das hierfür geeignete Organ, und sie können versichert sein, daß ihre Wünsche, die sie durch diese vorbringen lassen, wohlwollend geprüft werden. (Bravo! rechts. — Zurufe links.) Der Erlaß richtet sich in keiner Weise gegen die Koalitionsfreiheit und das Vereinsrecht. Die Militärverwaltung steht lediglich auf dem Boden des Arbeits⸗ vertrages, wenn sie Personen, die den Frieden zwischen den Behörden und den Arbeitern und zwischen den Arbeitern untereinander stören, von der Beschäftigung in den Betrieben der Heeresverwaltung aus⸗ schließt. An diesem Grundsatz — das will ich hier nachdrücklich von dieser Stelle betonen — hält die Militärverwaltung strikte fest. (Bravo! rechts.) Die Heeresverwaltung erfüllt damit eine ganz selbst⸗ verständliche Pflicht namentlich in den Betrieben, deren sicheres Funktionieren im Interesse der Landesverteidigung liegt. (Lebhafter Beifall rechts. — Zischen bei den Sozialdemokraten. — Erneuter Beifall rechts.)
„Beayerischer Generalmajor Wenninger: Von dem mehrfach er⸗ vähnten Erlaß hat auch das bayerische Kriegsministerium Kenntnis und steht in der Beurteilung des Auftretens des Zentralvorsitzenden des Verbandes und der Sprache des Verbandsorgans auf dem gleichen Standpunkt wie das preußische Kriegsministerium. Wenn trotzdem davon abgesehen worden ist, eine gleichartige Warnung herauszugeben, so geschah das, weil zunächst abgewartet werden sollte, welche Wirkung die Warnungen des preußischen Kriegsministeriums ausuüͤben werden. Eine gleiche Erklärung abzugeben, war bereits in der baverischen Kammer der Abgeordneten für den Fall berücksichtigt, daß die dortige Besprechung eine solche Erklärung erfordern würde. Im Gegensatz zum Abg. Dr. Müller kann ich in dem Auftreten des Herrn Buschold irgendeine Form der Ausübung baverischer Reservatrechte nicht erblicken. Auch stelle ich fest, daß ich bis jetzt noch nicht den Eindruck gewonnen habe, als ob Preußen auf Bayern wegen des Herrn Buschold eifersüchtig sei.
Auf Antrag des Abg. Gothein ffortschr. Volksp.) findet eine Besprechung der Interpellation statt.
Abg. Bauer⸗Breslau (Soz.): Wir haben von dem Staats⸗ sekretär soeben die reaktionärste Rede gehört, die hier seit langen Jahren gehalten worden ist. Er stellte sich auf den vormärzlichen Stanodpunkt, daß alles verboten sei, was nicht erlaubt sei. Heute gilt das Umgekehrte: was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt. Nach dem Staatssekretär verstößt ein Arbeitsvertrag, durch den ein Arbeitgeber die Koalitionsfreiheit einschränkt, nicht gegen die guten Sitten. Die Auffassung des Staatssekretärs steht vollständig im Widerspruch mit dem, was bei Beralung des B. G. B. § 138 als Meinung des Reichstags festgestellt worden ist. Man hat damals in der Kommission einen Antrag Stadthagen, der den Be⸗ griff der „guten Sitten“ näher umschreiben wollte, als über⸗ flüssig erklärt, weil jeder Vertrag, der gegen die Koalitionsfreiheit verstoße, an sich nichtig sei; auch das Plenum hat eine konforme Erklärung des Berichterstatters einfach bestätigt. Jetzt haben wir das für uns ja sehr erfreuliche Schauspiel soeben erlebt, daß die Vertreter der verbündeten Regierungen hier Anschauungen vertreten, die jenen Grundsätzen direkt ins Gesicht schlagen. Wieder einmal müssen wir die Gesetze gegen dieselbe Regierung verteidigen, die sie eingebracht hat. Wie kann eine solche Regierung die Jesuiten weiter ausschließen wollen? Jesuitischer konnte der Staatssekretär nicht reden. (Vize⸗ präsident Dove rügt diesen Ausdruck.) Für die Arbeiter erwächst aus diesen Vorgängen die erneute dringende Mahnung, sich ihren Organisationen anzuschließen. Der Abg. Müller⸗Meiningen gab einen gewissen Artikel des „Militärarbeiters“ als zuweitgehend preis. Ich bin anderer Meinung; der Artikel geht nicht zu weit und enthält auch keine unbewiesenen Behauptungen. Wenn man den Arbeiter⸗ ausschüssen verbietet, miteinander in Verbindung zu treten, so hat das doch bloß den Zweck, datz die Arbeiter eines Betriebes von den Lohnverhältnissen anderer Betriebe nichts erfahren. (Der Redner verliest den Artikel im Wortlaut.) Der Ausdruck „faule Ausrede“ muß einem Arbeiter, der nur die Volksschule genossen hat, zugute gehalten werden. Auch leitende Persönlichkeiten haben schon ganz andere Ausdrücke gebraucht; ich erinnere nur an gewisse Worte, die der Minister von Dallwitz im preußischen Abgeordnetenhause gegen Beamte gebraucht hat, die sich unterstehen sollten, einen Sozialdemokraten zu wählen. Ein Arbeiter in Spandau wurde ent⸗ lassen, weil er, ohne persönlich Urlaub nachzusuchen — es blieb ihm dazu keine Zeit — zum Begräbnis seines Vaters gereist war. Die Millitärarbeiter beschweren sich über nicht genügendes Ein⸗ kommen. Da wird gesagt, wem —p nicht paßt, der kann ja gehen. Die Arbeiter müssen zufrieden sein, sind sie es nicht. dann wird die Zufriedenheit einfach durch ein Kommando hergestellt. Die Un⸗ zufriedenheit kann man nur bescitigen, wenn man deren Ursachen fort⸗ schafft. Das Koalitionsrecht foll, wie der Kriegsminister erklärte, nicht beseitigt werden. Die Erklärungen des Ministers der öffentlichen Arbeiten im Abgeordnetenhause waren in dieser Beziehung noch reaktionärer, aber wenigstens deutlicher. Im Grunde ist der Erlaß des Kriegsministers weiter nichts als ein Verbot des Verbandes. Man hat den Arbeitern die christlichen Organisationen vorgeschlagen. Der beste Beweis, daß sie keine Anziehungskraft mehr haben und der Unterstützung der Regierung bedürfen. Aehnlich schlecht ist es mit der Koalitionsfreiheit der technischen Angestellten in Reichs⸗ betrieben bestellt. Ganz besonders ein Dorn im Auge ist den Be⸗ börden der Bund der technisch⸗industriellen Angestellten. Ein Angestellter in Essen wurde entlassen, weil er aus seiner Organisation nicht austreten wollte. Gleichzeitig wurde eine generelle Verrufs⸗ erklärung gegen sie losgelassen. Allen wurde aufgegeben, innerhal zwei Monaten aus dem Bunde auszutreten. Die Arbeiter und An⸗ gestellten befinden sich in einer Notlage einer solchen Erpressung gegen⸗ über. (Vizepräsident Dove rügt diesen Ausdruck.) Nach dem, was wir hier gehört haben, sieht es beinahe so aus, als ob der Arbeit⸗ geber gegenüber dem Angestellten eine Art päterlicher Gewalt hat. Die Organisation, namentlich der Bund der technische⸗industri llen Angestellten, hat für die Unterstützung ihrer Mitglieder gewaltige Summen aufgebracht. Ihre Leistungen sind eine Kulturtat. Der Staat bezahlt die Techmker ebenso schlecht wie die Privatindustrie. Der Staat zwingt die Angestellten, jahrelang erworbene Rechte auf⸗ zugeben, indem er sie zwingt, aus dem Bunde auszutreten. Was wirkt aufreizender: die Art, wie die Angestellten entrechtet werden, oder eine Rede eines Sozialdemokraten? Der bayerische Minister von Frauendorfer hat selbst zugegeben, daß die Unterschreibung eines Reverses nur die Gesinnungslumperei züchte: kein staat⸗ liches Verbot könne den Streik verhindern. In Preußen hat man sich freilich zu dieser Höhe der Auffassung nicht aufschwingen könen. Wollen die Arbeiter eine Aenderung herbeiführen, so müssen sie auf eine Aenderung des preußischen Dreiklassenwahlrechtes hin⸗ arbeiten. Diese Frage ist in letzter Linie eine Machtfrage. Die Arbeiter werden sich dies Recht erobern trotz aller Verbote und Fesseln, die die Regierung anwendet. Ich rufe ihr zu: Arbeiten Sie nur so weiter, die Fruchte erntet die Sozialdemokratie.
Abg. Schirmer (Zentr.): Es ist zweifellos, daß auch die Regierung gegen die Organisationen nicht immer korrekt vorgeht. Aber auf der anderen Seite ist zuzugeben, daß die Ursache der Radikalismus ist, der von den Fortschrittlern und Soszial⸗ demokraten in die Staatsbetriebe hineingetragen wird. Die Aus⸗ fübrungen des Kriegsministers enthielten vieles, was unhaltbar ist. Für die gewerblichen Arbeiter verlangen wir freies und unein⸗ geschränktes Koalitionsrecht. Die politische Agitation in den Be⸗ trieben des Staats, namentlich die der Sosialdemokratie, müssen wir aber verurteilen. Nationale und wirtschaftliche Gründe veranlassen uns zu dieser Stellungnahme. Es scheint vergessen zu sein, daß der Abg. Bebel vor zehn Jahren eiklärte, daß er die politische Agitation in den Betrieben ablehne, das kann sich kein Arbeitgeber gefallen lassen. Auch in anderen Staaten hat man den Arbeitern ein Streikrecht nicht einge äumt. Auch in Staaten, wo die Sozialdemokraten dominieren, sind strenge Streikverbote erlassen
worden. Den Verkehrsminister von Frauendorfer hat der Vorredner nicht richtig zitiert. Der Minister hat gesagt: Wer streikt, fliegt hinaus. Die Schlagfertigkeit des Heeres, wie die Nahrungsmittel⸗ versorgung würde durch solche Streiks in Frage gestellt werden, das hat auch die „Münchener Post“ im Jahre 1903 zugegeben; die Mobilisierung dürfe durch einen Streik nicht verhindert werden. Alle bürgerlichen Parteien des Hauses haben das Streikrecht in dieser Beziehung abgelehnt. Die revolutionäre Sozialdemokratie hat jetzt eine andere Stellung in bezug auf das Streikrecht in den Staatsbetrieben eingenommen als früher die gemäßigten Elemente. Die christlichen Arbeiter haben auf das Streikrecht in den Staats⸗ betrieben verzichtet. Die meisten Streiks würden überhaupt im Sande verlaufen, weil die meisten Arbeiter eine gesicherte Existenz vorziehen. Wir wollen das Koalitionsrecht den Arbeitern der Staats⸗ betriebe sichen. Es ist noch gar nicht lange her, daß die Partei⸗ genossen des Abg. Müller⸗Meiningen die bayerische Eisenbahnarbeiter⸗ organisation als eine Gefahr bezeichneten. Ich kann mich auf die „Münchener Neuesten Nachrichten“ berufen, die die Organisation als eine politische Narretei bezeichneten. Der deutsche Militärarbeiterverband ist dazu benutzt worden, um auf uns loszuschlagen. Ich muß den Vorwurf der Denunziation mit Ent⸗ rüstung zurückweisen. Ich könnte Briefe vorlesen, die zeigen, welches Geistes der Verband ist. Nur durch die Art der Agitation des Ver⸗ bandes ist der Kriegsminister zu seinem Erlaß bestimmt worden. Ich köͤnnte Ihnen zeigen, wie der Verband gegen die Unsrigen vorgegangen ist. Nicht die christliche Organisation, sondern lediglich die Tätigkeit des Verbandes hat den Kriegsminister zum Einschreiten veraulaßt. Wir unserseits haben alles getan, um die Rechte der Staatsarbeiter beim Reichsvereinsgesetz zu vermehren. Aber kein anderer als der Abg. Müller⸗Meiningen hat unser Vorhaben vereitelt. Warum hat die Linke nicht mit uns geholfen, die Bahn frei zu machen für das Vereins⸗ und Versammlungsrecht der Staatsbeamten? Ich habe damals mit dem Abg. Müller⸗Meiningen über die Frage mündlich gesprochen. Nein, Sie (links) wollten diese Sache nicht regeln. Heute, wo die Kuh aus dem Stall ist, spielt man sich als Retter des Vaterlandes auf. In der Debatte über die Feuer⸗ wehrinterpellation im preußischen Abgeordnetenhause sagte der frei⸗ sinnige Abg. Cassel, das Vereinsrecht der Feuerwehrleute finde seine Grenze bei der Dienstpflicht. Vielleicht sind es gerade Aeußerungen der Fortschrittspartei, die die Regierung zu einem schärferen Auftreten gegen die Staatsarbeiter ver⸗ anlaßt hat. Der Abg. Woellmer meinte seinerzeit, Sozial⸗ demokraten gehörten überhaupt nicht in die Staatswerkstätten, und der Abg. Bebel sagte, Stöcker wäre freiheitlicher gesinnt als dieser Fortschrittsmann. Dr. Müller⸗Meiningen hat die Gelegenheit benutzt, um Baxyern herabzusetzen. Ist es etwa so, daß die Beamten und Lehrer in Bagpern sich nicht politisch betätigen dürfen? Da lachen die Kübe in ganz Bayern. Im Gegenteil, die bayerischen Beamten und Lehrer benutzen ihr Recht in der rücksichtslosesten Weise. Der Abg. Dr. Müller⸗Meiningen hat auch die Enzyklika des Papstes hineingezogen. Nach der Art, wie der Staatsekretär den Gegenstand erledigt hat, besteht dazu für uns keine Veranlassung mehr. Dr. Müller⸗ Meiningen hat wohl weniger aus Sympathie für die christlichen Ar⸗ beiter als aus Antipathie gegen die Kurie sich darauf eingelassen. Die Aeußerung des Münchener Nuntius hat der Auslegung der Enzyklika durch die Bischöfe recht gegeben. Die christlichen Ge⸗ werkschaften habe ich mit gegründet: sie standen ursprünglich nicht im Gegensatz zu den freien Gewerkschaften, aber nachdem diese ihre Neutralität faktisch aufgegeben haben und die Vor⸗ schule für die Sozialdemokratie geworden sind, können wir da nicht mehr mitmachen. Wir haben bewußt noch nie Streitbruch
getrieben. Wenn wir Schutz des Koalitions⸗ und Versammlungs⸗
rechts wollen, dann dürfen wir schon gar nicht zu den Sozial⸗ demokraten gehen, da haben wir viel mehr Zutrauen zu unseren Regierungen. Heute unterläßt es kein Sozialdemokrat, auf die christlichen Gewerkschaften einzuhaunen; diese sind abßer nech keineswegs am Ende ihres Lateins. Die Sozialdemokratie ist unausgesetzt bemüht, unsere Mitglieder aus der Arbeit heraus⸗ zudrängen; in einem Jahre hat man in Nürnberg 38 christlich organisierte Bauarbeiter aus dem Brot gebracht. (Ruf bei den Sozialdemokraten: Gelogen!) Ein Lügner sind Sie, wenn Sie das bestreiten. (Präsident Dr. Kaempf ruft den Zwischen⸗ rufer zur Ordnung. Zurufe von den Sozialdemokraten. Präsident: Es wird mir soeben gesagt, daß Sie den Zwischen⸗ rufer einen Lügner genannt hätten. Dann muß ich auch Sie zur Ordnung rufen.) Klare Rechtsverhältnisse müssen geschaffen werden, und dazu sollten auch Sie alle hier mithelfen.
Hierauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.
Persönlich bemerkt der
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen: Ob ich mi dem Abg. Schirmer das von diesem erwähnte Gespräch über das Reichsvereinsgesetz gehabt habe, darauf kann ich mich jetzt nach 4 Jahren nicht mehr entsinnen. . halte es auch nicht für richtig, solche Privatgespräche später von der Tribüne des Hauses aus zu verwerten. Wenn ich wirklich ein solches Gespräch mit ihm gehabt habe, so habe ich aber niemals eine Anschauung vertreten, wie er sie mir heute unterschiebt, die nämlich, die heute der Staatssekre lich der Reichskanzler von Bethmann Hollweg vertreten hat. Wenn er mir das nachsagen will, so ist das objektiv und subjektiv unwahr. (Präsident Dr. Kaempf ruft den Abg. Müller⸗Meiningen für diese Aeußerung zur Ordnung.)
Schluß nach 6 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Zweite Lesung der Nachtragsetats für 1912; Fortsetzung der Besprechung; Interpellation der Sozialdemokraten, betreffend den Wagenmangel: Wahlprüfungen; Beratung der von der Wahlprüfungskommission zu der Wahl des Abg. von Halem vorgeschlagenen Resolution.)
Haus der Abgeordneten. 104. Sitzung vom 10. Dezember 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen
Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus verhandelt in zweiter Beratung über den Gesetzentwurf, betreffend das Schleypmonopol auf dem Rhein⸗Weser⸗Kanal und dem Lippe⸗Kanal, in der ihm von der 22. Kommission gegebenen Fassung, zu der die gestern mitgeteilten Anträge vorliegen.
Auf die schon auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen der Abgg. von Pappenheim (kons.) und Herold (Zentr.) ent gegnet der
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Meine Herren! Wer den Beratungen der Kommission gefolgt ist und den Inhalt derselben nachgeprüft hat, wird sich nicht der Ueberzeugung verschließen können, daß die Kommission sehr schwierige wirtschaftliche Fragen nicht nur mit sehr großem Interesse, sondern auch mit ausgesprochenem Geschick behandelt hat; es kann darüber kein Zweifel sein, daß durch die Kommissionsverhandlungen eine Reihe von nicht unwichtigen Fragen, die auf das Schleppmonvpolgesetz bezug haben, zum mindesten geklärt sind. Die Kommission hat ja auch nach der Fassung des Entwurfs, wie er aus den Beratungen hervor⸗ gegangen ist, im Prinzip am staatlichen Schleppzwang festgehalten.
retär und damals angeb⸗
Sie hat aber, und das möchte ich im Eingang melner Rede gleich feststellen, für das Mittelglied des großen Kanalzuges vom Rhein zur Weser den einheitlichen staatlichen Schleppzwang ausgeschaltet. (Abg. von Heydebrand und der Lasa: Sehr richtig!) Damit hat die Kommission eine Rechtsauffassung, die die Staatsregierung vom Anbeginn gehabt hat, eine Rechtsauffassung, der sich ein starker Teil der Kommission angeschlossen hat, beiseite geschoben. Ausgehend von dem Rechtsstandpunkt der Regierung kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Zulassung der privaten Schlepperei für den alten Verkehr des Dortmund⸗Ems⸗Kanals bis Bevergern nicht mehr in Ausführung des großen wasserwirtschaftlichen Gesetzes von 1905 erfolgt ist, sondern daß etwas Neues an Stelle der Bestimmungen des Gesetzes vom Jahre 1905 gesetzt worden ist. Ich betone ausdrücklich: von dem Rechtsstandpunkt, den die Regierung bisher eingenommen hat.
Es ist darüber in der Kommission verhandelt worden, ob es zulässig sei, daß ein Gesetz, welches noch nicht einmal in vollem Um⸗ fange in Wirksamkeit getreten ist, tatsächlich in wesentlicher Richtung abgeändert wird. Das ist eine mehr theoretische Erwägung; denn darüber kann wohl kein Zweifel sein, daß die gesetzgebenden Faktoren ein Gesetz, welches erlassen, in den noch nicht in Wirksamkeit ge⸗ tretenen Punkten abändern können; etwas anderes ist es aber, meine Herren, ob man solche Gesetzesänderung für zweckmäßig und zulässig erachten kann gegenüber einem gesetzgeberischen Vorgange, der so sehr wie das wasserwirtschaftliche Gesetz vom 1. April 1905 den Charakter eines großen allumfassenden Kompromisses hat. Die Königliche Staatsregierung ist der Meinung, daß, wenn ihr Rechtsstandpunkt der richtige ist, daß es sich hier nämlich um eine Aenderung des Ge⸗ setzes von 1905 handele, der Beschluß der Kommission, der mit großer Mehrheit gefaßt worden ist, den staatlichen Schleppzwang auf dem Dortmund⸗Ems⸗Kanal auszuschalten, kein sehr glücklicher gewesen ist.
Meine Herren, es liegt mir fern, die Rechtsfrage hier zu erörtern. Die beiden Herren Vorredner haben das, jeder von seinem Standpunkt, getan. In der Kommission hat ein Kommissar des Herrn Justizministers umfassende Mitteilungen und umfassende Erklärungen in dieser Richtung abgegeben, und ich habe dem nickts hinzuzufügen. Meines Erachtens kann daran nicht gezweifelt werden, daß auf der Strecke des Dort⸗ mund⸗Ems⸗Kanals, auf der die private Schlepperei demnächst für den alten Verkehr zugelassen werden soll, von einem einheitlichen staat⸗ lichen Schleppzwang nicht mehr die Rede sein wird, wenn der Be⸗ schluß der Kommission Gesetz wird; dann ist dort das Monopol für den einen Teil des Verkehrs ausgeschaltet. Das bedauere ich und be⸗ greife ich von meinem Standpunkt nicht, da eine solche Aenderung des Gesetzes vom Jahre 1905 nur dann hätte in Erwägung ge⸗ nommen werden dürfen, wenn seit Erlaß in der Zwischenzeit wesent⸗ lich veränderte Verhältnisse eingetreten wären, die dazu den Anlaß hätten geben können. Es hat aber von keiner Seite behauptet oder nachgewiesen werden können, daß eine solche Aenderung der Verhält⸗ nisse eingetreten ist. Wir werden also, falls dieser Beschluß Gesetz wird, mit der sehr unerwünschten Tatsache zu rechnen haben, daß auf den Strecken des Dortmund⸗Ems⸗Kanals bis Bevergern ein staatlicher und ein privater Schleppbetrieb nebeneinander fortbestehen werden, meines Ermessens nicht zum Nutzen derer, die auf die Be⸗ nutzung dieser Wasserstrecke und der anschließenden Wasserstrecken an⸗ gewiesen sind; denn es wird mit einer gewissen Notwendigkeit sich ein gewisser Gegensatz zwischen den beiden Betrieben entwickeln müssen, der von allen denen, die grundsätzliche Gegner eines staatlichen Schleppmonopols sind, gefördert werden wird. Darüber kann kein Zweifel bestehen, daß die grundsätzlichen Gegner des staatlichen Schleppzwangs heute noch in den großen Gebieten Rheinland⸗West⸗ falens, die an der Benutzung des Kanals Interesse haben, und in den Gebieten des Dortmund⸗Ems⸗Kanals in reichlichem Maße vertreten sind. Die Sache wird die Wendung nehmen müssen, daß der private Schleppbetrieb als etwas Vollkommnes, Unerreichbares für den staat⸗ lichen Schleppbetrieb hingestellt wird, und daß der staatliche Schlepp⸗ betrieb von Anbeginn mit sehr großen Vorurteilen zu rechnen haben wird (sehr richtig! rechts), die seine Einbürgerung auf das erheblichste erschweren werden. Als Vertreter desjenigen Ressorts, welches den staat⸗ lichen Schleppbetrieb einbürgern und genehm machen soll, bedauere ich das. Es wird, obwohl ich die Aufgabe als solche für keine besonders schwierige halte, dadurch aber die Einführung dieser staatlichen Schleppverwaltung auf das erheblichste erschwert werden.
Diese Erwägungen haben ja bei dem Für und Wider die Staats⸗ regierung veranlaßt, selbst den Kompromißvorschlag zu machen, daß man für einen begrenzten, nicht zu weit gegriffenen Zeitraum den staatlichen und den privaten Schleppbetrieb auf der betroffenen Strecke des Dortmund⸗Ems⸗Kanals nebeneinander bestehen lassen möge, aber nur für eine begrenzte Uebergangszeit, um den staatlichen Schleppbetrieh einzubürgern, um die Interessenten daran zu gewöhnen, um sie erkennen zu lassen, daß der Staat sehr wohl in der Lage ist, einen solchen Betrieb schließlich nicht besser und nicht schlechter aus⸗ zuführen, als es die Privaten können. Unter diesem Gesichtspunkt konnte uns ein solcher Uebergang nicht unerwünscht sein. Dehnt man aber den Zeitraum ungemessen aus, wie es hier in dem Antrage Herold⸗Lippmann Nr. 905 gewünscht wird, der bereits eine zwanzig jährige Uebergangszeit vorsieht, dann kann es in der Tat zweifelhaft sein, ob eine Frist von solcher Dauer etwas besseres bedeutet als die dauernde Ausschließung des staatlichen Schleppzwanges auf der betroffenen Kanalstrecke.
Es ist ja nun in dem Gesetzentwurf, wie er aus der Kommlssion herausgekommen ist, vorgesehen, daß dann, wenn es nützlich und notwendig ist, einen zusammengefaßten mechanischen Schleppbetrieb auf den Kanalstrecken einzuführen, auch auf der Kanalstrecke des Dort mund⸗Emskanals bis Bevergern, und wenn ein Nebeneinanderbestehen des staatlichen und des privaten Schleppzuges hier unmöglich wird, der staatliche Schleppzug in vollem Umfange auf dieser Strecke ein⸗ geführt werden kann und soll. Das würde unter Umständen die Möglichkeit bieten, alsdann der Auffassung der Regierung Ausdruck zu verleihen. Rechnen Sie aber damit, daß wir uns zunächst auf dieser Fortbewegung durch frei fahrende Schlepper einrichten, und daß der Entschluß, an Stelle dieser Betriebsart mit all den Einrichtungen, die dazu gehören, zu einer mechanischen Schlepperei überzugehen, nicht leicht gefaßt werden wird, dann aber doch in der Zwischenzeit eintreten sollte, dann würden sofort erhebliche Zweifel darüber entstehen, ob dhs Nebeneinande bestehen beider Betriebe möglich oder unmöglich ißt.
Schluß in der Zweiten Beilage.)
1““ 1¹“ 2 Erwägungen hatten ja bereits in der Kommission den Anlaß gegeben, zu wünschen, daß man dann wenigstens die Bestimmung so fassen möchte, daß das Nebeneinanderbestehen beider Betriebe unge⸗ eignet ist. Dieser Wunsch ist aber nicht zum Beschluß erhoben, sondern ausdrücklich abgelehnt worden. Wenn man das Wort „unmög⸗ lich“ stehen läßt, dann würde es sich unter allen Umständen empfehlen klar zu stellen, daß das Ermessen des Ministers der öffentlichen Arbeiten maßgebend sein soll. Wenn Sie die Auffassung der Zentral⸗ instanz nicht als entscheidend hinstellen, dann werden ganz dieselben Fragen, die wir heute in heißem Streite erörtern, nach 10 oder 20 Jahren, oder wie lang der Uebergangszeitraum gegriffen wird, erneut an das hohe Haus herantreten müssen in dem Augenblick, wo wir die Mittel anfordern würden, um den mechanischen Schleppbetrieb einzuführen.
Es sind ja lebhafte Zweifel geäußert worden, ob der Staat in der Lage ist, den einheitlichen Schleppbetrieb mit Erfolg durch⸗ zuführen. Die Gründe, die zu diesen Zweifeln Anlaß gegeben haben, sind doch recht unbestimmt. Ich muß ja leider feststellen, daß die Betriebsstörungen, die sich auf den Staatseisenbahnen im Laufe der letzten Wochen im Ruhrrevier vollzogen haben, wie es mir schien, vielen grundsätzlichen Gegnern des Schleppmonopolbetriebes Anlaß gegeben haben, vielleicht nicht unerwünschten Anlaß (Heiterkeit), grundsätzlich gegen das ganze Institut anzugehen. Ich habe die Empfindung gehabt, daß dieser Hinweis taktisch doch nicht zweckmäßig war. Es sind ganz unvergleichbare Dinge, und auch diejenigen, die aus den jetzigen Vor⸗ kommnissen eine gewisse Schuld auf die Verwaltung häufen wollen, werden doch nicht die Behauptung aufstellen wollen, daß der Staat als Verwalter der Staatseifenbahnen nicht in der Lage wäre, einen ordnungsmäßigen Betrieb zu führen. Es müßte sonst der Staat so unfähig sein, eine staatliche Monopolverwaltung auf den Kanälen auszuführen, daß der ganze Verkehr darunter Not leidet, daß nur ein Bruchteil desjenigen Verkehrs, der heute auf den Staatseisenbahnen befördert wird und demnächst auf dem Kanal gefahren werden soll, auf diesen übergehen wird. Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß zwischen privatem und staatlichem Schleppbetrieb in der Qualität ein solcher Unterschied liegen kann.
Es ist weiter in der Kommission darauf hingewiesen worden, daß die Einführung eines staatlichen Schleppzwanges auf den Strecken von Dortmund und Herne bis Bevergern zu einer schweren Schädi⸗ gung derjenigen Interessenten führen würde, die sich heute des Kanals bedienen, in erster Linie der Interessen des Ruhrreviers, der Ems⸗ häfen und der dazwischen liegenden Gebiete. Aus welchen Gründen
ddies geschehen soll, und aus welchen Gründen die Staatsverwaltung,
die mit ungeheuren Kosten diese Interessen bisher gepflegt hat, etwas unternehmen würde, was sich in vollem Widerspruch mit ihrem bis⸗ herigen Vorgehen setzt, das ist nach keiner Richtung festgestellt. Wir haben in der Kommission den Nachweis führen können, daß innerhalb eines Zeitraums, der gar nicht weit hinter uns liegt, staatsseitig für diese Interessen über 140 Millionen aufgewendet sind, daß diese 140 Millionen für den Staat zinslos daliegen, daß insbesodere die Kapitalien, die in die große Wasserstraße des Dortmund⸗ Emskanals gesteckt sind, keinen finanziellen Nutzen bringen, daß die Verwaltung dieses Kanals den Staat sogar mit erheblichen Betriebszuschüssen belastet, daß wir für jede Tonne, die über den Kanal befördert ist, im Jahre 1910 an Zinseinbußen und Betriebs⸗ verlusten 1 ℳ darauflegen mußten. Wenn der Staat solche Opfer bringt und bereits gebracht hat in Anerkennung der großen Interessen, die da vorliegen, in Anerkennung des großen Interesses, das wir haben, unsere Emshäfen gegen die Auslandshäfen zu schützen, dann kann man nicht voraussetzen, daß er hier mit diesem Gesetz den Häusern des Landtags zumuten wird, einen Schritt zu tun, der das Gegenteil von dem bedeutet, was bisher geschehen ist. Und so liegt es auch. Wir haben nicht bloß durch die großen Kapital⸗ investierungen das Interesse des Staats bekundet. Wir haben es nicht minder bei der Bemessung der Gebühren bewiesen. Die Kanal⸗ abgaben auf dem Dortmund⸗Emskanal bedeuten nur einen geringen Bruchteil dessen, was an Kanalabgaben auf dem Rhein⸗Hernekanal Dund auf dem Kanal von Bevergern bis zur Weser und darüber hinaus erhoben werden wird. Es ist festgestellt worden, daß wir für die Massengüter auf dem Dortmund⸗Ems⸗Kanal tatsächlich nur ein Zwanzigstel der Kanalabgaben erheben, die wir auf dem Rhein⸗ Hernekanal demnächst erheben werden.
Es ist ferner festgestellt, daß der Schlepplohn, der dem Staat für die Vorhaltung der staatlichen Schlepper auf dem Dortmund⸗ Emskanal gewährt werden muß, sich verhält zu dem Schlepplohn, der auf dem Rhein⸗Herne⸗Kanal bezahlt werden muß, für Massengüter wie etwa eins zu drei. Also auch hierin spricht sich eine außerordent⸗ liche Begünstigung aller Interessenten, die mit dem Dortmund⸗Ems⸗ kanal in Verbindung sind, aus. Die Schleppkosten für die Strecke bis Bevergern sind unter den Selbstkosten der Verwaltung be⸗ rechnet. Der Staat hat also völlig darauf verzichtet, hier sein An⸗ lagekapital zu verzinsen, und fährt unter den Selbstkosten, ein Vor⸗ gang, der auch Berücksichtigung verdient.
Meine Herren, ich würde den lebhaften Wunsch haben, daß in dieser heiß umstrittenen Frage, deren wirtschaftliche Bedeutung meines Ermessens erheblich überschätzt wird, auch hier ein Ausgleich statt⸗ findet, ein Ausgleich, den wir in der Begründung zur Gesetzesvorlage bereits angedeutet haben, ein Ausgleich, der in dem Antrage 901 der Herren von Pappenheim und von Arnim in sehr glücklicher Weise gefunden ist. Die Staatsregierung würde einem solchen Antrage zu⸗ stimmen können, wenn Sie in der Formulierung, namentlich des Abs. 4 zum § 1 einige Aenderungen vornehmen wollten. Insbesondere
wäre eine andere Fassung in der Richtung erwünscht, daß das Er
messen des Ministers der öffentlichen Arbeiten als entscheidend hin⸗ gestellt wird, ob das Nebeneinanderbestehen von staatlichen und privaten Betrieben möglich oder unmöglich ist. Der Antrag von Pappenheim wählt bereits den Ausdruck „ungeeignet“.
Zweite Beilage chen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen S
Berlin, Mittwoch, den 11. Dezember
Meine Herren, das große Gesetz vom Jahre 1905 hat zu so
scharfen Gegensätzen zwischen den Parteien des Landtags geführt, daß es nur erwünscht sein kann und erwünscht sein muß, daß diefe Gegensätze endgültig zu dem gegenwärtigen Zeitpunkte, wo es sich nur noch um die Ausführung des Gesetzes handelt, ausgeglichen werden. Darum richte ich an das hohe Haus die Bitte, meine Ausführungen bei Ihren weiteren Entschlüssen tunlichst zu berück sichtigen und im Sinne eines Ausgleichvorschlages, wie er sich hier im Antrage 901 findet, abzustimmen. (Bravo!) Abg. Schmieding⸗Dortmund inl.): Wie weite Kreise das staatliche Schleppmonopol nicht wünschen, geht wohl zur Genüge aus der Flut von Petitionen gegen das Gesetz hervor. Man ja zu⸗ geben, daß ohne die Monopolbestimmung das Wasserstraßengesetz nicht zustande gekommen wäre; es ist aber bezeichnend, daß der § 18, der das Monopol fordert, von den Gegnern des Gesetzes hier eingebracht wurde. Uebrigens wurde das damalige Kompromiß nicht zwischen den Parteien, wie behauptet wurde, sondern zwischen der Re⸗ ierung und den Mehrheitsparteien abgeschlossen. Damit ist aber noch nicht ge⸗ sagt, daß wir nicht die volle Freiheit der Entschließung gegenüber dem vorliegenden Gesetze haben. Gerade in Anbetracht der Ueber⸗ lastung der Eisenbahnen sollte man auf die Wasserstraßen mehr Ge⸗ wicht legen, die doch in erster Linie geeignet sind, die Eisenbahn zu entlasten, und diese Entlastung kann nach meiner Auffassung nur am zweckmäßigsten bei dem pribvaten Schleppbetriebe erfolgen. Dagegen würde man beim staatlichen Monopol nach dieser Richtung hin einen Sprung ins Dunkle tun.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Ich kann den Vorwurf, daß ich zu den Wasserfeinden gehöre, nur insoweit zugestehen, als es sich um den innern Gebrauch des Wassers handelt. Ich hoffe, daß alle Parteien des Hauses sich auf einer mittleren Linie verständigen können, damit endlich einmal die Kanalaxt begraben werden kann. Die Gründe, die seinerzeit für die Einführung des Schleppmonopols maßgebend waren, gelten auch heute noch in vollem Umfange. Mir scheint aber ein Uebergangsstadium von längerer Dauer erforderlich. 10 Jahre sind zu wenig. Deshalb stimmen wir für den Antrag Herold, der 20 Jahre vorsieht. Ich hoffe, daß das Haus den Antrag Herold mit möglichst großer Mehrheit annimmt.
Inzwischen sind noch Anträge der Abgg. Borchardt und Genossen (Soz.) eingegangen; sie beantragen zu § 1 die Aenderung, daß das Schleppmonopol sofort auf dem ganzen Dortmund⸗Ems⸗Kanal sowie auch im Duisburg⸗Ruhr⸗ orter Hafen und auf der Verbindung dieses Hafens mit dem Rhein und dem Kanal eingeführt wird; sie verlangen ferner den Vorbehalt eines besonderen Gesetzes für die Schadlos haltung der Unternehmer, der Angestellten und der Arbeiter der privaten Schleppschiffahrt.
Zu § 3 beantragen dieselben Abgeordneten die Bestimmung, daß Nahrungsmittel und Futtermittel nach den niedrigsten Tarifsätzen zu befördern sind.
Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Meine Freunde sind ehr⸗ liche Feinde des Schleppmonopols geblieben. Sie haben seinerzeit alle Kraft angewandt, um die Fehler, die nach ihrer Ansicht in das Gesetz von 1905 gebracht wurden, zu beseitigen. Sie haben sich dagegen gewehrt, wenn auch ohne Erfolg, daß das Rück⸗ grat der großen Kanalvorlage, das Mittelstück von Hannover nach Magdeburg, aus diesem Gesetz herausgestrichen wird. Sie haben sich nicht damit einverstanden erklärt, daß das Gesetz durch die §§ 18 und 19, von denen der eine die Schiffahrtsabgaben, der andere das Schleppmonopol einführen soll, verschönt wurde. Auch die Regierung stand früher auf dem Standpunkt, daß das Schleppmonopol ein Fehler sei, heute versucht dagegen die Regie⸗ rung das Kuckucksei, das durch den § 18 in die Kanalvorlage hinein⸗ gelegt wurde, sorgsam auszubrüten. Wenn wir also wie vor uns gegen das Schleppmonopol und damit gegen das ganze Gesetz ab⸗ lehnend verhalten, so kann uns das natürlich nicht hindern, einzelnen Bestimmungen des Gesetzes zur Seite zu treten. Da handelt es sich zunächst um die Frage, ob der § 1 in der Fassung der Regierung oder in der Kommissionsfassung den Vorzug verdient. Wir müssen erwägen, daß der Dortmund⸗Ems⸗Kanal auf Grund eines besonderen Gesetzes im Jahre 1888 zustande gekommen ist. Bei allen Verhand⸗ lungen über dieses Gesetz war niemals die Rede gewesen, daß das Schleppmonopol auf dem Kanal eingeführt werden sollte. 1905 fanden nun Verhandlungen darüber statt, wie ein Kanal von dem Rhein nach der Weser geschaffen werden könne. In diesen wurde auch ein Stück des alten Dortmund⸗Ems⸗Kanals einbezogen. Es ist doch nun selbst⸗ verständlich, daß die alten Verpflichtungen von 1888 zu dem Dort⸗ mund⸗Ems⸗Kanal nicht ohne weiteres geändert werdén konnten durch das Gesetz von 1905. Der Wortlaut des Gesetzes sagt im § 18, es soll auf dem Kanal vom Rhein zur Weser ein einheitlicher Schlepp⸗ betrieb geschaffen werden. Und nun sehen wir, daß die Väter des Gesetzes, die diesen § 18 geschaffen haben, völlig entgegengesetzter Ansicht sind. Da sollen wir ohne weiteres ein Gesetz . und die Ausdehnung des § 18 vornehmen. Wir müssen aber die alten Rechtsverhältnisse respektieren. Auch wirtschaftliche Gründe sprechen dagegen, daß man den Dortmund⸗Ems⸗Kanal teilweise mit einem “ belastet, das den Betrieb verteuert. Was der staatliche Monopolbetrieb leisten kann, weiß man noch nicht. Jedenfalls sind die Interessenten, denen das Schleppmonopol Vor⸗ teile bringen soöll, gegen dasselbe. Noch niemals hat ein Kaufmann um einer Idee willen einen Vorteil aufgegeben. Der staatliche Schleppbetrieb wird sich namentlich nicht als anpassungsfähig erweisen. Der Transport der Tonne Getreide von Rotterdam nach Münster betrug bisher 8,90 ℳ, künftig auf dem Rhein⸗Weser⸗Kanal 3,90 ℳ, von Emden nach Münster 3,40 ℳ oder mit Hinzufügung von 10 ₰ für das Schleppmonopol 3,50 ℳ; das ist allerdings eine kleine Differenz zu Gunsten von Emden; diese spielt aber keine Rolle, weil der Hafen Rotterdam viele andere Bequemlichkeiten bietet, z. B. für die Gewinnung von Rücktransport usw. So wird also kein Schutz für den Hafen Emden erreicht. Im Gegenteil, auch andere ziffernmäßige Berechnungen zeigen uns, daß die Emshäfen in eine ganz gefährliche Situation kommen werden. Es ist der Vor⸗ wurf erhoben worden, daß man sich die besten juristischen Gutachter ausgesucht habe, das ist doch selbstverständlich; auch der Staat tut das, der Vorwurf der Parteilichkeit ist darum doch aber nicht zu⸗ treffend. Der Gedanke, den Verkehr auf dem alten Dortmund⸗ Ems⸗Kanal vom Monopol freizulassen, liegt so nahe, daß man überhaupt keine Juristen zum Beweise braucht. Die Parteien hier sind jetzt alle uneinig. Der Minister empfiehlt den Antrag von Pappen⸗ heim als Kompromißvorschlag; das ist aber kein Kompromißantrag, denn es stehen nur die Konservativen darunter. Ein Kompromißantrag ist vielmehr der Antrag unter dem Namen Herold, und das ist das Richtige. Was können wohl Handel und Verkehr eine Galgenfrist von zehn Jahren nützen, in der man nichts amortisieren kann! Die Frift, die für solche Dinge notwendig ist, muß mindestens eine zwanzigiädrige sein. Der Mintster sollte nach dieser Richtung din Billigkeits⸗ und kaufmännischen Erwägungen zuganglicher sein. Der Antrag der Sozialdemokraten muß dem Minister eine ganz besondere Frende de⸗ reitet haben. Es ist ja merkwürdig, das wir jetzt zur Durchfüdrung des Monopolsostems die Herren von der vechten Seite, die Sezial⸗
demokraten und den Minister der öffentlichen Arbeiten vereinigt sehen. Es ist eine Konstellation, die etwas ungewöhnlich ist. Was die Frage der Entschäͤdigung anlangt, so sind ja die Regierung und alle Parteien darüber einig, daß, wenn ein Rechtsanspruch nicht ab⸗ zuleiten ist, doch ein Billigkeitsanspruch besteht. Die Frage kann nach meiner Auffassung nur entschieden werden unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Verhältnisse, und diese sind natürlich andere in dem Moment, wo das Schleppmonopol auch auf diesem strittigen Stücke vollständig durchgeführt wird. Deshalb sollte man die Festsetzung der Entschädigung aufschieben. Wir bedauern die Entstellung des Wasser⸗ straßengesetzes durch den § 18. Wir werden das Schleppmonopol im ganzen zur Ablehnung bringen und jedes Moment wahrnehmen, das geeignet ist, den Verkehr vor den schädlichen Folgen des Monopols zu schützen.
Abg. Leinert (Soz.): Es ist schon hervorgehoben worden, daß der § 18 von den Gegnern der Kanalvorlage eingebracht worden ist in der Absicht, daß die Regierung sich auch in dieser Frage in den Dienst der Großgrundbesitzer stellen und mit dieser Be⸗ stimmung den Grundbesitzern den Raub des Zolltarifs sichern werde. Mir ist es ganz gleichgültig, aus welchen Erwägungen heraus das Gesetz entstanden ist, die Bestimmung ist nun einmal vorhanden, und für eine Weit gung dieser Bestimmungen sind wir nicht zu haben. Wenn das Abgeordnetenhaus das Recht hat, diesen § 18 umzugestalten, dann muß man ihm auch das Recht zugestehen, ihn zu erweitern, und wir treten für eine Erweiterung des § 18 ein. Wir wollen, daß der staatliche Schleppbetrieb auf allen Linien des Kanals durchgeführt wird. Wir können nicht ohne weiteres anerkennen, daß das Monopol aus⸗ genutzt werden soll, um die Einnahmen des Staats zu vergrößern. Von diesem Gesichtspunkte aus wollen wir das Schleppmonopol nicht be⸗ trachtet wissen. Wir wollen, daß das Monopol lediglich im Interesse des Verkehrs ausgeübt wird, und daß die Gebühren nicht höher sein dürfen,
ls notwendig ist, um die Kosten des ganzen Betriebs zu decken. Wir können dem Staat nicht die Berechtigung geben, irgend welche Pro⸗ duktionszweige für sich in Monopolbetrieb zu nehmen mit der Absicht, den Verkehr und die Produkte zu verteuern. Wenn man das Monopol herbeiführen will, dann muß man auch die Mittel, die dazu nötig sind, bewilligen. Unsere ganze kapitalistische Entwicklung drängt danach, zu monopolisieren, und es handelt sich darum, ob man dem Privat⸗ monopol oder dem Staatsmonopol den Vorzug gibt; aber solche ge meinnützige Unternehmungen, wie die Verkehrsunternehmungen es sind, müßten unabhängig von dem Privatkapital gemacht und von der Regierung im Interesse der Allgemeinheit verwaltet werden. Heute spielt die Konkurrenz gar keine Rolle mehr. Sobald die Konkurrenz auf eine Höhe gekommen ist, bei der sie gegenseitig zum Schaden ausschlagen kann, vereinen sich die beiden Konkurrenten und gehen dann gemeinsam vor, indem sie die Preise erhöhen. Besonders vollzieht sich ja diese Entwicklung auf dem Gebiete des Berghaus. Wir können diesem Monopol, das hier vorgeschlagen wird, umsomehr zustimmen, weil es ja ein reines Staatsmonopol ist. Und wenn unsere Voraus setzung, daß es nicht zur Vergrößerung der Staatseinnahmen dient, zutrifft, so liegt dies im Interesse der Allgemeinheit. Der Vorschlag, der in der Kommission gemacht wurde, ein Privatmonopol mit staat⸗ licher Genehmigung auf Widerruf zu gestatten, kann unsere Zustimmung nicht finden. Wenn man das Staatsmonopol wünscht, dann muß man es auch ohne Einschränkung bis zur letzten Konsequenz durch⸗ führen, denn ein Staatsmonopol duldet keine Einschränkung, und die letzte Konsequenz ist die Herbeiführung des Sozialismus. Auch ohne den § 18 würde die Einführung des staatlichen Monopols ohne weiteres eine Notwendigkeit sein. Die Syndikate und Gesellschaften, die schon eine monopolartige Stellung ein⸗ nehmen und das Volk ausbeuten, müßten enteignet werden. Es ist ein tolles Stück, daß man dem staatlichen Betriebe die Flügel so beschneiden will, daß er gar nicht richtig durchgeführt werden kann, sodaß die privaten Gesellschaften sich noch weiter entwickeln und später, wenn der staatliche Betrieb ganz durchgeführt werden soll, un⸗ erhörte Entschädigungen verlangen können. Heute ist es noch möglich, sie mit geringeren Summen abzufinden. Sonst würde es schließlich der Staat selbst und damit die Allgemeinheit des Volkes sein, die uͤber das Ohr gehauen wird. Solche Gesetzgebung machen wir nicht mit. Die anderen Parteien haben immer großes Vertrauen zu den Ministern, bei uns hat niemals Vertrauen zur Regierung geherrscht. Das Vertrauen zur Regierung bei den andern hört aber immer auf, sobald es sich um große
kapitalistische Interessen handelt; das haben uns jetzt wieder diese Kom⸗ 1
missionsverhandlungen gezeigt. Wenn wir für das Monopol stimmen, so ziehen wir nur die Konsequenz aus der wirtschaftlichen Entwicklung, tun es aber nicht aus irgend welchem Vertrauen. Für die weitere Ausdehnung des Monopols hat die Kommission die Verantwortung auf den König abgeschoben, indem sie die Königliche Verordnung vor⸗ sah; sie selbst hat nicht den Mut gehbabt, gegen die kapitalistischen Gesellschaften etwas zu unternehmen. Wir wollen bei diesem Gesetz auch für die Arbeiter sorgen, damit sie nicht so behandelt werden wie in der Eisenbahnverwaltung; wir wollen für ihre Entschädigung ein besonderes Gesetz vorbehalten wissen, weil wir augenblicklich die Höhe der Entschädigung nicht festsetzen können. Lehnen Sie unseren An⸗ trag für die Entschädigung der Arbeiter ab, so ist das ein neuer Be⸗ weis für Ihre Arbeiterfeindlichkeit. Der Kommissionsbeschluß ist nur eine Halbheit, wir wollen keine Einschränkung, sondern eine Aus⸗ dehnung des § 18 des Wasserstraßengesetzes. Wir wollen das Schlepp⸗ monopol des Staates nicht, um dem Staat einen Gewinn zu ver⸗ schaffen, sondern um den Verkehr zu erleichtern.
Abg. von Arnim⸗Züsedom (kons.): Der Gang der Debatte läßt eine Verständigung erhoffen, die auch den berechtigten Interessen der Kanalgegenden gerecht wird. Das ist durchaus die Absicht meiner Freunde. Meine Aeußerungen aus der Kanalkommission von 1904 können nicht dafür angeführt werden, daß ich Gegner des Schlepp monopols für die Strecke Herne Bevergern sei. Ich habe damals lediglich den Antragsteller des § 18 gefragt, ob sich der Antrag auch auf die Strecke Herne — Bevergern 8 hen soll. Sie müssen be⸗ denken, daß ich damals als Gegner des Kanals in die Kommission gekommen bin und erst im Laufe der Verhandlungen die Ansicht bekommen habe, daß die Strecke vom Rhein nach Herne zur Be⸗ friedigung der Verkehrsansprüche, die wir befriedigen müssen, not⸗ wendig ist, und daß, um diesem Kanal Wasser zuzuführen, auch der Kanal bis zur Weser gebaut werden muß. Ich bin damals Aufklärung durch den Antragsteller zu der Ansicht gekommen, daß a die Strecke Herne —Bevergern, und zwar nach jeder Richtung, mit dem Schleppmonopol belastet werden sollte. Deshalb habe ich damals zu dem Antrag Am Zehnhoff die Aenderung beantragt, durch die festgestellt werden sollte, daß ein späteres Gesetz über das Schleppmonopol nur Ausführungsgesetz sein könne, daß es nur dem Ausbau des an sich gesetzlich festgelegten Schleppmonopols dienen solle. Allerdings ist es an keiner Stelle ausdrücklich festgestellt worden, daß jeder Verkehr auf der Strecke Herne —-Bevergern dem Schleppmonopol unterworfen werden solle, aber für mich war dies außer Zweifel. Unmittelbar nach Erlaß des Gesetzes von 1905 verhandelte die Regierung mit den Garantieverbänden über die innere Ausgestaltung der Garantieverträge, und dadci hat der Geheimrat Sympher, der eigentliche Vater der Kanalderlage, im west⸗ fälischen Provinziallandtag in einer Denkschrift erklärt das das Schleppmonopol dem ganzen Rhein⸗Weser⸗Kamnal dient, A20 der Strecke Herue — Bevergern, nicht aber der Strece Berengern — Papenburg. Da ist zum ersten Male gesagt werden wo dar Wemegpel nicht eingerichtet werden fell. Wena m dem § beitlichen Scklerrdetriede die Rede N. se R damt gesegt
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