Etat bewilligt. Wir Sozialdemokraten waren die einzigen, die durch die Tat den Willen zur Opposition zeigten. Wir werden immer fur die Aufhebung des Jesuitengesetzes stimmen. Dagegen werden aber die Herren stimmen, die in der Nahe des Zentrums sitzen, die National⸗ liberalen. Aber ihr Verhalten paßt schlecht zu der Politik, die sie außerhalb des Hauses treiben.“ Wie kann man gegen Jesuiten seine Stunme abgeben, wenn man selbst die Politik der Jesuiten macht? Die Gefahr besteht nicht in den Jesuiten, sondern im Klerikalismus als politischer Erscheinung. In Württemberg waren es gerade die Nationalliberalen, die dem Zentrum fast eine Mehrheit geschaffen haben. Es ist doch eine inkonsequente Politik, wenn man die Jesuiten nicht hereinlassen will, aber sie dort, wo sie Einfluß haben, aus Angst vor der Sozialdemokratie unterstützt. Ich will an ein anderes Jubiläum erinnern, an das Jubiläum des ersten deutschen Schützen⸗ festes in Frankfurt. Damals schlug Schultze⸗Delitzsch selbst⸗ bewußte demokratische Töne an. Wie war es vor kurzem nach 50 Jahren? Jetzt sprach Prinz Heinrich von Hohenzollern. Er pries den Gehorsam als Trumpf für das Bürgertum. Wir Sozialdemokraten wollen den Rebellentrotz. Wir wollen die Arbeiter⸗ klasse weiter führen und sie befreien von Klerikalismus, Konservativis⸗ mus und Ausbeutung. Wir wollen sie erziehen zur Freiheit, zur Demokratie und zum Sozialismus.
Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Die gegenwärtige Etatsberatung tritt für meine Partei augenblicklich zurück hinter der Frage, die der Vorredner zuletzt behandelt hat, hinter der Frage der Auslegung des ZJesuitengesetzes durch den Bundesrat. Wenn der Vorredner für die Aufhebung des Jesuitengesetzes stimmen wird, so werde ich ihm dafür dankbar sein und ihm alle die Bosheiten verzeihen, die er gegen uns erichtet hat. Der Vorredner meinte, wir seien als Regierungstruppe Fen 1909 gut einexerziert, und er führte an, daß wir trotz der Duell⸗ frage die Heeresvorlage bewilligt hätten. Die Duellfrage ist noch nicht erledigt. Der Kriegsminister stellte eine Kabinettsorder zuungunsten der Duelle in Aussicht, und diese Kabinettsorder ist noch nicht erschienen. Wir zogen die Mithilfe des Kriegsministers Demonstrationen vor, mit denen nichts zu erreichen ist. Der Vor⸗ redner sprach dann von einer Niederlage des Ministeriums Hertling. Ich habe den Differenzpunkten zwischen Bayern und Preußen in dieser Frage nur eine untergeordnete Bedeutung beigemessen und hätte mich deshalb nicht an den Bundesrat gewandt. Der Redner gibt hierauf einen historischen Ueberblick über die Entstehung des Jesuitengesetzes und über die Bundesratsentscheidungen, die in bezug auf dasselbe er⸗ gangen sind. In der parlamentarischen Geschichte sei es wohl einzig dastehend, daß ein Gesetz dem Bundesrate in bezug auf die Ausführung des Gesetzes so weitgehende Befugnisse gegeben habe wie das Jesuiten⸗ gesetz. Von Bayern sei ursprünglich beantragt worden, daß den Jesuiten die Ausübung geistlicher Funktionen verboten sein sollte. Bavyvern, so fährt Redner fort, hat nun den früheren Bundesrats⸗ beschluß so ausgelegt, daß Konferenzvorträge und auch die Aushilfs⸗ seelsorge den Jesuiten nicht verboten sein sollen. Es traten nun Ge⸗ rüchte auf, die die katholischen Gemüter aufs tiefste kerregen mußten. Die deutschen Bischofe, vor allem die bayerischen, richteten nun be⸗ kanntlich Eingaben an den Bundesrat, in denen sie sich für eine Auf⸗ hebung des Gesetzes im Interesse des konfessionellen Friedens und der religiösen Freiheit aussprachen. (Der Redner zitiert diese Eingaben.) Die Antwort darauf war die bekannte Entscheidung des Bundesrats vom 28. November. Nach seiner Interpretation des Jesuitengesetzes soll jede priesterliche oder sonstige religiöse Tätigkeit gegenüber anderen verboten sein. Unter die religiöse Tätigkeit fallen nicht das Lesen stiller Messen, Primizfeiern im Rahmen eines Familienfestes und das Spenden von Sterbesakramenten. Nicht untersagt ist das Halten wissenschaftlicher Vorträge nichtreligiösen Inhalts; die schriftstellerische Tätigkeit wird ebenfalls von dem Verbot nicht betroffen. Ich will nicht untersuchen, inwieweit diese Interpretation vereinbar ist mit
rüheren Auffassungen des Bundesrats. Was ist denn eine Ordens⸗ niederlassung? Das einzelne Ordensmitglied darf sich im Deutschen Reiche aufhalten. Es kann auch das einzelne Ordensmitglied mit nderen zusammenwohnen, wenn nicht etwa ein einzelstaatlicher Minister sagt: „Halt! Das ist eine Niederlassung!“ Es fragt sich nun, was eine religiöse Tatigkeit ist. Die Seelsorge ist etwas anderes. Es kann z. B. die Frage aufgeworfen werden, ob Lichtbildervorträge in einer Kirche abgehalten werden können. In evangelischen Kirchen ist dies geschehen; soll es den Jesuiten nicht gestattet sein? Was die Primizfeiern betrifft, so legen die Katholiken ihnen eine ganz be⸗ ondere Bedeutung bei. Sie legen Gewicht darauf, daß sich möglichst viele Mitglieder der Gemeinde daran beteiligen. Fürchtet man etwa, daß junge Männer dem Jesuitenorden beitreten, wenn ein großerer Kreis einer solchen Feier beiwohnt? Die Entscheidung des Bundes⸗ rats wird dem Orden noch viel mehr Mitglieder zuführen. Man hat erwartet, daß der Bundesrat, wenn er schon nicht für eine Auf⸗ hebung des Restes des Jesuitengesetzes sich entscheidet, wenigstens das bestehende möglichst milde interpretieren werde. Die Sterbesakramente sollen die “ erteilen dürfen, dagegen dürfen sie nicht die Kommunion austeilen, wenn sie z. B. in einer Hauskapelle einer Messe beiwohnen. Was gehen diese Dinge die Oeffentlichkeit an? Nehmen wir an, ein Jesuit ware bei mir zu Tisch und sprache das Tischgebet. Ich riskiere, daß meine Kinder ausgefragt werden und diese Handlung als eine religiöse angesehen wird. Ist es da ein Wunder, daß die
gerechte Behandlung finden. Wir werden unser Verhalten dement⸗ sprechend einrichten.
Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:
Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Spahn hat von der tiefen Erregung gesprochen, in die das katholische Volk durch den letzten Bundesratsbeschluß versetzt worden sei. Gewiß greifen Streitig⸗ keiten, die das religiöse Gebiet berühren, uns Deutsche viel tiefer an das Leben als andere Nationen. Seit Jahrhunderten sind solche Streitigkeiten ein verhängnisvolles und vielfach blutiges Kapitel der deutschen Geschichte gewesen. Das vergißt ein Volk von so tiefer religiöser Stimmung wie das deutsche nicht. Darum geben die Wogen der Erregung heute wieder hoch — aber auf beiden Seiten: denn den zahlreichen Stimmen aus katholischen Kreisen, welche die Zurückberufung der Jesuiten verlangen, stehen zum mindesten ebenso zahlreiche Aeußerungen von evangelischer Seite gegenüber (Sehr richtig! rechts und bei den Nationalliberalen), welche der ernsten Be⸗ sorgnis vor der Zurückberufung des Ordens Ausdruck geben. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.)
Ich halte es für notwendig, daß wir bei einer Beurteilung dessen, was geschehen ist, uns von der Erregung der Gemüter möglichst frei halten. (Sehr richtig! rechts.) Der Hergang ist doch folgender ge⸗ wesen. Das Gesetz vom 4. Juli 1872 schließt den Jesuitenorden vom Deutschen Reiche aus und erteilt dem Bundesrat die Er⸗ mächtigung und den Auftrag, die erforderlichen Beschlüsse zu fassen, damit die Ausführung des Gesetzes verwirklicht werde. Das hat der Bundesrat in dem bekannten Beschluß vom 4. Juli 1872 getan. Auf Grund dieses Beschlusses ist das Gesetz während 40 Jahren aus⸗ geführt worden. Der Beschluß hat verschiedentlich den Entscheidungen höchster Gerichte zu Grunde gelegen. Obwohl der Bundesrat eine Definition des Begriffes „Ordenstätigkeit“ nicht gegeben hatte, hat sich — ich habe darüber in diesem Frühjahre gesprochen — im Reiche eine Praxis für die Handhabung des Gesetzes gebildet, welche in allen Hauptpunkten in den einzelnen Bundes⸗ staaten die gleiche gewesen ist. Diese Praxis hat im Laufe der Zeiten die Tendenz gehabt, sich nicht zu verschärfen, sondern zu mildern⸗ Wenn die Katholiken auch während der ganzen Zeit mit Nachdruck bestrebt gewesen sind, das ganze Gesetz aufzuheben, so werden sie doch, wenn sie einmal das Jesuitengesetz als eine lex lata und nicht als eine lex ferenda behandeln, Klagen über harte und schikanöse Prak⸗ tiken bei der Handhabung des Gesetzes nicht erheben können. (Zurufe im Zentrum: Doch!) Und das war im Interesse des konfessionellen Friedens nur zu begrüßen. Reichskanzler und Bundesrat hatten keinerlei Anlaß, an diesem Zustande zu rütteln. Da ist der baverische Ministerialerlaß gekommen. Dieser Erlaß war es, der nich und danach den Bundesrat genötigt hat, uns neuerdings mit der Aus⸗ führung des Jesuitengesetzes zu befassen. Ich muß dies gegenüber den erregten Klagen in katholischen Kreisen ausdrücklich vor dem Lande feststellen. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Bei uns hat die Initiative nicht gelegen. (Sehr richtig! bei den National⸗ liberalen.) Aber, meine Herren, indem ich dies feststelle, will ich mich in keiner Weise mit den Vorwürfen identifizieren, die in der Oeffent⸗ lichkeit gegen die baverische Regierung und vor allem gegen den baverischen Herrn Ministerpräsidenten erhoben worden sind, als hätten sie sich gegen das Reich auflehnen wollen.
Meine Herren, die Art und Weise, wie Bayern die Angelegen⸗ heit vor das Forum des Bundesrats gebracht hat, sollte die baverische Regierung jedes Vorwurfs einer Beugung des Reichsrechts entheben, auch in den Augen derjenigen, die nicht wie ich in jahrelanger Geschäftstätigkeit erfahren haben, mit welcher peinlichen Sorgfalt und mit welcher über alle kleinlichen Sonderinteressen erhabenen Bundes⸗ treue Bayxern zum Reiche steht. (Bravo !)
Meine Herren, was hat denn nun der Bundesrat auf den An⸗ trag Baverns beschlossen? Doch nicht das Jesuitengesetz! Das be⸗ steht seit 490 Jahren. Ich würde die Erregung der katholischen Kreise verstehen, ich würde selbst gewisse über alles Maß hinaus⸗ gehende Aeußerungen, die wir in diesen Tagen in der katholischen Presse gelesen haben, beinahe begreifen, wenn wir jezzt neuerdings den Orden der Gesellschaft Jesu vom Deutschen Reiche ausgeschlossen hätten. Das ist aber nicht der Fall. Der Bundesratsbeschluß vom
meine Herren, was heißt das anders, als daß Sie die Jesuitenfrage zum Eckstein Ihres politischen Programms machen wollen? (Lebhafte Zustimmung bei den Nationalliberalen, Zuruf aus der Mitte.) Meine Herren, daß Sie als Glieder Ihrer Kirche die Beseitigung des Jesuitengesetzes herbeisehnen, wer wollte Ihnen das verdenken? Aber neben den 24 Millionen Katholischen leben 40 Millionen Evangelische in Deutschland, beide Söhne eines Volkes und in allen Schickungen des nationalen Lebens auf Gedeih und Verderb zusammengeschmiedet. (Lebhafte Zustimmung bei den Nationalliberalen.) Eine geschichtliche Tatsache ist es, daß sich das evangelische Volks⸗ empfinden von jeher gegen die Tätigkeit der Jesuiten beftig gekehrt hat. Diese Tatsache können Sie weder durch Gründe noch durch Dialektik wegleugnen. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Sie können in dieser Tatsache auch nicht ein Phantom oder eine Idiosynkrasie der Evangelischen erblicken. Die streitbare Tätigkeit, die die Jesuiten in der Vergangenheit auf allen Gebieten, in Kirche, in Politik in Schule entfaltet haben, ihr internationaler Charakter, ihr Wider⸗ streben gegen die Entwicklung des modernen Staatsgedankens haben den Orden wiederholt nicht nur mit den Protestanten, sondern auch in rein katholischen Ländern mit den Staatsregierungen, ja mit der Kirche selbst in Widerspruch gesetzt. (Lebhafte Zustimmung links.) Ich brauche Ihnen nicht die Geschichte zu rekapitulieren, können Sie sich da wundern, wenn in evangelischen Kreisen bei der Frage der Zulassung oder der Nichtzulassung der Jesuiten vielleicht unbewußt, aber doch immer wieder die Erinnerung an die Zeiten nachzittert, in denen fanatischer Glaubenshaß unser Vaterland zerriß? Möge uns das Geschick vor der Wiederkehr von Zuständen bewahren, in denen um des Glaubens willen die Glieder des Volk
Herren — und damit lassen Sie mich schließen — muß ich meine warnende Stimme erheben, wenn jetzt dem katholischen Volke der Bundesratsbeschluß als die Wiedereröffnung des Kulturkampfes dar⸗ gestellt wird. Die das tun, laden eine schwere und verhängnisvolle Verantwortung auf sich, eine Verantwortung, die sie weder mit dem Inhalt des Bundesratsbeschlusses noch mit dem Hergang, der zu seiner Fassung geführt hat, vertreten können. (Bravo! links.)
Abg. Graf Westarp (dkons.): Trotz der hohen Wertschätzung, welche bei uns die kirchlichen Interessen der Evangelischen und der Katholiken finden, ist es uns nicht möglich, in die Kritik einzustimmen die der Abg. Dr. Spahn gegenüber dem Bundesratsbeschluß aus gesprochen hat, und die von ihm gezogene Schlußfolgerung für be⸗ rechtigt zu halten. Das Jesuitengesetz besteht nun einmal und muß durchgeführt werden. Auf Grund dieses Gesetzes hatte der Bundes⸗ rat die gesetzliche Verpflichtung, Ausführungs⸗ und Vollzugsverord nungen zu erlassen. Schon im April dieses Jahres hatte ich mir die Bemerkung erlaubt, ob es nicht richtiger gewesen wäre, wenn der Bundesrat schon bei der Aufhebung des § 2 eine neue Ausführungs⸗ verordnung erlassen hatte. Das ist nicht geschehen. Nachdem aber die “ Regierung ihrerseits den Bundesrat darum ersucht hat, um die Auslegungsschwierigkeiten und Zweifel zu beseitigen, war es einfach seine gesetzliche Verpflichtung, zu einer neuen Ausführungs⸗ verordnung zu schreiten, und wir meinen, an diesem Sach⸗ und Rechts⸗ verhältnis darf man nicht vorübergehen. Wir haben soeben gehört, daß der Bundesrat nicht beabsichtigt habe, eine Verscharfung herbei⸗ zuführen, sondern daß lediglich das bestehende Recht kodifiziert werden solle. Der Kanzler hob hervor, daß man sich auch in der Praxis der letzten Zeit von jeder Nachschnüffelei ferngehalten habe, und daß von
dieser Praxis auch ferner nicht abgewichen werden solle. Diese Er⸗ klärung halte ich für erfreulich, auch wir würden eine Verschärfung der bisherigen Praxis nicht gewünscht haben. Im übrigen ist es augen⸗ blicklich äußerst schwer, juristisch dazu Stellung zu nehmen, ob und inwieweit der Bundesratsbeschluß etwa doch eine Verschärfung be⸗ deutet. Und um so schwerer, als die bisherigen Bestimmungen in den einzelnen Bundesstaaten verschieden erlassen und verschieden ge⸗ handhabt worden sind. Ich gehe daher jetzt auf diesen Teil nicht näher ein. Seit 40 Jahren hat die Auslegungsfrage, um die es sich handelt, eine im wesentlichen gleiche Beantwortung gefunden; sc 40 Jahren nimmt man an, daß § 1 nicht bloß die Niederlassung, sondern auch die Ordenstätigkeit verbietet. Die allgemeinen politi⸗ schen Fragen wird einer meiner Freunde in der Generaldiskussion be⸗ sprechen und dabei auch auf die Ausführungen der äußersten Linken
eingehen; ich beschränke mich auf eine Betrachtung des Etats selbst. Der neue Etat bezeugt einen gedeihlichen Fortschritt. Die Meinung der „Freisinnigen Zeitung“, daß die Besserung der Finanzlage nur dem Aufschwung der wirtschaftlichen Verhältnisse seit 1909 und nicht der Finanzreform zu verdanken sei, ist grundfalsch. Der Abg. Gothein hat eine Gegenrechnung aufmachen wollen und sich dabei auf den früheren Reichsschatzsekretar Wermuth berufen; aber er ist
einander entfremdet wurden. (Sehr richtig! links.) Deshalb, meine
zum Dentschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
191²2
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Ich möochte aber doch davor warnen, sich infolge der kritischen Zeiten in eine besondere nervöse Unruhe treiben zu lassen. Trotz des Ernstes der Stunde müssen wir doch darauf Gewicht legen, daß derartige organisatorische Veränderungen genügend vorbereitet, und daß mit genügender Sorgfalt die Ausbildung der betreffenden Truppenteile durchgefüͤhrt wird. Sollte es wirklich nötig sein, schneller vorzugehen, so sind wir damit einverstanden, daß die Heeres⸗ verwaltung die gerigneten Schritte tut. Man hat ferner dem Kriegsminister vorgeworfen, er habe nicht genug gefordert. Es mag sein, daß hie und da in dem Gesetz eine Lücke ist, aber es ist anzuerkennen, daß der Kriegsminister durchaus be⸗ strebt ist, diese Lücken den praktischen Bedürfnissen ent⸗ sprechend auszufüllen, auch über die Wehrvorlage hinaus: dies ist B. geschehen in bezug auf die Bespannung der Batterien. Wir haben ferner die sehr interessante und erfreuliche Ankündigung des Reichsschatzsekretärs vernommen, wonach uns voraussichtlich noch ein gänzungsetat zugehen werde mit Forderungen des Luftschiffswesens. Wir haben mit den Zevppelinschen Luftschiffen einen großen Vorsprung vor dem Auslande. Ohne mich über den strategischen Wert der Luftschiffe näher zu äußern, halte ich es für selbstverständlich, daß, wenn die Miliär⸗ und Marine⸗ verwaltung ihren Wert anerkennen, wir die Mittel bewilligen müssen, um diese Truppengattung auf dem richtigen Stande zu erhalten. Die Durchführung der Wehrvorlagen ist für 1913 jedenfalls am schwierigsten. Was das Gesamtbild des Etats für 1913 betrifft, so hat sich der außerordentliche Bedarf vermindert, die Anleihen für nicht werbende Zwecke sind zurückgegangen. Es muß dem Staatssekretär zugegeben werden, daß er die Reinigung des außerordentlichen Ftats im Sinne Wermuths trotz der Wehrvorlagen “ hat. Mit der Frage der Deckung der Reichsschuld werden wir uns bei einer anderen Gelegenheit noch eingehend zu efassen haben. Jedenfalls ist festzustellen, daß die Großbanken sich ihrer Auf⸗ gahe für den Fall der Kriegsbereitschaft nicht gewachsen gezeigt haben, trotzdem wir ihnen durch das Börsengesetz eine großere Bewegungsfreiheit gegeben haben. Mit Recht hat der Staatssekretär auf die große Inanspruchnahme des Kapitals durch wirtschaft⸗ liche Anlagen hingewiesen. Ich möchte noch besonders die sibermäßige Anlage von Kapital in auswärtigen Staatspapieren
betonen und die Ueberspannung des Spekulationskredits. Was
die einzelnen Etats betrifft, so begrüßen wir es, daß die Reichspostyerwaltung sich entschlossen hat, die Ostmarkenvorlage wieder in den Etat einzustellen. Ebenso erfreulich ist die Erhöhung
der Beteranenbeihilfe. Der Reichsschaßsekretäar meinte, es sei allgemeine Uebereinstimmung aller bürgerlichen Parteien im Reichstage vorhanden, daß der Reichsfinanzreform eine allgemeine Besitzstenter folgen müsse. Ich kann dieser Erklärung in bezug auf uns nicht beitreten. Wir müssen uns vielmehr unsere Stellung vor⸗ behalten, die Prufung der Frage, ob eine neue Steuerbelastung des Volkes angehracht ist. Ich wiederhole, der neue Etat zeigt ein durchaus gesundes Bild unserer finanziellen Entwicklung. Selbst⸗ verständlich müssen wir auch ferner Sparsamkeit walten lassen. Wir müssen jedoch mit Befriedigung konstatieren, daß der Reichsschatzsekreiturk den Etat auf gesunder und solider Grundlage nach den bisherigen Richtlinien aufgestellt hat. ie gegenwärtige Lage erfordert Ruhe und Besonnenheit und klaren Blick in die Situation. Der neue Etat bietet uns dafür eine voll⸗ ständig geeignete Unterlage. 1 Hierauf wird nach 584 Uhr die weitere Beratung auf Donnerstag 1 Uhr vertagt. Außerdem: Erste Beratung des G.⸗E. über den Verkehr mit Leuchtol; Interpellationen, betreffend die Staatsarbeiter und den Wagenmangel.
Preußischer Landtag. beten. 99. Sitzung vom 4. Dezember 1912, Mittags 12 Uhr.
Zweite Beilage
Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember
des § 3, nicht oder nur schlecht verwertet werden könne, und weiter, ob Abhilfevorschläge zu machen und nach welcher Richtung zu an machen seien.
Ich habe außerdem zu einer Ausschußsitzung des Verbandes preußischer Weinbaugebiete, die am 2. November dieses Jahres in Koblenz stattgefunden hat, einen Kommissar entsendet, um auch bei dieser Gelegenheit Mitteilungen entgegenzunehmen über den Umfang und die Höhe des Schadens, der durch den Frost im Oktober dieses in Jahres in den Weinbaugebieten angerichtet worden ist. 3. Meine Herren, das Jahr 1912 versprach für die Winzer in dem weitaus größten Teile des Weinhaugehietes einen Ertrag, der bei bis fortdauernd günstiger Witterung mindestens auf den des Jahres 1911
laufen, der Behang der Trauben ein guter, ja teilweise ein so vorzüg⸗ licher, daß er den des Jahres 1911, das doch, was Quantum angeht, jedenfalls eine Rekordernte darstellt, noch übertraf.
Aber die schlechte Witterung von Mitte Juli bis Mitte Sep⸗ tember mußte natürlich die Hoffnungen der Winzer schon sehr erheblich
gute Ernte bestanden, wenn wenigstens der Oktober noch ein so⸗ genannter guter Monat gewesen wäre. Da kam in den Nächten vom 1 5. zum 6. und vom 6. zum 7. Oktober der gewaltige Froft, der an
immerhin noch großen Hoffnungen der Winzer.
der Trauben ganz erheblich gemindert. Dann nimmt der Wein, der aus erfrorenen Trauben gekeltert wird, in der Regel einen schwer zu beseitigenden Frostgeschmack an. Das Schlimmste ist aber,
den noch nicht reifen Trauben keine Zunahme mehr erfährt. Nach der letzten Richtung hin sind in den verschiedenen Weinbaugebieten sowohl durch die Nahrungsmittelämter wie auch durch private Chemiker
die mit den Verhältnissen des Weinbaues näher be⸗ kannt sind, sedenfalls interessieren, wenn ich über das
Gebiete der Mittelmosel haben sich die Mostgewichte zwischen 40 und 89° Oechsle gehalten, an der Saar zwischen 40 und 70°, an der Obermosel zwischen 40 und 62 ° und an der Untermosel zwischen 62 und 102 °. Danach ist, was das Mostgewicht im Moselgebiet an⸗
.
Am Mittelrhein betrug das durchschnittliche Mostgewicht ungefähr
an der Nahe zwischen 44 und 99 °, an der Ahr endlich ist es im all⸗ gemeinen sogar als normal zu bezeichnen. Was die Säure angeht, so hatte die Mittelmosel 8 bis 20 pro
Untermosel 12 bis 18. An der Ahr wiederum war der Säuregehalt normal, am Mittelrhein betrug er durchschnittlich 14,3 pro Mille und
gehalt zwischen 12 und 18 pro Mille und an der Nahe zwischen 9,9 müssen Sie beachten, daß in nermalen resp. guten Jahren der Säure⸗
gehalt sich in der Regel nicht üder 13 pro Mille erhebt, und daß der Jahrgang 1911, der allerdings eine, ich möchte sagen, beinahe zu
2 escha den können. Die Blüte war meistens normal ver⸗ 400 ℳ gebre⸗ 8 3 “ es sind gerade in letzter Zeit verschiedentlich Fuder zum Preise von
600 ℳ und darüber gehandelt worden. Nehme ich, meine Herren, einen Preis von 300 ℳ pro Fuder an, und schätze ich die Ernte in den von mir erwähnten Weinbaugebieten, wo, wie ich wiederholt be⸗ merke, 8 9. ca. 2 ergibt sich ein Rohertrag von 8 100 000 ℳ, bei sti 3 sicht i lativ ca. 27 000 Fuder, so ergib rtrag 8
- einem Durchschnittspreise von 400 ℳ erhöht sich der Rohertrag auf
Die Rebfläche, also das mit Weinreben besetzte Gebiet, beträgt der Saar, der Mosel und dem Ruwer zusammen ca. 6800 ha.
3 Ee- Wenn ich einen durchschnittlichen Jahresertrag von d. Fudern pro Hektar annehme, so ergibt das für dieses Gebiet 7. 2 und dieser Ertrag ist trotz des Frostes, was das Quantum epe; . auch in diesem Jahre als vorhanden anzunehmen; denn die L8 a 8 Seiten eingezogenen Berichte geben an, daß ca. 14 000 Fuder noch
7 000 Fuder,
den Winzerkellern lagern, ca. 14 000 Fuder aber schon bis zum November d. J. an den Handel abgesetzt waren.
64 für die Fud Wenn ich nun die Preise in Rechnung stelle, die für die Fuder
her und in letzter Zeit gezahlt worden sind, so kann man damit
rechnen, daß das Fuder immerhin noch einen Erlös von 300 bis
bracht hat. Diese Rechnung ist keineswegs zu hoch; denn
hauptsächlich ein Frostschaden in Betracht kommt, auf
800 000 ℳ. Meine Herren, wenn Sie mit diesem Ergebnis den
Ertrag des Jahres 1909, den ich vorhin mitgeteilt habe, vergleichen,
. 8 i ei Preise von 1 Seitentä t grad Kö o ergibt das Jahr 1912 gegen das Jahr 1909 bei einem . bee . eae Ee 8 b- pro Fuder nur ein Minus von 1 500 000 ℳ, bei einem Preise
v ““ von 400 ℳ pro Fuder aber sogar ein Plus von 1 200 000 ℳ.
Meine Herren, bei diesem Ergebnis liegt es auf der
Der Schaden, der durch den Frost angerichtet ist macht sich t Er hu““ schi Sei gelten i 2 Hand, daß die vorher angeführte Schätzung bezüg
nach verschiedenen Seiten geltend. Einmal wird das Quantum . d ““ en “ ehre 1912 trotz des erheblichen Frostschadens tatsächlich doch nur um ein Jahr handelt, wie es eben im Leben des Winzers 87.genen. ß di 8 5 erden ß das tgewi um ein Jahr, das zu gewaltigen Hoffnungen berechtigt, in Wir ie eit e-reeeeeers hernssge heh .: 11— aber leider nur einen verhältnismäßig sehr geringen Ertrag geliefert hat. Man kann mit einem Worte sagen: bei dem Verluste des Jahres 1912 handelt es sich für die Winzer nicht um 29 ““ 5 ie K zmergens, sondern um ein lucrum cessans, das die Winzer um so zahlreiche Erhebungen angestellt worden. Es wird die Herren, scherer ee ie s ie Zehr don i. em feh fmcsg und gewaltige Erträge gewöhnt hatten, und 8 bü. “ is dies . ini a ache der Anfang des Sommers des Jahres 1912 entschieden noch zu de Ergebnis dieser Ermittlungen noch einige nähere Angaben mache. Im bvgvbe Iühr 191 mam dem
Ertrage nachstehen würde.
„Es ist wohl selbstverständlich, daß auf Grund dieser von mir
mitgeteilten Ergebnisse weder die v 8 s dos ältnismã 1 9 wirtschaftskammern ihre Meinung dahin ausgesprochen haben, daß
geht, die untere Mosel verhältnismäßig am günstigsten weggekommen. u 11“ h“ ““ h f t o. nicht, daß der eine oder andere Winzer in seinem Ertrage ganz er eae. 88 geschmälert worden ist; aber sie sind nicht in der Lage, An⸗ träge zu stellen, um einem gegenwärtigen Notstande vorzubeugen. Ich babe mit Rücksicht hierauf auch die zuerst in der Interpellation ge⸗ 6e S 22 i tel 15 his 20, die stellte Frage dahin zu beantworten, daß die gemachten Feststellungen v2. einen Notstand unter den Winzern der in Betracht kommenden
Weinbaugebiete nicht ergeben haben.
Meine Herren, nun sind im Anschluß an die Mitteilungen über
Seitenlagen 17. Rbei ndlich schwankte der Säure⸗ 8 1u“ b b hefaseaegeeres üe eesheg beg Fijler aepx das Ergebnis des Frostschadens im Jahre 1912 eine Reihe anderer rihe Perter richti 8 orschlã d sowohl von den Landwirtschaftskammern 8 ⸗2, Fenr ürbd önnen, Vorschläge gemacht worden, sowohl von den hafts 1 fee-ags Nagreesk- a “ 1 wie von den Weinbauvereinen, die in der Hauptsache dahin gehen, in eine Aenderung des bestehenden Weingesetzes vom 7. April 1909 einzutreten und eventuell durch ein sogenanntes Notgesetz den
Schwierigkeiten des laufenden Jahres Abhilfe zu schaffen. Es handelt
8e.g, bnrvevneeeieeenüilhnhe Snee
—ö
8 heneen mn.“ sich bei diesen Vorschlägen in erster Linie um den § 3 des geltenden
Auslegung des Bundesrats eine große Erregung im katholischen Volke hervorgerufen hat? Was macht das für einen Eindruck, wenn man uns verbietet, die Mittel, die wir für nötig und richti halten, für die Belehrung unseres inneren Wesens und “ religiösen Lebens anzu⸗ wenden? Und das zu einer Zeit, wo man allen anderen darin jede Freiheit gibt. Wir dürften jedenfalls Parität verlangen. Wo ist der Beweis dafür geblieben, daß die Jesuiten je schaͤdlich für Deutschland gewesen sind? Man hat sogar bei uns eine Milderung des Jesuiten⸗ gesetzes vorgenommen, ohne diese Frage überhaupt zu prüfen. Also eine Gefährdung Deutschlands wird nicht befürchtet. Die nützliche Tätigkeit der Jesuiten, allerdings im Auslande, im deutschen Sinne ist ja selbst von dem Staatssekretar des Reichsmarineamts zugegeben worden. Dieses Urteil deckt sich mit dem, das man auch in anderen Ländern über die Jesuiten abgegeben hat. In allen diesen. Ländern ist durch die Jesuiten der konfessionelle Frieden nicht gestort worden. Durch die Vertreibung der Jesuiten ladet das Reich selbst eine schwere Schuld auf seine Schultern, und alle Schuld racht sich auf Erden. Damit man uns nicht auch einen Teil dieser Schuld zuschiebt, deshalb treten wir immer für die Aufhebung des ganzen Jesuitengesetzes ein. Wir hoffen, daß die Zeit kommen wird, wo auch die anderen großen Parteien, die jetzt noch gegen die Aufhebung sind, eine andere Meinung aben werden. Der Abg. Dr. Spahn verlas im Namen der Zentrums⸗ fraktion folgende Erklärung: „Das Gesetz vom 4. Juli 1872, be⸗ treffend den Orden der Gesellschaft Jesu, enthalt einen Angriff gegen die katholische Kirche und die staatsbürgerlichen Rechte der Katholiken im Deutschen Reiche. Das klösterliche Leben und die Wirksamkeit der Orden liegen im Wesen der katholischen Kirche. Der Orden der Ge⸗ fenschaft Jesu, die Kongregationen der Lazaristen und der Saecré Coeur⸗Schwestern sind von der katholischen Kirche anerkannt. Des⸗ halb ist das Verbot der religiösen Tätigkeit für die Angehörigen dieser Orden eine Beschrankung des Lebens der katholischen Kirche und eine Beeinträchtigung der freien Religionsübung der Katholiken, die im Reiche voll⸗ und gleichberechtigt sind. Die gegen die Jesuiten früher und jetzt erhobenen Vorwürfe der Immoralität, der Deutsch⸗ und Kulturfeindlichkeit sowie der Störung des religiösen Friedens sind unwahr. Der zur Beurteilung der Jesuiten zuständige deutsche Episkopat hat ihnen, wie 1871, so auch jetzt bezeugt, daß sie sich durch die Unantastbarkeit ihres Lebenswandels und ihre Wissenschaft sowie nicht minder durch ihre eifrige und gesegnete Wirksamkeit in der Hilfsseelsorge auszeichneten. Die Bekanntmachung des Bundesrats vom 28. November 1912 verletzt durch das Verbot der priesterlichen Tätigkeit der Ordenspersonen die Gewissensfreiheit aller Katholiken, welche die Spendung der Sakramente ihrer Kirche nach ihrer Wahl von denjenigen Priestern müssen empfangen dürfen, denen sie ihr Ver⸗ trauen schenken. Der Bundesrat hat die in den Ausnahmegesetzen gegen den Orden der Gesellschaft Jesu liegenden Eingriffe in die bürgerliche und kirchliche Freibeit verschärft. Unter diesen Umständen können wir zu Reichskanzler und Bundesrat das Vertrauen nicht haben,
28. November kodifiziert lediglich die Praxis, nach der ein bestehendes Reichsgesetz ausgeführt worden ist. Der Herr Abg. Spahn hat das bestritten; er sieht in dem Bundesratsbeschluß eine Verschlimmerung des bestehenden Zustandes (sehr richtig! im Zentrum), und er hat uns zum Beweise dessen eine Reihe von Details vorgeführt. Ich muß es einem meiner Herren Mitarbeiter überlassen, darauf zu antworten. Für mich kommt es darauf an, das Grundsätzliche fest⸗ zustellen. 1
Der Bundesratsbeschluß ist entstanden aus der Absicht, diejenige Auslegung zu kodifizieren, welche die Bundesregierungen bei der Hand⸗ habung des Gesetzes dem Bundesratsbeschlusse vom 5. Juli 1872 gegeben haben. Bei der eigenartigen Struktur des Gesetzes, das eine Strafandrohung nicht kennt, und nach dem Wegfall des § 2 des Ge⸗ setzes ist es sehr wohl möglich, ja ich möchte es als sicher bezeichnen, daß die Jesuiten vielfach über jene Auslegung hinaus unbehelligt eine Tätigkeit ausgeübt haben. (Sehr richtig! bei den National⸗ liberalen.) Man hat sich eben bei der Handhabung des Gesetzes, namentlich in der letzten Zeit, von jeder Nachschnüffelei, von jeder Schikane ferngehalten. Die bestehende Praxis oder die bestehende Handhabung des Gesetzes zu ändern, ist nicht Zweck und Absicht des jetzigen Bundesrats⸗ beschlusses. Für den Bundesrat und den Reichskanzler lag keinerlei Anlaß vor, einen Gegenstand materiell neu zu ordnen, mit dem er ohne das Vorgehen Bayerns, ohne seinen Antrag an den Bundesrat keine Veranlassung gehabt hätte, sich überhaupt zu beschäftigen. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.)
Meine Herren, das ist der Hergang gewesen, und diesen Hergang sollte man sich bei einer Kritik des Bundesratsbeschlusses auf allen Seiten gegenwärtig halten. Das ist zu meinem Bedauern in der Erklärung nicht geschehen, die der Herr Abg. Dr. Spahn am Schlusse seiner Rede verlesen hat. Wenn Sie, meine Herren vom Zentrum, aus der Behandlung der Jesuitenfrage durch den Bundesrat, die, wie ich wiederhole, eine Neuerung nicht gebracht hat, den Schluß ziehen — so lautet Ihre Erklärung —, daß die Bedürfnisse der katholischen Bevölkerung überhaupt keine gerechte Behandlung mehr finden würden, wenn Sie in dieser Beziehung, wie Sie es tun, dem Bundesrat und mir das Vertrauen kündigen, und wenn Sie Ihr
mit seiner Aufmachung wie mit seiner Berufung nicht glück⸗ lich gewesen. Erfreulicherweise ist der Beharrungszustand der Er⸗ gebnisse der durch die Finanzreform von 1909 eingeführten neuen Reichseinnahmen sehr bald eingetreten, und es ist in vollem Umfange gelungen, den Bedarf zu decken; vom 1. Oktober 1912 ist ja nun guch noch die Aufbesserung der Mannschaftsloöhne erfolgt. Wenn wir in die politischen Wirren der letzten Jahre mit den Finanzen von 1908 hineingegangen wären, so hätten wir in der Welt nicht die Rolle gespielt wie beute mit unseren geordneten und soliden Finanzverhältnissen. Den Ueberschuß von 1912 schätzungsweise anzugeben, hat der Schatzsekretär vorsichtiger⸗ weise unterlassen; wir können das unter den gegebenen Ver⸗ hältnissen nur billigen. Wir müssen ihm auch in der Auffassung recht geben, daß es nicht ratsam ist, auf übermäßige Ueber⸗ schüsse bewußt hinzuarbeiten; ein besonderer Vorzug scheint uns der Riesenüberschuß aus 1911 nicht zu sein. Die Veranschlagung der Zölle und Steuern für 1913 ist durchaus vorsichtig; es sind da stille Reserven vorhanden, da die Anschläge etwas hinter dem zweijährigen Durchschnitt zurückbleiben. Der Militärvorlage hat man in weiten Kreisen und namentlich auch in den Kreisen der Offiziere mehrere Vorwürfe gemacht. Man hat sich darüber beschwert, daß die gesetzlich beschlossenen Maß⸗ regeln nicht rechtzeitig durchgeführt worden sind. Ich darf in dieser Beziehung auch auf die jüngste Anfrage der national⸗ liberalen Partei hier im Reichstag bezüglich der beschlossenen Er⸗ richtung der Maschinengewehrkompagnien hinweisen. Nun ist aber gerade in bezug auf diese Maßregel festzustellen, daß nach dem Etat von 1913 das gesetzlich schlossene vollständig durch⸗ geführt ist. Wenn man den Vorwurf erhoben hat, daß die Vorlage langsam durchgeführt wird, so meine ich, daß die Durchführung so großer organisatorischer Veränderungen auf drei Jabre ver⸗ teilt werden muß. Jedenfalls wird im Jahre 1913 das, was in Aussicht genommen war, im wesentlichen durch geführt. Ich glaube, daß wir kei ruhigen Zeiten mit dem beschlossenen Tempo durchaus zufrieden sein können. Die entstandene Unruhe hängt wohl mit den kritischen Zeiten zusammen.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
daß die Bedürfnisse der Katholiken im Deutschen Reiche bei ihnen eine
Verhalten als politische Partei entsprechend einrichten wollen, ja,
(Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Int pellation der Abgg. Wallenborn (Zentr.) und Genossen: „Welche Feststellungen hat die Königliche Staatsregierung vor⸗ G6 a des Notstandes, der in rheinischen Winzerkreisen infolge der füngsten Frost⸗ schäden eingetreten ist? Was gedenkt die Königliche Staats⸗ regterung zu tun, um diesem Notstande abzuhelfen?
Abg. Wallenborn (FZentr.) führt zur Begründung der Interpellation aus: Die Froöste am Anfang des Monats Oktober haben dem ohnehin schwer geplagten Winzerstande eine schwere Schädigung gebracht. Im Bezirk des Trierschen Bauernvereins wurde ungefähr die Hälfte der geschäßten Ernte vernichtet: nach angestellten Ermittlungen beziffert sich dort der Schaden auf 18 Millionen Mark. Diese Schatzung ist aber wahrscheinlich noch zu geriag, denn der größte Teil des Rheines, der Nahe, die Mosel unterhalb von Cochem und die Aar sind hier nicht mitinbegriffen. Die Verluste sind um so schmerzlicher, als in der Hauptsache kleinere und mittlere Kleinbauern dapon betrossen wurden. Der Herr Landwirtschafts⸗
inister hat früher schon Worte der Ermutigung an die Moselwinzer erichtet und Staatshilfe in Aussicht gestellt. Um Geldgeschenke ititen wir nicht, wohl aber bitten wir um Maßnahmen, welche die Erhaltung des fleißigen, biederen, treuen Winzerstandes ermoöglichen⸗ sei es durch Gewährung niedrig verzinslicher Notstandsdarlehen, um die Ausgaben der Schädlingsbekämpfung bestreiten zu können, sei es durch steuerliche oder etwa durch
ßis genossen skasse mit den Zusammenarbeiten der Preußischen Zentralgenossenscha sse in 88- betroffenen 1n2. vorhandenen Genossenschaften ver⸗
schiedener Art. Nach welcher Seite Hilfe erbeten werden muß, wird sah ver in Lerc der Verhandlungen ergeben. Von der Mosel tamen Eingaben um Abänderung der 58§ 3 (Zuckerungefrage) und 7 (Verschnitt⸗ bzw. Einfuhrfrage) des Weingesetzes. Wäre S schlägen zufolge im § 3 die Vollmacht gegeben, die Frist für die Zu⸗ erung auszudehnen, so ware mancher Klage der Boden entzogen. S die Mosel 1911 und 1912 unter den jetzt geltenden Bestimmungen 2 . geschädigt wurde, steht 2 * rage, ebenso wie es jedem Einsich 8 klar ist, daß im § 7 die Verschnitt⸗ und Einfuhrfrage anders geregelt werden muß, wenn anders nicht der gesamte deutsche Winzerstand zu Grunde gehen soll.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Bereits vor Eingang der heute zur Beratung stehenden Interpellation hat meine Verwaltung an die in Betracht kommenden Provinztalbehörden eine Rundfrage gerichtet und sie zu Berlchten darüber aufgesordert, ob ein namhafter Keil der bisherigen
Säure gebabt dat.
daß meine vorhin aufgestellte Behauptung zutrifft, daß das Most⸗ gewicht bei den Weinen erheblich zu niedrig, der Säuregehalt entschieden zu hoch war, und daß infolgedessen die Qualität der Weine natürlich sehr vermindert worden ist. Aber im übrigen ist natürlich der Schaden nicht in allen Weinbaugebieten der gleiche gewesen. Der Umfang der Nachteile, die durch den Frost hervorgerufen sind, hängt im wesentlichen von der Reife der Trauben ab. Da. wo die Trauben, wie die Winzer sagen, vollständbig im Wein waren, hat der Frost natürlich weniger Schaden ’ dort, wo die Trauben noch in der Reife zurückgeblieben waren, deshalb sind durch den Frostschaden in erster Linie die Gebiete der Mosel, der Saar und des Ruwer betroffen worden.
bedauerlicherweise eine genaue Angabe in dieser Beziehung schon deshalb nicht möglich, weil es uns an einen genauen und erschöpfenden
Weimnernte in den verschievenen preußischen Weinbaugebieten bei ge⸗
rH Nö eee, e, e eitHten pes Meingesenen, insbesondere
Aus den von mir mitgeteilten Zahlen ist ohne weiteres ersichtlich,
angerichtet wie
Was die Höhe und den Umfang des Schadens angeht, so ist ja
Weinstatistik fehlt. Wir sind nicht in der Lage, zahlenmäßig nach⸗ zuweisen, was in den einzelnen Gegenden an Weinen geerntet worden ist, und wir haben uns deswegen auch bei den Ermittlungen dieses Herbstes auf die ungefähren Angaben beschränken müssen, die uns von den Weinbauwanderlehrern und den Landräten gemacht sind. Die eingegangenen Mitteilungen geben den Schaden, der in den Gebieten der Mosel, der Saar und der Ruwer durch den Frost angerichtet worden ist, auf ungefähr 20 Millionen an. Am Mittelrhein und der Ahr wird der Schaden auf 5,5 Millionen geschätzt und an der Nahe auf zirka 1 ⅞ Millionen Mark. Der nicht erhebliche Frost⸗ schaden im Rheingau ist nicht in Geld bewertet. Meine Herren, diese Schätzungen sind nach den anderweitig statt⸗ gehabten Berechnungen jedenfalls als zu hoch zu bezeichnen. Ich darf in der Beziehung erinnern an die Ernteerträge vergangener Wein⸗ jahre! Aus dem Statistischen Jahrbuch für den Preußischen Staat ist ersichtlich, daß in den hauptsächlich vom Frostschaden betroffenen Gebieten, den Gebieten der Saar, der Mosel und der Ruwer im Jahre 1908 die Ernte geschätzt wird auf 11 Millionen, im Jahre 1909 auf 9,6 Millionen, im Jahre 1910 auf 17 800 000 * und im Jahre 1911 auf 29 Millionen. Das ergibt im Verlauf dieser vier Jahre, unter denen sich ein sehr gutes, nämlich das Jahr 1911, und
Weingesetzes, der die räumliche und zeitliche Begrenzung der Zuckerung vorschreibt. Die Zuckerung darf nur bis zum 31. Dezember des be⸗ treffenden Weinjahres vorgenommen werden, das zugeführte Quantum Zuckerwasser darf nicht mehr als ein Fünftel der gesamten Flüssigkeit
betragen. Meine Herren, zum Erlaß eines Notgesetzes liegt meines Erachtens gegenwärtig kaum ein Anlaß vor, da nach den eingegangenen Berichten bereits der größte Tejl der Ernte sich in den Händen des Handels befindet und der Winzer, der in erster Linie durch den Frostschaden getroffen worden ist, kein Interesse mehr daran hat, die Bestimmungen des § 3 des Weingesetzes abgeändert zu sehen. Andererseits hat der Handel, der die verhältnismäßig geringen Moste des Jahres 1912 auf. genommen hat, auch keinen Antrag auf Aenderung des S 3 des Wein gesetzes gestellt, in der Hauptsache wohl deshalb weil er durch den bekannten § 7 des Weingesetzes in der Lage ist, durch Verschnitt mit dem aus dem Auslande eingeführten oder aus anderen Gegenden de⸗ zogenen Weinen diese Moste wieder für den Konsumenten genußfähig zu machen. Wenn gleichzeitig — das ist insbesondere von den Weindau⸗ vereinen der Mosel, Saar und Ruwer geschehen — der Antrag gestellt worden ist, schon jetzt in eine grundsätliche Aenderung der Be⸗ stimmungen des § 3 des Weingesetzes einzutreten, die zeitliche Be · schränkung aufzuheben oder auszudehnen und auch die raumliche Be schränkung bei der Zuckerung zu erweitern, so glaube ich, daß augen⸗ blicklich diesen Anträgen nicht näher getreten werden kann. (Sebr richtig! rechts.) Das Weingesetz besteht erst seit 1909, und wir daden. vom Herbst 1909 an gerechnet, eigentlich ein ganz normales Weintadr noch nicht zu verzeichnen. Es fehlen also vollständig die Irfadrungen. die den Grund dafür liefern könnten, in eine Nenderung di ser Boe stimmungen einzutreten, und ich kann deswegen auch dier Rärtev. daß die landwirtschaftliche Verwaltung zurzeit nicht in der Laoe vUt. ibrerseits Anträge auf Aenderung des Weingesetzes zu stellen. (Bedr tig! rechts.) 8 “ § 7 des Weingesetzes angeht, so verkeene nicht, daß die Möglichkeit, einen Wein als Moselwein ze derkan n. der tatsächlich nur 51 % Moselwein enthält, unter Umständen ser dee Winzer und für den Absah der Wingerwemne eine Schäduag de⸗ deuten kann. Ich moöͤchte ader glauden, daß der Mement noch aiche
ein verhältnismäßlg sehr schlechtes, das Jahr 1909, desindet, einen Durchschnitt von ca. 17 Millionen Jabresertrag.
gekommen ist, auch an ehne Aeudenemg deeen Paroegrerden derme⸗