1913 / 20 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Jan 1913 18:00:01 GMT) scan diff

egen, und sie werden alles aufbieten, daß das bezügliche Gesetz dengegg, April 1913 hinaus Geltung behält. Bleibt der Notstand vorhanden oder tritt er künftig wieder ein, so müssen auch neue Notstandemaßregeln getroffen werden. Auch wir werden für alle Maßnahmen gern und freudig eintreten, die geeignet sind, unsere Viehzucht zu heben. Die Tatsache, daß eine Neigung zur viehlosen Wirtschaft besteht, ist nicht zu leugnen. Die Ursache ist der über⸗ mäßige Kornzoll, der den Körnerbau in übermäßiger Weise begünstigt. Der Beweis dafür ist aus den Grundbuchakten wie aus den Ver⸗ handlungen der Landwirtschaftskammern aufs leichteste zu führen; mehrere wissenschaftliche Arbeiten aus den letzten Jahren haben sich ebenfalls aufs eingehendste mit dieser Erscheinung befaßt. Die Rechte vertritt nach wie vor die Ansicht, daß die Futtermittelzölle nicht er⸗ mäßigt, geschweige denn beseitigt werden können; wir fordern nach wie vor im Interesse der Viehzucht diese Ermäßigung und, wenn möglich, die Beseitigung. Auch sogar der agrarische Professor Dade, der Generalsekretär des Landwirtschaftsrats, hat in einem gewissen Umfange die Berechtigung dieser Forderung anerkannt. Auch 1912 hat noch eine sehr starke Einfuhr von Futtermitteln stattgefunden. Als Ersatz für einen etwa zu Z 16““ esitzsteuer eingeführt werden. eber die Frage der inn K . decfät werden bei der in Aussicht stehenden Gesetzesvorlage näher unterhalten. An eine völlige Beseitigung des Großgrundbesitzes denken auch wir nicht, aber wir bedauern, daß wir nicht, schon vor 30 Jahren mit der ö des 1“ großen. vorgegangen sind. Jetzt muß das Tempo um so rasch genon gena simn in 5 Weise, daß die Güterpreise nicht künstlich in die Höhe getrieben werden. Um festzustellen, welche Werte in den Viehbeständen stecken, und ob die Produktion sich dem Bedürfnis 88 paßt, brauchen wir eine jährliche Viehzählung. Die vom Reichsam des Innern einberufene Konferenz wird warscheinlich noch lange tagen, ehe sie zu einem greifbaren Resultat kommt. Die vom ö Städtetag einberufene Konferenz hat rascher gearbeitet und eine schrift über die Schlachtung usw. herausgegeben. Sie hat 8 1 Legende zerstört, daß an den hohen Fleischpreisen die hohen 1. 2 hofgebühren schuld seien. Diese Gebühr beträgt in manchen Städ en nur einen Pfennig pro Pfund, in anderen einen halben Pfennig. Was das ländliche Fortbildungsschulwesen und das Haushaltungs⸗ schulwesen betrifft, so möchte auch ich eine stärkere Erhöhung der be⸗ reffenden Fonds und eine paritätische Behandlung mit den werblichen Schulen befürworten. Wir wünschen Einfluß zu ewinnen auf die ländliche Jugend in diesem gefährlichen Alter in sittlicher Beziehung, und deshalb wünschen wir auch eine weitere Zuziehung von Lehrkräften im Hauptamte. Ferner wünschen wir ein Fischereigesetz, aber auch eine Erhöhung des Fonds für die Binnenfischerei. Ferner haben wir eine Erhöhung des Fonds zur Förderung des Obst⸗, Wein⸗ und Gartenbaues schon für 1913 gefordert. Auf die hohe Bedeutung dieser Sache brauche ich nicht näher h weisen. Die Arbeitsnachweise sollten neutral verwaltet und sowoh den Arbeitern wie den Arbeitgebern zugute kommen. Die Konser⸗ vativen werden allmählich bange, ob es ihnen auf die Dauer gelingen wird, die Landarbeiter an ihre Fahnen zu fesseln. Sie möchten am liebsten Sonderorganisationen der Landarbeiter verhindern. Der Vor⸗ sitzende des Bundes der Landwirte verlangt, daß Sparkassen gein⸗ gerichtet werden sollen für die Landarbeiter, aber er möchte die 8 zahlung der gesparten Beträge erst gewähren, wenn die Arbeiter 8 oder 40 Jahre alt sind. In seiner rührenden Fürsorge für die Lan arbeiter schlägt er weiter vor, daß, wenn der Arbeiter vorher verzieht, alles der Kasse anheimfallen soll, was von ihm oder für ihn ein⸗ ezahlt worden ist. Ja, wenn das durchgeführt werden soll, G Sie das Freizügigkeitsgesetz erst gar nicht aufzuheben. Da müssen ganz andere Reformen durchgeführt werden. Alles ö Förderung der bäuerlichen Interessen dient, wird bei uns stets die wärmste Unterstützung finden.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Sowohl in der Budgetkommission als auch seitens der Redner zum landwirtschaftlichen Etat in diesem hohen Hause hat die Frage der Maßnahmen der Staatsregierung gegen die Fleischteuerung und ihrer Wirkungen eine besonders ein⸗ gehende Erörterung gefunden. Ich möchte auf die grundsätzliche Stellungnahme der Staatsregierung zu diesen Maßnahmen heute nicht nochmals wieder eingehen, aber, in Uebereinstimmung mit ver⸗ schiedenen der Herren Redner, doch hervorheben, daß, wenn man auch diesen Maßnahmen an sich nicht freundlich gegenübersteht, man doch jedenfalls anerkennen muß, daß dieselben die günstige Wirkung gehabt haben, daß mit ihrer Einführung die Preise für Fleisch zum größeren Teile zum Stillstand gekommen sind, daß sie in einer Reihe von Städten auch einen Rückgang zu verzeichnen hatten, und daß ich lege darauf nicht geringen Wert eine Beruhigung der Bevölkerung und der öffentlichen Meinung aufgetreten ist, die sich in unserem ge⸗ samten wirtschaftlichen und politischen Leben nur günstig bemerkbar

machen kann.

Meine Herren, ich habe aus Mitteilungen in der Presse ent⸗ nehmen müssen, daß meine Aeußerung über die Dauer der Einfuhr⸗ erlaubnis für die Städte und Kommunen insofern mißverstanden worden ist, als behauptet wurde, daß ich allgemein eine Ausdehnung der Einfuhrerlaubnis bis zum 1. April 1914 zugesagt hätte. Meine Herren, das ist nicht der Fall. Ich habe bemerkt, daß es voraus⸗ sichtlich nicht möglich und auch nicht richtig sein würde, die Einfuhr⸗ erlaubnis zum 1. April 1913 zurückzuziehen, weil sich in einer Reihe von Städten die Wirkungen der Einfuhr nicht so bemerkbar gemacht hätten, daß tatsächlich durch dieselben ein nennenswerter Rückgang der Fleischpreise herbeigeführt worden sei. Ich habe mit Rücksicht hierauf allerdings gesagt, daß erwogen werden müsse, auch die Erlaubnis noch weiter auszudehnen, daß aber in jedem einzelnen Falle auch geprüft werden müsse, ob tatsächlich das Bedürfnis, welches bei Erteilung der Einfuhrerlaubnis bestand, auch fernerhin noch fortbestehe. Nach diesen Gesichtspunkten wird sich die landwirtschaftliche Ver⸗ waltung richten; sie wird aber das kann ich, wie ich glaube, mit ziemlicher Sicherheit auch sagen in eine Ausdehnung der Erlaubnisse über den 1. April 1914 kaum hinausgehen können: ein⸗ mal schon deswegen, weil das dem Reichstage vorliegende und voraus⸗ sichtlich dort zur Verabschiedung gelangende Gesetz über die Erleichte⸗ rung der Zollgebühren nur das Datum des 1. April 1914 vorsieht; dann aber auch hauptsächlich deshalb, weil wohl mit Sicherheit zu erwarten ist, daß wir bis dahin wieder auch bei den Preisen der Lebensmittel normale Verhältnisse bekommen werden.

Meine Herren, es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß nach der Absicht der Stactsregierung die im vorigen Herbst getroffenen Maßnahmen nur vorübergehender Natur sein können, daß damit nur einem augenblicklichen Bedürfnisse abgeholfen werden sollte, und daß in erster Linie dabei das Ziel verfolgt würde, die Kommunen in den Stand zu setzen, für die ärmere Bevölkerung Fleisch zu einem aus⸗ kömmlichen Preise zu beschaffen. Auch die Staatsregierung erblickt die Möglichkeit einer dauernden Besserung der Verhältnisse lediglich in der Verstärkung der inländischen Produktion, in der Stärkung der heimischen Fleischerzeugung, und sie wird ihre weiteren Maßnahmen auch dahin zu richten suchen, daß gerade auf

8 E

Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, habe ich bereits bei der Beratung im vorigen Herbste in diesem hohen Hause großen Wert darauf gelegt, daß sich die städtischen Verwaltungen entschließen würden, nicht allein im Auslande die Gelegenheit zur Einfuhr größerer Fleischmengen zu suchen, sondern auch mit inländischen Absatzgenossenschaften und den landwirtschaftlichen Vertretungen sich über die regelmäßige Abgabe größerer 1h Quantitäten von Fleisch und Vieh zu verständigen. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, bedauerlicherweise sind die dahin gehenden und mit Unterstützung der landwirtschaftlichen Verwaltung an vielen Orten angeknüpften Verhandlungen zu einem Abschlusse noch nicht gekommen. (Hört, hört! rechts) Es haben sich nach den verschiedensten Richtungen Schwierigkeiten erhoben, die in der Hauptsache wohl darauf beruhen, daß einmal die Landwirtschaft, wenn sie regelmäßige Lieferungen von Vieh übernehmen will, nicht imstande ist, derartige Verpflichtungen auf den kurzen Zeitraum von einigen Monaten einzugehen, sondern daß sie verlangen muß, daß ihr dafür ein fester Vertrag auf die Dauer von drei bis fünf Jahren gewährt wird. Auf der anderen Seite fürchten die Städte, auch nicht ganz mit Unrecht, im Laufe einer längeren Vertragsperiode ein größeres Sinken der Fleischpreise und mit Rücksicht darauf einen Verlust, den sie natürlich übernehmen und tragen müssen, wenn sie in dem Vertrage mit den landwirtschaftlichen Vertretungen beziehungsweise Absatzgenossenschaften Schweine oder Rindvieh zu einem bestimmten, regelmäßigen und dauernden Preise

übernommen haben. Aber, meine Herren, daß bei gutem Willen doch auch auf diesem

Wege etwas zu erreichen ist, das beweisen die Beispiele von Ulm und von Bamberg, und gerade von Bamberg liegen auch über den Erfolg der dort getroffenen Vereinbarung so günstige Mitteilungen vor, daß der Magistrat dieser Stadt sich auch bereits an das landwirtschaftliche Ministerium gewendet hat mit der Bitte, weitere Viehzüchter und Genossenschaften namhaft zu machen, mit denen Bamberg in geschäft⸗ liche Beziehungen treten könne. Ich gebe deswegen auch die Hoffnung nicht auf, daß in Preußen gleichartige Vereinbarungen gelingen werden, und ich möchte auch von dieser Stelle aus sowohl an die städtischen Verwaltungen wie auch an die landwirtschaftlichen Vertretungen die dringende Bitte richten, soweit wie es eben angezeigt und möglich erscheint, die bisherigen Verhandlungen fortzusetzen. Es ist meine feste Ueberzeugung, meine Herren, die ich hier nochmals aus⸗ sprechen möchte: Wollen wir dauernd den Schwankungen der Fleischpreise und der nun schon seit Jahren regelmäßig im Herbst eintretenden Erhöhung der Fleischpreise vorbeugen, so müssen wir stabile Verhältnisse zu schaffen suchen. Der Landwirtschaft liegt auch nicht daran, daß die Preise im Herbst hoch, im Frühjahr niedrig sind oder umgekehrt. (Sehr richtig! rechts.) Im Gegenteil, sie verlangt nur danach, daß sie dauernde und regelmäßige Preise hat, allerdings so hoch, daß durch diese Preise auch die Produktionskosten gedeckt werden. (Sehr richtig!) In dieser Beziehung dürfen wir nicht außer acht lassen, daß es ganz natürlich und selbstverständlich ist, daß im Laufe der Jahre mit den Preisen sonstiger Lebensmittel auch die Preise für Fleisch gestiegen sind. Es wäre ein Ding der Unmöglich⸗ keit, von der Landwirtschaft und der deutschen Viehzucht zu verlangen, daß sie das Vieh noch zu denselben Kosten produzieren, wie es viel⸗ leicht vor 20 oder 30 Jahren möglich war. Auch das kaufende und fleischverzehrende Publikum muß sich daran gewöhnen, für einen großen Teil der Lebensmittel und auch für das Fleisch im Laufe der Jahre höhere Preise anzulegen, und das Bestreben sowohl der Staatsregierung wie der Kommunen, und ich sage auch: der landwirtschaftlichen Vertretungen kann nur dahin gehen, einer übermäßigen und nicht gerechtfertigten Erhöhung der Lebensmittelpreise rechtzeitig vorzubeugen.

Bei dieser Gelegenheit kann ich noch mit wenigen Worten auf Beschwerden eingehen, die gestern von dem Herrn Abg. Göbel für Oberschlesien und speziell für die Grenzstadt Myslowitz zur Sprache gebracht worden sind. Ich darf ihm gegenüber doch darauf hinweisen, daß bereits vor längeren Monaten das Einfuhrkontingent an lebenden Schweinen aus Rußland, welches bisher 2500 Schweine wöchentlich betrug, auf 3000 Schweine erhöht worden ist, und daß damit also auch dem zu Tage getretenen größeren Bedürfnis nach Einfuhr lebender Schweine Rechnung getragen wurde.

Was den sogenannten kleinen Grenzverkehr angeht, so hat auch Herr Abg. Göbel schon angegeben, daß Schweinefleisch in kleinen Quantitäten bis zu 2 kg zollfrei eingeführt wird, ob Rindfleisch eben⸗ falls in diesen Quantitäten zugelassen werden könnte, dafür müßte die Bedürfnisfrage erst nachgewiesen und auch festgestellt werden, inwieweit durch eine derartige Erleichterung nicht auch das heimische Fleischergewerbe in Mitleidenschaft gezogen wird. Meine Herren, Rücksicht auf dieses Gewerbe haben wir zweifellos auch zu nehmen. Das gilt auch in den Industriebezirken wie in Oberschlesien, wo durch Vermittlung der Landwirtschaftskammer, durch Vereinbarung mit der Stadt Beuthen und den größeren Kommissionären ein neuer Markt in Beuthen eingerichtet wurde, ein Markt, der in seinem Fortbestande, der zweifellos für die dortigen Verhältnisse von besonderer Wichtigkeit ist, bedroht erscheinen würde, wenn die Einfuhr lebender Schweine aus Rußland in größerem Maße zugelassen würde, oder auch auf sonstige Weise durch ausländische Einfuhr der Bedarf der heimischen Bevölkerung an Fleisch anderweit gedeckt werden sollte. Also auch hier stehen sich verschiedene Interessen gegen⸗ über, deren Abwägung für die landwirtschaftliche Verwaltung unerläßlich ist, und ich kann auch heute schon sagen, daß es sogar zweifelhaft erscheint, ob mit Rücksicht auf die heimischen Markt⸗ verhältnisse es möglich sein wird, das Einfuhrkontingent an lebenden Schweinen für Oberschlesien in derselben Höhe aufrecht zu erhalten, wie es gegenwärtig zugestanden ist. Ich bin aber selbstredend im übrigen gern erbötig, sowohl hier wie auch an anderen Stellen die obwaltenden Verhältnisse eingehend und wohlwollend zu prüfen und überall da Abhilfe zu schaffen, wo es im Rahmen der leitenden Gerundsätze für die landwirtschaftliche Verwaltung möglich ist.

Meine Herren, zu den Mitteln, mit welchen die Hebung der heimischen Viehzucht erstrebt werden muß, gehört zweifellos auch die Bekämpfung der Tierseuchen. (Sehr richtig!) Mein Referent hat bereits in der Budgetkommission längere

Löfflerschen Serum stehen in erster Linie die Kosten entgegen, die sich auf 20 bis 30 für ein Stück Vieh belaufen und die es tat⸗ sächlich bei ihrer Höhe unmöglich machen, es im weiteren Umfange gegen Maul⸗ und Klauenseuche anzuwenden. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß es im Laufe der Jahre gelingen wird, auch dieses Serum billiger herzustellen. Aber gerade deshalb werden wir auch nach wie vor unsere Aufmerksamkeit darauf richten müssen, der Weiterverbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche mit sonstigen Maß⸗ nahmen entgegenzutreten. In dieser Beziehung hat das, was die landwirtschaftliche Verwaltung in den letzten Jahren getan hat, gewiß an manchen Stellen, wie auch hier zur Sprache gebracht worden ist, die Unzufriedenheit der ländlichen Bevölkerung und der kleinen Viehbesitzer erregt. Aber auf der anderen Seite ist doch auch festzu. stellen, daß gerade die veterinärpolizeilichen Maßnahmen hauptsächlich dazu beigetragen haben, der weiteren Ausbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche Einhalt zu tun. Heute kann ich zu meiner großen Be⸗ friedigung mitteilen, daß die Maul⸗ und Klauenseuche nach der letzten Statistik, und zwar vom 15. Januar 1913, sich in Preußen nur auf 45 Gemeinden und 56 Gehöfte erstreckt, und daß unter den Fällen, die in der Zeit vom 1. bis 15. Januar gemeldet worden sind, sich nur 19 neue Fälle befinden, daß also anzunehmen ist, daß auch das Ergebnis der Statistik vom 1. Februar wiederum ein günstigeres

sein wird.

Meine Herren, Be⸗

Mög⸗ der

eine der

große Erleichterung in kämpfuug der Maul⸗ und Klauenseuche besteht in der lichkeit sofortiger Abschlachtung. Wir haben von uns durch das Reichsviehseuchengesetz gegebenen Befugnis auch in den letzten Monaten hänfiger Gebrauch gemacht, und ich kann zusagen, daß das auch in Zukunft geschehen wird, allerdings im Rahmen der vorhandenen Mittel und selbstredend nur in den Fällen, wo durch Abschlachtung tatsächlich eine weitere Ausbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche verhindert werden kann.

Meine Herren, der Herr Referent und, ich glaube auch, der Herr Abg. Graf von der Groeben haben auf die verhältnismäßig niedrigen Zuckerpreise hingewiesen und die Froge aufgeworfen, inwieweit der Abschluß der Brüsseler Zuckerkonvention auf die Gestaltung der Zuckerpreise eingewirkt habe. Ich glaube, daß es auch Sie interessieren wird, wenn ich auf die Preisbildung für Zucker in den Jahren 1911 und 1912 mit einigen Worten eingehe.

Wir hatten im Sommer 1911 infolge der Dürre unverhältnis⸗ mäßig hohe Zuckerpreise; sie betrugen 18. bis 18,75 ℳ. Infolge günstigerer Beurteilung der Lage sanken sie im Laufe des Herbstes auf 14,50 bis 15 und, nach vorübergehendem Anziehen im Januar und Februar 1912 bis zum Mai 1912 auf 12 ℳ. Im März 1912 erfolgte der Abschluß der neuen Brüsseler Zuckerkonvention, in welcher Rußland für das laufende Jahr ein Kontingent von 150 000 t und für die beiden folgenden Jahre ein weiteres von je 50 000 t zu⸗ gestanden wurde. Das hat nalürlich bei dem Sinken der Preise mitgewirkt. Gleichwohl hat sich 1 die immer noch ungewöhnliche Preislage von 11 bis 13,50 8 bis zum September v. J. gehalten. Dann erfolgte ein plötzlicher Abschlag bis auf 9,75 und 9,25 ℳ. Meine Herren, das war eine Folge der reichlichen Ernte, die nicht allein in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern erzielt worden war, und keineswegs die Einwirkuͤng des erhöhten russischen Kontingents, das bisher wegen der gerade in Rußland ungünstigen Ernteverhältnisse nicht annähernd ausgenutzt worden ist. Es würde nach meiner Ueberzeugung, wenn die Brüsseler Konvention vom März v. J. nicht zum Abschluß gekommen wäre, im Sommer dieses Jahres, und namentlich für Zucker der nächsten Ernte, der jetzt 10 gilt, ein viel größerer Preisabschlag eintreten weil man alsdann mit Sicherheit darauf zu rechnen hätte, daß Ruß⸗ land, dessen Einfuhr beim Aufhören der Zuckerkonvention unbeschränkt würde, viel größere Mengen auf den Weltmarkt werfen und damit den Preis drücken würde.

Meine Herren, ich führe das an, um damit die Stellungnahme der landwirtschaftlichen Verwaltung Preußens zu rechtfertigen, die dafür eingetreten ist, wenn irgend möglich eine Verlängerung der Kontingentierung der russischen Ausfuhr durch Erneuerung der Brüsseler Konvention herbeizuführen, weil wir der Ansicht W daß auch auf dem Zuckermarkte stabile Preise besser sind als gro 8 Preisschwankungen, die zweifellos eingetreten sein würden, e dis Brüsseler Zuckerkonvention und damit die Kontingentierung Rußlands ihr Ende erreicht haben würde. (Sehr richtig und Bravo!)

Meine Herren, gestatten Sie mir nun einige Worte mit bezug auf das landwirtschaftliche Unterrichtswesen, und die staat⸗ lichen Beihilfen, die zu demselben gegeben werden.

Wenn von verschiedenen Rednern und auch in der Budgetkom⸗ mission Klage darüber geführt worden ist, daß die Beihilfe des für landwirtschaftliche Unterrichtszwecke in keinem günstigen Verhältni zu den Leistungen des Staats für das gewerbliche Fortbildungs⸗ schulwesen ständen, so möchte ich doch bitten, nicht zu daß das landwirtschaftliche Unterrichtswesen und vor allen Dingen a niedere landwirtschaftliche Unterrichtswesen noch sehr viel fün Datums ist als das gewerblich?è, und daß außerdem auf dem G des gewerblichen Unterrichtswesens die Leistungen der Städte 1g Kommunen, die sich an die Leistungen des Staats anschließen, 1 hältnismäßig sehr viel höher sind als diejenigen der landpietschene lichen Vertretungen. Daß aber die Königliche Staatsregierung un 8 die landwirtschaftliche Verwaltung nicht verabsäumt haben, der schreitenden Entwicklung auf diesem Gebiet auch durch Erhöhung der Staatsbeihilfen Rechnung zu tragen, das bitte i 5 der Mitteilung zu entnehmen, daß sich die staatlichen Zuschäfe. 1. die landwirtschaftlichen Lehranstalten dazu gehören also Acker 88 und landwirtschaftliche Winterschulen von 116 000 2 im 28 8

1900 auf 640 000 im Jahre 1911 gesteigert haben. Im g 8 Maße sind die staatlichen Beihilfen für Fortbildungsschulen bütr 89 760 im Jahre 1900 auf 990 000 im Jahre 1912 gestiegen, un

Jahre 1910, wo sie im Jahre 1912 auf

betrugen, 180 000 gesteigert.

8—

40 000

Mitteilungen über die Ergebnisse und Erfahrungen auf dem Gebiete der Tierseuchenbekämpfung in dem 1 letzten Jahre gemacht. Er hat auch jetzt wieder gewiß zum allseitigen Bedauern feststellen müssen, daß wir ein brauchbares Mittel gegen die Maul und Klauenseuche abgesehen von dem Löfflerschen Serum

nicht entdeckt haben und daß die Hoffnung, ein solches zu entdecken,

diesem Gebiet mehr geleistet wird, als es bisher der Fall war!

auch für die Zukunft vorläufig noch keine sehr große sein kann. Dem

* 6

1“

m das Haushaltungsschulwesen jeder Art haben sich die Ausgaben vo I

chsanzeiger und Königlich Preußi

Berlin, Donnerstag, den 23. Januar

Meine Herren, ich glaube, diese Ziffern reden doch eine beredte Sprache dafür, daß die landwirtschaftliche Verwaltung bemüht ist, der weiteren Entwicklung, namentlich des niederen Fachschulwesens, auch mit entsprechend höheren Beihilfen Rechnung zu tragen, und ich hoffe, wenn im nächsten Jahre weitere Anforderungen auf diesem Gebiete gestellt werden können, dabei auch jedenfalls Ihre Zustimmung und Unterstützung zu finden.

Meine Herren, bei Besprechung dieser Frage ist dann, wie in früheren Jahren, so auch in diesem Jahre, seitens der rheinischen Abgeordneten die Klage laut geworden, daß eine gewisse Parität in den staatlichen Zuwendungen zwischen dem Osten und dem Westen vermißt werde. Ich kann das bis zu einer gewissen Grenze zugeben. Aber ich darf andererseits doch auch wieder⸗ holt darauf aufmerksam machen, daß die staatlichen Zuwendungen sich auch nach den örtlichen Bedürfnissen richten müssen. Wir haben auch die Aufgabe, anregend zu wirken und, wenn in wirtschaftlich so fortgeschrittenen und finanziell günstig gestellten Gegenden, wie z. B. in der Rheinprovinz und zum teil auch in Westfalen, mit Hilfe der Landwirtschaftskammern und bei dem dankenswerten Entgegenkommen der Provinzialverwaltungen sich das landwirtschaftliche Schulwesen in verhältnismäßig wenigen Jahren eines so erheblichen Aufschwungs er⸗ freuen konnte, ohne besondere Inanspruchnahme größerer Staatsmittel, dann ist es wohl erklärlich und verständlich, daß die Staatsregierung in erster Linie ihr Augenmerk auch andern Provinzen zugewendet hat, in denen die Verhältnisse nicht so günstig lagen, und in denen die Errichtung neuer Schulen nur mit einer weitgehenden staatlichen Bei⸗ hilfe zu erreichen war. (Sehr richtig!)

Es liegen bedauerlicherweise die Verhältnisse nicht in allen Pro⸗ nzen gleich, und das macht sich auch bei einer Frage, die ebenfalls er besprochen worden ist, bei der Frage der Gehälter der andwirtschaftslehrer, geltend. Ich konnte schon in der

Budgetkommission darauf hinweisen, daß auch das Bestreben der indwirtschaftlichen Verwaltung darauf gerichtet ist, eine größere leichmäßigkeit in bezug auf die Besoldung sowie die Alters⸗ und dinterbliebenenversorgung der Landwirtschaftslehrer herbeizuführen, id daß nach dieser Richtung hin die von den Landwirtschaftslehrern hobenen Ansprüche teilweise als berechtigt anerkannt werden müssen.

Meine Herren, die Landwirtschaftslehrer sind, wie Sie wissen, ht staatliche Beamte, sondern Angestellte der Landwirtschaftskammern d anderer landwirtschaftlicher oder kommunaler Vertretungen. nsofern kann die Einwirkung der Staatsregierung auf die Besserung ser Verhältnisse auch nur eine indirekte sein. Das Landesökonomie⸗ Uegium befaßt sich aber augenblicklich mit diesen Fragen, in einer mmission soll erörtert werden, in wie weit den Wünschen der Land⸗ rtschaftslehrer im Bezirke der einzelnen Landwirtschaftskammern ichnung getragen werden kann!

Aber, meine Herren, eine volle Gleichmäßigkeit läßt sich h hier zwischen den einzelnen Provinzen nicht herbeiführen; dafür deben die Lebens⸗ und Teuerungsverhältnisse zu verschieden. Der dwirtschaftslehrer, der in Posen und Weslpreußen vielleicht mit 00 oder 3500 sich und seine Famtlie zur Not ernähren kann,

würde im Westen zweifellos größere Ansprüche machen müssen. lber auf der anderen Seite habe ich auch gegenüber den Herren

dnern in der Budgetkommission nicht verkennen können, daß die

Ungleichmäßigkeit der Gehälter insofern den östlichen Provinzen zum Nachteil gereicht, als die besten Kräfte sich natürlich den Gegenden zu⸗ wenden, wo sie höhere Vergütungen für ihre Leistungen bekommen. (Sehr richtig!) Gerade aus diesem Grunde muß auch erstrebt werden, eine Gleichmäßigkeit der Bezüge herbeizuführen.

Ich möchte auf die Frage der inneren Kolonisation und ihre Förderung heute hier nicht näher eingehen, obschon sie auch von verschiedenen Rednern gestreift worden ist. Ich glaube, ich habe dazu sowohl im weiteren Verlauf der Debatte als auch gewiß dann Ge⸗ legenheit, wenn Ihnen der in Aussicht gestellte Gesetzentwurf über die Bereitstellung einmaliger größerer Mittel für die Förderung der inneren Kolonisation vorgelegt werden wird.

Aber ich muß doch mit einem Worte die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Pachnicke, die er in bezug auf die Aufhebung der zoͤlle für Futtermittel gemacht hat, streifen. Meine Herren, ich habe schon bei früheren Gelegenheiten hier in diesem hohen Hause und noch im Herbste des vorigen Jahres im Reichstage bei Be⸗ sprechung der Fleischteuerung meine Ansicht dahin ausgesprochen, daß dine Beseitigung der Futtermittelzölle nicht im allgemeinen und nicht im landwirtschaftlichen Interesse liegt, und daß eine Ermäßigung dieser Zölle lediglich dem Handel und nicht den Produzenten zugute kommen würde. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Hieran muß ich auch heute festhalten, und ich gebe mich nicht der Hoffnung bin, daß es mir gelingen würde, Herrn Abg. Dr. Pachnicke eines anderen zu belehren. (Lebhafte Zustimmung rechts und im Zentrum.)

Aber auf eins möchte ich Herrn Abg. Pachnicke doch noch hin⸗ weisen. Wenn er speziell den Zoll auf Mais bemängelt und dessen Herabsetzung befürwortet hat, so ist ihm dabei, glaube ich, doch ent⸗ gangen, daß auch der Mais in dem Zustande, in welchem er sich faubtsächlich und am besten zur Verfütterung eignet, nämlich als Maiskleie, zollfrei und in großen Mengen eingeht, und nur der Mais in Körnerform einem Zoll von 3 unterliegt. Also nach der Richtung hin würde ein Eingehen auf die Wünsche des Herrn Abg. Hachnicke keinesfalls den von ihm erwarteten Erfolg haben. Im übrigen, glaube ich, muß man die Beurteilung der Frage, ob die gegenwärtigen Zölle auf Futtermittel tatsächlich noch eine Einschränkung dher Erschwerung der deutschen Viehzucht herbeiführen, in erster Lnie den beteiligten Viehzüchtern und Landwirten überlassen. Aus den Kreisen dieser Herren sind, soweit ihr Urteil für die Beurteilung der Sachlage maßgebend sein kann, meines Wissens Wünsche wie die vom Herrn Abg. Dr. Pachnicke hier vorgetragenen keineswegs laut

Meine Herren, auch diesen Forderungen gegenüber kann ich nur nochmals betonen, daß ich, solange ich an dieser Stelle stehen werde, das Staatswohl und das Wohl der deutschen Landwirtschaft nur in

dem treuen Festhalten an unserer bewährten Wirtschaftspolitik als gesichert ansehen kann (lebhafter Beifall), und daß ich diese Auffassung auch fernerhin zur Geltung bringen werde. (Erneuter lebhafter Beifall.)

Abg. Leinert (Soz.): Ich halte es für bedenklich, daß die Religion in den Unterrichtsplan der Landwirtschaftsschulen auf⸗ genommen wird. Es ist nützlicher, wenn die Schüler in dem unter⸗ richtet werden, was für das tägliche Leben notwendig ist. Der Be⸗ hauptung des Ministers, daß die Fleischpreise infolge der Regierungs⸗ maßnahmen gesunken seien, kann ich nicht beistimmen. Wenn statistische Uebersichten aus den Städten vorliegen, wird man eine Bestätigung meiner Ansicht bekommen. Der Redner der Konservatiwven behauptet, im Auslande sei auch kein Vieh zu haben. Das stimmt nicht. Wenn wir z. B. Rußland für längere Jahre eine groͤßere Abnahme von Fleisch garantieren würden, dann würde die russische Regierung kein Ausfuhrverbot erlassen, sondern im Gegenteil auf ihre Kosten noch Kühlwagen anschaffen ꝛc. Ich bedaure, daß der Minister erklärt hat, die Fleischeinfuhr keineswegs länger als bis zum 1. April 1914 zu gestatten. Die Aufhebung der Futtermittelzölle ist eine dringende Notwendigkeit. Gewiß sind Futtermittel jetzt genug vorhanden, aber die Hauptsache ist, daß sie nicht zu einem billigen Preise zur Verfügung stehen. Daß die deutsche Landwirtschaft 95 % des Fleischbedarfs deckt und nur 5 % aus dem Auslande czogen werden,

die Frage ist nur die, ob wir Futtermittel oder Vieh

ist richtig; aber

einführen sollen. Wir wünschen auch, daß in Deutschland selbst so viel Vieh gemästet wird, wie gebraucht wird, und deshalb ist es nötig, daß die Futtermittelzölle aufgehoben werden, damit die Preise dafür niedrig sein können. Eine vorübergehende Aufhebung hat naturlich keinen Wert, aber eine dauernde Aufhebung würde schon die Preise herabdrücken. Wir sind durchaus für die Ge⸗ währung der Mittel zur Förderung der Viehzucht und des Molkerei⸗ wesens, aber die im Etat vorgesehenen Mittel genügen bei weitem nicht. Im Jahre 1912 sind nur 352 000 für die Rindviehzucht und 112 000 fur die Schweinezucht ausgegeben worden. Damit wird die Fleischnot nicht beseitigt, und deshalb sind wir nicht damit einverstanden, daß die im Herbst getroffenen außerordentlichen Maßnahmen alsbald wieder aufgehoben werden. Auch wenn das Reichsgesetz den Termin des 1. April 1914 enthält, ist es doch eine Kleinigkeit, dafür 1920 zu schreiben. Im ganzen haben nur vier Städte, nämlich Halle⸗ Saale, Danzig, Hannover, Frankfurt⸗Main, mit landwirtschaftlichen Genossenschaften Fleischlieferungsverträge abgeschlossen. Es ist inter⸗ essant, daß dem Minister diese Tatsachen nicht bekannt sind: es zeigt, wie sehr man sich mit der Sache beschäftigt. Es muß ermöglicht werden, daß weiter solche Verträge abgeschlossen werden; natürlich können die Städte nicht mit Verlust kaufen. Es ist hier über die Gefahr der Viehseuchen gesprochen worden. Ich möchte daran erinnern, daß Sie damals die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung abgelehnt haben. Um die Tier⸗ seuchen auch in den Fällen zu bekämpfen, wo das Gesetz nicht ein⸗ greift, sind von der landwirtschaftlichen Verwaltung 200 000 in den Etat gestellt worden. Aber von dieser Summe ist noch nicht ein einziger Pfennig ausgegeben worden. Daß es der Wissen⸗ schaft bisher noch nicht gelungen ist, den Erreger der Maul⸗ und Klauenseuche zu finden, bedauern wir außerordentlich. Der Minister hat sich auch über die Kommunallasten der Landwirtschaft geäußert. Auch wir halten die Kommunallasten auf dem Lande für außerordentlich hoch. Aber wir müssen doch sagen, daß nicht nur die Grundbesitzer, sondern auch die anderen Klassen unserer Bevölkerung von dieser Kalamität in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Landwirtschafts⸗ minister müßte mehr für die kleinen Leute eintreten. Ein unhalt⸗ barer Zustand ist die Lelstung der Hand⸗ und Spanndienste. Das Schlimmste aber hierbei ist, daß in den Gemeinden, wo diese Hand⸗ und Spanndienste üblich sind, der Gemeindevorsteher selbständig zu entscheiden hat, ohne daß er an irgend eine Vorschrift gebunden wäre, wer diese Dienste zu leisten hat. Es ist schon oft genug vor⸗ gekommen, daß diejenigen, die sich weigerten, Hand⸗ und Spann⸗ dienste zu tun, von dem Gemeindevorsteher mit einer Geldstrafe be⸗ legt wurden. Das erinnert noch an die Zeit der Leibeigenschaft. Die Bestimmungen der Reichsversicherungsordnung über die Land⸗ krankenkassen sind gar nicht durchführbar; der Landrat kann gar nicht Vorsitzender der Krankenkasse sein. Daß er es aber doch sein soll, ist lehrreich für die konservative Anschauung. Die Landkranken⸗ kassen bringen den ländlichen Arbeitern keinen Vorteil. Das Kranken⸗ geld ist außerordentlich niedrig; schon bei 50 Arbeitern soll ein Großgrundbesitzer eine Betriebskasse errichten dürfen: die Arbeiter sind in der Vertretung der Kasse vollständig rechtlos. Diese Art der Krankenkassen bringt nur eine neue Ungerechtigkeit für die Arbeiter mit sich. Die Beamten der (Generalkommissionen müssen ausreichend besoldet werden. Eine merkwürdige Verfügung der Generalkommission in Münster empfiehlt den Spezialkommissaren „gauf Anordnung des Ministers“, daß diese mit den Gehältern für die Bureaubeamten nicht über das Normalmaß hinausgehen, und daß sie möglichst jüngere Kräfte anstellen und diese durch andere jüngere Kräfte ersetzen, wenn jene sich verheiraten. Daß die Landwirtschafts⸗ kammern eine Abteilung „Baustelle“ einrichten, dagegen haben wir an sich nichts, aber sie dehnen solche Tätigkeit zu weit aus, wenn sie durch die Baustelle allerhand Gebäude errichten lassen, die nichts mit der Land⸗ wirtschaft zu tun haben. Die Architekten in Hannover haben sich über diese Tätigkeit beschwert, und dies zeigt von neuem, daß es den Konservativen mit ihrer Mittelstandspolitik gar nicht ernst ist. Die Wohnungen der Landarbeiter sind viel zu schlecht, die Tuber⸗ kulose ist auf dem Lande nicht geringer als in den Städten. Professor Jacob hat die Verhältnisse im Kreise Hümmling in der Provinz Hannover untersucht und festgestellt, daß dort die Tuberkulose weit über das Durchschnittsmaß hinausgeht, und daß hauptsächlich die Wohnungen, von denen nicht die Hälfte auch nur den geringsten sanitären Anforderungen entspricht, und die zur Unterernährung führende Mangelhaftigkeit der Lebensmittel die Schuld daran tragen. Wir verlangen für die Landwirts haft dieselbe Aufsicht, wie die Gewerbeaufsicht ist. In Schlesien ist es vorgekommen, daß die russisch⸗katholischen Arbeiter mit den Mädchen in einer Stuhe schlafen mußten. Als ein Mädchen entbunden werden mußte, wurde nicht einmal eine Hebamme geholt, es wurde ihm nicht die geringste Fürsorge zuteil. Bei einer Konferenz vom 23. November hier im Abgeordneten⸗ haufe, die von allen interessierten Otkganisationen der Arbeit⸗ geber, auch von Vertretern des Landwirtschaftsministeriums und des Ministeriums Innern, sowie vom Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemokratie beschickt war, wollte man sich nach der Tagesordnung mit der Frage beschäftigen, wie man die Landarbeiter zu höheren Interessen erziehen koͤnne; in Wahr⸗ heit handelte es sich aber darum, wie man mit Hilfe der Be⸗ hörden die Landarbeiter vor der Sozialdemokratie bewahren könne. Die Konferenz stellte sich auf den Standpunkt der „Kreuzzeitung“, daß Gewerkschaften überhaupt nicht auf das Land gehören. Es ibt allerdings einen Landarbeiterverband, und man nennt ihn sosialdemokragisch Hurufe rechts). Ja, der Abg. von Arnim hat ja einmal gedroht, wenn ein sozialdemokratischer Agitator auf das Land käme,

des

en

1

S ger.

943.

Landarbeiterverband hat schon durch seine Rechtsauskunftsstellen viel Segen gestiftet. Nun will man durch alle möglichen Miltel die Land⸗ arbeiter von der Sozialdemokratie abhalten, aber kosten soll es möglichst wenig. Die Bewahrung vor der Sozialdemokratie liegt den Herren beinahe mehr am Herzen als die Getreidezölle. Man will den Arbeitern die Aufklärung unmöglich machen, man will, daß ihr Gehirn ver kleistert werde, damit sie in Dummheit und Stumpfsinn dahinleben. Die Agitation des Reichsverbands gegen die Sozialdemokratie ist eine unglaubliche Verhetzung. Es ist bemerkenswert, daß bei der bewußten Konferenz der Abg. Dr. Hahn es als wichtige Aufgabe des Bundes der Landwirte bezeichnet hat, Arbeiter anzusiedeln. Das Heuerlingswesen müsse so geregelt werden, daß es nach wie vor Landarbeiter gebe. Ihre ganze innere Kolonisation läuft also darauf hinaus, diese Bevölkerung auf der niedrigen Kulturstufe zu erhalten. Diese Grundsätze des Abg. Hahn sind sehr gefährlich. Im Etat sind 45 000 zur Förderung der Arbeitsvermittlung durch die Landwirtschaftskammern eingestellt. Es scheint uns, daß dieser Betrag zur Betämpfung der Arbeiterorganisationen zur Ver⸗ fügung gestellt worden ist. Die Volksfürsorge, wie sie von der Regierung betrieben wird, ist eine Gefahr für unsere Landarbeiter. Die Aufseher müßten mit den Landarbeitern vernünftiger umgehen und sie besser behandeln. Die Mißhandlung der Arbeiter auf dem Lande muß aufhören. Im Wahlkreise des Abg. Dr. Arendt haben die Arbeiter einen Aufseher derartig mißhandelt, daß er an den Folgen starb. Die beteiligten Arbeiter wurden bestraft. Aber es wurde vom Gericht nicht nach der Ursache der Mißhandlung gefragt. Ein Ritter⸗ gutsbesitzer hat ein wehrloses Maͤdchen so rücksichtslos geschlagen, daß, als es nachher zu einer Gerichtsverhandlung kam, der Staats⸗ anwalt einen Monat Gefängnis gegen ihn beantragte, weil es sich hier um eine außerordentliche Roheit handelte. Alle Gewaltmittel, die gegen die Landarbeiter angewendet werden, sind für Sie (zu den Konservativen) Instrumente, um die Arbeiter in Knechtschaft und Leibeigenschaft zu erhalten. Abg. Jany (konsf.):

1 Gelegentlich der Besprechung der Inter⸗ pellation der ländlichen

und städtischen Kreditnot hat der Landwirt⸗ schaftsminister zu meiner Freude hinsichtlich der Entschuldung des ländlichen Grundbesitzes eine Erklärung abgegeben, die sich voll⸗ ständig mit dem, was bereits in der Denkschrift über die Ausführung der Verschuldungsgrenze gesagt worden ist, deckt. Meines Erachtens ist die Höhe der Perschuldung mit 31 % an und für sich noch keine bedenkliche Erscheinung. Aber volkswirtschaftlich außer⸗ ordentlich bedenklich wird die Verschuldung, die entsteht und entstanden ist beim Besitzwechsel im Erbgang. Wir sehen heute, daß sich in weiten Gebieten der Monarchie ein vollständiges Verschwinden des altangesessenen Bauernstandes bemerkbar macht. Man soll sich nicht ein falsches Bild machen, wie es vielfach in der Oeffentlichkeit geschieht. Nicht die außerordentlich hohen Grundstückspreise, auch nicht die schwierigen sozialen Verhältnisse auf dem platten Lande sind letzten Endes die Ursache für die Verschuldung des Grund⸗ besitzes, nein, die Mifache liegt in der Unmöglichkeit, den Besitz längere Zeit in der Familie zu erhalten. Ich kann mit Freude feststellen, daß der ländliche Bauernstand mit einer Zähig⸗ teit an der Scholle hängt, die für ihn ein ewiges Ruhmesblatt ist. Alles, was von seiner Seite geschehen ist und wie ich offen sage auch unterlassen ist, hat seinen Grund in dem Bestreben, mit äußerster Sparsamkeit zu ermöglichen, daß der Besitz in der Famtlie bleibt. Alles menschliche Können hat seine technische Grenze, und jetzt muß die Grenze bald kommen, wo der menschliche Wille nicht mehr fort⸗ kommt. Der zweite Grund liegt darin, daß nach ungeschriebenem Recht eine Begünstigung desjenigen Erben, der den Besitz über⸗ nimmt, stattgefunden hat, mit Zustimmung der übrigen Mit⸗ erben, indem der Wert des Grundstücks bei der Uebernahme sehr viel geringer angesetzt wurde, als er wirklich ist. Jetzt wird dagegen mehr und mehr versucht, bei steuertechnischen Maßnahmen präzis den Wert des Erbes zu ermitteln. Wenn es so lange möglich war, auf diese Weise den Besitz zu erhalten, so liegt der Grund gerade in dem bei der ländlichen Bevölkerung so scharf ausgeprägten Familiensinn. Ich gebrauche absichtlich dieses in der Oeffentlichkeit so viel verbrauchte Wort, ich wüßte kein anderes Wort, das besser die Empfindungen darstellt, die danach streben, den Besitz zu erhalten. Das ist das Ziel, in dem väterlichen Boden auch dann, wenn es eigentlich längst nicht mehr möglich ist, noch immer das gemeinsame Heim, den Zufluchtsort in der Not, den Versammlungs⸗ ort aller Familtenangehörigen zu haben. Aus diesem Grund ist in ländlichen Familien überall der Wunsch, daß es nur möglich wird, daß einer von den Familtenangehörigen den Besitz des Vaters er⸗ zalten kann. Die Bestrebungen der neueren Zeit schieben dem einen Riegel vor. Wenn 1906 und 1909 gegen die Besteuerung des Kinder⸗ erbes gerade beim ländlichen Grundbesitz von den Kennern der Ver⸗ bältnisse so gewichtige Bedenken aufgestellt sind, so waäne ich versucht, hier einiges über die Art und Weise zu bemerken, wie diese in allem Ernst vorgebrachten Bedenken vorgebracht worden sind. Ich will darauf verzichten, aber ich kann den Wunsch nicht unter⸗ drücken dieser Wunsch ist bei den heutigen Ausführungen des Aba. Pachnicke lebhaft geworden —, daß diejenigen, denen die länd⸗ lichen Dinge fernliegen, sich eines größeren Maßes von Zurück⸗ haltung in der Kritik befleißigen und ein größeres Maß von Ver⸗ trauen denen entgegenbringen, die aufs engste mit den ländlichen Interessen bekannt sind. Ich will schon deshalb darauf nicht ein⸗ gehen, weil zu meiner Freude die Darlegungen aller Parteien mit Ausnahme der kleinen Gruppe der Sozialdemokraten die volks⸗ wirtschaftliche Bedeutung der Entschuldung des Grund und Bodens aufs vwärmste anerkannt haben, und weil von allen Seiten gewünscht ist, an einer Gesetzgebung mitzuarbeiten, die das Ziel hat, den Bauern die Scholle und die Scholle den Bauern zu erbalten. Wenn die Soztaldemokratie erklärt, daß diese Frage überhaupt keine volkswirt⸗ schaftliche Bedeutung, sondern lediglich eine rein privatwirtschaftliche Bedeutung habe, so dürfte es doch bei einigermaßen gutem Willen auch der Soztaldemokratie nicht so fern liegen, die volkswirtschaft liche Bedeutung dieser Frage zu erkennen. Zunächst ist doch klar, daß die Verschuldung des Grund und Bodens in aller⸗ engster Beziehung zu der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Steuerkraft der ländlichen Bevölkerung stehen muß und aus diesem Grunde schon das Interesse der Allgemeinheit verdient. Ich möchte gerade einer Partei, die es gewissermaßen als ihr Monopol betrachtet, das Recht der ürmsten Schichten der Bevölkerung zu ver⸗ treten die ganzen Ausführungen des Abag. Leinert hatten ja keinen anderen Zweck, als gerade die sen Anschein auf dem Lande zu erwecken nahelegen, daß die Möglichkeit, zu billigem Fleisch und Brot zu gelangen, sehr viel größer sein muß bei einem Grundbesitz, der dank einer geringen Verschuldung in der Lage ist, das äußerste Maß der Intensität in seinem Betriebe anzuwenden und Massenproduktion hervorzubringen, als bei einem Grundbesitz, der auf seiner Scholle mehr vegetiert als pro⸗ duziert. Im vorigen Jahre hat der Redner der Sozial⸗ demokraten sonderbarerweise gesagt, daß die sozialdemokratische Partei in diesem Hause allein das Recht habe, als eine nationale Partei zu gelten. Wenn dann die nationale Bedeutung dieser Frage vollständig abgeleugnet wird, so muß das sonderbar berühren. Ich stehe auf dem Standpunkt: Grund und Boden sind Eigentum der ganzen Nation; wir sehen heute, daß die Kämpfe aller Völker sich um den Besitz von Grund und Boden drehen. Der Eigentümer

geworden. (Sehr richtig!)

8

würde er mit der ung machen. Der

eines Grundstücks hat sich zu betrachten als der Sachwalter auf diesem