1912 / 304 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Dec 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Dr. Alfred Salomon, Daniel Feilchenfeld, Dr. Wrede und Martin Seligsohn in Berlin, Dr. Hugo Fischer in Charlottenburg; im Oberlandesgerichts bezirke Cassel: dem Rechtsanwalt Wolff in Marburg; 1 im Oberlandesgerichtsbezirke Celle: dem Rechtsanwalt und Notar Bahrdt in Münden (Hann.), dem Rechtsanwalt Hausmann in Stade; im Oberlan des gerichtsbezirk Cöln: den Rechtsanwälten Falk und Pflaum in Cöln, Lanser in Saarbrücken; im Oberlandesgerichtsbezirke Düsseldorf: den Rechtsanwälten Dr. Prüßmann in Remscheid, Alfermann in Barmen, Günther in Elberfeld, Minken⸗ berg in Solingen, Dr. Biesenbach in Düsseldorf, dem Notar Bruckhaus in Düsseldorf; im Oberlandesgerichtsbezirke Frankfurt a. M.: dem Rechtsanwalt Buchka in Frankfurt a. M.; 1“ im Oberlandesgerichtsbezirke Hamm: dem Rechtsanwalt und Notar Dr. Brader in Bünd im Oberlandesgerichtsbezirke Kiel: dem Rechtsanwalt und Notar Stahn in Kiel; im Oberlandesgerichts bezir ke Königsberg i. Pr.: dem Rechtsanwalt und Notar Oskierski in Lyck; im Oberlandesgerichtsbezirke Naumburg a. S.: den Rechtsanwälten und Notaren Sander in Wernige⸗ rode und Wirth in Artern; im Oberlandesgerichtsbezirke Stettin: dem Rechtsanwalt Ernst Sachse in Köslin. .

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Ministerium für Handel und Gewerbe.

Bei dem Knappschaftsschiedsgericht in Breslau ist der juristische Hilfsarbeiter bei dem Königlichen Oberbergamt in Brealun, Gerichtsassessor Janske vom 1. Januar 1913 ab zum stellvertretenden Vorsitzenden ernannt worden.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. 8

Der städtische Garteninspektor Arthur Glogau in Hannover ist mit Wirkung vom 1. April 1913 ab zum etatsmäßigen Fachlehrer für Gartenbau an der Königlichen Lehranstalt für Wein⸗, Obst⸗ und Gartenbau zu Geisenheim ernannt worden.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 23. Dezember 1912. Seine Majestät der Kaiser und König hörten heu vormittag im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Finanzministers Dr. Lentze und des Chefs des Zivilkabinetts, Wirkli en Geheimen Rates von Valentini.

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1 In der am 21. d. M. unter dem Vorsitz des Staats⸗ sekretärs des Reichspostamts, Wirklichen Geheimen Rats Kraet ke abgehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde dem Entwurf einer Prüfungsordnung für Tierärzte die Zustimmung erteilt. Zur Annahme gelangten ferner der Entwurf einer Bekanntmachung über die Berechnung des Kapitalwerts der nach Maßgabe der §§5 616, 617 der Reichs⸗ versicherungsordnung gewährten Abfindungen für Unfall⸗ renten, die Vorlage, betreffend Ausführungsbestimmungen nach § 395 des Versicherungsgesetzes für Angestellte, der Ent⸗ wurf von Bestimmungen, betreffend die Statistik der Produktion der bergbaulichen Betriebe, die Vorlage, betreffend Ergänzung der Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über den Absatz von Kalisalzen, und die Vorlage, betreffend Entwurf einer Eisen⸗ bahnzollordnung. Demnächst wurden verschiedene Wahlen voll⸗ zogen und eae eine Reihe von Eingaben Beschlüsse gefaßt.

1“““ Söe 11“

Der Präsident der Preußischen Centralgenossenschaftskasse, irkliche Geheime 1“ Dr. Heiligenstadt, ist mit mehrm igem Urlaub nach Bayern abgereist.

Bayermn.

Im Thronsaal der Königlichen Residenz hat vorgestern nachmittag die feierliche Eidesleistung Seiner König⸗ lichen Hoheit des Prinz⸗Regenten Ludwig in Gegen⸗ wart der Prinzen des Königlichen Hauses, des Gesamt⸗ ministeriums, der Mitglieder beider Kammern einschließlich der sozialdemokratischen Fraktion, der obersten Hofchargen sowie von Abordnungen der Militär⸗ und Zivilbehörden und der Geist⸗ lichkeit stattgefunden. Auf den Tribünen hatten die Prinzessinnen des Königlichen Hauses sowie die Mit⸗ glieder des diplomatischen Korps Platz genommen. Wie „W. T. B.“ meldet, verlas der Justizminister die Eides⸗ formel, worauf der Regent unter Erhebung der rechten Hand mit den Worten: „Ich schwöre“ den Eid auf die Verfassung leistete. Nach Ablegung des Eides und nach einem von dem Präsidenten der Kammer der Reichsräte Grafen Fugger von Glött ausgebrachten und begeistert aufgenommenen Hoch auf Seine Königliche Hoheit den Prinz⸗Regenten verließ dieser unter dem gleichen feierlichen Zeremoniell wie beim Eintritt den Thronsaal, nachdem er zuvor noch das Präsidium der beiden Kammern in ein längeres Gespräch gezogen hatte. Die Hof⸗ und Landestrauer war bei diesem feierlichen Akt nicht abgelegt worden. 1

Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent

at, wie die „Korrespondenz Hoffmann“ meldet, an den Vor⸗ sitzenden im Ministerrat nachstehendes Allerhöchstes Hand⸗ chreiben gerichtet: 3

Mein lieber Staatsminister Freiherr von Hertling.

Geleitet von Seiner Majestät dem Kaiser und den deutschen Bundesfürsten, den Abgesandten der freien Städte und zahlrei Vertretern fremder Staaten, unter ergreifenden Kundgebungen der Liebe und Treue aus dem ganzen Lande ist Mein hochseliger Herr Vater weiland Seine Königliche Hoheit Prinz⸗Regent Luitpold zu Grabe getragen worden. Vertreter der gesetzgebenden Körper⸗

schaften des Reichs haben vereint mit den Kammern des bayerischen Landtages durch ihre Teilnahme an der Trauerfeier bekundet, welch' hohe Verehrung dem entschlafenen Fürsten im weiteren und im engeren Vaterlande dargebracht worden ist. Bewegten Herzens schaue Ich auf die schweren Tage zurück, welche Gott Mir und dem Königlichen 8 auferlegt hat. Die innige Teilnahme, die das ganze Land ohne Unterschied der Parteien und Stände Meinem Schmerze bezeugt hat, gewährt Mir das Gefühl lindernden Trostes. Mit warmem Dank gedenke Ich aller, die aus Nah und Fern Mir in dieser Zeit der Prüfung beigestanden sind und die durch die Einmütigkeit ihrer Trauer vor der ganzen Welt Zeugnis für das schöne Verhältnis abgelegt haben, das Fürst und Volk in Bayern seit Jahrhunderten verbindet. Aus der Ueberzeugung von der Innigkeit dieses Verhältnisses schöpfe Ich in vertrauensvollem Auf⸗ blick zu Gottes gnädiger Führung die Kraft, das Erbe des Friedens und der Gerechtigkeit, das Mein in Gott ruhender Herr Vater hinterlassen hat, in Treue zu verwalten. Ich handle in diesem Sinne, wenn Ich im Hinblick auf die Bewegung, die wegen der Regentschaftsfrage durch das Land geht, es als Meinen be⸗ stimmten Wunsch bezeichne, daß zurzeit von irgendwelchen Maß⸗ nahmen zur Beendigung der Regentschaft abgesehen werden wolle. Es ist Mir jedoch Bedürfnis des Herzens, für die Beweise loyaler Gesinnung und treuer Ergebenheit, wie 15 bei Erörterung dieser Frage allseitig zu Tage getreten sind, Meinen innigen Dank zu entbieten. Ich ersuche Sie, dies zur Kenntnis des Landes zu bringen.

Mit huldvollsten Gesinnungen verbleibe Ich Ihr wohlgeneigter

8 Ludwig, Prinz⸗Regent von Bayern

Mlünchen, den 22. Dezember 1912.

Württemberg. Der Staatsminister des Innern Dr. von Pischek ist seinem Ansuchen entsprechend unter Anerkennung seiner lang⸗ jährigen treuen und ausgezeichneten Dienste in den Ruhestand versetzt worden. Der Staatsminister des Kirchen⸗ und Schul⸗ wesens von Fleischhauer ist, wie der „Staatsanzeiger für Württemberg“ meldet, zum Staatsminister des Innern und der Präsident des evangelischen Konsistoriums von Haber⸗ maas zum Staatsminister des Kirchen⸗ und Schulwesens ernannt worden. Reuß j. L.

Der Landta 8 hat vorgestern, wie „W. T. B.“ meldet, in namentlicher Abstimmung gegen die Stimmen der Sozial⸗ demokraten das neue Wahlrecht in dritter Lesung an⸗ genommen und sich hierauf bis zum März 1913 vertagt.

b 8

Oesterreich⸗Ungarn.

Der frühere Kriegsminister von Auffenberg ist, Blättermeldungen zufolge, zum Armeeinspektor und der frühere Chef des Generalstabes Schemuag zum Kommandeur des 16. Korps in Ragusa ernannt worden. 1

Das österreichische Herrenhaus hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ vorgestern das Krigsleistungs⸗ gesetz einstimmig en bloc angenommen.

Der Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses hat vorgestern ein sechsmonatiges Budgetprovisorium an⸗ genommen.

Im Laufe der Beratung erklärte, obiger Quelle zufolge, der Abg. Wassilko namens des ukrainischen Verbandes, da die ruthenisch⸗ polnischen Verhandlungen in ein ernstes Stadium getreten seien, stellten die Ruthenen ihre als Einspruch gegen die fortwährende Ver⸗ schleppung der ruthenischen Universitätsfrage beobachtete Taktik vorläufig im Ausschusse ein, ohne damit ihre Haltung im Plenum festzulegen, die vom Ergebnisse dieser Verhandlungen abhängig bleibe.

Großbritannien und Irland.

Der König Georg hat vorgestern im Weißen Saale des Buckinghampalastes in Gegenwart des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts Sir Edward Grey die Friedens⸗ delegierten und ferner in fast einstündiger Audienz den Admiral Bridgeman empfangen, der kürzlich vom Amte eines Ersten Seelords zurückgetreten ist. 8

Von der Friedenskonferenz, in der vorgestern der montenegrinische Delegierte Miuskowitsch den Vorsitz führte, ist laut Meldung des „W. T. B.“ das folgende offizielle Communiqué ausgegeben worden:

Die türkischen Vertreter forderten, wenn sie auch mit Griechen⸗ land in Verhandlungen eintreten sollten, die Verproviantierung Adrianopels, wozu die Vertreter der Verbündeten bemerkten, daß diese Frage schon durch den Waffenstillstand geregelt worden sei und daher außerhalb der Befugnisse der Konferenz liege. Die türkischen Vertreter erklärten Eb daß sie gegenüber dieser neuen Lage

ihre Regierung berichten müßten.

Frankreich.

Ministerpräsident Poincaré vorgestern über die allge⸗ meinen Richtlinien der französischen Politik, nachdem er dargelegt hatte, daß es unmöglich sei, Einzelheiten über die Besprechungen zwischen den Kriegführenden und zwischen den Bolschastere zu veröffentlichen, und daß es unangebracht sei, sich zu den Vorfällen vor dem Kriege, während des Krieges und nach dem Kriege zu äußern. Laut Bericht des „W. T. B.“ führte er aus: 1

Die französische Politik fufe überlieferungsgemäß auf der Unverletz⸗ lichkeit des türkischen Reichs in Europa und Asien. Dech die Forderungen der jungen unternehmenden Nationen, die Irrtümer der türkischen Ver⸗ waltung und die Schwächen des Berliner Vertrags hätten unvermeid⸗ lich zu einem Wechsel geführt. Nach einem Ueberblick über die Wand⸗ lungen der Balkankrise fuhr Poincaré fort: Wäre zu einer friedlichen Lösung nur eine einzige Möglichkeit unter tausenden gewesen, so würde die Regierung die gebieterischste ihrer moralischen Ver⸗ pflichtungen nicht beachtet haben, wenn sie nicht alle Anstrengungen gemacht hätte, die Balkanvölker von einem moörderischen Kriege abzuhalten. Poincaré erinnerte weiter an seine Anstrengungen und an das ständige Einvernehmen zwischen Frankreich, Rußland und England, die sich alle drei bemühten, das gemeinsame Konzert der europäischen Großmächte vorzubereiten, und sagte dann: „Ich halte es für überflüssig, zu sagen, daß wir es als unsere elemen⸗ tarste Pflicht betrachten, unseren Verbündeten tatkräftige und wirksame Freundschaft zu beweisen. Unser Zusammen⸗ arbeiten, das sich auf alle Einzelheiten erstreckte, ist be⸗ sonders erleichtert worden durch die klarsehende Mäßigung, von der Kokowtzow soeben noch einen unzweifelhaften Beweis gegeben hat. Unsere Verbindungen mit England waren niemals vertrauensvoller und enger. Ein Teil der öffentlichen Meinung Frankreichs hat, wie es scheint, aus gewissen Umständen die Befürchtung hergeleitet, daß die britische Regierung in ihren Beziehungen zu den anderen Mächten eine Politik verfolge, die nicht völlig in Einklong stand mit unserer Aufrichtigkeit. Die Haltung der englischen Regierung erlaubte uns nicht, diese Befürchtung zu teilen. Der Staatssekretär Grey legte nicht weniger Wert darauf, aus eigner Entschließung zu erklären, daß diese Befürchtungen nichts Begründetes hätten. Wir beobachten also

In der Deputiertenkammer verbreitete sich der

mit unseren Verbündeten und Freunden.“ Poinenré gab sodann einen geschichtlichen Rückblick über die Bemühungen der Tripleentente, zu all⸗ gemeinen europäischen Verhandlungen zu kommen und erklärte, daß keiner der Versuche, an denen Frankreich sich betetligt hätte, ohne vorherige Ver⸗ ständigung mit England und Rußland unternommen worden sei. Der Ministerpräsident fuhr fort: „Der Versuch, den status quo aufrecht zu erhalten, war nicht umsonst, da diese Initiative Frankreich allen Mächten Europas in derselben friedlichen Absicht näber brachte. Kein Balkanstaat hat die Tragweite der Desinteressementsklausel verkannt, alle waren uns dankbar dafür. Keiner dachte, daß Frankreich, Eng⸗ land und Rußland ihre Interessen auf dem Balkan preisgaben. Frankreich gibt seine Interessen, die ich vor der Kommission für die auswärtigen Angelegenheiten aufgerollt habe, nicht auf, wir werden nicht daran rühren lassen. Ich bin berechtigt, zu sagen, daß seit Anfang November Frankreich offiziell davon verständigt war, daß Oesterreich⸗ Ungarn keine Gebietserweiterungen erstrebe. Das Wiener Kabinett hat hinzugefügt, daß die Wünsche, die von ihm betreffs gewisser vor⸗ aussichtlich eintretender Aenderungen geäußert worden seien, keinesfalls solcher Natur wären, daß sie die politische und ökonomische Un⸗ abhängigkeit der Balkanstaaten, insbesondere die Serbiens, gefährden könnten. Diese Erklärungen werden Europa mehr Kraft geben, wenn es bei der endgültigen Regelung, die, wie ich wünsche, nahe ist, zu vermitteln haben wird. Die Mächte taten viel, als sie sich entschlossen, nicht Sondergesichts⸗ punkte vorwalten zu lassen durch Ergreifen von Sandermaßnahmen.“ Der Minister lobte dann die glückliche Initiative Englands zu einer Botschafterkonferenz. Obschon diese keine entscheidenden Vollmachten habe, werde sie zulassen, daß man schneller zu einer Lösung komme, wenn man die Verbindung zwischen den Mächten sicher⸗ stelle. Die Arbeit der Botschafter habe sich als für Europa sehr nützlich erwiesen. Die Botschafter glaubten, daß es ihnen geglückt sei, einen der Hauptgründe zur Un⸗ einigkeit Europas zu beseitigen. Poincaré erinnerte sodann an den dieser Konferenz über ein autonomes Albanien und einen freien kommerziellen Zugang nach der Adria für Serbien und erklärte: „Ich kann, glaube ich, versichern, daß Serbien sich diesem Gesichtspunkt anschließen wird. Es ist selbstverständlich, daß die Autonomie Albaniens, die unter der Souveränität oder vielmehr unter der Suzeränität des Sultans errichtet wird, von allen Mächten einschließlich Frankreich kontrolliert werden wird. Es ist auch selbft⸗ verständlich, daß der für Serbien auf albanesischem Gebiet offene Hafen frei und neutral sein wird. Er wird an eine inter⸗ nationale Eisenhbahn angeschlossen werden, die ebenso unter euro⸗ päischer Kontrolle steht, mit der Freiheit des Transits für alle Waren einschließlich Kriegsmunition. Serbien wird außerdem den Vorteil der Zollfreiheit haben. Wir werden uns bemühen, diese Frage möglichst günstig für Serbien zu gestalten und ihm unumgängliche Bürgschaften sichern. Denn es liegt im Interesse des europäischen Friedens, daß man Serbien, wenn man von ihm das Opfer verlangt, daß es einen Teil seiner Ansprüche aufgibt, nicht die Möglichkeit zu leben und zu atmen verweigert. Es ist dies eine Hauptfrage, die ent⸗ schieden zu sein scheint. Es bleibt namentlich noch über die heikle Frage der Grenzen Albaniens zu beschließen. Viele andere Lösungen hängen überdies ab von den Ergebnissen der Verhandlungen der Kriegführenden, deren Ausgang man leider unmöglich kennen kann. Die an den Verhand⸗ lungen teilnehmenden Diplomaten, die ich gesprochen habe, sind entschlossen, die Idee des Friedens zu unterstützen, aber ebenso sehr die Ansichten ihrer Länder zu vertreten. Die Vertreter der ver⸗ bündeten Balkanstaaten erfassen in wunderbarer Weise die Kraft, die ihnen die Einigkeit des Balkanbundes gibt. Sie sind entschlossen, die Autorität, die sie sich mit den Waffen Seite an Seite auf dem Schlachtfelde errungen haben, nicht durch ärzerliche Un⸗ stimmigkeiten herabsetzen zu lassen. Wenn es unglücklicherweise zu einem Bruch käme, so würde damit die Rolle Eurovpas nicht beendet sein. Eusuropa könnte gegenüber einer Wieder⸗ aufnahme der Feindseligkeiten nicht unempfindlich bleiben, die diesmal vielleicht mehr als je den Brandherd vergrößern könnte.“ ö erklärte weiter, Europa werde wahrscheinlich auf die erste

ee der Vermittlung zurückkommen. In jedem Fall werde Frank⸗ reich fortfahren, die Bemühungen der Mächte um den Frieden mit aller Kraft zu unterstützen und nötigenfalls herbeizuführen. So sehr Frankreich aber füeclüßen Absichten geneigt sei und so sehr es erneute Beweise hiervon gegeben habe, so sehr sei es fest entschlossen, ohne Schwäche seine Interessen und Rechte zu verteidigen, die großen Ueberlieferungen im Orient aufrechtzuerhalten und vor allem jene große unantastbare und heilige Sache zu schirmen, die nationale Ehre genannt werde.

Das Exposé wurde von allen Parteien mit Ausnahme der äußersten Linken mit lebhaftem Beifall aufgenommen.

Der Sozialist Vaillant erklärte, ein Krieg würde zur Kom⸗ mune im ganzen Lande führen. Der Präsident Deschanel erwiderte, im Falle eines europäischen Krieges werde ganz Frankreich seine Pflicht tun. Der Abg. Jaurss sagte, er sei erfreut über die Bemühungen Poincarés zugunsten des Friedens, sprach ö seine Anerkennung aus und erklärte sich befriedigt über den Verlauf der Botschafter⸗ konferenz. Der Radikale Francois Deloncle beglückwünschte den Ministerpräsidenten zu der Rede und der Energie seiner Politik. Der Redner erkannte sodann die loyale Haltung des Grafen Berchtold an und fuhr fort: in Europa gebe es einen Mann, dessen Friedensliebe eine feste Bürgschaft für die Aufrechterhaltung des Friedens bilde: Das sei der Deutsche Kaiser. Was Albanien anlange, so freue er sich, daß diesem Lande, das er aus eigener Anschauung kenne, die Autonomie gewährt werde, und daß der erste, der diesen Gedanken gehabt habe, Poincaré gewesen sei. Er schloß mit der Erklärung, daß Frankreich an seinem Bündnis und seinen Ententen treu festhalten müsse, daß es sich aber die Freiheit wahren müsse, auch mit anderen Nationen herzliche Beziehungen zu unterhalten.

Die Kammer bewilligte mit 435 gegen 138 Stimmen zwei provisorische Budgetzwölftel.

Im Senat, der in der vorgestrigen Sitzung dem von der Kammer bereits angenommenen Gesetzentwurf über die Reorganisation der Infanteriecadres die Zustimmung erteilte, gab der Ministerpräsident Poincaré ebenfalls Erklärungen über die auswärtige Lage ab, über die folgende amtliche Zusammenfassung veröffentlicht wird:

Trotz der großen Zurückhaltung, an die ich über die mit den Kabinetten

epflogenen Unterredungen gehalten bin, kann ich von unseren Ab⸗ söhte und Methoden und von den erzielten Ergebnissen sprechen.

ir wollten der Entwicklung der Balkankrise nicht als Zuschauer beiwohnen, das war unsere Pflicht wegen unserer Verbündeten, unserer Interessen im Orient und unserer Weltstellung als Großmacht. ir hielten dafür, da eine Politik der Passi⸗ vität unseres Landes unwürdig ist. Frankreich darf an keinem Orte und zu keiner Zeit fehlen. Wir wollten, daß Frank⸗ reich seinen Verbündeten und Freunden eng angeschlossen bliebe. Die Kraft unseres Bündnisses hängt nicht bloß von den geschlossenen Ver⸗ trägen, sondern von dem Vertrauen ab, das zwischen den Verbündeten berrscht, die das Recht haben, unter den gegenwärtigen schwierigen Umständen aufeinander zu zählen. Rußland kann an unserer Mit⸗ wirkung nicht zweifeln, ebenso wenig wie wir an der seinigen zweifeln. Unsere Entente mit England findet täglich ihre Bestäligung durch Tatsachen. Wir fuhren mit unseren Freunden und Verbündeten in unserer friedlichen Aktion fort, ohne indessen außerhalb anderer Mächte handeln zu wollen. Wir gehörten zu den ersien, die die Notwendigkeit allgemeiner Unterredungen zur Ver⸗ meidung gefährlicher Initiativen anerkannten. Wir wohnen sehr wichtigen Ereignissen bei. Die seit so langer Zeit offene Orientfrage ist im Begriff, von der Macht der Tatsachen in einem Sinne geregelt zu werden, der aufs beste den französischen Ideen entspricht. Es ist eine große Sache, daß der Balkangedanke, der so seh. der Traum vieler Staatsmänner war, Wirklichkeit geworden ist. Die Völker er⸗

den Gang der Ereignisse in voller Uebereinstimmung der Ansichten

hoben sich im Namen der Gerechtigkeit und der Freiheit. Frankreich

kommission, beste

konnte ihrem Werke nur mit Sympathie gegenüberstehen. Der Balkan

den Serben, Bulgaren, Montenegrinern und Griechen, das ist die

Lösung, die am meisten Gewähr für Dauer und Stetigkeit

bietet. Es besteht Uebereinstimmung über die Autonomie Albaniens, und darüber, daß Serbien einen Freihafen an der Adria erhalten soll. Wenn der Friede unterzeichnet sein wird, sei es durch eine

Entente der Friedensbevollmächtigten, sei es auf den Rat der Großmächte hin, so wird er auf festen Grundlagen ruhen und den Balkanstaaten erlauben. sich zu entfalten. Die Türkei wird ein beträchtliches Reich behalten, sie wird fort⸗ fahren können, mit uns in guter Harmonie zu leben. Wir haben ihr gegenüber die gewissenhafteste Neutralität beobachtet. Sie wird klug daran tun, wenn sie auf die Wünsche der Völkerschaften hört, die ihr untertan sind. Unsererseits werden wir darauf halten, daß unsere Interessen im Libanon und in Sprien geachtet werden, selbst⸗

verständlich, ohne daß sich ein Zwiespalt zwischen England und uns über diesen Punkt ergibt. Wir sind entschlossen, die Integrität des Ottomanischen Kaiserreichs in Asien aufrecht zu erhalten, jedoch ohne daß eines unserer Interessen dabei leidet. Sollte der Frieden unglücklicherweise nicht geschlossen werden und der Krieg wieder an⸗ fangen, so würden wir mit unseren Versöhnungsversuchen von neuem beginnen. Stark durch das Nationalgefühl und durch die Unter⸗ stützung der beiden Kammern, würden wir den Brand auf seinen Herd zu beschränken suchen und bereit sein, unseren Einfluß im Orient und das Ansehen des französischen Namens zu verteidigen.

8 Rußland.

Die Kommission des Reichsrats hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ einen Gesetzentwurf angenommen, der die Zulassung von Frauen zum Rechtsanwaltsstand vorsieht.

Portugal.

Das Kabinett hat nach einer Meldung des „W. T. B.“

beschlossen, seine Demission zu geben. Der Ministerpräsident ist nach Oporto abgereist und wird am Donnerstag zurückkehren, um dem Präsidenten der Republik den Beschluß des Minister⸗ rats zu übermitteln. —Der Führer der Evolutionspartei Almeida ist bei seiner gestrigen Rückkehr nach Lissabon mit lebhafter Sympathie empfangen und von einer großen Volksmenge bis zu seiner Wohnung geleitet worden. Auf dem Dom Pedroplatze sammelten sich dann Gruppen an, die Kundgebungen für und wider die Partei der Evolutionisten veranstalten.

Türkei.

Die Pforte teilt, wie „W. T. B.“ meldet, amtlich mit, daß sie Kohle nicht mehr als Kriegskonterbande be⸗ trachte.

Der Wrctt hat beschlossen, eine Reform⸗ si end aus einem Europäer, drei Armeniern und drei Muselmanen, nach Armenien zu entsenden. Die

Kommission hat, obiger Quelle zufolge, die Aufgabe, Grenz⸗

streitigkeiten zwischen Armeniern und Kurden zu schlichten und

das Polizei⸗ und Gendarmeriewesen zu reformieren. Die

Reformen werden in armenischen Kreisen als unzureichend

angesehen.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ haben, einem amt⸗ lichen Telegramm des Kommandanten der türkischen Westarmee vom 19. Dezember zufolge, die Türken nach fünftägigem

blutigen Kampfe bei Janina die griechischen Truppen

Zurückgeschlagen, am andern Morgen den Engpaß von Manotakis überschritten und, in der Richtung auf Lourath vorgerückt, die feindlichen Streitkräfte zerstreut und einen Sieg errungen.

Von amtlicher griechischer Seite wird erklärt, daß die Armee von Epirus in den letzten drei Tagen drei Angriffe der

Türken zurückgeschlagen habe. Wie ferner in Athen eingetroffene Nachrichten aus Koriza besagen, ist die türkische Armee im Engpaß Tsangoni geschlagen worden und in Unordnung ge⸗ flohen. Die Griechen verfolgten sie mehrere Kilometer weit Süden auf der Straße nach Janina und erbeuteten drei türkische eschüe,

Die türkische Botschaft in Berlin erklärt entschieden die

Nachricht für unrichtig, daß bei dem V den Dardanellen am 16. d. M. die türkische Flotte beschädigt worden sei. Außer vier Verwundeten, von denen einer inzwischen

gestorben sei, habe die türkische Flotte keine Verluste zu ver⸗

zeichnen. Auch die Kriegsschiffe hätten keinen Schaden davon⸗

getragen. 8

Gestern ist die türkische Flotte aus den Dardanellen aus⸗ gelaufen; ihre Torpedoboote beschießen Tenedos.

Rumänien. Die Direktio des Obersten Rechnungshofes der Oeffent⸗ lichen Schuld veröffentlicht, wie „W. T. B.“ meldet, eine

Statistik, derzufolge die Staatseinnahmen in der ersten Hälfte des Finanzjahres 1912 bis 1913 488 979 000 Francs etragen. Der Einnahmeüberschuß beträgt gegenüber dem

gleichen Zeitraum des Vorjahres 89 000 000 Francs. Die günstige Finanzlage des Staates erhellt aus der Tatsache, daß

das Budget des Finanzjahres 1911/12 mit einem Einnahme⸗ überschuß von 110 000 Francs abgeschlossen hat.

Serbien.

Der Ministerpräsident Pasitsch hat nach einer Meldun des „W. T. B.“, um das Bestreben neuerlich kund zu 5 daß die serbische Regierung die friedliche Austragung der schwebenden Fragen ernstlich wünscht, vorgestern aus eigener Initiative den österreichisch⸗ungarischen Gesandten von Ugron aufgesucht und ihm das aufrichtige Be dauern der serbischen Regierung über die Mißgriffe einzelner militärischer Organe in der Angelegenheit des österreichisch⸗ungarischen Konsuls Prochaska ausgesprochen. Hiermit kann diese

Angelegenheit als in befriedigender Weise beigelegt werden. v .“ Buulgarien. 8 ““ Der König Ferdinand, der gestern von Saloniki nach Sofia zurückgekehrt ist, hat einen Tagesbefehl an die Armee erlassen, in dem er, wie „W. T. B.“ meldet, aus Anlaß des Abschlusses des Waffenstillstandes Gefallenen und Ueberlebenden Dank und Bewunderung zollt und sagt, die Armee genieße zurzeit der Ruhe, um sich zu neuen An⸗ strengungen vorzubereiten, und er zweifle nicht, daß sie ihre Fahnen gegebenenfalls aufs neue mit unverwelklichem Lorbeer schmücken werde. Der Kriegsminister bittet in seiner Ant⸗ wort den König, den Kameraden in der Front die Glückwünsche des Vaterlandes und den Wunsch zu übermitteln, daß ein baldiger Friedensschluß ihnen erlauben möge, ruhmbedeckt und im stolzen Bewußtsein erfüllter Pflicht an den heimischen Herd

zurückzukehren.

Die Regierung hat der Sobranje das provisorische Budget vorgelegt, das vom 15./28. Dezember bis Ende März

läuft und die notwendigen Kredite vorsieht für die Organisation der Verwaltung der Finanzen, der Landwirtschaft und des Ver⸗ kehrs in den befreiten Ländern. Diese Kredite stellen sich auf insgesamt 7 Millionen Francs. Der Finanzminister Theodorow gab in der vorgestrigen Sitzung der Sobranje ein kurzes Exposé über die finanzielle Lage des Landes und führte, obiger Quelle zufolge, aus:

Infolge des Krieges hätten sich die Einkünfte des Schatzes um etwa 25 Millionen verringert. Auf der anderen Seite würde man durch die Einstellung laufender Arbeiten und durch Herabminderung des Verwaltungspersonals Ersparnisse in fast ebensolcher Höhe er⸗ zielen, sodaß das Budget ohne Defizit abschließen werde, was der guten Organisation der bulgarischen Finanzen zuzuschreiben sei. Hinsichtlich der außerordentlichen Kredite gab der Minister an, daß man außer den im September bewilligten 84 Millionen und den jetzt geforderten 50 Millionen zur Bezahlung der Requisitionen annähernd 150 Millionen benötigen werde. Alle diese Kredite würden durch eine nach dem Kriege abzu⸗ schließende Anleihe gedeckt werden. Der Stand des Schatzes sei nichtsdestoweniger zufriedenstellend, dank der wirtschaftlichen Bedeutung des Landes, das als ein ackerbautreibendes Land fähig sei, während eines Krieges alles, was es für die Armee brauche, selbst zu liefern. Für den Bau von Eisenbahnen und den Ankauf von Wagenmaterial seien vorher für 25 Millionen Schatzscheine ausgegeben worden. Unter sehr günstigen Bedingungen habe die Regierung im Auslande für 65 Millionen Schatzscheine untergebracht. Dank diesem befriedigenden Stand der Dinge sei die Armee jetzt reichlich mit Waffen und Munition versehen und könne den Krieg noch sechs Monate fortsetzen, falls es nötig sei. Zum Schluß sagte der Minister, die Sobranje könne, indem sie drei Budgetzwölftel und das für die neuen Länder bestimmte provisorische Budget von 7 Millionen bewillige, sicher sein, daß sie der Regierung alles für die Verwaltung der eroberten Länder Notwendige gebe, ohne daß ein Zweig der Verwaltung des Königreichs dadurch in Verlegenheit gebracht werde. Der Fortschritt des sozialen Lebens im Vaterlande habe sich mit dem der Armee gleichmäßig entwickelt und werde auch dem Glück

Regimes sicherlich würdigen werde.

Amerika.

8 Die brasilianische Kammer hat einen Gesetzentwurf über die Aufhebung des Verbannungsdekretes, be⸗ treffend die Kaiserliche Familie, laut Meldung des „W. T. B.“ abgelehnt. Asien.

Die Pekinger Handelskammer hat, einer Meldung „W. T. B.“ zufolge, den Handelsgesellschaften in der Mandschurei ein Rundschreiben zugesandt, in dem die chine⸗ sischen Kaufleute aufgefordert werden, einen Teil ihrer Ein⸗ einem Kriegsfonds gegen Rußland zu über⸗ weisen.

Koloniales.

Die Diamantenförderung in Deutsch Südwestafrika von 1908 bis 1912.

Wie die Deutsche Kolonialgesellschaft nach einer in der Presse des Schutzgebiets veröffentlichten Nachweisung über die in der 8 11 der Mitte des Jahres 1908 bis Ende September 1912 von der Diamanten⸗ regie verwerteten Diamanten aus Deutsch Südwestafrika mitteilt, hat im Jahre 1908, in dem bekanntlich im Juli die ersten glitzernden Steine bei Lüderitzbucht gefunden worden sind, die Regie rund 16 000 Karat zum Preise von 343 000 verkauft, sodaß der Erlös durchschnittlich 21,75 für das Karat betrug. Im Rech⸗ nungsjahre 1909/10 wurden 709 000 Karat für insgesamt 21 049 000 verkauft, was einem Durchschnittserlös von 29,67 entspricht, im Rechnungsjahre 1910/11 793 000 Karat im Werte von etwas über 20 ¾ Millionen Mark, sodaß der Durchschnittserlös über 26 betrug. Er sank im nächsten Rechnungsjahre 1911/12 auf 25,81 ℳ, die Ver⸗ kaufsmenge ging auf 766 000 Karat im Werte von 19 785 000 zurück. Das Jahr 1912 hat eine wesentliche Verbesserung gebracht. Zwar war die Ausbeute des Monats Mai mit 61 000 Karat geringer als der Monatsdurchschnitt der Vorjahre, aber der Durchschnittserlös war höher; und die folgenden Monate haben noch bessere Erträge ergeben, insbesondere nachdem die Pomonagrube in Angriff genommen worden ist. So wird der Gesamterlös des Monats Gepleccher 1912 in der erwähnten Nachweisung auf 2,8 Millionen Mark geschätzt. Insgesamt sind also seit Juli 1908 bis Ende September 1912 in Deutsch Südwestafrika für rund 7 000 Diamanten gefördert und verkauft worden.

Kunst und Wissenschaft.

Der ssor der Mathematik, Geheimer Hofrat Dr. I 39—s zn in Erlangen ist „W. T. B.“ zufolge im Alter von NrS Paul gestorben. 8

A. F. Seine tausendste Sitzung hielt der „Verein für die Geschichte Berlins gestern nachmittag im großen Sitzungs⸗ saale des Königlichen Kammergerichts ab. Eingeleitet wurde die Feier durch einen Musikvortrag, den das Streichorchester der „Gesell⸗ schaft zur Pflege alter klassischer Musik“ unter Leitung des Herrn Gustav Lenzewski ausführte und der eine türkische Intrada nebst schottischem Tanz von einem s. Z. berühmten Vertoner des 17. Jahr⸗ hunderts, dem Kapellmeister William Brade am Hofe des Kur⸗ fürsten Johann Sigismund zu Gehör brachte. Hierauf begrüßte der Kammergerichtspräsident Dr. Heinroth die Erschienenen und erklärte, daß das Präsidium des Kammergerichts bereitwilligst dem Wunsche des Geschichtsvereins, seine 1000. Sitzung in diesen ehrwürdigen Räumen abzuhalten, entsprochen habe, weil darin das Anerkenntnis gesehen werde, die Geschichte Berlins und die Ge⸗ schichte des Kammergerichts seien eng verbunden. Auch sei es verständlich, diese Stätte, an der seit beinahe 200 Jahren Recht gesprochen werde, und die in ihren ältesten, aus d. J. 1735 stammenden Teilen als charakteristisch für die damalige Bauweise hente. in genaueren Augenschein zu nehmen, ehe sie aufhöre, den bisherigen Zwecken zu dienen, was ja für das kommende Jahr in Aussicht stehe. Der Redner verglich die Geschichtsforschung mit dem Betriebe eines Bergwerks, bei dem der Arbeiter jeweilig ein Pochen höre und daraus auf die Nähe mit verwandter Arbeit Beschäftigter schließe. So hätten sich die Forscher in Berlins Allgemeingeschichte und der Historiograph des Kammergerichts gefunden und die Ergebnisse ihrer Forschungen kämen der ge⸗ naueren Einsicht in die geschichtliche Entwicklung Berlins zugute. Beider Bestrebungen aber möchten immer im besten Sinne patriotisch zusammenklingen. Landgerichtsrat Dr. Béringuier bestätigte dann, daß in der Tat die Erwägungen, wie sie vom Vorredner vermutet würden, maßgebend für die Verlegung der 1000. Sitzung des Vereins in diese Räume gewesen seien, und dankte für das Entgegenkommen des Präsidiums des Kammergerichts. Auch entstammten in Wahrheit die im Nachstehenden von ihm zu gebenden geschichtlichen Erinnerungen an den Werdegang des Kammer⸗ gerichts der erfolgreichen Schürfarbeit des Geschichtschreibers des

Kammergerichts (Kammergerichtsrat Holtze). Doch sei diese Geschichte erheblich älter als die Geschichte dieses ee Er 1 2e- ersten

8.

der befreiten Bevölkerung dienen, die Wohltaten des neuen

Anfänge des Kammergerichts gehen bis auf den Tag im Jahre 1412 zurück, da der erste Hohenzoller in Berlin seinen Einzug hielt. Von da ab habe die Rechtspflege in Berlin und im Lande den starken Schutz der Landesherren genossen, und schon unter dem zweiten Kurfürsten sei dem obersten Gerichtshof sein Domitzil im Schloß zu Kölln angewiesen worden, wo es in den Räumen zu ebener Erde nach dem Schloßplatz zu bis zu dem Schlüterschen Schloßbau seinen Sitz gehabt hat. Der Vortragende gab darauf, wenn auch in gedrängter Kürze, ein Bild von der Entwicklung des obersten Gerichts: das Bild eines fast 200 jährigen Kampfes zwischen dem Verlangen des Landesherrn nach gesetzeskundigen, unabhängigen Richtern und den Ansprüchen der Stände auf Beteiligung an der Rechtspflege. Wiederholt war man nahe an bindenden Verabredungen, wie unter Joachim II., doch ebenso wiederholt zerschlugen sich die Verhandlungen. Das Jahr 1643 war durch ein wunderliches, aber bezeichnendes Vor⸗ kommnis bemerkenswert: Die Feinde der Richter schmuggelten aus dem Inventar des Schlosses ein Oelbild „Der ungerechte Richter“ in den Sitzungssaal. Es folgte eine peinliche Untersuchung, die aber auf Wunsch des Kurfürsten so wenig Fortgang nahm, daß die Sache der Vergessenheit anheimfiel, das Bild ein Inventar des Kammergerichts blieb und man 1815 so wenig von seiner Geschichte wußte, daß das verblichene Bild in diesem Jahre auf Anordnung des Gerichtspräsidenten sogar eine Renovierung erfuhr, bis in unseren Tagen der Zusammenhang enthüllt wurde. Als bei dem neuen Schloßbau dem Kammergericht die Wohnung entzogen wurde, siedelte es für einige Jahrzehnte in Mietsräume über, bis Friedrich Wilhelm I. ihm 1734/35 das gegenwärtig noch vom Kammergericht bewohnte Haus bauen ließ. In die Regierung dieses Königs fällt von 1725 ab die ausgezeichnete refor⸗ matorische Tätigkeit Coccejis, die Mißständen ein Ende machte, welche sich teils durch Anstellung zu junger Richter, die man nicht zu bezahlen hrauchte gleich den älteren, teils durch Uebergriffe der Advokatenschaft eingeschlichen hatten. Friedrich Wilhelm I. war indessen nichts weniger als ein besonderer Freund des Richterstandes. Bekannt ist ja, wie er einen der Juristerei absolut fremden Mann, ein Stichblatt der Gefährten seines Tabaks⸗ kollegiums, zum Kammergerichtsrat ernannte. die Anlage des Kammergerichts an der jetzigen Stelle bekundet ein besonderes Wohl⸗ wollen des Königs mit nichten. Es lag ihm neessentlich daran, Mieter für die Friedrichstadt und deren neue Häuser zu finden. Da bei den derzeitigen mangel⸗ haften Verbindungen Berlins die Beamten meist in der Nähe ihrer Bureaus wohnten, war von der Errichtung des Kammergerichts an dieser damals ganz einsamen Stelle wenigstens auf 200 Mieter in der Nachbarschaft zu rechnen. Immerhin ist durch das ihm zugewiesene neue, geräumige Gebäude dem Kammergericht eine große Wohltat im Vergleich zu den vorangehenden Verhältnissen zuteil geworden, und es wurde so die geregelte und sichere Rechtspflege vorbereitet, die seit den Tagen Friedrichs II. der Stolz unseres Vaterlandes ist. Der Vortragende erinnerte zum Schluß seines sehr beifällig aufgenommenen Vortrags daran, daß der Geschichtsverein, der auf eine Vergangenheit von 58 Jahren zurücksieht, seine Teilnahme an der Geschichte der Rechtsentwicklung auch früher schon, u. a. bei der Erhaltung der Gerichts⸗ laube und deren Uebersiedlung nach Babelsberg (Juli 1871), bewiesen habe. Nach einem dreimaligen Hurra auf den Landesherrn fand abteilungs⸗ weise die Besichtigung der Säle des Königlichen Kammergerichts statt, deren Architektur und reicher Bilderschmuck viel Interesse erweckten. An diesen Rundgang reihte sich, um das durch Ausschließung der Damen an diesen begangene Unrecht zu fühnen, ein gemeinsames Festessen im nahen Hôtel Impérial an. Hier wurde in Gestalt von Tafelliedern auch den Musen ihr Recht. Bei allem tiefen Respekt vor dem Kammergericht darf gesagt werden, daß es wohl nur höchst selten besungen“ worden ist. Bei diesem Anlaß aber war ihm eine „Kammergerichtshymne“ gewidmet worden, die, nach der Melodie „Burschen heraus“ gesungen, viel Anklang fand. Der Vollständigkeit vorliegenden Berichtes halber ist noch zu sagen, daß den Schluß der Versammlung im großen Sitzungssaale des Kammergerichts ein zweiter Musikvortrag des oben gedachten Streich⸗ orchesters bildete. Diesmal war es keine geringere musikgeschichtliche Reminiszenz, als der Vortrag des 1. Satzes der Symphonie G⸗Dur von

König Friedrich d. Gr. Erwähnt sei noch, daß der Geschichtsverein ü. am 28. Januar 1865, seine 500. am 22. Juni 1890 gehalten hat.

Literatur. Von der Zeitschrift „Zoologischer Beobachter“ De

furt a. M., erschien soeben Nr. 12 des L.III. Jahrgangs für 1912 mit folgendem Inhalt: Aquarien⸗ und Se“ der Biologischen Gesellschaft für Aquarien⸗ und Terrarienkunde zu Frank⸗ furt a. M. Von E. Kanngießer. Zur Biologie der Kreuzotter, Pelias berus, Von M. Merk⸗Buchberg. Am Rest der Ringdrossel. Von Dr. J. Gengler. Kleinere Mitteilungen. Literatur.

Verdingungen.

Der Zuschlag auf die von dem Verwaltungsressort der Kaiserlichen Werft zu Wilhelmshaven am 5. Dezember 1912 verdungene Herstellung von rund 405 laufenden Metern Uferbefestigung ist der Firma Karstens u. Hermes in Wilhelmshaven erteilt worden.

Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Reichs⸗ und taatsanzeiger“ ausliegen, können in den Wochentagen in dessen Expedition während der Dienststunden von 9— 3 Uhr eingesehen werden.)

Belgien.

Lastenhefte können, wenn nichts anderes vermerkt, vom Bureau des adjudications in Brüssel, Rue des Augustins 15, bezogen werden. 8. Januar 1913, 11 Uhr. Salle de la Madeleine in Brüssel: Lieferung von 18 größeren und kleineren Booten für den Lotsendienst. 5 Lose. 15 300 Fr. Gesamtsicherheitsleistung 1600 Fr. Spezial⸗ lastenheft Nr 1228. Eingeschriebene Angebote zum 4. Januar.

8. Januar 1913, 12 Uhr. Ebenda: Lieferung von etwa 100 000 Muttern für Bolzen und Kuppelhaken für die Staate bahnen. Los 8 A und 8 B. Speziallastenheft Nr. 763. Eingeschriebene An⸗ gebote zum 4. Januar.

„15. Januar 1913, 12 Uhr. Ebenda: Lieferung von 25 000 Rohr⸗ gestängen für Saxby⸗Apparate für die Staatsbahnen. 5 Lose. Sicher⸗ heitsleistung 1500 Fr. für jedes Los. Spezialavis Nr. 384. Einge⸗ schriebene Angebote zum 11. Januar. 15. Januar 1913, 12 Uhr. Ebenda: Lieferung verschiedener Sorten Bolzen und Gleitschuhen, von Weichenstangen, Stahlkabel 1. 1“] EEe 23 Lose. Spezial⸗ 8 Nr. 376. Gesamtsicherheitsleistung 18 100 Fr. Eingeschrieben Angebote zum 11. Januar. b b Gtszeßeech 15. Januar 1913, 11 Uhr. Ebenda: Lieferung von Kabel⸗ umschaltern, Hartgummistreifen, Glocken, Druckknöpfen, Elektro⸗ graduatoren, Sprechern, Empfängern Morse, Schalttafeln mit Klapp⸗ anzeigern usw. für die Telegraphenverwaltung. 5 Lose. Eing schriebene Angebote zum 11. Januar. Speziallastenhest Nr. 3613. 8

Türkei. Kaiserlich Ottomanische Staatsschuldenverwaltung in Kon⸗ stantinopel: Vergebung der Lieferung von 1 000 000 Jutesächen, v„Liverpool twill“, mit gesäumten und gepichten Rändern und mit einem zwei Zoll breiten blauen Streifen verseben, in gwei Größen: 600,000 Stück 44 * 26 ½ englische Zoll groß und 2 ½ englische Pfund schwer; 400 000 Stück 28 + 23 cngkische Zoll groß und 1 ½ englische Pfund schwer. Die Lieferung erfolgt

nach Smyrna, und zwar die erste Hälfte jeder Art bis zum 15. Apeht 1913, die andere bis zum 15. Juli 1913. Angebote 8 g

Zoologische Garten Verlag von Mahlau u. Waldschmidt in Frank⸗

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