der allgemeinen Disziplin verbunden werden. Gerade für solche Fälle ist die Einrichtung eines Extraordinariats unentbehrlich. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß man vielleicht hier und da schon mit der Spezialisierung der Wissenschaft zu weit gegangen wäre. Ich glaube, daß das auch in den Gelehrtenkreisen hier und da schon empfunden wird und daß sich dort zum Teil eine gewisse Reaktion dagegen bemerkbar macht. Das wird vielleicht auch ganz gut sein; allgemein und generell wird man Vorschriften oder Ansichten darüber nicht geben können.
Was nun noch einzelne Teilgebiete anlangt, die hier berührt worden sind, so ist von Missionswissenschaft die Rede ge⸗ wesen. Es ist hinzugefügt worden, daß schon jetzt die Unterrichts⸗ verwaltung diesem Zweig des Unterrichtsbetrkebs ihre Fürsorge gewidmet hat. Sie wird das auch gewiß in Zukunft tun. Ebenso verhält es sich mit der christlichen Kunst, die in der Tat warmes Interesse und warme Förderung durch die Unterrichtsverwaltung ver⸗ dient. Wir haben an verschiedenen Orten Einrichtungen, wonach die Kunsthistoriker Vorlesungen, wesentlich eingerichtet für die jungen Theologen, abhalten, und, wie ich höre, finden diese Vorlesungen an manchen Stellen auch zahlreiche Zuhörer. Ich würde mich freuen, wenn auf diesem Gebiete weitergeschritten und das gewünschte Resultat dadurch herbeigeführt würde.
Auf die Ausländerfrage, meine Herren, glaube ich kaum hier noch einmal ausführlich eingehen zu müssen; ich habe mich darüber des weiteren in der Kommission verbreitet, habe ja auch im vorigen Jahre darüber eingehend gesprochen. Mein Standpunkt ist bekannt. Ich glaube, daß wir daran festhalten müssen, den Ausländern an unseren Universitäten Gastfreundschaft zu erwelsen, wie wir das von jeher getan haben, und wie auch wir diese Gastfreundschaft im Auslande beanspruchen. Aber selbstverständlich darf diese Gast⸗ freundschaft nicht so weit führen, daß darunter unsere elgenen Studenten und Einrichtungen leiden. (Sehr richtig!) Dagegen wird Vorsorge getroffen werden müssen, und darauf ist auch die Aufmerk⸗ samkeit der Unterrichtsverwaltung dauernd gerichtet. Wir haben auch schon geeignete Maßnahmen getroffen, um dem entgegenzuwirken; sie sind von der Tribüne des Hauses erwähnt worden, und ich stehe augen⸗ blicklich in der Prüfung, ob noch weitergehende Einrichtungen und Maßnahmen zu treffen sein werden, um namentlich den sehr starken Andrang russischer Studenten zurückzuhalten. Es ist in der Tat gerade die Zahl der russischen Studenten auf unseren Universi⸗ täten in den letzten Jahren an manchen Stellen so groß geworden, daß man sich fragen muß, ob es noch möglich ist, in diesem unbe⸗ schränkten Umfange hier Gastfreundschaft zu gewähren, weil darunter sowohl unsere eigenen Studenten und Einrichtungen, wie auch andere Ausländer leiden, da Studenten aus anderen Ländern lange nicht so zahlreich wie gerade die Russen unsere Universi⸗ täten besuchen. So werden wir vielleicht bezüglich der russischen Studenten doch einschränkende Bestimmungen ergehen lassen müssen, ebenso wie das schon in anderen Staaten geschehen ist. Bei dem sehr starken Andrange der russischen Studenten wäre das wohl auch eine unbedenkliche Maßnahme, weil ja damit keineswegs gesagt ist, daß wir irgendwie einen mäßigen Besuch von russischen Studenten an unseren Universitäten, soweit es bei unseren Einrichtungen möglich ist, irgendwelche Hindernisse in den Weg legen wollen. Uebrigens sind die Zahlen, die hier bezüglich der russischen Studenten in den medizinischen Fakultäten von Herrn von der Osten angeführt worden sind, doch nicht ganz zutreffend; so stark ist der Prozentsatz nicht; aber er ist immerhin sehr stark.
Herr Abg. Dr. Friedberg ist dann auf einen Spezialfall zu sprechen gekommen, der sich kürzlich in Bonn abgespielt hat. Es waren dort Schwierigkeiten zwischen dem Leiter eines Instituts und einem Privatdozenten entstanden, der bisher einen Arbeitsplatz in diesem Institut gehabt hatte. Diese Meinungsverschiedenheit hatte eine große Schärfe angenommen. Die Schuld lag vielleicht auf beiden Seiten; es war schwer zu sagen, wer von den beiden unrecht hatte, ob der eine mehr oder der andere mehr. Jedenfalls war das persönliche Verhältnis so wenig kollegialisch und befriedigend, daß mir ein Zusammen⸗ arbeiten beider Herren in demselben Institut doch kaum möglich und jedenfalls recht mißlich zu sein schien, und deswegen habe ich, um Frieden zu stiften und die Schwierigkeiten zu beseitigen, dem Privat⸗ dozenten einen Platz in einem andern naturwissenschaftlichen Institut anbieten lassen. Ich meine, daß er wohl darauf hätte eingehen können, denn gerade darin, daß die Unterrichtsverwaltung sich bemühte, seinem Bedürfnis nach einer Arbeitsstätte nachzukommen, konnte er doch durchaus eine wohlwollende Haltung der Unterrichtsverwaltung erblicken und konnte daraus auch schließen, daß man ihm allein in der Sache nicht Unrecht gibt. Ich hoffe, daß die Angelegenheit sich auf diese Weise doch noch ordnet. Im übrigen aber ist der Gesichts⸗ punkt, der auch von dem Abg. Dr. Friedberg hervorgehoben worden ist, doch hier recht bestimmend. Der Vorsteher des Instituts muß Herr in seinem Institut sein, sonst werden sich die Dinge nicht, wie es notwendig ist, regeln, und wenn eine Differenz zwischen dem Institutsvorsteher und einem Privatdozenten entsteht, muß schließlich der Privatdozent weichen, das wird nicht zu umgehen sein. Man kann in einem solchen Fall versuchen die Sache nach Möglichkeit aus⸗ zugleichen, aber schließlich muß, wie gesagt, der Privatdozent dem Institutsvorsteher weichen. Ich hoffe, wie gesagt, daß in Bonn sich die Angelegenheit auch noch befriedigend lösen wird.
Endlich sind die Herren Vorredner auf die Universität Frankfurt gekommen. Sie haben zu meiner Freude anerkannt, daß das Material, welches ich Ihnen nach der finanziellen Richtung hin vorgelegt habe, ausreichend ist, und daß man danach mit Recht zu der Ansicht gelangen kann, daß die finanziellen Voraussetzungen für die Begründung dieser Universität gegeben sind. Man wird das umso⸗ mehr tun können, wenn ich Ihnen sage, daß die dort gegebenen Zahlen inzwischen schon wieder überholt worden sind, daß neue Summen für Zwecke der Universität bewilligt worden sind. Das dürfte auch darauf schließen lassen, daß in der Tat die Opferwilligkeit für dieses Vor⸗ haben in Frankfurt eine sehr große ist, und daß sie auch in Zukunft nicht versagen wird. Im übrigen bleibe ich auf dem Standpunkte stehen, den ich im vorigen Jahre in der ausführlichsten Weise darge⸗ legt habe, daß die Universität Frankfurt eine staatlich begründete
niversität wird, daß in allen grundlegenden Fragen die Einrichtungen ort so getroffen werden müssen, wie an unseren anderen Universitäten, und daß nur die besonderen Einrichtungen, die nun einmal in Frank⸗ urt notwendig werden, da die Mittel nicht aus der Staatskasse ließen, durch entsprechende Vorschriften geschaffen werden sollen. Namentlich eigd — das ist ja das, worum es sich hauptsächlich
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handelt — die Ernennung der Professoren durch den König erfolgen, und nur Vorschläge werden von Frankfurt aus kommen, aber keine Vorschläge, durch die die Unterrichtsverwaltung in ihren Entschließungen gebunden wäre.
Abg. Viereck (freikons.): Auch wir erkennen es mit Freude an, daß in der Studentenschaft ein Wandel vor sich gegangen und sie fleißiger und solider geworden ist als in früheren Jahrzehnten. Auf einzelne Erscheinungen in der Studentenschaft ist ja der Abg. Kaufmann schon eingegangen, doch wird man dem vielfach zu gute halten müssen, daß hier vielfach ein jugendliches Ueber⸗ schäumen vorliegt. Der Akademikerstreik in Halle ist zu be⸗ dauern. Die Ausländer von unseren Hochschulen auszuschließen, geht wegen des internationalen Charakters der Wissenschaft nicht. Aber unter dieser Gastfreundschaft dürfen unsere Studenten natürlich nicht leiden. Es wird deshalb zu erwägen sein, ob Einschränkungen nötig sind, wie wir sie in anderen Ländern vorfinden. Die Er⸗ klärungen des Ministers über die Schaffung neuer Professuren sind mit Freude zu begrüßen. Das Haus wird deshalb gern die dazu nötigen Mittel bewilligen. Ganz besonders möchte ich den Vorschlag des Herrn Kaufmann unterstützen, der Lehrstühle für soziale Erziehung verlangt. Der Unterricht darin ist nicht nur den Studenten nötig, sondern ganz besonders den Lehrern der akademischen Jugend. Die Notwendigkeit, die russische Sprache zu erlernen, macht sich von Tag zu Tag mehr geltend. Ein großer Teil der Russen hat auf unseren Hochschulen studiert und hat den deutschen Geist kennen ge⸗ lernt, während dieses umgekehrt nicht der Fall ist. Bei den engen nachbarlichen Beziehungen ist es aber gerade für uns ganz be⸗ sonders erforderlich, nicht nur die russische Sprache, sondern auch den russischen Staatsgedanken, das nationalistische Leben des Staates und das des Slawentums näher kennen zu lernen. England und Frankreich haben diese Notwendigkeit anerkannt und dementsprechend Maßregeln getroffen. Allerdings ist man diesen Wünschen bet uns schon entgegengekommen. Aber das Geschehene beschränkt sich auf den Osten. Von der Essener Handelskammer ist nun der Wunsch ausgesprochen worden, derartige Maßnahmen auch für den Westen zu treffen. So wird ganz besonders gewünscht, daß das Seminar in Berlin zu einer Zentralstelle für ganz Preußen wird. Auch ist es wünschenswert, wenn in Breslau ein solches Institut zum Studium der slawischen Sprache und der Sitten und Gebräuche dieser Völker geschaffen wird. Die Finanzierung der Frankfurter Universität scheint mir doch nicht ganz zweifelsfrei zu sein, namentlich was die spätere Zeit anbetrifft. Wie soll es gehalten werden, wenn über den Normaletat hinaus hervorragende Gelehrte mit höheren Gehältern für die Universität
Frankfurt gewonnen werden sollen? Da wird wohl die Stadtver⸗ tretung eintreten müssen.
Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz: Ich möchte gleich ein Mißverständnis aufklären, das dem Herrn
Vorredner in der Beurteilung der Verhältnisse an der zukünftigen
Universität Frankfurt a. M. untergelaufen zu sein scheint. Er glaubte, annehmen zu müssen, daß in dem Falle, wenn ein Professor zu den normalen Gehaltsbezügen nicht zu haben wäre, wenn man also höhere Aufwendungen machen müßte, irgendeine Verbindung mit der Stadt Frankfurt notwendig wäre, um die entsprechenden Beträge zu erhalten. Das ist völlig ausgeschlossen. Es ist in dem Etat auch für diese Zwecke eine bestimmte Summe vorgesehen (Abg. Viere ck: 50 000 ℳ]), aus der geschöpft werden kann, um solche besonderen Gehalte zu schaffen. Das ist nach Analogie der Einrichtungen an den bestehenden Staats⸗ universitäten gemacht. Ich habe auch einen bestimmten Fonds zur Verfügung, aus dem ich schöpfen kann, um höhere Gehalte, als das Normalgehalt ist, unter Umständen zu bewilligen. Oder aber ich muß mich in einem solchen Falle mit den Finanzminister in Verbindung setzen und von ihm die Zustimmung erhalten, um in einem speziellen Falle, in dem es sich um die Gewinnung eines hervorragenden Pro⸗ fessors handelt, über die normalen Bezüge hinausgehen zu können. Ebenso wird es in Frankfurt sein. Es ist in dem Universitätsetat, wie ich wiederhole, eine bestimmte Summe vorgesehen. Also auch in der Beziehung wird die zukünftige Universität gänzlich unabhängig sein von irgend welchen Beschlüssen der Stadtverordnetenversammlung.
Abg. Eickhoff (fortschr. Volksp.): Ueber die Frage der Lehr⸗ stühle für soziale Medizin werden wir uns nuterhalten können, wenn der Bericht der Unterrichtskommission vorliegt. Jedenfalls geben die Ausführungen des Regierungsvertreters, die zu einem ablehnenden Beschluß in der Kommission geführt haben, nach verschiedenen Rich⸗ tungen Anlaß zur Kritik. Zu bedauern ist, daß der Reichskanzler auf die Eingabe der deutschen Veterinäre wegen der Genehmigung der Führung des in der Schweiz erworbenen Doktortitels eine abschlägige Antwort erteilt hat. Es sprechen doch Billigkeitsgründe dafür, den in Zürich erworbenen Doktortitel auch in Preußen zu führen. Die formalen Gründe, die gegen die Führung dieses Titels erhoben worden sind, können nicht ausschlaggebend sein. Die Universität Frankfurt ist nunmehr endgültig gesichert, um so mehr, als die finanziellen Unterlagen sich als durchaus einwandsfrei erwiesen haben. Das war vorauszusehen. Meine politischen Freunde haben die Neugründung dieser Universität von Anfang an mit der größten Freude begrüßt. Sie ist einzig und allein der Initiative des früheren Oberbürger⸗ meisters von Frankfurt und dem Gemeinsinn zahlreicher ausgezeichneter Bürger zu verdanken. Wenn hier zum ersten Male von privater und städtischer Seite große Geldmittel zur Verfügung gestellt worden sind, um eine wissenschaftliche Aufgabe zu erfüllen, die bisher nur als eine Staatspflicht erachtet wurde, so sollte diese erfreuliche Tatsache der Zustimmung des ganzen Hauses gewiß sein. Die staatsrechtlichen Bedenken sind geschwunden, da die Mittel für die Einrichtung und Unterhaltung reichlich vorhanden sind und der Charakter der Universität als Staatsanstalt vollständig gewahrt ist. Davon, daß die Gründung der Universität Frankfurt nach⸗ teilige Folgen für die benachbarten Universitäten, besonders auch für Marburg haben könnte, kann gar keine Rede sein. Auch die Um⸗ wandlung der Akademie Münster in eine Universität, deren vollständigen Ausbau der Minister nunmehr zugesichert hat, hat weder Marburg noch Göttingen geschadet. Das Bedürfnis nach akademischer Bildung in Deutschland und namentlich auch in der Ostmark ist noch lange nicht befriedigt. In Dresden und Hamburg will man neue Universitäten gründen. Das ist freudig zu begrüßen. Ich kann nur wünschen, daß die Akademie in Posen in eine Universität umgewandelt wird. Auch in Königsberg und Breslau sind durch den starken Besuch der Ausländer die Hörsäle überfüllt. Die deutschen Studierenden werden dadurch erheblich geschädigt. Daher ist es nur zu begrüßen, wenn neue Universitäten geschaffen werden. Ein Bedürfnis nach neuen Universitäten ist tatsächlich ebenso für die geistigen wie für die techni⸗ schen Wissenschaften vorhanden. Denn auch an den technischen Hoch⸗ schulen werden lebhafte Klagen über Ueberfüllung geführt. Meine politischen Freunde halten den Standpunkt des Ministers in der Aus⸗ känderfrage für durchaus korrekt. Auch wir sind der Meinung, daß die gute alte Tradition der deutschen Universitäten, Ausländern Gastfreundschaft zu gewähren, gerade im Interesse der deutschen Wissenschaft und des deutschen Namens gewahrt bleiben nh. Das ist aus materiellen und ideellen Gründen eine Chrenpflicht der deutschen Hochschulen. Natürlich müssen sich die ausländischen Studierenden dieser Gastfreundschaft stets würdig erweisen. Vor allen Dingen darf die Benutzung der Universitätseinrichtungen seitens der ausländischen Studierenden nicht dazu führen, daß die Interessen der deutschen Studenten verkümmert werden. Denn unsere deutschen Universitäten sind in erster Linie für die Söhne unseres eigenen Volkes da, und wo tatsächlich, wie in Halle, solche Mißstände eingetreten sind, daß die Studenten zu dem nicht gerade rühmlichen Mittel des
werden. Ich zweifle nicht daran, daß der Minister Maßnahmen er⸗ greifen wird, die geeignet sind, diesen Uebelständen abzuhelfen. Zunächst muß man von den ausländischen Studierenden fordern, daß ihre Vorbildung der der deutschen Studenten gleichwertig ist. Für die Mediziner im 7. Semester müssen wir vor allen Dingen die Ab⸗ legung des Physikums verlangen. Wenn diese und andere Mittel nicht ausreichen sollten, müssen die Bedingungen, unter denen die Aus⸗ länder hier studieren können, weiter verschärft werden. Der Andrang zu den akademischen Berufen ist gewiß an sich sehr erfreulich, aber die Folgen solchen Andranges rufen doch ganz erhebliche Be⸗ denken hervor. Wenn man die Universitätsstatistiken liest, dann kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß die roße Zahl der Studierenden eine außerordentliche Gefahr füͤr unser Volksleben bedeutet, weil es tatsächlich unmöglich erscheint, alle diejenigen Leute in dem Beruf unterzubringen, den sie sich erwählt haben. Für die Juristen sind die Aussichten ganz be⸗ sonders ungünstig. Schon jetzt dauert es mindestens sieben Jahre, bis ein Gerichtsassessor zum Amtsrichter ernannt wird. Sie müssen zugeben, daß dies ein ungesunder Zustand st. Es scheint sogar, als würden sich diese Verhältnisse in der nächsten Zeit noch ver⸗ schlechtern. Die Zahl der Studierenden, die sich zur Referendar⸗ prüfung stellten, hat eine Höhe erreicht, wie nie zuvor. Ein Viertel aller derjenigen, die sich zur Prüfung stellten, haben sie nicht bestanden, und von denjenigen, die sich zum zweiten Male der Referendarprüfung unterzogen, war ein Drittel. erfolglos. Ebenso ungünstig, wie die Aussichten der juristischen Laufbahn, sind die der Philologen. Hier steht einem Bedarf von nur 6000 Philo⸗ logen ein Angebot von fast 12 000 gegenüber. Nach Absolvierung ihres Studiums müssen die Philologen durchschnittlich noch sieben Jahre auf Anstellung warten. Die Wartezeit ist noch größer für Altphilologen, Historiker und Germanisten. Was für Preußen gilt, gilt ebenso für Elsaß⸗Lothringen, Sachsen und Bayern. Dort werden die jungen Leute durch den Mrnäster oder die Rektoren vor dem Studium der Philologie gewarnt, das sollte bei uns auch geschehen. Was die Stellung der außerordentlichen Professoren betrifft, so danke ich dem Minister dafür, daß er den außerordentlichen Professoren durch eine besondere Verfügung großes Entgegenkommen gezeigt hat. Aber ich möchte doch darauf aufmerksam machen, daß diese Vorschrift entweder gar nicht oder doch höchst lückenhaft erfüllt wird. Darum bitte ich den Minister, auf eine genaue Kontrolle der Ausführung seiner Be⸗ stimmungen hinzuwirken. Es scheint mir auch angezeigt, angesichts der Ueberfüllung der Seminare der ordentlichen Professoren eine Vermehrung der ordentlichen Professuren eintreten zu lassen. Was die außeretatsmäßigen Extraordinarien betrifft, so wird gesaat, sie seien nur Inhaber eines Titels. Ich weiß nicht, ob das zutrifft, denn auch diese Herren werden ja vereidigt und bekommen Lehrauf⸗ träge, die ganz so geartet sind, wie diejenigen der etatsmäßigen Extra⸗ ordinarien. Der Minister hat gemeint, diese Kategorie stehe auf dem Aussterbeetat. Wenn das so ist, möchte ich anheimgeben, zu er⸗
wägen, ob es nicht das Beste ist, daß diese Kategorie aufgehoben wird. Was die „Entmündigung“ der theologischen Fakultät in Marburg betrifft, so sind wir der Meinung, daß an den Universitäten alle wissenschaftlichen Richtungen zu Worte kommen müssen. Eine andere Frage ist die, ob und inwieweit der Minister berechtigt ist, das Verwaltungsrecht der Universitäten, bzw. das Recht, Vorschläge zu machen bei der Berufung von Pro⸗ fessoren, einzuschränken. Der Minister hat erklärt, daß in den meisten Fällen die Vorschläge der Fakultäten berück⸗ sichtigt würden. Dieser Standpunkt ist durchaus einwandsfrei, wir stimmen ihm deshalb zu. Aber auch die Fakultäten sind nicht un⸗ fehlbar. So ist z. B. ein Lehrstuhl für Pädagogik in Münster zurzeit verwaist aus dem Grunde, weil die Unterrichtsverwaltung einen praktischen Schulmann berufen müßte, während die Fakultät anderer Ansicht ist und lieber einen Philosophen als Extraordinarius anstellen will. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß es unbedingt nötig ist, an unseren Universitäten für den Unterricht in praktischer Pädagogik zu sorgen. Es ist eigentlich ganz selbstverständlich, ich möchte deshalb den Minister bitten, den Widerstand der Fatkultät zu brechen. In der Budgetkommission wurde mit vollem Recht betont, daß mit der Einführung der russischen Sprache als Unterrichtsgegenstand an der Berliner Universität ein Lehestuhl nicht nur für die russische Sprache, sondern auch für Slawistik errichtet werden ollte. Es ist äußerst wichtig, daß unsere akademische Jugend mehr als bisher mit den staatlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Rußlands, und des ganzen Slawentums überhaupt vertraut gemacht wird. In Eng⸗ land hat man die Notwendigkeit einer derartigen Unterweisung der akademischen Jugend bereits erkannt, und in Liverpool ist dafür ein eigenes Seminar errichtet worden. Ich bitte deshalb den Minister, zu erwägen, ob es nicht möglich ist, diese Einrichtung auch in Berlin einzuführen. Ganz unhaltbar ist der Zustand, daß einzelne Universitäten den Realabiturienten die Promotion versagen, während andere sie gestatten. Die Leistungen der Realabiturienten bei den Oberlehrerprüfungen sind jetzt den Leistungen der Humanisten durch aus ebenbürtig, und doch werden sie von zahlreichen Fakultäten immer noch als minderwertig betrachtet. Ich bitte den Minister, dahin zu wirken, daß die Promotionsbedingungen wenigstens einheitlich geregelt werden. Der Minister würde sich damit ein großes Verdienst erwerben. Solange die Fakultäten in dieser Beziehung nicht einheit⸗ lich vorgehen, werden die Freunde des Schulfortschritts ihren Kampf nicht einstellen. Abg. Dr. Bredt⸗Marburg (freikons.): Ich muß heute einer ganzen Reihe von Vorrednern widersprechen, zunächst dem Abg. Kauf⸗ mann. Die Frage der Frankfurter Universität ist allerdings erledigt, aber daß auch die Bedenken Marburgs dagegen erledigt seien, dem muß ich widersprechen. Ich muß auch meinem Fraktionskollegen Vieteck widersprechen. Denn die Rede des Ministers ist keineswegs imstande gewesen, die Freude an der Gründung der Universität Frank⸗ furt zu wecken, vielmehr sind unsere Bedeunken noch gar nicht aus⸗ geräumt. Für solche Fälle, in denen mit außergewöhnlichen Mitteln ein außergewöhnlicher Professor für Frankfurt gewonnen werden müßte, steht allerdings ein Fonds zur Verfügung, wie bei den staatlichen Universitäten, aber für die letzteren hat der Finanzminister eine Kontrolle, in Frankfurt würde aber nur die Stadt⸗ verordnetenbersammlung die Kontrolle haben, und das würde eine Ein⸗ mischung der Stadtverordnetenversammlung in die Berufung der Professoren bedeuten. Ich widerspreche ferner dem Abg. Eickhoff, wenn er sagte, die Begründung der Frankfurter Universität sei ein Ruhmestitel für die Stadt Frankfurt, weil zum ersten Male eine kommunale Einrichtung geschaffen würde, wie sie bisher nur staat⸗ licherseits bestanden habe. Wir haben doch hier aber in erster Linie die staatlichen Interessen zu vertreten, und deshalb ist es zweifelhast, ob wir von diesem Gesichtspunkte aus der Frankfurter Univpersität freudig zustimmen können. Ob wirklich eine Sicherheit dafür besteht, daß die Universität Marburg keinen Schaden erleidet, ist mir sehr zweifelhaft. Hessen⸗Nassau ist eine der kleinsten Provinzen, mit dünnster Bevölkerung, und da werden zwei Universitäten zugelassen. Das ist nicht nur vom Standpunkte Marburgs, sondern auch vom Standpunkt der Staatsfinanzen bedenklich. Der Minister hat im vorigen Jahre allerdings mit Recht gesagt, das Geschenk der Stadt Frankfurt sei so groß, daß er es nicht ablehnen könne, und ich stelle ausdrücklich fest, daß er sein Versprechen, alles zu tun, um den Schaden für Marhurg wieder gutzumachen, gehalten hat, daß wir für alle Bedürfnisse Marburgs offenes Ohr gefunden haben, nur kann ich leider den Finanzminister in den Dank dafür nicht miteinbeziehen, denn der Finanzminister hat mit allen Kräften gegen das ge⸗ arbeitet, was Marburg erstrebt. Es fehlt in Marburg noch ein orientalisch⸗linguistisch⸗indogermanisches Seminar. Der Kultus⸗ minister war dazu bereit, die Kosten betragen noch nicht 1000 ℳ. Ich freue mich nun, daß der Kultusminister aus seinem eigenen Fonds die Begründung des Seminars ermöglicht hat. Das Hauptbedürfnis für Marburg ist ein neues Auditoriumgebäude und Verwaltungs⸗ gebäude, es ist geradezu eine Lebensfrage für die Universität. Es konnte dazu ein Grundstück der Stadt gegen ein Grundstück der Uni⸗ versität ausgetauscht werden, der Kultusminister war bereit, aber es
Streiks schreiten, muß unter allen Umständen Abhilfe geschafft
scheiterte am Finanzminister. Jetzt scheint ja eine Einigung zustande
zu kommen, aber der Finanzminister brauchte nicht fiskalischer zu sein als der Kultusminister, dem die Vertretung dieses Grund⸗ stücks oblag. Der diesjährige Etat weist ja für Marburg ziemlich hohe Summen auf, aber es bestehen noch weitere Wünsche. Die pbilosophische Fakultät wünscht ein physikalisches Institut. Die juristische Fakultät wird zurückgehen, wenn die Hörer aus Frankfurt und Wiesbaden fortfallen. Daß einstweilen die Frankfurter Universität keine Prüfungskommission für Juristen bekommen soll, ist ja schön, aber bei dem Eifer, mit dem Frankfurt seine Pläne verfolgt, indem es keine Mittel und Wege scheut, wird es schließlich auch eine Prüfungskommission bekommen. Der einzige Ausweg wäre die Zu⸗ weisung eines bestimmten Bezirks für Marburg. Die theo⸗ logische Fakultät wird ja wohl von dem Ansturm Frank⸗ furts verschont bleiben. Wir bedauern, daß der alte Ruf der Marburger theologischen Fakultät durch die Affäre Jülicher beeinträchtigt ist. Die Marburger theologische Fakultät hat sich immer durch großen, streng wissenschaftlichen, einheitlichen Geist ausgezeichnet, sie steht selbst in Amerika in hohen Ehren. Es lag nicht im Interesse der Fakultät, die Berufung eines Professors in der breiten Oeffentlichkeit zu erörtern, denn das ist eine interne Angelegenheit der Fakultät. Es ist übrigens von keiner Seite hier für Professor Jülicher Partei genommen worden. Ich kann dazu leider kein Wort sagen, weil bedauerlicherweise Professor Jülicher die ganze Sache zu einer politischen Aktion gemacht hat, als handle es sich um einen Kampf der Liberalen und der konfervativen Partei. Damit hat die Sache schlechterdings nichts zu tun, sie ist nur eine interne Fakultätsangelegenheit. Es kommt darauf an, daß wir Marburg im ganzen als Universität konkurrenzfähig halten müssen. Aus den verschiedensten Gründen ist es außerordentlich bedauerlich, daß das neue Verwaltungsgebäude nicht zustande gekommen ist. Neuerdings wird der Plan der Verlegung bzw. der Anlegung eines neuen Spielplatzes verfolgt, bis jetzt steht nur fest, daß die Verlegung ungeheure Kosten machen wird, aber die Frage cui bono? ist noch völlig offen. Wir stehen zum ersten Male vor der Tatsache, daß die aufblühenden Großstädte mit ihrer großen Kapitalkraft sich selbständig Universitäten zulegen. Das ist etwas ganz Neues. Deutschlands Universitätsleben ist in aller Welt seit Jahr⸗ hunderten berühmt; aber der Geist des deutschen Studententums hat seine Stärke nicht in Großstädten wie Berlin oder Frankfurt, sondern er ist unzertrennbar von den poesiereichen kleinen deutschen Studentenstädtchen. Es genügt nicht, daß die Studenten hinter den Büchern sitzen; es müssen tatkräftige, frohe, frische, lebensmutige Menschen sein. Die kleinen Universitätsstädtchen kann uns kein Staat der Welt nachmachen. Denken Sie an Bismarck! Ob dieser wohl etwa in Frankfurt dasselbe erlebt hätte wie in Göttingen? Es ist lang und breit von der Studentenrevolte in Marburg die Rede gewesen. Das ist gar nicht so schlimm; wenn sie einmal über die Stränge schlogen, so schadet das nichts, sie haben ihre wohlverdiente Strafe bekommen und ab⸗ gesessen, das ist ganz gut, sie lernen dabei eben auch, daß man als preußischer Staatsbürger sich in acht zu nehmen hat, mit dem Gesetz nicht in Konflikt zu kommen; das ist praktische Bürgerkunde. Wir können nur hoffen, daß die deutschen Studenten sich immer noch lieber den kleinen Städtchen als den Großstädten mit ihren immerhin seichten Verlockungen zuwenden werden.
Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz:
Meine Herren! Der Herr Vorredner ist ein sehr warmer und beredter Vertreter der Marburger Interessen (sehr richtig!) und weiß für Marburg alle nur denkbaren Gesichtspunkte heranzuziehen, um sie für diese Interessen zu verwerten. Ich verdenke ihm das keineswegs, und es wird ihm ganz besonders auch in Marburg nicht verdacht werden. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Man wird sich in Marburg freuen, einen so entschiedenen Vertreter der Marburger Interessen hier in diesem hohen Hause zu haben.
Wenn er mir nun auch freundlicherweise manches Lob gespendet hat und anerkannte, daß ich meine Zusage zu erfüllen versuche, die ich im vorigen Jahre gegeben habe, für Marburg nach Möglichkeit zu sorgen, so hat er dieses Anerkenntnis doch eingeschränkt und nur auf meine Person bezogen und davon den Herrn Finanzminister ausgenommen. Dagegen, meine Herren, muß ich mich ganz entschieden verwahren. Denn alles, was ich für Marburg tun konnte, habe ich nur tun können unter Zustimmung des Herrn Finanzministers, und die habe ich dankenswerterweise gefunden. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß in diesem Etat im Extraordinarium für Marburg 572 000 ℳ stehen. (Abg. Funck: Sehr richtig!) Damit steht Marburg an dritter Stelle unter allen Universitäten. Das ist eine Tat für Marburg, und diese Tat ist unter gütiger Mitwirkung des Herrn Finanzministers geschehen. Auch in dem speziellen Fall, den der Herr Vorredner anführte, daß der Herr Finanzminister die Errichtung eines Orientalischen Seminars abgelehnt habe, irrt er, wenn er glaubt, ein gewisses Uebelwollen der Finanzverwaltung annehmen zu müssen. Die Zustimmung dieser Verwaltung konnte damals nicht mehr erfolgen, weil die Zeit schon zu weit vorgeschritten war und deshalb die Summe nicht mehr in den Etat eingestellt werden konnte. Um aber Marburg in den Besitz auch dieses Instituts gelangen zu lassen, habe ich mich dann ent⸗ schlossen, aus mir zur Verfügung stehenden Mitteln die Beträge bereit zu stellen, um das Institut alsbald ins Leben zu rufen. (Bravo! rechts.) Also auch in der Beziehung ist für Marburg geschehen, was geschehen konnte, und es ist nicht etwa der Widerspruch des Herrn Finanzministers gewesen, der diese Sache nicht etatmäßig hat machen lassen. Ich akzeptiere die freundlichen Worte des Herrn Vorredners, aber ich muß sie mit aller Entschiedenheit auch auf die Finanz⸗ verwaltung ausdehnen. (Bravo!) b
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Weite Kreise wünschen an der Berliner Universität einen Lehrstuhl für Hydrotherapie. Die Er⸗ richtung eines solchen ist außerordentlich wichtig, weil nur so die Universität Berlin ihrer Aufgabe gerecht werden kann. Durch die Presse ist der Plan bekannt geworden, den alten Berliner Uni⸗ versitätsgarten zu beseitigen und Baustellen daraus zu schaffen. Eine große Reihe alter Herren der Universität hat sich nun zu⸗ sammengetan und einen Protest erlassen. Ueber dessen Wirkung verlautet noch nichts. Ich bitte um Auskunft, wie weit das alte Projekt aufrecht erhalten werden soll. Dabei wäre auch das Projekt für Umgestaltung des ganzen Universitätsviertels zu erörtern. Der Abg. Viereck hat große Sorge, daß in der Frankfurter Uni⸗ versitätsfrage einmal die Stadtverordneten mit den Dotierungen der Lehrstellen befaßt werden können. Das kann man verstehen, wenn man bedenkt, daß der dortige Magistrat einen sozialdemokratischen Beisitzer hat und viele Sozialdemokraten in der Versammlung sitzen. Herr Viereck sieht geradezu in einer starken Staatsaufsicht sein Ideal. Für ihn ist der Staat der Generalnachtwächter für alle menschlichen Bestrebungen und menschliches Schaffen. Wir wünschen im Gegenteil, daß die Staatsaufsicht über die Universitäten völlig beseitigt wird. Die Vorzüge der kleinen Universitäten sind von uns niemals in Frage gestellt worden. Aber es ist doch nicht zu leugnen, daß die Universitäten in den großen Städten den Studenten eine bessere Ausbildung gewährleisten. Gerade in den kleinen Universitätsstädten spielt die Hilia- hospitalis die größte Rolle. In den kleinen Universitätsstädten wird am meisten getrunken, während die meiste Arbeit in den Großstädten geleistet wird. In dem kleinen Münster stehen die sittlichen Verhältnisse tiefer als irgendwo anders. Der
Abg. Bredt sieht den Marburger Studentenkrawall als sehr harmlos an. Aber es handelt sich doch hier
direkt um einen Landfriedensbruch. Daß hier so milde eingegriffen ist,
8 5 “ darüber beklagen wir uns ja nicht, wir verlangen aber, daß auch im gegebenen Falle Arbeitern gegenüber so verfahren wird. Die Ausführungen des Abg. Bredt sollten in allen Arbeiterlokalitäten ausgehängt werden, damit man dort sieht, mit wie verschiedenem Maßstab gemessen wird. Der Abg. Bredt hat nicht einmal ein Gefühl dafür gehabt, wie provpokatorisch er durch seine Ausführungen gewirkt hat. Wenn die Arbeiterschaft auch das Recht hätte, sich so auszutoben, wie die Studenten, dann dürfte man nicht wagen, von einer Verrohung der Arbeiterjugend zu sprechen. Die Frankfurter Universität ist ge⸗ sichert, und wir koͤnnen erwarten, daß sie eine Universität von großer wissenschaftlicher Bedeutung werden wird. Dresden und Hamburg werden folgen. Dem Abg. von Zedlitz ist dieses wissenschaft⸗ liche Streben natürlich nicht sympathisch. Er hat von einem studierenden Proletariat und seiner politischen Gefährlichkeit ge⸗ sprochen, ihm ist die möglichste Einschränkung der geistigen Bildung die Voraussetzung der Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Zustände. Ich begrüße im Gegensatz zu ihm diese Universitätsgründungen. Was den Klinikerstreik in Halle betrifft, so ist es tragikomisch, daß die Abgeordneten von den großen Parteien hier einem Streik gegenüberstehen, der von ihrer eigenen Jugend inszeniert worden ist. Bis dahin ist das Wort „Streik“ immer als das non plus ultra. der Gottlosigkeit, Bösartigkeit, Niedertracht, Gemein⸗ gefährlichkeit betrachtet worden. Allerdings, wenn die Arbeiter streiken, so streiken sie für ideale Zwecke; wenn die Studenten streiken, streiken sie wegen Kleinigkeiten, Engherzigkeiten, Fragen, die im Gegensatz zur Kultur stehen. Der Streik hat sich auf sämtliche Universitäten Deutschlands ausgedehnt. Die Studenten haben Sympathiestreiks beschlossen, und es wäre zu einem General⸗ streik gekommen, wenn nicht schließlich die Regierung nachgegeben hätte. Die Regierung hat damit die Universitätsverwaltungen preisgegeben. „Es ist charakteristisch, daß diese reaktionären, aus chauvinistischen, ausländerhetzerischen Gesichtspunkten heraus zustande gekommenen Streiks die Sympathie der Regierung ge⸗ funden haben, daß die Regierung die Universitätsverwaltungen hat fallen lassen und den Studenten im wesentlichen recht gegeben hat. Allerdings besteht ein Ministerialerlaß, wonach nur Ausländer, die das Physikum gemacht haben, zu den Kliniken zugelassen werden sollen. „Aber gerade bis in die 1 Zeit hin ist es den Ausländern unmöglich gemacht oder sehr erschwert worden, das Physikum zu machen, sodaß sie auch ohne Physikum zu den Kliniken zugelassen werden mußten. Wäre die Rechtslage so klar gewesen, dann hätten die Universitätsverwaltungen gar keinen Widerstand leisten können. Ob der Minister über den Kopf der gesetzgebenden Faktoren hinweg die Zahl der Ausländer beschränken konnte, mag dabingestellt sein. Allerdings ist die Kultusverwaltung die souveränste Verwaltung in Preußen. Eine willkürliche Erhöhung der Universitätsgelder durch den Minister scheint mir gegen unser Etatsrecht zu verstoßen. Ich hoffe, daß man von dem numerus clausus für die Ausländer absieht. Die Zahl der Ausländer an preußischen Universitäten ist durchaus nicht besonders groß.“ Nach der „Täglichen Rundschau“ betrug die Frequenz 1912 8,5 % gegen⸗ über 4,7 % vor 10 Jahren. Dazwischen liegt die russische Revolution und das Aufwachen des Orients. An den schweizerischen Hoch⸗ schulen ist der Prozentsatz viel höher, nämlich 43 %. Daß die Russen besonders unsere Universiläten besuchen, liegt an den unerhörten inner⸗ politischen Zuständen in Rußland und an der Zurückdrängung der jüdischen russischen Studenten von den dortigen Universitäten. Es ist eine reaktionäre, antisemitische Bewegung, die sich in dem Vor⸗ gehen gegen die russisch⸗jüdischen Studenten geltend macht, welche den Hauptteil des ausländischen Studententums bilden. Das ist eine sehr bedauerliche Tatsache, denn es handelt sich da um die wehrlosesten Menschen, die sich in ganz Europa denken lassen, und die deutsche studentische Ritterlichkeit hat wahrlich keinen Anlaß, stolz darauf zu sein, wenn sie derart gegen diesen Teil der russischen bildungshungrigen Jugend Front macht. Von der „Rossija“ ist dieser Teil der russischen Studentenschaft maßlos beschimpft worden, als Abschaum der Menschheit, der zur Verrohung der deutschen Universitäten bei⸗ tragen müsse usw. Die „Vossische“ und die „Frankfurter Zeitung“ haben auf diese schamlosen Anschuldigungen hin Enqueten veranstaltet, und zahlreiche deutsche Professoren haben sich mit den schärfsten Worten gegen das russische Organ gewendet, das man ja eigentlich in anständiger Gesellschaft gar nicht nennen kann, und den betreffenden russischen Studenten das allerbeste Fleiß⸗ und Sittenzeugnis aus⸗ gestellt, allen voran der berühmte Berliner Anatom Waldeyer. Es muß dringend gewünscht werden, daß die Unipersitätsverwaltungen sich nicht zu weiteren Einschränkungen gegenüber den Ausländern treiben lassen. Die Ausländer wollen ja gerade zu allen Prüfungen zugelassen werden, be empfinden die Nichtzulassung als eine Zurücksetzung. Die Frage der Marburger theologischen Fakultät ist hier bisber in dem Sinne besprochen worden, daß die Schrift des Professors Jülicher verurteilt oder verleugnet worden ist. Ich stehe nicht an, diese Schrift als einen Beweis wirkklicher Mannhaftigkeit und Unerschrockenheit anzuerkennen. Professor Jülicher erhebt mit Recht schwere Anklagen gegen die bisherige Regierungsmethode bei der Berufung der theologischen Professoren. Er legt dar, wie die politische konservative Partei hier den Draht⸗ zieher macht und das Kirchenregiment völlig eingefangen hat: er kon⸗ statiert, daß vor der Berufung eines Snscers beim Oberkirchenrat ein Gutachten über seine kirchliche Unanstößigkeit eingeholt wird. Das ist ein starkes Stück; daß damit die Heuchelei großgezogen wird, ist doch zweifellos. Die antimodernistische Gesetzgebung des päpstlichen Stuhls ist im Vergleich mit diesem System der Ueberwachung der Gesinnung der evangelischetheologischen Professoren ein wahres Kinder⸗ spiel! In die Fakultäten werden also nur Mitglieder eines ganz bestimmten, oberkirchenratlich abgestempelten Klüngels aufgenommen. Von der „Männlichkeit“ des Ministers, an die Professor Jülicher appelliert, haben wir bisher nicht das Mindeste gemerkt. Sehr richtig führt Professor Jülicher aus, daß die kirchlichen Mittelparteien aus Angst vor der Sozialdemokratie auf die Herr⸗ schaft in der Kirche, die sonst längst auf uns übergegangen wäre, verzichtet und sie der äußersten Rechten überlassen haben. Was den Geist der Studentenschaft betrifft, so würde man fehlgehen, wenn man ihn als einen idealistischen bezeichnet. Diejenigen Kreise, deren nationale Gesinnung Ihnen (zu den Konservativen) erwünscht ist, sind keineswegs von einem idealistischen Geist erfüllt. Wenn man sagt, das Beste, das wir haben, sei die akademische Jugend, so ist das doch eine große Uebertreibung. Es ist nur ein Eingeständnis dessen, was wir behaupten, daß Sie sich selbst für das Beste vom Volke halten. Die Ritterlichkeit ist nur in ganz äußerlichem Sinne, in Mensurenschlagen usw., vorhanden. Aber wie es sonst mit der innerlichen Ritterlichkeit bestellt ist, zeigen ja die ver⸗ schiedenen Saufexzesse, die Ausländerhetze und vor allem der Klintkerstreik in Halle. Diese Dinge sind so beschämend, daß man von ritterlichem Geist nicht sprechen sollte. Die äußere Ritterlichkeit, wie sie in den studentischen Vereinigungen geübt wird, erzieht nur Hochstapler, das zeigt ja der Stallmann⸗ prozeß. In Bonn werden die Mensuren mit genauer Kenntnis und vor den Augen der Polizei geschlagen, ohne daß dagegen eingeschritten wird. Ein Bonner Bürger hat deswegen eine Beschwerde an den Universitätsrektor gerichtet, die aber ablehnend beschieden worden ist. Im übrigen ist der Geist der Studentenschaft keineswegs so besonders großzügig. Ich erinnere Sie daran, welche un⸗ glaublich komische Rolle die deutsche Studentenschaft bei den Feierlichkeiten in Königsberg aus Anlaß der An⸗ wesenheit des Könias gespielt hat. Die Frage, wer bei dieser Feierlichkeit die Lakaiendienste am besten verrichten könne, hat den Studenten besonders viel Kopfzerbrechen gemacht. Interessant ist auch, daß der jüdischen Partei, auf die die Wahl fiel, das Kalserhoch auszubringen, dieses Vorrecht entzogen worden ist. Die Königsberger Studenten haben geradezu ein Wettlaufen um byzantinische Gesinnung veranstaltet. Wenn Uhland und Körner diese Jahrhundertfeier erlebt hätten, dann würden sie „Pfui“ aus⸗ gerufen haben. Ich muß Verwahrung einlegen gegen den Mißbrauch, den sie mit dem heiligen Jahre treiben. Es ist gewisser⸗
maßen für jene politischen Dichter und Romantiker ein
Schlag ins Gesicht, wenn Sie das Jahr 1813 für Ihre reaktionären Zwecke ausbeuten. Die deutsche Studentenschaft hat sich im Jahre 1813 wenig rühmlich benommen. Die Schuld daran hat der Geist, der in den deutschen Universitäten herrscht. Das ist deiselbe Geist der preußischen Staatsverwaltung, der bei allen Gelegenheiten gebrandmarkt werden muß. Der Idealismus, der 1813 so wundervolle Formen angenommen hat, ist heute verschwunden. Die herrschenden Klassen setzen alle Kraft ein, um der Jugend den Aufstieg zu einer höheren Kultur unmöglich zu machen. Wir müssen alle Redensarten über den vorzüglichen Geist in der deutschen Studentenschaft entschieden zurückweisen.
Abg. Dr. Bell⸗Essen (Zentr.) bringt die Wünsche des Pflege⸗ personals der Königlichen Charité in bezug auf die Regelung der Arbeitszeit, der Wohnungsverhältnisse usw. zur Sprache und führt dann weiter aus: Den Vorwurf des Abg. Liebknecht, daß an der Universität in Münster die sittlichen Verhältnisse so tief ständen, wie an keiner anderen Universität, muß ich mit der größten Entschiedenheit zurückweisen. Ich halte den Abg. Liebknecht nicht für qualifiziert, ein derartiges Urteil abzugeben. Sittliche Ausschreitungen kommen an jeder Universität vor. Wenn einmal in Münster derartige Fälle vor⸗ gekommen sind, so ist das auch in anderen Universitätsstädten nicht anders. Es berührt eigentümlich, wie der Abg. Liebknecht von dieser Darstellung zu einer Lobeshymne auf die russischen Studenten übergeht. Man versteht ja, warum der Abg. Liebknecht Veranlassung nimmt, gerade gegen die Münsteraner Universität loszuziehen. Im Zusammen⸗ hang damit hat dann der Abg. Liebknecht gegen die gesamte deutsche Studentenschaft derartig unerhörte Angriffe gerichtet, wie sie in diesem Hause noch niemals gehört wurden. Das wagt ein Mann, der die Ehre hatte, selbst deutscher Student zu sein. Daß er für die große Er⸗ hebung von 1813 kein Verständnis hat, das ist uns ja ohne weiteres klar. Wenn der Abg. Liebknecht den Geist Körners und Uhlands heraufbeschwört, so muß ich ihm doch entgegenhalten, daß Körner und Uhland sicherlich vor Scham rot geworden sein würden, wenn sie gehört hätten, wie man in einem deutschen Parlament die Studenten in einer derartigen Weise verhöhnt. An die Tatsache der Ueberfüllung der akademischen Berufe muß die Mahnung geknüpft werden, daß nur diejenigen sich dem akademischen Studium widmen, die auch die erforderlichen Fähigkeiten besitzen. Im Namen meiner Fraktion bitte ich den Minister, der sozialen Fürsorge an den Universitäten größere Aufmerksamkeit zu widmen, sowie das soziale Recht in der juristischen Fakultät unterbringen zu wollen. Es ist erfreulich, daß an mehreren Universitäten schon derartige Aufträge erteilt worden sind. Es wäre zu wünschen, daß damit fortgefahren wird. Ebenso erforderlich ist es aber, daß dem Studium des internationalen Privatrechtes größere Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Mit den Ausführungen des Ministers über den Hallenser Studentenstreik bin ich völlig einver⸗ standen. Diese Ausführungen und die letzten Erörterungen im Plenum sind dem Auslande gegenüber außerordentlich erfreulich und müssen aufklärend wirken. Dieses wird sehen, daß wir nach wie vor bereit sind, Gastfreundschaft zu gewähren und zu empfangen, daß aber die deutschen Universitäten in erster Linie für die deutschen Studenten da sind. Dieses Gastrecht darf natürlich keine Nation für sich im Ueber⸗ maß in Anspruch nehmen. Werden andere Nationen zurückgesetzt, so haben darunter nur unsere Studenten im Auslande zu leiden. Zu fordern ist auch von den ausländischen Studenten dasselbe Maß von Vorbildung und die nötigen Existenzmittel, aber auch, daß sie sich hier anständig und gesittet benehmen. Die Frankfurter Universität wird ja Tatsache. Wir hoffen, daß alle die Bedenken sich nicht erfüllen werden, die im vorigen Jahre hier geäußert worden sind. Diese Universität muß sich völlig im Rahmen der bestehenden halten. Die Wünsche der Extraordinarien und der Privatdozenten finden eine Unterstützung in der Rektoratsrede des Professors Lamprecht in Leip⸗ zig. Im großen und ganzen kann man mit den Reformvorschlägen, die dieser außerdem noch macht, einverstanden sein. Es werden ganz besonders Klagen erhoben über die Ring⸗ und Cliquenbildung im Universitätswesen. Diese läßt sich nicht abstreiten. Es liegt gerade im Interesse unseres Uliverstälswesene, wenn eine solche Ring⸗ und Cliquenbildung endlich beseitigt wird. Es hat sich das Bedürfnis⸗ herausgestellt, den Studenten beim Beginn ihres Studiums einen ge⸗ wissen Wegweiser, einen klaren Ueberblick des Stoffes durch einleitende Vorlesungen zu geben. Zum Teil geschieht das ja schon. Ferner ist der Wunsch berechtigt, daß manche Kollegien etwas interessanter und an⸗ schaulicher gestaltet werden möchten. Ich weiß, daß in dieser Be⸗ ziehung gegen früher Fortschritte gemacht worden sind, aber es muß an die gesamte Professorenschaft die dringende Bitte gerichtet werden, den Stoff möglichst interessant vorzutragen. Das ist auch in der Rechtswissenschaft möglich. Die Studenten wissen sehr gut zu unter⸗ scheiden zwischen solchen Professoren, die trocken, und solchen, die inter⸗ essant dozieren. Wie interessant kann man selbst den Zivilprozeß und das Wechselrecht machen. Als ich mein Studium begann, hatte ich noch nicht einmal einen Wechsel gesehen. Wie viele deutsche Studenten treten in den Vorbereitungsdienst ein, ohne auch nur ein einziges Aktenstück sich angesehen zu haben. Aus diesem lernt man manchmal mehr, als aus einem Dutzend theoretischer Vorlesungen. Ich fürchte, daß die außerordentliche, Fülle des Wissens, die man von dem Studenten verlangt, zur Folge hat, daß er sich mit Rücksicht auf das Examen zu sehr an das multa hält. Hauptzweck der Universitäts⸗ bildung ist doch, die Studenten zu nützlichen Staatsbürgern heranzu⸗ bilden und ihre Herzens⸗ und Charakterbildung zu pertiefen. Die wissenschaftlichen Arbeiten der Kandidaten entbehren leider oft einer guten deutschen Schreibweise. Möge hierin in den Seminarien Wandel geschaffen werden. Zum Schluß eine Mahnung an die Studenten: Mögen sie sich der Aufgabe, Führer des deutschen Volkes zu werden, voll bewußt sein. Mögen sie die Lehrmittel, die ihnen zur Verfügung stehen, noch reichlicher ausnutzen, als es heute der Fall ist. Gewiß hat der Fleiß der Studenten noch zugenommen, aber auf manchen deutschen Universitäten wird über mangelhaften Besuch der Vor⸗ lesungen geklagt. Mit Freuden ist es zu begrüßen, daß die deutsche Studentenschaft in den letzten Jahren zu dem edlen Sport über⸗ gegangen ist. Hauptaufgabe der Universitäten ist es, die Studenten zu vaterlandsfreundlichen, sittlich⸗religiösen, brauchbaren Staatsbürgern zu erziehen. 1
Abg. von Hennigs⸗Techlin (kons.): Die absprechende Art und Weise, in der der Abg. Dr. Liebknecht von den deutschen Studenten gesprochen hat, richtet sich selbst. Ich glaube, auch der große Teil der armen Studenten, die er von den anderen trennen wollte, hat denselben königstreuen, vaterländischen idealen Sinn, und ich glaube, auch sie gegen die Vorwürfe des Abg. Liebknecht in Schutz nehmen zu müssen. Ueber die auswärtigen Studenten habe ich ein eigenes Urteil nicht. Sollten sie aber in dem Sinne arbeiten, wie es der Abg. Liebknecht wünscht, so kann ich nur die Erwartung aus⸗ sprechen, daß die Universitätsverwaltungen erwägen, ob es angebracht und gesund für unsere Universitäten ist, sie in großer Zahl zu dulden. Der Abg. Liebknecht hat es fertig bekommen, der jetzigen akademischen Jugend den Idealismus, die Reinlichkeit der Seele abzusprechen. Er hat den Königsberger Studenten daraus, daß sie bei der Feie in Königsberg in idealem Sinne darum gestritten haben, wer vo ihnen das Recht haben sollte, seinem Landesherrn zu huldigen, de Vorwurf des Lakaientums gemacht. So weit sind wir also gekommen, daß ein derartiger Vorwurf von dieser Tribüne aus erhoöben werden darf! Es genügt, diesen traurigen Standpunkt festzunageln Ich wünsche, daß diese Rede des Abg. Liebknecht recht wei im Lande verbreitet werde. Auch mit der Jubelfeier von 1813 hat de Abg. Liebknecht die Studentenschaft verquickt und hat gemeint unsere großen Dichter und Vaterlandshelden würden sich schämen, die heutige Generation zu sehen. Das ist möglich, aber in einem anderen Sinne, als er meint. Der wahre Vaterlandsfreund schämt sich allerdings dieser Rede, ebenso wie Scharnhorst. Gneisenau und Körner sich ihrer schämen würden. Ich führe Ihnen eine andere Autorität dagegen ins Feld. Bei de ersten Gelegenheit, welche Herrn von Bismarck⸗Schönhausen in die politische Arena führte, handelte es sich auch um das Jahr 1813, und da sagte er gegenüber der Behauptung, daß das Volk von 1813 aufgestanden sei, um die politische Freiheit zu
erringen, dem Sinne nach: Das ist eine Beleidigung für das Volk;