1912 / 289 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 Dec 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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zutreten, weil tatsächlich der Weinhandel den Winzern die gering⸗ wertigen Moste verhältnismäßig gut bezahlt hat, in der sicheren Er⸗ wartung, sie durch den Verschnitt mit anderen Weinen absatz⸗ und konsumfähig zu machen.

Ich glaube demnach, daß das Jahr 1912 keinen Anlaß bietet, besondere Maßnahmen für die in Frage kommenden Weinbaugebiete zu treffen. Ich hoffe, daß die Winzer, die schon manche schlechten Jahre überwunden haben, auch über die Nachteile dieses Jahres hin⸗ wegkommen und sich damit trösten, daß gerade im Herbst dieses Jahres auch andere Gegenden sehr empfindlich in ihrer Ernte gestört worden sind. (Sehr richtig! rechts.) Ich darf die Herren aus dem Osten als Zeugen dafür aufrufen, wie vielerorts infolge des Regens die Ernte noch im September sich auf dem Acker befand, und daß auch dort Erträge zu verzeichnen sind, die in ihrer Art ebenso schlecht und ebenso drückend sind wie die Mißerfolge, die die Winzer im Jahre 1912 gehabt haben. (Sehr richtig! rechts.)

Im übrigen glaubt die landwirtschaftliche Verwaltung den Be⸗ weis geliefert zu haben, daß sie überall da, wo wirklich eine Notlage vorhanden war, auch mit ihrer Hilfe nicht hintangehalten hat. Ich darf an die Schäden erinnern, die im Nahegebiet durch Hagelschlag eingetreten waren, und die durch reichliche Beihilfen ersetzt worden sind. Ich darf auch an die Hilfe erinnern, die in dem letzten Jahre den Winzern in der Bekämpfung der Weinbergsschädlinge zuteil ge⸗ worden ist.

Deshalb gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß die Bewohner der Weinbaugebiete den Schaden des Jahres 1912 in ihrer bekannten Energie und Standhaftigkeit ohne bleibenden Nachteil überwinden werden. (Bravo! rechts und im Zentrum.)

Auf Antrag des Abg. Dr. Dahlem (Zentr.) findet eine

Besprechung der Interpellation statt.

Ahbg. Heckenroth (kons.): Auch mein Wahlkreis (Alten⸗ kirchen⸗Neuwied) ist von den Frostschäden betroffen worden und hat einen Schaden von Tausenden erlitten. Das Frübjahr berechtigte zu großen Hoffnungen, der Frost hat aber die ganze Ernte vernichtet. Der Weinbau hat im Laufe der Jahre schon viele Schäden erleiden müssen durch die Reblaus, den Heu⸗ und Sauerwurm, durch Hagel⸗ schlag ufw., sodaß viele Winzer ganz mutlos geworden sind und am liebsten den Weinbau ganz aufgäben. Der Stast muß diesen not⸗ leidenden Berufszweig r 213 Der Minister hat jetzt zwar eine staatliche Hilfe abgelehnt, aber ich habe das volle Vertrauen zur land⸗ wirtschaftlichen Verwaltung, daß, wenn wirklich ein Notstand eintritt, sie es an ihrer Hilfe nicht fehlen lassen wird. 1

1 Abg. Dr. Dahlem (Zentr.): Zu einer Aenderung des Wein⸗ gesetzes liegt keine Veranlassung vor. Ich möchte dem Landwirtschafts⸗ ministet namens meiner politischen Freunde den Dank dafür aus⸗ sprochen, daß er sich gegen eine Aenderung des Weingesetzes ablehnend verhalten hat. Ein derartiger Antrag auf Abänderung kann nicht scharf genug zurückgewiesen werden, da man doch erst abwarten soll, wie das Weinzesetz sich in der Praxis bewährt. Wir werden auch im Reichstag mit aller Entschiedenheit gegen eine Aenderung des Ge⸗ setzes stimmen. Ich verstehe ja, daß der Weinhandel das Weingeset geäandert wissen will, aber vom Standpunkt der Konsumenten 88 man sich mit aller Macht dagegen wehren. Ich halte die Aus⸗ führungen meines Kollegen Wallenborn für durchaus der Be⸗ achtung wert.

Abg. Engelsmann (nl.): Vorerst möchte ich angesichts der erheblichen Frostschäden in den Rheingebieten bemerken, daß alle Ursache vorhanden ist, in Erwägung zu ziehen, inwieweit man den Winzern eine Unterstützung gewähren soll. Auch wir sind der Meinung, daß das Weingesetz vom 7. April 1909 nicht geändert werden darf. Wünschenswert wäre aber der Frlaß eines Notgesetzes bezüglich des § 3, das aber so bald wie möglich geschaffen werden müßte, da dadurch alle die sauren deutschen Weine noch gut ver⸗ bessert werden können. Dies liegt im Interesse sowohl der Pro⸗ duzenten wie der Konsumenten.

Abg. Dr. Crüger (fortschr. Volksp.): Daß der Frost in einzelnen Gebieten Schaden angerichtet hat, kann nicht be⸗ zweifelt werden, indessen ist zuzugeben, daß der Schaden nicht so erheblich ist, wie er anfangs dargestellt wurde. Der Kollege Wallenborn hat richtig empfunden, wenn er sagte, daß es doch zu bedenklichen Konsequenzen führen kann, wenn ein der⸗ artiges Notgesetz in diesem Hause Anklang findet. Mit Sympathie⸗ kundgebungen ist den Winzern sehr wenig gedient. Daß die Winzer sich in sehr schwierigen Verhältnissen befinden, das weiß ja jeder, der sich mit dieser Frage befaßt hat. Aber auch darüber wird man sich klar sein, daß alle Prüfungen und Untersuchungen Mißernten nicht werden vermeiden lassen. Das Zahlenmaterial des Kollegen Wallen⸗ born und das des Ministers müssen wir mit größter Vorsicht entg gen⸗ ehmen. Was die Unterstützungen der Winzer anlangt, so würden sie ja in zinslosen Darlehen gegeben werden müssen. Der Vorredner hat dann auf die Reblaus hingewiesen. Aus den Mitteilungen, die wir aus dem Rheingau erhalten haben, geht hervor, daß hier mit aller Entschiedenheit vorgegangen werden muß, wenn wir im nächsten Jahre nicht wieder eine Notstandsinterpellation haben wollen.

Abg. von Kloeden (b. k. F.): Das Weingesetz hat nicht nur das Interesse der Produzenten, sondern auch das der Konsumenten im Auge. Wir begrüßen es, daß das Weingesetz dahin gewirkt hat, den Pantschern hier in Deutschland das Handwerk zu legen. Ich möchte den Minister bitten, dahin wirken zu wollen, daß die Zölle auf aus⸗ ländischen Wein in der jetzt bestehenden Höhe erhalten bleiben, damit unsere kleinen Winser überhaupt existenzfähig bleiben. Rücksicht auf das Ausland darf nicht genommen werden. Erst kommen wir, dann kommen die anderen. 1

Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Ich bin nicht wenig erstaunt darüber, daß man meint, der Landwirtschaftsminister habe nach⸗ ewiesen, daß der Norstand nicht bestehe. Die zahlenmäßigen Ausführungen, die der Minister uns gab, verdienen unter die Lupe genommen zu werden, und dann muß man doch zu dem Schluß kommen, daß ein Notstand tatsächlich besteht. Der tat⸗ sächlich vorhandene Notstand muß in einer Weise beseitigt werden. Man hat auch anderen Kreisen geholfen, die es nicht so nötig haben, nämlich den Großgrundbesitzern. Natürlich soll nur den wirtschaftlich Schwachen unter den Winzern Beistand geleistet werden. Wie schlimm die Verhältnisse sind, das beweist die ein⸗

egangene Petition. Der Winzerstand muß für die Dauer auf este Füte gestellt werden. In dieser Beziehung fehlt es aber an jedem großzügigen Reformvorschlag. Es ist die Forderung erhoben worden, die §§ 3 und 7 des Weingesetzes ahzuͤndern. Die vor⸗ geschlagene Abänderung des § 3 würde nur die Fälschung des Weines ermöglichen, während die Verschärfung des § 7 die Reinhaltung des Weines bedeutet. Das ist doch ein offenbarer Widerspruch. Wir sind selbstverständlich für die Verschärfung des § 7 zu haben, weil wir grundsätzlich für jeden Vorschlag sind, der die Fälschung der Lebensmittel verhindert. Aus denselben Gründen sind wir mit der Abänderung des § 3 nicht einverstanden. Es würde sich vielleicht empfehlen, das württembergische Genossenschaftswesen inner⸗ halb des Winzerstandes, soweit dies möglich ist, auf Preußen zu über⸗ tragen. Es wäre dringend zu wünschen, daß die Regierung aus Anlaß der Interpellation endlich eine genaue statistische Aufnahme der gesamten Lage der Winzer und speziell der genossenschaftlichen Entwicklung auf diesem Gebiet vornehmen würde. Dadurch wurde sich vielleicht besser herausstellen, wo die Wurzel des Uebels liegt und wo staatliche Hilfe einsetzen kann. Der Landwirtschaftsminister sollte sich den Winzern gegenüber erheblich entgegenkommender zeigen, als er dies tatsächlich getan hat. Ich halte es für nötig, daß der Minister auf Grund neuer Untersuchungen zu dem Ergebnis kommt, daß seine Erwägungen durchaus nicht gerechtfertigt s Seine

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Schlußfolgerungen sind auf einer unrichtigen statistischen Erfassung

des Uebelstandes aufgebaut.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:..

Herr Abg. Dr. Crüger hat um Auskunft über die vorjährige Hilfsaktion zugunsten des Winzerstandes im Rheingau gebeten. Ich kann ihm erwidern, daß die Mittel, die zu diesem Zweck bereit gestellt worden sind, aus Dispositionsfonds des laufenden Etats teilweise aus dem Landeskulturfonds des Landwirtschaftsministeriums und zum größten Teile aus dem Hauptextraorbinarjium des Finanz⸗ ministeriums entnommen worden sind, daß also eine Mitwirkung des Landtags für die Verwendung dieser Gelder nicht erforderlich war, und daß die Mittel, die bewilligt worden sind, auch in zweckent⸗ sprechender Weise Verwendung gefunden haben.

Wenn sodann Herr Abg. Dr. Crüger noch auf die Reblaus⸗ bekämpfung eingegangen ist und sich darüber beklagt hat, daß die Reblausbekämpfung im Rheingau manches zu wünschen übrig lasse, so bin ich nicht in der Lage, auf seine Beschwerde nähere Antwort zu geben, solange mir nicht Einzelheiten in dieser Beziehung mitgeteilt werden. Soweit Klagen über die Tätigkeit der Reblausbekämpfungs⸗ kommissare beim Landwirtschaftsministerium eingehen, werden sie in jedem Falle geprüft und erledigt. Es liegt aber in der Natur der Dinge, daß im allgemeinen die Bevölkerung der Reblausbekämpfung nicht gerade freundlich gegenübersteht. Es ist für den Winzer nicht sehr angenehm, wenn ihm der Weinstock zerstört und ihm für Jahre hinaus die Benutzung des Reblandes zum Weinbau unmöglich ge⸗ macht wird. (Sehr richtig!) Aber auf diesem Wege allein läßt sich eine systematische Bekämpfung der Reblaus durchführen. Es ist das ein Nachteil, den der einzelne zugunsten der Gesamtheit in den Kauf nehmen muß. Wenn wir das Ergebnis der bisherigen Reblaus⸗ bekämpfung überblicken, so haben wir wenigstens das Tröstliche zu verzeichnen, daß die Reblaus nicht weiter um sich gegriffen hat (sehr richtg!), und daß es uns bisher gelungen ist, auf dem Wege der Reblausvernichtung den weitaus größten Teil des deutschen und preußischen Weinbaues von der Reblaus frei zu halten. (Sehr richtig!)

Ich glaube, daß aus diesem Grunde auch für die landwirtschaft⸗ liche Verwaltung kein Anlaß besteht, einer Aenderung des gegen⸗ wärtig geübten Verfahrens näher zu treten.

Ich komme jetzt mit einem Wort zu den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Liebknecht. Wenn ich noch genügend Haare auf dem Kopfe hätte, so hätten sie bei dieser Gelegenheit jedenfalls zu Berge gestanden. (Heiterkeit.) Meine Herren, ich habe das Jahr 1912 mit dem Jahre 1909 verglichen und ausgeführt, daß die Ernte des Jahres 1912 ungefähr noch dieselbe gewesen wäre wie die des Jahres 1909. Ich habe damit nicht behauptet, daß die Winzer im Jahre 1912 keinen Schaden gehabt haben. Ich habe lediglich ausführen und beweisen wollen, daß ein Notstand im Jahre 1912 nicht vorliegt, weil ebenfalls im Jahre 1909, wo die Ernte ungefähr die gleiche oder vielleicht noch eine geringere gewesen ist, auch von einem Notstand nicht die Rede sein konnte. Was an dieser meiner Schlußfolgerung unlogisch und unrichtig ist, hat der Herr Abg⸗ Liebknecht zu beweisen unterlassen. Im übrigen kann ich ihm noch eins erwidern: Zur all⸗ seitigen Beftiedigung ich glaube, auch der Mehrheit dieses hohen Haufes ist das Gottvertrauen unter den Winzern noch nicht ge⸗ schwunden (Bravo!), und mögen auch noch so viele schlechte Jahre kommen, das wird die Winzer nicht veranlassen, in das Lager der Sozialdemokratie überzugehen. (Sehr richtig! und Bravo! im Zentrum und bei den Konservativen Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Faltin (Zentr.): Bei dem unzulänglichen Schutzzoll können die deutschen Weine nicht zu dem Preise produziert werden wie diejenigen, welche über die Grenze gebracht werden. Es handelt sich um diejenigen Weine, die nicht den Anforderungen unseres Gesetzes ent⸗ sprechen, trotz des amtlichen Attestes. Unser Weingesetz begünstigt die Einfuhr fremder Weine, darunter hat besonders das Moselgebiet zu leiden. habe zu dem Minister das Vertrauen, dem Bundesrat gesetzliche Vorschläge vorlegt, welche diese Mißstände beseitigen.

Abg. Kuhn⸗Ahrweiler (Zentr.): Die Regierung muß unbedingt den Winzern beisteben, denn die Winzer haben keine Möglichkeit, sich zu helfen, wenn die Regierung versagt. Ich beklage, daß das Wein⸗ ges die Einfuhr fremder Weine begünstigt und die einheimischen da⸗ dur -5 Wir können mindestens fordern, daß die ausländischen Weine ebenso behandelt werden wie unsere. Die schärfsten Maßregeln sollten bei den ausländischen Weinen angewandt werden. Wenn die preußische Regierung beim Ahschluß neuer Zollverträge ihre Stimme erheben wird, dann wird sich sehr wohl in dieser Beziehung eine Besserung erzielen lassen. Ich hoffe, daß die Regierung unseren darauf bezüglichen Wünschen entspricht.

Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.): Eine Aenderung des Wein⸗ gesetzes ist nicht beantragt. Die Winzer werden durch die Antwort des Ministers doch sehr enttäuscht sein; sie sind solche Enttäuschungen schon gewöhnt. Es sollten ihnen Darlehen gegeben werden, damit sie ihren Betrieb aufrecht erhalten können. 8

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Abg. Schreiner (Zentr.) bedauert, infolge des Schlusses nicht mehr zum Worte kommen zu können.

g. Dr. Liebknecht (Soz.) bemerkt persönlich gegenüber

dem Minister, daß er keinerlei agitatorische Absichten verfolgt habe.

Es folgt die Beratung des von allen Parteien mit Aus⸗ nahme der Polen und der Sozialdemokraten unterstützten An⸗ trages des Abg. Strosser (kons.):

„die Regierung zu ersuchen, geeignete Schritte zu tun, um das an die Westseite des Grundstücks des Abgeordneten hauses Prinz Albrecht⸗Straße 5 grenzende unbebaute Grundstück der Heeresverwaltung für die Zwecke des Hauses zu erwerben“.

Die Budgetkommission, die den Antrag vorberaten hat, beantragt, ihn der Regierung als Material zu überweisen.

Ein neuer Antrag des Abg. Strosser (kons.), der gleichfalls von Mitgliedern der anderen Parteien unterstützt ist, wünscht die Ablehnung des Kommissionsantrages und die An⸗ nahme des ursprünglichen Antrages sowie die Annahme fol gender Resolution:

„die Königliche Staatsregierung im Hinblick auf die bezüglich des Grundstücks Wilhelmstraße 78. (früher Fürstlich Plessisches Palais) und Prinz Albrecht⸗Straße 6 schwebenden Tauschverhandlungen zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß bei allen Aenderungen in den Eigentums⸗, Besitz⸗ und Benutzungsverhältnissen der die Land⸗ tagsgrundstücke umgebenden Reichs⸗ und Staatsgrundstücke auf die Bedürfnisse des Abgeordnetenhauses die gebotene Rücksicht genommen und von der Absicht solcher Aenderungen rechtzeitig Mitteilung ge⸗ macht werde“.

Der Präsident des Staatsministeriums hat dem Hause in dieser Angelegenheit folgende Mitteilung zugehen lassen:

Ein endgültiger Tauschvertrag über den Grundstückstausch ist noch nicht abgeschlossen. erwaltung ein

beurkundetes Tauschangebot, nach dessen § 4 folgendes über die

Bebauung des Grundstücks Königgrätzer Straße 121 Prinz Albrecht⸗

Straße 6 bestimmt ist: „Das Grundstück Königgrätzer Straße 121

und Prinz Albrecht⸗Straße 6 unterliegt insofern einer Baubeschränkung,

als mit den Gebäuden 10 m von der Grenze des benachbarten

Abgeordnetenhauses und 4 m von der Baufluchtlinie der Prinz

Albrecht⸗Straße Abstand gehalten werden muß. Diese bei der Wert⸗

bemessung berücksichtigte Bauheschränkung ist als eine auf dem

Grundstück ruhende dauernde Last in das Grundhuch einzutragen.“

Diese Bestimmung wird seinerzeit in den endg en Tauschvertrag

aufgenommen werden. .

Abg. Strosser (kons.): Mein Antrag ist schan im Frühjähr gestellt und der Budgetkommission überwiesen worden. Dort hat der R kommissar erklärt, daß das Grundstück, 9000 qm groß, für 2,5 Millionen Mark 1902 an die Heeresverwaltung abgetreten sei. Die Heeresverwaltung hat nun zehn Jahre lang auf eine Ver⸗ zinsung des Grundstückes verzichtet. Der Regierungskommissar meinte, der Preis sei zu hoch für den Staat, zumal dieses werivolle Grundstück nurt zu Gartenzwecken für das Abgeordnetenhaus benutzt werden soll und diese Benutzung nicht einmal den ganzen Sommer hindurch dauern werde. Von dem Gartenzwecke steht nichts in meinem Antrage, sondern nur von dem Zweck des Abgeordnetenhauses, und es kann in absehbarer Zeit wohl einmal eine Vergrößerung des Abgeordnetenhaufes notwendig sein. Dann ist nach dem jetzigen Verhalten der Heeresverwaltung nicht darauf zu rechnen, daß uns das angrenzende Geundstück zur Verfügung gestellt werden wird. Als bei dem Bau des Herrenhauses ein sehr großer Garten angelegt wurde, hatte die Regierung nicht das Bedenken, daß der Garten ge⸗ nügend beyutzt werden würde. Der Garten des Herrenhauses wird nicht den zehnten Teil so viel benutzt, wie unser Garten denutzt werden würde. Diese schweren Bedenken der Regierung baben die Heeresverwaltung zehn Jahre nicht gedrückt, sie muß ungefähr 1 Million Mark an Zinsen verloren haben. Der Regierungs⸗ kommissar sagte damals weiter, ein Schreiben an den Kriegs⸗ minister sei unterwegs, das nähere Auskunst bringe. Seit April ist also dieses Schreiben unterwegs. Weder das Staatsministerium noch das Abgeordnetenhaus haben seitdem das geringste gebhört, bis plötlich in desen Tagen in den Zeitungen stand, daß im Etat der Heeresverwaltung der Austausch unseres Nachbargrundstücks mit dem Pleßschen Palais in der Wilhelmstraße vorgesehen sei. 1902 plante die Heeresverwaltung auf diesem Grundstück einen Neubau für dos Militärkabinett, der bis dicht an das Abgeordnetenhaus gehen und von diesem nur durch eine Brandmauer getrennt sein sollte. Der damalige Präsident des Abgeordnetenhauses hat durch Schreiben an sämtliche Reichstagsmitglieder dies verhindert. Der Berichterstatter der Budgetkommission des Reichstages sagte damals, es sei falsch ge⸗ wesen, daß der preußische Fiskus ohne die gebotene Rücksicht auf das Abgeordnetenhaus des Grundstück überhaupt an die Heeresverwaltung verkauft habe. Die Kommission des Reichstags sprach sich dahin aus, daß kein Bau aufgeführt werden dürfe, der nicht mindestens 10 m von der Grenze des Abgeordnetenhauses fern bleiben und bei der Ge⸗

staltung der Front nicht auf die architektonische Gestaltung des Ab.

geordnetenhauses Rücksicht nehme. Das Plenum des Reichstags lehnte damals nach dem Kommissionsantrag den Neubau des Militärkabinetts ab. Bei den späteren Verhandlungen, die ebenfalls im Jahre 1908 zwischen den Vertretern der Regierung und denen des Abgeordneten⸗ hauses stattgefunden haben, wurde im Plenum jede Beschränkung des das Abgeordnetenhaus umgebenden Raumes abgelehnt. Ueber die Höhe des Preises wurde damals gar nicht gesprochen. Der Präsident hat uns ja misgeteilt, daß das dem Füͤrsten Pleß gehorende Palais in den Besitz einer hiesigen Möbelfirma übergegangen ist, und daß dieer Besitz schwere und große Bedenken hervorrief, indem man befürchtete, daß dadusch das Reichskanzlervalais gefäbrdet werden könnte. Ich meine, was dem Herrn Reichskanzler recht ist, sollte dem Abgeordnetenhause billig sein. Unser Dienst ist doch auch Dienst, den wir für das Paterland leisten, und ist er denn so unbeden sam, daß man so gar keine Rücksicht darauf zu nehmen braucht? Ich bedauere einmal, daß der Reichskanzler dem preußischen Herrn Ministerpräsidenten nicht rechtzeitig geschrieben hat, daß er diesen Tausch beabsichtigt. Die einzige Aufklärung, die wir bekommen haben, ist jetzt vor 10 Minuten in meine Hände ge⸗ langt. Das preußische Ministerium stellt das Abgeordnetenhaus dadurch geradezu vor eine vollendete Tatsache. Mein Antrag, das Grundstück schon damals für die Zwecke des Abgeordnetenhauses zu erwerben, ist aber abgelehnt worden. Bei den jetzigen Ver

handlungen war es die Meinung aller Parteien dieses hohe

Hauses, daß es eine dringende Notzwendigkeit ist, daß dieser Platz nicht in andere Hände geriete. Wenn der endgültige Vertrag noch nicht abgeschlossen ist, so sind doch die Stipulationen schon so weit fertig, daß einzelne Bestimmungen darüber schon ge

troffen sind, wie dieses Grundstück verwertet werden kann

Wenn, wie beabsichtigt, das Hotelgebäude hierher kommen würde, und es nur 10 m vom Abgeordnetenhausfe entfernt bleibt, dann ist es doch auch selbstverständlich, daß Fenster nach der Seite des Abgeordneten

hauses hin eingerichtet werden, die unseten Kommissionszimmern un

unserer Bibliothek gegenüber sind. Ob das gerade für uns so an⸗ genehm ist, kann ich nicht behaupten. Ich glaube, es ist dringend

notwendig, daß von seiten der Königlichen Staatsregierung noch Mittel und Wege gefunden werden, daß dieser Platz für die Zwecke

des Abgeordnetenhauses erhalten bleibt. Geheimer Oberfinanzrat Hergt: Die Finanzverwaltung hat an

geführt, daß sie das groß? Intsresse der Abgeordneten an einem Garten durchaus anerkenne und wunsche einen Garten iu schaffen, allerdin

unter der Voraussetzung, daß die Beschaffung eines solchen Gartens nicht zu großer sinanzieller Opfer bebvuürfe. Wir hatten keine Ver⸗

anlassung, dem Abgeordnetenhaus in der Zwischenzeit eine besondere Mit teilung zugehen zu lassen, denn über den Antrag Strosser mußte wieder

im Plenum verhandelt werden, und bei dieser Gelegenheit wären wir 2₰ 8

in der Lage gewesen, alles Erforderliche kem hohen Hause zu ver künden. Ich möchte nach diesen Aussührungen feststellen, daß die Finanzverwaltung in jeder Beziehung loyal dem hohen Hause gegen über vorgegangen ist.

Geheimer Obersinanzrat Löhlein: Ich möchte die Mitteilung des Geheimrats Hergt noch in einigen Punkten ergänzen. Wenn gesagt

wird, es wäre gewissermaßen ein Scheinwert, der damals festgesetzt

wulde, so trifft das doch nicht zu. Es sind damals zur Borbereitung des Vertrages, der allerdings als Haupivertrag angesehen wurde, Er⸗ mittlungen über den Wert des Grundstücks angestellt, und es hat sich ergeben, daß der Wert im Jahre 1900 2,5 Mihlionen Mark betrug. Ueber die Art der Bebauung haben eingehende Verhandlungen statt⸗ gefunden. Der Abg. Strosser hat erwähnt, daß im Mai des Jahres

1902 mit Vertretern der Regterung und des Abgeordnetenhaufes Be⸗ sprechungen über diese Frage stattgefunden haben. Aber er hat nicht erwähnt, was in diesen Besprechungen festgestellt worden ist. Ich Es ist damals

halte es für notwendig, dies nachzutragen. vom Minister der öffentlichen Arbeiten hervorgehoben worden, daß es

notwendig sei, den Blick auf den Monumentalbau des Abgeordneten-

hauses von der Königgrätzer Straße her sicherzustellen. Ich muß wieder⸗

holen, was seinerzeit verlangt worden ist, und was jetzt von dem

Kriegsminister in vollkommen loyaler Wrise als das Erwünschte und Erforderliche hingestellt worden ist. Ich glaube, es liegt kein Grund vor, Angriffe auf die Militärverwaltung, die das getan hat, was von ihr verlangt war, zu unternehmen. Es scheint mir, als wenn man

sich namlich daran stieße, daß die Verwendung, die ursprünglich für

das Pleßsche Palais gedacht war, nunmehr auf das Grundstuck neben dem Abgeordnetenhause übertragen wird.

Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Ich habe mich über die Begeisterung gewundert, mit welcher der Regie ungskommissar für das „loyale“ Verhalten der Militärverwaltung eingetreten ist. Die Militär⸗

verwaltung hat erklärt, daß militärdienstliche Interessen den Verkauf dieses Ich möchte wissen, welche militär⸗

Grundstückes verpönt hätten. 1 dienstlichen Interessen hier in Frage stehen? Der Reichskanzler soll dadurch gestört werden. Ich 2 nicht, worin die Störung bestehen sollte. Die Nachbarschaft der Möbelhandlung wird vi

9 führen, daß t sich einmal

Das Abgeordnetenhaus ist mit seinem Wunsch sehr hart und

die Möglichkeit, ins Freie zu kommen. Nun sagt die Regierung, wir

lungen. daß die Regierung nur durch Kommissare vertreten ist, die

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daß der Handelsminister so starke Nerven hat, daß diesem die Be⸗

aus dritter Hand, nachdem es erst vor n.

Anwesenheit der Minister verlangen. Ich will aber einen Antrag,

der Abg. Friedberg nicht folgern, daß in der Antwort des Kriegs⸗ ministers, wie soll ich mich ausdrücken, gewissermaßen eine Vor⸗ spiegelung falscher Tatsachen liege. Zu militärdienstlichen Zwecken

kommen zutreffende Auskunft gegeben hat. 8 Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Der Abg. Friedberg glaubte nicht, auf eine Mehrheit für das Verlangen der Anwesenheit

rungen in der Kommission gelangen.

gierten austreten müßten. Infolgedessen wurde eine Aenderung der

lieblos behandelt worden, es sieht nicht mit Neid auf den Herrenhausgarten. Wir gonnen diesen gern unseren Brüdern von der anderen Kammer. Wir sind zwar stets mit Recht der Ansicht, daß wir irgend welche persönlichen Vorteile für unser Amt nicht be⸗ gehren: bhier handelt es sich aber darum, daß man hei der an⸗ strengenden Arbeit sich hin und wieder erholen muß. Hierzu gehört

werden uns jederzeit bemühen, Ihre Wünsche zu erfüllen, aber es darf nicht zu viel kosten. Leider sind die Verhandlungen über diesen Tausch in größter Heimlichkeit geführt worden. In militärdienst⸗ lichem Interesse wird eben die Oeffentlichkeit ausgeschaltet. Nachdem wir endlich erfahren, was vorgeht, und uns dagegen verwahrt haben, wird uns jetzt nicht mehr gesagt, daß militärdienstliche Interessen Line andere Verwendung des Grundstücks in Frage stellen. Man sagt uns: Verkauft ist es, aber seid nur ruhig, ihr perliert zwar den Garten, dafür werdet ihr aber zugebaut. Wir müssen die Sache an die Budgetkommission zurückverweisen, dann wird diese in der Sge sein, etwas weiter bineinzuleuchten in die Verhandlungen, in den Zu⸗ ammenhang zwischen den Interessen des Abgeordnetenhauses und den Interessen des Reichskanzlerpalais. 161“ 8 Abg. Dr. Friedberg (nl.): Ich muß wirklich sagen, das Abgeordnetenhaus ist geradezu verbohnt worden. Die 9 egierung hat ins gegenüber eine große Rücksichtslosigkeit bewiesen. Trotzdem das Abgeordnetenhaus aufs neue den Wunsch bekundet hat, das Nachbar⸗ grundstück zu erwerben, und zwar in erster Linie zur Anlegung eines frholungsgartens, dann aber auch aus dem Grunde, weil es im staatlichen Interesse liegt, daß das Grundstück nicht verkauft und angebaut wird, trotzdem geht der Reichskanzler hin, obne daß jemand etwas erfährt, und verkauft das Grundstück an einen Privatmann. Die Rücksicht, welche der Reichskanzler gegenüber diesem Hause zu nehmen hätte, käme vielleicht dadurch zum Ausdruck, daß der Reichskanzler uns selbst hier Rede und Antwort steht darüber, was er bier unternommen hat. Sie sehen bei den heutigen Verhand⸗

wir alle gewiß sehr hoch schätzen. Ist nun die Nachbarschaft einer Möbelfeme Büehe solch .8 erhebliche Störung, daß deshalb eine Rücksichtslosigkeit gegen dieses Haus angebracht wäre; Der Handelsminister lebt auch in unmittelbarer Nachbarschaft der Möbel⸗ firma. Er wird genau denselben Belästigungen ausgesetzt sein, welche der Reichskanzler befürchtet. Der Reichskanzler muß doch glauben,

lästigung nicht so viel schadet. Der Reichstanzler hat uns rücksichtslos den Interessen privater Unternehmungen preisgegeben. Ich erinnere daran, daß Preußen in den 70 er Jahten sämtliche militär⸗ fistalischen Grundslücke kostenlos an das Reich abgetreten hat. Bei dem Finanzminister spielt jedenfalls die Kostenfrage eine große Rolle. Wir stehen nun einer vollendeten Tatsache gegenüber und sollen für die fruͤberen Sünden der Verwaltung buͤßen. Das Reich kauft jetzt das Grundstück in der Wilhelmstraße, das Pleßsche Palais

t langer Zeit an diese Hand übergegangen ist. Daß dabei der Preis großer geworden ist, ist felbsibverständlich. Nach Art. 60 der Verfassung können wir die

die Anwesenheit des Ministerpräsidenten zu verlangen, nicht stellen, eil er wohl keine Mehrheit im Hause finden würde, aber es wäre ganz 2 Seen. wenn der Ministerpräsident alle diese schönen Reden hätte hören können. . Geheimer Oberfinanzrat Löhlein⸗ Ich muß die hier nicht vertretene Beeresverwaltung in Schutz nehmen, sie hat in den Tauschvertrag alle die Beschränkungen aufgenommen, die von dem Hause gewünscht worden sind. Aus der Begründung der militärischen Interessen kann

gehört auch die Beschaffung von Geld für milttärische Ausgaben. Die Nachbarschaft der Möberfirma für den Reichskanzler war nicht das treibende Moment, sonrern die Frage der Schaffung des neuen Milstärkabineits. Unter diesen Umständen muß ich für die Heeres⸗ verwaltung in Anspruch nehmen, daß sie nach bestem Wissen eine voll⸗

der Minister hoffen zu können. Ich bin hoffnungsfreudiger, ich stelle den Antrag, die Anwesenheit des Ministerprasidenten zu verlangen. Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Ich

lte es nicht für zweckmäßig, in diesem Stadium die Gegenwart der Minister zu verlangen. Der Gegenstand ist im einzelnen so weit geklärt, daß wir in der Budgetkommission, an dis ich die Sache zurückzuverweisen beantrage, unter Zuziehung von Kommissaren des Ministerpräsidenten und des Kriegsministers sie nochmals erörtern önnen. Zum Beschluß wird man doch erst nach solchen Erörte⸗

Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Ich habe nur beantragt den Ministerpräsidenten zuzuziehen, nicht den Kriegsminister, ie erweitere jetzt aber meinen Antrag auch auf diesen. Weshalb wir nicht die Anwesenheit der Minister, die die Sache so weit gebracht haben, verlangen sollen bei einer Angelegenheit, die uns angehbt, ver⸗ stehe ich nicht. Wir hahen hier einen berechtigten Egoismus zu treiben, und da wollen wir uns nicht scheuen, auch vor der Oeffent⸗

lichkeit von den Ministern Erklärungen zu verlangen. 8 Der Antrag Lippmann, die Anwesenheit des Minister⸗ präfidenten und des Kriegsministers zu verlangen, wird mit einer Mehrheit, die bis in die Bänke der Rechten hineinreicht, angenommen. Die weitere Verhandlung über diesen Gegenstand muß deshalb vertagt mwerden.

Abg. Dr. Friedberg (nl.) bemerkt persönlich gegenüber dem Regierungskommissar, daß er selbst es nicht gewesen sei, der zuerst von Vorspiegelung falscher Tatsachen gesprochen habe.

Es folgt die Interpellation der Abgg. Aron sohn u. Gen. (fortschr. Volksp.):

„Ist der Königlichen Staatsregierung das Vorgehen des Polize präsidenten und der Abteilung für Feuerwehr des König lichen Poltzeipraäsidiums in Berlin gegen den Verein Berliner Feuerwehrmänner bekannt, und was gedenkt sie zu tun, um die berechtigten Interessen der beteiligten Feuerwehrleute zu schützen und den Bestimmungen des Reichs⸗ vereinsgesetzes Geltung zu verschaffen?

Auf die Frage des Präsidenten erklärt sich der Minister des Innern Dr. von Dallwitz zur Beantwortung der Interpellation bereit.

Abg. Kopsch (fortschr. Volksp.) führt zur Begründung der Interpellation aus: Die Furcht vor dem Ausbruch eines Feuers ist

gering, wo eine geordnete Feuerwehr besteht, die das Vertrauen der Bevolkerung genießt. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Stadt Berlin nicht volle Selbstverwaltung für die Feuerwehr haben soll. Bei unserer Interpellation handelt es sich darum, ob das Verhalten des Poltzeipräsidenten gegen die Berliner Feuerwehr gesetzlich ist, oder ob es dem Vereins⸗ und Versammlungsrecht widerspricht. Hätte man rechtzeitig Untersuchungen über die Lage der Feuerwehrleute angestellt, so wäre der Konflikt nicht bis zu der jetzigen Höhe gekommen. Der Verein der Berliner Feuerwehrleute steht durchaus auf paterländischem Boden und hat bisher unbeanstandet bestanden. Jetzt aber wurde plötzlich ein Druck ausgeübt, daß sämtliche Char⸗

Statutenbestimmungen notwendig, wonach Chargierte im Vorstand

sitzen müssen. Diese Statutenänderung wurde aber nicht genehmi t, es wurde vielmehr eine Aenderung dahin verlangt, daß nur aktive Feuerwehrleute Mitglieder des Vereins werden dürften. Der Redner schildert weiter die einzelnen Phasen des Konflikts und weist schließlich

fährt der Redner fort, auf ihrer Austrittserklärung ausdrücklich: Auf Befehl des Polizeiprasidenten. Der Anschluß an den Verband deutscher Berufsfeuerwehrmanner wurde nicht gestattet, weil der 1’ meinte, daß in diesem Verbande auch über die Ver⸗ esserung der Lage der Feuerwehrmänner gesprochen würde, und daß alle, die ihre Lage verbessern wollen, Sozialdemokraten sein müßten. Wenn das der Fall wäre, dann würden in diesem Hause mehr als sechs Sozialdemokraten sitzen. Als ein Gemeindevorsteher von seinem Vorgesetzten darüber belehrt werden sollte, woran er einen Sozialdemokraten erkenne, und ihm gesagt wurde, Sozial⸗ demokraten seien Leute, die immer mehr verlangen, sagte der Gemeinde⸗ vorsteher: „Ja, ja, ich weiß schon, der Herr Pfarrer und der Lehrer Es ist bemerkenswert, daß zu der gleichen Zeit, in der in Berlin gegen die Feuerwehrmänner vergegangen wurde, das gleiche Vorgehen aus Dresden, Breslau, Danzig und anderen Stäadten gemeldet wurde. Das zeigt doch, daß hier ein absicht liches, generelles Vorgehen der Vorgesetzten gegenüber den Vereinsbestrebungen der Feuerwehr⸗ männer vorliegt. Es wird ja regierungsseitig immer erklärt, daß das Vereins⸗ und Versammlungsrecht der Beamten keineswegs illusorisch sei, daß ihnen dieses Recht vielmehr als Staatsbürger zustehe. Aber aus dem Vorgeben des Polizeipräsidenten er⸗ sehen wir, daß man bestrebt ist, dieses Recht den Beamten zu beschränken. Dieses Vorgehen ist gesetzwidrig und muß geradezu unmorglisch auf die Untergebenen wirken. Man sollte doch scharf unterscheiden zwischen dienstlichen Pflichten und den Rechten des Staatsbürgers. Das Vereinsrecht ist ein Stück des Bürgerrechtes, und es darf nur beschränkt werden im nachgewiesenen Interesse des Dienstes. Der Koalitionsgedanke liegt in der Zeit, und das Parlament hat die Pflicht, darauf zu achten, daß unabhängige Beamten⸗ organisationen vorhanden sind. Der Staat kann in seinem eigenen Interesse auf die Mitarbeit der 2 Millionen Beamten unseres Deutschen Reiches nicht verzichten. Ich ersuche den Minister, dahin wirken zu wollen, daß entsprechend dem Geiste der Gesetzgebung auch dem Verein der T Feuerwehrmänner sein Recht wiirre.

Minister des Innern Dr. von Dallwitz:

Der Herr Vorredner hat seine Ausführungen dämit begonnen, daß die Angelegenheit, die den Gegenstand der Erörterung bildet⸗ bereits am 30. April dieses Jahres das hohe Haus beschäftigt habe. Er hat erwähnt, das Herr Abg. Dr. Schroeder das Verbot des Beitritts Berliner Feuerwehrmänner in den Verband Deutscher Feuerwehrleute in Dortmund zur Sprache gebracht und am Schlusse seiner Ausführungen mich ersucht habe, festzustellen, ob die Behandlung, die dem Feuerwehrpersonal bei dieser Gelegenheit zuteil geworden sei, mit den Bestimmungen des Vereins⸗ und Versammlungsrechts vereinbar wäre.

Der Abg. Kopsch hat es als eine Rücksichtslosigkeit der Staats⸗ regierung gegenüber dem hohen Hause bezeichnet, daß auf diese Aeußerung eine Antwort nicht erfolgt sei. Ich glaube, daß dieser Vorwurf unzutreffend und unberechtigt ist. Ich habe alsbald nach Ab⸗ schluß der dritten Lesung zu den Aeußerungen des Abg Schroeder Bericht erfordert. Dieser Bericht ist eingegangen. Es hat sich aber eine Gelegenheit, Auskunft zu erteilen, bisher nicht geboten und konnte sich auch nicht bieten, da das Abgeordnetenhaus den Sommer über vertagt gewesen ist. Ich muß also den Vorwurf einer Rücksichts⸗ losigkeit diesem Hause gegenüber aus diesem Anlaß zurückweisen. (Bravo! rechts.)

Inzwischen haben sich die Gegensätze, die der Abg. Schroeder damals erwähnt hat, derartig zugespitzt, daß sie zu einem ernsten Konflikt zwischen dem Verein Berliner Feuerwehrmänner und dem Berliner Polizeipräsidenten geführt haben, den ich mit dem Abg. Kopsch bedauere, wenn ich auch abweichend von ihm die Schuld nicht dem Polizeipräsidenten, sondern demjenigen Teil der Vereinsmitglieder beimessen muß, der den Bogen überspannt hat. Der Abg. Kopsch hat den Sachverhalt, insbesondere auch die Vorgänge bei der Gründung des Vereins und die Zwecke des Vereins im vesentlichen zutreffend dargestellt. Ich möchte hinzufügen, daß durch die Satzungen ausdrücklich die Erörterung dienstlicher Angelegenheiten untersagt ist, und daß in der Geschäftsordnung dieses satzungsmäßige Verbot noch dahin erläutert ist, daß über dienstliche Angelegenheiten bei den Versammlungen des Vereins nicht debattiert werden darf. Der Anschluß der Pensionäre ist übrigens nicht von seiten des Polizei⸗ präsidiums oder der Abteilung für Feuerwehr seinerzeit gewünscht worden, sondern der Wunsch ist aus der Mitte des Vereins an die Feuerwehrabteilung herangetreten, und das Polizeipräsidium hat diesem Wunsch stattgegeben. Die gegenteilige Behauptung des Herrn Abg. Kopsch trifft nicht zu.

Alsbald nach der Begründung des Vereins machte sich in ihm das Bestreben geltend, dem Verbande Deutscher Berufsfeuerwehr⸗ männer in Dortmund beizutreten. Dieser Verband bezweckt satzungs⸗ mäßig die Förderung der beruflichen und materiellen Interessen seiner Mitglieder. Er zerfällt in Zweigvereine, die ver⸗ pflichtet sind, die Beschlüsse des Verbandes auszuführen und seine Bestrebungen nach Kräften zu unterstützen. Angesichts dieser gegensätzlichen Vereinszwecke und angesichts gewisser Tendenzen, die in dem Verbande Deutscher Feuerwehrleute hervorgetreten sind, und auf die ich nachher näher eingehen werde, hat der Polizeipräsident es mit der Disziplin in der ihm unterstellten Feuerwehr nicht für vereinbar erachtet, daß deren Angehörige dem Dortmunder Verbande beitreten, und hat ihnen den Beitritt untersagt. Trotz dieser Ver⸗ fügung sind die Erörterungen über den Anschluß des Berliner Vereins nicht zur Ruhe gekommen. Es bildeten sich zwei Parteien, von denen die eine dauernd für den Anschluß agitierte, während die andere sich ablehnend verhielt.

Die für den Anschluß an den Verhand agitierenden Mitglieder wollten ihren Zweck durch eine Aenderung der Satzung, die an sich den Anschluß unmöglich macht, herbeiführen. Hierüber kam es inner⸗ halb des Vereins zu Reibereien und Streitigkeiten, denen die Char⸗ gierten ein Ziel zu setzen suchten, indem sie die Anregung gaben, daß der Verein sich in seine drei Gruppen auflösen sollte, d. h. es sollten die aktiven Mannschaften, die Chargierten und die Pensionäre je einen besonderen Verein bilden, es sollten aber nach wie vor die Unterstützungsansprüche der einzelnen Vereine aus einer gemeinsamen Unterstützungskasse bestritten werden.

Bei der Erörterung dieses an sich durchaus diskutablen Vor⸗ schlags kam es nun zu groben Ausschreitungen. Die überwiegend aus den Chargierten bestehende Minderheit wurde in den Versamm⸗ lungen niedergeschrien; sie wurde, wie es in den zahlreichen mir vor liegenden Meldungen der Chargierten heißt, ausgetrampelt und aus⸗ gepfiffen. Der Erfolg war, daß die Chargierten aus dem Verein ausschieden und einen neuen Verein bildeten, und zwar nicht etwa auf Druck der Abteilung, nicht auf Druck des Branddirektors, sondern, wie aus einer Erklärung der Chargierten hervorgeht, die in der „Post“ alsbald nach dem Erscheinen des von dem Herrn Vorredner

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wurde, aus freien Stuͤcken, weil sie sich die Behandlung, die ihnen damals zuteil geworden war, nicht weiter hatten gefallen lassen wollen. Ich habe den Artikel hier und könnte ihn verlesen; aber ich glaube, daß das einstweilen nicht erforderlich ist. Auch diese Erklärung ist aus freien Stücken seitens der Chargierten

erfolgt.

Nun ergab sich die Schwierigkeit, einen ordnungsmäßigen Vereins⸗ vorstand, eine ordnungsmäßige Vereinsleitung zu bilden, da satzungs⸗ mäßig, wie der Herr Vorredner schon gesagt hat, der Vorftand sowohl wie der Beirat zu einem Drittel aus Chargierten bestehen müssen. Hier griff der Branddirektor ein und schlug dem Verein eine Neu⸗ regelung vor auf der Grundlage, daß die in dem Verein zurück⸗ gebliebenen Mitglieder, also die Pensionäre und die aktiven Mann⸗ schaften, sich auf einen nur aus aktiven Mannschaften bestehenden Vorstand einigen sollten. (Abg⸗ Cassel: Mit welchem Recht?) In einem Schreiben vom 13. August des Jahres erklärte der Verein sich hierzu bereit, verlangte aber eine schriftliche Zusage des Polizei⸗ präsidenten des Inhalts, daß die Feuerwehrabteilung des Polizei⸗ präsidiums dem Verein schriftliche Garantien geben solle, daß sie einer gesunden Entwicklung des Vereins künftighin nicht mehr hinder⸗ lich im Wege sein werde. (Hört, hört! rechts.) Hierdurch sollte der Polizeipräsident genstigt werden, den von ihm beanstandeten Anschluß an den Verband deutscher Berufsfeuerwehrmänner gutzuheißen. Die Art und Weise, wie hier seitens der im Verein verbliebenen aktiven Mannschaften ihrer vorgesetzten Behörde, dem Polizeipräsidenten, Bedingungen vorgeschrieben wurden, war durchaus ungehörig und in hohem Maße unzulässig. Der Branddirektor lehnte daher ein Ein⸗ gehen auf diese Bedingungen ab.

Nun aber übergaben die Mannschaften auf Veranlassung ihres Vorsitzenden und unter Mitwirkung eines ad hoc bestellten Rechts⸗ anwalts die Angelegenheit der Presse, um unter dem Druck der öffentlichen Meinung eine ihrem Wunsche genehme Haltung des Polizeipräsidiums in der Frage des Anschlusses an den Verband deutscher Feuerwehrleute herbeizuführen. Nach dieser Wendung der Sache untersagte der Polizeipräsident den ihm unterstellten Feuerwehr⸗ männern das fernere Verbleiben in dem Verein, ließ ihnen aber zu⸗ gleich eröffnen, daß nichts dagegen einzuwenden sei, wenn sie nach ihrem Austritt sich zu einem neuen Verein zusammenschlössen ohne Beteiligung der Pensionäre. (Zuruf links: Wie kommt er denn dazu ²)

Meine Herren, das ist der Sachverhalt, aus dem sich zum Teil auch die Gründe, die für den Polizeipräsidenten maßgebend gewesen sind, ergeben dürften.

Für die Beurteilung des Sachverhalts wird es wesentlich auf zwei Punkte ankommen: Erstens ist die Stellung der Berliner Feuer⸗ wehr zum Berliner Polizeipräsidenten in Betracht zu ziehen und im Zusammenhang damit das Recht ihrer Angestellten und ihrer Mit⸗ glieder, sich in einem Berufsverein zu betätigen. Zweitens wird die Haltung und werden die Tendenzen, die in dem Verband deutscher Feuerwehrleute in Dortmund hervorgetreten sind, näher zu würdigen sein.

Die Berliner Feuerwehr ist dem Polizeipräsidenten unterstellt. Ihre Mitglieder sind kraft ihrer Anstellung, Ernennung, ihrer ge⸗ samten dienstlichen Verhältnisse staatliche Beamte es kann dahin gestellt bleiben, ob mittelbare oder unmittelbare jedenfalls sind sie staatliche Beamte und gehören einer aus brandtechnischen Gründen militärisch organisierten Truppe an. Als staatliche Beamte unter⸗ liegen die Feuerwehrmänner dem Disziplinargesetz, betreffend die Dienstvergehen der nichtrichterlichen Beamten, vom 21. Juni 1852. Die Disziplinargewalt steht dem Polizeipräsidenten und in beschränktem Umfange dem Branddirektor, dem unmittelbaren Leiter der Feuerwehr, zu. Bei dieser Rechtstellung kann es meines Dafür⸗ haltens keinem Zweifel unterliegen, daß diese Behörden durch das Reichsvereinsgesetz nicht behindert sind, den Feuerwehrmännern die im dienstlichen Interesse erforderliche Beschränkung bei der Ausübung ihrer Vereinsbetätigung vorzuschreiben und das Vereinsleben der im Verein organisierten Feuerwehrmänner zu überwachen. (Sehr richtig! rechts.) Wie bereits der Herr Vorredner ausgeführt hat, ist bei den Kommissionsverhandlungen des Reichstags über das Reichsvereinsgesetz im Jahre 1908 ausdrücklich festgestellt worden er hat selbst den Passus zitiert —, daß die Behörden berechtigt sind, ihre Beamten don solchen Vereinen und Versammlungen fernzu⸗ halten, welche dem Wesen des Beamtentums widerstreiten, und der damalige Herr Staatssekretär des Innern hat, wie gleichfalls erwähnt worden ist, ausdrücklich bei den Be⸗ ratungen des Gesetzes erwähnt, daß es nicht angängig sei, durch ein Vereinsgesetz über die besonderen Beziehungen hinwegzugehen, welche zwischen Beamten und Behörden bestehen. (Sehr richtig! rechts.) Die Beamten sind somit vereins⸗ und versammlungsberechtigt; sie unterliegen aber bei ihrer Vereinsbetätigung denjenigen Beschränkungen, welche sich im dienstlichen Interesse als erforderlich erweisen. (Zuruf links: Was ist dienstlich?2) Demgemäß waren der Polizeipräsident sowohl wie der Branddirektor berechtigt wie verpflichtet, das Vereins⸗ leben der Feuerwehrmänner, wie es sich im Berliner Verein abspielte, zu kontrollieren und aus dienstlichen und disziplinaren Gründen den Feuerwehrleuten Beschränkungen aufzuerlegen. Von diesem Rechte hat der Polizeipräsident Gebrauch gemacht, als er den Feuerwehrleuten

die Zugehörigkeit und den Anschluß an den Verband Deutscher Feuer⸗ wehrleute in Dortmund untersagte. Dieser Verband ist, wie ich zur Ver⸗ meidung von Mißverständnissen vorweg erwähnen wlll, keine sozial⸗ demokratische Organisation, im Gegenteil, er hat in der Julinummer seines Verbandsorgans noch ausdrücklich erklärt, daß er sozialdemo⸗ kratische Tendenzen nicht verfolge, daß er vielmehr wie die übrigen Beamtenvereine auf nationalem Boden stehe. Er hat auch zweifellos in ihm vorhandenen Strömungen auf Anschluß an den sozialdemo⸗ kratischen Verband der Gemeinde⸗ und Staatsbeamten bisher Wider⸗ stand geleistet. Anderseits gibt die Art und Weise, wie auf den Verbandstagen und in dem offiziellen Verbandsorgan das Vertrauens⸗ verhältnis, das notwendig bei der Feuerwehr zwischen den Mann⸗ schaften und den Offizteren bestehen muß, geflissentlich untergraben wird, zu schweren Bedenken Anlaß. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, ich gestatte mir, nur einige kurze Beispiele zu zitieren. So schreibt das Verbandsorgan des Verbandes deutscher Berufsfeuer⸗ wehrmänner: Der Verband kann seine Aufgabe nur lösen, wenn die Brand⸗ direktionen den Feuerwehrmännern so weit entgegenkommen, daß

darauf hin, daß die aktiven Mitglieder auf Befehl des Polizeipräsidenten

en. Viele vermerkten,

en, aus dem Verein auszutret

zitierten Artikels in der „Vossischen Zeitung“ veröffentlicht 8

sie die Feuerwehrmänner als Menschen menschlich behandeln