1913 / 12 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Jan 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Personalveränderungen.

Königlich Preußische Armeer.

8 Oßffiziere, Fähnriche usw. 8

Neues Palais, 9. Januar. v. Pappritz, Gen. Major und Kommandeur der 5. Kav. Brig., vom 15. d. M. ab zur Vertretung des beurlaubten Kommandanten von Königsberg i. Pr. kommandiert.

Im Veterinärkorps. Durch Verfügung des Kriegsministeriums.

Den 30. Dezember. Vom 1. Januar 1913 ab mit Wahrnehmung offener Veterinärstellen beauftragt: die Unterveterinäre bei der Militär⸗ veterinärakademie: Kunzen dorf beim Leibkür. Regt. Großer Kurfürst (Schles.) Nr. 1, Hahn beim Regt. der Gardes du Corps, Honig⸗ mund beim Westfäl. Drag. Regt. Nr. 7, Dr. Behn beim 1. Pomm. Feldart. Regt. Nr. 2, Pahlen beim 2. Niederschles. Feldart. Regt. Nr. 41, unter gleichzeitiger Versetzung zu diesen Truppenteilen.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Geheimen Registrator beim TT““ Ober⸗ kirchenrat August Weckmann i lin den Charakter als Rechnungsrat zu verleihen. ““

““ 1“

Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten. Dem Frauenarzt, Sanitätsrat Dr. med. Theodor Landau

in Berlin und . dem Sanitätsrat Dr. med. Hans Woßidlo in berg ist das Prädikat Professor beigelegt worden.

Schöne

1“

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Die Oberförsterstelle Lahnstein im Regierungsbezirk Wiesbaden ist voraussichtlich zum 1. April 1913 zu besetzen; Bewerbungen müssen bis zum 1. Februar eingehen.

d⸗

Bekanntmachung. 3

Alle diejenigen jungen Männer, welche in einem der zum Deutschen Reich gehörigen Staaten heimatsberechtigt und

1) in dem Zeitraum vom 1. Januar bis einschließlich

31. Dezember 1893 geboren sind,

2) dieses Alter bereits überschritten, aber sich noch nicht

bei einer Ersatzbehörde zur Musterung gestellt,

3) sich zwar gestellt, über ihr Militärverhältnis aber

noch keine endgültige Entscheidung erhalten haben

und gegenwärtig innerhalb des Weichbildes iesiger Residenz sich aufhalten, werden, soweit sie nicht von der persönlichen Gestellung in diesem Jahre entbunden sind, hierdurch dj Grund des § 25 der Deutschen angewiesen: si behufs ihrer Aufnahme in die Re rutierungsstammrolle in der Zeit vom 15. Januar bis 1. Februar d. J. wähdend der Stunden von Vormittags 8 bis Nachmittags 7 Uhr (Sonntags bis Mittags 12 Uhr) im Geschäftsraume des 8 ihre Wohnung zuständigen Polizeireviers persönlich zu melden und ihre Geburts⸗ oder Losungsscheine und die etwaigen sonstigen Atteste, welche bereits ergangene Entscheidungen über ihr Militärverhältnis enthalten, mit zur Stelle zu bringen.

Die Geburtszeugnisse werden von den Standesämtern ausgestellt.

Für diejenigen hiesigen Militärpflichtigen, welche zurzeit abwesend sind (auf der Reise befindliche Handlungsgehilfen, auf See befindliche Seeleute ꝛc.), haben die Eltern, Vormünder, behr⸗ Brot⸗ und Fabrikherren die Anmeldung in der vor⸗ bestimmten Art zu bewirken.

Wer die vorgeschriebene Anmeldung versäumt, wird nach § 33 des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 mit einer Geldstrafe bis zu 30 oder mit Haft bis zu 3 Tagen bestraft.

Reklamationen (Anträge auf bezw. Befreiung von der Aushebung in Berücksichtigung bürgerlicher Verhält⸗ nisse S 32 2a-g der Deutschen Wehrordnung —) sind be⸗ züglich aller Militärpflichtigen, auch der Einjährig⸗Freiwilligen, vor dem Musterungsgeschäft, spätestens aber im Musterungs⸗ termine anzubringen; nach der Musterung angebrachte Reklamationen werden nur dann berücksichtigt, wenn die Ver⸗ anlassung zu denselben erst nach Beendigung des Musterungs⸗ geschäfts entstanden ist.

Flin den h. amar 1913.

Die Königlichen Ersatzkommissionen der Aushebungsbezirke Berlin. Frommel.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich. Berlin, 14. Januar 1913.

8

Preußen. Seine Majestät der Kaiser und König statteten gestern vormittag, wie „W. T. B.“ meldet, dem Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg einen Besuch ab. Heng⸗ vormittag 1” Seine Majestät im Neuen Palais bei Potsdam den

ortrag des Chefs des Militärkabinetts, Generals der In⸗ fanterie Freiherrn von Lyncker.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin empfingen gestern, Nachmittags, im hiesigen Königlichen Schlosse Ihre urchlaucht die Herzogin von Ratibor und Prinzessin⸗Tochter, Ihre Durchlaucht die Püecngelshe Friedrich Carl zu Hohenlohe und Prinzessin⸗Tochter sowie Ihre Durchlaucht die Prinzessin von Arenberg und Prinzessin⸗Tochter.

Der letzte Empfang vor der Cour bei der Oberhof⸗

eisterin Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin Gräfin von Brockdorff hat am Montag, dem 13. Januar, statt⸗

efunden. Am Tage der Cour, dem 16. Januar, findet kein

ömpfang statt. Vom Montag, dem 20. Januar ab ist die Gräfin von Brockdorff Montags und Donnerstags von 3 bis 5 Uhr zu Hause.

Der chilenische Gesandte Augusto Matte hat Berlin ver⸗ lassen. Während seiner Abwesenheit führt der erste Legations⸗ sekretär Gana Serruys die Geschäfte der Gesandtschaft.

8

4

8 8 Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 11. d. M. S. M. S. „Hertha“ in Alexandrien, S. M. Tpdbt. v

n Tschingkiang, S. M. S. „Victoria Louise“ in Barbados in Tsingtau eingetroffen.

und S. M. S. „Leipzig“

11

Großbritannien und Irland.

Die Botschafterkonferenz ist gestern nachmittag im Auswärtigen Amt zusammengetreten.

Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, haben sämtliche Großmächte dem Wortlaut der beabsichtigten Mitteilung an die Türkei zugestimmt. Die Note soll unverzüglich in Konstantinopel überreicht werden. Aus diplomatischen Kreisen erfährt das genannte Bureau, daß die Note kurz aber bestimmt sei und ohne Umschweife auf das Ziel losgehe. Sie weise die Pforte klar und ernsthaft auf die Notwendigkeit hin, Adrianopel abzutreten und die Frage der ägäischen Inseln der Entscheidung der Mächte zu überlassen. Andere Fragen seien darin nicht berührt worden.

Der Präsident der bulgarischen Sobranje Dr. Danew hatte gestern vormittag mit dem rumänischen Gesandten Mischu eine Unterredung, nach der dieser, obiger Quelle zufolge, er⸗ klärte, daß zwischen Rumänien und Bulgarien keine Frage be⸗ stehe, die nicht leicht geregelt werden könne.

Die Spezialdebatte über die Homerule⸗Bill ist gestern im Unterhause beendet worden. Die Beratung der Vorlage hat über vierzig Tage in Anspruch genommen und ist dgeseas von der Niederlage der Regierung im November nicht sehr ereignisreich gewesen. In den hauptsächlichsten Be⸗ stimmungen der Bill ist, wie „W. T. B.“ meldet, keine wesent⸗ liche Aenderung getroffen worden. Die wichtigste Abänderung, die beschlossen wurde, betrifft die Einführung des Grundsatzes der Proportionalvertretung bei den Wahlen für den trischen Senat und in gewissen Bezirken bei den Wahlen für das irische Unterhaus.

Der vorläufige Bericht der parlamentarischen Studien⸗ kommission, die zur Prüfung des geplanten Abkommens mit der Marconi⸗Gesellschaft für die Errichtung von Funkenstationen über das ganze Reich eingesetzt worden ist, erklärt laut Meldung des „W. T. B.“, daß angesichts der Dringlichkeit der Angelegenheit für das Reich diejenigen Stationen, die in dem Abkommen vorgeschlagen seien, errichtet werden müßten, und spricht deshalb die Ansicht aus, daß, welches System schließlich auch zur Verwendung gelange, sofort Schritte unternommen werden müßten, um Ländereien zu erwerben, die für Marconi⸗Stationen geeignet seien. Der Bericht empfiehlt weiter die Bildung einer technischen Kommission zum Studium der verschiedenen funkentelegraphischen Syste

Frankreich. 11“ 8

In einer unter dem Vorsitz des Senators Com bes gestern abgehaltenen Versammlung der demokrat ischen und sozialistisch⸗radikalen Linken des Senats wurde, wie W. T. B.“ meldet, das Bedauern darüber ausgesprochen, daß die Regierung so lange die reaktionäre Politik Millerands ge⸗ duldet habe. Eine Resolution wurde nicht angenommen, nach⸗ dem Clemenceau erklärt hatte, es sei Sache des Kongresses, über die Haltung der Regierung ein Urteil zu ällen. Die Versammlung beschloß, auf Grund gewisser Enthüllungen durch 1“ den Fall du Paty de Clam weiter zu unter⸗ uchen. Die von der französischen Regierung nach den Antillen und der Insel Haiti entsandte Kommission, die die Frage der anläßlich der Eröffnung des Panamakanals auszuführenden Arbeiten prüfen sollte, hat nunmehr ihren Bericht er⸗ stattet. In diesem wird, obiger Quelle zufolge, erklärt, daß die Schiffe, die den Panamakanal passieren werden, eine mehr nördlich von den Antillen gelegene Route wählen dürften. Gleichwohl sei es angezeigt, die Häfen von Pointe⸗à⸗Pitre auf Guadeloupe und Fort de France auf Martinique zu verbessern. Die Kosten dieser Ausbauten werden auf etwa 8 ½ Millionen

Francs veranschlag Rußland.

Der Kaiser hat gestern den bulgarischen Finanzminister The odorow in Audienz empfangen.

Wie offiziell laut Meldung des „W. T. B.“ bekannt⸗ gegeben wird, hat der Kaiser den Beschluß des Ministerrats bestätigt, den russisch⸗chinesischen Handelsvertrag vom Jahre 1881 auf weitere zehn Jahre zu verlängern und die ihm beigefügten Bestimmungen, betreffend den zollfreien Handel auf russischem Gebiet innerhalb eines Rayons von 50 Werst längs der russisch⸗chinesischen Grenze, außer Kraft zu setzen.

M Elürkei.

Die in den letzten Tagen umlaufenden Gerüchte über einen beabsichtigten Putsch der Jungtürken haben gestern nach einer Meldung des „W. T. B.“ eine solche Ausdehnung angenommen, daß sogar die Polizeipräfektur ernstlich daran glaubte und die Hilfe des Militärs in Anspruch nahm, das zur Pforte, zum Kriegsministerium und anderen wichtigen Punkten eilte. Die Untersuchung konnte noch keinen Beweis dafür erbringen, daß wirklich ein Angriff auf die Pforte oder Kundgebungen beabsichtigt waren.

Rumänien.

Der österreichisch⸗ungarische Gesandte Prinz zu Fürsten⸗ berg, hat, wie „W. T. B.“ weldet, im Auftrage des Kaisers Franz Joseph als Zeichen der Dankbarkeit für den dem Chef des Generalstabs Conrad von Hötzendorf bei dessen Besuch in Rumänien bereiteten Empfang dem Ministerpräsi⸗ denten Majoresco, dem Chef des Generalstabs Avaresco und dem Kommandeur des Bukarester Armeekorps Craini⸗ ceano das Bildnis des Kaisers mit seiner eigenhändigen Unterschrift überreicht. Dem Generalsekretär des Ministeriums des Aeußern Cretzeano und dem Chef des Protokolls in demselben Ministerium Tresnea⸗Greciano wurde das Großkreuz des Franz⸗Josephordens verliehen.

chinesischen Auswärtigen Amt wurden heute zwei

Im Nach einer Meldung des „Reuter⸗

russische Noten überreicht.

5

mit dem Zahlungsaufschub bei den chinesischen Verbindlichkeiten aus dem Boxeraufstand nicht einverstanden sei, und stellt die Frage, wie China eine sofortige Zahlung des russischen Anteils zu bewerkstelligen gedenke. Die zweite Note erklärt, daß der große Umlauf von Papiergeld im Gebiete von Kuldscha, dem kein Gegenwert in Silber gegenüberstehe, den russischen Kaufleuten große Verluste bereite wegen der Ent⸗ wertung der Noten um ¼ des Nennwerts. Die Note fragt, wie China diesem Zustande abhelfen will. Das fragliche Papier⸗ geld stammt noch aus der Zeit der Mandschuregierung.

8

Nach Meldung 12. d. M. hat der seit acht Tagen herrschende hohe Seegang die Verproviantierung verhindert. Die Chiadma, die Lebens⸗ mittel nach Mogador brachten, wurden auf der Straße von Safi von Anhängern des Kaids Anflus angegriffen; einige von ihnen wurden verwundet.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Auf der Tagesordnung der heutigen (90.) Sitzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des

Delbrück beiwohnte, standen zunächst Anfragen.

Abg. Schmidt⸗Berlin (Soz.) fragte:

ob im Bundesrat die Absicht besteht, dier Verordnung vom 5. März 1902, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugend⸗ lichen Arbeitern in Glashütten, Glasschleifereien und Glasbeizereien sowie Sandbläsereien dahin zu ändern, daß der sanitäre Schutz für die Arbeiter und Arbeiterinnen erweitert und die Ausnahme⸗ bestimmungen, insbesondere die Erlaubnis zur Nachtarbeit, für die Jugendlichen Feaheee werden?

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Caspar: Der Ent⸗ wurf einer Verordnung über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten, Glasschleifereien und Glasbeizereien sowie Sandbläsereien liegt gegenwärtig dem Bundesrat zur Beschlußfassung vor. In diesem Entwurf ist eine wesentliche Einschränkung der bisher zugelassenen Ausnahmen auch inbezug auf die Nachtbeschäftigung vor⸗ gesehen. Dieses Verbot der Nachtarbeit bezieht sich auf eine ganze Reihe von Betriebsarten. Außerdem ist in dem Entwurf der neuen Verordnung vorgesehen, daß die zuständigen Behörden befugt sind, im Wege der Verfügung für einzelne Anlagen weitergehende Verordnungen zum Schutze der Arbeiter, insbesondere der jugendlichen Arbeiter, zu treffen. Ueber die neuen Bestimmungen ist mit den Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eingehend verhandelt worden.

Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp) fragte:

Ist die öffentlich aufgestellte Behauptung richtig, daß Verab⸗ redungen mit der römischen Kurie oder einer anderen Kirchenbehörde über die Besetzung von Lehrstellen der philosophischen Fakultät an der Universität Straßburg 1. E. nach konfessionellen Rücksichten bestehen?

Für den Fall der Bejahung dieser Frage: Was gedenken die verbündeten Regierungen zu tun, um die Aufhebung einer solchen Abmachung zu erlangen?

Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald: Das zwischen dem deutschen Reiche und der römischen Kurie für die wissenschaft⸗ liche Ausbildung der angehenden Kleriker in der katholisch⸗theologischen Fakultät an der Universität Straßburg abgeschlossene Ueber⸗ einkommen ist im „Reichsanzeiger“ im Jahre 1902 veröffent⸗ licht. Bei Abschluß dieses Uebereinkommens hat ein Notenwechsel stattgefunden, um anschließend an § 1 des Terxtes den Wirkungskreis der Fakultät gegenüber den bischöflichen Seminarien abzugrenzen. Hierbei ist von deutscher Seite als in der Natur der Sache liegend bezeichnet worden, daß für die Studierenden an der Fakultät Gelegenheit gegeben werde, Vorlesungen über Geschichte und Philosophie von katholischen Universitätslehrern zu hören. Die Note hat folgenden Wortlaut: (Der Redner verliest den fran⸗ zösischen Text.) Die gleiche Praxis wird an anderen deutschen Uni⸗ versitäten, der katholisch⸗theologischen Fakultät Breslau, Bonn, Muͤnster eingehalten und es besteht nicht die Absicht, hierin etwas zu ändern.

Abg. Henke (Soz.) fragte:

Haben Verhandlungen mit dem Norddeutschen Lloyd wegen des im Jahre 1914 ablaufenden Subventionsvertrages begonnen und wie weit sind sie gediehen? Beabsichtigt der Herr Reichs⸗ kanzler, die Verhandlungen auch auf andere Reedereien, und zwar 1 dem Gesichtspunkt der Mindestforderung für gleiche Leistungen auszudehnen?

Dtrektor im Reichsamt des Innern von Jonquidres: Wegen der Vorbereitungen über die gesetzliche Neuregelung des im Jahre 1914 ablaufenden Subventionsvertrages haben unverbind⸗ Uche Aussprachen mit dem Norddeutschen Llovd stattgefunden über die Wünsche, die einerseits bei der Reichsverwaltung be⸗ stehen, andererseits von dem Norddeutschen Lloyd für den Fall geltend zu machen sein würden, daß er mit der Fortführung des Unternehmens betraut werden sollte. Ob demnächst die Verhandlungen auch auf andere Reedereien, und zwar nach dem Gesichtspunkt der

läßt sich zurzeit nicht übersehen (Schluß des Blattes.)

In der heutigen (111.) Sitzung des H auses der Abgeordneten, welcher der Justizminister Dr. Beseler, der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Frei herr von Schorlemer und der Finanzminister Dr. Lentze beiwohnten, wurde zunächst eine Reihe von Petitionen, die von den Kommissionen für nicht zur Erörterung im Plenum ge⸗ eignet erachtet worden sind, ohne Debatte erledigt und dann die erste Beratung des Nachtrags zum Staatshaushalts⸗ etat für das Rechnungsjahr 1912 und des Staats⸗ 1“ für das Rechnungsjahr 1913 fort⸗ gesetzt. Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Man hat alle Ursache, dem Etat sehr kritisch gegenüberzustehen und dem Finanzminister schwere Vor⸗ würfe zu machen. Die Betriebsüberschüsse haben die Einnahmen aus den direkten Steuern überschritten. Die Regierung heimst hier Ge⸗ winne ein, die mit dem Schweiße der Aermsten der Armen getränkt sind. Interessant war die höhere Akrobatik des Finanzministers, mit der er einerseits die glänzende Finanzlage schilderte, andererseits aber die Klippe zu umschiffen suchte, die ihm die Steuerzuschlaͤge kosten kann. Im Reiche steht die berühmte Besitzsteuer in Aussicht. Die Finanzminister der einzelnen Staaten sind zusammen⸗ getreten, um eine Einigung zu erzielen. Das ist nicht geschehen, we preußen Widerstand geleistet hat gegen die einzig mögliche, dem Ge⸗ meinwohl nützliche Lösung, die Ein füßrung einer Erbanfallsteuer. Man kann sie haben, aber man muß sie dann aus den Händen der Sozial⸗ demokratie entgegennehmen. Das wollen die Konservativen, die Herren n Preußen, nicht. Die „Deutsche Tageszeitung“ sagt in ihrer hinterhältigen Art, sie wolle nicht, daß Herr von Bethmann über die Besitzsteuer stolpere. Damit will man nur den eigentlichen Zweck verschleiern. Wenn die preußische Regierung eine Wahlrechtsreform selbst in der 8 tausenk⸗

schen Bureaus“ weist die erste Note darauf hin, daß Rußland

fach verdünnten Lösung, die Minister von Dallwitz zum esten gab,

n des „W. T. B.“ aus Mogador vom

des

Ist der Herr Reichskanzler bereit, Auskunft darüber zu geben,

ausgekehrt werden,

Mindestforderung für gleiche Leistungen auszudehnen sein werden,

vürde.)

von Ihnen.

“]

aben will, dann mäͤßte sie mit allem Nachdruck darauf sehen, daß ie oppositionellen Elemente gegenüber den Konservativen und gegen⸗ ber dem Zentrum verstärkt werden. Das will die Regierung aber licht. Sie hat Angst, wie der Teufel vor dem Weihwasser, davor, nit der Sozialdemokratie irgendwie in Verbindung zu geraten. Deshalb werden wir auch im Reiche wieder in der Form einer steuer eine indirekte Steuer bekommen. Das sozialpolittsche

t des preußischen Staates und seiner Finanzen ist sehr merk⸗ vürdig. Die sozialpolitische Aufgeblasenheit ist sehr charakteristisch. zm Mittelpunkt steht diesmal als Schaustück jene 3 Millionen⸗ Spende zur Verstärkung des Unterstützungsfonds. Davon sind ganze 20000 für den gewaltigen Umfang der Berg⸗ und Hüttenbau⸗ verwaltung bestimmt. Die Verteilung derübrigen Summe ist dann so, daß nuchdabei wiederdie höheren und mittleren Beamtenam besten fortkommen. Im Eisenbahnetat sind für Arbeiter und deren Hinterbliebene im zanzen 2 400 000 aufgeführt, und dieser nicht einmal halbsogroße getrag wie bei den oberen Beamten ist trotz der teuren Zeit nicht um einen Pfennig erhöht worden. Der Februarerlaß erscheint dem⸗ ggegenüber nur noch als eine groteeke Erinnerung aus vergangener geit. Das Wort, daß die Staatsbetriebe Musterbetriebe sein sollen, st seit 22 Jahren immer unwahrer geworden. Die preußische Staatsverwaltung darf sich nicht rühmen, sozialpolitische Ein⸗ icht zu besitzen; dieser Etat ist so unfreundlich für die Beamten und Arbeiter ausgestattet, wie man es kaum erwartet bat. Die Regierung hält mit allem Nachdruck fest an ihrer bis⸗ berigen Praxis, den Staatsarbeitern und Beamten das Koalitionsrecht au verkürzen. Sie wird darin unterstützt von den Konservativen und von dem Zentrum, das einst über die Sache ganz anders gedacht bat, und das jetzt gewissermaßen sein eigenes Nest bes 6 Die preußische Finanzwirtschaft in ihrem Verhältnis zum Reich ann als reichsfeindlich bezeichnet werden. Sie geht darauf hinaus, möglichst große Mittel aufzustapeln, um die 11 Preußens gegenüber dem Reiche aufrecht zu erhalten. Darum hat Preußen seinen Ausgleichsfonds und andere Sparstrümpfe, um gerüstet dazustehen. hreußen will sich insbesondere die direkten Steuern nicht aus der Hand winden lassen, und darum kämpft es mit solcher Energie und Zäbigkeit gegen die Einführung der Erbschaftssteuer. Unser Ziel nuß sein, das Reich von Preußen auch finanziell unabhängig zu machen. Darum verlangen wir auf der einen Seite die Reichserbschaftssteuer, auf der anderen Reichseisenbahnen. Die Politik, die von den bürger⸗ sichen Parteien und der Regierung getrieben wird, ist als eine Politik mit doppelter und dreifacher Moral, als eine unmoralische Politik zu bezeichnen. Die „Kreuzzeitung schrieb in ihrem Weihnachtsartikel, die Königliche Lutorität sei der Eckstein der Regierung. Die konservativen Führer wissen recht wohl, wie unwahrhaftig ein solche Behauptung ss. Die konservative Partei hat stets sich selbst als Eck⸗ stein der Regierung betrachtet und bei jeder Gelegenheit das Königtum auf die Knie gezwungen, siehe Kanalvorlage, Erbschafte⸗ fteuer, Wahlreform. (Lachen rechts.) Lachen Sie nur weiter, Sie sind dle hartgesottensten Sünder, die es gibt. Wie sich die angebliche Königstreue in den Köpfen konservativer Herlen ausnimmt, beweist der üngste Vortrag des Generalfeldmarschalls von der Goltz über dee Tauroggener Konvention, worin er den General Yorck pries, weil er gegen den Willen des Königs eine Rebellenhandlung unternahm. (Heiterkeit rechts.) Ist es nicht so, hat er nicht fhen den Willen des Königs die Konventson abgeschlossen? Wie können die Konservativen mit gutem Gewissen vor die Pähler treten, wenn sie sich eines solchen Terrorismus schuldig sgemacht haben, wie es in Liegnitz und Lauenburg geschehen ist, wo bei der jüngsten Wahl der liberale Kandidat Schwuchow von den Kon⸗ sewativen geprügelt wurde? Bei der Wahl in Schwetz wurden unter een Auspizten des Landrats die Gesetze mit Füßen getreten, ohne daß die Regierung es für erforderlich hielt, dagegen einzuschreiten. Es det den Anschein, als ob auch bei der Nachwahl die konservative Partei wieder ihren Terrorismus gegenüber den Polen ausgeübt hat. Deeselben unerhörten Wahlmachenschaften haben sich bei der zweiten Pahl in Schwetz ereignen können. Da muß mit eisernem Besen das Uebel muß in Preußen an der Wurzel gefaßt, mit Stumpf und Stiel muß dieses Agrariertum, diese Land⸗ natz, und Paschawirtschaft ausgerottet werden, die auf Recht und Gesetz pfeift. In Puttkamerun war bei der Ersatzwahl für den Abg. von Normann ein Hauptmann g. D. Jesko von Puttkamer ils nationalliberaler Kandidat aufgestellt worden; wie unfreundlich jieser von den Konservativen behandelt, wie er gesellschaftlich dobkottiert worden ist, darüber hat er in einem in der „National⸗ fitung“ veröffentlichten Notschrei Dinge mitgeteilt. Der Vorstand der nationalliberalen Partei ist darauf mit keinem Worte zurück⸗ gekommen, weil die pommerschen Nationalliberalen bei den Herren riedberg und Genossen nicht sehr beliebt sind. Im Reichstage at gestern mein Freund Fischer Mitteilungen über Verhandlungen swisch m Reichs⸗ und Staatsregierung betreffs der Einführung amt⸗ liher Wahlurnen für die Reichstagswahlen gemacht. Aus dem mit⸗ geteilten Schrelben des Herrn Delbrück ergibt sich, wie zähe die preußische Regierung die Einführung der amtlichen Wahlurnen si etrschen hat; sie mag offenbar auch für den Reichstag geheime Wahlrecht nicht, und als gehorsamer Diener f konservativen Junker wendet sie alle Mittel an, zu ver⸗ hindern, daß die Geheimhaltung der Stimmabgabe zur Wahrheit werde. Herr Delbrück wollte gestern auf diese Enthüllung nicht eingehen, weil f sich um eine Indiskretion handle, die man nicht in die Oeffent⸗ wüeet bringen dürfe. Eine Regierung, die eingesetzt ist, um die he sen zu vertreten und zu wahren, und die sich auch diesen nschein gibt, hat kein Recht, hinter den Kulissen gemeinschädliche Handlungen vorzunehmen und Anklage zu erheben gegen den⸗ jenigen, der dies in die Oeffentlichkeit bringt; wir werden 6 stets für unsere Pflicht halten, gegen solche gemeinschädliche Geheimnigtuerei der Regierung vorzugehen. (Präsident Dr. Graf 8 Schwerin: Sie dürfen der Regierung nicht „Handlung gegen as Gemeinwohl“ vorwerfen; ich bitte Sie, solche Ausdrücke zu ver⸗ meiden, ich würde Sie sonst zur Ordnung rufen müssen, und zwar zum ersten Male in meiner Amtszeit, was ich nicht gern tun Wie die Junker überall das Terrain beherrschen, zeigt fuch vdie Nachricht von der Einrichtung besonderer Warteräume c Adlige auf gewissen Bahnhöfen. Ich möchte wirklich mal von dem Eisenbahnminister wissen, ob es so weit schon in Preußen gekommen ist. (Zuruf rechts.) Ach, es hat 8 gar keinen Zweck, zu dem Minister selbst zu sprechen; e (rechts) sind doch die Auftraggeber, er ist ja doch nur das Echo Frei Neuerdings hat ein Breslauer Professor den Begriff 1 s6 konservative Partei“ definieren zu müssen geglaubt und ge⸗ sten daß diese Partei kulturell freibeitlich und tolerant sei. volk kennen die Herren länger und wissen es besser, sie sind die oltsfeindlichsten Scharfmacher, die wir in Preußen neben der n; festen Rechten haben. Graf Praschma hat bezeichnenderweise vom Wahlrecht gesprochen, obwohl doch auch das Zentrum eine dahlreform haben will, aber 1 Stunde lang vom Jesuitengesetz Whh hat uns in der „Tremonia“ nachgesagt, wir gäben uns alle Mühe, te Iesuitengeset aufrechtzuerhalten. Das ist nicht wahr, wir haben Hheh Aufhebung betrieben; wohl aber hat das Zentrum bei der ebung des Sozialistengesetzes nicht seine Schuldigkeit getan. 7 Herren vom Zentrum haben mit außerordentlichem Geschick alle hg der Regiekunst springen lassen, um eine rechte „Münchener 6 einzuleiten; „die Volksseele kocht, der Kulturkampf ist dal⸗ rcchtafn hat es die Regiekunst nicht entfaltet in der Wahl⸗ erleichterge. wo sie ihm doch auch die Lösung der Jesuitenfrage würde? Bei dieser Inszenierung wird mit allen Kälbern 15 ügt der Partikularismus wird für die Interessen der Zentrums⸗ eörcht eingespannt, mit der Reichsfeindschaft der Süddeutschen wird Ren „es wird gefragt, ob Herr von Bethmann Hollweg nach dem eea. eines modernen Pilatus geize. Das ist allerneueste Er⸗ fandung dieser öden, künstlichen Jesuitenkulturkampfpaukerei. Wir g; nichts gegen das Zentrum und seine Kampfesweise ein⸗ 86 solange damit nicht Zwecke verfolgt werden, die Es ifer Aufhebung des Jesuitengesetzes gänzlich abseits liegen. st nicht nötig, hier im einzelnen darzulegen, wie die

11“

Herren vom Zentrum das Recht verwirkt haben, für die Gewissens⸗ freiheit einzutreten, nachdem sie bisher jede Gelegenheit wahrgenommen haben, sie zu unterdrücken. Sie haben das Recht verwirkt, solche großen Töne von der Gewissensfreiheit hier zu reden, wo sie ganz deutlich vor aller Welt kundgegeben haben, daß ihnen an politischer Gewissensfreiheit nichts gelegen ist. Wenn die Herren eine ehrliche Politik treiben würden, dann könnten sie ganz anders vor das Volk hintreten. So werden sie sich aber immer wieder die Larve vom Gesicht reißen lassen müssen. Was ver⸗ folgen sie eigentlich mit dem Kampf um das eetrengesen⸗ Gewiß verfolgen sie einmal die Aufhebung des Gesetzes. Sie haben im gegen⸗ wärtigen Moment mit der Aufrollung dieser Frage sicherlich die Ab⸗ sicht, in der Wählerschaft Stimmung zu machen, und wollen dafür sorgen, daß eine möglichst günstige Wahl für sie heraus⸗ kommt. Es ist also ein Stück Wahldemagogie, was sie hier treiben. Wie glücklich die Lösung der Gewerkschaftsfrage für sie war, das haben wohl zur Genüge die vergangenen letzten Wochen hier gezeigt. Auch die Rede des Herrn Handelsministers gibt dafür einen klaren Beweis. Abg. Imbusch, wollen Sie leugnen, daß Sie damals wie ein begossener Pudel dagestanden haben? (Präsident Dr. Graf von Schwerin: Sie dürfen einen solchen Vergleich gegenüber einem Abgeordneten nicht anwenden!) Solche Falschmünzete ist nicht auf die Dauer möglich, und wir werden alles tun, um sie zu unterdrücken. Wenn der Kultusminister mit seinen vorsichtigen Aeußerungen, die wir natürlich mißbilligen, Del auf die erregten Wogen gießen zu können glaubt, so kennt er das Zentrum schlecht. Eine Versammlung in Charlottenburg hat verlangt, daß das Zentrum es auf eine Kraft⸗ probe mit der Regierung ankommen lasse. Das Zentrum arbeitet bei seinen Theateraktionen mit verteilten Rollen; draußen wird gehetzt, hier ist das Zentrum vorsichtig. Die Konservativen sind natürlich in arger Verlegenheit, der konservative Redner hat mit keinem Wort über die Jesuiten und über den Saarstreik ge⸗ sprochen. Die „Kreuzzeitung“ mahnt die Regierung, zu erwägen, ob sie doch nicht etwas zu scharf mit dem Zentrum umgehe. Ebenso interessant ist die Haltung der „Deutschen Tageszeitung“, die ihr evangelisches Gewissen hat zurückstellen müssen, um im Interesse des Staatswohls die l zwischen den Konservativen und dem Zentrum aufrecht zu erhalten. Die konservative Presse sucht das Zentrum zu beruhigen: „Nachbarin, euer Fläschchen!“ Das Jesuiten⸗ gesetz ist auch ein Ausnahmegesetz, wie das Scozialisten⸗ geseß. Aber das Zentrum ist zu allem fähig, es würde auch einem

usnahmegesetz gegen die Sozialdemokratie zustimmen. Das Zentrum preist sich und die Jesuiten als Bekämpfer der Sozialdemokratie an, die konservative Partei will ein Ausnahmegesetz gegen sie; die Achse der inneren Politik dreht sich um die Sozialdemokratie. Die orthodoxe evangelische Kirche und die katholische Kirche reichen sich die Hand zum gemeinsamen Kampf gegen die Sozialdemokratie; die Reformation wird rückgängig gemacht, beide Kirchenreiche verschmelzen sich.

(Schluß des Blattes.)

Dem Reichstage sind die auf Grund des § 120 e der Gewerbeordnung vom Bundesrat erlassenen Vorschriften über die Einrichtung und den Betrieb der Zinkhütten und Zinkerzrösthütten zugegangen.

Kunst und Wissenschaft.

A. F. Die erste Sitzung der „Gesellschaft für Erdkunde“ im neuen Jahr wurde durch Geheimrat, Professor Dr. Hellmann mit einer kurzen Ansprache eröffnet: Es ist innerhalb 13 Jahren das

dritte Mal, daß dem Redner auf die haanhg gemiße Dauer der Vorsitz

der Gesellschaft anvertraut ist. Zurückblickend auf diese lange Zeit, glaubt er sagen zu dürfen, daß die Zwecke der Gesellschaft eine be⸗ sonders kräftige Förderung durch die Tätigkeit seines jetzt abgetretenen Vorgängers im Vorsitz, Geheimrat Dr. Penck erfahren haben. Ueberaus nützliche Neuordnungen sind von diesem geschaffen worden, und der Nachfolger glaubt für seine eigene Amtsführung nichts Besseres ver⸗ sprechen zu können, als den vorgezeichneten Bahnen treu zu bleiben. Aus dem hierauf vom Generalsekretär, Hauptmann Kollm erstatteten Jahresbericht ging hervor, daß die Mitgliederzahl z. Z. 1452 beträgt, wovon 1350 ordentliche, 56 korrespondierende und 48 Ehrenmitglieder sind. Neu aufgenommen wurden im verflossenen Jahre 119 ordentliche Mitglieder (77 Berliner, 42 auswärtige), es schieden aus 117. An Sitzungen fanden statt: 9 allgemeine, 6 Fachsitzungen und 2 Festsitzungen (Nansen, Amundsen). Die Schriftleitung der Zeitschrift ist an den Privat⸗ dozenten Dr. Merz übergegangen. Der dritte Band des monumentalen Werkes von Ferdinand von Richthofen über „China“, mit dessen Herausgabe Dr. E. Tiessen und Dr. Groll betraut sing⸗ ist nun fertig gestellt worden. Zur Fortführung der großen Arbeit bewilligte Seine Majestät der Kaiser und König 10 000 ℳ, die Akademie der Wissenschaft 6800 ℳ, der Verleger Dietrich Retmer 4200 ℳ. Auch von Dr. Tafels Reiseergebnissen in China und Tibet in den Jahren 1905 1908, deren Herausgabe die Gesellschaft übernommen hat, ist der erste Teil fertig gestellt. Von Vermächtnissen an die Gesellschaft sind folgende drei nach e Königlicher Bestäti⸗ gung in den Besitz der Gesellschaft übergegangen: die Henry Lange⸗Stiftung 100 000 ℳ, Ferdinand von Richthofen⸗Stiftung 10 000 und Ferdinand und Irmgard von Richthofen⸗Stiftung 50 000 ℳ. Die Zinsen der ersten Stiftung sind zur Bearbeitung der Ergebnisse von Forschungsreisen, die Zinsen der beiden anderen zur Förderung der wissenschaftlich⸗geographischen Forschung, insonder⸗ heit zu morphologischen Studien bestimmt. An der transkontinentalen Exkursion, die zur Feier des 60 jährigen Bestehens der amerikanischen geographischen Gesellschaft unter Führung von Professor Willi Morris Davis von Mitte Oktober bis 10. November von New York aus unter⸗ nommen worden ist, haben auf Einladung von Amerika aus teilgenommen: ee. Dr. Fritz Jaeger (Berlin), Geheimer Hofrat Professor

r. Partsch (Leipzig), Professor Dr. E. von Drygalski (München) und nach Vorschlag der diesseitigen Gesellschaft aus privaten Mitteln noch: Dr. Merzbach (München), Dr. Rühle (Berlin), Professor

Dr. Uhltg (Freiburg) und cand. phil. Wunderlich. Von wissen⸗— nach wesensfremden Kunstregeln.

schaftlichen Unternehmungen wurden im Jahre 1912 unterstützt aus der Karl Ritter⸗Stiftung: Dr. W. Behrmann zur Untersuchung des Küstengebiets von Kaiser Wilhelm⸗Land, aus der von Richthofen⸗ Stiftung: Dr. B. Dietrich zu morphologischen und siedelungs⸗ geographischen Studien im Rhöngebirge und hessischen Landrücken. Den Vortrag des Abends hielt (als Gast) der Kapitänleutnant Schlenzka, Kommandant S. M. Schiff „Hyäne“, über ‚Wissen⸗ schaftliche Forschungen auf der Ausreise S. M. Schiff „Möwe“ nach Südwestafrika und Vermessungsarbeiten an der Küste des Deutschen Schutzgebietes“. Zu den Friedensarbeiten und ⸗pflichten der Kaiserlichen Marine gehören an hervorragender Stelle die Vermessungstätigkeit, die Aufstellung von Seekarten und die Beschaffung von Material hierzu. „Hyäne“, „Planet“ und „Möwe“ sind die z. Z. mit dieser Aufgabe betrauten Schiffe. An Bord des Schiffes „Möwe“ war der Vortragende während der Jahre 1911 und 1912 auf einer Vermessungsfahrt nach Südwest⸗ afrika an der Küste der deutschen Kolonien Togo, Kamerun und Deutsch⸗Südwestafrika mit ozeanographischen Arbeiten beschäftigt, wie solche seit 40 Jahren in der deutschen Marine nach den besten Unter⸗ suchungsmethoden und mit den besten Hilfsmitteln erfolgreich aus⸗ geführt werden. Die „Möwe“ ist ein 50 m langes Schiff von 650 t und 3 ½ m Tiefgang, fähig einer Leistung von 9 See⸗ meilen in der Stunde und bei 190 t Kohlen, die es zu laden vermag, imstande, 4300 Seemeilen zu laufen. Es galt im gegebenen Falle, die chemisch⸗physikalischen Verhält⸗ nisse des Meeres längs der obengenannten deutschen Küsten zu be⸗ stimmen, also Salzgehalt und Farbe des Meerwassers in verschiedenen Tiefen, Temperaturen von Luft und Meer in Höhen und Tiefen, Wind⸗ und Seegangstärke, endlich und vor allem Meeres⸗ tefen. Die geeignetsten Instrumente und Maschinen waren vollzählig an Bord, die Lotmaschine trug auf ihrer Trommel 10 000 m 0,9 mm. starken Klaviersaitendraht, an dessen äußerem, beim Loten auf den Meeres⸗ boden aufstoßendem Ende ein durch diesen Stoß betätigtes Umkehr

11““

thermometer angebracht war, das die Temperatur am Meeresboden aufzeichnete. Auch befand sich an diesem Drahtende eine sinnreiche Vorrichtung, durch welche in ähnlicher Weise selbsttätig eine Probe des Meeresbodens abg stochen und mit heraufbefördert wurde. Außer diesen sich in kurzen Zeitfolgen wiederholenden und sorgfältig zu buchenden Beobachtungen und Lotungen waren aus Tiefen von 25 bis zu 1800 m mittels des Wasserschöpfers Proben des Meerwassers zur Untersuchun heraufzuholen. Siebenundfünfzig Reihenbeobachtungen wurden auf diese Art genau zu Papier gebracht, worauf, nachdem somit bei Freetown, Mogador, Lome, Lagos, Dualla (Kamerun), Banana (Congo), Swakopmund und Lüderitzbucht das erforderliche Material süsammelt war, um über den Meeresgrund nach Tiefe und Be⸗ chaffenheit vor jedem der Plätze Aufschluß zu geben, zur Aufstellung von Karten des Meeeresbodens geschritten wurde, als man für längere Zeit in der Kapstadt vor Anker gehen mußte, um notwendige Ausbesserungen vorzunehmen. Es ergaben sich aus dem Vergleich der Beobachtungen einige merkwürdige Tat⸗ achen, die im weiteren aber ihre vollständige Erklärung fanden, so die seltsame Zunahme der Temperatur des Meeres über 1200 m Tiefe hinaus gegenüber von Mogador. Die Erscheinung hängt mit dem Herab⸗ sheen des Mittelmeerwassers in den Atlantischen Ozean nach dem Passieren der Gibraltarschwelle zusammen. Auch die Verhältnisse des 8 Luftraumes wurden nach Möglichkeit durch am Draht in die Höhe gesandte Drachen mit selbstregistrierenden Apparaten ergründet. Hierbei konnte die Höhengrenze des Passatwindes schon in 300 m ermittelt und darüber eine Schicht von Windstille gefunden werden. Selbstverständlich wurden auch zaͤhlreiche astronomische Längen⸗ und Breitenbestimmungen vorgenommen. war häufig nicht leicht, dies Arbeitsprogramm regelmäßig durch⸗ zuführen, weil schwere Brandung oft nicht erlaubte, sich der Küste zu nähern. Als ein besonders befriedigendes Ergebnis dar die gelungene Auslotung der unterseeischen Talrinne des Congo gelten die sich bis auf 70 Seemeilen von der Küste erstreckt und den Ein⸗ fluß der gewaltigen Wassermassen, die vom Congo ihr zuge⸗ führt werden, bis tief in den Ozean hinein erkennen läßt. Ein unterseeisches Gebirge, der sogenannte Walfisch rücken, liegt vor Swakopmund. Es gelang, ihn genau zu untersuchen genau kartographisch festzulegen und als ein Gebirge von der Längen ausdehnung der Alpen zu erweisen. Seine Gipfel und Tiefen liegen swmsschen 400 und 2800 m unter dem Meeresspiegel. Bei 190 54 .Br. hat dies Gebirge Anschluß an das afrikanische Festland. Groß Schwierigkeiten infolge der starken Brandung verursachten Lüderitzbuch und Walfischbucht. Hier gesellte sich den Beschwerden auch die Durst lage hinzu; denn der 50 100 km breite Gürtel von Wanderdüner ietet nicht die Spur einer Süßwasserquelle. Nach dem Verlassen von Kapstadt konnten noch Beobachtungen an der Südgrenze des Benguelastroms angestellt werden. Die Heimkehr wurde dann nach fast 16 monatiger Abwesenheit vom Heimathafen im August 1912 angetreten. Ein außerordentlicher Fleiß war ersichtlich auch auf das Photo graphieren landschaftlich interessanter Punkte der Küste vom Meer aus verwendet worden. Eine fast unerschöpfliche Fülle ausgezeichnet Lichtbilder dieser Art, die im Anschluß an den mit großem Beifall aufgenommenen Vortrag gezeigt wurden, ließ erkennen, daß de viel verlästerten Küste von „Deutsch Südwest“ es keineswegs an malerischen Punkten gebricht, die freilich nur im Wege der Zerstörung und Zernagung durch Wogen, Wind und Wetter die phantastischen Gestalten angenommen haben, die sie zeigen. Der Vorsitzende, Geheimrat Hellmann gab am Schluß der offenbar allseitig empfundenen Genugtuung darüber Ausdruck, daß unsere Torpedoboote so schöne und nützliche Friedensverwendung finden und zu so hervorragender Tätigkeit in den Dienst der Wissenschaft gestellt werden.

Bauwesen.

Im Verein für deutsches Kunstgewerbe sprach am ver⸗ flossenen Mittwoch der durch seine großen Arbeiten auf 88 Gebiete des Brücken⸗ und Industrlebaues bekannte Zivilingenieur, Regierungs⸗ baumeister und Privatdozent Karl Bernhard über ein gerade jetzt außerordentlich viel erörtertes Thema: Die Aesthetik der Eisen⸗ bauten. Seine bemerkenswerten, durch Lichtbilder belegten Dar⸗ legungen gipfelten etwa in folgendem: Noch bis in die jüngste Zeit glaubte man, Eisenbauten dadurch schön zu gestalten, daß man Masken vorbaute oder Ornamente anbrachte, die in Schmiedetechnik oder gegossen die Steinformen aller bekannten Stilarten nach⸗ ildeten. Bei großen eisernen Strombrücken setzte man wohl auch gemauerte Portale vor, die weit eher den Verkehr einengten, als daß sie sonst irgend einem praktischen Be⸗ dürfnisse entsprachen. In früheren Zeiten war das anders, denn da hatten die Portale noch zu Verteidigungszwecken gedient. Aber man begeht auch den Fehler, kleinere Ehjenbrücgen. wie sie von den mindest⸗ fordernden Fabriken nach landläufigen Regeln geliefert werden, durch Steinpylonen und ähnliches zu flankieren, um so den ästhe⸗ tischen Mangel einer minderwertigen Eisentechnik und ihren ver⸗ unstaltenden Einfluß auf Stadt und Land zu dämpfen. Mit diesen Mitteln befand sich die Lösung des ästhetischen Problems auf falschen Wegen. Dank der modernen Auffassung, wie sie namentlich auch das Kunstgewerbe ergriffen und seine Erzeugnisse den eigent⸗ lichen Kunstwerken nähergerückt hat, bricht sich nunmehr die Er⸗ kenntnis überall Bahn, daß Waffen, Werkzeuge, Fahrzeuge und Ma⸗ schinen, kurz, allerhand technische Erzeugnisse in der nackten Gebrauchsform schön sein können. Die gleiche Erkenntnis läßt

auch auf die Eisenbauten übertragen. Die gute Zweckform allein genügt jedoch nicht, sie ist nur Voraussetzung zur technischen Schönheit. Es gehört noch die Betätigung des Formgefühls hinzu. Was der Verstand gut und wahr in engster Beziehung zur Wissenschaft bei den Eisenbauten, also besonders die Statik ersinnt und errechnet, muß dauernd in allen Einzelheiten, auch in dem Gesamtentwurfe, von dem guten Geschmack des Erbauers ge⸗ prüft und gestaltet werden. Von den vielen verschiedenen Lösungen für ein und dieselbe Aufgabe, im einzelnen wie im ganzen, muß der Ingenieur selbst das Richtige, das . können, aber nicht dererseits mußn auch das Publikum der Natur des Eisens und den daraus Gestaltungsmöglichkeiten mehr Interesse entgegenbringen als bislang, da doch das Eisen berufen ist, die größten Konstruktions⸗ aufgaben der Technik zu lösen. Die Gewohnheitsideale der Schön⸗ heit, wie sie namentlich aus dem von altersher bekannten Bau⸗ stoffe, nämlich dem Stein, abgeleitet sind, dürfen nicht als alleiniger Maßstab für die Schönheit gelten und ganz besonders nicht für Eisen. Der Zusammenbau des von den Walzwerken gelieferten Eisens zu stärkeren Stäben, die planmäßige Verbindung solcher Stäbe zu Tragwerken aller Art, erläuterte der Vortragende unter Berück⸗ sichtigung ästhetischer Gesichtspunkte. Namentlich liegt in der Linien⸗ führung der umrahmenden Gurte, der Träger, besondere Wichtigkeit für die ästhetische Wirkung des Ganzen. Die mathematische Schulung erzieht eine besondere Feinfühlichkeit des Auges hier⸗ für. Fördernden Einfluß haben besonders die öffentlichen Wett⸗ bewerbe der letzten Jahrzehnte auf dem Gebiete des Brücken⸗ baues nach der ästhetischen Seite hin ausgeübt. Bei dem noch nicht abgeschlossenen „Wettbewerbe für eine neue Straßenbrücke über den Rhein in Cöln macht sich leider der Einfluß der Fenbtüce künstler und Laien stark geltend, indem sie die Rahmenbauart (Vierendeel) in den Vordergrund schieben. Dieses System soll durch Fettlan aller Diagonalen die von diesen oft herrührenden ästhetischen kängel beseitigen. Der Vortragende ist der Ansicht, daß gleich⸗ mäßig auf⸗ und absteigende Schrägen oder andere Gruppierungen der Wandglieder den ästhetischen Bedürfnissen näher liegen und mehr entsprechen, auch statisch wesentlich klarer und sicherer sind. Die ganze Bauart ist außerdem auch noch nicht genügend wissenschaftlich und praktisch erprobt, um für so große Verhältnisse, wie sie die neue Rheinbrücke bietet, zweifelsfrei verwendet zu werden. Die Eisenbauten haben aber nicht nur zu Brückenbauten zu dienen, sondern auch zum Umschließen von Räumen, namentlich der Garnindustrie. Bei der Raumbildung überwogen in rüheren Zeiten aus technischen Gründen die Höhen. Daraus hat