1912 / 290 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Dec 1912 18:00:01 GMT) scan diff

fälische Industriebezirk in seinem östlichen Teile, überhe aht nicht

exportiert; denn unsere Schwerindustrie, für die Emden allerdings der gegebene Ausfuhrhafen ist, setzt bekanntlich nach Nordamerika, ins⸗ besondere den Vereinigten Staaten, so gut wie nichts ab. Ihre Absatzgebiete, die eine Zukunft haben, sind Sudamerika, Ostasien und, wenn sich die Verhältnisse in Australien in schutzzöllnerischer und in nationalistischer Hinsicht nicht allzu ungünstig gestalten, auch Auftralien. So bot also für die Heranziehung des Frachtverkehrs nach Emden gerade die Relation, die von der Deutschen Reederei angeboten wurde, und die geschaffen werden sollte, die allergeringste Aussicht.

Bleibt der Auswandererverkehr! Die Deutsche Reederei ist nach dem Inhalt ihres Gesuchs der Meinung, daß es ihr möglich sein würde, den Auswandererverkehr, der jetzt über Rotterdam und Antwerpen geht, zum Teil oder in dem Maße nach Emden heranzuziehen, daß dadurch etwa 10 % des gesamten kontinentalen Auswandererverkehrs mehr nach Emden kommen. Ich glaube und darin mar man auch im Bundesrat einig —, daß diese Behauptung nicht nur nicht zu be⸗ weisen ist, sondern das Gegenteil der Wahrscheinlichkeit für sich hat. Allerdings gehe ich dabei von einem anderen Gesichtspunkte aus als einer der Herren Redner in der Kommission, der die Frage, weshalb denn unter einer gewissen Mitwirkung der beiden deutschen Linien ein Teil der Auswanderung aus dem Osten und Südosten Europas über Rotterdam gelenkt und mit der Holland⸗Amerika⸗Linie be⸗ fördert würde, so erklären zu können glaubte: die Gesellschaften hätten sich ausgerechnet, daß sie auf die Weise besser fortkämen, als wenn sie die Auswanderer über Deutschland führten. Darin lag, daß es nur von dem Willen der beiden Gesellschaften abhinge, also eventuell auch von dem Wlllen eines Dritten, diesen Verkehr nach Deutschland zu ziehen. Das halte ich für eine vollständige Ver⸗ kennung der Sachlage. Bekanntlich haben die Auswandererlinien Europas unter einander eine Vereinbarung getroffen, wonach der Aus⸗ wandererverkehr zwischen den Linien der verschiedenen Länder verteilt wird. Dabei ist auch ein gewisser Anteil auf Holland und ein ge⸗ wisser auf Deutschland gefallen. Diefe Vereinbarung ist die Folge von schweren Tarifkämpfen; sie ist sozufagen der Waffenstillstand, den die Gesellschaften geschlossen haben. Sie wird auf die Weise durchgeführt, daß eine Gesellschaft, die mehr befördert als ihr zu⸗ kommt, den andern eine gewisse Entschädigung zahlt und dann auch den Zustrom neuer Auswanderer auf ihre Linien zurückhält. Das ist also ein Zwang, eine Einschränkung, der sich die beteiligten Gesell⸗ schaften, auch die deutschen, haben unterwerfen müssen.

Nun haben allerdings die deutschen Gesellschaften auch einen An⸗ teil an der Holland⸗Amerika⸗Linie erworben, um sie mit zu kon⸗ trollieren, wie das ja vielfach in solchen Pools vorkommt. Aber das

ist ganz sicher, daß sie trotzdem ein größeres Interesse an der Be⸗ sörderung des Auswandererverkehrs über Deutschland haben als über Holland, auch wenn es sich um die Beförderung mit der Holland Amerika⸗Linie handelt, daß sie also ihrerseits alles tun müssen und alles getan haben, um sich einen möglichst großen Teil für ihre Linien von Deutschland aus zu sichern.

Die Tatsache, daß sie nicht mehr haben erreichen können, wird sich auch jedem neuen Unternehmer entgegensetzen, und jeder neue Unternehmer wird, wenn er überhaupt etwas erreichen will,

nur durch einen schweren Tarifkampf Anteile an dem Aus⸗ wandererverkehr erlangen. Was diese beiden großen, altfundierten Gesellschaften mit ihren erfahrenen Auswanderungsagenten, ihren Kontroll⸗ und Registrierstationen und ihren mannigfachen Be⸗ iehungen im In⸗ und Auslande diesseits und jenseits des Meeres nicht erreicht haben, das wird ein neuer Unternehmer, dem alle diese Erfahrungen und Beziehungen fehlen, ganz gewiß nicht erreichen; und wenn er etwas erreicht, dann nürde er es höchstens auf Kosten der beiden deutschen Gesellschaften erlangen. Die ausländischen

esellschaften werden ganz sicher nicht geneigt sein, den Umstand,

in Deutschland ein neues Auswanderungsunternehmen kon⸗ zessioniert ist, als einen Grund dafür gelten zu lassen, daß sie nun an Deutschland von ihrem Verkehr mehr abgeben.

Auf alle Fälle würde aber und das ist ein wichtiger Um stand eine solche neue Konzessionierung, von der ich schon gefagt habe, daß sie nach unferer Auffassung Emden nur einen sehr bescheidenen Nutzen brächte, den beiden deutschen Gesell⸗ schaften einen großen Schaden eingetragen haben; und das zu vermeiden, ist ein deutsches und ist auch ein preußisches Interesse. Denn wenn auch diese beiden großen Dampfergesellschaften durch den Weitblick und den Wagemut hanseatischer Männer begründet sind und auf der Höhe gehalten werden, so ist an ihrem Gedeihen und an ihrer möglichst starken Stellung im internationalen Wettbewerb das ganze Reich und auch das ganze Preußen beteiligt. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Man darf hier nicht zwischen Reichs⸗ und preußischen Interessen unterscheiden. Nicht nur, daß das preußische Kapital in ihnen auch mitarbeitet; auch der preußlsche Handel bedient sich ihrer, sie sind auch für ihn eine wesentliche Stütze. Da ist es der preußischen Staatsregierung nicht richtig erschienen, diesen Gesell⸗ schaften Schaden zuzufügen, zumal dem nicht ganz evidente, auf andere Weise nicht zu erreichende Vorteile für Emden gegenüberstanden. Diese Vorteile ließen sich für Emden auch erreichen ohne Schädigung der beiden großen Linien, weil eben diese beiden Linien selbst an⸗ geboten hatten, unter den gleichen oder nach Wahl der Regierung auch unter anderen Bedingungen Linien von Emden aus einzurichten.

Die Staatsregierung ist nun, als sie vor der Alternative stand, von jeher der Meinung gewesen, daß es vorteilhafter für Emden wäre, wenn Emden nach vier Richtungen der Welt in vier Wochen fünfmal Verbindung bekäme, auch wenn die Dampfer dann nicht von Emden ihren Ursprung nahmen, sondern vorher von einem anderen deutschen Hafen ausgingen, als wenn man, wie ja die Deutsche Reederei wollte, dafür zwei vierzehntägige Verbindungen nur nach Nordamerika, aber mit Ursprungshafen Emden, einrichtete. Die Gründe ergeben sich zum Teil aus der Kritik, die ich dem Anerbieten der Deutschen Reederei vorhin habe angedeihen lassen.

Trotzdem hat die Regierung, weil Emden einen besonderen Wert auf eine eigene Linie legte, es zunächst versucht, mit den beiden Gesell⸗ schaften äuf der Basis zu verhandeln, daß sie mit dem Ursprungs⸗ hafen Emden eine eigene Linie nach den Vereinigten Staaten mit einem 14 tägigen Verkehr einrichten sollten. Bei den Verhandlungen

ist uns der überzeugende Nachweis geführt, daß diese Linie eine ganze Reihe von Jahren unrentabel sein müsse, und die Gesellschaften haben mit guten Gründen erklärt, daß sie zwar, wenn es die Regierung ver⸗ langt, dazu bereit wären, aber dann sich nicht auf lange Zelt binden könnten und die Linie aufgeben müßten, sobald der Verlust eine ge⸗

wisse Summe ich glaube, es waren 7 Millionen Mark, also gewiß einen anständigen Betrag betragen hätte. Darauf ist man in Emden zu der Ueberzeugung gekommen, daß doch wohl der andere Weg, den die preußische Staatsregierung als den nützlicheren immer empfohlen hatte, beschritten werden müsse. Und nun sind zwischen der Regierung, dem Lloyd und der Hamburg⸗Amerika Linie Verhandlungen darüber geführt worden, wie Linien, die zwar nicht Emden zum Ursprungshafen nehmen, sondern einen anderen deutschen Hafen, aber die in Emden anlanden, in der mehrfach er⸗ wähnten Weise alle 14 Tage nach New Bork und im übrigen alle 4 Wochen je einmal nach Südamerika, Ostasien und Australien eingerichtet werden können.

Die Verhandlungen, die, wie ich schon sagte, vor wenigen Tagen zum Abschluß gekommen sind, haben folgendes Ergebnis gehabt: Die beiden Gesellschaften haben sich verpflichtet, erstens vom 1. April 1914 ab den Dienst Emden New York 14 tägig aufzunehmen mit der Befugnis, als Ausgangshafen einen anderen deutschen Hafen und Emden als Anlandungshafen zu nehmen und diesen Dienst in einen wöchentlichen umzugestalten, sobald es der Verkehr notwendig macht. Sie haben sich ferner verpflichtet, sobald es die Ren⸗ tabilität gestattet, diese Linie zu einer eigenen, von Emden aus⸗ gehenden Linie umzuwandeln. Ferner haben sie sich verpflichtet, bereits vom Oktober 1913 ab 4 wöchige Frachtlinien nach Süd⸗ amerika, nach Ostasien und nach Australien einzurichten. Sie haben weiterhin die Verpflichtung übernommen, alle erforderlichen Ein⸗ richtungen für den Personen⸗, Fracht und Auswandererverkehr in Emden zu treffen. Weiter haben sie die Zusage gemacht, daß sie ihr Mög⸗ lichstes tun wollen, um von ihrem Auswandererverkehr einen an gemessenen Teil nach Emden zu lenken. Es ist anzunehmen, daß bei einem Auswandererverkehr, wie er jetzt ist, die 14 tägig von Emden nach New York gehenden Schiffe je etwa 800 bis 900 Auswanderer zu befördern haben werden. Endlich haben die Gesellschaften auch die Ver⸗ pflichtung übernommen, den Frachtverkehr aus Rheinland und West⸗ falen nach Emden möglichst zu entwickeln und für das Frachtgut ab Emden, was wichtig ist, stets den erforderlichen Raum in ihren Schiffen in Emden zur Verfügung zu halten. (Sehr gut!)

Diese ganzen Bestimmungen sind unter starke Konventional⸗ strafen gestellt. Für Meinungsverschiedenheiten ist ein unparteiisches Schiedsgericht bestellt worden. Ich will noch hinzufügen, daß außerdem ein Vertrauensausschuß eingesetzt ist, der aus Vertretern der Stadt Emden, aus Vertretern der Verfrachter und aus Vertretern der Dampf⸗ schiffahrtsgesellschaften unter einem Regierungsbeamten als Vor⸗ sitzenden bestehen und die Förderung der Interessen der Dampf⸗ schiffahrtsgesellschaften, der Verfrachter und der Stadt betreiben und etwaige Meinungsverschiedenheiten gütlich ausgleichen soll. Die ganzen aufgezählten Verpflichtungen der beiden Gesellschaften sind von ihnen in rechtlich bindender Weise auf die Dauer von 20 Jahren übernommen worden. Darauf haben wir den größten Wert gelegt, daß die Sache auf lange Jahre festgemacht wurde, denn der Verkehr kann sich nur allmählich entwickeln, kann nur allmählich lohnend werden, und die Gesellschaften sind nur dann in der Lage, Anlagen auf weite Sicht zu machen, wenn sie auch sicher sind, daß sie sich auf lange Zeit mit dem Hafen zu beschäftigen haben. Ander⸗ seits aber kann darauf gerechnet werden, daß sich unsere Industrie, falls wir nicht ungewöhnliche Störungen im Weltverkehr bekommen, in den 20 Jahren weiter entwickelt haben wird, und daß unter Mit⸗ wirkung der Gesellschaften, die ja alles Interesse haben, ihre An⸗ lagen in Emden auch verzinst zu sehen, der Hafen von Emden in dieser Frist so viel Verkehr bekommen wird, daß das Verhältnis der Gesellschaften zu Emden sich nach Ablauf der 20 Jahre von selbst fortsetzen werde; mit anderen Worten, daß damit eine dauernde Ein⸗ richtung getroffen ist.

Ich habe gegenübergestellt, was die beiden deutschen Gesellschaften übernommen haben, mit dem, was seinerzeit von der Deutschen Reederei angeboten war, und ich glaube, es kann wirklich kein Zweifel darüber bestehen, daß dieses zum Abschluß gebrachte Angebot mit dem fünfmal monatlichen Verkehr nach vier Richtungen im Emdener Interesse vorteilhafter ist als das Angebot der Deutschen Reederei. Es sind allerdings keine Linien geschaffen, die von Emden ausgehen, wenigstens zunächst nicht. Es wäre gewiß wünschenswert gewesen, hätte man auch erreichen können, daß die neuen Linien ihren Ursprung in Emden nehmen; eine solche Einrichtung würde Vorteile für die Werften in Emden, Verdienste aus der Verproviantierung der Schiffe usw. gebracht haben; aber es lag hierfür kein Angebot vor. Auch die Deutsche Reederei, wollte die eigene von Emden ausgehende Linie nur für die Relation nach New York einführen, ebenso wie hierzu auch, wenn man sich darauf beschränkt hätte, die Hamburg⸗Amerika Linie und der Norddeutsche Llobd bereit waren. Für den Fall der Herstellung von Verkehrsbeziehungen nach allen Ländern der Welt hatte niemand angeboten, in Emden entspringende Linien einzurichten. Das war in der Sache begründet; denn wenn die Schiffe jetzt von Emden ausgehen würden, müßten sie nach einem anderen deutschen Hafen zurückfahren, um die Ladung aufzufüllen, weil der Verkehr sich erst allmählich entwickeln wird und noch nicht groß genug ist. Immerhin ist ja für die Zukunft im nordamerikanischen Verkehr dadurch gesorgt worden, daß von Emden ausgehende Linien eingerichtet werden sollen, sobald sie rentabel sind. Entstehen Zweifel darüber, ist auch diese Frage der Entscheidung des Schiedsgerichts unterworfen.

Nimmt man dazu, daß diese Errungenschaften so kann ich es ruhig nennen für Emden geglückt sind ohne eine Schädigung unserer beiden großen Linien, so kann man wirklich sagen: nicht bloß die Staatsregierung, auch die Stadt Emden kann mit dem Erreichten zufrieden sein. (Lebhafter Beifall.)

Abg. von Schuckmann (kons.): Das Verhalten der Regie⸗ rung gegenüber der Reedereigesellschaft hat großes Erstaunen hervor⸗ gerufen, ganz besonders wenn man bedenkt, daß der preußische Staat in Emden 80 Millionen hineingesteckt hat und daß diese Summe noch größer wird, wenn man die Kosten des Dortmund⸗Ems⸗Kanals miteinbezieht. Die Aussicht für die Konzession schien zuerst günstig zu sein. Sie ist dann aber von der Reichsregterung abgelehnt worden, weil auch die beiden anderen Gesellschaften, der Lloyd und die Hamburg⸗Amerika⸗Linie, eine gleiche Konzession beantragt hatten. Davon ist bisher nichts bekannt geworden. Nach dem Aus⸗ wanderungsgesetze steht es im Ermessen des Reichskanzlers, unter Zustimmung des Bundesrats solche Konzession zu erteilen oder 18 versagen. Trotzdem muß man in dem vorliegenden Falle eine Kritik an der je ügen Beschlußfassung üben. Man sagt, die Re⸗ gierung hat bei solcher Konzession zuerst festzustellen, ob genügendes Kapital vorhanden ist, ferner oh Garantien dafür gegeben sind, daß für die Gesundheit der Auswanderer in genügender Weise gesorgt ist, und schließlich ob ein Bedürfnis vorliegt. Dagegen kann man nichts ein

wenden. Das Bedürfnis hat die Regierung ja anerkannt, indem sie den beiden anderen Gesellschaften neue Konzession erteilt hat. Man muß deshalb fragen, warum diese den beiden anderen Linien und nicht der Reedereigesellschaft gegeben worden ist. Nun wird gesagt, ein neues Unternehmen hätte nur konzessioniert werden können, wenn die dafür nötigen Voraussetzungen vorhanden gewesen wären. Das soll nach der Meinung der Regierung nicht der Fall gewesen sein. Sie meinte, daß der Konkurrenzkampf sich nur im Inlande abgespielt hätte. Das wurde seinerzeit in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ ausgeführt. Das ist zweifellos richtig, und ich stimme dem Minister bei. Wir alle sind ja voller Bewunderung für die anderen Schiffahrtsgesellschaften, aber nicht nur für i sondern auch für die anderen Hamburger und Bremer Linien. C. ie haben überall die deutsche Flagge in der Welt gezeigt. Sie waren die ersten deutschen Pioniere im Auslande. Aber die Sache hat noch eine ganz andere Bedeutung. Es braucht doch nicht alles, was an Schiffahrt vorhanden ist, in Hamburg oder Bremen zu enden. Die Regterung hat eine Rechnung aufgemacht, aus der hervorgehen soll, daß die neue Gesellschaft keine Geschäfte machen würde. Was würden wohl die Hapag und der Lloyd für ein Gesicht gemacht haben, wenn man ihnen mit so etwas gekommen wäre. Sie hätten einfach gesagt: wir müssen schlechte Kaufleute sein, wenn wir das nicht uns allein ausrechnen könnten. Es ist oft darauf hingewiesen worden, daß nicht die genügende Ladung vorhanden ist. Man braucht da nur an die Bahnen zu denken. Wenn eine neue Bahn gebaut wird. dann bat sie zuerst meist auch nicht den nötigen Verkehr. Sie schafft ihn sich aber bald selbst. Es ist richtig, daß man der Kon⸗ kurrenz des Auslandes gegenüber den deutschnationalen Gedanken hochhält, aber es geht doch zu weit, bei uns deshalb jede gesunde Konkurrenz zu unterbinden. Emden soll jetzt zu⸗ frieden sein. Das ist wohl möglich. Nachdem die Regierung nun einmal den Fehler gemacht hat, hat sie später alles aufgeboten, um den Schaden für Emden möglichst zu verkleinern. Da ist es denn kein Wunder, wenn die Emdener jetzt alles tun, um sch diese Vorteile zu sichern und sich mit den beiden anderen Gesell⸗ chaften gut zu stellen suchen. Nun ist gesagt worden, die Aus⸗ wanderermenge sei für Emden nicht vorhanden. Dem widerspricht, daß die Regierung ja selbst eine Konzession für Einden erteilt hat. Dazu kommt, daß die Hamburg⸗Amerika⸗Linie und der Lloyd ja selbst einen Teil des Auswandererstroms über Rotterdam und Antwerpen leiten. Die Regierung hat sich gewissermaßen als Vormund der deutschen Reederei⸗Gesellschaft hingestellt. Das ist doch nicht Auf⸗ gabe der Regierung. ist doch zu bedenken, daß die Hapag und der Lloyd mit dem einen Fuß in Hamburg und Bremen und mit dem anderen in Rotterdam und Antwerpen stehen. Die Regierung verkennt auch ungemein den Wert, den ein Hafen als Aus angspunkt für solche überseeische Linien hat. Es ist für eine Gesellschaft chwierig, immer den Interessen eines Anlegehafens gerecht zu werden. Das hängt von allerlei Umständen ab, über die ein Kapitän nicht verfügen kann. Dieser muß sich im Interesse seiner Gesellschaften im Gegenteil öfter genötigt seben, den Aufenthalt abzubrechen. Hierzu kommt ein allgemeiner G ichtspunkt, den die Regierung meines Erachtens gar nicht berücksichtigt hat: neue Schiffslinien sind allein in der Lage, unsere Frachten zu verbilligen oder doch zu ver⸗ hindern, daß sie zu hoch werden, und von der Billigkeit der Frachten hängt ein guter Teil unseres Exports ab. Sie wissen doch alle, daß unsere großen Schiffslinien durch den sogenannten Pool gebunden sind, der h jeder Kontrolle, vor allem der durch die Parlamente, entzieht. ch kann nicht recht begreifen, warum die Re⸗ gierung die Gelegenheit hat vorübergehen lassen, hier eine neue selbständige Linie zu schaffen von einem Hafen aus, der unser allergrößtes Interesse findet. Das einzige Mittel, die Fracht niedrig zu halten, ist die Konkurrenz. Ich komme also zu der An⸗ sicht, daß die preußische Regierung in diesem Falle nichts getan hat, was für diesen Nordseehafen hätte getan werden müssen. Die Be⸗ dentung der Schwesterstädte in allen Ehren, man kann auch Hamburg und Bremen ihr Vorgehen nicht verdenken; aber die Regierung hätte goß alledem dieses Machtmittel der eigenen Dampferlinien einem Hafen gfwähren sollen, dessen Zukunst wir alle gefördert haben. Diese eigene Linie wäre unter allen Umständen für die Ent⸗ wicklung Emdens von viel größerer Bedeutung gewesen, als es das Anlaufen der Dampfer der beiden großen Gesellschaften sein kann. Ich bitte deshalb die Regierung, für unsere Häfen, seien es die oder die Ostseehäfen, steis energisch einzutreten und daran zu den en, daß auch diese Häfen vorwärts kommen müssen.

Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow: Ich müßte meine ganzen Darlegungen wiederholen, wenn ich das,

was der Herr Vorredner gesagt hat, nochmals widerlegen wollte. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.) Meine Ausführungen gingen eben dahin und waren, wie ich glaube, doch einigermaßen beachtenswert —, daß Emden durch das getroffene Arrangement mehr Vorteil hat, da es mit mehreren Teilen der Welt in Verbindung gesetzt wird, und zwar mit Teilen, die für sein Hinterland wichtiger sind, als wenn die Konzession, wie sie die Deutsche Reederei nach⸗ gesucht hat und die für Emden nur Verbindungen nach Nordamerika schuf, genehmigt worden wäre. (Sehr richtig! bei den National⸗ liberalen.)

Nun hat der Herr Vorredner unter dem Beifall eines Teiles dieses Hauses gesagt, die Regierung solle doch nicht jede Konkurrenz ausschließen. Ja, das fällt der Regierung auch gar nicht ein. Ausgeschlossen ist die Konkurrenz auf dem Gebiete des Aus⸗ wandererwesens, und da muß und soll die Ausfuhr beschränkt werden, denn es ist ein wichtiges allgemeines, gesundheitliches und polizeiliches Interesse, daß das Auswandererwesen sich der staatlichen Ueberwachung möglichst leicht darbiete. (Abg. Cahensly: Sehr richtig!) Deshalb hat der Bundesrat seit dem Jahre 1898 keinen neuen Aus⸗ wanderungsunternehmer konzessioniert, und deshalb ist man in der Frage des Bedürfnisses zur Genehmigung neuer Unternehmer so vor⸗ sichtig. Ganz etwas Anderes ist es, wenn man einer bisherigen Ge⸗ sellschaft einen neuen Hafen gestattet. Da bleiben die Ueberwachungs⸗ stationen, die Kontrollstationen, die Registrierstationen, die Agenten überall dieselben; aber man schafft nicht einen neuen Wettbewerb zur Beförderung des Auswandererwesens. Deshalb folgt aus dem Um⸗ stande, daß diese beiden deutschen Linien die Genehmigung auch für Emden bekommen haben, in keiner Weise ein Anerkenntnis dafür, daß es nötig sei, einen neuen Auswanderungsunternehmer zu kon⸗ zessionieren.

Wenn nun der Herr Vorredner gemeint hat, die Linien seien zum Vormund von Emden gesetzt, so scheint mir dieses Gleichnis doch stark zu hinken. Meiner Auffassung nach ist vielmehr zwischen Emden und den Linien eine Interessengemeinschaft geschaffen, begründet schon dadurch, daß die Linien sehr große Aufwendungen für Emden werden machen müssen, da sie ihre Schiffe dort anlaufen lassen müssen, und infolgedessen auch ihrerseits ein Interesse haben, Emden zu fördern. Täten sie dieses nicht schon aus diesem Grunde, so ist durch die vertraglichen Bestimmungen, die Konventionalstrafe und das Schiedsgericht, die Möglichkeit gegeben, sie dazu zu nötigen.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

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Neichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeit b

Berlin, Donnerstag, den 12. Dezember

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Wenn nun der Herr Vorredner gesagt hat, durch die Konkurrenz

neuer Linien würde eine Frachtermäßigung geschaffen, so hat er sich

meines Erachtens selber widerlegt, weil er kurz darauf schilderte, wie

nach wenigen Kampfeswochen oder Monaten schließlich doch ein Aus⸗

gleich unter den Konkurrenten zustande zu kommen pflegt. (Sehr richtig! links.) Also damit ist schließlich garnichts geholfen.

Ich will nur noch ein Wort hinzufügen. Der Herr Vorredner sagte zu Anfang seiner Rede, ich hätte entgegen dem, was bisher bekannt gewesen wäre, ausgesprochen, die beiden deutschen Gesell⸗ schaften hätten gleichzeitig mit der Deutschen Reederei die Konzession nachgesucht. Das habe ich nicht behauptet, ich habe nur gesagt, daß die Gesuche gleichzeitig dem Bundesrat vorgelegen haben. Das Gesuch der Deutschen Reederei ist wie alle solche Gesuche den Bundesregierungen mitgeteilt, und natürlich haben die Regierungen von Hamburg und von Bremen ihre Gesellschaften darüber befragt. Das hat denn die beiden Gesellschaften veranlaßt, nun auch ihrerseits ein Gesuch einzureichen.

Im übrigen bleibe ich dabei, daß die Regierung das von dem Herrn Vorredner gewünschte Interesse für den Hafen Emden nicht besser bekunden konnte, als indem sie das Gesuch der Deutschen Reederei ablehnte und denen vom Norddeutschen Lloyd und der Hamburg⸗ Amerika⸗Linie unter den festgesetzten Bedingungen stattgab. (Bravo! links.)

Abg. von dem Hagen (FSentr.) Ich stimme in allen Punkten Herrn von Schuckmann bei. Es wäre zur Belebung und Aus⸗ nutzung des Emdener Hafens, den der Staat Preußen mit mehr als 80 Millionen Mark ausgebaut hat, wünschenswert gewesen, wenn möglichst viele Schiffe dort ihren Heimatshafen haben würden. Hierzu hätte die deutsche Reedereigesellschaft die Möglichkeit geboten. Die Konkurrenz ist nun tatsächlich ausgeschlossen, denn ohne den Passagierverkehr rentiert sich ein überseeischer Schiffsverkehr über⸗ haupt nicht.

Abg. Fürbringer (nl.): Sie würden es nicht verstehen, wenn ich als Abgeordneter von Emden⸗Norden hier nicht das Wort ergriffe. Zunächst danke ich der Regierung und dem ganzen Hause für das große Interesse, das sie stets dem Emdener Hafen gewidmet haben. Die Geschichte von Emden zeigt uns, wie viel es seit der Zeit des Großen Kurfürsten verloren hat; es ist eine Aufgabe der preußischen Regierung, der Stadt zu helfen. Durch den Auswandererverkehr haben Hamburg und Bremen große Vorteile gehabt. Die Kaufmann⸗ schaft von Emden hat sich bemüht, ein großes Auswandererunter⸗ nehmen zu schaffen; es war dazu natürlich eine kapitalkräftige Gesell⸗ schaft nötig. Hinter der Deutschen Reederei steht der Fürstenkonzern, der kapitalkräftig ist und nationale Grundsätze vertritt. Der Fürstenkonzern hatte die beste Absicht, es ist nur zu bedauern, daß die Regierung ihn nicht unterstützt hat. Die Stadt Emden wird ihm immer dankbar sein. Ich wurde es begrüßen, wenn der Fürstenbund sich durch die Ablehnung der Konzession nicht abschrecken ließe, neue transatlantische Linien von Emden aus zu schaffen. Es ist wenigstens erfreulich, daß der Auswandererverkehr der beiden Linien jetzt auch über Emden geführt werden soll, danach können wir einer besseren Zukunft entgegensehen.

Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Wir wollen nicht die preußischen Interessen den Reichsinteressen voranstellen. Zu den Interessen des Reichs gehört auch die Erhaltung der Kraft und Macht von Hamburg und Bremen. Aus diesem Gesichtspunkt heraus können wir uns unmöglich auf den Standpunkt stellen: eine eigene Linie ist besser, als das Anlauten einer fremden, also ist Emden unrecht ge⸗ schehen. Um einen Einblick in das Resultat der Verhandlungen zwischen der Regierung und der Hamburg⸗Amerika⸗Linie und dem

Norddeutschen Lloyd zu gewinnen, wäre es besser gewesen,

wenn die Regierung uns statt der mündlichen Mitteilungen

des Ministers etwas Schriftliches in die Hand gegeben hätte,

sodaß wir in der Lage gewesen wären, die Angelegenheit sachlicher zu prüfen. Die Schaffung einer neuen Linie hat

gewiß manche Vorteile. Dem gegenuüber steht aber die Frage: was kann man vom Fürstenkonzern erwarten? Man steht vor Faktoren, die ein schlüssiges Urteil darüber, daß das, was abgelehnt worden ist, das Beste gewesen wäre, nicht zulassen. Die Dankbarkeit, welche der Vertreter Emdens hier ausgedrückt hat, ist keineswegs un⸗ begründet. Sie kann sich auch auf das erstrecken, was schon für

Einden geschehen ist. In dem Bericht des Gesetzes über das Schlepp⸗ monopol hat der Minister kundgegeben, was alles er schon für

Emden geleistet hat. Der Staat hat allein in dem Emdener Hafen

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fast 40 Millionen investiert. Er hat für den Dortmund⸗Ems⸗Kanal,

der auch Emden zugute kommt, 83,5 Millionen ausgegeben. Sie sehen

also, für Emden ist gesorgt. Im Hinblick auf diese Zahlen muß ich

sehr bedauern, daß so wenig für Stettin getan wird. Allerdings hat der Staat im Jahre 1901 auch für Stettin 5 Millionen ausgegeben.

Aber diese 5 Millionen mußte der Stettiner Hafen wieder auf⸗ bringen durch die sog. Vertiefungsabgaben. Diese Vertiefungs⸗ abgaben haben bis heute etwa 10 bis 11 Millionen eingebracht, also weit mehr, als damals ausgegeben worden sind. Aber trotzdem

denkt heute kein Mensch in Stettin daran, diese Abgaben zu be⸗

seitigen. Die Hafenabgaben sind sechsmal so groß wie diejenigen in Emnen. Es ist endlich einmal an der Zeit, die Augen von links

nach rechts zu wenden.

Abg. Graf Molt ke (frkons.) bleibt auf der Tribüne vpöllig un⸗

verständlich.

Abg. von Schuckmann (kons.): Gegen den Vorwurf, daß h im Interesse des Fürstenkonzerns geredet hätte, lege ich Ver⸗ vahrung ein. Ich bin mit den Herren in keiner Weise verschwägert, ür uns kommen nur allgemeine Interessen in Frage. Wenn die

Regierung Bedenken gegen die Reedereigesellschaft hatte, so hätte sie

es nur zu sagen brauchen. Die Regierung sollte meines Erachtens

nicht jede Konkurrenz ausschließen. Miinister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow: Der Herr Vorredner hat sich darüber gewundert, daß ich auf seine Bemerkung nicht eingegangen sei, wonach die Hamburg⸗Amerika Linie und der Lloyd an der Auswandererbeförderung über Rotterdam wegen ihrer Beteiliaung an der Holland⸗Amerika⸗Linie ein Interesse haben. Der Herr Vorredner hat wohl nicht gehört, daß ich diesen Umstand in meinem einleitenden Vortrage ausführlich erörtert und daran die Bemerkung geknüpft habe, daß trotzdem die beiden Linien nach wie vor ein größeres Interesse haben, Auswanderer von Deutsch⸗ land aus zu befördern als von Holland, und daß die Poolverträge ner Herüberziehung des Auswandererverkehrs von Holland nach

Emden im Wege stehen.

Damit schließt die Debatte über die Emdener Frage.

Alsdann wird die allgemeine Debatte über § 1 fortgesetzt. Hierzu ist inzwischen ein neuer Antrag der Abgg. von Arnim Züsedom (kons.) und Freiherr von Zedlitz und Neukirch (frkons.) eingegangen, wonach der Verkehr auf dem Dortmund⸗Emshäfen⸗Kanal in den ersten 15 Jahren vom Schleppmonopol freibleiben soll. Nach Ablauf dieser Zeit, oder wenn eine zusammengefaßte mechanische Schleppeinrichtung ein⸗ geführt wird, die ein Nebeneinanderbestehen des staatlichen und des privaten Schleppzuges untunlich macht, soll durch Königliche der staatliche Schleppbetrieb eingeführt werden önnen.

Dazu beantragen die Abgg. Dr. von Campe und Hirsch⸗Essen (nl.) die Abänderung: „mit welcher ein Fort⸗ bestehen eines privaten Schleppzuges unvereinbar ist“. Der Antrag der Konservativen, der nur zehn Jahre vor⸗ sieht, ist zurückgezogen worden.

Abg. Schmedding (Zentr.) tritt unter großer Unruhe des noch einmal für den Antrag Herold ein, daß das staatliche

chleppmonopol auf dem Dortmund⸗Ems⸗Kanal erst nach 20 Jahren eingeführt werden kann. 1

Die Debatte wird geschlossen. 8 8 Abg. Lippmann (Volkep.) bemerkt persönlich, wenn der Abg. Leinert gestern seine Bemerkung: „Sie reizen den Eisenbahnminister an, seine Arbeiter immer noch mehr zu mißhandeln“ auf ihn selbst bezogen habe, so müsse er dagegen entschieden Verwahrung einlegen.

Abg. Leinert (Soz.) erwidert, daß er ganz allgemein ge⸗ sprochen, aber nicht den Abg. Lippmann persönlich gemeint habe.

In der Abstimmung wird nach Ablehnung aller übrigen Anträge der Antrag der Abgg. von Arnim und Freiherr von Zedlitz (Freilassung des Dortmund⸗Ems⸗Kanals für 15 Jahre) unverändert angenommen. Die übrigen Teile des § 1 werden in der Kommissionsfassung angenommen.

§8 2, nach dem Fahrzeuge mit eigener Triebkraft die dem Schleppmonopol unterliegenden Wasserstraßen nur mit be⸗ sonderer Genehmigung der Kanalverwaltung befahren dürfen, wird ohne Debatte angenommen.

§ 3 schreibt die Veröffentlichung der Tarife vor, nach denen der Schlepplohn zu entrichten ist.

Hierzu beantragen die Abgg. Borchardl (Soz.) und Ge⸗ nossen den Zusatz: „Nahrungsmittel (Getreide, Gemüse, Feld⸗ und Gartenfrüchte, Obst) und Futtermittel sind nach den niedrigsten Tarifsätzen zu befördern“, sowie einen ferneren Zu⸗ satz, wonach die Tarife nicht höher sein dürfen, als zur Deckung der Betriebs⸗ und Unterhaltungskosten und zur Verzinsung und Tilgung des Anlagekapitals erforderlich ist.

Abg. Leinert (Soz.): Wenn die Worte, die gegen die Ver⸗ teuerung gesprochen worden sind, nicht lediglich leere Worte sein sollen, dann müssen Sie das Schleppmonopol so ausgestalten, daß es lediglich den Verkehr fördert und nicht der Regierung als Mittel in die Hand gegeben wird, neue Einnahmen zu erzielen. Unser Antrag hat die Absicht, dem Monopol die agrarischen Giftzähne auszubrechen. Wenn die Lebensmittel zu den höchsten Tarifsätzen befördert werden, dann steht es fest, daß die Einnahmen für den Staat von den Volksnahrungsmitteln getragen werden müssen. Es ist unerhört, daß das Getreide teurer befördert werden soll als Kohle, Erz und dergl. Es ist merkwürdig, daß die Regierung die zu be⸗ fördernden Waren klassifiziert und die Frachtpreise nicht nach der Last, sondern nach dem Wert des Gutes bemessen will. Damit können wir uns keineswegs einverstanden erklären. Hier muß man vielmehr gegen eine Erschwerung der Lebenzhaltung ankämpfen, und wir haben alle Ursache, die gesetzlichen Bestimmungen, die eine Verteuerung herbeiführen können, dauernd zu beseitigen. Wenn Sie (zu den Kon⸗ servativen) kürzlich im Reichstag erklärt hatten, der Notstand unseres Volkes tue Ihnen außerordentlich leid, dann bietet sich hier bei dieser Vorlage Gelegenheit, entsprechende Maßnahmen zu treffen, um eine Verteuerung zu verhindern. Die Portemonnaie⸗ interessen der Großgrundbesitzer spielen bei uns keine Rolle. Für uns ist die wichtigste Aufgabe, daß wir der arbeitenden Be⸗ völkerung das Brot nicht verteuern. Der Minister hat neulich gesagt, das Volk müsse sich mehr an Gemüse gewöhnen. Das ist aber nicht recht denkbar, wenn Sie durch das Schleppmonopol die Preise des aus Holland einzuführenden Gemüses erhöhen. Wir verlangen, daß auch die Futtermittel billiger befördert werden. Das liegt im Interesse der kleinen Bauern. Wir wollen auch damit erreichen, daß durch die Verbilligung der Futtermittel die Fleischpreise herabgesetzt werden. Hier bei dieser Vorlage können Sie zeigen, daß Ihnen das Wohl der kleinen Bauern wirklich am Herzen liegt. Hier haben Sie Gelegenheit, das Volk zufriedener zu machen. Im Reichstag wurde bei Beratung der Schiffahrtsabgaben darauf hingewiesen, daß der Antrag der Sozialdemokraten, Nahrungsmittel billiger zu verfrachten, eigentlich durchaus nicht realisierbar sei, da auch Wein, Kaviar und dergl. Nahrungsmittel sind, und im Interesse der reichen Leute könne man doch die Tarife nicht so niedriag setzen. Das wollen wir auch nicht. Wir haben hier ausdrücklich die Nahrungsmittel angeführt, für die wir eine Verbilligung wünschen. Mit derartigen Einwendungen können Sie also nicht kommen.

Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): So sympathisch meine Freunde den Ausführungen des Vorredners gegenüberstehen, so wenig haben sie zu bedeuten. Der Vorredner hat sich vielleicht nicht klar⸗ gemacht, daß das, was er verlangt, auf die Tonne Nahrungsmittel etwa 11 & ausmacht. Eine Erleichterung ist es ja vielleicht, aber doch nur eine ganz kleine. Immerhin sind wir für jede Erleichterung zu haben und werden deshalb dem Antrag zustimmen.

§ 3 wird unter Ablehnung der Anträge unverändert an⸗ genommen. 5

§ 4, welcher den Erlaß einer Schleppordnung durch den Minister vorschreibt, wird ohne Debatte angenommen.

§ 5 ermächtigt die Regierung, für die Einrichtung des Schleppbetriebes 9,9 Millionen Mark zu verwenden.

Die Abgg. Borchardt (Soz.) und Gen. beantragen folgenden Zusatz:

„Den Arbeitern, Angestellten und sonstigen Bediensteten der privaten Schleppbetriebe ist der durch die Einführung des Schlepp⸗ monopols entstehende Schaden zu ersetzen. Die Hohe der Ent⸗ schädigung wird durch ein besonderes Gesetz festgestellt.“

Abg. Leinert (Soz.): Wenn Sie erklaren, daß das Schlepp monopol auf dem Dortmund⸗Ems Kanal jetzt noch nicht eingeführt wird, also eine Schädigung der Arbeiter und Angestellten nicht ein⸗ treten kann, dann schadet es doch nichts, wenn diese Bestimmung trotzdem aufgenommen wird, weil man es nicht wissen kann, ob eine Schädigung nicht etwa entstehen kann. Ich bitte also, unseren Antrag anmnehmen.

Ae Dr. von Campe (nl.). Dem Gedanken selbst stehe ich durchaus syinpathisch gegenüber. Aber die Sache hat offenbar ibre

Schwierigkeiten. Wir müssen uns damit begnügen, daß wir die ganze

Frage einem späteren Gesetz vorbehalten. Ich bitte also, diesen Antrag abzulehnen.

Abg. Leinert (Soz.): Es handelt sich hier wirklich nicht um eine Schädigung von Arbeitern, die vielleicht einmal später, wenn das Monopol auf dem Dortmund⸗Ems⸗Kanal eingeführt wird, ent⸗ steht, sondern um eine Schädigung, die entstehen kann durch die Uebernahme von Schleppschiffen seitens des Staates.

Abg. Dr. von Campe (nl.): Eine Entschädigung soll gewährt werden, wenn der Sraat das Monopol einführt. Das muß man als eine sittliche und moralische Pflicht des Staates anerkennen. Aber schon vor Einführung des Monopols anerkennen, daß eine Ent⸗ schädigungspflicht des Staates den betreffenden Arbeitern gegenüber besteht, das ist wohl nicht gut möglich. Der Fall liegt ähnlich, wie wenn ein Privatunternehmer sein Geschaft verkauft. Dann k selbstverständlich ein Arbeiter und Bediensteter in eine üble Lag kommen. Man kann doch aber den Käufer nicht für verpflichte halten, daß er die davon Betroffenen entschädigt. Das ist Sache freier Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer. Aber im Gesetz auszusprechen, der Käufer sei verpflichtet, in einem solchen Falle Ent schädigung zu zahlen, das wäre ein Ausnahmegesetz schlimmster Sorte und Ausnahmegesetze wollen Sie (zu den Sozialdemokraten) doch nicht

Abg. Leinert (Sez.): Dieser letzten Bemerkung des Vor⸗ redners muß ich widersprechen. Ein Ausnahmegesetz wäre es nur dann, wenn ausnahmsweise den Arbeitern einmal ihr Recht würde.

Abg. Dr. von Campe (nl.): Es ist ausschließlich die Rede davon, daß, wenn das Monopol eingeführt wird, nach dem vor⸗ gesehenen Gesetz eine Entschädigung gewährt werden soll. Ich kann durchaus billigen, was im Reichstage über die Entschädigung bezüglich des Petroleummonopols gesagt worden ist. Wir stehen dafür ein, daß den Angestellten und Arbeitern ihr Recht wird, dafür werden wir viel besser sorgen, als Sie (zu den Sozialdemokraten).

§ 5 wird unter Ablehnung des sozialdemokratischen An⸗

trags unverändert angenommen.

Der Rest des Gesetzes wird ohne Debatte angenommen.

Die folgende, von der Kommission beantragte Resolution wird gleichfalls angenommen:

„die Königliche Staatsregierung im Hinblick darauf, daß der Verholverkehr innerhalb der Häfen, die an einer Schleuse in zwei Kanalhaltungen liegen, den Schleppgebühren des § 1 unterworfen ist, zu ersuchen, auf die hieraus sich ergebenden Härten bei der Tarifierung der Schleppgebühren für den Verholverkehr solcher Häfen Rücksicht zu nehmen“.

Die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen werden für erledigt erklärt.

In dritter Beratung werden dann der Entwurf eines Entwässerungsgesetzes für das linksnieder rheinische Industriegebiet und der von den Frei konservativen beantragte Gesetzentwurf zur Ab änderung der Kreisordnungen, der den Gesell⸗ schaften m. b. H. das Kreistagswahlrecht gibt, ohne Debatte angenommen.

Es folgt der Bericht der Unterrichtskommission über den Antrag des Abg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (nl.):

„die Regierung um die Vorlegung eines Gesetzentwurfs zu ersuchen, durch den für den Umfang der Monarchie a. die Dauer der Schulpflicht nach einheitlichen Gesichtspunkten, jedoch unter Berücksichtigung berecht gter Sonderverhältnisse der einzelnen Landes⸗ teile, geregelt wird, b. einheitliche Bestimmungen über die Folgen der ungerechtfertigten Schulversäumnis, die Voraussetzungen ihrer Strafbarkeit, den Kreis der verantwortlichen Personen, die Art und Höhe der Strafen und das Strafverfahren getroffen werden“.

Die Kommission beantragt die Annahme des Antrages.

Abg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (nl.): Mein Antrag ist schon bei früheren Beratungen eingehend begründet worden, sodaß ich darauf verweisen kann. Es bestehen auf diesem Gebiete, namentlich in bezug auf die Bestrafung der Schulversäumnisse, die aller⸗ verschiedensten Verbältnisse in den einzelnen Landesteilen; und be⸗ sonders ist die Praris in dem Beginn und in der Beendigung der Schulzeit in Schleswig⸗Holstein sehr verschieden. In dem Gesetz muß bestimmt werden, ob für die Bestrafung der Schulversäumnisse ein gerichtliches Verfahren oder ein Verwaltungsverfahren erforderlich ist. Das Zentrum ist in der Kommission zwar gegen meinen Antrag gewesen, aber es hat doch die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung anerkannt. Mein Antrag will nur eine Anregung zur Ordnung dieser schwierigen Materie geben, und ich hoffe deshalb, daß er angenommen werden wird.

Abg. Heckenroth (konf.): Wir stimmen dem Antrage zu, wenn wir auch nicht verkennen, daß seine Durchführung auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen wird. 1 1

Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.): Der Antrag gibt keine Klar⸗ heit über die Sonderverhältnisse der einzelnen Landesteile und darüber, wie sie beruͤcksichtigt werden sollen. Er macht auch den Begriff der Strafbarkeit nicht klar und gibt für die beiden wichtigen Fragen des Ersatzunterrichts und des Religionsunterrichts der Dissidenten⸗ kinder keinerlei Richtlinien an. Wir können deshalb dem Antrage nicht zustimmen.

Abg. Hoff (fortschr. Volksp.): Wir stimmen dem Antrag zu. Es ist sehr wohl möglich, die Fragen der Schulpflicht und der Schul⸗ versäumnis allein für sich zu regeln, ohne die Fragen des Ersatz⸗ unterrichts und des Religionsunterrichts der Dissidentenkinder hinein⸗ zuziehen. 8 b

Abg. Borchardt (Soz.): Der Antrag gefällt uns nicht ganz, denn er will zwar eine einheitliche Regelung, laßt aber doch die rücksichtigung von Sonderverhäaltnissen zu. Es ist dabei besonders an die Verhältnisse in Schleswig⸗Holstein gedacht. Wir bedauern, das die Antragsteller diesen Passus nicht fortgelassen haben, werden aber füuͤr den Antrag stimmen, damit das Haus mit möglichst großer Mehr⸗ heit die Regierung auffordert, diese Fragen zu regeln.

Der Antrag wird mit großer Mehrheit angenommen.

Es folgt der Bericht der Agrarkommission über den An⸗ trag der Abgg. Aronsohn ffortschr. Volksp.) u. Gen., die

Regierung um Vorlegung eines Gesetzentwurfs zum Schutze der innerhalb der preußischen Monarchie vorhandenen Natur⸗

denkmäler zu ersuchen.

Die Kommission beantragt die Annahme folgender

Tassung: die Regierung zu ersuchen, auf einen vermehrten Schutz der Naturdenkmäler in geeigneter Weise Bedacht 3 nehmen. 8

Abg. von Wenden k(kons.): Der Schutz aller Herrkichkerten der Natur ist eine heilige Aufgade des Staates. Ich munde mich frenen, wenn es der Weisheit der Regierung gelingen mürde, rin Gesetz zum dauernden Schutz der Naturdenkmäler auczuarbeiten. Wenn diese Sache so einfach wäre dann bätte die Regienang schou cinen Gesetzentwurf eingebracht. Die Regierung sollte jedenfalls mit Atem Rat allen Bestrebungen zum Schutz der Naturdenkmaler zar Seite steben und selbst mit gutem Beispiel voragehen. Die Nevierung konnte z. B. dezuglich des Lockaitztaltes 1bren aunten Bienn 8.

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