1913 / 125 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 29 May 1913 18:00:01 GMT) scan diff

beim Landw. Bezirk II Dresden, zum Kommandeur des Landw. Bezirks Pirna ernannt. Michler, Major z. D. und Bezirksoffizier beim Landw. Bezirk II Dresden, zum Dritten Stabsoffizier dieses Landw. Bezirks ernannt. Garten, Major z. D, zuletzt Bats. Kom⸗ mandeur im 13. Inf. Regt. Nr. 178, unter Fortgewährung der gesetzlichen Pension als Bezirksoffizier beim Landw. Bez. II Dresden v Den Majoren z. D.: Lamer, zuletzt im 1. Pion. Bat. Nr. 12, Seume, zuletzt Kommandeur des Landw. Bezirks Zwickau, der Charakter als Oberstlt., den Hauptleuten z. D.: Noetzel, zuletzt omp. Chef im Fußart. Regt. Nr. 12, Goetze, zuletzt à la suite es 3. Inf. Regte. Nr. 102 Prinz⸗Regent Ludwig von Bavern, Simon, Hauptm. a. D., zuletzt Komp. Chef im 12. Inf. Regt. Nr. 177, der Charakter als Major, den Oberlts. a. D.: v. Zezschwitz, zuletzt im 1. (Leib⸗) Gren. Regt. Nr. 100, Lange uletzt im 3. Inf. Regt. Nr. 102 Prinz⸗Regent Ludwig von Bayern, der Charakter als Hauptm., verliehen. Mersmann⸗Soest, Hauptm. a. D., zuletzt Komp. Chef im 9. Inf. Regt. Nr. 133, die Erlaubnis zum Tragen der Armee⸗ unisorm erteilt. Abschiedsbewilligungen. v. Arnswaldt, charakteris. Major z. D., unter Fortgewährung er gesetzlichen Pension und mit der Erlaubnis zum ferneren Tragen der Uniform des 9. Inf. Regts. Nr. 133 der Abschied bewilligt.

Im Sanitätskorps.

Obermedizinalrat Prof. Dr. Braun, Hofrat Dr. Oberstabsärzte à la suite des Sanitätskorps, zu Gene

befördert. Im Veterinärkorors. Die Stabsveterinäre (mit dem Titel Oberstabsveterinär): Ru dolph beim 2. Ulan. Regt. Nr. 18, Kunze beim 2. Feldart. Regt. Nr. 28, Richter beim 3. Ulan. Regt. Nr. 21 Kaiser Wilhelm II., König von Preußen, Schleg bei der Militärreitanstalt; Müller, Stabsveterinär beim 6. Feldart. Regt. Nr. 68, zu Oberstabs⸗ veterinären mit dem Range der charakteris. Majore ernannt. Die Veterinäre: Heinz beim 3. Hus. Regt. Nr. 20, Dr. Haberlah beim 1. Feldart. Regt. Nr. 12, Pflüger beim 3. ÜUlan. Regt. Nr. 21 Kaiser Wilhelm II., König von Preußen, zu Oberveteri⸗

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nären befördert.

Heenel. loberärzten

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Kammergerichtsrat Dr. Güthe in Berlin, den Land⸗ gerichtsdirektor Dr. Ehrhardt aus Breslau sowie die Land⸗ richter Dr. von Brünneck und Hefermehl, letztere beide Landgericht I in Berlin, zu Geheimen Justizräten und vortragenden Räten im Justizministerium, den Gerichtsassessor Vonhoff in Berlin zum Landrichter · in Beuthen O. S. und den Gerichtsassessor Dr. Kröll in Breslau zum Land⸗ richter in Oels, den Gerichtsassessor Dr. Fabian in Berlin zum Amts⸗ richter in Potsdam, 1 den Gerichtsassessor Dr. Rudolf Fischer in Berlin zum Amtsrichter bei dem Amtsgerichte Berlin⸗Mitte, 1 den Gerichtsassessor Kühn in Breslau zum Amtsrichter in Samter, den Gerichtsassessor Dr. Dainert in Liegnitz zum Amts⸗ richter in Zabrze, 8 den Gerichtsassessor Strempel in Myslowitz zum Amts⸗ richter in Reichenbach O. L., den Gerichtsassessor Dr. Hünerfeld in Waldenburg zum Amtsrichter daselbst, den Gerichtsassessor Fielitz in Eddelak zum Amtsrichter in Norburg und den Gerichtsassessor Mankowski in Altdamm zum Amts⸗ richter in M.⸗Gladbach zu ernennen, ferner dem Notar, Justizrat Dr. Rendtorff in Kiel den Cha⸗ rakter als Geheimer Justizrat und den Geheimen Registratoren Kuhlmey und Becker im Justizministerium sowie dem Geheimen expedierenden Sekretär und Kalkulator Gillen im Justizministerium den Charakter als Rechnungsrat zu verleihen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Kaufmann Julius Arp in Rio de Janeiro, dem Kaufmann Josef Baum in Wiesbaden, dem Fabrikbesitzer Fiß Beindorff in Hannover, dem Fabrikanten Robert elius in Aachen, dem Fabrikbesitzer Heinrich Pohl in Schmiedeberg, Kreis Hirschberg i. Schl., und dem Fabrikdirektor und Rittergutsbesitzer Karl Trettau in Wilhelmsburg, Land⸗ kreis Harburg, den Charakter als Kommerzienrat zu verleihen.

8 A‚Austizministerium. 8 4

Der Rechtsanwalt, Justizrat Fasceggn in Magdeburg

ist zum Notar für den Bezirk des Ober andesgerichts zu Naum⸗

burg S. mit Anweisung seines Amtssitzes in Magdeburg und

der Gerichtsassessor Schmermund in Gerresheim zum

Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts in Düsseldorf mit Anweisung des Amtssitzes in Langenberg ernannt worden.

Ministe rium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.

Den Oberbibliothekaren an den Königlichen Technischen Hochschulen in Berlin und Hannover Professor Dr. Simon und Dr. Diestel ist der Rang der Räte vierter Klasse ver⸗ liehen worden. 1“

Finanzministerium 8

Das Katasteramt Kattowitz im Regierungsbezir

Oppeln ist zu besetzen.

Preußen. Berlin, 29. Mai 1913

Die argentinische Sondermission begab sich gestern vormittag, wie „W. T. B.“ meldet, mittels Extrazuges nach der Station Wildpark und von dort nach dem Neuen Palais, wo sie zunächst vom Oberhofmarschall Grafen zu Eulenburg und alsdann von Seiner Majestät dem Kaiser und König im Teehäuschen des Parks empfangen wurde. Der Führer der Mission, der außerordentliche Botschafter Dr. Carlos Salas

sprach den Dank seiner Regierung für die Glückwünsche des Deutschen Reichs zum 100 jährigen Bestehen der Republik Argentinien aus, wofür Seine Majestät der Kaiser dankte. Hiernach nahm Seine Majestät die Meldung hier eingetroffener militärischer Abordnungenentgegen, nämlich des russischen Leibgardegrenadierregiments König Friedrich Wilhelm III., des österreichisch-ungarischen Infanterieregiments Wilhelm I., Deutscher Kaiser und König von Preußen Nr. 32 und des württembergischen Infanterieregiments Kaiser Wilhelm, König von Preußen Nr. 120. Die Abordnungen sprachen ihre Glückwünsche zum Regierungsjubiläum Seiner Majestät des Kaisers und Königs aus und überreichten Geschenke. Im Anschluß daran wurden die argentinischen Herren und die fremden Offiziere von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin im Tressenzimmer des Neuen Palais empfangen. Danach war Frühstückstafel bei Ihren Majestäten, an der auch der Reichskanzler Dr. von Bethmann Wes. der Staatssekretär von Jagow, die Kabinettschefs, der argen⸗ tinische Gesandte Dr. Molina, der die Sondermission begleitet hatte, und andere teilnahmen. 8

Der Bundesrat trat heute zu einer Plenarsitzung zu⸗ sammen; vorher hielten der Ausschuß für Justizwesen und die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Handel und Verkehr Sitzungen.

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Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. am 27. Mai in Canton eingetroffen.

Elsaß⸗Lothringen.

Die Erste Kammer hat gestern mit allen gegen die Stimme des Abgeordneten Blumenthal und bei Stimm⸗ enthaltung des Abgeordneten Ruland das Besoldungsgesetz nach den Beschlüssen der Zweiten Fammer angenommen. Das größte Interesse erregte sodann in der gestrigen Sitzung ein Antrag, der sich gegen die Ausnahmegesetze richtet und der von 18 Mitgliedern der Kammer unterzeichnet ist. Wie „W. T. B.“ meldet, lautet der Antrag wörtlich

1) Die Kammer verurteilt aufs schärfste die die Interessen des Landes schädigenden und die Weiterentwicklung der Verfassung hemmenden Umtriebe einzelner Politiker und Journalisten. Sie kann aber nicht anerkennen, daß in deren Bestrebungen der Meinungs⸗ ausdruck der elsaß⸗lothringischen Bevölkerung oder auch nur eines erheblichen Teiles derselben zu finden ist. Sie hält vielmehr die Bedeutung, die ihnen vielfach namentlich außerhalb Elsaß⸗Loth⸗ ringens beigelegt wird, für übertrieben.

2) Die Kammer ist der Ansicht, daß es dem gesunden Sinne der

großen Mehrheit der Bevölkerung und dem Kaiserlichen Statthalter, zu dem die Kammer volles Vertrauen hat, auch ohne außerordentliche Maßnahmen gelingen werde, die von einer kleinen Gruppe aus⸗ gehenden Störungen der fortschreitenden Entwicklung des Landes zu überwinden.

3) Die Kammer ersucht daher die Regierung, von der Weiter⸗ verfolgung ihrer Absicht, Ausnahmebestimmungen bezüglich der Preß⸗ und Vereinsgesetze herbeizuführen, Abstand zu nehmen, zumal diese auch in den loyal gesinnten Kreisen der Bevölkerung eine große Er⸗ regung hervorgerufen habe.

Der Höffel begründete den Antrag und erteilte dabei dem verhetzenden Treiben des Nationalismus schärfste Absage, wobei ihm sämtliche Abgeordnete mit Ausnahme des Abg. Blumenthal bei⸗ pflichteten. Der Abg. Blumenthal fand den Antrag der Ersten Kammer widerspruchsvoll, weil er dem Kaiserlichen Statthalter an einer Stelle ein Vertrauensvotum erteile, der Regierung jedoch im übrigen ein Mißtrauensvotum ausstelle. Mit Genugtuung stelle er fest, daß selbst die vom Kaiser ernannten Mitglieder des Hauses der Regierung wegen der Ausnahmegesetze ein Mißtrauensvotum erteilen. Der Abg. Laband hielt die Beschränkung des mit viel zu großen Freiheiten ausgestatteten Preßgesetzes für Elsaß⸗ Lothringen für unbedingt erforderlich. Die Schutzmaßnahmen gegen das nationalistische Treiben sollten vor ollem verhindern, daß die Deutschen der Verhöhnung, Beschimpfung und Verhetzung preisgegeben seien. Der Staatssekretär Freiherr Zorn von Bulach erklärte, daß von einer Wiedereinführung der Diktatur keine Rede sei. Die Schutz⸗ maßnahmen sollten gegen den bösen Geist errichtet werden, der sich im Lande breit mache und die Jugend vergifte. Die Sozialisten seien keine Stütze der Regierung. Der Abg. Ruland meinte, es sei eine bekannte Tatsache, daß die Deutschen hierzulande tag⸗ täglich in der schmutzigsten Weise in den Kot gezogen würden. Die Regierung sei nicht frei von Schuld. Der Nationalismus wäre nach den Wahlen von 1911 tot ge⸗ wesen. Die Regierung habe ihn aber gjeder durch Hintertreppenpolitik. Sie könne es nicht unterlassen, mit den Nationalisten zu regieren, obgleich sie deren Vertreter öffentlich des⸗ avouiere. Der Staatssekretär Freiherr Zorn von Bulach trat dieser Behauptung in scharfer Weise entgegen und erklärte, bei der Re⸗ gierung gäbe es keine Hintertreppenpolitik, er müsse die Behauptung entschieden ablehnen, daß die Nationalisten Einfluß auf die Regierung hätten, und verlange von dem Abgeordneten Beweise für eine solche Behauptung. Der Abg. Ruland versprach, der Regierung das Füene Material zu geben. Vor der Oeffentlichkeit wolle er das nicht tun.

Die namentliche Abstimmung über die einzelnen Absätze des Antrags hatte das Ergebnis der Annahme des Absatzes 1 mit allen gegen die Stimmen der Abgg. von Arnim und Blumenthal; Absatz 2 wurde mit allen gegen die Stimmen der Abgg. Laband, von Arnim, von Moßner und Fritsch, Absatz 3 mit allen gegen die Stimmen der Abgg. Laband, von Arnim, von Moßner, Fritsch und Blumenthal, der ganze Antrag mit allen gegen 5 Stimmen angenommen. Ferner wurde einstimmig ein Antrag angenommen, der Amnestierung der wegen Verletzung der Wehrpflicht bis zum Jahre 1890 Bestraften verlangt.

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Desterreich⸗Ungarn. 8

Im Hinblick auf die lange Dauer der Erhöhung des Bestandes der in Bosnien, der Herzegowina und in Dalmatien dislozierten Truppen hat der Kaiser, wie die „Militärische Rundschau“ meldet, angeordnet, daß die ältesten Reserve⸗ und Ersatzreservejahrgänge (1902 bis 1905) und die meistbegünstigten Ersatzreservisten (Familienerhalter und einzige Söhne) aller Jahrgänge, die seinerzeit zur Er⸗ gänzung des Truppenbestandes in Bosnien, der Herze⸗ gowina und in Dalmatien einberufen worden waren, so⸗ weit Ersatzmannschaften verfügbar sind, durch jüngere Reservemannschaften und nichtbegünstigte Ersatz⸗ reservisten abgelöst werden. Diese Verfügung ist, obiger Quelle zufolge, einerseits aus der Erwägung hevorgegangen, daß die auswärtige Lage

ein Herabgehen in den Be⸗!

ständen in Bosnien, der rzegowina und in Dalmatien nicht möglich erscheinen läßt, andererseits aus dem Be⸗ streben, den bereits seit mehreren Monaten in aktivem Dienst Stehenden die Rückkehr zu ihren Familien zu ermöglichen. Eine an sich wünschenswerte gleichzeitige Entlassung aller Reserve⸗ und Ersatzreservemänner wäre, auch falls die aus⸗ wärtige Lage dies zuließe, schon aus Transportrücksichten undurchführbar und müßte staffelweise erfolgen.

Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte gestern die erste Lesung des Budgetprovisoriums fort.

Laut Bericht des „W. T. B.“ wandte sich der tschechische Sozial⸗ demokrat Tusar gegen die Agrarier, die durch ihre Wirtschaftspolitik verhinderten, daß Oesterreich eine vernünftige Politik gegenüber den Balkanstaaten treibe. Da der Redner auch die Krone und den Thronfolger in die Debatte zog, wurde er vom Vorsitzenden zur Ordnung gerufen, ebenso wegen Aeußerungen gegen das Herrenhaus. Der Obmann des Polenklubs Leo erklärte, der Polenklub wünsche, daß der Finanzplan vor den Sommerferien Gesetzeskraft erlange. In Besprechung der auswärtigen Lage erklärte Leo, daß die erzielten Erfolge im Mißverhältnis zu den gebrachten Opfern stünden, zumal die Befürchtung bestehe, daß die gegenwärtige Lösung keine Sicherstellung des europäischen Friedens für eine längere Zeitepoche gebracht habe. Das polnische Volk sehe die nationale Ehre in der Monarchie gewahrt und werde deshalb, sollte es einst zum ent⸗ scheidenden Kampfe zwischen der Monarchie und seinem nördlichen Nachbar kommen, seine staatsbürgerlichen Pflichten erfüllen.

EGSroßbritannien und Irland. Der König Georg und die Königin Alexandra sind gestern abend von Berlin wieder in London eingetroff

Frankreich.

Die vorgestern von der Deputiertenkammer angenommene

Vorlage, betreffend die Kredite für die Zurückbehaltung des dritten Jahrgangs bei den Fahnen, ist gestern vom Kriegsminister im Senat eingebracht worden.

Bei der Beratung des Unterrichtsbudgets im Senat inter⸗ pellierte Lamarzelle (Rechte) den Minister über den Anti⸗ militarismus in den Lehrervereinigungen.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erinnerte der Interpellant daran, daß die Teilnehmer des Kongresses von Chambéry den Arbeits⸗ verband und den „Sou du Soldat“ niemals mißbilligt hätten. Lamar⸗ zelle betonte weiter, die Freundschaftsbünde der Lehrer gehorchten blind einigen Syndikalisten, die mit dem Arbeitsverbande Verbindung unter⸗ hielten. Er warf den Antimilitaristen unangebrachte Verdächtigungen gegen den kriegerischen Geist vor, bet denen vergessen werde, daß der Krieg noch immer eine Notwendigkeit sein könne. Der Redner wies auf die Jugend in Frankreich hin, die einmütig bereit sei, dem Vaterland die geforderten Opfer zu bringen; den einzigen Mißton brächten einige Lehrer da hinein. Der Ministerpräsident Barthou erkannte an, daß die Lehrersyndikate ungesetzlich seien, und erklärte, es sei eine unzulässige Forderung der Lehrer, sich dem Arbeitsverbande anschließen zu dürfen. Er sei sich mit Lamarzelle einig über die Ungesetzlichkeit der Agitation des Arbeitsverbandes. Dieser stelle sich außerhalb des Gesetzes von 1884, das nur Forderungen wirt⸗ schaftlicher Art zulasse. Gegenwärtig könne man nur die Auflösung des Arbeiteverbandes und eine Geldstrafe von 200 Francs durchsetzen, aber das Gesetz von 1894 gestatte, Vergehen, die durch gewisse Agi⸗ tationen in den Kasernen hervorgerufen seien, zu verfolgen. Die Pro⸗ paganda des Arbeitsverbandes sei verabscheuungswürdig und ver⸗ brecherisch. Auf Grund des Gesetzes von 1894 sei eine Untersuchung eingeleitet. »Wenn das Gesetz als ungenügend erkannt werden sollte, werde die Regierung neue Gesetze fordern. Der Ministerpräsident erklärte weiter, wenn die Verfolgungen von dem Syndikat ange⸗ hörigen Lehrern eingestellt worden wären, so sei das infolge des Amnestiebeschlusses geschehen. Aber nach dem Kongreß in Chamberv seien Strafen gegen eine gewisse Anzahl von denjenigen, die sich dem Manifest der Bataille syndicaliste angeschlossen hätten, verhängt worden. Wenn die Syndikate sich wieder bildeten, so würden schwere Strafen folgen. Uebrigens gebe es nur etwa dreißig Lehrersyndikate mit etwa tausend Mitgliedern unter den 15 000 Lehrern, die in Elementarschulen unterrichteten, und die E“ der Lehrer wiesen den Antimilitarismus zurück.

Das Land habe auf den Ruf der Regierung gehört, als sie die Ver⸗ längerung der Militärdienstzeit gefordert hätte, und die Lehrer würden den Notwendigkeiten des Augenblicks Rechnung tragen; sie könnten wirksame Lehren nur dann geben, wenn sie ihnen die unwiderstehliche Unterstützung ihres eigenen Beispiels zuteil werden ließen.

Der Senat nahm hierauf mit 268 gegen 17 Stimmen eine Tagesordnung an, durch die die Erklärungen der Regierung über die Lehrersyndikate gebilligt werden.

Die Heereskommission des Senats hat über die Kredite, die von der Regierung für die Zurückbehaltung einer Jahresklasse verlangt worden sind, 5

erstattet. * Rußland.

Der Kaiser Nikolaus und die Kaiserin Alexandra

P

Feodorowna sind, wie „W. T. B.“ meldet, mit dem Groß⸗ färsr⸗Thronfolger und den Großfürstinnen⸗Töchtern gestern von Zarskoje Sselo zur Teilnahme an den Festlichkeiten anläßlich des Romanowjubiläums in Wladimir, Nischni, Kostrowa, Moskau und anderen Städten abgereist.

Der Ministerrat hat einem Entwurf des Ministeriums des Innern zugestimmt, durch den die Gebühren für Tele⸗ gramme im Verkehr zwischen Rußland und Japan und ebenso die russischen Durchgangsgebühren für Telegramme im Verkehr zwischen Europa und Ostasien herabgesetzt werden.

In der gestrigen Sitzung der Reichs duma hielt der Sozialdemokrat Tschkeidze bei der Beratung des Budgets für die orthodoxe Kirche eine die orthodore Kirche be⸗ leidigende Rede. Als ihm darauf das Wort entzogen wurde, erhoben der Redner und das Mitglied der Arbeitspartei Kerensky im Namen der Redefreiheit gegen diese Maßregel Einspruch. Nach weiteren Erörterungen wurde Tschkeidze für drei und Kerensky für fünf Sitzungen ausgeschlossen. Infolge⸗ dessen verließ die gesamte Opposition zum Zeichen des Protestes den Saal, worauf der Präsident unter de und der Nationalisten die Sitzung schloß.

Spanien.

Im Senat interpellierte gestern der Jaimist Pey relon die Regierung in ausführlicher Weise über das Dekret, be⸗ treffend den Religionsunterricht in den Volksschulen.

Wie „W. T. B.“ berichtet, sagte der Interpellant u. a., das

Dekret sei durch Protestanten und Freimaurer herbeigesübrt worden, um den Besuch des Königs Alphons in Paris vorzubereiten, an dem die Bevölkerung von Paris nicht teilgenommen habe. (Der Redner wurde zur Ordnung gerufen) Der Ministerpräsident Graf Romanones erwiderte, das Gesetz sei lediglich eine Kundgebung des Geistes der Toleranz, von dem die liberale Partei durchdrungen sei. Die liberale Partei sei fest entschlossen, auf diesem Wege zu verharren.

In der Deputiertenkammer brachte der Finanz⸗ minister Suarez Inclau gestern den Budgetentwurf ein, der sich von dem im Dezember letzten Jahres ein ebrachten

millionen Pesetas.

en günstigen

Beifall der Rechten

W“

icht unterscheidet. Der Minister berechnet obiger Quelle zu⸗ ge die Staatsausgaben auf 1155, die Einnahmen auf 1200 Der Entwurf sieht den Ankauf von rtilleriematerial im In⸗ und Auslande und den Bau von zsernen vor, für die 15 Millionen angesetzt sind, ferner eine veuorganisation der Truppeneinheiten, um, wie die Begründung sagt, der Heeresmacht Spaniens ihre volle Wirksamkeit zu ieden, endlich den Bau eines zweiten Panzergeschwaders und maßregeln zur Verteidigung zur See. aDer Ministerpräsident Graf Romanones brachte eine gesetesvorlage ein, durch die einige Artikel des Strafgesetz⸗ achs und des Militärstrafgesetzes, betreffend Verbrechen gegen 6 Vaterland, die Armee und die Fahne, sowie Preßdelikte ad aufrührerische Rufe, abgeändert werden sollen. Der entwurf sieht vor, daß die ordentlichen Gerichte Beleidigungen end Verleumdungen gegen Militärbehörden dann aburteilen len, wenn ihr Urheber eine Zivilperson ist.

Belgien.

Die Deputiertenkammer hat die Heeresref einer Meldung des „W. T. B.“ in zweiter Lesung it 104 gegen 62 Stimmen bei drei Stimmenthaltungen an⸗

genommen. 1 Türkei.

Der griechische Ministerpräsident Venizelos ist gestern in zaloniki eingetroffen und hat sich sofort zum König Kon⸗ fantin begeben.

Rumänien.

Der Senat hat gestern die geheime Verhandlung über i8 St. Petersburger Protokoll beendet. In der darauf olgenden öffentlichen Sitzung schlug der Vizepräsident Stefa⸗ nesco laut Meldung des „W. T. B.“ folgende Reso⸗ ution vor:

Indem der Senat als Abschluß der dem Exposé des Minister⸗ grisidenten folgenden Debatte das in St. Petersburg von den Vertretern ter Mächte unterzeichnete Protokoll zur Kenntnis nimmt, ermächtigt er veRegierung, die notwendigen Maßnahmen zu dessen Durchführung zu ergreifen. .

Der Führer der liberalen Partei Bratiano gab namens siner Partei folgende Erklärung ab:

Die liberale Partei stimme für den Antrag auf Durchführung e Prokokolls, das eine der Ungerechtigkeiten der Vergangenheit wieder unt mache und die legitimen, religiösen und kulturellen Bande mit den minischen Stammesgenossen in Mazedonien festige. Die liberale Partei stimme dafür, da die geheimen Verhandlungen dargetan hätten, as die Beschlüsse der Konferenz, die den rumänischen infolge der terri⸗ nalen Aenderungen auf dem Balkan formulierten Ansprüche nicht Gmüge leisteten, die politische Aktion des Königreichs in der gegen⸗ wirtgen Lage der Balkanhalbinsel keinerwegs binden könnten. Die bstimmung der liberalen Partei, die nicht eine Billigung der Politik ee Regierung in sich schließe, habe ausschließlich den Charakter einer Fmächfigung zur Ausführung der Punkte 1 bis 4 des erwähnten Protokolls.

Der Antrag wurde mit 77 gegen 9 Stimmen unter dem

eifall der Senatoren angenommeu.

Serbien.

In der gestrigen Sitzung der Skupschtina beantwortete der Mnisterpräsident Paschitsch die an ihn gerichtete Inter⸗ elaion über die äußere Politik der Regierung mit einem rofé über die äußere Lage und die serbische

Folitik vom Beginn des Krieges bis zum gegenwärtigen Nugenblick, unter besonderer Berücksichtigung der augenblicklichen Geiehungen zu Bulgarien. Nachdem der Minister betont hatte, —h er den vollen Inhalt des Vertrages mit Rücksicht auf einen geheimen Charakter nicht mitteilen könne, entwarf er in Bild der politischen Lage, die zum Kriege geführt hatte, ind ihrer weiteren Entwicklung. Nach dem Bericht des W. T. B.“ sagte der Minister u. a.: Die Großmächte erklärten allerdings zu Anfang des Krieges ihr eritoriales Desintéressement, trotzdem nahmen sie Serbien gerade ene Gebiete weg, die zum alten Serbenreiche gehörten und für ebiens politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit unbedingt not⸗ vendig gewesen wären. Serbien fügte sich gutwillig mit der Er⸗ ürung, daß es dafür von den Großmächten Ersatz auf anderer Seite rwarte Es drückt uns, daß die Großmächte dadurch, daß sie den sterreichischen Vorschlag bezüglich Albaniens sich zu eigen machten, af die schließliche Lösung der Balkanfrage Verzicht leisteten und einen Zustand schufen, der für sie auf eine lange Reihe, von Jahren die jelle von Sorgen und Unannehmlichkeiten bleiben wird. Mit dem eandlichen n des Friedens mit der Türkei sind keineswegs alle Fiagen gelöst. 1Auf der Tagesordnung stehen Fragen über Gebiets⸗ bgrenzungen der Balkanstaaten untereinander, von deren ercchter Lösung die weiteren Erfolge und der Wohlstand der Balkan⸗ ölker abhängen. Am wenigsten Schwierigkeiten bietet die Aus⸗ inandersetung mit Montenegro. Bei strittigen Punkten, wie in Diakoviza und Plevlje, wird ein Einverständnis ohne jede Schwierigkeit rreicht werden. Die Grenzen Albaniens, die die Großmächte fest⸗ gesezt haben, sind sogenannte ethnographische, die am wenigsten maß⸗ gebend sind, wenn es sich darum handelt, aus Gebieten, die durchweg gebirgig und schwer zugänglich sind, einen Staat zu bilden. Wir ofee, daß die Delegierten der Großmächte bestrebt sein werden, die hwierigkeiten, die für Serbien und die Verwirklichung der Adria⸗ hahn aus der beabsichtigten Abgrenzung Albaniens erwachsen, aus dem Wege zu räumen. „.„Zu Bulgarien stehen wir als Verbündete in freundschaftlichen Zeziehungen. Das serbisch⸗bulgarische Bündnis dient als Grundlage ir den allgemeinen Balkanbund. Selbstverständlich sind im Bündnis⸗ ettrag viele Ereignisse vorgesehen, und dementsprechend Bestimmungen ber die Rechte und Pflichten der beiden Verbündeten festgesetzt. lder Bundesvertrag wird auf Grund gewisser Voraussetzungen ge⸗ stlasen, wenn sich aber im Laufe der Zeiten die Verhältnifse und Patsachen, auf denen der Vertrag beruht, ändern, dann muß der gertrag einer Revision unterzogen und mit neuen Tatsachen in Ein⸗ lang gebracht werden, wenn der Wunsch nach einem weiteren Be⸗ ande des Vertrags rege sein soll.

Die Regierung erfüllte ihre Bundespflicht treu, weil sie von der bberzeugung durchdrungen war, daß ihre Treue und Gewissenhaftig⸗ eit endlich anerkannt und belohnt werden müßten. Daher ist es gegreftllich, daß sie sich gehütet hat, während des Krieges den sundesgenossen Zugeständnisse abzuzwingen, weil solches der

tterlichkeit des Serbenvolkes nicht entspräche. Die Tat⸗ fachen, auf denen der Bündnisvertrag und die Militär⸗ anvention beruhen, änderten sich vor dem Kriege und vährend des Krieges dermaßen, daß nur diejenige Linie nverändert blieb, die unter gewissen Bedingungen die serbisch⸗bul⸗ arische Grenze Mazedoniens darstellt, die aber auf Grund von ver⸗ aglich vorgesehenen Tatsachen fixiert war. Infolge gänzlicher venderung dieser Tatsachen ist diese Grenzlinie nicht aufrechtzuerhalten. F Vertrag kann nicht in diesem einen Punkte Gültigkeit behalten

hder fundamentalen Wandlung aller anderen. b ef Ferner sind vertraglich strittige und unbestrittene Gebiete vor⸗ et zen, beispielsweise ist nördlich und westlich vom Schargebirge un⸗ östrittenes serbisches Gebiet und östlich von der Struma und vom dbodopegebirge unstreitig bulgarisches Gebiet. Das Gebiet zwischen i Schar, und dem Rhrdopegebirge, dem Archipelages und

dem Ochridasee ist strittig; es kann autonom organisiert oder geteilt werden, falls eine selbständige Organisation untunlich erscheint. Im sel⸗ einer Teilung verlangt Serbien nur das ihm nach der festgestellten Grenzlinie Zukommende und Bulgarien müßte die Grenz⸗ linie annehmen, wenn der Schiedsrichter für dieselbe entscheidet. In diesem Falle erheben die Bulgaren Ansprüche auf das Gebiet zwischen dem Schargebirge und der bezeichneten Linie, während Serbien auf dem Standpunkt steht, daß die serbisch⸗bulgarische Grenze zwischen dem Schargebirge, dem Rhodopegebirge, dem Archipelagos und dem Ochridasee zu fixieren ist. Diese Streitfrage hätte nur dann Sinn, wenn der Vertrag in allen Punkten eingehalten wäre.

Die Differenzen zwischen Serbien und Bulgarien be⸗ schränken sich nicht auf die Deutung und Anwendung des Vertrags, sondern drehen sich hauptsächlich um die Frage, ob der Vertrag noch gilt oder nicht, weil tatsächlich viele der eingegangenen Verpflichtungen unerfüllt geblieben und zahlreiche vertragsmäßige Lasten nicht getragen und Pflichten nicht geleistet worden sind, und weil die tat⸗ sächlichen Kriegserrungenschaften hauptsächlich durch die Ein⸗ flüsse von außen wesentliche Aenderungen gegenüber den An⸗ nahmen bei dem Vertragsschlusse erfahren haben. Nach dem Vertrage hatte Serbien ein Anrecht auf das Küstengebiet am Adriatis Meere; infolge Einschreitens der Großmächte opferte es diesen spruch den Interessen seines Bundesgenossen. Es hat somit Anspru auf einen Ersatz für diesen Verlust. Die Größe der serbischen Er⸗ oberungen in Mazedonien kann den Verlust an politischer und wirt⸗ schaftlicher Unabhängigkeit, den Serbien im Westen erlitten hat, nicht aufwiegen. 8

Dies ist die wichtigste Aenderung gegenüber dem Vertrage, die ganz unvorhergesehen eingetreten und des alb als „höhere Gewalt“ anzusehen und bei der Verteilung der eroberten Gebiete in Betracht

gezogen werden muß. Die zweite wesentliche Aenderung des Vertrags

ist durch die Fortsetzung des Krieges nach dem Waffenstillstand hervor⸗ gerufen worden. Der Friede wäre damals möglich gewesen, wenn Bul⸗ garien nicht Adrianopel und das weiter östlich gelegene Gebiet für sich gefordert hätte. Obgleich der Hauptzweck des Krieges damals schon er⸗ reicht war, brachte Serbien dem Bundesgenossen vertragsmäßig nicht vorgesehene Opfer, damit Bulgarien Adrianopel und Thrazien erhalte, was durch den Bundesvertrag nicht vorgesehen war. Serbien glaubt daͤfür ein Recht auf einen Ersatz erworben zu haben. Die Groß⸗ mächte haben Serbien eine durch den Vertrag vorgesehene Eroberung fortgenommen; sie haben aber Bulgarien eine laut Vertrag nicht be⸗ anspruchte Eroberung zu machen erlaubt. Hierdurch ist das Ver⸗ hältnis zwischen den Bundesgenossen verschoben worden und der Bündnisvertrag von Grund aus geändert.

Jetzt ist auch die Zeit gekommen, weitere Abweichungen fest⸗ zustellen. Bulgarien war nämlich durch den Bundesvertrag und die Militärkonvention verpflichtet, 100 000 Kombattanten auf den Kriegsschauplatz am Wardar zu entsenden. Jedoch kurz vor Beginn des Krieges am 23. August und 15. September ver⸗ langte Bulgarien, dieser Verpflichtung enthoben zu werden. Serbien stimmte zu, mußte aber infolgedessen sein eigenes Heer auf über 400 000 Mann erhöhen. Im Verlaufe des Krieges zeigte sich ferner, daß Bulgarien selbst nach Transferierung seiner Wardararmee an die Maritza nicht genügend Kräfte hatte, um die Türkei zu besiegen und den Frieden zu erzwingen. Deshalb mußte Bulgarien Hilfe von Serhbien verlangen. Diese von Serbien gewährte Hilfe war aber im Bundesvertrage nicht vorgesehen. Von bulgarischer Seite wurde hervorgehoben, daß die Aenderung der Militärkonvention das Ergebnis einer Uebereinkunft der beiden Generalstabschefs gewesen sei. Es wird jedermann einleuchten, daß die Generalstabschefs solche Aenderungen eines Staatsvertrags ohne Vollmacht nicht durchführen dürfen, sowie daß Serbien durch das Plus der von ihm gebrachten Opfer zur Be⸗ siegung des gemeinsamen Feindes das Recht erlangte, bei der Ver⸗ teilung des eroberten Gebiets berücksichtigt zu werden.

Alle angeführten Gründe veranlassen uns, eine Revision des Vertrages zu fordern, mit Rücksicht darauf, 1 er bereits Aende⸗ rungen erfahren hat, die mit seinem ursprünglichen Wortlaut nicht übereinstimmen. Wenn auf beiden Seiten derselbe gute Wille vor⸗ handen ist, der sich bei Abschluß des Vertrages zeigte, dann wird auch der von uns verlanaten Revision des Vertrages und damit im Zu⸗ sammenhang der Verteilung des eroberten Territoriums nichts im Wege stehen, und es wird ein neues Einverständnis in ebenso freund⸗ schaftlicher Weise erzielt werden, wie das ursprüngliche, das zum Kriege und ruhmvollen Siege führte.

Schon im Februar teilten wir der bulgarischen Regierung unsern Wunsch nach einer Revision des Bündnisvertrags schriftlich mit, nachdem wir bereits vorher mündlich den Wunsch geäußert hatten. Wir ersuchten Bulgarien, diese Angelegenheit ohne Voreingenommen⸗ heit zu prüfen, damit sie ohne jede Erregtheit und ohne Hinzuziehung der öffentlichen Meinung und der Großmächte unter uns in freund⸗ schaftlicher Weise erledigt werde. Leider war Bulgarien nicht geneigt, mit uns darüber in Verhandlungen zu treten, haupt⸗ sächlich darum, weil es unsere Meinung, daß der Vertrag durch den Gang der Ereignisse bereits geändert worden sei, nicht teilte. Wir haben soeben bei der bulgarischen Reskeerec hteder einen Schritt getan und die Gründe, die zu Gunsten unseres Standpunktes sprechen, wiederholt. Wir hoffen daher, daß die bulgarische Regierung unsere Gründe freundschaftlich prüfen und die Erörterung dieser Frage, von der die Erhaltung des Bündnisses abhängt, zulassen wird. Den von mir bereits angeführten Gründen zu Gunsten unseres Standpunktes können noch unzählige hinzugefügt werden. 1

Unser Gebiet ist durch den Verlust des adriatischen Küsten⸗ landes und durch Schaffung des albanesischen Staates stark vermindert. Offenbar ist dadurch im Hinblick auf das, was Bulgarien erhält, das Gleichgewicht unter den Balkanstaaten erschüttert, welches annähernd verwirklicht werden könnte, wenn man dafür sorgte, daß zwei Balkan⸗ staaten zusammengenommen der Größe nach Bulgarien entsprächen.

Zweitens haben wir einen größeren Verlust dadurch erlitten, daß wir um den direkten Weg zur Adria gekommen sind, der uns un⸗ abhängiges, wirtschaftliches Leben verbürgen sollte. Bei Abschluß des Vertrags mit Bulgarien rechnete Serbien mit Bestimmtheit auf Er⸗ langung der adriatischen Küste. Nun ist es gezwungen, seiner Ein⸗ und Ausfuhr einen Weg über Saloniki zu sichern, was es aber nur erreichen kann, wenn der Weg Uesküb Saloniki und Monastir Saloniki nicht geschlossen wird und Serbien in unmittelbarer Be⸗ rührung mit Griechenland bleibt. Serbien steht gegenwärtig in freundschaftlichen Beziehungen zu Bulgarien. Es können aber die Verhältnisse und Zeiten ohne unser Verschulden ändern, wie bei⸗ spielsweise während der bosnischen Annexionskrise. Wir könnten eines Tages wieder zerniert und gezwungen werden, die uns von Oesterreich⸗Ungarn und Bulgarien auferlegten wirtschaftlichen Be⸗ dingungen anzunehmen 1

Drittens will ich noch einige Fragen berühren, die zwar von den Interpellanten nicht erwähnt worden sind, die aber mit unserer augenblicklichen politischen Lage im engsten Zusammen⸗ hange stehen. Zunächst die Teilung des eroberten Ge⸗ bieks. Sie kann nicht streng nach ethnographischen Grund⸗ fätzen durchgeführt werden, weil Mazedonien ethnographisch so emischt ist, daß man auf Grund ethnographischer Scheidung eine lebensfäbigen Balkanstaaten schaffen könnte. Die Grenze Serbiens in Mazedonien muß daber so gezogen werden, daß sie unseren wirtschaftli und Staatsinteressen entspricht; überdies ist zu bedenken, da alle diese mazedonischen Gebiete einst serbisch waren, daß sie von den Türken erobert und jetzt von den Serben zurückerobert worden sind. Alle diese Momente bestätigen unsere Auffassung und drängen kate orisch zu der von uns geforderten Revision unseres Vertrages mit Fulgadien Diese Forderung will den bestehenden Bündnisvertrag weder lockern noch annullieren, denn gerade diejenigen, die die Revision fordern, und das sind wir, wollen Grunde genommen das Bündnis erhalten; die⸗ jenigen aber, die gegen die Revision sind, scheinen mir nicht ehrliche Freunde unseres Bündnisses zu sein.

Wie sehr wir unserem Bundesgenossen die Bundestreue gewahrt haben, beweist am besten die Tatsache, daß wir das uns während der

Verhandlungen über die albanesische Frage gemachte Angebot des ganzen Wardartales mit Saloniki, wenn wir freiwillig auf die Küste am Adriatischen Meere verzichteten, zurückgewiesen haben, um nicht Pefen die Bündnispflichten zu verstoßen, und weil wir im guten Glauben waren, daß die unsern Bundesgenossen loyal gewährte Hilfe, wenn sie auch nicht im Vertrage ausbedungen war, doch. schließlich anerkannt und belohnt werden müßte. Serbien ist auch in diesem Augenblick noch von feees, g ses Gefühlen gegenüber dem Bundesgenossen erfüllt, wo es die Revision des Bundesvertrags fordert. Ich bitte daher die Herren Abgeordneten, bei der bevor⸗ stehenden Diskussion auf den Ernst des Gegenstandes und die Ge⸗ fühle unseres Verbündeten Rücksicht zu nehmen, denn nur so können wir den Balkanbund festigen, der für alle Balkanstaaten nötig ist. Das Erxposé des Ministerpräsidenten wurde wiederholt mit Beifallskundgebungen aufgenommen. Nach kurzer Pause wurde die Sitzung auf heute vertagt. W1“

Einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ zufolge hat sich Salar ed Dauleh des Zollamts Meschedissar am Kaspischen Meere bemächtigt. Die russische Gesandtschaft hat dem Konsul in Astrabad Instruktionen erteilt, durch russische Truppen die Zollämter in Bendergaz und Meschedissar zu schützen, deren Einnahmen teilweise der russischen Regierung verpfändet sind. Es wird geplant, vierhundert Bachtiaren gegen Salar ed Dauleh auszusenden.

Afrika.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat Thami el Glaui am 22. Mai nach heftigem Kampfe mit den Leuten El Hibas die Stadt Tarudant genommen. El Hiba ist in Verkleidung entflohen.

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Koloniales.

Von dem „Jahrbuch über die deutschen Kolonien“ ist der VI. Jahrgang mit einem Bildnis Seiner Hoheit des Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg, Gouverneurs von Togo, einem mehr⸗ farbigen Kärtchen von Afrika und einer Karte von Kamerun in seinem heutigen Umfange mit der Verteilung der deutschen Militärstationen (herausgegeben von Dr. Karl Schneider, Verlag von G. D. Bae⸗ deker, Essen, geb. 5 ℳ) erschienen. Eingeleitet wird dieser Jahrgang durch einen Lebensabriß des neuen Gouverneurs von Togo, Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg, aus der Feder des Hauptmanns a. D. Winkler. Von den weiteren Arbeiten beschäftigen sich mehrere lesens⸗ werte, so die von Hauptmann C. von Perbandt, Pastor Gleiß und Rud. Wagner, mit der Frage der Besiedlung unserer Kolonien durch Deutsche. Einen interessanten Beitrag hat Karl Singelmann mit seinem Aufsatz über die „Beziehungen der deutschen Kolonien zu ihren spanischen und portugiesischen Nachbarn“ beigesteuert. E. Langen be⸗ antwortet die Frage „Wie wandelt sich Samoa und seine Bevölke⸗ rung?“ und Dr. F. Zadow erörtert das zollpolitische Verhältnis zwischen Kolonie und utterland“. Ueber den Ertrag der Zölle, die bekanntlich eine Haupteinnahmequelle der deutschen Schutzgebiete sind, unterrichtet die am 12 des Jahrgangs wiedergegebene Kolonialstatistik, der Diedr. Baedeker Erläuterungen hinzugefügt hat. Dr. Waltz behandelt in einem lehrreichen Aufsatze „die Pflanzungen der Europäer und ihre Erträgnisse“. Professor Meinhoff ist im „Jahrbuch“ mit einem Beitrag über das „Seelenleben der Ein⸗ geborenen“ und Professor Fleischmann mit eingehenden Aus⸗ führungen über die „Verwaltung der Kolonien im Jahre 1912“9 ver⸗ treten, während Professor Eckert die „Fortschritte in der geographischen Erschliehuns unserer Kolonien“ erörtert. Jedem, der 8 über die geographische Erforschung und die wirtschaftliche Entwicklung, über die Missions⸗ und Kulturarbeit, über die Besiedlung und Bebauung, über die Gesundheits⸗, die Verkehrsverhältnisse und den Handel in den deutschen Kolonien auf dem laufenden erhalten will, kann der neue Jahrgang dabei gute Dienste leisten.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstags befindet sich in der Ersten Beilage.

Statistik und Volkswirtschaft.

Ueber die Leistungsfähigkeit der Dampfmaschinen und

Dampfturbinen in Preußen am 1. April 1 912 gibt das Königliche Statistische Landesamt in der „Stat. Korr.“ eine Uebersicht, nach der die Leistungsfähigkeit zu dem genannten Zeitpunkt bei den feststehenden Dampfmaschinen 6182 116 Pferdestärken (gegen 6 069 164 i. J. 1911, 5 837 782 i. J. 1910, 3 709 662 i. J. 1901), bei den Lokomobilen 550 579 Pferdestärken (gegen 515 858 i. J. 1911, 469 299 i. J. 1910, 251 073 i. J. 1901), bei den Binnen⸗ schiffsdampfmaschinen 357 399 Pferdestärken (gegen 345 393 i. J. 1911, 321 227 i. J. 1910, 202 218 i. J. 1901) und bei den Seeschiffsdampfmaschinen 269 446 Pferdestärken (gegen 255 455 i. J. 1911, 239 936 i. J. 1910, 165 825 i. J. 1901), z u⸗ sammen bei den Dampfmaschinen 7 359 540. Pferdestärken (gegen 7185 870 i. J. 1911, 6 868 244 i. J. 1910, 4 328 778 i. J. 1901) betrug. Die bei der Leistungsfähigkeit der Dampfmaschinen nicht in Ansatz gebrachte Zahl der Pferdestärken der Dampfturbinen, deren Tätigkeit zur Kenntnis des Statistischen Landesamts gelangt ist, belief sich am 1. April 1912 auf 971 653 (1911 auf 787 612, 1910 auf 478 959).

Die Dampfmaschinenstatistik zeigt eine Verlangsamung der Zu⸗ nahme bei den feststehenden Dampfmaschinen und den Lokomobilen. Doch ist diese Feesscseraas durch die erst seit drei Jahren statistisch be⸗ rücksichtigten Dampfturbinen ziemlich ausgeglichen. Letztere haben zwar von 1911 zu 1912 nicht so stark zugenommen wie von 1910 zu 1911, indessen ist es sicher, daß die ersten Nachweise unvollständig waren und erst der letzte Nachweis von 1912 annähernd an die Wirklichkeit heranreicht. Bemerkenswert ist jedenfalls, daß die Leistungsfähigkeit der Dampfmaschinen (einschließlich der Lokomobilen und schiffs⸗ dampfmaschinen) seit 1901 von 4333 Millionen Pferdestärken auf 7,,18 Millionen PS, also um 70 v. H. zugenommen hat; bei Berücksichtigung der vor 1901 so gut wie gar nicht vorhandenen Dampfturbinen kommt man sogar auf eine Zunahme von 92,5 v. H. Seit 1900 ist eine Verdoppe⸗ lung der Dampfkraft in Preußen festsustellen und dies trotz der in der letzten Zeit immer stärkeren Inbetriebsetzung von Oel⸗ und Gasmotoren, insbesondere der Großlchtgaemaschinen, zu deren statistischer Erfassung leider bis jetzt die rechtlichen Handhaben fehlen. Wie die früheren, so zeigt auch die neueste Statistik, daß die Re⸗ gierungsbezirke Arnsberg und Düsseldorf sowohl an Kolbendampfmaschinen als auch an Dampfturbinen an der Spitze marschieren; sie besitzen zusammen 2,87 Millionen PS, rund ein Drittel des Gesamtbetrages der Dampfkraft in Preußen.

Zur Arbeiterbewegung. Aus Düsseldorf meldet die „Rh.⸗Westf. Ztg.“, daß die vom freien Metallarbeiterverband über die Rheinische Metall⸗ waren⸗ und Maschinenfabrik verhängte Sperre nach 4% monatiger Dauer als vollständig ergebnislos aufgehoben worden ist. 8