1913 / 23 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 27 Jan 1913 18:00:01 GMT) scan diff

n. Die in diesen Tagen angenommene Resolution unserer Partei

die Veranstaltung einer Enquete über die Wirkung der Zölle

die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands wird hoffentlich

seiten der Regierung eine freundliche Aufnahme finden. Die Ergebnisse der Viehzählung sollten im Interesse der Versorgung des Reichs mit Fleisch so früh wie möglich zusammengestellt Und veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung erst im D ezember wäre viel zu spät. Von einzelnen Bundesstaaten, wie aus Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha und Baden, liegen ja die Ergebnisse schon vor. Es hat sis herausgestellt, daß der Viehbestand der Rinder in Baden bedeutend zurückgegangen ist. Bei der Viehzählung ist das Verhältnis der Vieh⸗ züchter zu den Viehmästern nicht berücksichtigt worden; das Ergebnis würde nicht zugunsten des Großgrundbesitzes ausfallen. Es muß auch die Frage gestellt werden, wie viel von dem eingestellten Vieh nicht im Besitze des Mästers ist, sondern ihm von anderer Seite übergeben ist. Die Hauptfrage, ob die heimische Viehzucht in der Lage ist, der heimischen Fleischkonsum zu decken, kann durch die bisherige Art der Viehzählung nicht beantwortet werden. Es gibt noch andere Vieh⸗ mengen, die für den Fleischbedarf in Frage kommen, die aber nicht von der Viehzählung erfaßt werden. Das ist das Vieh, das inner⸗ halb eines Jahres zur Welt kommt und auch in diesem geschlachtet wird. Dazu sind vielleicht Zwischenzählungen am Platze. In jedem Jahre kann man sie natürlich nicht abhalten. Aber vielleicht geht es in diesem und noch im nächsten Jahre. Dann genügt es, wenn man sie alle fünf Jahre im Mai oder im Juni vornimmt. Ich be⸗ grüße es, daß das letzte Mal auch die Hausschlachtungen mit in Be⸗ tracht gezogen sind. Ich hoffe, daß meine Anregungen auf einen fruchtbaren Boden fallen werden. 1

Geheimer Oberregierungsrat Müller: Der Bundesrat hat be⸗ schlossen, daß jedes Jahr zum 1. Dezember eine Viehzählung über das ganze Reichsgebiet vorgenommen werden solle. Ob dagegen die Zwischen⸗ zählungen in der breiten Oeffentlichkeit besondere Freude erwecken werden, lasse ich dahingestellt. Mir fällt da ein Ausspruch des Grafen Posadowsky ein, der als Staatssekretär sagte, man könne doch die eine Hälfte der Menschheit nicht dazu benutzen, für die andere Statistik zu machen. Eine Vermehrung der Fragen ift wohl auch nicht ange⸗ bracht, weil das Zählungswerk dadurch immer schwieriger wird. Das Zählungsergebnis der einzelnen Staaten soll in Zukunft so schnell als möglich zusammengestellt und der Zentrale mitgeteilt werden. Eine Statistik über den Zukauf von Getreide gibt kein richtiges Bild, da man immer nur auf Schätzungen angewiesen ist.

Abg. Spiegel (Soz.): Das Ueberstunden⸗ und Sonntags⸗ arbeitswesen muß geregelt werden. Ich halte es für gefährlich, wenn man den Unternehmern die Ermächtigung gibt, die Ueberstunden Sonn⸗ tags nicht mehr als solche anrechnen zu brauchen. Bisher wurden in der Eisenindustrie solche von Arbeitern freiwillig geleistet. Jetzt geht man dazu über, die Arbeiter einfach zur Schicht zu befehlen und den zu bestrafen, der nicht kommt. Die Regierung und auch die Ge⸗ werbeaufsichtsbeamten sind über die betreffenden Verhältnisse nicht enügend unterrichtet. Auch das Ueberstundenwesen an anderen Tagen ina man so zu behandeln an. Das führt dann zu einer Verlänge⸗ rung der gesetzlichen Arbeitszeit. Wie die Arbeitgeber ihren Willen durchsetzen, zeigt eine Aeußerung des Geheimrats Hilger, der durch die Ministersturzkonferenz bekannt wurde, indem er sagte, er würde nicht zurückschrecken, selbst wenn Delbrück dadurch gestürzt würde. Es ist demgegenüber unbegreiflich, wie man behaupten kann, daß die Arbeits⸗ zeit viel geringer ist als im allgemeinen angegeben wird. Charak⸗ teristisch ist ein Vorgang auf der Friedrich Alfredhütte in Ober⸗ schlesien, wo man die Sonntagsschicht um 12 Uhr Nachts beginnen ließ, da man dann den Zuschlag sparte. (Vizepräsident Paasche: Ich möchte doch bitten, nicht so genau auf diese Dinge einzugehen, die nur sehr lose mit dem Statistischen Amt zusammenhängen.) Ich werde mich so kurz wie möglich fassen. Auch über das unfreiwillige Feiern, das jetzt in Aufnahme kommt, ist Klage zu führen. Wenn man ohne weitere statistische Erhebungen auf diesem Gebiete nicht glaubt auskommen zu können, ehe man Abhilfe schafft, dann soll man aber wenigstens auch die Arbeiterschaft hören, mindestens aber den Beirat für Arbeiterstatistik. Die gewerkschaftlichen Organisationen müssen zur Mitarbeit herangeholt werden, sie haben den Beweis ge⸗ führt, wie exakt sie bei solchen Enqueten arbeiten. Das Statistische Amt wird dabei freilich einen nicht leichten Standpunkt haben, denn die Unternehmer der Großeisenindustrie pflegen recht scharf vorzugehen; dennoch ersuchen wir es, an den Gewerkschaften nicht vorüberzugehen.

Abg. Feldmann (Soz.): Die Lage der Steinarbeiter ist in einer Mabvort, die der Direktor Caspar auf eine Eingabe der⸗ selben gegeben hat, ganz unrichtig dargestellt worden. (Präsident 8n Kaempf: Das gehört nicht zum Kapitel „Statistisches Amt“.) Ich will dartun, daß diese unzutreffende Antwort nicht gegeben worden wäre, wenn statistische Erhebungen stattgefunden hätten. Der Direktor Caspar hat in seiner Antwort behauptet, die Steinarbeiter hätten unter der Tuberkulose nicht mehr als andere Arbeiterkategorien zu leiden, und es ginge ihnen überhaupt gar nicht so schlimm. Das stimmt schon nicht mit den Auffassungen bekannter ärztlicher Autori⸗ täten. Allerdings besteht seit 1909 eine Bundesratsverordnung, die einiges zugunsten der Steinarbeiter enthält; aber Verstöße gegen diese Verordnung sind an der Tagesordnung. Die Zahl der an Lungen⸗ tuberkulose leidenden Arbeiter in der schlesischen Sandsteinindustrie wie in den übrigen deutschen Sandsteinindustrien ist unverhältnis⸗ mäßig groß. Das Durchschnittsalter der Verstorbenen betrug nur 40 Jahre. Es gibt kaum einen Unternehmer in Deutschland, der nicht schon gegen diese Bundesratsverordnung verstoßen hätte, obwohl sie nur sehr wenig und sehr leicht zu erfüllende Schutzvorschriften enthält.

räsident Dr. Kaempf bittet den Redner, sich nicht zu weit vom Statistischen Amt zu entfernen.) Eine Statistik würde ergeben, daß die skrupellose Verletzung dieser Schutzvorschriften mit die Schuld an dem frühzeitigen Sieihtum und dem frühzeitigen Tode der. Stein⸗ hauer trägt; die Berichte der Gewerbeinspektoren enthalten ja darüber auch einiges Material. Die Statistik muß endlich einmal in diese lebensgefährlichen Zustände hineinleuchten. Die Bestrafungen der gegen die Verordnung verstoßenden Unternehmer sind so lächerlich win⸗ zig, 1, 2, 3 ℳ, daß sie nicht abschreckend wirken können. In manchen Betrieben fliegen Steinsplitter von dem ansehnlichen Gewicht von 10 Pfund herum. Ebenso kraß sind die Zustände in der Kunststein⸗ industrie; es entwickelt sich da bei der Arbeit ein außerordentlich ge⸗ sundhéitsschädlicher Staub. In manchen Steinbrüchen werden Kinder unter 14 Jahren 10 Stunden täglich beschäftigt. (Präsident Dr. Kaempf wiederholt seine Mahnung.) Die Statistik würde das beseitigen. Nur anständige Löhne und angemessene Arbeitszeit können hier helfen. (Präsident Dr. Kaempf: Ich bitte Sie, jetzt zum Statistischen Amt zurückzukehren. Rufe rechts: Da ist er ja noch gar nicht gewesen! Die Statistik würde auch ergeben, daß die Zahl der ausländischen Arbeiter im Steingewerbe so groß ist, daß man für sie besondere Bestimmungen erlassen müßte. Es wird notwendig sein, daß die Regierung durch statistische Erhebungen erfährt, daß eine Bei⸗ hilfe dringend notwendig ist.

Das Kapitel wird bewilligt, ebenso die Ausgaben für die Normaleichungskommission.

Es folgt das Kapitel: „Reichsgesundheitsamt“ (Ruf im Zegtfuäch Vertagen!). Hierzu liegen Resolutionen vor. 1) Albrecht auf Untersuchung der gesundheitlichen Verhältnisse der Bergarbeiter und der gesundheitlichen Vorkehrungen auf den Bergwerken des Reichs, 2) Ablaß auf Errichtung eines Instituts für die wissenschaftliche Erforschung der Milchwirt⸗ 1 aft, 3) Albrecht auf Vorlegung eines Gesetzentwurfs, be⸗ 81 die obligatorische Ausbildung des Krankenpflegeperso⸗ nals und heterselleing desselben unter die Gewerbeordnung, 4) Brandys auf Veranstaltung einer Untersuchung über die Gesundheitsverhältnisse der Bergarbeiter und der gesundheit⸗ lichen Vorkehrungen auf den Bergwerken Oberschlesiens.

Abg. Käppler (Sop): Die Verhältnisse im Müllergewerbe müssen geändert werden. Daß dies notwendig ist, darauf kam schon in den 90-er Jahren die statistische Kommission, die die Arbeitszeit

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der Müller untersuchte. Die in der Müllerei beschäftigten Arbeiter haben jetzt gar keine Zeit, sich kulturellen Aufgaben zu widmen. Eines besonderen Schutzes bedürfen die Lehrlinge, dafür war seinerzeit auch Dr. Wörrishofer in der statistischen Kommission eingetreten. Es wurde dann eine Bundesratsverordnung erlassen, die aber weit hinter dem zurückblieb, was Dr. Wörrishofer verlangt batte; die Lehr⸗ linge sollten 15 Stunden arbeiten, und die ungelernten Arbeiter blieben überhaupt von den kleinen Zugeständnissen ausgeschlossen. Die Bundesratsverordnung ist jedenfalls vollständig unzureichend. Die Arbeiter haben nicht die nötige Mittagsruhepause. Die Arbeit ist heute noch so gesundheitsgefährlich wie früher. Es ist deshalb not⸗ wendig, daß für alle Mühlenarbeiter der zwölfstündige Arbeitstag ein⸗ geführt wird. In der Schweiz ist die elfstündige Arbeitszeit eingeführt und dazu die vollkommene Sonntagsruhe, ohne daß die Unternehmer bankerott wurden. Die Verordnung des Bundesrats muß revidiert werden; möge das Reichsgesundheitsamt in diesem Sinne wirken. Die Nachtarbeit für die Lehrlinge muß verboten und volle Sonntags⸗ ruhe eingeführt werden. Das sind die Hauptwünsche der Müller. Die Müller sagen heute: In Deutschland sind die Verhältnisse so weit ge⸗ diehen, daß, wenn uns die Sonntagsruhe von den Unternehmern ge⸗ stohlen wird, dann die Polizei bei diesem Diebstahl Schmiere steht. Die Regierung kümmert sich zu wenig darum, wie ihre Schutz⸗ bestimmungen von den nachgeordneten Behörden beachtet werden. Ich hätte geglaubt, die Regierung würde sich schämen, daß die Ver⸗ hältnisse in der Müllerei so bleiben, wie sie heute sind. Wie lange will die Regierung denn noch Erfahrungen sammeln? Die Be⸗ schwerden der gewerblichen Organisationen werden nicht beachtet, weil sie angeblich nicht die berufenen Vertreter der Mühlenarbeiter sind. Die Sonntagsarbeit sollte nur in Notfällen gestattet sein, wie in der Schweiz, wenn es sich um Reparaturen handelt, nicht zur Vermehrung der Produktion. Mit dem Raubbau an der Gesundheit der Müller in Deutschland muß einmal Schluß gemacht werden. Die jetzigen Zustände sind skandalös! 1

Abg. Astor (Zentr.): Ich möchte dem Reichsgesundheitsamt, den Einzelstaaten und auch den Kommunen die Anerkennung nicht versagen, daß sie alles tun, um den Gesundheitszustand des deutschen Volkes zu heben. Jedoch ist noch nötig, daß die Regierung an die Regelung des Hebammenwesens herangeht. Dieses soll zwar Aufgabe der Einzelstaaten sein. Ich glaube jedoch, daß das Reich sich ihr nicht entziehen kann. Das würde auch zur Herabminderung der Wöchnerinnensterblichkeit beitragen. Ebenso notwendig ist ein einheit⸗ liches Wochenbettpflegerinnengesetz.

Hierauf wird gegen 4 ½ Uhr die Fortsetzung der Beratung auf Dienstag 1 Uhr pünktlich vertagt, vorher kurze Anfragen.

Haus der Abgeordneten.

119. Sitzung vom 25. Januar 1913, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.) Ueber den Beginn der Sitzung ist in der vorgestrigen

Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt zunächst die zweite Beratung des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung, und zwar die Besprechung des Kapitels der einmaligen und außer⸗ ordentlichen Ausgaben fort. 1

Bei der Forderung von 250 000 zur außerordentlichen Verstärkung des Dispositionssonds für die Förderung der Viehzucht und des Molkereiwesens bemerkt

Abg. von Boehn (kons.): Der Abg. Pachnicke hat die Lektüre einer Schrift des deutschen Ssädtetages empfohlen, die Angaben über die Schlachtungen in den Städten, über das Mehr oder Minder in den einzelnen Jahren enthält. Ich habe diese Schrift ge⸗ lesen und bin darüber enttäuscht. Sie ist sehr einseitig ge⸗ schrieben. Die Schrift befaßt sich nur mit dem Fleisch, das von den Tieren herrührt, die auf den städtischen Schlacht⸗ höfen geschlachtet worden sind. Aber es wird doch auch viel Fleisch in die Städte eingeführt, und zwar sind nach einer Statistik in den Jahren 1900 bis 1903 nach Berlin 128 000 Schafe, 250 000 Rinder, 526 000 Kälber und 600 000 Schweine geschlachtet eingeführt worden. Dieses Fleisch ist in der Schrift nicht auf⸗ geführt. Wenn man eine Statistik über die Fleischversorgung in Deutschland herstellt, dann darf man nicht allein die Fleischversorgung der Großstädte berücksichtigen, sondern man muß die Statistik auf das ganze Deutsche Reich ausdehnen. Eine derartige Statistik würde sicherlich den Beweis erbringen, daß die Landwirtschaft in der Lage ist, Deutschland mit genügenden Mengen von Fleisch zu versorgen. Die deutsche Landwirtschaft ist auch dazu entschieden bereit, aber es ist unbedingt erforderlich, daß die Viehzucht in höherem Maße gefördert wird, als dies bisher der Fall gewesen ist. Zu diesem Zwecke wäre es auch empfehlenswert, daß für die Belehrung der bäuerlichen Bevölkerung mehr getan wird. In meiner Heimat macht sich ein direkter Hunger nach Belehrung bemerkbar, und ich glaube, dies dürfte auch anderwärts der Fall sein. Ich möchte daher anregen, die Frage zu prüfen, ob es nicht möglich wäre, die Versuchsfelder zu vermehren und zu diesem Zwecke in allen Kreisstädten Versuchsfelder anzulegen. Außerdem müßten den Land⸗ wirten Reisebeihilfen gegeben werden, damit sie diese Versuchsfelder besuchen könnten. Heute dienen diese Versuchsfelder fast aus⸗- schließlich dem Großgrundbesitz. Man sollte aber diese Fortschritte auch dem kleinen Besitz zuwenden; deshalb bitte ich den Minister, die erforderlichen Mittel einzustellen, um auf diese Weise den Kleinbesitz zu fördern.

Bei der Forderung von 20 000 zur außerordentlichen Verstärkung des Fonds zur Ausführung des Gesetzes über die Schutzwaldungen und Waldgenossenschaften sowie zur Förderung der Wald⸗ und Wiesenkultur behufs Anstellung von Versuchen zur Aufforstung von Privatgrundstücken bemerkt

Abg. Humann (SZentr.): Obwohl ich schon seit etwa 15 Jahren die Versandung der Ems und der Nebenflüsse am westlichen Abhange des Teutoburger Waldes hier zur Sprache gebracht habe, ist zur 2g⸗ hilfe noch nichts getan worden. Allerdings ist durch die mit staat⸗ licher Beihilfe geschaffenen Flußregulierungen manches besser geworden, aber die eigentliche Ursache der Versandung, die in der immer mehr zunehmenden Entwaldung des westlichen Abhanges des Teutoburger Waldes ihren Grund hat, ist noch nicht beseitigt worden. Ich hoffe, daß in dieser Richtung bald etwas geschieht.

Bei dem Fonds von 40 000 für wissenschaftliche Versuche über Maul⸗ und Klauenseuche bemerkt

Abg. Dr. Schepp (fortschr. Volksp.): Auf der Insel Riems wird das Fleisch der Tiere, die zu wissenschaftlichen Zwecken wochen⸗ lang den Impfungen und Blutentziehungen unterworfen sind, zum Preise von 35 bis 40 für das Pfund an einen Viehhändler ab⸗ gegeben, und dieser verkauft das minderwertige Fleisch wie das voll⸗ wertige für 1 an die Bevölkerung der Stadt Greifswald. Ich frage den Minister, ob ihm diese Sache bekannt ist.

Minister für Landwirtschaft, Domänen Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Es handelt sich bei dem Fleischverkauf auf der Insel Riems lediglich um das Fleisch solcher Tiere, die zur Her⸗ stellung des Serums gegen Maul⸗ und Klauenseuche behandelt worden und, wie der Herr Vorredner richtig angegeben hat, zum Teil auch geimpft worden sind. Ich muß nun in Uebereinstimmung mit ärzt⸗ lichen Autoritäten ausdrücklich feststellen, daß das Fleisch dieser Tiere durchaus nicht minderwertig ist. Die Tiere sind allerdings ver⸗ schiedentlich einer Behandlung unterworfen worden, aber die Krank⸗

und Forsten

heitserscheinungen treten ja nur an den Klauen

mund am Maule auf, und diese Teile werden natürlich nicht mitverkauft. Eine Ver⸗ breitung der Ansteckung ist dadurch ausgeschlossen, daß die Schlachtung der Tiere auf der Insel selbst erfolgt, und nur von dort aus das Fleisch weiter gegeben werden kann. Das Fleisch der geschlachteten Tiere wird von einem Viehhändler abgenommen, und da es nicht als minderwertig bezeichnet werden kann, so ist es dem Viehhändler natürlich überlassen, in welcher Weise er es verwerten will. Ob Maßnahmen erforderlich und möglich sind, um dem Absatz dieses Fleisches entgegenzutreten oder seinen Verkauf nur als minder⸗ wertiges Fleisch zuzulassen, scheint mir zweifelhaft zu sein! Bisher haben die gemachten Erfahrungen keinen Anhalt dafür geboten, den Verkauf des Fleisches in der von dem Herrn Vorredner gewünschten

Weise einzuschränken. 8

Abg. Dr. Schepp (fortschr. Volksp.): Daß das Fleisch minder⸗ wertig ist, geht aus dem geringen Preis von 35 —40 hervor. Ich behaupte nicht, daß in dem Genuß des Fleisches eine Ansteckungs⸗ gefahr liegt, aber es dürfte nicht zu denselben Preisen an die Be⸗ völkerung verkauft werden, wie das vollwertige Fleisch; es müßte auf der Freibank verkauft werden.

Geheimer Rat Nevermann: Das Fleisch ist als vollwertig anzusehen. Die Schlachtungen auf der Insel Riems müssen nach den Bedürfnissen der wissenschaftlichen Untersuchungen und nicht nach den Bedürfnissen der sonstigen Schlachtart erfolgen; vor allem können die Schlachtungen nicht so sauber gemacht werden. Daher ist der Preis niedrig, aber minderwertig ist das Fleisch nicht.

Bei dem Fonds von 200 000 zur Durchführung des öffentlichen Wetterdienstes für Norddeutschland bemerkt

Abg. von Flottwell (freikons.): Die Mitteilung der Wetter⸗ karten hat für die Landwirtschaft keinen Nutzen, da sie gewöhnlich zu spät kommt. Man kann nur konstatieren, daß die Wetterkarten richtig vorausgesagt haben. Im Interesse des Wetterdienstes wäre es auch wünschenswert, daß die Dienststunden in den ländlichen Post⸗ anstalten bis 1 Uhr ausgedehnt werden. Die Dienstzeit, wie sie jetzt beneht, von 8 bis 12 und von 3 bis 7 Uhr ist für Landwirte außer⸗ ordentlich unbequem. Ich bitte den Minister, unter Geltendmachung dieser Rücksicht fur den Wetterdienst bei der Postverwaltung dahin zu wirken, daß diese wiederholt geäußerten Wünsche der Landwirte auf Verlängerung der Dienststunden in den ländlichen Postanstalten mehr Berücksichtigung finden.

Bei dem Fonds von 45 000 zur Förderung der nicht gewerbsmäßigen landwirtschaftlichen Arbeits⸗ vermittlung bemerkt

Abg. Geisler (Zentr.): Ein großer Mangel bei der nicht gewerbsmäßigen landwirtschaftlichen Arbeitsvermittlung ist der, daß der Nachweis hauptsächlich dazu dient, ausländischen Arbeitern Stellen zu vermitteln. Diese Vermittlung kommt natürlich nur dem Groß⸗ grundbesitz zu gute, da die ausländischen Arbeiter bedeutend billiger arbeiten als die einheimischen. Diesem Uebelstand müßte abgeholfen werden. Ein weiterer Mangel ist, daß die Bestimmungen für die Vermittlung nicht aus dem Ministerium der Landwirtschaft, sondern aus dem Ministerium des Innern gegeben worden sind. In Ober⸗ schlesien hat die Bevölkerung sehr unter dem Mangel an Dienstboten zu leiden, sie ist auf Arbeitskräfte aus Böhmen angewiesen, die aber immer nur auf kurze Zeit nach Deutschland herüberkommen dürfen. Diese Beschränkung hat für die Landbevölkerung die unangenehme Folge, daß sie zei weise ohne das notwendige Personal ist. Die Regierung sollte doch hier Erleichterungen schaffen.

Abg. Dr. Flesch (fortschr. Volksp.): Wir sind damit ein⸗ verstanden, daß eine Organisation im landwirtschaftlichen Arbeits⸗ nachweis durchgeführt wird. Es ist natürlich schwer, den Arbeitsnachweis in Gegenden zu organisieren, wo Groß⸗ und Kleinbesitz gleichmäßig verteilt ist. Aber ich hoffe, daß auch hier ein Ausgleich gefunden wird. Besonders müssen wir uns aber davor hüten, daß wir den Arbeitsnachweis einseitig organisieren, da wir sonst Gefahr laufen, daß er seine wichtigsten Funktionen nicht erfüllen kann. Wir wünschen, daß der landwirtschaftliche Arbeitsnachweis sich auch mit den Arbeits⸗ bedingungen beschäftigt. Vor allen Dingen muß verhütet werden, daß die 45 000 ℳ, die zur Förderung der nichtgewerbsmäßigen land⸗ wirtschaftlichen Arbeitsvermittelung ausgeworfen sind, zum Import ausländischer Arbeiter dienen. Ich hoffe, daß die Staatsregierung dahin wirkt, daß die 45 000 in Zukunft inländischen Arbeitern zugute kommen.

Abg. Richtarsky (Zentr.): Die Klagen der Sozialdemokraten über die unmenschliche Behandlung der ländlichen Arbeiter müssen entschieden zurückgewiesen werden. Wenn wirklich vereinzelte Fälle von schlechter Behandlung der ländlichen Arbeiter vorkommen, die wir übrigens aufs schärfste verurteilen, dann darf man doch solche Fälle nicht verallgemeinern. Die landwirtschaftlichen Arbeitgeber müssen ihre Arbeiter schon in ihrem eigenen Interesse gut behandeln mit Rücksicht auf die herrschende Leutenot. Wir können gegenüber den sozialdemokratischen Beschuldigungen viele Fälle anführen, in denen die ländlichen Dienstboten durch schwere Sachbeschädigungen, ja sogar durch Brandstiftungen sich an ihren Arbeitgebern rächen. Es wäre ungerecht, dem Beispiele der Sozialdemokratie zu solgen und zu behaupten, unsere sämtlichen Dienstboten seien schlecht. Wenn die ländlichen Dienstboten schlecht behandelt werden mwürden, dann würden nicht so viele Rekruten auf dem Lande ausgehoben werden können gegenüber den gewerblichen Arbeitern. Unter der

Leutenot haben die landwirtschaftlichen Arbeitgeber so stark zu leiden,

daß sie alle möglichen Leute und sogar solche beschäftigen müssen, die keine Papiere haben, wie der Raubmörder Sternickel, um überhaupt Leute zu bekommen. Gerade die Sozialdemokratie hat die größte Schuld daran, daß die Denstbotenfrage auf dem Lande sich immer mehr verschlechtert. Nach unserer Meinung kann die Stellung der Sozialdemokratie zur Dienstbotenfrage nur den Zweck haben, die Dienstbolen gegen die Bauern noch mehr zu verhetzen. Für die Freundschaft der Sozialdemokratie müssen sich die Bauern herzlichst bebanken. Im Interesse der Religion und im Inteesse der Selbsterhaltung müssen die Bauern die Sozialdemokratie ganz energisch bekämpfen.

Abg. Leinert (Soz.): Während wir alles das, was wir hier vorgebracht haben, auch beweisen, hat der Vorredner für seine Be⸗ hauptungen keine Beweise gebracht. Von einem Zentrumsredner ist gewuünscht worden, daß die ausländischen Arbeiter dauernd in Deutschland behalten werden sollen. Damit stimmen wir überein, verlangen aber, daß diese Arbeiter völlig gleichberechtigt mit den deutschen Arbeitern sein müssen. Wenn Ausschreitungen von länd⸗ lichen Arbeitern gegen die Bauern vorgekommen sind, so liegt das eben an der schlechten Behandlung derselben und daran, daß sie keine Rechte haben. Darauf ist auch die Leutenot zurückzuführen. Wenn die ländlichen Arbeiter dieselben Rechte hätten wie die industriellen, dann würden sich auch intelligentere Arbeiter finden mit größerem Verant⸗ wortungsgefühl und mit besserer Moral, als diejenigen Arbeiter in den Zentrumsbezirken, die nur durch die Verhetzung des Zentrums zu ibrer heutigen schlechten Moral gekommen sind. Gegenüber der Be⸗ hauptung des Vorredners weise ich darauf hin, daß nach einwands⸗ freien Statistiken gerade die Rekrutenstellung auf dem Lande zurückgeht. Es ist gesagt worden, daß die Landwirtschaftskammern die Aufgabe hätten, sich mit der sozialen Lage der Landarbeiter zu beschäftigen. Dieser Gedanke ist aber erst in der letzten Zeit aufgetreten, und man hat sich erst vor kurzer Zeit dazu herbeigelassen, den Arbeitsnachweis zu beauftragen, die gesamten Arbeitsbedingungen dahin zu prüfen, o eine Abänderung der Arbeitsbestimmungen im Interesse der Besserung und Hebung der Lage der Landarbeiter erforderlich ist. Es würde sich also hierbei handeln um eine Prüfung der Lohnforderungen, eine Regelung der Arbeitszeit und um eine Festsetzung der Bestimmungen über die Handhabung der Ueberstunden und der Frauenarbeit. Anderseits hat diese Arbeitsvermittlungsstelle der Landwirt⸗

auch die Mittel zu wie die Arbeiter

b der von ihnen eingegangenen Verpflichtungen alten. Ferner hat die Vermittlungsstelle der wirtschaftskammer dahin zu wirken, daß unbillige oder fehlerhafte ahmen einzelner Arbeitgeber dauernd beseitigt werden. Zu

Zwecke hat sie Zwangs⸗ und Musterverträge aufgesetzt. Die vndlage des landwirtschaftlichen Arbeitsnachweises beweist, daß ihts weiter ist, als der Arbeitsnachweis, den die Industrie und

tzter Zeit ebenso die Bergunternehmer errichtet haben. Ein zer Arbeitsnachweis dient nicht den Interessen der Arbeiter, eem ist gegen sie gerichtet. Derartigen einseitigen Bestrebungen ium wir natürlich unsere Zustimmung nicht geben. Die meaverträge der Landwirtschaftskammern sind oftmals derart, eder Arbeitnehmer nicht einmal das Recht hat, sich den Arbeit⸗ eraufzusuchen. Der Arbeiter ist vollkommen dem Unternehmer vliefert. Die Bestimmung, daß, wenn der Arbeiter sein Arbeits⸗ iltis vor der Zeit löst, der Arbeitgeher das Recht hat, die iten des Arbeitnehmers einzubehalten, ist durchaus gesetzwidrig. 8 bedeutet eine vollständige Knechtschaft und Leibeigenschaft.

„Landwirtschaftskammern haben sich die Einrichtung solcher veitsnachweise sehr bequem gemacht. Die Brandenburger Land⸗ tichaftskammer hat einfach einen gewerbsmäßigen Stellenvermittler ger ihre Aufsicht gestellt: das heißt doch, die gewerbsmäßige lenvermittlung unter den Schutz der Landwirtschaftskammer jen. Wir müssen erfahren, ob die 45 000 überhaupt notwendig und wie sie verteilt werden. Die Feldarbeiterzentrale oder,

sie jetzt heißt, die Arbeiterzentrale ist überhaupt nicht

ein idealer Arbeitsnachweis anzusehen, sie ist lediglich

e einseitige, bureaukratische, polizeiliche Aufsichtszentrale für

ausländischen Arbeiter. Der Landwirtschaftsminister will glich die einseitigen scharfmacherischen Arbeitsnachweise

„Arbeitgeber, die denen der Industrie nachgebildet sind, t den Staatsmitteln unterstützen; dazu können wir das der Steuerzahler nicht hergeben. Die Arbeitsnachweise der newirtschaftskammern müssen vielmehr den öffentlichen Arbeits⸗ stweisen angeschlossen werden, die, z. B. in Hessen, bisher auch für Landwirtschaft sehr segensreich gewirkt haben. Der Staat soll n Geld nicht nur im Interesse der Großgrundbesitzer, sondern im ferese der Kultur geben.

Abg. Dr. Flesch (fortschr. Volksp.) bemerkt gegenüber einer aßerung eines Vorredners, daß die Städte sich der arbeitsunfähigen eiter nicht mehr erwehren könnten, nachdem die Abkurzung der ist für den Unterstützungswohnsitz von zwei Jahren auf 1 Jahr die beiter auf dem Lande wurzellos gemacht und vom Lande geradezu trängt habe.

Geheimer Rat Freiherr von Falkenhausen: Wie falsch die mnahme ist, daß die Einrichtung der Feldarbeiterzentrale auf das shürfnis der Grundbesitzer, Armenlasten zu sparen, zurückzuführen

ersinnen,

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vergibt sich daraus, daß ihr nur bestimmte Nationalitäten unter⸗

gen. Aus dem Kreise der Großgrundbesitzer werden alljährlich ddas Ministerium zahlreiche Eingaben gerichtet, die eine Milderung er Aufhebung der Bestimmung verlangen, daß die ausländischen aeiter über die Grenze abgeschoben werden. Ueber die

chiebung von Gesinde aus der Provinz Schlesien kann ich eine

flärung nicht abgeben, denn die Sache gebört in das Ressort des ggern. Aber der Landwirtschaftsminister hat immer Milderungen nHärten in dieser Beziehung befürwortet. Die Heranziehung aus fischer Arbeiter betrachtet die landwirtschaftliche Verwaltung üt als wünschenswert, sondern nur als ein notwendiges Uebel, ich pone gleichmäßig: notwendig und Uebel; es ist zweifellos bedauerlich, hdie Laudwirtschaft auf die Hilfe des Auslandes angewiesen ist, er sie ist darauf angewiesen, wenn sie unsere Bevölkerung ernähren . Der Regierung muß daran liegen, daß dieser Zuzug aus⸗ discher Arbeiter sich in geordneter Weise vollzieht; die Feldarbeiter⸗ trale ist dazu da, diesen Ausländerstrom in geordnete Bahnen zu gen, nicht um ihn zu fördern. Die ausländischen Arbeiter stehen srdings vorwiegend auf niedriger Kulturstufe; es ist bedauerlich, daß irsolche Elemente sich zur landwirtschaftlichen Arbeit hergeben, andere d dazu nicht bereit, namentlich sind Arbeiter aus dem Westen dafür ht zu haben. Gerade die Feldarbeiterzentrale hat sich bemüht, aus nwestlichen Ländern Arbeiter heranzuziehen, aber leider ohne Erfolg.

aleser Fonds hier ist ausschließlich zur Förderung der inländischen

teitsvermitilung bestimmt, fuͤr ausländische Arbeiter soll aus diesem inds kein Pfennig verwendet werden, im Gegenteil, der Minister t das als Bedingung der Unterstützung hingestellt. Das Zu⸗ mmenarbeiten der landwirtschaftlichen Arbeitsnachweise mit den ge⸗ emützigen öffentlichen Arbeitsnachweisen der Kommunen wird von landwirtschaftlichen Verwaltung von jeher gefördert. Die Land⸗ eschaftskammern schließen sich mehr und mehr an die öffentlichen beits achweise an, nur wenige Kammern stehen außerhalb dieser wwegung. Damit erledigt sich die Frage, welche Organtsationen n dem Fonds unterstützt werden.

Abg. Hoffmann (Soz.): Sie behaupten immer, daß die cjialdemokratie auf dem Lande keinen Erfolg haben würde. Aber ie beweisen ja gerade immer Ihre große Furcht vor der Sozial⸗ mokratie. Ihre Gesindeordnung ist doch auch ein Beweis für Ihre ucht vor der Sozialdemokratie. Die Fälle von Mißhandlungen d unmenschlicher Behandlung, welche der Aba. Leinert hier an⸗ führt hat, sind notwendig, um zu beweisen, daß die Leutenot auf in Lande nicht eher zurückgeht, als bis Sie die Menschenwürde r Arbeiter anerkennen. Wenn Graf von Spee sagt, daß es Miß⸗ ndlungen zu jeder Zeit gebe, auch im sozialdemokratischen Zukunfts⸗ iat, so bemerke ich demgegenüber: ob es da noch solche Leute geben id, die zu Minhandlungen Neigung haben, können wir heute noch icht feststellen. Aber, daß es dann keine Leute geben wird, die sich so tras gefallen lassen, das steht fest. (Zuruf des Abg. von Pappen⸗ tim: Hildebrandt!) Wir werden Leute wie Hildebrandt ebensowenig unserer Partei dulden, wie Sie ihn in der Ihrigen dulden würden. lolce Zwischenrufe ziehen doch nicht mehr. Sie wundern sich über tLeutenot und über die Landflucht. Wenn Sie aber Ihre Leute icht anständiger behandeln, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern r die Leutenot. Sie müssen sich wundern, daß es üherhaupt noch iute gibt, die für Sie arbeiten wollen. Wir könaten Ihnen noch ine ganze Reihe von Fällen erwähnen, in denen sich ländliche Arbeit⸗ ter Ausschreitungen gröbster Art gegen ihre Untergebenen haben zu ulden kommen lassen. Lernen Sie erst einmal Ihre Leute richtig enhlen und sie anständig behandeln, dann werden die Arbeiter lieber ader gesunden Landluft leben und nicht in die Städte abwandern. ü. Sozialdemokraten sind die einzigen, die ernst und wahrhaft die itstände aufdecken. Daß Sie imstande sind, über eine solche ernste agelegenheit zu lachen, das müßte an den Schandpfahl der Ge⸗ tichte geschrieben werden. (Vizepräsident Dr. K. rause ruft den kener wegen dieser Aeußerung zur Ordnung.)

Abg. Kreth (kons.): Wenn hier gelacht worden ist, so ist das veffelos nicht geschehen über die Dinge, die der Abg. Hoffmann ser vorgetragen hat, sondern es ist über etwas ganz anderes gelacht korden, was ich Ihnen wohl nicht zu sagen brauche. Wenn die sozial⸗

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motratischen Abgeordneten sich als berufene Vertreter der landwirt⸗ aftlichen Arbetter hier aufgespielt haben, so möchte ich doch dem⸗ enüber darauf hinweisen, daß wir die Fälle von Roheiten, welche th die Bauern haben zuschulden kommen lassen gegenüber ihren abeitern, aufs schärfste verurteilen. Es widerspricht der Grund⸗ nscauung konservativer Männer, wenn sie sehen müssen, daß der Stärkere ine Ueberlegenheit zur Unterdrückung von Untergebenen ausbeutet. vtt könnten Ihnen Dinge erzählen von großen kaufmännischen Ge⸗ süten, in denen man Angestellte in einer Weise behandelt, wie es sch auf dem Lande nicht vorkommt. Wenn schon ein Bauer so roh en würde und seine Leute so behandeln würde, wie die Sozial⸗ mokraten behaupten, dann würde er außerordentlich dumm sein, fnn könnte er nachher sehen, wie er sich sein Vieh und seine Aecker 9” besorgt. Wenn der Bauer selbst nicht aus Menschenfreundlich⸗ dh seine Leute anständig behandelt, dann tut er es wenigstens 9 Klugheit. Bevor Sie solche Dinge hier vortragen, gehen eie doch in Ihre Konsumyereine und sehen sich dort die Sklavereien

an. Sie können nicht einmal Ihre eigene Hausordnung halten. Ich erinnere Sie an die großen Streikausschreitungen, wo Sie den Arbeitswilligen die Knochen zerschlagen haben. Wo kommen sonst irgend⸗ wo solche Roheiten vor, wie gerade in Ihrer Wenn es fest⸗ gestellt würde, in welcher Partei die meisten 2 kesserstecher zu finden sind, und in welcher Partei am meisten anderen die Knochen zer⸗ schlagen werden, dann würden Sie schlecht abschneiden. Solche Dinge gehören gar nicht zur Sache, aber ich wollte Ihnen nur einmal sagen, wohin solche Verhandlungen führen.

Abg. Hoffmann (Soz.): Der Abg. Kreth hat darauf an⸗ gespielt, daß die Sozlaldemokraten den Arbeitewilligen die Kaochen. zerschlagen haben. Demgegenüber gebe ich ihm den Rat, sich doch einmal gegen die Hinzegardisten zu wenden, diejenigen, die mit dem Schießprügel herumlaufen und auf die Streikbrecher schießen. Wenn er aber die Konsum⸗ vereine in den Vergleich mit der Behandluug der Arbeiter auf dem Lande bringt, so muß ich ihm doch sagen, daß solche Dinge auch in den reaktionären Konsumvereinen zu finden sind. Wahrscheinlich verwechseln Sie die Arbeiterkonsumvereine mit den Beamtenkonsumvereinen, vielleicht mit dem Wirtschaftsverein des Bundes der Landwirte. Dort mag es so zugehen, wie der Abg Kreth geschildert hat. Sie besehen sich vor dem Spiegel und sagen: sind das rohe Menschen! Wenn der Abg. Kreth sagt: „wir bedauern solche Fälle von Mißhandlungen“, dann muß ich doch fragen, warum schaffen Sie nicht die Gesindeordnung ab? Dadurch würden Sie beweisen, daß Sie derartige Fälle bedauern. Solange Sie das nicht tun, müssen wir sagen: Sie sind schuld an den Vorkommnissen, Sie haben die Verantwortung dafür zu tragen.

Abg. von Gescher (kons.): Die merkwürdigen schaurigen Ge⸗ schichten, die uns der Abg. Hoffmann soeben mit unfreiwilliger Komik vorgetragen hat, können wirx auf ihre Richtigkeit hin nicht nachprüfen. Deshalb möchte ich darauf nicht weiter eingehen. Aber ich glaube, daß man hinter seine Ausführungen wohl ein doppeltes Fragezeichen setzen muß. Ich begrüße es mit Freuden, daß für die Förderung der Kultivierung von Oedländereien in der Provinz Westfalen 40 000 in den Etat eingesetzt worden sind. Ich halte diese Summe aber nicht für ausreichend und möchte daher den Minister bitten, nach Möglichkeit in Zukunft auf dem begonnenen Wege fortzufahren. Bei dieser Gelegenheit möchte ich anregen, den Interessenten für die Zwecke der Kultivierung von Oedländereien in Westfalen zinsfreie Darlehen zu bewilligen, die nach 4—5 Jahren zurückgezahlt werden müssen. Ich bin dem Minister dafür dankbar, daß er einen neuen Fonds in den Etat eingestellt hat, und hoffe, daß derselbe gute Früchte tragen wird. Beim Kapitel zur Förderung der Land⸗ und Forstwirtschaft im Eichsfelde bemerkt

Abg. Tourneau (Zentr.): Solange ich die Ehre habe, diesem hohen Hause anzugehören, bin ich immer für die Hebung von Gegenden, die infolge ungünstiger Bodengestaltung in ihrer Ent⸗ wicklung stark zurückgeblieben sind, eingetreten, und ich werde es auch diesmal tun. Das Eichsfeld wird ja sehr oft von schweren Unwettern heimgesucht, die der Land⸗ und Forstwirtschaft außerordentlich zum Schaden gereichen. Ich möchte die Regierung bitten, besonders der Viehzucht ihre volle Aufmerksamkeit zuwenden zu wollen. Infolge der sanitären Verhältnisse ist die Schafzucht ganz bedeutend zurück⸗ gegangen. Ich hoffe, daß die ausgeworfene Summe zur Hebung der Land⸗ und Forstwirtschaft im Eichsfelde die gewünschten Erfolge herbeiführen möge. Ich möchte dem Minister als letzter Redner zum Landwirtschatsetat den Dank und die Anerkennung für die Für⸗ sorge, welche er auf allen Gebieten der Landwirtschaft bisher betätigt hat, aussprechen. 1b Der Rest des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung wird ohne Debatte bewilligt.

Es folgt der Etat der Gest ütverwaltung.

Die Budgetkommission hat die geplante Verlegung des Graditzer Vollblutgestüts nach Straußfurt nicht genehmigt und sämtliche darauf bezügliche Etatsforderungen gestrichen, weil das Straußfurter Wiesengelände nicht geeignet sei; sie beantragt jedoch, die Regierung aufzufordern, in einem künftigen Etat Mittel für den Ankauf eines für die Vollblutzucht geeigneten Gutes anzufordern.

Die Kommission beantragt ferner, eine Petition um Ver⸗ legung des Landgestüts Dillenburg nach Ziegenhain der Regierung als Material zu überweisen.

Berichterstatter Abg. von Kessel (kons.) legt die Gründe dar, aus denen die Kommission zu einer Ablehnung der Verlegung des Graditzer Gestüts nach Straußfurt gekommen sei. Gegen eine Ver⸗ legung dieses Gestüts an sich habe die Kommission nichts einzuwenden gehabt, da die Pferde aus Graditz sich wohl für die Rennbahn, aber nicht für die Landespferdezucht als tüchtig erwiesen hätten. Dagegen sei die Kommission gegen Straußfurt gewesen, weil dort eine große Mücken⸗ und Bremsenplage herrsche und die Wiesen wegen ihrer Trockenheit nicht geeignet seien.

Minister für Landwirtschaft, Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Es ist für die Gestütverwaltung und ihre der⸗ zeitige Stellungnahme zweifellos von Bedeutung, daß auch die Budget⸗ kommission dieses hohen Hauses sich auf den Standpunkt gestellt hat, daß an sich die Verlegung der Vollblutzucht nach einem ge⸗ geigneteren Platze als Graditz wünschenswert erschiene. Die Ent⸗ scheidung darüber, ob Straußfurt als eine geeignetere Stätte für die Vollblutzucht anzusehen ist, haben wir natürlich Ihnen überlassen müssen. Ich bin mit dem Herrn Oberlandstallmeister auch gegen⸗ wärtig noch der Ansicht, daß die Einwendungen, die gegen die Ge⸗ eignetheit von Straußfurt gemacht worden sind, nicht in solchem Maße zutreffen, wie es auf Grund der eingezogenen Erkundigungen und der abgegebenen Gutachten angenommen wird. Ich freue mich, daß die Mücken⸗ und Bremsenplage von dem Herrn Bericht⸗ erstatter nicht wieder ins Gefecht geführt worden ist, wie es in der Budgetkommission der Fall war; ich habe schon dort auf den durchaus einwandfreien Bericht des Regierungs⸗ präsidenten und des Landrats hinweisen können, die beide der Ansicht beitraten, daß zwar auch in Straußfurt wie an vielen andern Orten in der Nähe von Flüssen Fliegen und Mücken auf⸗ treten, daß aber die Belästigung durch diese nicht so sei, daß sie der Vieh⸗ und Pferdezucht hindernd in den Weg treten könne.

Etwas anderes ist es mit der Trockenheit. Ich meine aber, die Erfahrungen, die in andern Ländern ich verweise nur auf Ungarn gemacht worden sind, liefern den Beweis, daß es auch möglich ist, gute Pferde auf trockenem Boden zu weiden. Wir haben nach meiner Ansicht in Preußen den Fehler gemacht, daß wir die Zuchtstätten für Pferde mehr nach dem Klima und der sonstigen Belegenheit und weniger nach den Bodenverhältnissen errichtet haben. Dieser erste Schritt der Gestütverwaltung, das Hauptgewicht auf den Kalkgehalt des Bodens zu legen, wird auch gewiß von Ihnen mit Freude begrüßt werden. Wir stellen die Entscheidung anheim, aber ich möchte aus⸗ drücklich bemerken: sollten wir im Laufe des Jahres zu der Ueber⸗ zeugung kommen, daß Straußfurt dennoch der geeignetste Platz für die Vollblutzucht sein würde, so werden wir kein Bedenken tragen, mit dem gleichen Antrag wieder an das hohe Haus heranzutreten.

nn von Arnim Züsedom (kons.): Es gereicht uns zur Ge⸗ nugtuung, daß der Minister in der Kommission erklärt hat, es sei nicht seine Absicht, das Halbblutgestüt in Neustadt a. D. zu be⸗

Domänen und Forsten

seitigen, solange die Interessenten aus der Mark sein Verbleiben dort wünschten. Ich kann wohl in Aussicht stellen, daß in absehbarer Zeit solche Wünsche nicht kommen werden. Für die Entscheidung der Kommission über Straußfurt sind technische und wirtschaftliche Gründe maßgebend gewesen. Als 1900 das Gestüt Georgenburg aus dem Domänenankaufsfonds erworben wurde, war der Kauf schon per⸗ fekt, ehe die Sache an das Haus herankam. Man hat damals in der

Kommission freiwillig zugegeben, daß es unerwünscht gewesen wäre,

wenn das wertvolle Gengüt Georgenburg in das Ausland gekommen wäre, und deshalb hat die Kommission damals den Ankauf ge⸗ nehmigt, aber ausdrücklich erklärt, daß ein solches Verfahren nicht mehr vorkommen dürfe, und der Finanzminister hat ausdrücklich zugesagt, daß er einem solchen Ankauf ohne vorherige Zustimmung des Hauses nicht mehr zustimmen werde. In diesem Falle hier ist richtig verfahren worden, die Regierung hat erst den Landtag gefragt, ob das Rittergut Straußfurt angekauft werden solle. Das hat die Kommission nicht gehindert, den Ankauf des Gutes für ungeeignet zu erklären, denn es soll nicht eine Domäne, sondern ein Gestüt werden. Infolge der sachverständigen Leitung unserer Gestüts⸗ verwaltung durch den Oberlandstallmeister Grafen Lehndorff, dessen hervorragende Verdienste nicht nur von meinen Freunden, und nicht nur in Preußen und Deutschland, sondern auch im ganzen Ausland in weiten Kreisen ohne Einschränkung anerkannt werden, ist es ge⸗ lungen, in steigendem Maße Renngewinne durch Graditz zu erzielen. Es wurden 1906 gewonnen 485 000 ℳ, 1907 357 000 ℳ, 1908 601 000 ℳ, 1909 762 000 ℳ, 1911 810 000 ℳ; die Renngewinne sind also in hohbem Maße gestiegen. Es ist ein eigenartiges Schicksal, daß jetzt dieses Gestüt ungeeignet sein soll. Allerdings ist der Boden von Graditz, weil er nicht kräftig genug ist, nicht besonders für Voll⸗ blut geeignet. Ich habe aber von sachverständigen Herren gehört, es würde dem Boden so viel Kalk zugeführt werden können, wie er⸗ forderlich ist, um Vollblutpferde auf dem Boden zu halten. Aber ich will annehmen, daß der Boden nicht so geeignet ist, wie es not⸗ wendig ist, um die Beschäler für die Haupt⸗ und Landgestüte zu ziehen. Aber wo sollen wir kaufen? In der Denkschrift von 1906 über den Ankauf des Gutes Römerhof wurde ausdrücklich hervorgehoben, daß gerade im Westen und Südwesten Deutschlands geeignete Böden und klimatische Verhältnisse für Vollblut⸗ zucht seien. Uad jetzt sagt der Oberlandstallmeister, man müsse höher nach Norden kommen, dort wachse das Gras länger. Damals wollte man sich also nach Süden und Westen begeben und den französischen Verhältnissen annähern. Die Gutachter des Oberlandstallmeisters meinen allerdings, daß Straußfurt geeignet gemacht werden könnte, aber ich möchte den Gutachter sehen, der nicht die Mittel anzugeben wüßte, um ein ungeeignetes Gut geeignet zu machen, es kommt nur darauf an, ob das nicht übermäßig teuer wird. Ich bestreite nicht, daß Straußfurt durch künstliche Mittel aller Art brauchbar her⸗ zustellen ist, aber zu dem Zweck machen wir doch nicht neue Aus⸗ gaben, die über den Ankaufspreis des Gutes von 1,9 Millionen noch weit hinausgehen werden. 1906 wurde uns gesagt, Graditz ist nicht geeignet, geeignet würden sein Güter im Süden und Südwesten wegen der klimatischen Verhältnisse. Und jetzt sollen wir nach Norden gehen und ein Gut kaufen, das mangelhaft ist. Deshalb haben wir die Forderung der Regierung abgelehnt. Herren aus jener Gegend haben uns gesagt, daß von Juni bis Mitte Sep⸗ tember so viele Bremsen und Muͤcken da zu sein pflegen, daß die Pferde auf der Weide gequält werden würden. Wir koöͤnnen warten, bis für unser wertvolles Pferdematerial ein Kauf vorgeschlagen werden kann, der solche Bedenken nicht erregt. Wir haben auch in Altpreußen Böden, wo nur 400 mm Regen im Jahre fällt und doch Luzerne vorhanden ist. Wir wollen glauben, daß Graditz nicht mehr für Vollblut geeignet ist, aber wenn wir einen anderen Ort nehmen, muß nachgewiesen werden, daß er geeignet ist. Der Widerspruch zwischen der Begründung für Römerbof 1906 und der jetzigen Be⸗ gründung für Straußfurt muß erst gelöst werden. Wir sind mit der Gestütsverwaltung gewillt, ein erstklassiges Vollblutmaterial zu er⸗ zielen, wer wollen nicht, daß die Rekrutierung unserer Vollblutgestüte hauptsächlich aus dem Auslande vollzogen wird.

Oberlandstallmeister von Oettingen: Der Abg. von Araum hat mich mißverstanden, ich habe in der Kommission nur von den rein akademischen Anforderungen gesprochen, die an ein Vollblutgestüt zu stellen sind, und ich habe nur von einer möglichst nördlichen Lage gesprochen. Ich habe auch gewünscht, daß der Boden möglichst trocken ist, aber doch nicht so trocken wie Graditz. Ich bin der Ansicht, daß wir in Straußfurt eine geeignete Weide haben werden, aber nach dem Ergebnis der Kommissionsberatung kann ich nur bedauern: es wäre so schön gewesen, es hat nicht sollen sein.

Abg. Graf Henckel von Donnersmarck (Zentr.): Gegen die Körordnungen ist an sich nichts einzuwenden, nur dürfen sie nicht rigoros gehandhabt werden. In Schlesien hat die Landwirtschafts⸗ kammer durch die Körordnung für die einzelnen Bezirke besondere Zuchtrichtungen bestimmt. Der Zuchtverein in Kerschendorf⸗Pirschen betreibt aber seit Jahren Holsteiner Zucht und hatte schon vor Erlaß der Körordnung einen Holsteiner Hengst. Da für diesen Bezirk von der Landwirtschaftskammer Holsteiner Zucht nicht vor⸗ gesehen ist, herrscht im dortigen Kreise darüber große Erregung, daß nun dieser Holsteiner Hengst nicht in Tätigkeit bleiben soll. Ich bitte den Landwirtschaftsminister, in Breslau dahin zu wirken, daß dieser Hengst wenigstens für die Mitglieder des Vereins zu gelassen wird. Auch eine Kreisversammlung des schlesischen Bauern⸗ vereins in Leobschütz hat sich mit der Frage der Körordnung befaßt und festgestellt, daß für den dortigen Bezirk belgische Hengste be⸗ stimmt sind. Die Versammlung gab zu, daß dies Pferd gedeiht und gute Preise verspricht. Aber die Produkte dieser Hengste sind in dortiger Gegend für die Landwirtschaft unbrauchbar. Deshalb hat die Versammlung eine Resolution gefaßt, neben den belgischen auch oldenburgische Hengste zuzulassen. Auch diese Resolution möchte ich dem Minister aufs wärmste empfehlen.

Abg. Meyer⸗Diepholz (nl.): Es liegt zweifellos im Inter⸗ esse der Gestütverwaltung, wenn sie ein Gestüt aus einem Landes⸗ teile, in dem es sich nicht bewährt, nach einem anderen Landesteile verlegt. Aber wir halten doch die Verlegung des Graditzer Vollblut⸗ gestütes nach Straußfurt für unzweckmäßig und stimmen daher dem Antrag der Budgetkommission zu. Es dürfte sicher ein geeigneterer Ort gefunden werden. Da wir der Ansicht sind, daß die Vollblut⸗ zucht sich weiter einbürgern muß, stimmen wir auch in diesem Punkte der Budgetkommission zu. Wir müssen die Pferdezucht mit allen Mitteln unterstützen, damit unser Bedarf möglichst im Inland gedeckt werden kann.

Abg. von Oertzen (freikons.): Es ist eine durch langjährige Erfahrungen festgestellte Tatsache, daß die erste Vorbedingung für die Pferdezucht kalthaltiger Boden ist. England bietet dafür den besten Beweis. Die künstliche Zufuhr von Kalk reicht kemeswegs aus. Das hat auch der Oberlandstallmeister anerkannt. Aus diesem Grunde ist auch das Graditzer Ge stüt für die Zwecke der Pferdezucht sehr schlecht geeignet; allerdings hat das Graditzer Gestüt eine ganze Anzahl von guten und brauchbaren Pferden geliefert, aber man hat auch alljährlich eine große Anzahl von Stuten in England gekauft. Dies wird auf die Dauer kaum weiter gehen. Ich bin aber zweifelhaft, ob Straußfurt ein geeigneter Ort für die Pferdezucht ist. Jedenfalls muß man mit Rücksicht auf die hohen Summen, die wir für die Verleaung ausgeben müßten, die volle Ueverzeugung haben, daß der Ort, nachdem das Graditzer Gestüt verlegt werden soll, in jeder Richtung geeignet ist. Ich weiß nicht, ob die Be⸗ hauptungen, welche gegen Straußfurt sprechen, übertrieben sind Jedenfalls ist nicht nachgewiesen, daß kein anderer Ort vorhanden ist wohin nicht ebensogut das Gestüt verlegt werden könnte. Wir glauben, daß sehr wohl ein geeigneter Ort in unserem Vaterlande zu finden ist, vielleicht gar in der Rheinprovinz oder sonst irgendwo Deshalb stimmen wir dem Antrag der Bugetkommission zu.

Abg. Dr. Varenhorst (freikons.) Ich glaube, daß in Hannover sehr gut ein geeigneter Ort gefunden werden könnte zur Verlegung des Graditzer Gestüts. Ich danke zunächst dem Minister, daß in diesem Etat wiederum eine erhebliche Vermehrung der Hengste und Stuten vorgesehen ist, und daß das Landgestüt in Celle auch