnung setzen.
Die Tagesordnung ist erledigt. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Sparkassengesetz kleinere Vorlagen, Petitionen.) Schluß nach 4 ½ Uhr. gefe.
Stctistik und Volkswirtschaft.
vom 11. bis 20. November der beiden letzten Jahre.
Emfuhr s Aufuhr im Spezialhandel
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und Leuchtöl) 318 865 334 216 3
““ 288 255 105 788 2 147 eö“ 21 708 ²) 45 343 Rohluppen, Rohschienen, „Rohblö e usw.. 3 256 Lräger, eiserne .. . 297 Eisenbahn⸗, Straßen⸗ bahnschienen.. Eisenbahnschwellen aus ““ 8X“ Feingold, legiertes Gold,
arren aus Bruch⸗
gold.
155 758
110 446 47 702
12 943 1 413
1““ 5,98 1,32 Deutsche Goldmünzen. 2,08 1,69 1820 Fremde Goldmünzen 0,350 079 0,22
Einschließlich: ¹) von eisen⸗ oder manganhaltiger Gasreinigungs⸗ haßse Ferrocyanschlamm, Konverterschlacken, ausgebranntem eisen⸗ baltigen Schwefelkies, ²) des Ferroaluminiums, Ferromangans und anderer nicht schmiedbarer Eisenlegierungen, ³) der Eisenbahnlaschen nd ⸗unterlagsplatten aus Eisen — —, ⁴) ohne Barren aus Bruchgold. Berlin, den 27. November 1912.
Kaiserliches Statistisches Amtt. I. I. Dr. Zoher.
“ 8
Ueber die Kriminalktät im Deutschen Reiche und ihre Verteilung auf die einzelnen Altersklassen
hat der Strafanstaltsdirektor Dr. Finkelnburg auf Grund der Zahlen er Reichstriminalstatistik für das Jahr 1909 graphische Darstellungen beliefert, die als Beilageheft zur „Statistik der zum Ressort des Königlich preußischen Ministeriums des Innern gehörenden Straf⸗ anstalten und Gefängnisse für das Rechnungsjahr 1910“ erschienen ind. Nach der ersten Tafel, die in horizontaler und vertikaler Zeich⸗
—
die einzelnen Altersklassen gibt, sind am stärksten — mit zusammen 241 174 Verurteilten — die Jahresklassen vom 18. bis 30. Jahre beteiligt; das ist die Zeit, in der sich der Mensch für seine sozlalen Aufgaben bildet, und in dieser Altersklasse sind die 18. bis 21 jährigen am stärksten kriminalistisch belastet, nach diesen die 21⸗ bis 25 jährigen, dann die 25⸗ bis 30 jährigen. In weiterem Pbstande folgen jener Altersklasse die 30⸗ bis 40 jährigen mit 133 203 Verunteilten, dann die 40. bis 50 jährigen mit 74 984 Verurteilten, und die über 50 Jahre alte Bevölkerung ist geringer (45 003 Verurteilte) an der Kriminalität beteiligt, als die 12⸗ bis 18 jährigen (49 697 Verurteilte).
„Eine zweite Tafel veranschaulicht in 26 Quadraten die Kriminalität nach Deliktsarten und ihre Verteilung auf die ver⸗ schiedenen Altersklassen. Unter den Straftaten steht die Körperverletzung (einfache, schwere, gefährliche), auf die 124 440 Verurteilte mit 111 705 Handlungen entfallen, obenan; dann folgen der Diebstahl (115 401 Verurteilte, 134 752 Handlungen), in weiterem Abstande die Verbrechen und Vergehen gegen die öffentliche Ordnung (71 346 Verurteilte, 79 600 Handlungen) und dann die Beleidigung (59,591 Verurteilte, 84 572 Handlungen); damit sind 66 % aller Straftaten umfaßt. Ferner wurden an 33 654 Verurteilten 56 260 Fälle von Betrug und Untreue, an 29 013 Verurteilten 37 794 Fälle von Unterschlagung geahndet. Widerstand gegen die Staatsgewalt (20010 Verurteilte, ꝛ21 448 Handlungen) und Sachbeschädigung (19 579 Ver⸗ urteilte, 22 719 Handlungen) stehen sich ungefähr gleich. Die Ver⸗ brechen und Vergehen gegen die Sittlichkeit (13 776 Verurteilte, 17 174 Handlungen) stehen an Zahl zwar weit hinter Diebstahl und Körperverletzung zurück, nehmen aber doch einen mit Rücksicht auf ihre Gefahr für die Volksmoral bedauerlich großen Raum ein, zumal da es sich hier in den meisten Fällen um den Mißbrauch von Kindern handelt, deren Leben dadurch vergiftet wird. Strafbaren Eigennutzes und der Verletzung fremder Geheimnisse haben sich 12 871 Verurteilte in 11 170 Fällen schuldig gemacht, eines Verbrechens oder Vergehens wider die persönliche Freiheit 12 807 Verurteilte in 21 419 Fällen, der Begünstigung und Hehlerei 10 097 Verurteilte in 11 963 Fällen, der Urkundenfälschung 7035 Verurteilte in 11 351 Fällen, eines gemeingefährlichen Verbrechens oder Vergehens 6835 Verurteilte in 6866 Fällen. Der Anteil der schweren Verbrechen — Straftaten gegen das Leben (2114 Verurteilte, 1849 Handlungen), Raub und Erpressung (1409 Verurteilte, 1329 Handlungen), Ver⸗ letzung der Eidespflicht (989 Verurteilte, 1065 Handlungen) — ist verhältnismäßig gering und jener der gegen den Bestand des Staates gerichteten Verbrechen — Hochverrat und Landesverrat (10 Verurteilte, 8 Handlungen) — verschwindend.
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Die im Deutschen Reiche tätigen Arbei Herkunft nach Geburtsprovinzen.
Unter den geborenen Deutschen gab es nach der Berufszählung von 1907 im Deutschen Reiche 21 637 733 (16 778 341 maäͤnnliche und 4 859 392 weibliche) Erwerbstätige*), darunter 13 495 389 (9 998 909 m, 3 496 480 w.) Arbeiter, Gesellen, Gehilfen, Tage⸗ löhner, bei Behörden, Anstalten usw. beschäftigte Unterbeamte u. dgl., mithin 6237 auf 10 000. An in Preußen geborenen Arbeitern 1h. wurden im Reiche 8 597 772 (6 492 898 m. 2 104 874 w.) gezählt bei einer Gesamtzahl von 14 345 625 (10 479 109 m, 2 866 516 w.) Erwerbstätigen *) preußischer Herkunft, d. s. 6442 %o. Preußen liefert also verhältnismäßig mehr Arbeiter usw. als das Reich; jedoch ist hier das weibliche Geschlecht mehr vertreten als dort, da auf 10 000 Erwerbstätige“*) aus Preußen 1577, auf 10 000 reich⸗gebürtige 1616 Arbeiterinnen usw. entfallen. Für die preußischen Provinzen ergeben sich folgende Zahlen:
Geburtsprovinzen „Erwerbstätige“)
1 männl. weibl. Ostpreußen.. 734 107 217 058 Westpreußen.
8 512 244 141 006 Stadtkreis Berlin. 301 588 127 131 Brandenburg. 899 215 263 696 Pommern ... 570 577 143 341 EIE““ 654 731 207 078 Schlesien 1 531 770 536 983 Sachsen. . . 1 004 768 256 096 Schleswig⸗Holstein. 405 574 92 586 Hannover... 785 876 186 063 Westfalen... 859 790 182 329 Hessen⸗Nassau 569 071 128 248 Rheinprovinz 1 627 449 378 228 Hohenzollern.. 22 349 6 673 8 802 3 990 zufammen 10 479 109 2 866 516 6 492 898 2 104 874.
Verhältnismäßig am meisten Arbeiter usw. bringt hiernach die Provinz Posen hervor, 7023 (5066 m. + 1957 w) auf 10 000 Er⸗ wer stätige*). Dann folgen Ostpreußen mit 6809 (5011 + 1798), Schlesien mit 6774 (4760 + 2014), Westpreußen mit 6653 (4981 + 1672), Brandenburg mit 6497 (4787 + 1710). Dem Staatsdurch⸗ schnitt von 6442 nahe kommen Pommern mit 6416 (4930 + 1486), Westfalen mit 6415 (5218 + 1197), der Stadtkreis Berlin mit 6396 (4469 + 1927), die Provinz Sachsen mit 6382 (4858 + 1524) und die Rheinprovinz mit 6275 (5033 + 1242). Die niedrigsten Ziffern berechnen sich für die Hohenzollernschen Lande (4408 = 3033 + 1375), Hannover (5819 = 4448 + 1371), Hessen⸗Nassau (5912 = 4729 + 1213) und Schleswig⸗Holstein (5955 = 4670 + 1285).
Je höher die Verhältnisziffer der Arbeiter usw. aus einer Provinz ist, desto geringer muß die Ergänzungszahl für die Personen in selb⸗ ständiger oder mittlerer Stellung sein. Wenn man weiter zugestehen will, daß zur Erringung dieser Stellungen im allgemeinen mehr gehört, als dem Durchschnitt eignet, dann ist man vielleicht berechtigt, aus dem oben Dargestellten auch nach dieser Richtung hin Schlüsse zu ziehen. Hierbei darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Anteil des weiblichen Geschlechts in den Provinzen sehr verschieden ist; je größer dieser Anteil, desto ungünstiger stellt sich das Bild der Provinz dar. Auch ist nicht außer acht zu lassen, daß die im Hause der Herrschaft lebenden Dienstboten hier weder als Arbeiter noch als Erwerbstätige gezählt sind. (Stat. Korr.)
Arbeiter usw. männl. weibl.
476 625 171 020 325 43 109 218 191 603 82 607 556 794 198 805 351 937 106 116 436 588 168 668 984 673 416 676 612 488 192 137 232 655 64 010 432 293 133 231 543 764 124 747 329 782 84 595 1 009 455 249 054
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1 “ iteratur.
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart. Band VI, 1912. VIII und 536 Seiten. Verlag von J C. B. Mohr (Paul Siebeck) in Tübingen. Geh. 20 ℳ, Subskriptionspreis 18 ℳ. — Der unter diesem Titel erscheinende fortlaufende Teil des groß an⸗ gelegten, von Professor Dr. Max Huber (Zürich), † Georg Jellinek, Wirklichem Geheimen Rat, Professor Dr. Paul Laband (Straßburg i. E.) und Professor Dr. Robert Piloty (Würzburg) herausgegebenen Sammelwerks „Das öffentliche Recht der Gegenwart“, das dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Forschung entsprechende Darstellungen des Staats⸗ und Verwaltungs⸗ rechts der Kulturstaaten und der diesem Rechtsgebiete nahe⸗ stehenden allgemeinen Lehren (Völkerrecht usw.) bietet, dient vor⸗ nehmlich der periodischen Berichterstattung über die Wandlungen, die das öffentliche Recht aller Staaten durch die Gesetzgebung erfährt. Daneben soll es auch eine Sammelstätte von Abdandlungen über wichtige Gegenstände aus dem gesamten Gebiete des Staals⸗ und des Völkerrechts sein. Durch die alljährliche Berichterstattung wird der
Kulturstaaten und die allgemeinen Lehren in selbständigen Bünden wissenschaftlich bebandelt, auf dem laufenden erhalten und ergänzt, indem über die wichtigsten staatsrechtlichen Fragen auch in denjenigen Staaten unterrichtet wird, deren öffentliches Recht im systematischen Teil noch nicht bearbeitet worden ist. Der seit kurzem vorliegende sechste Band des „Jahrbuchs“ eathält zunächst drei Abhandlungen: Professor Dr. Rosin (Freiburg i. B.), dessen zweibändiges Werk über das Recht der Arbeiterversicherung zu den bedeutendsten Bearbei⸗ tungen dieses Rechtsgebiets gehört, givt auf 75 Seiten eine treffliche Darstellung der Grundzüge der neuen Reiche versicherungsordnung. Ein Beitrag von Professor Dr. Lammasch (Wien), Mitglied des
aager Schiedsgerichtshofes, der wegen der jetzigen lebhaften Bewegung auf dem Gebiete des Schiedegerichte wesens besonders will⸗ kommen sein dürfte, handelt von „isolierten und institutionelle Schiedsgerichten“; von einem institutionellen Schiedsgericht spricht der Verfasser dann, wenn ein Schiedsgericht nicht bloß für einen einzelnen, isolierten Fall berufen, sondern als eine für die Fanze Zeit der Geltungsdauer des Schiedsgerichts vertrags bestimmte Institution eingesetzt wird, auf deren Funktionieren man von voraherein zu zählen berechtigt ist. Unter der Ueberschrift „Grundlegung einer einheitlich⸗ soziologischen Auffassung von Staat und Gesellschaft“ veröffentlicht Dr. Franz Oppenheimer (Berlin) einen Abschnitt aus einem noch nicht im Druck erschienenen Werke, das den Titel führen soll: „Der liberale Sozialismus als System der Sozio⸗ logie’. Sodann folgen Berichte über die Gesetzgebung auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts, von denen besonders die beiden von Privatdozent Dr. Ruck und Dr. Franz Schneider über die Gesetzgebung des Deutschen Reichs im Jahre 1911 hervor⸗ zuheben sind. Für Preußen fehlt in diesem Jahrgang ein Bericht; dagegen sind Referate über die Gesetzgebung Württembergs in den Jahren 1910 und 1911, über die Verfassungsvorlagen und die Land⸗ tagsverhandlungen (1910 bis 1911) in Mecklenburg, über die wich⸗ tigsten Gesetze und Staatsverträge der thüringischen Staaten seit 1900, über die hamburgische Verwaltungsgesetzgebung in den Jahren 1910 und 1911 erstattet, und Privatdozent Dr. Walther Schoenborn behandelt die elsaß⸗lothringische. Verfassungsreform vom 31. Mai 1911. Endlich wird noch über die Gesetzgebung der letzten Jahre in einer Reihe außerdeutscher Staaten (Belgien, Frankreich, Groß⸗ britannien, Monaco, Norwegen, Oesterreich⸗Ungarn, Türkei, Ver⸗ einigte Staaten von Amerika und China) berichtet. Eine praktische Neuerung sind die im Inhaltsverzeichnis gegebenen Hinweise auf ein⸗ schlägige Abhandlungen und Berichte in den ersten fünf Bänden des „Jahrbuchs“.
Studien zum internationalen Recht von Dr. Sigmund Cybichowski, Universitätsprofessor. 71 Seiten. Berlin, Verlag von Franz Vahlen. — Diese Schrift enthält drei Beiträge über Fragen des internationalen Rechts. In dem kurzen ersten, „Der
roße Generalstab und das Völkerrecht“ betitelten Aufsatz weist der Verfasser zunächst darauf hin, daß in der 1902 vom preußischen Großen Generalstab veröffentlichten Darstellung der Landkriegs⸗ gebräuche moderner Kulturstaaten das 1900 vom Deutschen Reich ratifizierte Haager Abkommen über die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges von 1899 nicht mitbehandelt sei — was sich aber daraus erklären dürfte, daß dieses Abkommen erst am 9. November 1901, also zu einer Zeit, in der die die Jahreszahl 1902 tragende Schrift des Generalstabs wohl bereits dem zuständigen Abteilungschef zur Genehmigung vorlag oder schon gedruckt wurde, im Reichsgesetzblait verkündet worden ist —, und erörtert dann die rechtliche Bedeutung des Haager Vertrags, ins⸗ besondere der ihm als Anlage beigefügten Kriegsrechtsordnung. Die z. B. auch von der englischen Regierung geteilte Ansicht, daß das Haager Abkommen über das Landkriegsrecht die Vertragsstaaten nur zum Erlaß entsprechender Instruktionen an das Heer verpflichte im Gegensatz zu anderen Abkommen, deren ganzer Text sie unmittelbar binde, wird von Cybichow⸗ki verworfen. — In der umfangreichsten seiner drei Studien, „Notwendigkeit und Völkerrecht“ betitelt, behandelt er das schwierige Problem der Notwendigkeit im Recht oder, wie man häufiger sagt, des Notstandes, das die beste Lösung im Srrafrecht erhalten hat, aber auch seit Jahrh nderten auf dem Gebiete des Völkerrechts von Autoren viel r Völker erörtert wird. Der Ver⸗ fasser unterzieht hier das weitschichtige Material einer kritischen Betrachtung, prüft von der großen Zahl der Aeußerungen die wichtigsten Beiträge, wobei er naturgemäß in erster Linie die deutschen Stimmen (Groot, Pufendorf, Wolff, G. F. von Martens, Klüber, Heffter, Bluntschli, Bulmerinca, Gareie, von Holtzendorff, von Liszt, von Ullmann, Meurer u. a.) berücksichtigt, und sodann die Taten der Praxis, die ebenfalls reiche Belehrung gewährt. Besonders wichtig wird der Begriff der Notwendigkeit im Kriegsrecht. Nach Völkerrecht sind nur diejenigen Kriegsakte zulässig, die zur Erreichung des Kriegszweckes notwendig sind. So ergibt sich der Begriff der Kriegsnotwendigkeit oder der Kriegsnotwendigkeiten, die die zur Erreichung des Kriegszwecks notwendigen Maßnahmen umfassen. Die Praxis hat die verschiedensten Vorstellungen vom Notwendigkeitsrecht gehabt und von ihm schon gesprochen, wenn eine Maßnahme zur Durchführung einer staatlichen Unternehmung un⸗ bedingt erforderlich erschien. Die Vernichtung einer Flotte, die Be⸗ schießung einer Großstadt im vollen Frieden, die Einverleibung eines Staates hat man mit dem Notwendigkeitsrecht zu rechtfertigen gesucht. Der Verfasser will nicht, wie ein großer Teil der Autoren völker⸗ rechtlicher Schriften, namentlich der französischen Literatur, die ganze Lehre von der Notwendigkeit verwerfen, sondern sie nur von den Schlacken irrtümlicher Anschauungen gereinigt und durch Aufstellung richtiger Grundsätze der Praxis die Wege gewiesen wissen. Im all⸗ gemeinen ist er für eine Einengung des Anwendungsbereichs des Not⸗ wendigkeitsrechts. — Die dritte Studie behandelt das Verhältnis des internationalen Privatrechts zum Völkerrecht, ein Thema von vor⸗ wiegend theoretischem Interesse. Vorschläge zur Vereinheitlichung des Scheckrechts von Dr. jur. Ernst E. Redlich. XI und 62 Seiten. Berlin, Verlag von Franz Vahlen. Preis 2 ℳ. — Nachdem die Wechsel⸗ rechtskonferenz im Haag durch den Abschluß einer Konvention unter Verwertung der vom Kammergerichtsrat, Geheimen Justizrat Dr. Felix Mever im Auftrage des Aeltestenkollegiums der Berliner Kaufmann⸗ schaft in seinem zweibändigen Werke „Das Weltwechselrecht“ ge⸗ leisteten Vorarbeiten die Grundlage zu einem Weltwechselrecht gelegt hat, sind die Bestrebungen weiter Kreise, nicht nur der am Welt⸗ handel Beteiligten, auf die Vereinbeitlichung des Scheckrechts ge⸗ richtet, da auch der Scheck wie der Wechsel ein „Weltwanderer“ ist, sowohl als Reisescheck (tourist draft, moner order oder Zirkular⸗ scheck) als auch dort, wo er den Sichtwechsel vertritt, einen Faktor des internationalen Verkehrs bildet. In der vorliegenden Schrift sucht nun der Verfasser einen Teil der Fragen, die der Lösung in einem einheitlichen Scheckrechte harren, vor allem die Frage, wie der Scheck des Weltscheckgesetzes beschaffen sein soll, zu beantworten. Er gibt eine kurze rechtsvergleichende, systematische Darstellung der wesentlichen Punkte von 31 einschlägigen Gesetzen bezw. Gesetzentwürfen europäischer und außereuropäischer Länder unter Berücksichtigung der in⸗ und ausländischen Literatur und der veröffentlichten Rechtsprechung und verbindet damit Vorschläge zur Vereinheitlichung des Scheckrechts, die auch kurz begründet werden. Den Schluß bildet ein vom Verfasser aus⸗ gearbeiteter, aus 8 Paragraphen bestehender Entwurf von Be⸗ stimmungen eines Weltscheckgesetzes. Die präzis gefaßten Vorschläge, die stets innerhalb der Grenzen des Erreichbaren bleiben, suchen die in den geltenden Gesetzen und veröffentlichten Gesetzentwürfen vor⸗ handenen Gegensätze im Interesse der Förderung der wirtschaftlichen Funktionen des Schecks auszugleichen und tragen überall dem Be⸗ dürfnis der Gegenwart Rechnung. Die legtslativ politischen Er⸗ wägungen, die sich in der kurzen Begründung der einzelnen Vorschläge
finden, zeugen von praktischem Sinn und erscheinen beachtenswert.
systematische Teil des Sammelwerks, der das Staatsrecht der einzelnen
nung einen Ueberblick über die Verteilung der Gesamtkriminalitaͤt auf