1913 / 11 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Jan 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Zeichskanzler nicht mehr das Vertraue 20 Aber w uzler nicht mehr das Vertrauen haben könnten. Aber wo Uen wir Vertrauen haben, wenn man uns gegenüber tein Vertrauen 2 Der Bundesratserlaß zeigt nun aber uns gegenüber nicht nur 1 n Maß von Vertrauen, sondern im Gegenteil ein solches von Nißtrauen. Nan hat allerlei Urzeile über die Jefuiten abgegeben. Iber um sich zu orientieren, ist man nicht an die zuständige katholische telle gegangen. Was würden die Herren auf der evangelischen beite sagen, wenn man sich bei Dingen, die ihre Religion aufs teefste berühren, einzig auf die Auslegung anderer stützt. Dasselbe oͤnnen wir Katholiken auch verlangen. Es wird gesagt, die Jesutten müßten im ‚Interesse des konfessionellen Friedens fern gehalten werden. Man meint, wir bruächten dieser Angelegenheit nicht das genügende Verständnis entgegen. Das sagen Leute, die nicht einmal Verständnis für die Bedürfnisse ihrer eigenen Landsleute haben. Erst wenn Sie für unsere Bedürfnisse Verständnis zeigen und ihnen Ge⸗ rechtigkeit widerfahren lassen, dann können Sie doch erst verlangen, daß man für Ihre Bedürfnisse Verständnis hat. Der Bundesrats⸗ erlaß soll keine Verschärfung bringen. Aber eine solche liegt doch schon in seinem Wortlaut, indem er den Jesuiten jede religiöse Tätigkeit über⸗ haupt verbietet. Im Reichstag ist gesagt worden, daß die Handhabung wie bisher bleiben soll. Aber bisher war doch manches erlaubt. Nach dem Erlaß ist dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet. Wie er bisher gewirkt hat, das zeigt uns das Verbot in Baden, und eine gewisse Verschärfung hat ja selbst Staatssekretär Delbruͤck in seiner Antwort auf die Anfrage meines Parteifreundes Fehrenbach im Reichstage zugestanden. Wir verlangen, daß wir nach Gesetzen be⸗ handelt werden, allerdings nach gerechten. Deshalb verlangen wir, daß

ch der letzte Rest des Jesuitengesetzes aufgehoben wird. Sie können darüber beruhigt sein, daß weder das Reich noch Preußen zu Grunde geht, wenn die 100 Jesuiten, die die ganze Ordensprovinz Deutschlands umfaßt, Deutschland wieder überschwemmen. Jesuiten angezweifelt worden. Aber die Moral ist die der katholi⸗ schen Kirche und des katholischen Volkes überhaupt. Was hat man nun alles gegen die Jesuiten vorgebracht? Es ist bedauerlich, daß auch der Reichskanzler diese Vorwürfe als feststehende Tatsache hingestellt hat, ein Beweis, daß er auch trotz seiner Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit, die wir sonst an ihm bewundern, in dieser Frage sich nicht von anderen Leuten unterscheidet. Der Reichskanzler er⸗ wähnte, daß man sich auch in katholischen Ländern gegen die Tätig⸗ keit der Jesuiten gewandt hat. Aber man darf doch nicht in die Zeit der Gegenreformation zurückgreifen. Der Jesuitenorden ist nicht gegründet worden zum Zwecke des Kampfes gegen den Protestantis⸗ mus. Er hat allerdings in der Gegenreformation eine große Rolle gespielt. Das wird von niemandem geleugnet. Auch ist nicht zu bestreiten, daß dies bei manchen traurige Erinnerungen wach⸗ ruft. Aber die Gegenreformation setzte doch eine Reformation voraus, die doch auch bei ihren Gegnern schmerzlich empfunden worden ist. Warum beginnt ein unparteiischer Staatsmann, wenn er auf friedenstörende Erscheinungen zurückgreift, gerade mit der Gegenreformation. Diese Zeit bleibt am besten aus dem Spiele. Sie haben stets den Jesuitenorden mit allen Mitteln, die Ihnen zur Verfügung standen, verfolgt. Die Vorurteile, die in unserem Volk den Jesuiten gegenüber herrschen, sind begreiflich, wenn ein hoher richterlicher Beamter, der Mitglied dieses Hauses ist, sagt: „Die Bekämpfung der Jesuiten liegt im Interesse des deutschen Volkes, weil die Jesuiten gegen das Staatswohl handeln. Man weise nach, daß dies nicht der Fall ist.“ Das ist genau so, als wenn man zu jemand sagt, du hast gestohlen, du bist ein Betrüger, weise nach, daß es nicht der Fall ist. Ebenso hat ein Verfechter der evangelischen Theologie an einer deutschen Universität über die Jesuiten Ausdrücke gebraucht, die ich hier nicht wiederholen will, die aber aus böswilliger Beschimpfungswut heraus entstanden sind und einen Beweis seiner großen Unwissenheit in diessk Frage dokumentieren. Wenn von einer solchen Stelle, die berufen ist, die Jugend zu lehren, derartige unzutreffende, auf Unwissenheit beruhende Aus⸗ lassungen über die Jesuiten ausgehen, dann kann man sich nicht darüber wundern, wie Vorurteile im Volke entstehen. Allerdings gibt es auch Urteile von unbefangener evangelischer Seite, die ich aber nicht hier anführen will. Wenn Sie sagen, die Jesuiten gefährden durch ihre Tätigkeit das Staatswohl, dann ist auch der Einwand be⸗ rechtigt: warum wendet man sich nicht auch gegen andere Feinde des Staates und der evangelischen Kirche. Bedenken Sie doch, daß auch das katholische Empfinden verletzt wird. Sind nicht Vereine ge⸗ gründet worden mit dem ausgesprochenen Zweck, gegen Rom zu kämpfen? Gibt es nicht ganz andere, schlimmere Feinde des Vaterlandes, wie die Sozialdemokratie, der Umsturz, die Anarchie, die zu allen Zeiten gegen die staatliche Autorität kämpfen? Auch gegen die kirchliche Autorität Ihrer evanpelischen Landeskirche wird ungestraft geredet. Das alles ist erlaubt. Aber die Tätigkeit der Jesuiten ist nicht erlaubt, sie soll dem Interesse des Staates gefährlich sein. Blättern Sie doch einmal in der Geschichte Preußens. Friedrich l. schätzte die Jesuiten hoch, Friedrich der Große berief sie in sein Land, weil sie ihm in ihrer Tätigkeit als Erzieher der Jugend und als Gelehrte und als Institute der bürgerlichen Gesellschaft nützten. Vergleichen Sie diese Worte mit dem, was der Reichskanzler gesagt hat. Damals haben die Jesuiten in der Erziehung des Volkes Großartiges geleistet. Im Jahre 1853 hat der Abg. von Gerlach in einer parlamentarischen Sitzung u. a. gesagt: „Gegenwärtig stehen die Jesuiten mit schönem Schmuck vor unseren Augen, nämlich mit dem Haß der Revolution. Von kon⸗ fessionellen Umtrieben haben sich die Jesuiten vollkommen frei⸗ gehalten, bisher haben die jesuitischen Missionen für die Evangeli⸗ schen keinen anderen Erfolg gehabt, als daß sie die Gemeinden auf⸗ geweckt haben zu neuem Leben.“ Auch die liberalen Zeitungen haben sich damals in demselben Tone geäußert. Das einstimmige ÜUrteil ging dahin, daß die Tätigkeit der Jesuiten zur Wiederherstellung der staatlichen Autorität nach jenem unglücklichen Jahre mit⸗ gewirkt hat. Im Kriege von 1870 sind viele von ihnen als Seel⸗ lorger und Pfleger der Verwundeten tätig gewesen, viele von ihnen sind ausgezeschnet worden. Auf besonderen Wunsch des Kaisers haben sogar zwei Patres am Einzuge in Berlin teilgenommen. 1 Vor ungefähr zwei Jahren, bei Gelegenheit der Beerdigung eines Jesuiten, der 33 Jahre lang als Pfarrer in Antwerpen gewirkt hat, hielt der deutsche Generalkonsul, der ein Protestant ist, eine längere Rede, in der er den toleranten Charakter und das patriotische Herz des Verstorbenen pries. Ueberall in fremden Ländern können Sie beobachten, wie die Jesuiten in erster Linie deutsches Leben fördern und dem deutschen Namen Ehre machen. Dort finden sie überall Anerkennung. Aber bei uns will man sie unterdrücken. Gehen Sie in die evangelischen Länder, dort hören Sie nirgends eine Klege über die Störung des konfessionellen Friedens seitens der Jesuiten. Sie sehen Tausende deutscher Männer, die in allen möglichen Berufen tätig sind, welche von den Jesuiten erzogen worden sind. Auch ich bin stolz darauf, bei den Jesuiten meine Erziehung genossen zu haben. Viele deutsche Männer und deutsche Mütter, die Anspruch darauf machen, patriotisch gesinnt zu sein, schicken all jährlich ihre Söhne zu den Jesuiten zur Erziehung. Bedenken Sie, welche Beleidigung darin liegt, wenn Sie hehaupten, daß wir Deutsche solchen Männern unsere Kinder zur Erziehung übergeben, von denen wir wissen, daß sie unserem Staatswohl gefährlich sind. Wir wissen aus eigener Erfahrung und stehen mit unserer Ehre dafür ein, daß das Gefühl der staatlichen Autorität von den Jesuiten denen, die ihnen zur Erziehung übergeben sind, fest eingeprägt wird. Wir haben nie ein verletzendes Wort gehört, es ist nie ein Versuch gemackt worden, uns unsere Liebe zum Vaterlande zu rauben. Im Gegenteil, wir wurden in der Liebe zum Vaterlande erzogen. wean sohecht einzelne Gelehrte und Expeditionen in alle fernen Länder, um sie zu erforschen und kennen zu lernen. Schicken Sie einmal einige unbefangene Männer zu den Jesuiten, damit sie das Leben in ihren Anstalten kennen lernen. Schicken Sie vielleicht gerade die allerbefangensten hin. Es sind schon viele Schulmänner dort gewesen, sie alle sind von ihren Vorurteilen bekehrt worden. Der Keichstangter hat in semer Rede von dem Empfinden der 40 Mil ltonen Evangrlischer gegenüber den 24 Millionen Katholischer ge⸗ prochen. In einem parirätischen Staats dürfte eine Konfession sich nicht von der anderen ihr Empfinden vorschreiben lassen.

jetzigen Reichskanzlers.

nicht versagen, so Zeit wie ein legen, aus Pflichtgefühl, sondern mit Vertrauen und Begeisterung folgen.

Es ist die Moral der in jeder Beziehung zu fördern, nur nicht in der Religion. Bassermann Bismarck einmal gesagt hat, es gebe Zeiten, in denen man liberal re⸗ gieren müsse, und das sei jetzt der Fall müssen der Religion wieder mehr Einfluß einräumen, damit Zu⸗ friedenheit wieder in das Volk kom Nur so können wir den Umsturz bekämpfen.

Bundesrats gehören. Darauf möchte ich hier auch nicht eingehen.

Gesetzes herausgebildet, die in den obersten durchaus in der Lage es das Bestreben der preußischen Regierung gewesen, zwar einerseits dem Gesetz und der zu ihm ergangenen Ausführungsbestimmung des Bundesrats vom 5. Juli 1872 volle Rechnung zu tragen, dabei aber auch sich zu bemühen, alles Kleinliche und Schikanöse auszuschalten

Fürst Bismarck hat einmal gesagt, es kon ne if an, Katholiken glauben, eines gewissen Maßes von Ordenstätigkeit zu be⸗ dürfen, und auch Fürst Bülow hat von den berechtigten Bedürfnissen

der Katholiken gesprochen. Dieses Wort von den berechtigten Be⸗

dürfnissen unserer Konfession vermisse ich in den Erklärungen des Namentlich solange noch Ungaube und Um⸗ sturz herrscht, dürfen Sie die Jesuiten nicht ausschließen; alle Gut⸗ gläubigen müssen zusammenstehen im Kampf um das Christentum. Man wirft uns vor, daß wir in ernster Zeit diese Frage aufwerfen. Wir sind uns des Ernstes der Zeit bewußt, aber wir haben jesuiti⸗ schen Geist genug, um zu wissen, daß man immer unbekümmert für sein Recht eintreten muß. Das liegt auch im Interesse des Staates selbst. Leider kämpfen noch immer große Parteien, auch jetzt wieder im Kampfe um die Landtagswahlen, mit vergifteten Waffen. Alle bürgerlichen Parteien sollten zusammenstehen gegen den Umsturz, aber statt dessen verletzt man eine große Partei, die den Umsturz bekämpft. Liegt das etwa im Interesse des Staates? Dem Zentrum ist es gelungen, das katholische Volk aus der Stellung der Oppositionsmenschen wieder zu einem treuen Mitwächter an den Auf⸗ gaben des Staates zu machen. Wenn wir auch in nationalen Fragen muß doch jeder Staatsmann in ernster Feldherr in ernster Schlacht Wert darauf hinter sich Leute hat, die ihm nicht nur

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daß er

Die Herren, die sonst mit uns gemeinsame Interessen haben, sollten deshalb dafür sorgen, daß die letzte Ausnahmemaßregel fällt und der

Kirche die volle Freiheit wiedergegeben wird, deren sie bedarf. Ich

richte an die Rechte und die Regierung die Mahnung, daß unser Volk nicht reif genug ist, um solche Elemente entbehren zu können. Der Umsturz greift immer weiter um sich, Religion und Sittlichkeit schwinden, wir geben viel für die Schule, wir suchen unsere Jugend Der Abg. schreibt in den „Kieler Neuesten Nachrichten“, daß

Ich bin der Meinung, wir

Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten

D. Dr. von Trott zu Solz:

Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Graf Praschma hat

ebenso wie der Herr Abgeordnete Winckler verschiedene Fragen aus meinem Geschäftsbereich berührt. Ich möchte bitten, mir vorbehalten zu dürfen, auf diese Dinge erst bei der zweiten Lesung einzugehen, wo dafür ausreichende Gelegenheit sein wird, und, wie ich wohl mit Recht annehme, diese Fragen von neuem berührt werden werden. Das gilt insbesondere von den Museumsbauten, von der Ausländer⸗

frage an unseren Universitäten, von den Vorgängen an der Universität Halle in letzter Zeit.

Der Herr Graf Praschma ist dann aber in breiteren Aus⸗

führungen auf die Jesuitenfrage eingegangen, die jetzt so vielfach im Vordergrund der öffentlichen Erörterung steht. darüber ausgelassen, wie mit Unrecht den Jesuiten und dem Jesuiten⸗ orden Vorwürfe gemacht würden, auseinandergesetzt, wie diese Vor⸗ würfe nicht berechtigt seien, und seine Ausführungen gipfelten schließlich in werden land hineingelassen werden sollte. Meine Herren, das sind Aus⸗

Er hat sich

daß das Jesuitengesetz beseitigt wieder nach Deutsch⸗

der Forderung,

müsse, daß der Jesuitenorden

führungen und Wünsche, die vor das Forum des Reichstags und des (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.)

Der Herr Graf Praschma hat dann aber auch die Handhabung

des Jesuitengesetzes und seiner Ausführungsbestimmungen in Preußen und die Mitwirkung der preußischen Regierung bei dem Zustande⸗ kommen des Bundesratsbeschlusses vom 28. November vorigen Jahres erwähnt, und das gehört allerdings in dieses hohe Haus; dazu möchte ich mir erlauben, einige Ausführungen zu machen. Praschma hat selbst hervorgehoben, was den Anlaß gebildet hat, daß der Bundesrat sich mit dieser Angelegenheit von neuem beschäftigen mußte, was dazu geführt hat, daß der erwähnte Bundesratsbeschluß gefaßt worden ist. Die Anregung dazu ist nicht von Preußen aus⸗ gegangen; Sie wissen, daß ein Antrag der Königlich bayerischen Regierung den Anlaß gebildet hat. gewesen, wenn es nicht notwendig gewesen wäre, einen solchen Be⸗ schluß zu fassen.

Herr Graf

Uns wäre es sehr viel lieber

hat sich mit der Zeit eine Handhabung des ihrer Rechtsmäßigkeit auch von bestätigt worden ist, mit der wir die Dinge zu regeln. Dabei ist

In Preußen

Gerichtshöfen wären,

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und, soweit es ging, auch den Empfindungen der katholischen Be⸗ völkerung Rechnung zu tragen. Wenn es nun nicht zu vermeiden war, daß der Bundesrat sich auf den von Bayern gestellten Antrag schlüssig machen mußte, so ist die Tätigkeit der preußischen Regierung dabei die gewesen, daß sie dafür eintrat, daß lediglich die bisher bestehende Praxis kodifiztert werden möchte, und daß jedenfalls, da hierfür ein Bedürfnis nach keiner Richtung vorlag, eine Verschärfung vermieden werden möchte.

Nun werden Sie mir zugeben, meine Herren, daß eine solche

authentische Interpretation, wie sie hier zu geben war, nicht leicht ist, und es ist mir doch recht zweifelhaft, ob es, wie der Herr Graf Praschma glaubte, ein Elementarschüler besser gemacht hätte, als es der Bundesrat getan hat. (Heiterkeit.) Es war eine recht schwierige Aufgabe, und der Bundesrat hätte beschließen mögen, was er wollte, man hätte daran kritisieren und Aussetzungen machen können. (Sehr richtig! bei den Nationalliberalen.)

Wir haben uns bemüht, die Fassung so zu beeinflussen, daß wir in Preußen unsere Praxis nicht zu ändern brauchten, und dieses

Bemühen ist von Erfolg gewesen. Denn in der Tat, durch den Bundesratsbeschluß sind wir in Preußen nicht in die Notwendigkeit versetzt, unsere bisherige Praxis zu ändern.

Die Ordenstätigkeit, wie sie der Jesuitenorden selbst erkennt und

auffaßt, ist bekanntlich eine ganz umfassende; alles Wirken und Denken des Ordensmitglieds ist in die Ordensaufgabe gestellt. Von einer derartigen Ordenstätigkeit konnte selbstverständlich für die staatlichen Instanzen nicht die Rede sein; da mußte ein gewisser Ausschnitt

gemacht werden, und der ergab sich ohne weiteres schon nach dein Gesichtspunkt, daß selbstverständlich nur eine solche Tätigkeit für das Gesetz in Frage kommen konnte, welche sich gegen andere ichtet. Deshalb finden Sie auch in dem Bundesratsbeschluß die Bestimmung, daß nur diejenige

darauf an, ob die

1 14“; 1“ priesterliche und religiöse Tätigkeit unter das Verbot fällt, welche sich gegen andere richtet; die Tätigkeit an der eigenen Person, die auch Aufgabe des Ordens ist, die Heiligung, die christliche Vervollkommnung des eigenen Selbst mußte selbstverständlich ausgeschieden werden.

Wenn nun von diesem allgemeinen Grundsatz gewisse Ausnahmen in dem Beschluß des Bundesrats gemacht worden sind, so sind das keineswegs willkürliche Ausnahmen, und die Kritik, die an diesen Ausnahmen und ihrer Auswahl geübt worden ist, scheint mir nicht berechtigt zu sein, namentlich nicht, wenn Sie den Unterschied berück⸗ sichtigen, den ich eben in der Ordenstätigkeit gemacht habe.

Wenn Sie zunächst die stillen Messen berücksichtigen, so ist es Ihnen, meine Herren, bekannt, daß der katholische Geistliche ver⸗ pflichtet ist, möglichst oft im Jahre eine stille Privatmesse zu halten, die für seine eigene Heiligung bestimmt ist. Bei diesen Messen tritt die Einwirkung uf andere zurück und die eigene Heiligung des die Messe Zelebrierenden in den Vordergrund. Das sollte auch dem Jesuiten nicht unmöglich gemacht werden, und deshalb sind die stillen Messen zugelassen worden. Man hat dabei aber die stillen Messen allgemein zugelassen, weil zwlschen einer stillen Privatmesse und einer sonstigen stillen Messe ein äußer⸗ lich in die Erscheinung tretender Unterschied sich nicht bemerkbar macht; bei beiden ist die Anwesenheit von Gläubigen die Regel, und von außen kann man einen Unterschied nicht wahrnehmen. Deshalb hat man alle stillen Messen freigelassen. Also so willkürlich ist da nicht gegriffen worden, und wir hatten dafür ja auch einen Vorgang in der preußischen Gesetzgebung aus den 80 er Jahren, die, wie Ihnen bekannt sein wird, auch besondere Bestimmungen bezüglich der stillen Messen trifft.

Ebenso oder ähnlich verhält es sich mit der Primizseier; das ist die Feier der ersten Messe des⸗ Geistlichen. Dieses Fest feiert er einmal in seinem Leben, es pflegt im Kreise der Familie und von Freunden gefeiert zu werden. Auch sie wurde aus dem allgemeinen Gesichtspunkt ausgenommen. Daß das Spenden der Sterbesakramente außerhalb des Ver⸗ botes gestellt worden ist, versteht sich wohl von selbst; das brauche ich nicht näher zu begründen.

Nun ist aber gefagt worden, daß noch eine ganze Menge Dinge verboten werden, die eigentlich selbst bei einem rigorosen Verfahren nicht verboten werden könnten und sollten: religiöse Privatgespäche, ein Gebet am Tisch im Privathause. Meine Herren, wir haben uns bisher bemüht, das Gesetz ohne Kleinlichkeit und ohne Schikane nach irgend einer Richtung hin zur Ausführung zu bringen; das wird auch in Zukunft geschehen. Wenn Ihnen das nicht genügt, so werden Sie zu bedenken haben, daß die Ausführung des Gesetzes nicht den ört⸗ lichen Polizeiorganen zugewiesen ist, sondern den Landespolizeibehörden. Das ist offenbar geschehen, um eine ruhigere und zurückhaltendere Be⸗ handlung dieser Dinge nach Möglichkeit zu garantieren, Uebereifer und Mißgriffe zu vermeiden. Es kommt ferner hinzu und unter diesen Gesichtspunkt ist das ganze Gesetz und die zu ihm ergangenen Ausführungsbestimmungen zu beurteilen —, daß das Gesetz die Eigen⸗ art besitzt, keine Strafbestimmung zu enthalten; die Behörden sind also darauf angewiesen, zu der Durchführung des Gesetzes sich Präventiv⸗ maßregeln zu bedienen. Damit ergibt sich, daß überhaupt nur die⸗ jenigen Dinge für den Zugriff der Behörden möglich sind, die in der Oeffentlichkeit bemerkbar sind. Alles das spricht dafür, daß die Be⸗ fürchtung, es könnte eine schikanöfe, eine kleinliche Behandlung der Dinge Plat greifen, ausgeschlossen ist; eine solche hat auch nie statt⸗ gefunden.

Was insbesondere den von Herrn Grafen Praschma angefochtenen Satz anlangt, der in dem Bundesratsbeschluß enthalten ist, daß wissenschaftliche Vorträge, die das religiöse Gebiet nicht berühren, nicht unter das Verbot fielen, so ist ja zuzugeben, daß es an sich nicht notwendig gewesen wäre, eine solche Bestimmung in den Bundesrats⸗ beschluß aufzunehmen. Denn sie ergab sich schon aus dem erslen Satz des Beschlusses, wonach der Jesuit in seiner profanen Tätigkeit keiner Einschränkung unterworfen ist; er kann also auch schon danach ohne weiteres wissenschaftliche Vor⸗ träge halten. Wenn diese Bestimmung trotzdem in den Beschluß aufgenommen worden ist, so hat das seinen Grund darin, daß man das eben ausdrücklich zum Ausdruck bringen und ge⸗ wissermaßen als Beispiel das hervorheben wollte, was zurzeit be⸗ sonders aktuell ist, die wissenschaftlichen Vorträge. Wenn das Thema ein wissenschaftliches war, wenn die Person des Redners als eines Ange⸗ hörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu nicht ostentativ in den Vorder⸗ grund geschoben und alles Provozierende bei der Veranstaltung vermieden wurde, dann hat man keine weiteren Nachforschungen angestellt und keinen Grund zum Einschreiten gefunden. Freilich darf datz wissen⸗ schaftliche Thema nicht als Deckmantel dienen, um damit eine religiöse Tätigkeit, wie sie nach dem Gesetz und der Ausführungsbestimmung verboten ist, zu verbergen. Geschieht das aber nicht, so hat man auch auf diesem Gebiet nicht kleinlich nachgeforscht, sondern hat an⸗ genommen, daß der Redner den gesetzlichen Bestimmungen auch ent⸗ sprechen werde. Kommt er dem nicht nach dann freilich wird er sich nicht wundern dürfen, wenn beim näͤchsten Fall die Behörde nicht mehr dieselbe Zurückhaltung beobachtet, wie es sonst üblich ist.

Bei einer solchen Handhabung hat es bisher in Preußen zu be⸗ rechtigten Klagen über die Ausführung des Jesuitengesetzes bis jetzt nicht geführt bei der Zentralinstanz sind wenigstens solche Klagen nicht laut geworden —, und wenn ich Ihnen wiederhole, daß durch den Bundesratsbeschluß irgend etwas an der preußischen Praxis nicht geändert worden ist, so werden Sie mir zugeben, daß man annehmen darf, daß auch in Zukunft solche Beschwerden nicht hervortreten werden; denn es besteht durchaus die Absicht, das Jesuitengesetz in Zukunft ebenso zu handhaben wie bisher: ohne jede Kleinlichkeit, ohne jede Schikane, und nur dasjenige zu verlangen, was nach dem Gesetz und nach den Ausführungsbestimmungen verlangt werden muß. Ich glaube also, Sie, meine Herren vom Zentrum, werden sich gegen das Gesetz selber von Ihrem Standpunkt aus nach wie vor wenden, aber berechtigte Klagen bezüglich seiner Ausführung in Preußen werden Sie auch in Zukunft ebenso wie bisher nicht erheben können. (Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die Etatsjahre 1911 und 1912 haben außerordentlich günstige Ergebnisse gebracht, sodaß aus den etatisierten Fehlbeträgen sogar ein bedeutendes Plus geworden ist. Wenn der Abg. Winckler deshalb den Ausgleichsfonds gerühmt hat, so sind gerade der Abg. Winckler und seine Freunde etwas spät zu dieser Erkenntnis gekommen, denn sie haben früher unseren Vor schlägen, die Verwendung der Eisenbahneinnahmen für Staatszwecke zu begrenzen, lebhaft widersprochen. Ich freue mich, wenn jetzt auch die Konservativen ihr volles Einverständnis damit betont haben. Daß auch das Jahr 1912 em überaus günstiges Ergebnis gehabt hat, kann ich mit gewisser Genugtuung konstatieren, denn der Finanz⸗ minister hat mir im vorigen Jahre vorgeworfen, daß ich die Ver⸗ hältnisse geflissentlich viel zu günstig darstelle. Ich will mich aber durchaus nicht rühmen, daß ich de Verhältnisse richtiger beurteilt habe als der Finanzminister. Man sollte solche Prophezetungen überbhaupt unterlassen; in wirtschaftlichen Dingen ist es überaus schwer, etwas vorauszusagen. Deshalb sollte auch der Finanzminister nicht immer an die Wand malen, daß das Bild im nächsten Jahre schlechter sein werde. Wir sollten uns lediglich nach den letzten Jahren richten und in Ruhe abwarten, was uns die Zukunft bringen wird. Der Nachtragsetat beeinflußt allerdings wieder das günstige Ergebnis des Jahres 1912. Die Forderungen des Nachtragsetats sind allerdings durchaus zweck⸗ mäßig und notwendig. Ich muß doch entschieden der Art der Finanzierung widersprechen; die 60 Millionen für Eisenbahnanlagen sollen aus dem Ausgleichsfonds genommen werden und der Finanz minister meint, daß der Ausgleichsfonds diese Schwächung sehr gut ertragen könne. Damit folgt er bedauerlicherweise der Finanzpolitik seines Vorgängers, der den Ausgleichsfonds von 1903 auch vorzeitig verwendet hat. Damit wird der ganze Zweck des Ausgleichsfonds, für Ausfälle Deckung zu schaffen, beseitigt. In dem Etatsvermerk steht allerdings, daß der Ausgleichsfonds nach Maßgabe des Gesetzes von 1903 verwendet werden soll. Aber wir haben üͤberfehen, daß das ge⸗ ändert werden muß, und ich selbst bin mitschuldig, es übersehen zu haben. Der Vermerk gibt dem Finanzminister formell ein Recht, so zu verfahren. Aber um so mehr muß ich dagegen Widerspruch erheben. Der Finanzminister sagt, diese Mittel dürften nach dem ge⸗ troffenen Abkommen jedenfalls nicht aus Anleihen genommen werden. Das ist richtig, aber man muß doch fragen, ob nicht gerade um⸗ gekehrt diese Mittel rechtzeitig hätten in das Ordinarium ein⸗ gestellt werden müssen. Solche Bahnhofsbauten gehören in das Ordinarium. Diese Ausgaben für Bahnunterhaltung und Er⸗ neuerung sind nur mit Rücksicht auf die Polttik des Betriebs⸗ koeffizienten nicht genügend dotiert worden, sonst wäre der ganze Nachtragsctat nicht nötig. Wenn nach einer Zeitungs⸗ korrespondenz buchmäßige Ausgaben überschritten sind, so muß ich fragen, woher die Mittel dazu gekommen sind: es scheint, als ob Summen verwendet sind, die im Jahre vorher nicht zur Ver⸗ wendung gekommen sind. Diese Summen hätten als Etatsüber⸗ schreitungen oder außergewöhnliche Ausgaben angerechnet werden müssen. Für Verwendungen außerhalb des Etats muß der Eisenbahnminister immer die Genehmigung des Finanzministers einholen und dadurch entstehen Verzögerungen; es muß deshalb zu dem alten Verfahren zurückgekehrt werden, daß den Bedürfnissen des Ordinariums voll⸗ kommen Rechnung getragen wird. Nach den Erklärungen im Reichs⸗ tag seitens der Regierung über den Wagenmangel scheint es, als ob 68 zische Eisenbahnverwaltung alles Nötige wunderschön getan

diese Erklärungen haben bei dem Grafen Kanitz Zu⸗ gefunden. Graf Kanitz ist mit einem Male aus einem Saulus ein Paulus geworden und hat ein Loblied den Wasserstraßen gesungen. Ich freue mich, daß die Kanalpolitik endlich die An⸗ erkennung der Konservativen findet, aber sie widerspricht doch den Tendenzen, die die Herren hier verfolgen, z. B. beim Schlepp⸗ monopol. Wenn die Wasserstraßen voll ausgenutzt werden sollen, muß man sich gegen das Schleppmonopol erklären. Wie denkt sich nun der Abg. Winckler das Handinhandgehen von Landwirtschaft und Industrie? Die Ausrüstung der Eisenbahnen mit Betriebsmitteln hat mit der Steigerung des Verkehrs nicht gleichen Schritt gehalten. Im Reichstag hat uns der Regierungsvertreter gesagt, daß, wenn alle Wünsche befriedigt werden sollten, Unsummen dazu gehören würden, die gar nicht verbaut werden könnten. Wozu bewilligen wir jährlich so viele Millionen, wenn sie nicht verbaut werden können. Der Cisenbahnminister hat noch offene Kredite über eine Milltarde zur Verfügung. Es ist nicht konstitutionell, daß man diese hohen Kredite bewilligt und gar nicht weiß, wann sie verwendet werden. Die Anleihen müßten in den Etat selbst eingestellt werden, dann müßte auch die Bauverwaltung im Eisenbahnministerium reorgani⸗ siert werden, damit sie imstande ist, die Bausummen zu verwenden. Die Konjunktur ist sogar günstig trotz der in Europa herrschenden Wirren. Ich muß gerechterweise hervorheben, daß unsere Reichsbank den Z nsfuß nicht ohne Not hochgehalten hat. Wenn auch der Zins⸗ fuß hoch gewesen ist so hat die Reichsbank doch dafür gesorgt, daß der Zinsfuß ein stetiger gewesen ist, und daß genügend Gold vorhanden war. Ich habe zu dem Reichsbankpräsidenten genügend Vertrauen. Aber doch muß ich den Wunsch aussprechen, daß er den Zinsfuß, wenn es irgendwie möglich ist, herabsetzt, damit der schwere Druck, der auf den kleinen Gewerbetreibenden lastet, verschwindet. Der Finanzminister will in der Schuldentilgung ein schnelleres Tempo einführen. Der Finanzminister sagt, daß, wenn wir mit der Schuldentilgung so fort⸗ fahren, wir nach 231 Jahren unsere Schulden getilgt hätten. Jeder Nationalökonom bekommt berdiesen Worten eine Gänsehaut. Der Finanz⸗ minister sagt, eine richtige Finanzpolitik müsse danach traͤchten, das Anlagekapital der Eisenbahnen abzuhauen. Diese Politik balte ich aber für verfehlt und unrationell. Der Staat kann die Schulden nur dadurch tilgen, indem er der Gegenwart erhebliche Steuern auf⸗ erlegt. Schreibt denn etwa eine Aktiengesellschaft ihr Aktienkapital ab? Das wäre ja zwar sehr erfreulich für die Aktionäre. Im privaten Wirtschaftsleben ist es ja natürlich angebracht, die Schulden zu tilgen, um damit das Vermögen leichter zu vermehren, aber bei den Staatsfinanzen wird kein vernünftiger Mensch daran denkén, das gesamte Eisenbahnkapital jemals zu tilgen, denn das wäre keine an⸗ gemessene Abschreibung, sondern eine nicht rationelle Vermehrung des Vermögens. Man soll aber nur die Ueberschüsse zur Vermögens⸗ vermehrung verwenden. Man darf uns nicht mit dem Vorwurf kommen, daß wit zur Ausnutzuug der Eisenbahnen etwas Plusmacherei betreiben wollten. Wir wünschen nichts mehr aus der Eisenbahn herauszuziehen, als möglich ist. Es kommt uns auch nicht darauf an, daß der Ausgleichsfonds eine ungeheure Höhe erreicht, sondern wir sind nur für einen wirksameren und größeren Ausbau der Betriebsmittel. Gegenüber der ständigen Verkehrszunahme ist bisher für die Vermehrung unserer Arbeiter⸗

kräfte im Staatsbahnbetrieb leider nicht genügend gesorgt worden.

Aus den Angaben, die über die vorgesehene Vermehrung des Personals im Etat gemacht sind, läßt sich nicht ersehen, ob die Vermehrung gleichen Schritt hält mit der Verkehrszunahme. Die gesepliche Gleichstellung der Eisenbahnassistenten mit den Reichreisenbahn⸗ assistenten ist bereits durch eine Resolution des Hauses ge⸗ sordert worden. Das würde zwar eine Durchbrechung des Besoldungsgesetzes sein, aber sie muß doch vorgenommen werden. Trotzdem der Minister es abgelehnt hat, möchte ich ihn doch bitten; der Prüfung der Frage der Erweiterung der technischen Eisenbahnkommissionen noch einmal naher zu treten.

Wir besitzen das beste Beamtenmaterial der ganzen Welt, und das müssen wir zu würdigen und uns zu erhalten wissen. Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Frage der Altpensionäre nur gesetzlich geregelt werden kann. Man darf sie nicht einfach bloß auf Unterstützungen verweisen. Selbst bei diesen Unterstützungen ist auch nicht so verfahren worden, wie es das Haus seinerzeit wollte. Unsere Resolution ging einmal dahin, daß kein besonderer Antrag notwendig wäre, weil wir meinen, daß das Stellen eines Antrages immer etwas Bedrückendes hat und sich viele dadurch ab⸗ schrecken lassen. Es entspricht auch der Resolution nicht, daß Zu⸗ wendungen nicht fortlaufend gewährt werden, sondern daß alljähr⸗ lich neue Gesuche an die Behörden eingereicht werden sollen. Bei unserem Verlangen nach Teuerungszulagen haben wir nicht ledig⸗ lich eine Unterstützung im Sinne gehabt. So erfreulich auch die Er⸗ höhung des dafür vorgesehenen Betrages ist, so ist damit doch nicht dem Wunsche des Hauses Genüge geschehen. Der Finanzminister meinte, Teuerungszulagen hätten etwas außerordentlich Mißliches, man könne sie, wenn sie einmal gewährt seien, nicht wieder nehmen. Ich erinnere da nur an die Einziehung der Stellenzulage bei der neuen Besoldungsordnung, die doch einen viel größeren Umfang hatte. Wenn wir allerdings ihren Umfang geahnt hätten, dann hätten wir ohne ausgleichende Gehaltszulagen in sie nie eingewilligt. Den Mmnister für öffentliche Arbeiten möͤchte ich doch bitten, jetzt bald auch etwas für die Oder zu tun, wo man doch so viel für die Regulierung der Wasserstraßen im Westen tut. Auch die Mainkanalisation koͤnnte mehr gefördert werden. Nachdem sich selbst Graf Kanitz in einem so günstigen Sinne für eine Ausgestaltung der Wasserstraßen ausgesprochen hat, da hätte man doch erwarten müssen, daß der Minister den Anregungen Folge geleistet hätte. Das Nichtwiedereinbringen der Wahlrechtsvorlage bedauern wir außer⸗ ordensich. Das preußische Wahlrecht kann nicht so bleiben, wie es ist. Ein absolut demokratisches Wäahlrecht wollen auch wir nicht, aber die notwendigen Reformen müssen gemacht werden. Die Re⸗ gierung meint, sie könne jetzt von einer Einbringung absehen, weil sie doch keine Mehrheit findet, die Regierung soll aber nicht bloß den Parteien nachlaufen, sondern sie fuhren. Die Regierung muß sich ihre Majorität verschaffen durch eine emsine Tät gkeit und werbende Kraft. Sie darf die Hände nicht in den Schoß legen. Wir werden noch einmal unter dem alten Wahlsystem wählen. Ich hoffe aber, daß es das letzte Mal ist, und es eine der ersten Taten der Regierung sein wird, uns eine neue Wahl⸗ vorlage zu machen. Für eine der wichtigsten Aufgaben halten wir auch Bestimmungen über die Vereinigung von Gutsbezirken mit Landgemeinden. Notwendig sind aber auch solche über die Ver⸗ einigung von Gutsbezirken mit einigen Städten. Das sind Aufgaben, die nicht länger auf sich warten lassen duͤrfen. Herr von Zedlitz hat seine ganz besondere Aufmerksamkeit der Entlastung der Gemeinden gewidmet. Er müßte deshalb auch in diese Zusammenlegung ein⸗ willigen, die den Erfolg haben dürfte, verringernd auf die Kommunal⸗ lasten einzuwirken. Auch die Kreisordnung muß geändert werden. Bei dem jetzigen System hat der Großgrundbesitz einen zu großen Einfluß. Unser Oberhaus ist auch reformbedürftig. Wir wollen allerdings nicht in der Weise, wie es beim englischen Oberhause geschehen ist, die andere Kammer in ihren Rechten beeint ächtigen. Die Zu⸗ sammensetzung des Herrenhauses entspricht aber beute nicht mehr den politischen und wirtschaftlichen Verhä tnissen. Vor mir liegt die Broschüre einer bedeutenden preußischen Handelskammer. In ihr wird nachgewiesen, wie wenig Handel und Industrie in unserem Herrenhause vertreten ist. Für die Berechtigung der jetzigen Zu⸗ sammensetzung des Herrenhauses wird die Notwendigket angeführt, daß man hervorragend tüchtige Kräfte aus allen Kreisen heran⸗ ziehen müsse. Aber diese Kreise haben gar nicht die Möglichkeit, bei Auswahl der betreffenden Persönlichkeit mitzustimmen. Es müßten nicht nur Vertreter des Arbeiterstandes und des Handwerks, sondern ganz besonders auch solche der intellektuellen Kreise vor⸗ handen sein. Das kann geschehen, ohne die Rechte des Oberhauses zu schmälern. Der Gedanke, ein Oberhaus zu schaffen, ging ja bei uns in Preußen von solchen Erwägungen aus. Die zur Förderung der Viehzucht eingestellten Summen halte ich für viel zu gering, namentlich wenn man in Betracht zieht, was andere Länder dafür auswerfen. Nun ist uns allerdings eine Vorlage in Aussicht gestellt,

die weitere Mittel aufbringen soll. Hoffen wir, daß dadurch wirklich

unser Viehstand so vermehrt wird, daß eine Linderung der Fleischnot eintritt. Vielleicht sind deswegen noch andere Maßnahmen zu er⸗ greifen, z. B. vorübergehende Milderungen in den Bestimmungen des § 12 des Fleischbeschaugesetzes. Der Frage der Abwanderung der Be⸗ völkerung vom platten Lande in die Städte muß erhöhte Aufmerkfam keit geschenkt werden. Das liegt sowohl im Interesse des Mittel⸗ standes, wie ganz besonders in dem Interesse der inneren Kolonisation. Um letztere zu fördern, sollte man an den großen Domänen nicht vorbeigehen und sie durch Aufteilung für diesen Zweck nutzbar machen Schon der Finanzminister von Rheinbaben hat uns ein Fideikommiß⸗ gesetz in Aussicht gestellt, aber wir haben es bis heute noch nicht. Die Fideikommisse werden vielmehr besonders gefördert. In der Polenpolitik müßten wir endlich mit der Enteignung der großen fidekommissarischen Besitztümer, deren Inhaber im Auslande leben, beginnen. Die Angriffe des Grafen Praschma auf den Ostmarken⸗ verein sollen wohl nur die Aufmerksamkeit davon ablenken, wie eigentümlich das Verhalten des Zentrums in dieser nationalen Frage ist. Ich erkenne dankbar an, daß der Finanzminister fach⸗ männische Steuerkommissare anstellen will, und wünsche, daß er auf diesem Wege weiter fortschreitet. Wir sind ferner darüber erfreut, daß die Jugendpflege auf das weibliche Geschlecht ausgedehnt werden soll. In bezug auf die Museumsbauten in Berlin sehen wir einen eigentümlichen Kampf zwischen zwei Ressorts, der Museums⸗ verwaltung und dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten, und in den Zeitungen wird das eine gegen das andere mobil gemacht. Die wichtigste Frage ist für uns, daß in dieser Sache ganz enorme Summen verschlungen werden. Es muß recht bald Aufklaärung über die Sache geschaffen werden. Graf Praschma hat die Jesuitenfrage angeschnitten. Ich habe volles Verständnis für den Seelenzustand des Grafen Praschma, aber er hat die Schuld verschoben. Das Jesuitengesetz besteht seit langem, und jahraus jahrein ist bis auf den Zentrumsantrag, den man alljährlich über sich 8 gehen lassen muß, alles ruhig gewesen, da kommt der baverische Mi isterpräsident und wirft von neuem den Zündstoff in das Volk. Graf Praschma mag die Empfindlichkeit der protestantischen Seite verurteilen, das ist sein gutes Recht. Aber die Empfindlichkeit ist einmal vorhanden, und sie ist berechtigt. Das bestehende Gesetz muß unter allen Umständen geachtet werden. Wenn man ein Gesetz nur dann befolgen will, wenn man es für berechtigt hält, dann eröffnet man einem Individualismus Tür und Tor, der mit dem Staats⸗ gedanken nicht vereinbar ist. Daß der Erlaß nicht von Herrn von Hertling, sondern von dem früheren Kultusmintster ausgegangen ist, aͤndert an der Verantwortung Hertlings nichts; er hätte den Erlaß ja nicht auszugeben brauchen. Dieses erste ultramontane Ministerium Gen oder ich kann sagen Zentrumsministerium hat eine merkwürdige politische Ungeschicklichkeit bewiesen in dieser und in anderen Fragen. Das ist nicht einladend, weitere Erperimente mit diesem Ministerium zu machen, und deshalb sollte Graf Praschma es seine Wege selbst gehen lassen. Graf Praschma meint, ein katholischer Minister müsse seiner katholischen Ueberzeugung Ausdruck geben. Es hat aber katholische Minister gegeben, die dem Zentrum recht wenig gefallen

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haben, und die nicht so verfahren sind, wie Herr von Hertling, der sein Ministerium damit beginnt, daß er die Brandfackel in das Volk wirft. Graf Praschma beruft sich auf Delbrück, aber es ist wohl mancher hier unter uns, der die Ausführungen des Herrn Delbrück mit

Kopfschütteln vernommen hat. Wietschaftliche und religiöse Fragen müssen voneinander getrennt werden. Wenn ich als Professor der National⸗ ökonomte meinen Hörern meine religiöse Ueberzeugung zum Ausdruck gebracht hätte, so würde das Zentrum zuerst dagegen protestiert haben. Graf Praschma meint weiter, wir hälten kein Verständnis für die Bedürfnisse der katholischen Kiche. Die Verantwortung des Ober⸗ hauptes der katholischen Kirche mit seinen int rnationalen Beziehungen zu anderen Staaten für den konfessionellen Frieden ist eine ganz be⸗ sondere. Von unserer Regierung ist doch anzunehmen, daß sie über die Bedürfnisse der katholischen Kirche Bescheid weiß, sie wird doch durch den Gesandten informiert. Wenn auch das Reichsgesetz über die Jesuiten gefallen ist, so bleibt doch die ganze partikulare Gesetzgebung, die in katholischen Ländern sehr viel schärfer ist als in Preußen. In Preußen ist gerade die katholische Kirche in einer günstigen Lage, denn schon das Gefühl einer anderen Konfession möglicherweise unrecht zu tun, hält von z

großer Schärfe ab. Der Kampf, der jetzt durch das Jesuitengesetz hineingetragen ist, ist nicht vom preußischen Volke ausgegangen, auch nicht von der preußischen Regierung, sondern ist aus dem Süden Deutschlands gekommen, und das ist ein schwerer Vorwurf. Ueber den inneren Streit in der evangelischen Kirche sollte Graf Praschma nicht reden; wir Evangelischen haben das Recht, das Gewissen als Prüfstein für die Dogmen zu nehmen, die Katholiken sind aber an ihre Dogmen gebunden. Ich gestehe dem Grafen Praschma nicht das Recht zu, diejenigen, die in der evangelischen Kirche zur freieren Richtung gehören, zu beschuldigen, daß sie den Kampf gegen den Glauben führen. Ich habe früher nicht wahrgenommen, daß das Zentrum auf konservativer Basis steht, auch nicht auf liberaler, sondern auf ultrademokratischer. Ich will cs aber an der Durchdringung mit konservativem Geiste nicht hindern. Was wir verlangen, das ist die Anpassung der Steuerleistung an die gesamte Finanzlage. 1

Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow:

Meine Herren! Von den Etatsrednern aus dem Hause haben die beiden ersten die Ausstandsbewegung an der Saar berührt. Herr Abg. Winckler hat von mir Auskunft erbeten über die Ursache und den Stand dieser Bewegung. Ich möchte gleich den ersten Tag der Etatsberatung benutzen, diese Auskunft zu erteilen, da ja diese Frage wohl ein allgemeines Interesse für alle Parteien des Hauses besitzt.

Der Ausgangspunkt der Bewegung fällt und das ist eine von den vielen Eigentümlichkeiten, die sie von anderen Streikbewegungen unterscheiden, in einen Zeitpunkt, in dem die staatliche Saar bergbauverwaltung den Wünschen der Saarbergleute ein ganzes Teil nach zwei Richtungen entgegengekommen war: einmal, indem sie in Erfüllung eines alten und oft vorgebrachten Wunsches der Saarberg⸗ leute die Schlepperzeit, das heißt die Zeit, welche die jungen Berg⸗ leute als Schlepper durchmachen müssen, ehe sie in die Hauer⸗ stellung übertreten, um zwel Jahre verkürzte, von 8 auf 6 Jahre. Der zweite Punkt, in dem sie das Entgegenkommen betätigte, war, daß die Bergverwaltung seit dem Beginn des Jahres 1912 mit der Erhöhung der Löhne allmählich vorgegangen war. Die Abkürzung der Schlepperzeit machte nach den gesetzlichen Bestimmungen eine Aenderung der Arbeitsordnung notwendig, und diese Gelegenheit be⸗ nutzte die Bergwerksdirektion in Saarbrücken, um noch einige andere Bestimmungen der Arbeitsordnung formell zu ändern, nämlich so, daß sie mit der bis dahin tatsächlich geübten Praxis, die mit dem Wort laut der Arbeitsordnung nicht in Uebereinstimmung, im übrigen aber seitens der Belegschaften nie beanstandet war, in Harmonie gebracht wurde. . Was die Lohnsteigerung betrifft, so waren unverkennbar Fortschritte im Sinne der Arbeiter erzielt worden. Von dem Tiefstand der Löhne an der Saar im Jahre 1909, der im Durchschnitt für sämtliche Arbeiter pro Schicht 3,96 betrug, war bis Anfang Oktober des Jahres 1912 ein Auf⸗ stieg auf 4,21 erzielt. Wenn man die Durchschnittslöhne der Hauer und der Gedingeschlepper in Betracht zieht, deren niedrigster Stand im Jahre 1910 450 betrug, so war auch dieser Durch⸗ schnitt im Oktober 1912 auf 4,82 gestiegen. Damit hatten die Durchschnittslöhne sowohl der sämtlichen Arbeiter wie auch der Hauer und der Gedingeschlepper einen höheren Stand erreicht als jemals zuvor, hatten den höchsten Stand des Jahres 1908 in beiden Kategorien um etwa 20 pro Schicht überstiegen.

Eine weitere Steigerung hatte der Oktober 1912 gebracht: beim Durchschnitt sämtlicher Arbeiter auf 431 ℳ, beim Durchschnitt der Hauer und Gedingeschlepper auf 4,93 ℳ. Noch günstiger zeigte sich die Entwicklung, wenn man die wichtigste Kategorie der Bergarbeiter, der Hauer allein, in Betracht zog. Während im Jahre 1910 nur 7,84 % aller Hauer mehr als 5,40 pro Schicht Lohn bezogen haben, war dieser Prozentsatz im Jahre 1911 auf 12 und im Oktober 1912 auf 28 ½⅝ % sämtlicher Hauer gestiegen; 28 69 % aller Hauer bezogen im Oktober 1912 einen Gedingeverdienst von mehr als 5,40 ℳ.

Wenn die Bergwerktdirektion nicht noch rascher vorgegangen war, so lag das in den Einnahmeverhältnissen des Saarbergbaues. Der Preis der Saarkohle war noch im Oktober vorigen Jahres um 50 pro Tonne niedriger als im Jahre 1910; die Preisbesserungen haben sich zufolge laufender alter Kontrakte erst mit dem Beginn dieses Jahres verwirklichen lassen; immerhin war auch dem Saarbergbau durch die Folgen des englischen Streiks, durch die Folgen des Ruhr⸗ streiks die Möglichkeit gegeben, größere Vorräte abzustoßen, einen flotteren Absatz einzuleiten und dadurch vorteilhafter zu arbeiten.

Wenn man sich nun fragt: wie kam es, daß bei der im Sinne der Bergarbeiter zunehmenden Besserung, bei dem evident betätigten Entgegenkommen der staatlichen Verwaltung an der Saar gerade jetzt ein Streik einsetzte? so muß man auf die Verhältnisse des Gewerkvereins christlicher Bergarbeiter Rücksicht nehmen. Dieser Gewerkverein hatte in seinem Mitgliedsstande erhebliche Embuße er litten, teils infolge des Verhaltens der christlichen Gewerkvereinler beim Ruhrstreik, teils auch wegen verschiedener Unstimmigkeiten, die sich bei den Reichstagswahlen an der Saar zwischen den beiden Seiten, der katholischen und der evangelischen, dieses Gewerksvereins herausge lellt hatten; er war an der Saar nach den Zahlen, die ich

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