R. Schumanns Fis⸗Moll⸗Sonate; herzhaft war das seh. das darin zum Ausdruck kam, und energisch die rhythmische Betonung. Der Konzertgeber erwies sich überhaupt in seinen Vorträgen als sicher gestaltender Künstler, der dem musikalischen Inhalt ebenso gerecht wird wie der äußeren Form. — Ein Lieder⸗ abend, den Clara Arnim, gleichzeitig im Klindworth⸗
Scharwenkasaal gab, fand bei dem sehr freundlich gesinnten
Publikum kräftigen eifall. Dieser galt in der Hauptsache vielleicht den guten Stimmitteln, über welche die Sängerin verfügt; sie besitzt einen frischen, angenehm klingenden Sopran, dem jedoch eine
8 sorgsame Pflege noch nicht zuteil geworden ist. Das heftige Schwanken der Stimme veranlaßt eine Unsicherheit der Intonation, die den künstlerischen Absichten der temperamentvollen Dame naturgemäß im Wege stehen muß.
Der Klavierabend einer jungen Pianistin, Florence Trum⸗ bull, im Bechsteinsaal ging am Dienstag ziemlich eindruckslos vorüber. Eine anerkennenswerte technische Gewandtheit war wohl erkennbar, aber das Gefühl blieb nüchtern und wenig belebt.
Die Klaviervorträge von Benno Moiseiwitsch am Mitt⸗ woch im Bechsteinsaal zeigten den Künstler von einer ungewöhn⸗ lich günstigen Seite. Ein lebhafter musikalischer Sinn, ein kraft⸗ volles gesundes Empfinden kamen in dem Spiel zum Ausdruck; die Wiedergabe von Brahms Vartationen über ein Thema von Händel seriet großzügig und charaktervoll; die verschiedenen Variationen traten charf umrissen, mit plastischer Klarheit in die Erscheinung. Die Vorträge regten die Hörer während des ganzen Abends lebhaff an.
Mannigfaltiges.
Hamburg, 3. April. (W. T. B.) Auf der festlich geschmückten Werft von Blohm u. Voß lief heute nachmittag das für die Hamburg⸗Amerika⸗Linie erbaute Schwesterschiff des „Imperator“ glücklich vom Stapel. Das Schiff, welches den Namen „Vaterland' erhielt, ist wie der „Imperator“ ein Turbinen⸗ chnelldampfer, aber noch 5000 Registertons größer als jener. Bei errlichem Wetter hatten sich zu dem Stapellauf überaus zahlreiche äste und Zuschauer auf der Werft eingefunden. Auf den Tribünen hatten die Mitglieder des Senats und der Bürgerschaft, Beamte und Offiziere, Vertreter der Reederei und der Kaufmannschaft und sonstige Geladene aus allen Kreisen der Bevölkerung Platz genommen. Als Seine Königliche Hoheit der Prinz upprecht von Bayern, der als Vertreter Seiner Königlichen Hoheit des Prinz⸗ Regenten Ludwig den Taufakt vollzog, erschienen war, hielt der Bürger⸗ meister Dr. Schröder die Festrede, in der er auf die gewaltige Ent⸗ wicklung der Hamburg⸗Amerika⸗Linie und der deutschen Schiffsbautechnik hinwies und zugleich des bedeutsamen Wandels gedachte, den Deutsch⸗ land in den letzten hundert Jahren durchgemacht hat. Das neue stolze Schiff solle, dem Vaterlande geweiht, zugleich die Bande der Freund⸗ schaft zwischen den Völkern der Erde stets fester und enger knüpfen. Im Anschluß an diese Rede taufte Seine Königliche Hoheit der Prinz Rupprecht das Schiff auf den Namen „Vaterland“, indem er dem Wunsche Ausdruck gab, daß das neue Schiff seine Aufgabe, zwei Weltteile zu verbinden, glücklich lösen und sich stets seines Namens würdig zeigen möge. Brausende Hurras ertönten, die Musik spielte „Heil Dir im Siegerkranz“. Dann gab ein Böllerschuß das Zeichen zum Lösen der letzten Stützen, worauf das Schiff unter brausenden Hochrufen in die Wogen glitt, während die Musik „Deutschland, Deutschland über alles“ spielte.
Zu Ehren Seiner Königlichen Hohe it des Prinzen Rupprecht von Bayern gab der Senat im Rathause ein größeres Festmahl, zu dem außer dem Senat und Mitgliedern der Bürgerschaft geladen waren: der preußische Gesandte von Bülow, der bayerische Gesandte in Berlin Graf von Lerchenfeld⸗Köfering, der Vorsitzende des Vereins der Bayern, der Aufsichtsrat der Hamburg⸗ Amerika⸗Linie, die Leiter der Werft von Blohm u. Voß und viele andere. Der Bürgermeister Dr. Schröder feierte in warmen Worten das allen Deutschen liebe Bayernland, gedachte des verewigten Prinz⸗Regenten Luitpold und dankte Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz⸗ Regenten Ludwig, der in einem herzlichen Glückwunsch⸗ telegramm an die Hamburg⸗Amerika⸗Linie sein hohes Interesse an den in Hamburg gepflegten Bestrebungen kundgegeben habe. Der Redner schloß mit einem Hoch auf den Prinzen Rupprecht. In seiner Erwiderung betonte Seine Königliche Hoheit der Prinz Rupprecht das lebhafte Interesse, das Seine Königliche Hoheit der “ von jeher den deutschen Handelsbeziehungen und der Frage des Anschlusses des deutschen Binnenlandes an die See durch Wasserstraßen entgegengebracht habe, und feierte in herz⸗ lichen Worten die Stadt Hamburg, der sein Hoch galt.
London, 3. April. (W. T. B.) Frau Pankhurst, die Urheberin des Anschlags gegen das Haus des Schatzkanzlers Lloyd George, ist deswegen sowie wegen anderer Eigentums⸗ vergehen zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
Paris, 3. April. (W. T. B.) Der Marinepräfekt von Toulon teilte dem Marineminister mit, 9 auf dem nach Biserta fahrenden Unterseeboot „Turquoise“ sieben Mann durch eine Woge über Bord gespült worden seien, von denen nur zwei ge⸗ rettet werden konnten. Unter den Ertrunkenen befinden sich ein Leutnant und ein Fähnrich zur See.
Lunéville, 4. April. (W. T. B.) Gestern mittag landete infolge eines Motorschadens auf dem hiesigen Marsfelde das Zeppelin⸗Luftschiff „Z. 4“, das mit drei deutschen “ in Uniform in E1“ aufgestiegen war. Das Luftschiff wurde von dem Kapitän Glund geführt, einem An⸗
estellten des Luftschiffbaues Zeppelin, dem das Luft⸗ p gehört. Die an Bord befindlichen Offiziere gehören der Abnahmekommission an. Dies 8 der Hauptmann George, der Oberleutnant Jacobi und der Oberleutnant Brandeis. Als das Luftschiff auf dem Manöverfelde landete, hielt dort gerade eine berittene Jägerbrigade Uebungen ab. Der General Lescot verhörte die deutschen Offiziere. Sie erklärten, heute früh 6 Uhr in Friedrichshafen aufgestiegen zu sein. Sie hätten einen größeren Flug ausführen wollen und seien durch die Wolken über ihre Richtung getäuscht worden. Aus Versehen seien sie nach Lunsville gelangt. Der Ballon wird vom Militär bewacht. Der Unterpräfekt und der Staatsanwalt sind an Ort und Stelle eingetroffen. Die Insassen des Luftschiffes sind einer Durchsuchung unterworfen worden. Das Luftschiff ist beschädigt und teilweise der Gasfüllung entleert. Es wird die Weiterreise nicht vor der Ankunft neuer Gasvorräte antreten können. Die Insassen wurden nach verschiedenen Vernehmungen im Automobil des Maire von Lunéville in ihr Hotel gebracht. Der Maire und 60 Arbeiter, die von den Insassen je fünf Francs für ihre Dienstleistung erhalten haben, halten während der Nacht die Wache bei dem Luftschiff. — Ueber die Landung meldet die „Agence Havas“ folgendes: Gegen 12 ½ Uhr sahen hiesige Einwohner zu ihrem Erstaunen in der nebeligen Luft über der Stadt ein großes gelbbraunes Luftschiff, das aus der Richtung von Nancy zu kommen schien. Es war ein starres, lenkbares Luftschiff; es flog in großer Höhe, verschwand dann wieder, kam um 1 Uhr 20 Minuten zurück und um⸗ kreiste mehrmals die Kirche Saint⸗Jacques. Schließlich landete das Luftschiff auf dem Manöverfelde, wo Jäger zu Pferde exerzierten. Die Offiziere ließen sofort eine Absperrungskette um das Luft⸗ schiff bilden, das leicht und unversehrt landete. Es war ein Zeppelin⸗ luftschifnf neuen Modells. Dolmetscher befragten die Offiziere, einen preußischen Hauptmann, einen Preußi ghen Leutnant, zwei württem⸗ Leutnants und sechs andere Insassen. Die Offiziere erklärten: sie hätten im Großherzogtum Baden landen sollen, aber infolge starken Ostwindes wären sie ab getrieben worden. Sie hätten mehrere Forts überflogen; als sie schließlich über dem Fort Manonvilliers gewesen wären und Reiterei gesehen hätten, hätten sie geglaubt, in der Gegend von Saarburg zu sein, und wären gelandet. Uebrigens wäre ihr Benzinvorrat erschöpft gewesen. Das Luftschiff wäre auf einer seiner drei Probefahrten gewesen und von der Militär⸗ behörde noch nicht abgenommen; die an Bord befindlichen Offiziere hätten die Aufgabe, die Probefahrt abzunehmen. — Das Luftschiff wurde durch Wegnehmen der Magnete bewegungslos gemacht und an eisernen Pikettpfählen verankert. Die deutschen Offiziere Fäbe an, außer mit dem starken Ostwind hätten sie auch mit einem Motorschaden zu tun gehabt. Die Volksmenge habe offenbar ihr Luftschiff zuerst für ein französisches gehalten, sie selbst hätten aus den Zurufen bald ge⸗ schlossen, daß sie sich in Frankreich befänden. Die Offiziere haben in ein Hotel begeben, vor dessen Tür mehrere Posten aufgezogen sind. Weiter wird gemeldet, daß sie um Wasserstoffgas tele⸗ graphiert hätten, woraus man schließt, daß sie bald die Rückfahrt nach Deutschland anzutreten hoffen. — Einer offiziösen Meldung aus Paris zufolge ist von der französischen Militärbehörde eine Untersuchung eingeleitet worden. Falls durch sie der Beweis erbracht wird, daß das Luftschiff lediglich infolge eines Irrtums über französisches Gebiet geflogen und auf französischem Boden nieder⸗ gegangen ist und daß die das Luftschiff führenden deutschen Offiziere in gutem Glauben waren und sich keinerlei der französischen nationalen Verteidigung abträglichen Handlung schuldig gemacht haben, wird man ihnen die Rückkehr gestatten. Im anderen Falle würde eine gerichtliche Untersuchung eingeleitet werden. Der Generalinspekteur der
Theater. 9 Straße.
Die füuf Frankfurter. drei Akten von Karl Rößler.
Sonn⸗
bend: Opernhaus. 85. Abonnementsvor⸗ stellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind auf⸗
Theater in der KRüniggrützer Sonnabend, Abends 8 Uhr:
Militärluftschiffahrt, General Hirschauer, ist in Begleitung
M
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Die Jungfrau von Orleans. — Abends: Cyrano von Bergerac.
Lustspiel in Montag: Cyrano von Bergerac.
seines Stabes gestern abend von Paris nach Lunésville ah, gereist.
Der Führer des Luftschiffes „Z. 4“‧, Lloydkapitän Glund, hatz
gestern abend an die Luftschiffbaugesellschaft Zeppelin in Friedrichshafen folgendes Telegramm aus Luansville gesandt. „Hier gelandet, da im Nebel französische Grenze überfahren, warten auf Gas, um weiterzufahren, hoffe, daß Formalitäten bis morgen er⸗ ledigt sind.“ Gestern abend mwurde dem fahrplanmäßigen Zug in Friedrichshafen ein Waggon mit Gasflaschen an⸗ gehängt, der, wenn er ohne Aufenthalt weiterbefördert wird, heute vormittag gegen 10 Uhr in Lunsville eintreffen dürfte. Der Direktor Colsmann vom Zeppelin⸗Luftschiffbau hat sich nach Lunsville begeben. — Der Kapitän Glund gab einem Be⸗ richterstatter folgende Darstellung der Fahrt: Wir stiegen um 6 Uhr Morgens in Friedrichshafen auf, um eine Höhenfahrt zu unternehmen und in Baden⸗Oos zu landen. Wir erreichten alsbald eine Höhe von 2000 m und überquerten den Schwarzwald, wo Nebel eintrat. Wir wurden uns auch sofort darüber klar, daß der Ostwind uns stark von unserer Richtung ablenkte. flogen so mehrere Stunden, und erst gegen 1 Uhr Nachmittags, als wir uns in einer Höhe von 1000 m befanden, sahen wir, daß wir über französisches Gebiet flogen. Wir suchten ein für die Landung günstiges Gelände und erblickten da den Uebungsplatz von Lunéville. Nachdem wir den an Bord befindlichen Offizieren berichtet hatten, gingen wir nieder, den internationalen Vorschriften entsprechend, aber auch um zu beweisen, daß wir nicht freiwillig nach Frankreich gekommen waren. Wir können uns über die Höflichkeit, mit welcher uns die Militär⸗ und Zivilbehörden behandelt haben, nur lobend äußern. Wir haben die Absicht, heute wieder abzu⸗ reisen, sobald wir die 1000 kbm Wasserstoffgas erhalten haben, die uns mittels Automobils aus Oos gesandt werden sollen. — Glund erklärte weiter, daß die Gondel lediglich mit einem Kompaß ausgestattet war. Er sei vollständig Herr des Ballons gewesen, und wenn er auf französischem Boden gelandet sei, so set dies nur geschehen, um zu zeigen, daß dies lediglich auf einen Zufall zurück⸗ zuführen sei. Er hätte übrigens genug Benzin und Gazs ebabt, um nach Deutschland zurückkehren zu können. —
ie von den deutschen Offizieren über Bord geschleuderten Gegenstände und Feuerlöschapparate wurden in der Nähe des Uebungsplatzes gefunden. Die Offiziere kauften in Lunsville 500 Liter Benzin, um heute den Rückflug antreten zu können. Sie nahmen auch einen der Motoren auseinander, um das Luftschiff zu erleichtern. Der Motor wird mit der Bahn nach Oos geschickt werden. Die gesamte Besatzung verbrachte die Nacht in der Gondel. — Ein Offizier des französischen Luft⸗ schifferkorps erklärte einem Mitarbeiter des „Figaro“: Die Dar⸗ stellung der deutschen Offiziere scheint richtig zu sein. Es ist in der Tat nicht möglich, daß die Absicht bestanden hat, die französische Grenze zu überfliegen. Als sie ihren Irrtum erkannten, war es zu spät, um die deutsche Grenze zu erreichen. Wenn sie umgekehrt wären, wäre der Fall ernst geworden, und man hätte notgedrungen an einen Spionageversuch geglaubt. Ich bin überzeugt, daß sich die deutschen Offiziere zweifellos über den Ernst der Lage klar geworden sind. Ihr Niedergehen auf dem Uebungsplatz von Lunéville war sehr vernünftig. Sie wußten, daß sie dort die entsprechende Hilfe bei der Landung finden würden, und daß sie, um die Schwierigkeit des Falles möglichst zu heben, sich am besten der französischen Militärbehörde stellten. Die deutschen Offiziere sind die Opfer eines unvorhergesehenen Abenteuers, und man täte unrecht, der Angelegenheit in Frankreich eine allzugroße Bedeutung beizulegen.
Hongkong, 3. April. (W. T. B.) Nach einer Meldung des Reuterschen Bureaus berichtet der hier eingetroffene britische Dampfer „Taion“, der auf dem Hsikiang (Westfluß) verkehrt, daß er von Piraten Fngegeiften worden sei, deren Zahl auf 30 — 100 geschätzt werde. ie Piraten, die mit Revolvern be⸗ waffnet waren, waren in Hongkong als Reisende an Bord ge⸗ kommen. Bei der Einfahrt in das Delta des Kantonflusses erhoben sich die Piraten, töteten den chinesischen Steuermann und hielten so das Schiff auf. Sie fesselten den Kapitän, den ersten Offizier und den Ingenieur. Sie töteten einen und verwundeten vier chinesische Reisende, plünderten die Kabine einer Missionarin, die Kabinen der Schiffsoffiziere und machten sich in einem Boot mit beträchtlicher Beute, darunter 30 000 ℳ bar, davon, nachdem sie die
Lustspielhaus. (Friedrichstraße 236.) Sonnabend, Abends 8 ½ Uhr: Majolika. Schwank in drei Akten von Leo Walther Stein und Ludwig Heller.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Cornelius
Maschinerie des Schiffes größtenteils zerstört hatten,
(Fortsetzung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)
Klindworth · Scharwenka⸗Saal. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Liederabend
von Annie Ritter. Am Klavier: Wil⸗ helm Scholz.
Wir 1
ehoben. Neu einstudiert: Die Walküre n drei Akten von Richard Wagner. Musikalische Leitung: Herr Kapellmeister Blech. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 79. Abonnementsvor⸗ stellung. Julius Caesar. Trauerspiel in 5 Aufzügen von William Shakespeare. Uebersetzt von A. W. von Schlegel. Regie: Herr Regisseur Patry. Anfang 7 ½ Uhr.
Sonntag: Opernhaus. 86. Abonne⸗ mentsvorstellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind aufgehoben. Der Rosenkavalier. Komödie für Musik in drei Akten von
Üugo von Hofmannsthal. Musik von
ichard Strauß. Anfang 7 ½ Uhr.
Schauspielhaus. 80. Abonnementsvor⸗ stellung. Dienst⸗ und Freiplätze sind auf⸗ gehoben. Ariadne auf Naxos. Oper in einem Aufzuge von Hugo von Hof⸗ mannsthal. Musik von Richard Strauß. Zu spielen nach dem „Bürger als Edel⸗ mann“ des Molidère. Anfang 7 ½ Uhr.
Deutsches Theater. Sonnabend, Nachmittags 2 ½ Uhr: Der lebende Leichnam. — Abends 7 ½ Uhr: Der lebende Leichnam.
Sonntag und Montag: Der lebende Leichnam.
Kammerspiele.
Sonnabend, Abends 8 Uhr: Mein Freund Teddy.
Sonntag und Montag: Die Einnahme von Berg⸗op⸗Zoom.
Berliner Theater. Sonnab., Abends 8 Uhr: Filmzauber. Große Posse mit Gesang und Tanz in 4 Akten von Rudolf Bernauer und Rudolph Schanzer.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Große Rosinen. — Abends: Filmzauber.
Montag und folgende 1
Sonntag: Das Buch einer Frau. Montag: Maecbeth.
Lessingthenter. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Zur Vorfeier von Hermann Bahrs 50. Geburtstag: Neu einstudiert: Das Konzert. Lustspiel in drei Akten von Hermann Bahr. “
Sonntag: Das Konzert.
Montag: Der Biberpelz.
Deutsches Schauspielhaus. (Direk⸗ tion: Adolf Lantz. NW. 7, Friedrich⸗ straße 104 — 104 a.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Ein idealer Gatte. (Gastspiel Harry Walden.)
Sonntag: Alt⸗Heidelberg. (Gast⸗ spiel Harry Walden.)
Montag: Ein idealer Gatt Gast⸗ spiel Harry Walden.) 3 6
Komödienhaus. Sonnabend, Abends
(7 Uhr: Hochherrschaftliche Wohnung.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Das Stiftungsfest. — Abends: Hochherr⸗ schaftliche Wohnung.
Schillertheater. o. (Wallner⸗ theater.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Flachsmann als Erzieher. Eine Feegbte in drei Aufzügen von Otto
rnst.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Das Konzert. — Abends: Klein Dorrit.
Montag: Der Andere.
Charlottenburg. Sonnabend, Nach⸗ mittags 3 Uhr: Wallensteins Lager.
Hierauf: Die Pieccolomini. Schauspiel in 5 Aufzügen von Schiller. — Abends 8 Uhr: Cyrano von Bergerac. Romantische Komödie in 5 Aufzügen von
zauber.
Ed. Rostand. Deutsch von Ludwig Fulda.
Schauspiel in einem Aufzug von Schiller.
Deutsches Opernhaus. (Char⸗ lottenburg, Bismarck⸗Straße 34 — 37. Direktion: Georg Hartmann.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Das Mädchen aus dem goldnen Westen.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Fidelio. — Abends: Das Mädchen aus dem goldnen Westen.
Montag: Das Mädchen aus dem goldnen Westen.
Montis Operettentheater. (Früher:
Neues Theater.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Der Zigeunerprimas. Operette in drei Akten von Emmerich Kälmän.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Der sidele Bauer. — Abends: Der Zigeuner⸗ primas.
Montag und folgende Der Zigeunerprimas.
Tage:
Theater des Westens. (Station: Zoologischer Garten. Kantstraße 12.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Der liebe Augustin. Operette in drei Akten von Leo Fall.
Sonntag, Nachmittags 3 ½¼ Uhr: Der Frauenfresser. — Abends: Die beiden Husaren.
Montag und folgende Tage: Der liebe Augustin.
Theater am Mollendorfplatz. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Der Extra⸗ zuts nach Nizza. Vaudeville in drei kten von Arthur Lippschitz und Max Schönau.
onntag, Nachmittags 3 ½ Uhr: Die EE. Abends: Der ctrazug na zza.
Moraiag und folgende Der
Extrazug nach Nizza.
Voß. — Abends: Majolika. Montag und folgende Tage: jolika.
Ma⸗
Restdenztheater. Sonnabend, Abends 8 Uhr: Die Frau Präsidentin. (Madame la Présidente.) Schwank in drei Akten von M. Hennequin und P. Veber.
Sonntag und folgende Die
Tage: Frau Präsidentin.
Thaliatheater. (Direktion: Kren und Schönfeld.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Puppchen. Posse mit Gesang und Tan in drei Akten von Curt Kraatz und Jean Kren. Gesangstexte von Alfred Schönfeld. Musik von Jean Gilbert.
Sonntag und folgende Tage: Puppchen.
Trianontheater. (Georgenstr., nahe Bahnhof Friedrichstr.) Sonnabend, Abends 8 Uhr: Wenn Frauen reisen. Lust⸗ spiel in vier Akten von Mouezy⸗Eon und Nancey.
Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Der selige Toupinel. — Abends: Wenn Frauen reisen.
Montag und folgende Tage: Wenn Frauen reisen.
Birkus Schumann. Sonnabend, Abends 7 ½ Uhr: Grande Soiréee high Life. Vorzügliches Programm. — Zum Schluß: Der unsichtbare Meusch! Vier Bilder aus Indien.
Sonntag, Nachmittags 3 ½ Uhr und Abends 7 ½ Uhr: 2 große Galavor⸗ stellungen. — In beiden Vorstellungen: das große Spezialitätenprogramm. — Nachmittags und Abends; Zum Schluß: Der unsichtbare Mensch.
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Familiennachrichten.
Verlobt: Editha Freiin von Seherr und Thoß mit Hrn. Leutnant Manfred von Haugwitz (Hennersdorf —Ohlau). — Emi Freiin von Rehlingen mit Hrn. Leutnant Rolf von Humann (Hainhofen bei Westheim i. Schwaben — Paderborn).
Verehelicht: Hr. Curt von Karstedt mit Frl. Wanda May Frischen (Bremen).
Gestorben: Hr. Kammergerichtsrat Dr. Otto Demme (Berlin). — Hr. Staats⸗ anwaltschaftsrat Ferdinand Meyer (Berlin). — Hr. Geheimer Kom⸗ merzienrat Heidemann (Cöln). — Hr. Oberst a. D. Oskar von Nolte (Neu⸗ strelitz). — Hr. Major a. D. Curt von Unruh (Liebenow bei Düringshof).
Konzerte.
Singakademie. Sonnabend, Abends
&Uhr: Kammermusikabend des Heß⸗ Quartetts. bö
v“ Beethoven⸗Snal. Sonnab., Abends 8 Uhr: Konzert von Hermann Henze (Dirigent) mit dem Philharmonischen Orchester. tw.: Frau Hermine d’'Albert.
Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg.
Verlag der Expedition (Heidrich) in Berlin.
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wilhelmstraße 32.
Elf Beilagen
(einschließlich Börsenbeilage und Waren⸗ zeichenbeilage Nr. 26 & u. 26 B).
chen Reichsanzeiger und Königlich
Deutscher Reichstag. Sitzung vom 3. April 1913, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)
Erster Gegenstand der Beratung ist der Bericht der Reichsschuldenkommission über die Verwaltung des Schuldenwesens des Deutschen Reichs und der deutschen Schutz⸗ gebiete, über ihre Tätigkeit in Ansehung der ihr übertragenen Aufsicht über die Verwaltung des Reichsinvalidenfonds, über den Hinterbliebenenversicherungsfonds, über den Reichskriegs⸗ schatz und über die An⸗ und Ausfertigung, Einziehung und Vernichtung der von der Reichsbank auszugebenden Banknoten.
Der Bericht wird ohne Debatte für erledigt erklärt.
Ueber die Reichshaushaltsrechnung für 1910 hat die Rechnungskommission einen ausführlichen schriftlichen Bericht erstattet. Die Etatsüberschreitungen und die außer⸗ etatsmäßigen Ausgaben werden vorläufig, die den Etat über⸗ schreitenden und außeretatsmäßigen Einnahmen nachträglich genehmigt.
Der Antrag der Rechnungskommission, betreffend die Rechnung über den Haushalt der Schutzgebiete für 1906, geht dahin, eine Reihe der vom Rechnungshof gemachten Vor⸗ behalte zur Kenntnis zu nehmen und mit diesen Vorbehalten die nachgesuchte Entlastung zu erteilen.
Abg. Noske (Soz.): Es genügt, darauf hinzuweisen, daß wir jetzt das Jahr 1913 schreiben, während die Rechnungen aus dem Jahre 1906 stammen, um zu erkennen, welche Mängel bisher in unserem Rechnungswesen geherrscht haben. Dazu kommt, daß ja noch Abrechnungen über Vorgänge aus dem Jahr 1903 und 1904 mit⸗ enthalten sind. Der Reichstag sollte deshalb größeres Interesse für die Rechnungslegung an den Tag legen, weil ja unter diesen Um⸗ ständen manche Nachprüfungen überhaupt nicht mehr vorgenommen werden können. Man kann ja für die Schutzgebiete nicht immer den hiesigen Maßstab anlegen, es ist auch anzuerkennen, daß manche gerügten Dinge abgeändert worden sind. Der Abg. Dr. Braband hat die Verdienste des früheren Gouverneurs von Kamerun, Puttkamer, hervorgehoben. Demgegenüber muß festgestellt werden, daß man in den Rechnungen ebenfalls auf Schritt und Tritt argen Mißständen begegnet, oie darauf zurückzuführen sind, daß der Gouverneur sich einfach an die Beschlüsse des Reichstags in etatsrechtlicher Beziehung nicht gekehrt hat.
Abg. Dr. Braband (fortschr. Volksp.): Ich habe die Ver⸗ dienste des Gouverneurs von Puttkamer allerdings hervorgehoben, und damit wollte ich natürlich seine Etatsüberschreitungen nicht gutheißen. Aber, wenn er nicht so bureaukratisch veranlagt war und auch nicht den nöligen Respekt vor dem Etatsrecht des Reichstags gehabt hat, dann darf man doch das nicht einfach ignorieren, was er geleistet hat. Herr von Puttkamer hat uns erst Togo eingerichtet und dann Kamerun Das kann doch auch der Abg. Noske nicht bestreiten, daß seine Maßregeln sehr zweckmäßig waren. .
Das Haus beschließt nach dem Komm issionsantrag.
Es folgen Wahlprüfungen. u“
Ohne Debatte wird die Wahl des Abg. Hüttmann (Soz., 2. Cassel) für gültig erklärt; desgleichen die Wahl des Abg. Warlo (Zentr., 4. Oppeln).
Es folgt die Prüfung der Wahl des Abg. von Oertzen (Rp., 9. Potsdam). Die Kommission hat einstimmig beantragt, die Wahl für ungültig zu erkären.
Abg. Dr. Arendt (Rp.): Ich beantrage, die Prüfung der Wahl an die Kommission zurückzuverweisen. Es handelt sich um die Prinzipienfrage, ob die Insassen der Lungenheilstätte Beelitz tatsächlich zu Unrecht nicht in die Wählerliste aufgenommen sind. Die Prüfung einer so wichtigen Prinzipienfrage muß gründlicher erfolgen, als es geschehen ist. Die auf die Beschwerde ergangenen ablehnenden Be⸗
scheide des Landrats und des Regierungepräsidenten müssen dem Reichstage im Wortlaut mitgeteilt werden.
131.
Auch dieser Fall zeigt die Notwendigkeit der Prüfung der Wahlen durch ein richterliches Ver⸗ fahren. Die Kommission hat nicht untersucht, ob die Insassen der Lungenheilstätte tatsächlich wahlfähig sind. Das ist ein Versaumnis allerschwerster Art. Wir wissen nicht, wie viel unter den 412 zur Eintragung gemeldeten minderjährig; bestraft sind, Armenunterstützung erhalten, Ausländer sind usw. Wir haben Wahlen stets beanstandet, wenn auch nur die Behauptung aufgestellt wurde, daß Ausländer in den Wählerlisten stehen. Es be⸗ steht die große Wahrscheinlichkeit, daß eine große Zahl dieser 412 gar nicht wahlfähig ist. Ihre Wahlfähiakeit ist sehr zweifelhaft. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Unerhört!) Warum sollen solche armen
Leute nicht eine Armenunterstützung erhalten; das ist doch nicht un⸗
erhört. Es können sich doch auch vorübergehend Anwesende einge⸗ schrieben haben. Es ist eine unerhörte Parteivoreingenommenheit, zu behaupten, daß alle diese Insassen einen dauernden Wohnsitz hatten. Hier handelt es sich um eine einfache wichtige Prinzipien⸗ und Rechtsfrage, nicht um eine Mandatsfrage; es handelt sich darum, ob das Recht vom Deutschen Reichstag gebeugt werden soll. (Präsident Dr. Kaempf: Diese Aeußerung ist unparlamentarisch, und ich rufe Sie zur Ordnung!) Ich habe doch nur von einem Fall in der Zukunft gesprochen, aber nicht von einem Fall, der der Gegen⸗ wart oder Vergangenheit angehört. Wenn der Beschluß der Kommission auch einstimmig gefaßt worden ist, so beruhte er doch auf einem Irrtum. Es ist außer der Prinzipienfrage die materielle Frage nicht geprüft worden. Hierüber nuße die Kommission noch einen Beschluß fassen. Es ist die Wabhlfähigkeit der 412 Asylisten nicht untersucht worden. Es handelt sich nicht um eine Mandats⸗ frage, wie die Sozialdemokraten behaupten, und ich habe zu den Frei⸗ sinnigen das Vertrauen, daß sie über unser Bedenken nicht einfach hinweggehen. 1 oebeg, midt⸗ Meißen (Soz.): Aus dem Bericht geht, wie schon erwähnt, hervor, daß der Kommissionsantrag einstimmig gefaßt ist; auch bezüglich der Frage der Beelitzer Insassen stand das Stimm⸗ verhältnis in der Kommission wie 10:2. Der Aufenthalt in der Beelitzer Heilanstalt beträgt in der Regel 3 Monate; die Kommission hat damit einen Wohnsitz in Beelitz als gegeben erachtet, und sie folgt damit nur einer ständigen Prarxis. 1903 hat der Reichstag schon ganz analog auch in dem Falle Beelitz entschieden, und wir würden heute mit der Frage gar nicht mehr befaßt sein, wenn sich die Behörden um die damaligen Beschlüsse des Reichs⸗ tags gekümmert hätten. Die betreffenden 412 Wähler haben geradezu um ihr Wahlrecht gekämpft, ihre Einsprüche gegen die Nichteintragung sind von den Behörden zurückgewiesen worden. Der Regierungspräsident kannte jene früheren Reichstags⸗ beschlüsse ganz genau und führt sie in seinem Bescheide selbst an, er erkannte sie aber als sür ihn bindend nicht an. Auch der Minister hat die Beschwerde zurückgewiesen, weil ein vorübergehender Auf⸗ enthalt in einer Heilstätte keinen Wohnsis begründe. Sache des Landrats und der Behörden wäre es gewesen, zu prüfen, ob von den 412 Wählern dieser oder jener auch aus einem anderen Grunde nicht hbätte in die Liste eingetragen werden dürfen. Das Verlangen des Abg. Dr. Arendt, den Wortlaut der Bescheide kennen zu lernen, läuft lediglich auf eine Verschleppung der Entscheidung hinaus.
Pre
Berlin, Freitag, den 4. April
Abg. Schwarze⸗Lippstadt (Zentr.): Daß es sich schließlich nur um eine Differenz von 60 Stimmen handelt, wie der Abg. Dr. Arendt vorgeführt hat, kann nicht bestritten werden. Es kann auch nicht zugegeben werden, daß die Wahl des Abg. von Oertzen unter keinen Umständen erfolgt wäre, wenn die 412 in der Liste gestanden hätten; vielmehr ist anzunehmen, daß der Abg. von Oertzen auch gewählt worden wäre, wenn die Behörden nicht diese Dummheit gemacht hätten. Tatsächlich ist nicht geprüft worden, ob dieser oder jener der 412 etwa aus anderen Grunden nicht wahlberechtigt war, und wenn das jetzt verlangt wird, so können wir dem nur bei⸗ stimmen. Die Kommission ist hier anders, als es sonst üblich ist, verfahren.
Abg. Dr. Neumann⸗Hofer (fortschr. Volksp.): Diese letztere Behauptung muß ich ganz entschieden bestreiten. Die 60 Stimmen über die Mehrheit bedeuten doch praktisch einen Unter⸗ schied von mehr als 120 Stimmen. Immerhin haben die An⸗ führungen des Abg. Dr. Arendt manches Berechtigte; würde der Reichstag aber auf seinen Antrag eingehen, so würde das zu ganz unabsehbaren Folgen führen. Erhebungen darüber, wer von jenen 412 wirklich wahlberechtigt war, würden zum großen Teil bereits un⸗ ausführbar sein. Die Kommission hat lediglich den Standpunkt ein⸗ genommen, den auch der Reichstag stets festgehalten hat. Die Ab⸗ weisung der Betreffenden ist aus nicht haltbaren Gründen erfolgt. Die möglicherweise vorhandenen anderweiten Ausschließungsgründe hätten in einem Gegenprotest geltend gemacht werden müssen; davon ist aber keine Rede gewesen. 8 1 -
Abg. von Brockhausen (dkons): Die Verhandlungen in der Kommission über diese Frage sind sehr eingehend gewesen. Die Kom⸗ mission hat den Protest für sehr erheblich angesehen. Es herrscht aber die alte Praxis, daß, wenn von einer Partei des Reichstages der Wunsch auf weitere Klarstellung gestellt ist, ; getragen wird. Außerdem ist auch das Monitum des Abg. Dr. Arendt be⸗ rechtigt, weil die von den Behörden ergangenen Bescheide nicht zum Abdruck gebracht sind. Dann hat der Abg. Dr. Arendt auch die Frage aufgeworfen, ob diese 412 Personen überhaupt wahlberechtigt gewesen seien. Auch hätte die Fiage endaültig beantworfet werden müssen, ob Personen wählen dürfen, die zwar in die Wählerliste eingetragen sind, aber zur Zeit der Wahl selbst nicht mehr im Wahlkreise wohnen. Diese Frage gilt nicht allein für die Nachwahl, sondern auch für die Hauptwahl. Gerade mit Rücksicht darauf halte ich es für notwendig, daß die Wahlkommission sich noch einmal mit dieser Angelegenheit befaßt. Ich will nur an die Wahlen Haupt und Kölsch erinnern, wo ja auch in der Kommission alle Puntte er⸗ örtert worden sind. Lassen Sie deshalb auch in diesem Falle Gerechtigkeit walten.
Abg. Stadthagen (Soz.): Der Abg. Dr. Arendt hat die schwersten Beschuldigungen gegen die Wahlprüfungskommission er⸗ hoben. Er meint, der Rest des Vertrauens zu der Wahlprüfungs⸗ kommission sei im Verschwinden begriffen. Auf das Vertrauen des Abg. Dr. Arendt verzichte ich wie wohl auch die anderen Mitglieder der Wahlprüfungskommission. Er hat es fertig gebracht, die ganze Frage auf den Kopf zu stellen, und verlangt nun Gerechtigkeit. Er hat Grundsätze aufgestellt, die jedem Recht ins Gesicht schlagen und das absolute Gegenteil von Recht und Sinn sind.
Präsident Dr. Kaempf: Sie wersen hiermit dem Abg. Dr. Arendt Unsinn vor, das kann ich nicht ulassen.
Abg. Stadthagen (Sotz) sortfahrend: Wollte man dem Antrage des Dr. Arendt stattgel m, dann wünde man gleich von vorn⸗ herein jedem Wähler, der sich in die Wählerliste eintragen lassen will, die Absicht unterschieben, daß er ein Wahlverbrechen begehen wolle. Auch ist die Behauptung, es sei der Verdacht aufgetaucht, daß viele von diesen Armenunterstützungen erhalten haben, ein Anwurf, der nicht scharf genug zurückgewiesen werden kann. Ich kann nur be⸗ dauern, daß der Kollege Schwarze sich die Deduktion des Aba Dr. Arendt zu eigen gemacht hat. Der Abg. von Oertzen hätte am besten getan, sein Mandat freiwillig niederzulegen. Wir müssen schon aus Reinlich⸗ keitsgründen den Antrag Arendt zurückweisen. 1 8
Abg. Dr. Arendt (Rp.): Ich habe die Wahlprüfungs⸗ kommission nicht angegriffen, sondern habe nur dam t diejenigen treffen wollen, die nach Feststellung des Tatbestandes noch für die Ungültigkeit der Wahl eintreten. Würde der Abg. von Oertzen sein Mandat niederlegen, so würde er die Prüfung dieser außerordentlich wichtigen Prinzipienfrage unmöglich machen. Wäre Wahlbeeinflussung vorgekommen, dann hätte er sicher sofort sein Mandat niedergelegt. Es ist wichtig, hier festzustellen, wie viele von diesen 412 Personen wahlberechtigt gewesen sind, damit wir wissen, wie viel Stimmen dem Abg. von Oertzen abzuziehen sind.
Abg. Fischer⸗Berlin (Soz.): Es hat noch keine Wahlprüfung gegeben, bei der nicht die faulsten Dinge vom Abg. Arendt zu be⸗ schönigen versucht worden sind. Er sagte: Proteste oder nicht, vor der Wahl wollen wir keine Wahlen kassieren. Es handelte sich damals um eine Versicherung auf Gegenseitigkeit. Bei Beelitz handelt es sich nicht um Asylisten, sondern um Patienten, die arf Grund ihrer Beiträge in diese Anstalt aufgenommen worden sind. Der Abg. Arendt ist doch gerade derjenige, der von der sozialen Fürsorge ein großes Aufheben macht. Würde er auch von einem Asfylisten sprechen, wenn es sich um den Fürsten Eulenburg handelte und dieser in einem Sanatorium sich befände? Der Abg. Arendt müßte wissen, daß die Liste der 412 Patienten von der Anstaltsdirektion bei dem Manistrat von Beelitz eingereicht worden ist. Damit entfällt der Einwand, es könnten sich darunter auch Leute befinden, die gar nicht mehr in der Anstalt sind. B
tiakt s von Brockhausen (dkons.): Ich habe die bisherige Entscheidung der Kommission und des Plenums nicht angreifen wollen, aber die Herren von der Linken haben doch frühere Ent⸗ scheidungen umgeworfen. Es könnte durch die Direktion der Anstalt leicht festgestellt werden, ob die betreffenden Personen zur Zeit der Wahl in der Anstalt waren. Aber es kommt darauf an, festzustellen, ob sie wahlberechtigt oder nicht. Mit einer solchen Prüfung
räjudizieren wir uns nicht. 3 8 mAg. Waldstein Uortschr. Volksp.): Es handelt sich hier nicht um eine Frage der Cousrtoisie gegen eine Partei, sondern um eine Frage der Gerechtigkeit. Die Verwaltung der Heilstätte Beelitz hat das Verzeichnis eingereicht und damit die Verantwortung über⸗ nommen, daß die Betreffenden wahlberechtigt waren.
Der Antrag des Abg. Dr. Arendt auf Zurückverweisung der Wahl an die Wahlprüfungskommission wird nach Probe und Gegenprobe mit 155 gegen 151 Stimmen abgelehnt. Gegen den Antrag stimmen die Sozialdemokraten, die fort⸗ schrittliche Volkspartei, ein kleiner Teil der Nationalliberalen und die Polen; für den Antrag stimmen die gesamte Rechte, das Zentrum und die große Mehrheit der Nationalliberalen.
Die Abstimmung über den Antrag der Kommission auf Kassierung der Wahl bleibt ebenfalls zweifelhaft; die Aus⸗ zählung ergibt die Ungültigkeitserklärung mit 160. gegen 140 Stimmen.
Die Wahl des Abg. Dr. Arendt (Rp.) für 5. Merse⸗ burg wird ohne Debatte für gültig erklärt.
Es folgen Berichte der Petitionskommissio
Die Petition des Vereins vereinigter Zigarrenhändler in Aachen und des Verbandes deutscher Zigarrenladeninhaber wendet sich an den
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Reichstag um Hilfe gegen den geheimen Warenhandel und gegen den offenen Vertrieb von Tabakfabrikaten aller Art durch die Gast⸗ und Schankwirte. 1
Die Kommission beantragt Ueberweisung an den Reichskanzler zur Berücksichtiaung, soweit Abhilfe gegen den geheimen Warenhandel bezweckt wird, Uebergang zur Tagesordnung, soweit Einschränkung des Vertriebs durch Gast⸗ und Schankwirte gefordert wird.
Die Sozialdemokraten beantragen Uebergang zur Tagesordnung über beide Petitionen.
Abg. Brey (Soz.): Der Wunsch der Petenten bezweckt einen Eingriff in unsere Gewerbefreiheit. Dabei muß man gleich dem ersten Schritt entgegentreten. Ein großer Teil der Petenten gehört ja zu jenem gewerblichen Kreise, dessen Kampf ums Dasein in den letzten Jahren außerordentlich verschärft worden ist. Aber daran sind nicht die Ursachen schuld, gegen welche die Petenten vorgehen, sondern unsere ganze Finanz⸗ und Wirtschaftspolitik. Wenn Hilfe geschaffen werden soll, dann kann dies nur durch Streben nach vorwärts geschehen. Die Petenten wollen, daß jede Form der Warenvermittlung anmelde⸗ pflichtig gemacht wird, sie wollen eine Ergänzung der Straf⸗ bestimmungen und wollen, daß an bestimmten Stellen eine Liste aller angemeldeten Betriebe ausliegt. Spätere Petenten verlangen dann noch, daß jeder Beamte oder jeder Arbeiter, der Waren vermittelt, die Erlaubnis seiner vorgesetzten Behörde oder seines Arbeitgebers vorlegen soll. Man will also einen Kontroll⸗ und Bevormundungs⸗ apparat schaffen. Nun hat das bestehende Gesetz ja schon genügende Kautelen bei dem gewerbsmäßigen Warenvertrieb. Hier aber soll jede Form der Warenvermittlung getroffen werden. Es wäre doch unerhört, wenn Personen, denen es gar nicht um Händlergewinn zu tun ist und die nur aus Not Waren gemeinsam beziehen, zur Gewerbesteuer herangezogen werden. Mit dem Warenhandel der Beamten hat sich ja schon der Bundesrat beschäftigt. Es find Verordnungen ergangen gegen den mißbräuchlichen Handel der Beamten und ganz besonders gegen die Benutzung der Dienst⸗ wobhnungen und Diensteinrichtungen für diesen Zweck. Die ver⸗ bündeten Regierungen sind hier den Petenten mit einer Geschwindig⸗ keit entgegengekommen, die man sonst bei nicht weniger wichtigen Angelegenheiten bei ihnen nicht beobachten kann. Wenn der hier vorliegende Wunsch der Petenten in Erfüllung geht, und wir ihn noch der Regierung empfehlen, dann würden die Folgen ganz eigenartiger Natur sein. Wenn man einen Unternehmer, der in den Zeiten der Teuerung, um seinen Arbeitern entgegenzukommen, für diese gemeinsam Waren beziebt, deswegen besteuern wollte, dann würde er es unterlassen, und den Schaden würden die Arbeiter tragen. Auf diese Weise würden alle Teuerungsmaßnahmen unmöglich gemacht, die Arbeiter und andere Unhemittelte zum Schutze gegen die Teuerung ergreifen. Durch unsere Steuerpolitik ist ja der Verbrauch sowieso schon herabgedrückt worden. Dieser würde noch weiter zurückgehen, und das könnte nicht ohne Einfluß auf das Gewerbe bleiben. In
erster Linie muß es doch auf eine Vermehrung des Umsatzes ankommen. 8
Diese machen aber die Wünsche der Petenten nach jeder Richtung hin unmöglich. getroffen werden.
Die Petenten gehen mit dem löblichen Vorsatz um,
ihren eigenen Absatz auf Kosten der kleinen Gast⸗ und Schankwirte und andere Tabak⸗
zu permehren. Die letzteren sollen Zigarren
In der Tabakbranche wird gerade die Kleinfabrikation
fabrikate in den Stunden des Ladenschlusses an ihre Gäste nicht mehr
verkaufen dürfen. Dieser Umsatz ist nur ein kleiner, es ist nur ein Verlegenheitshandel. Was nach 8 Uhr Abends oder Sonntags an Zigarren und Zigaretten in Gasthäusern und Cafés nicht mehr ver⸗ kauft wird, wird bei einem solchen Verbot überhaupt nicht verkauft werden; dem Händler ist damit nicht geholfen, den Fabrikanten und den Gastwirten aber ein empfindlicher Schade zugefügt. Mit gleichem Recht und gleicher Begründung könnten doch auch die Schlächter ver⸗ langen, daß bei den Gastwirten Fleischwaren nicht mehr verkauft werden dürfen; wo kämen wir bei einer solchen Politik hin? Wir halten es für unsere Pflicht, vor solcher Politik zu warnen, und bitten um Annahme unseres Antrages.
Abg. Sir (Zentr.): Es ist eine unbestrittene Tatsache, daß dieser Schleichhandel in seiner heutigen Ausdehnung sich zu einem großen Schaden des Mittelitandes ausgewachsen hat. Alle Branchen klagen über den geheimen Warenbhandel; das Gewerbe und der Kaufmann⸗ stand empfinden diese Schädigung von Tag zu Tag mehr. Sozialdemokraten ist freilich alles Rückschritt, was der Mittel⸗ stand fordert. Das Zontrum betreibt, wie überall, Mittelstandsfrage die Politik des Erreichbaren; wir wollen, wenn wir nicht alles erreichen können, wenigstens Abschlagszahlungen haben, und eine solche wird in der Petition befürwortet. Auch von hohen Stellen ist das Bestehen derartiger Mißstände an⸗ erkannt worden. Beamte und Angestellte sollen sich jedes Eingriffes, jeder kleinlichen Selbsthilfe zum Schaden des gewerbetreibenden Mittelstandes enthalten. Es soll möglichst auch bei ge⸗ kauft werden. Die kleinen und mittleren Beamten haben doch sehr viel Familienbeziehungen zu den Kaufleuten; schon dieser Grund müßte sie abhalten, die letzteren zu schädigen. Auch ein entschieden Liberaler, wie der Abg. Oberpostassistent Delius hat scharf getadelt, daß Beamte während der Dienststunden für die Beamteneinkaufsvereine tätig sind; er hat sogar eine Besteuerung der Beamten⸗ konsumvereine für gerechtfertigt erklärt. Aehnliche Stimmen aus Beamtenkreisen ließen sich zahlreich anführen. Dem schwer ringenden Mittelstande gehen durch den Beamtenhandel die Kunden verloren; daraus kann nur eine wachsende Verbitterung gegen den Staat entstehen, der solches duldet. Auch diese Erwägung wud von Beamten angestellt und vertreten. Hoffentlich nehmen sich die Sozialdemokraten diese Aeußerungen zu Herzen und bessern sich. w die Beamten ist gesorgt; wer sorgt denn für den Mittelstand? Die Auswüchse der uneingeschränkten Gewerbefreiheit müssen endlich be⸗ seitigt werden. Aber hier sehen wir den ewigen Stillstand; Er⸗ wägungen, nichts als Erwägungen! Der Mittelstand hat keine An⸗ wartschaft auf eine Pension; aber von den auf ihm liegenden Lasten wird er geradezu erdrückt. Der Mittelstand ist der Stand, der nichts hat und der nichts kriegt. Seine Steuerkraft wird ge⸗ schwächt, damit aber auch diejenige des Staates. Auch für den Mitteistand muß das Wort gelten: „Leben und leben lassen!“ Der Kaufmann und Gewerbetreibende dürfen nicht um ihr Brot ge⸗ bracht werden. Täglich können wir in den Zeitungen Annoncen lesen, in denen Personen gesucht werden, die gegen Provision den Schleich⸗ handel betreiben. Beamte nicht bloß beteiligen sich daran, sondern auch Frauen, Köchinnen. Solche Firmen sollten boykottiert werden. Gegen einen solchen Unfug müssen wir Stellung nehmen. Ueber die Haltung der Sozialdemokraten wundere ich mich. Nicht alle Sozial⸗ demokraten gehen mit den Freihändlern. Der Verein zum Schutze des Handels und Gewerbes in Breslau hat eine Resolution he⸗ schlossen, die geeignete Kautelen gegen den geheimen Warenhandel fordert und namentlich eine Stempelsteuer von 70 ℳ verlangt. Hier ist eine günstige Gelegenheit, die Reichseinnahmen zu ver⸗ bessern. Ich bitte Sie, den Antrag der Sozialdemokraten abzulehnen und den der Kommission anzunehmen; die Regierungen aber möchte ich ersuchen, der uneingeschränkten Gewerbefreiheit ein Ende zu machen gerade jetzt, wo man im Begriffe ist, dem Mittel⸗ stande durch die Wehrvorlagen neue Lasten aufzuer egen.
auch in der
Bei den
Abg. Siehr⸗AInsterburg (fortschr. Volksp.): Die letzte Finanz.
reform war einer der wahrscheinlich nicht letzten Schläge, die dem
Mittelstande versetzt worden sind. Ich erinnere auy daran, wie der Bund der Landwirte, das Warenhaus für Heer und Marine den
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