Anweisunge 8 gekommen sind, soll der Unterricht in den Wanderhaushaltungsschulen, wenn er auch in erster Linie die Unterweisung im Kochen und in der Hauswirtschaft bezweckt, sich doch nicht allein darauf beschränken, sondern es soll den Schülerinnen auch Gelegenheit geboten werden, sich im Garten⸗ und Gemüsebau und in den für die Haushaltung in Betracht kommenden sonstigen landwirtschaftlichen Fächern zu unterrichten. Das wird in erster Linie erstrebt durch Mitwirkung der Landwirtschaftslehrer bei der Erteilung des Unterrichts: wir hoffen mit der Zeit aber dahin zu kommen, daß Haushaltungslehrerinnen angestellt werden können, die in der Lage sind, auch in diesen Fächern einen selbständigen und aus⸗ reichenden Unterricht zu erteilen. Ich glaube, nach dieser Richtung wird nichts versäumt werden, zumal bei der landwirtschaftlichen Ver⸗ waltung die Ueberzeugung besteht, daß gerade die Kenntnis des Ge⸗ müse⸗ und Gartenbaues, der Geflügelzucht usw. unsern Hausfrauen ebenso nottut wie die Kenntnis des Kochens.
Ich glaube damit meine Ausführungen schließen zu können und möchte nur noch auf einen Punkt hinweisen. Was die Dauer der Kurse der Haushaltungsschulen angeht, so gehen die Wünsche der Bevölkerung nicht immer mit denen der landwirtschaftlichen Ver⸗ waltung konform. Wir legen großen Wert darauf, daß, wenn eben möglich, der Unterricht wenigstens auf acht Wochen erstreckt wird, weil wir glauben, nur in dieser Zeit eine gründliche und ausreichende Unterweisung er⸗ zielen zu können. Selbstredend gibt es aber Gegenden, wo die Ent⸗ fernungen, die die Schülerinnen zu dem Sitz der Haushaltungsschule zurückzulegen haben, sehr weit sind, auch machen es Arbeits⸗ und sonstige Verhältnisse für die Bevölkerung manchmal wünschenswert, daß die Dauer des Kursus abgekürzt wird. Dem kann in einzelnen Fällen ausnahmsweise Rechnung getragen werden; aber ich möchte doch an dem Grundsatz festhalten, daß die Wanderhaushaltungsschule eine möglichst vollständige Unterweisung erzielen soll und daß dies nur zu erreichen ist, wenn der Kursus in der Regel die Zeit von acht Wochen umfaßt. (Bravo! rechts.)
Abg. Ram dohr (freikons.): Ich möchte vor einer allzu großen Inspizierung der ländlichen Forthildungsschulen warnen. In dieser Hinsicht kann man auch sagen: Allzuviel ist ungesund. 1
Abg. Dr. Heß (Zentr.): Aus der Tatsache, daß die Fortbildungs⸗ schulen im Westen aus eigener Kraft einen guten Fortgang nehmen, kann nicht gefolgert werden, daß dieselben eine staatliche Zubuße nicht mehr nötig haben, wie es der Minister getan hat. Wir verlangen eine etwas größere Berücksichtigung der Verhältnisse im Westen gegen⸗ über dem Osten. Bezüglich des kommenden Fortbildungsschulgesetzes hat der Minister der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß das Gesetz zustande gebracht werde. Er hat daran die Bemerkung geknüpft, daß sich ein Weg zur Verständigung finden werde, falls die grundsätzliche Auffassung der Regierung zur Geltung komme. Dazu möchte ich bemerken, daß die Regierung doch wohl den Parteien, die anderer Ansicht sind, nicht das Recht absprechen kann, eine eigene Auffassung zu vertreten. “
Abg. Hoffmann (Soz.): Sie sprechen immer von den An⸗ griffen der Linken gegen die Religion. Wir greifen aber nur den Mißbrauch der Religion an. Gerade von Ihrer Seite wird die Religion zu allen möglichen Zwecken mißbraucht. Der Landwirtschafts⸗ minister hat mir den Doktortitel verliehen. Ich muß diesen Titel zurückweisen, ich bin schon im allgemetnen nicht für Titel, zu haben, würde aber ganz besonders von dem Landwirtschaftsminister mit seiner rückständigen Ansicht keinen Titel annehmen. Der Minister wies auch heute den Vorschlag zurück, die Religion direkt in die Fortbildungsschulen aufzunehmen, aber er sagte, die Behörden könnten die darauf bezüglichen Bemühungen der Religionsgemeinschaften, nach dem Fortbildungsschulunterricht Religionsunterricht zu pflegen, unter⸗ stützen. Also die Amtsvorsteher und Landräte sollen Zutreiber zum Religionsunterricht sein. Wenn Sie solche Hilfsmittel brauchen, dann kann es mit der Religion nicht weit her sein. Auch wir wollen in den Fortbildungsschulen Herz und Gemüt der Schüler erziehen, allerdings in anderer Form als der Minister.
Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.): Auf den Vorwurf des Mißbrauchs der Religion will ich nicht weiter eingehen, da sich ja Abg. Hoffmann mit der Frage auch nicht weiter beschäftigt hat. Die Religion betrachten wir als die Grundlage für unsere gesamte Gesell⸗ schaftsordnung. 1““
Abg. Meyer⸗Diepholz (nl.) tritt für weitere Hebung des Fortbildungsschulwesens und ausreichende Dotierung der Lehr⸗ Fräfte in.
Abg. Dr. Engelbrecht (freikons.): Landwirtschaftliche Winter⸗ schulen sollten in größerem Maßstabe geschaffen werden. Ferner verlangen wir für die Fortbildungsschulen Fachbibliotheken. Die landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen sollten auch insbesondere dazu dienen, die neuesten Ergebnisse der landwirtschaftlichen Forschung den kleinen bäuerlichen Besitzern zugänglich zu machen, da diese doch noch vielfach rückständig sind. 6
Abg. Tourneau (Zentr.): Ich bedauere, daß an den Land⸗ wirtschaftsschulen und auch an den Hochschulen einzelne wichtige Unterrichtsgegenstände, wie die Melioration, Moorkultur usw., zu wenig gepflegt werden. Gerade die kleinen Landwirte bedürfen einer besseren Ausbildung. Das setzt natürlich voraus, daß auch die Landwirtschaftslehrer in der angedeuteten Richtung besser ausgebildet werden. Von der Unvollständigkeit des Unterrichtsplanes der land⸗ wirtschaftlichen Hochschulen hängt es ab, daß z. B. an diesen Schulen die Söhne der Großgrundbesitzer, sowie Ausländer überwiegen. Unser landwirtschaftliches Bildungswesen berücksichtigt noch zu wenig die praktischen Bedürfnisse der Landwirte.
Abg. Brandhuber (Zentr.) tritt für eine weitere Aus⸗ gestaltung der landwirtschaftlichen Winterschulen ein.
Beim Kapitel der Tierärztlichen Hochschulen teilt der Berichterstatter
Abg. Graf von der Gro eben (kons) mit, daß der Minister in der Kommission erklärt habe, daß der Titel „Dr. med. vet.“ im Inlande nur von Abiturienten erworben werden könne, und daß daher der ausländische Doktortitel, insbesondere der schweizerische Titel, welcher nicht unter denselben Vorbedingungen erlangt worden ist, in Preußen nicht anerkannt werden könne.
Abg. Dr. Heß (Zentr.) tritt für eine Petttion ein, welche von einer Anzahl Tierärzten, die in der Schweiz den Doktortitel erworben haben und die Anerkennung desselben in Preußen wünschen, dem Hause zugegangen ist.
Abg. Dr. Arning (nl.): Ich freue mich, daß der Tier⸗ ärztlichen Hochschule in Hannover die Rektoratsverfassung gegeben worden ist. Den Ausführungen des Abg. Heß bezüglich der An⸗ erkennung des tierärztlichen Doktortitels schließe ich mich durchaus an. Aus den Erklärungen des Landwirtschaftsministers glaube ich entnehmen zu können, daß der Landwirtschaftsminister von seinem Ressort aus dieser Frage nicht allzu feindlich gegenübersteht. Ich glaube, daß der Minister sich ohne Bedenken unserer Anschauung anschließen kann, um so mehr, da auch andere deutsche Bundesstaaten, u. a. Sachsen und Oldenburg, den Titel anerkennen. Mir liegen eine Anzahl Doktordissertationen vor, und ich kann sagen, daß sie meiner Ansicht nach durchaus dem entsprechen, was man bei uns von den Kandidaten verlangt. Es ist auch festgestellt worden, daß man in wissenschaftlichen Kreisen den Titel durchaus anerkennt. Ich bitte daher den Landwirtschaftsminister, daß er sich auch seinerseits für die Anerkennung des Titels entschließt.
Abg. Wenke (fortschr. Volksp.): Ich erkläre namens meiner Freunde, daß wir die in der Petition ausgesprochenen Wünsche gern unterstützen, um so mehr, da der Verein deutscher Tierärzte, in dem
gerade diejenigen Tierärzte zusammengeschlossen sind, die den Doktor⸗ titel in Deutschland erworben haben, gleichfalls die Anerkennung des ausländischen Titels unterstützen.
Abg. Dr. von Campe (nl.): Ich hoffe, daß der Landwirt⸗ schaftsminister für die berechtigten Wünsche der Petenten eine Lanze brechen wird. Als ich vor wenigen Jahren in der Budgetkommission diese Frage anregte, wurde mir erwidert, daß wir diesen Titel nicht hätten, und daß lediglich deshalb der ausländische Doktortitel nicht anerkannt werden könne. Dieser Grund ist jetzt fortgefallen, und des⸗ halb sollte man auch die logische Konsequenz daraus ziehen und ihn anerkennen. Ich bin überzeugt, die Herren würden nichts dagegen haben, wenn eine gewisse Nachprüfung stattfinden würde. In früheren Jahren mag wohl die Promotion im Ausland leichter gewesen sein, da waren wohl die Bedenken vielleicht berechtigt. Aber heute ist das nicht mehr der Fall. Man sollte diese Unebenheiten aus der Welt schaffen und dafür sorgen, daß in die betreffenden Kreise Zufrieden⸗ heit einzieht. Damit nützt man dem allgemeinen Wohl mehr, als wenn man an den alten früheren Grundsätzen festhält.
Bei den Ausgaben für veterinärpolizeiliche Zwecke bemerkt
Abg. Meyer⸗Diepholz (nl.): Mit den Maßnahmen zur Seuchenimpfung sind wir einverstanden. Beim Ausbruch der Seuchen muß energisch zur Tötung der Tiere unter Entschädigung der Eigen⸗ tümer geschritten werden. Die bisher zur Entschaͤdigung aus⸗ geworfenen Staatsmittel reichen im Verhältnis zu den großen in Frage kommenden Werten bei weitem nicht aus. Ich richte die Auf⸗ merksamkeit der Regierung darauf, daß man im Auslande die Be⸗
fürchtung hegt, daß möglicherweise die Maul⸗ und Klauenseuche durch Strohhülsen verschleppt werden könne, die als Packmaterial verwendet werden. Würde diese Befürchtung nach Deutschland übertragen, so würde die hohe Entwicklung der Strohhülsenfabrikation große Nach⸗ teile erleiden. Man geht bei dieser Befürchtung offenbar von falschen Voraussetzungen aus, denn zur Herstellung von Strohhülsen wird nur solches Stroh verwendet, das mit Tieren, also mit der Maul⸗ und Klauenseuche, überhaupt nicht in Berührung gekommen ist. Nach dieser Richtung möge der Minister aufklärend wirken lassen.
forschung von Tierkrankheiten bemerkt
— Abg. Hoeveler (Zentr.), die Regierung müßte den verheerenden Schweineseuchen mehr Aufmerksamkeit zuwenden und für eine möglichst billige Abgabe der Impfstoffe sorgen. An der belgischen Grenze herrsche ein sehr starker Schmuggel mit Jungschweinen, sodaß die Gefahr der Seucheneinschleppung vorliege. Auch Laien müßten zu der Impfung herangezogen werden dürfen.
Regierungsrat Nevermann: Leider haben wir noch nicht
das geeignete Mittel, um eine zuverlässige Seuchenbekämpfung auf⸗ zunehmen. Allerdings muß ich zugeben, daß mit dem Serum Salvarsan zum Teil ganz gute Erfolge erzielt worden sind. Was die Heranziehung der Laien zu den Impfungen betrifft, so kann ich heute noch nichts Positives darüber sagen; die Impfung ist oft mit Schwierigkeiten verbunden. Abg. Berndt (Zentr.): Besonders verbreitet ist der Scheiden⸗ katarrh der Kühe. Er findet sich gerade in den besten Herden. Ist diese Krankheit mal in den Stall eingeschleppt, so ist die ganze Herde dieser Krankheit verfallen. Sie hat einen außerordentlich großen Umfang angenommen, ungefähr 15 % des ganzen Großgrundbesitzes sind durch sie verseucht. Von Zug⸗ und Schlachtmaterial gehen all⸗ jährlich Hunderttausende verloren. Die Regierung muß Ermitt⸗ lungen anstellen lassen, die den Umfang der Seuche feststellen, und muß Schutzmaßregeln schaffen, die der Weiterperbreitung der Seuche Einhalt tun. Auch die Wissenschaft legt auf diese Frage zu wenig Gewicht und hat sich um sie noch keine Verdienste erworben. Bei der Maul⸗ und Klauenseuche gibt es geradezu drakonische Be⸗ stimmungen. Gegen diese Seuche bestehen keine Maßregeln, hier herrscht Freiheit und Freizügigkeit der Seuche. In den Zeiten, in denen Deutschland noch 5 % seines Fleischbedarfes aus dem Auslande degen muß, die Fleischteuerung der Sozialdemokratie ein bequemes Mittel zur Erregung der Unzufriedenheit gibt, muß die Regierung dafür sorgen, daß die Tierseuchen wirksam bekämpft werden. Auch die Anzeigepflicht muß eingeführt werden. Die Mittel, die zur Hebung der Fleischproduktion vorgeschlagen wurden, sind ja ganz trefflich, namentlich der Gedanke der inneren Kolonisation. Aber sie wird erst unseren Kindern und Kindeskindern zugute kommen, vährend wir jetzt eine schnelle Hilfe zur Erhaltung und Hebung unserer Vieh⸗ produktion brauchen.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Ich kann ohne weiteres dem Herrn Vorredner darin recht geben, daß die von ihm erwähnten Seuchen der Landwirt⸗ schaft schweren Schaden zufügen und zu größerer Beunruhigung der landwirtschaftlichen Bevölkerung auch in bezug auf die weitere Hebung der Viehproduktion Anlaß geben. Leider ist es aber bisher noch nicht möglich gewesen, absolut wirksame Mittel zur Bekämpfung dieser Seuchen zu finden, und solange das nicht möglich ist, wird auch eine Anzeigepflicht nicht nutzen. Sie ist schon zweimal aus diesem Grunde abgelehnt worden. Selbstredend werden die Bemühungen der land⸗ wirtschaftlichen Verwaltung in Verbindung mit der zuständigen In⸗ stanz des Reichs dahin gerichtet sein, auf die energische Fortsetzung der Seuchenforschung hinzuwirken! Solange kein wirksames Mittel gefunden ist, werden auch zur Bekämpfung besondere Maßregeln kaum ergriffen werden können.
Ich möchte bitten, daß mein Referent, Geheimer Rat Nevermann noch über einige Punkte, die der Herr Vorredner berührt hat, Aus⸗ kunft geben kann.
Regierungsrat Neverma un: Unter den Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Seuche dienen, spielt eine große Rolle das Suchen nach einem Heilmittel. Wenn wir erst ein solches gefunden haben, dann können wir auch weiter vorgehen.
Abg. Lüders (freikons.) tritt für die Bekämpfung der Schweine⸗ seuchen ein, durch die den kleinen Leuten viel Kapital verloren gehe. Vor allen Dingen müsse dafür gesorgt werden, daß das Vieh vom Auslande nicht ohne gehörige Untersuchung bei uns eingeführt wird.
Akg. Berndt (Zentr.): Die Begründung des Ministers, daß noch kein Heilmittel gefunden sel, spricht nicht gegen die Anzeige⸗ pflicht. Gegen die Maul⸗ und Klauenseuche ist auch noch kein wirk⸗ sames Mittel gefunden. Es ist doch die Hauptsache, daß kranke Tiere nicht verkauft werden dürfen.
Bei den Ausgaben für die Untersuchung des ein⸗ geführten Fleisches tritt Abg. Heine (nl.) für die feste Anstellung und eine ihrer Vorbildung entsprechende genügende Besoldung der Nahrungsmittel⸗ chemiker ein.
Ministerialdirektor Schroeter sagt eine wohlwollende Prüfung der der Nahrungsmittelchemiker zu, wendet jedoch ein, daß es sich hauptsächlich nicht um feste Stellen handele.
Abg. Hoff (fortschr. Volksp) bittet gleichfalls, die Wünsche der Nahrungsmittelchemiker zu erfüllen.
Bei dem Kapitel der Förderung der Vie hzucht
bemerkt
Abg. Hoff (fortschr. Volksp.): Zurn Förderung der Pferdezucht würde es wesentlich beitragen, wenn zum Anreiz für die Aufzucht von Fohlen Prämien für Mutterstuten gegeben würden. Ueber die Kör⸗ ordnung von Gumbinnen wird lebhaft geklagt, weil sie zu viel Rück
sicht auf die Interessen der Remontezucht nimmt, während die Inter⸗
Bei den Ausgaben für die wissenschaftliche Er⸗
essen der Landwirtschaft, die ein brauchbares Arbeitspferd nötig hat außer acht gelassen werden. 86
Bei dem Dispositionsfonds zur Förderung der Viehzucht und des Molkereiwesens, der um 150 000 ℳ auf 1,3 Million Mark erhöht ist, tritt b
Abg. Hoeveler (Zentr.) dafür ein, daß Fleischlieferungs⸗ verträge zwischen den Städten und den landwirtschaftlichen Ge. nossenschaften abgeschlossen werden. Die Milchkontrolle dürfe nicht so rigoros gehandhabt werden, wie dies in Düsseldorf der Fall sei Man sei dort mit allzu harten Strafen vorgegangen. GCs wäre dringend zu wünschen, wenn bei dem Erlaß von derartigen Polizei⸗ verordnungen auch die Landwirtschaftskammern gehört würden. Durch solche allzustrengen Vorschriften werde den Leuten die Lust an der Milchwirtschaft verleidet, was im Interesse des Milchverbrauches sehr zu bedauern wäre. Man solle doch darauf bedacht sein, daß der Milchverbrauch immer mehr zunehme. 8
1 Abg. Dr. V arenhorst (freikons.) tritt für die Förderung der Bienenzucht ein. Er bittet die Regierung, in Verbindung mit dem Reichsschatzamt zu treten und die Frage zu prüfen, wie weit den Wünschen der Imkervereine nach steuerfreiem Zucker Rechnung getragen werden könne. Er bedauert, daß seinem früheren Antrag in derselben Richtung nicht entsprochen worden sei. 3
Auf eine Beschwerde des Abg. Dr. Rö ng (nl.) darüh daß die Dungstätten vielfach nicht n ggrhhrdarühe⸗ Dungstoffe von Landwirten auf die Straße geworfen würden, erklärt der 8 Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Als Jurist und Staatsmann hat der Herr Vorredner (Heiterkeit) am Schlusse seiner Ausführungen selbst der Meinung Ausdruck gegeben, daß ich nicht dazu berufen bin, in dem von ihm hervorgehobenen Beschwerdefalle Abhilfe zu schaffen, sondern daß das Aufgabe des Herrn Ministers des Innern ist, dem be⸗ kanntlich auch die Sanitätspolizei untersteht. Ich würde mich also Auch um diese Angelegenhelt nur vom landwirtschaftlichen Standpunkt aus kümmern können.
Da kommt gegenüber den Klagen des Herrn Vorredners doch einmal in Betracht, daß es sich bei der Instandsetzung und Instand⸗ haltung von Düngestätten um ein für die Landwirtschaft sehr wert⸗ volles Objekt handelt, und daß es zweifellos im Interesse der land⸗ wirtschaftlichen Bevölkerung liegt, daß sie dazu angehalten wird, die Dungstoffe nicht auf die Straße entlaufen zu lassen (Abg. Dr. Röchling: Einverstanden! Heiterkeit), sondern sie nach Möglichkeit zu konservieren. (Sehr richtig!)
In diesem Sinne hat die landwirtschaftliche Verwaltung schon seit einer Reihe von Jahren besonders auf die Verhältnisse in den gebirgigen Teilen der Rheinprovinz bessernd einzuwirken gesucht: sie hat die Anregung dazu gegeben, durch Erlaß kreispolizeilicher Vor⸗ schriften eine Verbesserung bestehender und die Errichtung zweckmäßiger neuer Düngestätten zu fördern. Diesen Anregungen ist die Bevölke⸗
ung vielfach bereitwilligst gefolgt; in anderen Gegenden haben sie auch lebhaften Widerspruch hervorgerufen. Ich habe zu der Zeit, wo es sich um die Durchführung solcher Polizeiverordnungen handelte, eine Reihe von Jahren den Vorsitz in der Landwirtschafts⸗ kammer der Rheinprovinz geführt, ich habe nachher noch als Oberpräsident Gelegenheit gehabt, mich mit dieser Angelegen⸗ heit zu beschäftigen, und ich babe doch den Eindruck ge⸗ wonnen, daß sich im Laufe der Jahre nahezu überall die Ueberzeugung Bahn gebrochen hat, daß das von der landwirtschaft⸗ lichen Verwaltung Erstrebte für die Bevölkerung nützlich und vorteil⸗ haft war. Natürlich haben die Kosten und ebenso auch die Anzeigen, die gelegentlich gegen Widerstrebende erstattet worden sind, böses Blut gemacht, und es ist deswegen auch durchaus gerechtfertigt, wenn die Landräte, denen die Ausführung dieser Verordnungen in erster Linie obliegt, nach Möglichkeit dafür gesorgt haben, daß das Tempo kein allzu schnelles werde. (Abg. Dr. Röchling: Bravo!) Man hat zuerst versucht, auf die Bevölkerung belehrend einzuwirken, die Termine zur Instandsetzung der Düngestätten zu verlängern und mit Strafen erst dann vorzugehen, wenn tatsächlich auf andere Weise Abhilfe nicht zu schaffen war. Ich bin gern bereit, in diesem Sinne auch bei dem Herrn Minister des Innern vorstellig zu werden und nach dieser Richtung die berechtigten Interessen der landwirtschaftlichen Be⸗ völkerung zu unterstützen.
Im übrigen muß ich aber zu meinem Bedauern erklären, daß nach meinen Erfahrungen der Kreis Saarbrücken nicht gerade zu den⸗ jenigen Bezirken gehört, auf die sich der Fleischbedarf weiterer Kreise der Bevölkerung stützen könnte. (Zustimmung des Abg. Dr. Rächling.) Ich erinnere mich noch sehr gut der Zeit, und Herr Abg. Röchling wird sich auch noch der Zeit erinnern, wo man unter den Bergleuten in Saarbrücken vielfach dazu überging, die schwereren Milchkühe, ins⸗ besondere der Glanrasse, als zu teuer und zu wenig nutzbringend abzuschaffen. Statt dessen führte man, veranlaßt durch einen aus Baden gekommenen, inzwischen verstorbenen Tierarzt die so⸗ genannten Hinterwälder ein, eine verhältnismäßig kleine, sehr gute, aber wenig Milch gebende und wenig Fleich produzierende Rindviehrasse, die vielleicht in ihrer Heimat, dem Gebirge, noch ihren Nutzeffekt hatte, aber für Saarbrücken gerade das Gegen⸗ teil bedeutete. Ich habe mich nach Kräften gegen die Einführung
dieser Tiere gewehrt; ich habe in einigen Dörfern. geradezu einen
Aufstand erregt, als ich dagegen Front machte. Jetzt, wo diese Bewegung längere Jahre zurückliegt, sind diese Tiere verschwunden; kein Mensch spricht von den Hinterwäldern, und alle Leute sind froh, daß diese Tiere abgeschafft worden sind. So wird, glaube ich, auch die Zeit kommen, wo man im Kreise Saarbrücken nicht mehr von der Instandsetzung der Düngerstätten spricht, sondern sich freut, daß die Polizei dazu beigetragen hat, auch diesen Zuständen ein Ende zu machen. (Heiterkeit und Bravo!)
Abg. Lüders (freikons.) bemerkt, daß seine politischen Freunde alles tun werden, was geeignet ist, die Fleischnot zu lindern und die heimische Viehproduktion zu heben. 1
Abg. Hoffmann (Soz.): Ich wünschte, daß der Vorredner mit seinen Worten recht hätte. Ich bin aber nicht so hoffnungsvoll wie er. Die ausgeworfene Summe zur Hebung der Viehproduktion ist viel zu niedrig bemessen. Das gewünschte Ziel wird so nicht erreicht werden. Den Konservativen ist es gar nicht ernst, die Fleischnot zu beseitigen, weil sie ja an den hohen Preisen ein großes Interesse haben. Der Minister hat die Kaninchenzucht empfohlen. In Berlin sind die Hausbesitzer schon rebellisch ge⸗ worden, weil sie befürchten, daß ihre Mieter dem Rat des Ministers folgen und sich Kaninchen halten werden. Es ist uns schwer geworden, mit den sozialistischen Ideen bei den Frauen Eingang zu finden, denn die Frauen sind im Innersten ihres Herzens konservativ.
8
(Schluß in der Zweiten
8
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
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Aber was uns nicht gelungen ist, das hat die konservative Wirtschafts⸗ politik erreicht. Wir haben durch ihre Wirtschaftspolitik einen großen Teil der Frauen für uns gewonnen. Der Abg. von der Groeben verlangt, daß die Regierung die Städte ersuchen soll, den Bedarf im Lande zu decken. Wenn das erst überall durchgeführt ist, dann soll man nicht mehr gestatten, daß ausländisches Fleisch eingeführt wird. Aber dann muß doch erst einmal die Möglichkeit gegeben sein, den Bedarf im Lande zu decken. Sie geben ja selbst zu, daß Sie den Bedarf nicht decken können. Einmal sagen Sie, Fleisch ist genug vor⸗ handen, und ein anderes Mal fagen Sie, es ist nicht vorhanden. Was ist denn nun wahr? (Ruf im Zentrum: Beides!) Sie kommen noch über die Musterjournalisten, die links und rechts schreiben können. Sie können schreiben auf beiden Seiten und auch in der Mitte. In Berlin ist der Schweinebedarf noch lange nicht gedeckt. Die land⸗ wirtschaftlichen Genossenschaften haben der Stadt Berlin 60 000 bis 70 000 Schweine angeboten. Das ist noch lange nicht so viel, wie von Rußland eingeführt wird. Für Berlin langt's also noch nicht. Widerspruch im Zentrum.) Na ja, bei Ihnen langt es vielleicht, Sie legen noch einen Gemüsetag, wie der Minister, zu, und dann reicht es. Man muß endlich der Stadt Berlin die Zusage geben, daß sie noch über den 31. März hinaus Fleisch einführen kann. Wenn auch durch die Einfuhr noch keine bedeutende Preis⸗ ermäßigung erzielt worden ist, so ist doch wenigstens ein Still⸗ stand in der Preissteigerung eingetreten. Die Stadt Berlin kann nicht Hunderttausende für Kühlräume auswerfen, ohne zu wissen, ob ihr die weitere Einfuhr gestattet wird. Die Regierung könnte hier einmal ruhig schneller arbeiten. Daß unsere Viehzucht nicht ausreicht, beweist ja wieder dieser Etat. Den Grafen von Spee erkenne ich allerdings als sachverständig darin an und glaube ihm, wenn er die Hoffnung ausspricht, daß der Rind⸗ viehbestand in Deutschland im Wachsen ist. Die Wahlpostkarten des Bundes der Landwirte mit den Agitationsbildern sind nur Augen⸗ verblendung, es ist aber bezeichnend für die Stellung der Herren zur deutschen Industrie, daß diese Postkarten in Amerika gedruckt sind. Die ganze Politik geht dahin, das Volk zu brandschatzen.
“
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Ich habe schon in der Budgetkommission über die Frage mich ausgelassen, inwieweit dem Wunsch der Städte auf Verlängerung der Erlaubnis zur Einfuhr ausländischen Fleisches stattgegeben werden könnte! Ich habe bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, daß es voraussichtlich erforderlich sein würde, die der Stadt Berlin gegebene Erlaubnis zu verlängern. Ich kann das heute auch bestätigen und glaube, daß es schon in wenigen Tagen möglich sein wird, der Stadt Berlin die gewünschte Auskunft schriftlich und amtlich zu geben. (Abg. Hoffmann: Etwas früher wäre besser gewesen!) Der Termin, der der Stadt Berlin gestellt ist, läuft erst am 1. April dieses Jahres ab. Es sind also noch mehr als zwei Monate, die der Stadt Berlin für die nötigen Vorbereitungen zur Verfügung stehen, und wenn es sich auch um den Sommer handelt, so ist doch zeifellos kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß die Stadt Berlin binnen zwei Monaten nicht imstande sein sollte, für die Her⸗ stellung von Kühlräumen und Kühlwagen zu sorgen.
Im übrigen kann ich den Ausführungen des Herrn Abg. Hoff⸗ mann nicht im einzelnen folgen. Ich bedaure, daß er meine Vor⸗ schläüge zur Hebung der Kaninchenzucht mit einigen billigen Scherzen abzumachen gesucht hat. Ich habe selbstverständlich ihm und auch seinen Gesinnungsgenossen nicht zumuten wollen, im Widerspruch mit den abgeschlossenen Miets⸗ kontrakten sich der Züchtung von Kaninchen hinzugeben; sie werden sich wohl nach wie vor auf den Vogelbauer beschränken müssen. Aber mein Rat galt den zahlreichen Arbeitern, die außerhalb der Peripherie der Großstädte auf dem Lande wohnen, und ebenso den kleinen ländlichen Hausbesitzern, die ebenfalls nicht in der Lage sind, größeres Vieh zu halten. Wenn Sie bedenken, daß in Frankceich lährlich über 100 Millionen Kaninchen gezüchtet und verzehrt werden, dann können auch wir auf diese Weise den Versuch machen, dem Mangel an Fleisch im eigenen Lande wenigstens für städtische Bezirke abzuhelfen.
Was sodann über den Rückgang der Viehzucht von dem Herrn Abg. Hoffmann gesagt worden ist, ist meiner Ansicht nach auch nur teilweise richtig! Es ist allerdings durch die Statistik nachgewiesen, daß gerade Schweine zum größeren Teile in kleineren Betrieben ge⸗ züchtet werden. Aber Sie dürfen doch nicht vergessen ich habe das auch in der Budgetkommission schon hervorgehoben —, daß es sich heutzutage bei den gesteigerten Lebensansprüchen des Publikums — und das ist nicht bloß das bessere, sondern auch die arbeitende Bevölkerung nicht allein um die Quantität handelt (sehr richtig!), und daß stärkeres, besseres und schwereres Vieh nicht in den kleinsten Betrieben, sondern in den mittleren und großen gezogen wird. (Sehr
Es bleibt unter allen Umständen richtig, daß nicht allein für den Körnerbau, sondern auch für die Viehzucht die großen Betriebe als Grundlage und als Musterstätten unentbehrlich sind, und wir werden deshalb nach wie vor daran festhalten müssen, daß auch die Aufteilung des Grundbesitzes im volkswirtschaftlichen und staatlichen
Interesse ihre durchaus notwendige Begrenzung finden muß.
Meine Herren, ich möchte bei diesem Anlaß noch einigen Rednern antworten, die vorher Anfragen an mich gerichtet haben.
Was die Wünsche des Herrn Abg. Hoeveler betrifft, so kann ich ihn darauf hinweisen, daß schon vor mehreren Monaten die zuständigen Minister der Landwirtschaft, für Handel und Gewerbe und des Innern Erlasse an die Regierungen hinausgegeben haben, in welchen darauf hingewiesen wird, daß es erwünscht sei, die Bestimmungen über den Verkehr mit Milch möglichst einheitlich zu gestalten und vor dem Erlaß neuer Polizeiverordnungen auch die Landwirtschaftskammern zu hören. Ich hoffe, daß auf diese Weise den bezüglich des Verkehrs mit Milch vorgebrachten Klagen abgeholfen wird. Aber unerwähnt möchte ich doch auch nicht lassen, daß es ohne polizeiliche Vorschriften einmal nicht geht, daß die Zahl der Milchfälscher, der sogenannten Milchpantscher, immer noch recht groß ist. Auch der Herr Abg. Hoeveler 4 ja dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß die Bestrafung solcher Missetäter nach wie vor energisch erfolge.
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Beilage
zeiger und Königlich Preußischen Staa
Berlin, Freitag, den 24. Januar
Meine Herren, sodann ist der Herr Abg. Varenhorst auf die Er⸗ leichterungen zu sprechen gekommen, die den Imkern bezüglich des Bezuges von Zucker zuteil geworden sind. Seine Ausführungen haben mich unwillkürlich an das französische Sprichwort erinnert, daß der Appetit beim Essen kommt. Vorher waren die Imker schon sehr froh, daß ihnen die Möglichkeit gegeben war, Zucker, wenn auch in der Vermischung mit Sand, zu bekommen. Jetzt wollen sie ihn sogar im nicht vergällten Zustande haben, wobei ja allerdings nicht aus⸗ geschlossen ist, daß aus Versehen am Sonntagnachmittag auch einmal die Hausfrau statt der Bienen den Zucker in den Kaffee bekommt. Aber ich möchte vom Standpunkte meiner Verwaltung diesen Wünschen nicht entgegen sein, weil ich der Meinung bin, daß, wenn das Quantum Zucker pro Stock des Imkers beschränkt ist, große Miß⸗ bräuche mit diesem Zucker nicht getrieben werden können, und ich würde deswegen auch dahingehende Anträge beim Reich, wo die Ent⸗ scheidung liegt, befürworten. Ich hoffe, daß diese Auskunft für den Augenblick den Herrn Abg. Varenhorst befriedigen wird.
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Meine Herren, dann ist bei einem anderen Titel des Etats der Abg. Meyer noch darauf zu sprechen gekommen, daß Australien aus veterinärpolizeilichen Gründen ein Verbot für den Bezug von Stroh⸗ hülsen aus Deutschland erlassen wolle. Mir ist über diese Angelegen⸗ heit nur bekannt, daß von den Interessenten ein diesbezüglicher Antrag an mein Ministerium gerichtet ist; ich habe mich mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung gesetzt und kann für heute nur erklären, daß an dieser Stelle über Absichten Australiens, wie sie von den Interessenten befürchtet werden, nichts bekannt ist.
Abg. Hoffmann (Soz.): Der Minister hat erklärt, daß die Stadt Berlin in den nächsten Tagen die Erlaubnis bekommen werde, über den 1. April 1913 hinaus ausländisches. Fleisch einzuführen.
as genügt aber nicht. Ich konstatiere hiermit, daß es der Stadt
rlin unmöglich gemacht ist, russisches Fleisch einzuführen. Bei der Ueberlastung der Wagenfabriken infolge des Wagenmangels in Preußen ist es nicht möglich, vor Ablauf eines Jahres Kühlwagen zu beschaffen. Wir wandten uns deshalb an eine Viehwagenverleih⸗ anstalt, diese erklärte aber, daß sie auf einen Vertrag nur dann ein⸗ gehen würde, wenn wir einen Abschluß auf wenigstens drei Jahre machen würden. Darauf erklärten wir, daß dies unmöglich sei, da wir günstigstenfalls eine Erlaubnis bis zum 1. April 1914 bekommen würden. Die Firma erklärte darauf, daß sie auf so kurze Zeit keinen
Vertrag abschließen würde, auch dann nicht, wenn wir höhere Preise zahlen würden. Nun hat sich die russische Staatsbahn bereit erklärt, die Viehwagen zu beschaffen, wenn wir garantieren könnten, daß wir bis 1. April 1914 russisches Fleisch beziehen würden. Wenn uns aber der Minister eine daraufbezügliche Zusicherung nicht gibt, dann sind wir nicht in der Lage, diese Bedingung zu erfüllen. Also trotz der ungeheuren Opfer, welche die Stadt Berlin zu bringen bereit ist, sind wir nicht in der Lage, die Stadt Berlin mit Fleisch zu⸗ versorgen, infolge des Verhaltens des Landwirtschaftsministers. Die Kaninchenzucht habe ich keineswegs ins Lächerliche gezogen, wie der Minister behauptet. Sie haben sie ins Lächerliche gezogen, indem Sie für ganz Preußen nur 250 ℳ dafür ausgesetzt haben. Wenn meine Angaben über den Rückgang des Viehbestandes unrichtig sind, dann müssen Sie (zum Minister) es Ihrem Vorgesetzten Herrn von Bethmann Hollweg sagen. Ich habe nur die Angaben wiedergegeben, die er im Oktober vorigen Jahres hier zum besten gegeben hat.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer: 1
Meine Herren! Der Antrag der Stadt Berlin, die Erlaubnis für die Einführung russischen Fleisches zu verlängern, ist vor etwa 14 Tagen, jedenfalls nicht früher bei mir eingegangen, und er mußte selbstredend in bezug auf die Modalitäten dieser Einfuhr und auf die Frage, ob ein Bedürfnis vorhanden war, geprüft werden. Ich habe vorläufig die Absicht, der Stadt Berlin die Einfuhrerlaubnis bis über den Sommer hinaus zu verlängern, weil ich der Meinung bin, daß auch die Begründung, die die Stadt Berlin ihrem Antrag gegeben hat, in der Hauptsache sich auf den Sommer bezieht. (Hört, hört! rechts) Wenn im Oktober es sich als notwendig er⸗ weisen sollte, auch dann noch die Erlaubnis zu ver⸗ längern, so wäre dazu auch dann noch ausreichend Zeit vorhanden, denn auch im vorigen Herbst hat Berlin die Genehmigung zur Ein⸗ fuhr russischen Fleisches, meines Erinnerns, in den letzten Tagen des Oktober erhalten und war, trotzdem eine Reihe von Vorbereitungen getroffen werden mußte, in verhältnismäßig kurzer Zeit in der Lage, das erste Fleisch nach Berlin einzuführen. Die Ausführungen des Herrn Abg. Hoffmann haben mich in dieser Beziehung eines Besseren nicht belehrt! Wenn er nochmals wieder die Kaninchen zur Sprache gebracht hat, so kann ich ihm nur das erwidern, daß die Beihilfe von 250 ℳ, die er für das Jahr 1911 anführt, auf irrtümlicher An⸗ nahme beruht. Ich habe augenblicklich die betreffenden statistischen Nachweisungen nicht vorliegen, aber es ist jedenfalls in diesem Jahre mehr aufgewendet worden! Wenn aber auch in den vergangenen Jahren weniger aufgewendet worden ist, so steht doch nichts entgegen, daß in Zukunst dem hervortretenden Bedürfnis auch durch größere Beihilfen Rechnung getragen wird.
Abg. Malkewitz (kons.): Als im vorigen Jahre die Mitteilung zum ersten Male in der Presse auftauchte, der Bund der Landwirte habe seine Wahlpostkarten in Amerika drucken lassen, habe ich gleich darauf aufmerksam gemacht, daß die Wahlpostkarten bei einem deutschen Unternehmer bestellt und von einem deutschen Unternehmer geliefert wurden. Ich habe erklärt, daß jedenfalls der Bund der Landwirte keine Schuld hätte, wenn der Unternehmer, bei dem die Karten bestellt worden sind, den Druckauftrag nach Amerika gegeben hätte, und falls der Bund der Landwirte davon Kenntnis be⸗ kommen hätte, hätte er zweifellos dem Unternehmer diesen Auftrag entzogen. Ich glaube nicht, daß jemand glauben wird, daß der Bund der Landwirte absichtlich einen Druckauftrag nach Amerika geben würde, um etwa Geld zu sparen. Die Behauptung des Abg. Hoff⸗ mann ist also unrichtig. b k8
Abg. von Kloeden (b. k. F.): Ich habe mich telephonisch mit der Geschäftsstelle des Bundes der Landwirte in Verbindung gesetzt und die Auskunft bekommen, daß die Hälfte der Karten in Berlin und die andere Hälfte in Hamburg gedruckt worden ist. In Amerika ist keine einzige Karte gedruckt worden.
Abg. Hoffmann (Soz.): Der Abg. Malkewitz mußte wissen, daß der Unternehmer, bei dem die Karten bestellt waren, über⸗ haupt nicht in der Lage war, die Karten zu drucken. Der Abg. Malkewitz hat dem nicht widersprochen, daß die Karten nicht in Deutsch⸗ 1 tt worden sind. Er wgoesagt, daß die Karten in
1913.
Deutschland bestellt worden sind. Gegenüber der Bemerkung des Ministers gebe ich zu, daß es der Fall sein kann, daß die Stadt Berlin erst vor 14 Tagen sich an den Minister gewandt hat. Wir hatten erst selbst einen Kampf auszufechten innerhalb der Stadtverordnetenver⸗ sammlung, weil man allgemein der Meinung war, daß die Fleischeinfuhr während der Sommermonate nicht durchzuführen sei. Sie werden zugeben müssen, daß der Fleischbezug der Stadt Berlin ungeheuer verteuert wird, wenn nicht ein Abschluß auf längere Zeit ermög⸗ licht wird. Dann werden Sie die Stadt Berlin zwingen, die Be⸗ völkerung durch neue Steuerzuschläge unnötig zu belasten. Bezüglich der Kaninchenzucht habe ich mich allerdings einmal versprochen, indem ich statt 2550 die Zahl 250 angegeben habe. Auch die Zahl von 2550 ist für ganz Preußen lächerlich gering, das ist nur ein Tropfen au den heißen Stein.
Abg. Malkewitz (kons.): Wir haben hier festgestellt ß die Karten bei einem deutschen Unternehmer bestellt worder dd, und der Abg. von Kloeden hat sofort hinzugefügt, daß die Karten Deutschland gedruckt sind. Trotzdem hat der Abg. Hoffmann seine
daf sij in
Behauptung aufrecht erhalten. Es kommt mir nur darauf an, fest⸗ zustellen, daß hier wieder einmal eine der Unwahrheiten, die fort gesetzt von der Sozialdemokratie behauptet werden, als unrichtig fest⸗ genagelt worden ist.
Abg. Hoffmann (Soz.) (Rufe rechts: Schluß!): Aha, de Herr Oberpräsident ist ja schon wieder da. Ich will ausdrücklich feststellen, daß ich zuerst 2550 gesagt habe und nur nachher mich ver⸗ sprochen habe. Bezüglich der Wahlpostkarten habe ich meine Be⸗ hauptung nicht aufrecht erhalten. Ich habe nur gesagt, daß die Er⸗ klärung des Abg. Malkewitz deshalb noch nicht richtig zu sein braucht wenn festgestellt ist, daß die Karten in Deutschland bestellt worden sind. Wenn auch die Karten in Deutschland bestellt worden sind, dann können sie ja doch in Amerika gedruckt worden sein. Im übrigen ist die ganze Art und Weise, wie die Karte äußerlich hergestellt ist amerikanisch.
Der Dispositionsfonds zur Förderung der Viehzucht und des Molkereiwesens wird bewilligt. .
Darauf vertagt das Haus die weitere Beratung.
Außerhalb der Tagesordnung erklärt
Abg. Dr. Friedberg (nl.): In der Sitzung vom 21. d. M. hat der Abg. Dr. Hahn die Beschuldigungen gegen den früheren Abg. Held berührt. In seiner Antwort hat der Präsident der Generallotteriedireklion erklärt, daß nunmehr eine Untersuchung ei geleitet worden sei. Daraus konnte der Schluß gezogen werden, daß die nationalliberale Reichstagsfraktion nichts getan habe, um di 8 Einleitung einer Untersuchung herbeizuführen. Das ist unrichtig. Die nationalliberale Reichstagsfraktion hat sich an die Lotterie⸗ verwaltung gewandt mit der Bitte um Aufklärung. Ich lege Wert darauf, dies hier schon festzustellen, und behalte mir vor, später darauf zurückzukommen.
Schluß nach 5 Uhr. Nächste Sitzung Freitag, 10 Uhr (Etats der landwirtschaftlichen, der Gest üt⸗ und der Domänen⸗ verwaltung) 6 8
Nr. 6 des „Zentralblatts der Bauverwaltung“, herau gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 22. Januar 1913 bat folgenden Inhalt: Amtliches: Runderlaß vom 24. Dezember 1912, betr. einmalige Lohnzulagen an Wasserbauarbeiter. — Rund⸗ erlaß vom 24. Dezember 1912, betr. Grundsätze für amtliche Tinten⸗ prüfung. Runderlaß vom 27. Dezember 1912, betr. die Aus⸗ führungsbestimmungen zur Unfallversicherung. — Dienstnachrichten. Nichtamtliches: Neubau der Oberzolldirektion in Cöln a Rh. — Vermischtes: Bekanntmachung. — Gedächtnisausstellung für Paul Wallot. — Preisbewerbung für Entwürfe zu einer Bürgerschule in Altenburg. — Sitzungen der Keramischen Vereine und der Vereine für die Bindemittelindustrie. 16. Hauptversammlung des Deutschen Betonvereins (E. V.). — Aeußere Schiebeläden. — Jalousiedachfenster „Eureka“. Bücherschau.
Statistik und Volkswirtschaft.
Ein⸗ und Ausfuhr einiger wichtiger Waren in der Zeit vom 1. bis 10. Januar der beiden letzten Jahre.
I Ausfuhr im Spezialhandel
Warengattung
Banitwollt. . .. 50 552 10 946 Flachs, gebrochen, ge⸗ schwungen usw. . . 34 910 Hanf, roh, gebrochen, ge⸗ schwungen usw.. . 1 368 Jute und Jutewerg. 82 269 Merinowolle im Schweiß 29 792 Kreuzzuchtwolle i ’ 11“”“ 14 818 Eifettttte . ..3 268 199 Steinkohlen 1 668 465 Braunkohlen . . . . 1 612 085 Erdöl, gereinigt (Leucht⸗ JLI1““ 366 698 Chilesalpeter... 144 725 AI“* 23 072 Rohluppen, Rohschienen, Rohblöcke usw.. . 1 413 Träger, eiserne.. 94 Eisenbahn⸗, Straßen⸗ bahnschienen.. Eisenbahnschwellen aus
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Deutsche Goldmünzen. 2,12 1 — 13,80 Fremde Goldmünzen. 0,46 0,81 3: 0,57. 1 ¹) einschließlich der Eisenbahnlaschen und ⸗unterlagsplatten aus isen. Berlin 23. Januar 1913. Kaiserliches Statistisches Amt. Delbrück.