1913 / 68 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 19 Mar 1913 18:00:01 GMT) scan diff

8

von den Bestimmungen des § 136 Abs. 1 der Gewerbeordnung, vor sechs Uhr, jedoch nicht vor vier Uhr Morgens beginnt, wenn Rück⸗ sichten auf die Arbeiter dies erwünscht lassen.

V. Für Glashütten, welche von den unter II und III nach⸗ gelassenen Ausnahmen Gebrauch machen, finden die Bestimmungen des § 138 Abs. 2 Satz 1 der Gewerbeordnung mit folgenden Maß⸗ gaben Anwendung: 1 1) Das in den Fabrikräumen auszuhängende Verzeichnis der jungen Leute ist in der Weise aufzustellen, daß die in derselben Schicht Beschäftigten je eine Abteilung bilden. 1 2, Das Verzeichnis braucht in Glashütten der unter III bezeich⸗ neten Art für die bei Arbeiten vor dem Ofen beschäftigten jungen Leute zwischen 14 und 16 Jahren eine Angabe über die Arbeitstage, die Arbeitszeit und die nicht zu enthalten. Statt dessen ist dem Verzeichnis eine Tabelle nach dem anliegenden Muster (Anlage 4) beizufügen, in welche während oder unmittelbar nach jeder Arbeits⸗ schicht die vorgesehenen Eintragungen bewirkt werden. 1

Die Tabelle muß mindestens über die letzten vierzehn Verarbei⸗ tungsschichten Auskunft geben. Eintragungen bewirkt, muß daraus zu ersehen sein. 8

Von der Führung der Tabelle können einzelne Hütten durch die höhere Verwaltungsbehörde auf Antrag unter Vorbehalt des jeder⸗ zeitigen Widerrufs für solche im einzelnen namhaft zu machende Arbeiten entbunden werden, bei denen für die jungen Leute zwischen 14 und 16 Jahren nach der Art dieser Arbeiten in dem betreffenden Betriebe regelmäßig mindestens Pausen von der unter III Ziffer 1 bestimmten e eintreten. Ueber diejenigen Hütten, welche hiernach von der Tabellenführung entbunden sind, hat die höhere Verwaltungs⸗ behörde nach dem anliegenden Muster (Anlage B) ein Verzeichnis zu führen. Ein Auszug aus diesem Verzeichnis, der das abgelaufene Kalenderjahr umfaßt, ist bis zum 1. Februar jedes Jahres durch die Landeszentralbehörde dem Reichskanzler vorzulegen.

VI. In Glashütten, Glasschleifereien und Glasbeizereien sowie in Sandbläsereien muß an einer in die Augen fallenden Stelle eine Tafel ausgehängt werden, welche in deutlicher Schrift die Bestim⸗ mungen unter I wiedergiebt.

In denjenigen Glashütten, welche von den unter II, III oder IV. nachgelassenen Ausnahmen Gebrauch machen, muß diese Tafel außer⸗ dem die Bestimmungen unter II bis V enthalten.

Die Vorschriften im § 138 Abs. 2 der Gewerbeordnung und unter Ziffer 6 Abs. 2 der Bekanntmachung vom 13. Juli 1900 Reichsgesetzbl. S. 566) bleiben unberührt.

VII. Die vorstehenden Bestimmungen treten am 1. April 1913

5. März 1902 in Kraft und an Stelle der Bekanntmachung vom 20. März 1912

Grricsarsebar S8 r99- Sis haben für fünf Jahre Gültigkett.

Diejenigen jungen Leute wischen 14 und 16 Jahren, welche zur Zeit der Veröffentlichung dieser Bekanntmachung bei den in Ziffer IV Abs. 1 unter a bis c bezeichneten Arbeiten beschäftigt sind, dürfen in der bisherigen Weise weiterbeschäftigt werden.

Berlin, den 9. März 1913.

Der Stellvertreter des Reichskanzlers. Delbrück.

Tabelle über Beginn und Ende der Arbeitszeiten und der Pausen

für junge Leute.

V V

2. 3 4

Ende Pausen der Schicht

Beginn der Schicht

jenigen,

lcher die Ein⸗ tragungen bewirkt

Dauer . xages. 5 Tages⸗ Schicht Datum zeht. Datum egs Win Mi⸗Datum daat

1 Uhr

Name des

we

V 15 11 Uhr 0

Verzeichni 8

erjenigen Glashütten, die von der Füh g über die Pausen der jungen Leute entbunden sind.

1 2 16

elle

99

iebe schichten unlichen lche chichten dieser

ftigung

Bezeichnung des Betriebs,

. Name des Unter⸗ nehmers oder Be⸗ triebsleiters,

.Belegenheit des Betriebs

s

ür we

ã

in dem Betriebe. Arbeits a

8

chsenen m der Arbeits

der dieser jungen Leute

der Besch

die Ausnahme bewilligt ist jungen Leute

beschäftigten Arbeiter der erwa gung und Aktenvermerk

Arbeiter Datum der Ausnahmebewilli⸗

aufende Nummer der Betr und der Bewilligungen

Bemerkungen

Dauer

Gesamtzahl der Dauer Zahl der jungenLeute, 1

L Art

Ddie von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 16 des Reichsgesetzblatts enthält unter

Nr. 4186 die Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern in Glashütten, Glasschleifereien und Glasbeizereien sowie Sandbläsereien, vom 9. März 1913. Berlin W. 9, 18. März 1913.

Kaiserliches Postzeitun samt.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Gerichtsassessor Hugo Kekule von Stradonitz in Berlin die Kammerjunkerwürde zu verleihen.

Der Name desjenigen, welcher die

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

die ecieenagsasfesoren Grafen von Degenfeld⸗Schon⸗

burg in Reichenbach, von Ellerts in Neisse und Bock von Wülfingen in Worbis zu Landräten zu ernennen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Oberbürgermeister Lehwald in Rheydt das Recht su verleihen, bei geeigneten Gelegenheiten die goldene Amts⸗ ette zu tragen. 8 Ministerium des Innern.

Dem Landrat Grafen von Degenfeld⸗Schonburg ist das Landratsamt im Kreise Reichenbach, dem Landrat von Ellerts das Landratsamt im Kreise Neisse und dem Landrat Bock von Wülfingen das Landratsamt im Kreise Worbis

übertragen worden.

Abgereist:

Seine Exzellenz der Staats⸗ und Justizminister Dr. Be seler mit Urlaub nach Süddeutschland.

MNiichtamtliches.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 19. März 1913.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute vormittag, wie „W. T. B.“ meldet, den Vortrag des Staats⸗ sekretärs des Auswärtigen Amtes von Jagow.

Seine Majestät der König Georg von Griechen⸗ land ist in Saloniki einem verbrecherischen Anschlag zum Opfer gefallen. Der Abscheu über die Mordtat, die den König der Hellenen mitten aus dem Erfolge eines glücklich geführten Krieges herausreißt, verbindet sich mit tiefer Teilnahme für die Königliche Familie, die wie dem dänischen und englischen, auch unserem Herrscherhause in naher Verwandtschaft ver⸗ bunden ist, und für das griechische Volk, dessen Geschicke der hingeschiedene König fünfzig Jahre hindurch geleitet hat.

Der Bundesrat trat heute zu einer Gesamtsitzung zu⸗ sammen; vorher hielten der Ausschuß für Handel und Verkehr, die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuer⸗ wesen und für Rechnungswesen, ferner die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Handel und Verkehr sowie die ver⸗ einigten Ausschüsse für Rechnungswesen, für das Landheer und die Festungen und für das Seewesen Sitzungen.

8 88*

b Am Sonnabent, den 22. d. M., Nachmi ttags, bleiben die Bureaus und Kassen der Reichshauptbank geschlossen. 8

Verkehrseinnahmen der EEö““ und vollspurigen Nebenbahnen (aussch ießlich der baye⸗ rischen) im Februar 1913 nach der im Reichseisenbahnamt aufgestellten Uebersicht:

gegen das Vorjahr (mehr, weniger)

im ganzen auf 1 km 0%

52 410 766 + 1 492 188 +† 19 1,93 16 070 452 + 6 805 341/+£ 96 + 3,23.

im ganzen

88

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Goeben“ mit dem Chef der Mittelmeerdivision am 17. März in Saloniki, S. M. S. „Loreley“ am 18. März in Konstantinopel ein⸗

getroffen.

Oesterreich⸗Ungarn.

Nach einer an zuständiger Stelle in Wien vorliegenden kurzen Meldung ist, wie „W. T. B.“ mitteilt, ein öster⸗ reichischer Dampfer, der am Sonnabend abend im Hafen von San Giovanni di Medua Waren löschen wollte, durch montenegrinische Truppen daran gehindert worden. Die österreichischen Matrosen wurden bedroht. Die Untersuchung des Vorfalles, über den Einzelheiten noch fehlen, ist in die Wege geleitet worden. .

Die Session des galizischen Landtags ist gestern eröffnet worden.

Der Landmarschall Graf Goluchowski und der Statt⸗ halter Bobrzynski verwiesen, obiger Quelle zufolge, in den Be⸗ grüßungsansprachen auf die Wichtigkeit der Vollendung der Landtags⸗ wahlreform, wofür der Ausschuß im Kompromißwege Grund⸗ sätze beschlossen habe. Diese Grundsätze sicherten beiden Na⸗ tionalitäten die Freiheit der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung und zögen die breiten Schichten der Bevölke⸗ rung zur Teilnahme am öffentlichen Leben heran. Der Statt⸗ halter betonte insbesondere die Bedeutung der Einigung der beiden Nationen für die Gesamtinteressen des Staates. Die Kriegsgefahr sei wohl geschwunden, allein der Staat müsse wichtige Aufgaben, so die Finanzreform, im Parlamente durchführen. Die geplante Wahl⸗ reform sei ein entschiedener Schritt zur Verständigung der Völkerschaften. Der Ruthenenführer Lewicki erklärte, daß die Ruthenen ihre bisherige Taktik aufgeben und zur einträchtigen Arbeit unter dem Vorbehalt schreiten, daß die ruthenischen Forderungen berücksichtigt werden. Der Pole brahamo⸗ witsch erwiderte, die Erklärung Lewickis sei als eine günstige Wendung in den Beziehungen der beiden Nationalitäten auf⸗ zufassen. Der Fürst Czartorysci erklärte, das Zentrum werde dem

Wahlreformprojekt opponieren. Die Ausführungen des Redners riefen heftigen Widerspruch bei der polnischen Volkspartei und den

I

Demokraten hervor. Der russophile Ruthene Dudykiewicz er⸗

klärte, es handle sich nicht um eine Verständigung mit der ganzen

ruthenischen Nation, da die Verhandlungen nur mit einem Teile der⸗ selben geführt worden seien. Großbritannien und Irland.

Im Unterhause standen in nächst Anfragen auf der Tagesordnung.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ fragte der Abg. Wedg⸗ wood, ob irgendeine direkte Verständigung zwischen Groß⸗ britannien und der Türkei dahin gehend bestehe, daß Aegypten,

sobald der Krieg vorüber sei, vollständige Autonomie unter britischem

Protektorat erhalten sollte, und ob ein Abkommen mit Deutschland

etroffen sei, durch welches letzteres der Aenderung zustimmte. Der Etaakssekretär des Auswärtigen Amts Grey erwiderte, die Antwort auf beide Anfragen laute: nein. .

Der Liberale King fragte, ob die Regierung vor vier Jahren von einer Gruppe von Ingenieuren des Festlandes Pläne für einen neuen Typ Torpedobootszerstörer erhalten habe, der schneller sein sollte als jedes Schlachtschiff und Lufttorpedos abfeuere. King fragte weiter, ob solche Pläne erwogen und zurückgewiesen worden seien, und ob es bekannt sei, daß eine fremde Macht sie angenommen und infolge der Bedeutung dieses neuen Zerstörertyps ihre Flottenpolitik vollständig. geändert habe. Der Erste Lord der Admiralität Churchill er⸗ widerte, der Admiralität sei kein Bericht von einem solchen Vorschlage zugegangen, und es liege kein Beweis dafür vor, daß eine fremde Nation ihre Flottenpolitik auf Grund der Annahme dieses Schiffs⸗ typs geändert habe. Was Großbritannien anbelange, so sei keine Aenderung in der Lage eingetreten, die zu einer nochmaligen Erwä⸗ gung seiner Flottenpolitik nötige. In Beantwortung einer anderen Anfrage sagte Churchill, die Admiralität habe ein deutsches Parseval⸗ Luftschiff bestellt, habe aber keine Rechte erlangt, diesen Luftschiffs⸗ typ in England zu bauen.

Im weiteren Verlaufe der Sitzung fragte der Abg. Edmund Harvey den Staatssekretär des Auswärtigen Amts, o seine Auf⸗ merksamkeit auf die jüngsten Versuche der Anhänger des früheren Schahs gelenkt worden sei, seine Zurückberufung nach Persien durchzusetzen, und ferner, welche Schritte die eng⸗ lische Regierung tue, um diese Machinationen zu vereiteln. Sir Edward Grey erwiderte, seine Aufmerksamkeit sei auf Meldungen über diese Angelegenheit gelenkt worden und er sei mit der russischen Regierung in Verbindung getreten, die gleich der englischen jeden Versuch des früheren Schahs, nach Persien zurückzukehren, entschieden mißbilligen würde.

Der Liberale Chapple fragte erstens, ob Salar ed Dauleh von der persischen Regierung zum Gouverneur der Provinz Ghilan ernannt worden sei; zweitens, ob die Bevölkerung der Provinz die Ernennung mit Unwillen aufgenommen habe, und drittens, ob die englische Regierung der persischen geraten habe, die Er⸗ nennung dem Wunsche Rußlands gemäß vorzunehmen. Grey erwiderte, die erste Frage könne er bejahen. Hinsichtlich der zweiten Frage habe er von dem englischen Gesandten keine Mitteilungen in diesem Sinne erhalten, doch habe ihm der persische Gesandte letzthin erklärt, daß infolge der Ernennung Unruhen befürchtet würden. Was die dritte Frage anbetreffe, so sei ihm mitgeteilt worden, daß die persische Regierung jetzt die Ernennung rückgängig zu machen wünsche. Die Angelegenheit befinde sich jetzt in Erwägung. Er beabsichtige nicht, aktiven Anteil an der Angelegenheit zu nehmen.

Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde in der Verhand⸗ lung über die Verwaltung des Innenamts die Anordnung des Staatssekretärs MeKenna, durch die Frauenrechtlerinnen freigelassen wurden, scharfer Kritik unterzogen. MeKenna er⸗ widerte auf die Angriffe: 1

Bei dem augenblicklichen Stande des Gesetzes hätten die Ge⸗ fangenen, die die Nahrungsaufnahme verweigerten und zu sehr herunter⸗ gekommen wären, um zur Nahrungsaufnahme gezwungen zu werden, entweder freigelassen werden müssen oder man hätte sie verhungern lassen müssen. Die Mehrzahl der efangenen Frauen hätte ohne Zwang Nahrung zu sich genommen und ihre Strafen voll abgebüßt. Was aber die anderen angehe, so habe er sich dafür entschieden, sie nicht sterben zu lassen. Er werde binnen kurzem ein Gesetz einbringen, das ihm die Berechtigung verleihe, vor Hunger geschwächte Gefangene freizulassen, bis sie sich erholt hätten, und sie dann nötigenfalls wieder zu verhaften. Diese Befugnis würde es ihm möglich mach it gesamten Plage des Suffragettenwesens aufzuräumen. 8

Frankreich.

Im Senat wurde gestern die Beratung der Wah

reform Nachdem der frühere Minister Viger gegen die Verhältniswahl, die die Regierung zwänge, die Minderheiten offiziell anzuerkennen,

gesprochen hatte, erklärte der Ministerpräsident Briand laut Bericht

des „W. T. B.“ wenn die Beratung eine Lösung entgegen seinem Wunsche zum Ergebnis haben sollte, würde er nicht länger an der Macht bleiben. Wenn die Regterung ihr Versprechen nicht einlösen könnte, würde sie gezwungen sein, zuruͤckzutreten, in ihrem Ansehen erschüttert. Die Regierung wolle mit dem Senat und der Kammer zusammen⸗ arbeiten. Der Senat dürfe die Reformversuche der Kammer nicht ohne zurückweisen. Darauf gab der Ministerpräsident einen Ueberblick über die Reformfrage seit 1885 und zeigte, 8 die Reform zuerst von ihren gegenwärtigen stürmischsten Gegnern gepriesen worden sei. Die Idee sei also gut republikanisch. Briand erinnerte weiter daran, daß sämtliche Ministerien seit vielen Jahren die Wahl⸗ reform auf ihr Programm geschrieben hätten. Sein Kabinett habe das gleiche getan. Ironisch wies der Ministerpräsident darauf hin, daß die Kammer, die selbst aus dem allgemeinen Wahlrecht bervorgegangen sei, nach Ansicht der Gegner des Proportionalsystems ihre Mutter erschlagen und Muttermord be⸗ geben wolle. Die Regierung, so führte er weiter aus, mösse stark sein durch das Vertrauen der beiden Versammlungen. Fehle ihr das der einen, so bleibe ihr nur übrig, zu gehen. Der Senat müsse in ein Kompromiß willigen, das imstande sei, das Land zu befriedigen.

Seit 1910 seien von 49 Nachwahlen 34 dem Proportionalsy sem

günstig gewesen. Der Senat möge sich hüten, fcß er sein Verhalten nicht zu bereuen habe. Die Regterung erbiete sich zu loyaler Mit⸗ arbeit; wenn der Senat sie zurückweise, müsse die Regierung zurück⸗ treten. Der Senator Clemenceau führte aus: der einer Vertretung der Minderheiten, ursprünglich republikanisch, sei gegen die Republikaner verdreht und ausgebeutet worden. Man wolle selbst den Grundsatz der Mehrheit beseitigen, d. h. die letzte moralische Autorität, die es im Lande gebe. Der Konflikt bestehe, weil man die republikanische Mehrheit des Senats vor der heterogenen Mehrheit der Kammer beugen wolle. Aber der Senat wolle nicht in Streit mit der Kammer geraten. Wenn man ein System der Vertretung der Minderheiten ausfindig mache, das mit dem Mehrheitswahlsystem vereinbar sei, so werde er für Briand sein,

aber er werde jedes System ablehnen, das dem Mehrheitswahlsystem.

zuwiderlaufe.

Darauf wurde die Generaldebatte geschlossen Dringlichkeit erklärt.

Bei Artikel 1 der Wahlreformvorlage verteidigte der

Senator Peytral seinen Antrag auf Wiederherstellung des.

Mehrheitswahlrechts. Der Ministerpräsident Briand er⸗ klärte, der Antrag schließe jede Möglichkeit eines Kompromisses aus, und wies ihn im Namen der Regierung unter Stellung der Vertrauensfrage zurück. Der Senat nahm den Antrag Peytral mit 161 gegen 128 Stimmen an. Die

Linke begrüßte die Verkündigung der Abstimmung mit dem⸗

Der Ministerpräsident Briand

Rufe: „Es lebe die Republik!“ Minister den Saal.

verließ in Begleitung sämtlicher

der gestrigen Sitzung zu⸗

Saloniki liegen

Gedanke

und die

Darauf wurde die Sitzung geschlossen. Von den 161 Senatoren, die gegen die Regierung stimmten, sind 130 Mitglieder der demokratischen Linken, 23 Mitglieder der republikanischen Vereinigung, 6 Wilde und je ein Senator Mitglied der republikanischen Linken und der Rechten. Gegen die Regierung stimmten u. a. Clemenceau, Combes, Freycinet, Pichon, de Selves und Pelletan. Zehn Senatoren enthielten sich der Abstimmung, darunter Bourgeois.

Der Ministerpräsident Briand überreichte dem Präsidenten Poincaré am Abend die Demission des Kabinetts.

Der Gesetzentwurf über die marokkanische Anleihe von 230 Millionen ist gestern der Kammer zugegangen. Wie „W. T. B.“ meldet, werden 70 Millionen für die aus der Zeit vor dem 31. Dezember 1909 herrührenden militäri⸗ schen Kosten verwendet, 50 Millionen für den Hafen von Casa⸗ blanca, 26 ¼ Millionen für Straßenbauten, 25 Millionen für Spitäler, Schulen und Telegraphenlinien, 10 Millionen Ent⸗ schädigung für die durch die Meutereien in Fes und Marra⸗ kesch Betroffenen.

Der Berichterstatter der Budgetkommission Clémentel hat einen Bericht erstattet, der den Entwurf, betreffend den Kredit von 420 000 000 Fr. für Rüstungszwecke, be⸗ fürwortet. Der Berichterstatter sagte obiger Quelle zufolge, die Budgetkommission sei der Ansicht, daß das Parlament die Regierung in der Ausführung der dringenden Arbeiten, deren Programm alle Teile des Angriffs⸗ und Verteidigungswesens berühre, nicht nur nicht hemmen, sondern sie vielmehr zur eifrigen Förderung dieser Arbeiten anregen müsse. Die Vor⸗ lage sieht insbesondere 214 Millionen für die Artillerie und 160 Millionen für die technischen Truppen vor.

114““ Heereskommission der Kammer hat gestern mit 17 gegen 16 Stimmen den Schluß der Generaldebatte be⸗ schloßt und sich auf morgen zur Wahl des Berichterstatters vertagt.

Im Laufe der Debatte versicherte der Chef des Generalstabes, General Joffre, daß der Oberste Kriegsrat einmütig für die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit sei. Der Souschef im Generalstab, General Leg rand, gab Aufklärung über die Deckung der Ostgrenze und über die Mobilisation. Der Kriegsminister Etienne trat mit Energie für die Annahme des Entwurfs ein, dessen Ablehnung ein wahres Unglück bedeuten würde.

Rußland.

Der französische Botschafter Louis ist gest von Kaiser Nikolaus zur Ueberreichung seines Abberufungs⸗ schreibens in Audienz empfangen worden. yII1I Budgetkommission der Reichsduma wies der Nationalist Demtschenko laut Meldung des „W. T. B.“ auf die Notwendigkeit der Errichtung von 1..““ in Odessa, Libau und Riga hin, weil die von

ußland bezogenen Kolonialwaren, die über Hamburg oder Triest gingen, von ausländischen Arbeitern verpackt würden und auf ausländischen Bahnen einträfen. Der Finanzminister Kokow tow erklärte Freihäfen für unnötig, da in Rußland andere Verhältnisse als im Auslande herrschten. Hamburg versorge nicht Rußland allein mit Waren. Die Freihäfen würden dem Lande keinen Nutzen bringen

Türkei.

Nach einem in Konstantinopel eingetroffenen Kriegs⸗ bericht fand, wie „W. T. B.“ meldet, an der öst⸗ lichen und westlichen Front von Adrianopel ein Tag und Nacht andauernder Artilleriekampf statt. Vor Bulair herrschte gestern Ruhe. Bei Ts chataldscha schlugen türkische Truppen, die in der Richtung auf Kalfaköj und Akalan vorrückten, unter dem Schutze der türkischen Artillerie die vor ihnen stehenden bulgarischen Truppen zurück. Aus der Gegend von Kabakdscha war Kanonendonner hörbar. Vermutlich hat der Feind die Eisenbahnlinie und die dortige Stationsanlage zerstört.

Infolge des Beschlusses der montenegrinischen Regierung, den Konsuln und den in Frage kommenden Staatsangehörigen das Verlassen von Skutari zu gestatten, hat sich, wie amt⸗ lich gemeldet wird, ein Parlamentär nach Skutari begeben, um den Beschluß Essad Pascha mitzuteilen. Dieser hat davon Kenntnis genommen, ohne eine Antwort zu erteilen. Der Artillerie⸗ kampf, der mit großen Zwischenräumen zwei Tage lang ge⸗ dauert hat, ist seit mehreren Tagen nicht wieder aufgenommen worden, da sich die Türken ruhig verhalten und die Montenegriner Vorbereitungen für weitere Operationen treffen. Nach Wiener Blättermeldungen sind bei der Beschießung auch das österreichisch⸗ ungarische Konsulat und ein italienisches Nonnenkloster getroffen und beschädigt worden. Der „Reichs⸗ post“ zufolge wurden beim Bombardement acht italienische Nonnen, die Krankenpflegerinnendienste versahen, getötet und mehrere verwundet.

Griechenland.

Ermordung des Königs Georg in folgende Meldungen der „Agence Havas“ vor: Als der König am Nachmittag das Palais seines Sohnes, des Prinzen Nikolaus, in Begleitung seines Adjutanten Obersten Frangudis verlassen hatte, um seinen gewohnten Spaziergang zu machen, feuerte ein Individuum aus nächster Nähe einen Revolverschuß auf den König ab. Der König, der in das Herz getroffen war, stürzte in die Arme seines Adju⸗ tanten und wurde mit Hilfe von zwei herbeigeeilten Soldaten in einen Wagen getragen und nach dem benachbarten Militär⸗ hospital gebracht, verstarb jedoch bereits im Wagen. Der örder, ein Grieche namens Aleko Schinas, wurde verhaftet. Auf die Kunde von dem Attentat eilten Generale und Offiziere aller Grade in das Hospital, wo der Militär⸗ ouverneur Prinz Nikolaus den ffizieren den Tod seines Vaters kundgab und ihnen den Treueid für den König Kon⸗ stantin abnahm. Der Justizminister Raktiwan, der Chef der griechischen Verwaltung in Saloniki, erließ eine Proklamation an das Volk, in der er ihm die Trauerbotschaft kundgibt und von dem dem Könige Konstantin geleisteten Treueide Mit⸗ teilung macht.

In Athen ist die Aufregung und Bestürzung infolge der Ermordung des Königs unbeschreiblich. Das Amtsblatt, das mit einem Trauerrand erscheint, veröffentlicht folgende Note:

Gebrochen von Schmerz teilt der Ministerrat dem Volke den Tod Seiner Majestät unseres heißgeliebten Königs Georgs 1. mit. Die verbrecherische Hand eines Wahnsinnigen hat heute den König in Salonikt ermordet und so die ganze Nation gerade in diesen agen der Freude, in denen sich unsere nationalen Wünsche erfüllen, in tiefe Trauer versenkt. Das Attentat wurde heute gegen

Uhr Nachmittags durch Revolverschüsse auf den König wahrend seines Spazierganges verübt. Per Ministerrat hat diese traurige Botschaft sofort Seiner Majestät dem König Konstantin mitgeteilt.

leber die

88

Der Minister des Aeußern Koromilas hat an die Ver⸗ treter Griechenlands im Auslande folgende Depesche geschickt:

Gebrochenen Herzens teile ich Ihnen mit, daß unser König heute nachmittag um 5 Uhr in Salonikt während seines Spazierganges erschossen wurde. Der König starb eine halbe Stunde später. Ganz Griechenland und Mazedonien sind entsetzt über das furchtbare Att tat gegen den siegreichen und so inniggeliebten König.

Bulgarien.

Der Ministerpräsident Geschow hat, wie „W. T. B.“ meldet, unmittelbar, nachdem er die Meldung von der Er⸗ mordung des Königs der Hellenen erhalten hatte, folgendes Beileidstelegramm an den Ministerpräsidenten Venizelos gerichtet:

In diesem Augenblick empfange ich die furchtbare Nachricht von der Ermordung Ihres vielgeliebten erhabenen Königs, des unseres Herrschers und unseres Volkes, und möchte Ihnen zum Aus⸗ druck bringen, wie tief wir Ihren unendlichen Schmerz teilen. Wir beweinen einen der ersten Förderer unserer heiligen Allianz, und sind empört über das fluchwürdige Verbrechen des Mörders. Meine Kollegen und ich bitten Sie, den Ausdruck tiefer Anteilnahme von 1 veFrcliche⸗ Regierung und der bulgarischen Nation entgegen⸗

nehmen

Amerika.

Vereinigten Staaten von Amerika Lil einer zweistündigen Beratung des Kabinetts bekanntgegeben, daß die amerikanische Regierung es abgelehnt hat, die amerikanische Bankengruppe aufzufordern, die Verhandlungen über die Teilnahme der Vereinigten Staaten an der chinesischen Anleihe von 125 Mil⸗ lionen Dollars fortzusetzen. Wie der Präsident laut Meldung des „W. T. B.“ mitteilte, hatten die Vertreter der Banken erklärt, daß sie sich um einen Anteil an der Anleihe nur in dem Falle weiter bemühen würden, wenn sie von der Re⸗ gierung ausdrücklich dazu aufgefordert würden. Der Präsident hat es jedoch abgelehnt, eine solche Aufforderung auszusprechen, weil die Regierung den Bedingungen der Anleihe nicht zustimmte, und weil sie ihrerseits die Verantwortung nicht zu übernehmen wünschte, die in dem Ersuchen der Bankengruppe enthalten war. Die Erklärung des Präsidenten besagt:

Die Bedingungen der Anleihe scheinen die administrative Un⸗ abhängigkeit Chinas nahe zu berühren. Die amerikanische Regierung wünscht sich auch nicht direkt auf diese Bedingungen festzulegen. Die Verantwortung, die die Regierung übernehmen würde, könnte zu einer gewaltsamen Intervention in die finanziellen, vielleicht auch in die Velititcen Pfitre Die amerikanischen

nieressen in ina bestehen in der oliti er offene ü Erhaltung freundschaftlicher Beziehungen. Obwohl die Erklärung des Präsidenten Wilson nur die Haltung der amerikanischen Regierung gegenüber der chinesischen Anleihe darlegt, wird doch obiger Quelle zufolge von zustän⸗ diger Seite erklärt, daß dieselbe Politik während der Amtszeit Wilsons auf gleiche Lagen in Zentralamerika und ander wärts Anwendung finden werde.

.. Der ftihere Kriegssekretär Stimson tritt in einer jetzt veröffentlichten amtlichen Erklärung dafür ein, daß unver⸗ züglich eine Truppenmacht berreitgestellt wird, die allen drin⸗ genden Fällen begegnen könnte. Stimson sagt:

Die Idee einer Abrüstung auf Grund einer internationalen Kon⸗ vention sei nicht in die Tat umzusetzen. Die Amerikaner müßten, um den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, den jetzigen Stand der Armee beibehalten, die Miliz verbessern und eine Reserve schaffen. Er sein kein Anhänger des Milttarismus, er sei für eine

„Der Präsident der Wilson hat gestern na

Armee, die klein und festgefügt, aber auch sehr gefechtsstark sei.

Iu“ „W. BV meldet, bestätigt die von der demokra⸗ tischen Budgetkommission des amerikanischen Repräsentanten⸗ hauses geplante Tarifrevision im wesentlichen die meisten Tarifsätze der demokratischen Bills der letzten Session, gegen die Taft sein Veto eingelegt hatte. Es wird beabsichtigt, bei folgenden Artikeln die Tarifsätze abzuändern beziehungsweise beizubehalten:

Seifen billiger Qualität, billige Töpferwaren und zahlreiche Porzellan⸗ und Steingutartikel, die jetzt mit einem Zoll von 55 bis 60 % belegt werden, sollen eine Herabsetzung erfahren. Wesentliche Herabsetzungen sind auch für Baumwollwaren und Wollprodukte billiger Qualität vorgesehen. Für Tabak, Zigaretten, Schnupftabak, Weine, Spirituosen und andere Getränke sollen die Zollsätze bei⸗ behalten werden. Die Zollsätze für Eisen und Stahl sollen auf ihrer Haße⸗ gehalten werden. Ferner wird die Beibehaltung der meisten

ollsätze auf Flachs, Hanf, Jute, chemische Produkte, Farben und

Oele beabsichtigt. Annähernd dieselben Zollsätze, wie gegenwärtig, sollen für Seide und Seldenwaren in Geltung bleiben. Auf 82 Freiliste sollen Rohholz und bearbeitetes Holz, Zucker, Rohbaumwolle, Holzbrei und Druckpapier kommen.

„Dies ist im wesentlichen dieselbe Preisliste, wie sie in den Bills in der letzten Kongreßsession festgesetzt worden war.

Nach einer Meldung der „St. Petersburger

Agentur“ ist eine Militärverschwörung Vegen Nantsunsun den Kommandeur der aus Ili in Keeih böe Truppen, aufgedeckt worden. Die Verschwörung hatte ihre Ursache darin, daß die Löhnungen herabgesetzt worden sind und nicht ausgezahlt werden. 8

Der deutsche auswärtige Handel im Februar und in den zwei Monaten Januar und Februar 1913.

Wie dem „W. T. B. mitgeteilt wird, haben im dels⸗ verkehr des deutschen Zollgebiets mit dem Auslande See.de G

im Monat Februar d. J. die Einfuhr 5 292 937 t außerdem 15 737 Pferde und 29 Wasserfahrzeuge (gegen 4 935 ber b, 12 814 Pferde und 27 Wasserfahrzeuge im Februar 1912), die Aus⸗ fuhr 6 374 782 t, außerdem 610 Pferde und 52 Wasserfahrzeuge gehen 5 140 242 t, 724 Pferde und 40 Wasserfahrzeuge im 5 in den zwei Monaten Januar und Februar d. J. die Ein⸗ fuhr 10 710 983 t sowie 27 945 Pferde und 53 Wasserfahrzeuge (gegen 10 007 532 t, 22 160 Pferde und 42 Wasserfahrzeuge im gleichen Zeitabschnitt 19120, die Ausfuhr 11 919 354 b sowie 1147 Pferde und 96 Wasserfahrzeuge (gegen 10 001 706 t, 1718 Pferde und 87 Wasserfahrzeuge im gleichen Leitab chocne 1912).

Die Werte erreichten Millionen Mark:

im Februar d. J. in der Einfuhr 860,7 an Ware 1 an Edelmetallen (gegen 826,6 und 15,9 im 1912) nhen und, 88.

fuhr 837,2 an Waren und 10,6 an Ed 98 14,7 im Februar 1912); Vettastef (cege⸗ ss

in den zwei Monaten Januar Gund Februar d. J. Einfuhr 1780,9 an Waren und 42,5 8 Cnein .. n 1655,1 und 30,6 im entsprechenden Zeitraume 1912), in der Aus⸗ fuhr 1589,2 an Waren und 31,0 an Edelmetallen (gegen 13128 und 27,5 im entsprechenden Zeitraume 1912).

11““

v11“

Zur Arbeiterbew .

Die maßgebenden Vertreter der gesamten deutschen Her en⸗ konfektion waren, dem „Berl. Tagebl.“ zufolge, b 9 1 versammelt, um zu dem Ausstand der erliner Schneider (vgl. Nr. 56 d. Bl.) Stellung zu nehmen. Es wurde der Beschluß gefaßt, die Arbeiter aufzufordern, die Arbeit innerhalb einer be⸗- stimmten Frist wieder aufzunehmen. Geschieht dies nicht, dann sollen lämtliche Schneider in der Herrenkonfektion in ganz Deutschland ent. assen werden.

Aus Breslau wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert: Trotz dem

hnenden Verhalten der Gewerkvereinler und 1 Gewerk adern des Berliner Fachverbandes hat eine in „Königshütte“ abgehaltene Vertrauensmaͤnnerversammlung der Bergarbeiter beschlossen, wegen der Ablehnung en auf einzelnen Gruben behufs Eintritts in den Stre ie Kündigung einzureichen.

In Aachen sind, wie die „Rh.⸗Westf. Ztg.“ erfährt, am Mont

sämtliche organisierten Schneidergesellen in den Maßgeschäften in den Ausstand getreten. Die Arbeitsniederlegung erfolgte, weil die Arbeitgeber am Sonnabend den vereinbarten Tarif nicht bezahlt haben.

Im Malergewerbe Saarbrückens haben, wie die „Rh.⸗ Westf. Ztg.“ meldet, die Arbeitgeber wegen der unannehmbaren Lohn⸗ forderungen der organisierten Gehilfenschaft die Stillegung sämtlicher Betriebe erklärt.

Kunst und Wissenschaft. 1X

In der Märzsitzung der Archäologischen Gesell aft, die unter dem Vorsitz von Geheimrat Professor Loesch 41 Alschaßt legte zunächst der Direktor an den Königlichen Museen Dr. Wiegand die Karte des südlichen Joniens vor, die im Zusammenhange mit den von ihm geleiteten Ausgrabungsunternehmungen der Königlichen Museen in Priene, Milet und Didyma von preußischen Generalstabsoffizieren aufgenommen worden ist. Die Vorlage einer zeichnerischen Auf⸗ nahme der Stadt Herakleia am Latmos schloß sich an. Ge⸗ heimrat Professor Dr. Diels sprach über einen schon seit Jahr⸗ zehnten in Stockholm befindlichen, aber erst jetzt herausgegebenen umfangreichen und ausgezeichnet erhaltenen Papyruskodex alchymistischen Inhalts und wies vor allem darauf hin, wie sich diese antike alchy⸗ mistische Literat hne Unterbrechung über das Mittelalter hinweg fortpflanze. Professor Dr. Dörpfeld besprach die kürzlich er⸗ chienene Veröffentlichung des Theaters von Ephesos, das vom K. st. Oesterreichischen Archäologischen Institut ausgegraben worden ist (Forschungen in Ephesos, Band I1). In den vier Hauptbauperioden des Theaters, die durch die sorgfältigen Untersuchungen der Oester⸗ reicher festgestellt sind, spiegelt sich die bauliche Entwicklung des griechischen Theaters in hellenistischer und römischer Zeit wider. In der ersten Periode, im Anfange des III. Jahrhunderts v. Chr., hat das schlichte Skenengebäude noch keine Proskenien. In der zweiten Periode, die in das I. vorchristliche Jahrhundert fällt, wird dieses hinzugefügt. Einen umfassenden Umbau bringt die zweite Hälfte des I. nachchristlichen Jahrhunderts: die hohe Bühne wird gebaut und dahinter die bei römischen Theaterbauten übliche hohe, reichgegliederte Schmuckwand aufgeführt. In der vierten Periode wird diese noch mit einem weiteren Stockwerk ausgestattet. Der Vortragende wies noch besonders auf einige Erscheinungen an dem Ephesischen Theater hin, die geeignet sind, Aufschlüsse über das Spiel der Schauspieler und die Anbringung der Dekoratson zu

eben. Zum Schluß gab Geheimrat Prof. Dr. von Wilamowitz⸗ Moellen dorff antiquarisch und literargeschichtlich interessante Ausführungen über eine bei den dänischen Ausgrabungen in Lindos auf Rhodos gefundene Inschrift, die kürzlich von Chr. Blinkenberg in Kopenhagen im Bulletin der Kopenhagener Akademie der Wissen⸗ schaften unter dem Titel pEa chronique du temple Lindien“ ver⸗ öffentlicht worden ist. Die Inschrift bringt eine Art Tempelinventar, d. h. ein Verzeichnis von Weihgeschenken, die zur Zeit der Abfassung der Inschrift zum großen Teil nicht mehr vorhanden waren, da ein Brand den Tempel zerstört hatte. Neben Weihungen der hellenistischen Könige und der jüngsten Vergangenheit erscheinen solche mythischer

ersonen, die natürlich frei erfunden sind. Dazu berichtet der Ver⸗ asser der Inschrift noch über drei Epiphanien der Göttin. Er stützt ch bei seinen Angaben auf die lokale antiquarische Literatur, 1 va alesah zugleich ein interessantes Dokument für den lokal⸗ antiquarischen gelehrten Be 88b einer griechischen Mittelstadt gibt.

8

Die Galerie Eduard Schulte bleibt am Karfreitag sowie am 1. Osterfeiertag geschlossen. Am 2. Ostertag ist die Ausstellung von 10—2 Uhr geöffnet.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Ungarischer Saatenstand. v“

Infolge es übermäßig feuchten Herbstwetters konnten die Winter⸗ anbauarbeiten nur schwer bewerkstelligt werden, in manchen Gegenden unterblieb der Anbau überhaupt. Nach den Berichten der landwirtschaftlichen Berichterstatter sind im Landesdurchschnitte von den Winterweizenfeldern 20 % und von den Roggenfeldern 10 % un⸗ öe geblieben. Als mildernder Umstand muß bezeichnet werden, daß der hohe Prozentsatz zumeist nur die Gegend jenseits des Königsteiges und die nördlichen gebirgigen Gebiete betrifft. Die nicht⸗ angebauten Flächen zwischen dem Donau⸗ und Theißgebiet und dem rechtsseitigen Donauufer betragen 8 bis 10 %. Am empfindlichsten wurden die Gebiete jenseits des Königsteiges betroffen, wo von den Weizenfeldern nur 50 % angebaut werden konnten. Infolge des früh eingetretenen Frostes konnten 10 bis 15 % des S e nicht auskeimen. Das Keimen der Saaten litt jedoch nur sehr wenig und trat infolge des günstigen Wetters schon Anfang März ein. Der durch den früh eingetretenen Herbst⸗ frost verursachte Schaden beträgt 2 bis 3 %l. Pie unangebauten lächen werden mit Sommersaaten besät werden, und der Zubau ist in vielen Gegenden bereits im Zuge. Der Ackerbauminister ordnete an, daß dort, wo die Anbausaaten fehlen, größere Mengen Sommer⸗ weizens und sonstige Saatenkörner unter die Landwirte verteilt werden. Bei anhaltend günstiger Witterung ist zu hoffen, daß der Ausfall an den Wintersaaten durch die Sommer⸗ saaten ergänzt werden dürfte. Im Landesdurchschnitte sind Wintersaaten zumeist schwach, während die Aussaat der Sommersaaten sich verzögerte, doch hofft man, daß bei günstiger Witterung das Aussäen der beendet werden kann und die Wintersaaten sich kräftiger entwickeln. Ueber Schäden durch In⸗ sekten und Mäuse . keine Klagen vor. Die Futtervorräte sind zumeist verbraucht. ie Zugtiere überwinterten gut und ihr Gesund⸗ heitszustand ist befriedigend. (Ung. Felegr.⸗Korrespondenzbi ean.

FTvheater und Musik. Deutsches Schauspielhaus. 8

„Das gelobte Land“, ein Schauspiel in vier Akten von Arthur Mayer⸗Brandus, das gestern im Deutschen Schauspiel⸗ hause seine Uraufführung erlebte, erwies sich als ein Tendenzstück,