1913 / 130 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Jun 1913 18:00:01 GMT) scan diff

oßherzog von

inienschiffes „E

Seine gliche Hoheit der Baden ist gestern abend zur Taufe des Weißenburg“ in Bremen eingetroffken.

Oesterreich⸗Ungarn.

Der Prinz⸗Regent und die Prinzessin Ludwig von Bayern sind gestern nachmittag zu offiziellem Besuche des Kaisers Franz Joseph in Wien eingetroffen. Wie „W. T. B.“ meldet, fand 9 dem Bahnhofe großer Empfang statt. Nach der Begrüßung des Kaisers, des Erzherzogthron⸗ folgers und der anderen anwesenden Mitglieder des Kaiser⸗ hauses fuhren der Prinz⸗Regent mit dem Kaiser und die Prinzessin Ludwig mit der Erzherzogin Maria Annunziata unter lebhaften Kundgebungen der Bevölkerung nach der Hofburg, wo die bayerischen Herrschaften von den obersten Hofchargen erwartet wurden. Der Kaiser geleitete den Prinzregenten und seine Ge⸗ mahlin nach den Fremdengemächern, wo er ihnen die Erz⸗ herzoginnen und die Herzogin Sophie von Hohenberg vorstellte. Sodann fand Empfang der höchsten Würdenträger statt, unter denen sich die gemeinsamen Minister, der Ministerpräsident Graf Stürgkh mit den österreichischen Ministern sowie namens der ungarischen Regierung die Minister Josipovich und Hazai be⸗ fanden. Abends fand in der Hofburg eine Familientafel statt.

Wie „W. T. B.“ aus Budapest meldet, hat der Ge⸗ richtshof den oppositionellen Abgeordneten Desy von der An⸗ 8 de Beleidigung des Ministerpräsidenten Lukacs frei⸗ gesprochen.

Gestern abend fand ein Ministerrat statt, in dem nach einstündiger Beratung der Rücktritt des Kabinetts be⸗ schlossen wurde.

„In der gestrigen Konferenz der Regierungspartei teilte der Ministerpräsident Lukacs, der mit stürmischen Kund⸗ gebungen empfangen wurde, mit, daß er dem Abgeordnetenhause heute die Demission des Kabinetts anzeigen werde, worauf das Haus bis zur Entschließung des Königs vertagt werden würde. Der Präsident der Regierungspartei Graf Khuen⸗ Hedervary erklärte, die Partei beuge sich dem Spruche des Richters, werde jedoch die unvergänglichen Dienste, die der Ministerpräsident dem Lande und der Partei erwiesen habe, nie vergessen. Namentlich werde sie stets der großen Verdienste ein⸗

edenk sein, die der Ministerpräsident sich im Vorjahre im

erein mit dem Präsidenten des ö“ durch den energischen Schritt, der die Arbeitsfähigkeit des Parla⸗ mentes wieder hergestellt habe, erworben hätte, durch den er ugleich die Wehrvorlagen durchgesetzt und die Möglichkeit ge⸗ chaffen habe, in schwerer Zeit die gefährdeten Interessen Ungarns und der Monarchie nachdrücklichst zu wahren. Die e schloß mit erneuten ehrenden Kundgebungen für Lukacs.

Frankreich.

Heute mittag wird im Ministerium des Aeußern die Internationale Finanzkommission zur Regelung der mit dem Balkankrieg zusammenhängenden Finanzfragen vom Minister Pichon mit einer Begrüßungsansprache eröffnet. Die Finanzkommission wird ihre Arbeiten jedoch erst am Montag beginnen. 8 DDer Senat hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, bei der Beratung des Feschänf esetzes mit 167 gegen 115 Stimmen gewisse Zuschlagsteuern für A abge⸗ lehnt, die von der Kammer angenommen und von der Regie⸗ rung verteidigt worden waren.

—— Die gestrige Debatte über die dreijährige Dienst⸗ zeit in der Deputiertenkammer verlief ziemlich ruhig. MNur die Rede des stellvertretenden Ausschußvorsitzenden Jose

Reinach, der entschieden für den dreijährigen Militärdienst

eintrat, rief einige lebhafte Auftritte hervor.

Nach dem Bericht des oben genannten Telegraphenbureaus er⸗

innerte Reinach an die Haltung des Parlaments vor 1870, das die

Miilitärvorlage des Marschalls Niel abgelehnt habe und dadurch an

der Niederlage des französischen Heeres mitschuldig geworden sei. Der

republikanisch⸗sozialistische Deputierte Augagneur rief: Gambetta hat mit einem improvisierten Heere die Chre gerettet.

Der radikale General Pedoya sagte: Frankreich wurde 1870 geschlagen, weil die Armee durch den merxikanischen Feldzug erschöpft, weil kein Mobilisierungsplan der Intendanturdienst mangelhaft war. Reinach entgegnete,

Gambetta habe allerdings mit einer improvisierten rmee

die Ehre Frankreichs gerettet, aber mit einer geschulten

Armee hätte er Frankreich vor der Niederlage bewahrt. Der

soszialistisch⸗radikale Professor Thalamas sprach gegen den Gesetz⸗

entwurf. Er erklärte, Frankreich stehe nicht allein. Es könne

Wgesichts der Bevölkerungsziffern mit Deutschland nicht gleichen

Schritt halten. Es müßte stark genug sein, um den ersten Angriff

auszuhalten. Es besitze aber die Entente cordiale und das Bündnis

mit Rußland. Er hoffe, der französische Generalstab habe sich bemüht, die russische Regierung von der Notwendigkeit einer beschleunigten

Mobilisierung zu überzeugen. b

Hierauf wurde die Debatte abgebrochen. Der Sozialist

Painlevé begründete sodann seine Interpellation über das

Polizeiverbot gegen die Kundgebung der republi⸗

1 Studenten vor dem eanne d'’Arc⸗ Denkmal sowie 1es2 Beschlußantrag, daß der Bekundung

republikanischer und freidenkerischer Gesinnung keine Hindernisse

bereitet werden möchten. Der Minister des Innern Klotz er⸗ klärte, daß der Leiter der Geheimpolizei eigenmächtig vor⸗ gegangen und deshalb pensioniert worden sei. Er nehme den

Beschlußantrag Painlevés anstandslos an, der den Tendenzen

der Regierung entspreche. Der Antrag wurde mit 483

17 Stimmen angenommen. A“

laut Meldung des „W. T. B.“ mit 164 gegen 117 Stimmen bei 23 Stimmenthaltungen eine Tagesordnung der Okto⸗ 1 bristen die gegen Aus nahmebestimmungen und Willkürhandlungen der Behörden und die Förde⸗ rung des Nationalitätenhaders Einspruch erhebt, das Minnisterium des Innern beschuldigt, die Achtung des Volkes vor dem Gesetze und vor der Staatsgewalt zu untergraben und die oppositionelle Stimmung im Lande zu erhöhen, und zum 1 Fcbeelt die schleunige Durchführung umfangreicher Reformen fordert. Italien.

Die Deputiertenkammer hat gestern nach längerer Debatte über die Mißstände beim Bau 8 Justiz⸗ alastes, wie „W. T. B.“ meldet, unter Zustimmung der

vorhanden und

Regierung eine ““ Sonnino mit einem Amendement Berenini angenommen, die die Kommissions⸗ beschlüsse zur Kenntnis nimmt und billigt, die Akten den Justizbehörden überweist und die Regierung um Maßnahmen ersucht, die Ausgaben für öffentliche Arbeiten im Rahmen der Parlamentsbeschlüsse zu halten, ferner eine Tagesordnung Eugenio Chiesa und Genossen, die es grundsätzlich für unerwünscht erklärt, daß Abgeordnete ihre guten Dienste für Transaktionen, an denen der Staat beteiligt ist, anbieten, und die Vorlegung eines Gesetzentwurfs entsprechenden Inhalts verlangt. Dänemark.

Der König Gustav von Schweden hat gestern abend an Bord des Panzerschiffes „Oskar II.“ die Rückreise nach Schweden angetreten. Am Bahnhofe hatten sich zur Verab⸗ schiedung der König Christian, die Königlichen Prinzen so⸗ wie die Spitzen der Militär⸗ und Zivilbehörden eingefunden.

Türkei.

„Das Ministerium des Aeußern hat das Ersuchen mehrerer griechischer Schiffahrtsagenten um die Ermächtigung zur Wiederaufnahme der Schiffahrt zwischen der Türkei und Griechenland abschlägig beschieden. Wie „W. T. B.“ meldet, weist das Ministerium in seinem Bescheid darauf hin, daß Griechenland den Protokollanhang nicht unterzeichnet habe, wonach die Bestimmungen des Präliminarfriedens sofort in Wirk⸗ samkeit treten sollten. Aber selbst dann, wenn es wie Bulgarien unterzeichne, müßte noch ein Spezialabkommen getroffen werden. Die Angelegenheit ist dem Ministerrat unterbreitet worden, der darüber entscheiden wird, ob es nötig ist, den Londoner Delegierten Instruktionen für den Abschluß eines entsprechenden Uebereinkommens mit Griechenland und Bulgarien zu erteilen. 1

Serbien.

Der König hat vorgestern den Ministerpräsidenten Paschitsch in einstündiger Audienz empfangen. Nach einer Meldung der „Prawda“ hat das Armee⸗ oberkommando die Entlassung der türkischen Kriegs⸗ efangenen verfügt.

Bulgarien.

Der König hat gestern abend mehrere Führer der Oppositionsparteien in Audienz empfangen.

Im amerikanischen Repräsentantenhause ist gestern eine Gesetzesvorlage eingebracht worden, wonach feemn⸗ Schiffe ebenso wie amerikanische das Recht der reien Durchfahrt durch den Panamakanal haben sollen, wenn sie in der Küstenschiffahrt tätig sind. Wie „W. T. B.“ meldet, sagt die Einleitung der Vorlage, eine Beschränkung der Schiffahrt auf amerikanische Fahrzeuge würde der mono⸗ polistischen Kontrolle des Handels Vorschub leisten.

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Mexiko Huerta hat die Festsetzung der Präsidentenwahl auf den 26. Oktober genehmigt. artiui

soll W Salar auleh bei Lahidian, einige Tagemärsche von Rescht entfernt, befinden und seine Anhänger sollen auf dem Wege dorthin den Enkel des Sepehdar getötet haben. Die Regierung befindet sich über diese gefährliche Entwicklung der Rebellion Salar ed Daulehs in größter Sorge. Die An⸗ forderungen an den sind übergroß, und außer einigen hundert Bachtiaren sind keine Truppen verfügbar. Ob diese nach Rescht gesandt werden, wo sich eine russische Okkupationstruppe befindet, ist noch nicht bekannt.

l. Melthegee des „Reuterschen Berenus“ aus

Koloniales.

n Bres ist am 3. d. M. die Deutsche Kolonialgesell⸗ schaft zu ihrer sommerlichen Haupttagung zusammengetreten. Es and zunächst eine von dem Präsidenten der Gesellschaft, Seiner Hoheit dem Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, Regenten des Pesggth Braunschweig, mit einer Ansprache eröffnete Sitzung des

orstandes statt, der eine Reihe von inneren Verwaltungsangelegen⸗ heiten erledigte. Die von der Deutschen Kolonialgesellschaft im Vor⸗ jahre eingesetzte Eisenbahnkommission hat im großen und ganzen das Eisenbahnprogramm des Reichskolonialamts zu eigen ge⸗ macht, insbesondere auch die Bedenken des Staatssekretärs Dr. Solf gegen die zu hohen Tarife der Schienenwege unserer Schutzgebiete. Dem Vorstande liegt eine ausführliche Denkschrift über den Stand und die Zukunft unseres Eisenbahnwesens vor. Der Kommission wurde zur ihrer Arbeiten eine Summe bis zu 5000 zur erfügung gestellt. Wie in den letzten Jahren erhält auch wieder das von Prsfeses Dr. fnle Hecle⸗ herausgegebene „Archiv für Schiffs⸗ und öö eine Jahresbeihilfe von 1000 ℳ. Mit der nächst⸗ jährigen T der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft wird wieder eine koloniale Abteilung verbunden sein. Der Vor⸗ stand beschloß, hierfür eine Beihilfe von 4000 zu gewähren. Für die bei Windhuk gelegene Heim⸗ und Lehrfarm Brakwater der Frau von Falkenhausen wurde ein Betrag von 2000 bewilligt. Hierauf wurde die folgende von dem Grafen von Arnim⸗Muskau beantragte, in dessen Abwesenheit von dem Grafen von Schweinitz begründete Resolution einstimmig gefaßt: „Der Vorstand sieht in der fortschreitenden Iflamierung in Ostafrika eine ernste politische und kulturelle Gefahr, der entgegengetreten werden muß. Das Reichskolonialamt möge in 88 8 unter Anforderung der nötigen Mittel zweckentsprechende aßnahmen veranlassen.“ Nachdem die Tages⸗ brbnung für die Hauptversammlung festgesttt worden war, wurde beschlossen, eine Vorstandssitzung im Herbst in Berlin abzuhalten, deren Zeitpunkt der Präsident 8e soll. Zum Schluß machte Konsul a. D. Vohsen Mitteilung von den Preisausschreiben der Gesellschaft, in denen namhafte Prämien ausgesetzt sind.

Nach einer Meldung von „W. T. B.“ aus Daressalam Prees ist die Mittelöffnung der Mares s1gm rücke an der im Bau begriffenen Eisenbahn von Tabora nach Kigoma am Tanganjikasee bei km 236 jenseits von Tabora, eine Eisenkonstruktion von 51,2 m Stützweite, am 1. Juni bei Hoch⸗ bosser mit Pontons auf Strompfeiler unter Leitung des Baurats Hoffmann glatt eingefahren worden.

Statistik und Volkswirtschaft. Die Fürsorgeerziehung Minderjähriger in 8 v“ Preußen

Wie für die Vorjahre hat das Ministerium des Innern vor kurzem auch für das Rechnungsjahr vom 1. April 1911 bis 31. Mär 1912 eine ausführliche Statistik über die Feclacgeereseheng Minder, jähriger (Gesetz vom 2. Juli 1900) veröffentlicht, aus der wir die folgenden Zahlen mitteilen. 8

Während des Berichtsjahres 1911/12 sind in Preußen

worden (1910/11: 87 6921). Im 1. Jahrzehnt des Bestehens des Fürsorgeerziehungsgesetzes (bis 31. März 1911) betrug der Durchschnitt des jährlichen Zugangz 7155; das Jahr 1911/12 überragt diesen Durchschnitt um 2193 oder 30,6 %. Mit der Zahl der Fürsorgezöglinge bleiben Ostpreußen Westpreußen, Pommern, Posen. Schlesien, Sachsen, Schleswig⸗ Holstein, Hannover, Westfalen, Fe . Cassel und Hohen⸗ zollern hinter ihrem Anteil an der gleichalterigen Bevölkerung zurück; dagegen übersteigt die Zahl der Fürsorgezöglinge die Anteilsziffer dieser in Brandenburg, Berlin, Regierungsbezirk Wies⸗ baden und der Rhei 18 Jahre alten Bevölkerung des Staates mit 3,8 % beteiligt ist, be⸗ trägt ihr Prozentsatz an Fürsorgezöglingen 8, 6, also annähernd das 2 fache. Auf die Provinz Posen dagegen entfallen nur 3,2 % aller Fürsorgezöglinge, während diese Provinz 6 % der im Alter bis zu 18 Jahren stehenden Bevölkerung des Staates aufzuweisen hat.

Von den im Jahre 1911/12 der Fürsorgeerziehung überwiesenen Minderjährigen waren 5891 (im Vorjahre 5617) männlichen und 3457 (3116) weiblichen Geschlechts. Der Anteil der männlichen Ueberwiesenen an der Gesamtzahl ist im Berichtsjahre von 64,3 auf 63,0 % zurückgegangen, dagegen jener der weiblichen von 35,, auf 37,0 % gestiegen, was hauptsächlich darauf zurückzuführen ist, daß schulentlassene weibliche Personen, die schlechten Neigungen, insbesondere der Unzucht ergeben sind, in zunehmender Zahl der Für sorgeerziehung überwiesen wurden. Bringt man die im Jahre 1911/12 überwiesenen Zöglinge in Verhältnis zur gleichaltrigen Bevölkerung Preußens, so kamen auf je 10 000 männliche Personen im Alter bis zu 18 Jahren 7,0 188 Vorjahre 6.5) und auf 10 000 weibliche Personen 4,5 3,8) Fürsorgezöglinge. Von den Neuüberwiesenen standen 438 (im L59 jahre 368) im Alter bis zu 6 Jahren, 2350 (2287) im Alter von 6 bis 12 Jahren und 6560 (6078) im Alter von 12 bis 18 Jahren. Die oben festgestellte Zunahme der Zahl der neuüberwiesenen Für⸗ sorgezöglinge entfällt demnach hauptsächlich auf die Altersklasse von 12 bis 18 Jahren, der 70,2 (im Vorjahre 69,2) % der Zöglinge an⸗ gehörten, während auf die Altersklasse von 6 bis 12 Jahren 25,1 (26,2) % und auf die jüngste bis zu 6 Jahren 4,7 (4,2) % kamen.

Der letzte Wohnort vor ihrer Ueberweisung war bei 786 oder 8.14 % der im Jahre 1911/12 in Fürsorgeerziehung gekommenen Zöglinge (im Vorjahre bei 678 oder 7,80 %) Berlin, 3241 oder 34,7 % (i. Vorj. 2881 oder 33,0 %) wohnten in anderen Großstädten mit 100 000 und mehr Einwohnern, 2175 oder 23,3 % (t. Vorj. 1946 oder 22,3 %) in Gemeinden mit über 20 000 bis unter 100 000 Ein⸗ wohnern, 1321 oder 141 % (i. Vorj. 1323 oder 15,1 %) in Ge⸗ meinden mit über 5000 bis unter 20 000 Einwohnern, 640 oder 6,8 % (i. Vorj. 637 oder 7,8 %) in Gemeinden mit über 2000 bis unter 5000 Einwohnern und 1185 oder 127 % (i. Vorj. 1268 oder 14,5 %) in Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern, während von der bis 18 Jahre alten Bevölkerung des Staates am 1. Dezember 1910 auf Berlin nur 3,7 %, auf die anderen Großstädte nur 15,4 %, auf die Gemeinden mit 20 000 bis 100 000 Einwohnern 14,37 %, auf die mit 5000 bis 20 000 Einwohnern 14 56 %, auf die Gemeinden mit 2000 bis 5000 Einwohnern 10,7 %, auf die mit weniger als 2000 Einwohnern dogegen 41,5 % entfielen. Die Zahl der Zöglinge aus Berlin, den Großstädten und den uden mit über 20 000 bis unter 100 000 Einmwohnermistgestiegen, die ber Zöglinge aus den

Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern hingegen zurü 1 Sooweit eine berufsmäßige geßjen zurgckgegangen

6 Beschäftigung der Zöglinge vor ihrer Ueberweisung in Frage kommt, steht hei 86 ichen 5 Fünsttgsten die Landwirtschaft, am ungünstigsten der Gewerbe⸗ etrieb. Na Fabrikarbeiter und arbeiterinnen die gefährdetsten. Die ersteren er⸗ mangeln der erforderlichen Aufsicht bei ihrem Berufe, 88 letzteren werden im wesentlichen den Versuchungen erliegen, denen sie im Ge⸗ nusse ihrer freien Zeit, namentlich der Abende, ausgesetzt sind. Hier durch zweckmäßige Einrichtungen für körperliche und geistige Er⸗ holung einzugreifen, ist ein dankbares Feld der freien Liebestätigkeit.

Dem Religionsbekenntnisse nach waren vom Jahrgang 1911/12 5415 Zöglinge oder 57,9 (vom Jahrgang 1910/11 58,5) % evangelisch, 3870 oder 41,4 (40,2) % katholisch, 37 oder 0, (0,3) % Juden und 26 oder 0,3 (0,3) % Sonstige, während unter der bis 18 Jahre alten Bevölkerung des Staates am 1. Dezember 1910 59,6 % Evangelische, 39,0 % Katholiken, O; % Juden und 07 % Sonstige gezählt wurden. Die Katholiken sind also um 2,4 % zahl⸗ reicher, die Evangelischen um 1,7 % geringer am Zugang von Für⸗ sorgezöglingen beteiligt, als ihrem Bepölkerungsanteil entspricht.

In der Zahl der im

gang bemerkbar. Von den im Berichtsjahre noch in schulpflichtigem Fber 1““ Zöobinien i 1 iche un weibliche oder 26,s und 10,6 % (im Vorjahre 29,1 12,7 %) schon gerichtlich bestraft. ja schulentlassenen Zöglingen wurden 1581 männliche und 571 weib⸗ liche oder 61 und 27.7 % (i. Vorj. 64,, und 26,2 %) gerichtlich Bestrafte gezählt, und von diesen haben auch bereits im schulpflichtigen Alter 306 männliche und 61 weibliche oder 19,3 und 10,7 % (i. Vorj. 18, und 8,8 %) mit dem Strafrichter Bekanntschaft gemacht, 150 männliche und 26 weibliche oder 9,6 und 4 6 % (i. Vorj. 8 und 2,8 %) während dieses Alters sogar schon mit Gefängnis bestraft werden müssen. Die Zahl der im nachschulpflichtigen Alter rückfällig fewordenen Zöglinge ist weiter gestiegen, und zwar sowohl bei den im chulpflichtigen Alter überhaupt wie bei den mit Gefängnis bestraften beiderlei Geschlechts. Unter den Straftaten stehen die Eigentums⸗ vergehen bei den Schulpflichtigen wie bei den Schulentlassenen wieder im Vordergrunde. Nicht unerheblich vermehrt haben sich bei den männlichen Schulentlassenen die Bestrafungen wegen gefährlicher Körperverletzungen und Sittlichkeitsverbrechen. Bei den weib⸗ lichen Schulentlassenen haben die Bestrafungen wegen gewerbsmäßiger I u“

on den im Berichtsjahre der Fürsorgeerziehung Ueberwiesenen waren 1247 oder 13,3 % geistig nicht normal (im Vorzahre sener oder 11,8 %). Bei 37,2 % dieser 1247 geistig nicht normalen Zöglinge (i. Vorj. bei 40,8 %) beruhte die geistige Minderwertigkeit auf er⸗ erbter Grundlage. 2244 Zöglinge oder 24 % waren mit körper⸗ lichen Gebrechen bezw. Mängeln behaftet (i. Vorj. 2074 oder 23,8 %); darunter hatten 833 oder 8,95 % dauernde Gebrechen (i. Vorj.

hatten bereits vor dem 14. Lebensjahre den Vater oder die Mutter oder beide Eltern verloren, darunter 10,4 % dadurch, daß der eine Elternteil die Kinder im Stich ließ. Rechnet man dazu noch die 1288 unehelich Geborenen (13,8 % des Jahreszugangs), die meist die Wohltat einer g⸗ordneten Erziehung im Elternhause entbehren mußten, so sind 56,4 % aller Ueberwiesenen vor der Uebernahme in die Fürsorgeerziehung fremder Obhut anvertraut oder teilweise auf sich selbst Feigewie sen as

Nach den Angaben über Beruf und soziale Stellung der Eltern der in Zugang gekommenen Zöglinge, die für das Berichts⸗ jahr fast dasselbe Bild wie für die fruͤheren Jahre bieten, waren die Eltern von 4424 (= 47,8 %) Zöglingen In der Industrie, dem Bergbau, Hütten⸗ und Bauwesen, die von 1084 (= 11,0 %) Zög⸗ lingen im Handel und Verkehr tätig, die von 1897 (= 20,3 %) Zög⸗ lingen mit Lohnarbeiten wechselnder Art und die von 904 (= 9,7 %) in der Landwirtschaft ꝛc. beschäftigt. Ihrer sozialen Stellung nach waren die Eltern von 1187 (= 12, %) Zöglingen selbständig und die

von 8161 (= 87,3 %) Zöglingen unselbständig

1ö16“

9348 der Fuürsorgeerziehung überwiesen 3, 1909/10: 8008, 1908/09: 7363, 1907,/08:;

nprovinz. Während die Stadt Berlin an der hig

wie vor sind die Lauf⸗ und Arbeitsburschen sowie 1

30 schulpflichtigen Alter gerichtlich be⸗ straften Zöglinge beiderlei Geschlechts macht sich ein Felich Rüͤck⸗ 1

Unter den in Zugang gekommenen

Schiffahrtlinien, der am

Erlaubnis 5

834 oder 9,5 %). 3985 = 42,7 % aller neu überwiesenen Zöglinge

1

In 3139 oder 39,6 % von den Familien, aus denen im Berichts⸗ jahre Kinder der Fürsorgeerziehung überwiesen worden sind, waren der Vater oder die Mutter oder beide gerichtlich bestraft (im Vorjahre in 3095 oder 41,3 % der Familien). Diese Zahlen ent⸗ halten wiederum eine dringende Mahnung an die Organe der frei⸗ willige Liebestätigkeit, namentlich an die Vereine zur Fürsorge für die entlassenen Strafgefangenen, sich der Kinder bestraster Eltern während der Zeit der Strafverbüßung anzunehmen. In 2174 oder 27,4 % (i Vorj. in 2178 oder 29 %) der beteiligten Familien hatten der Vater oder die Mutter oder beide Elternteile schlechte Neigungen (Trunksucht, Unzucht, Arbeitsscheu). Von den Vätern der überwiesenen Zöglinge waren 1516 (i. Vorj. 1496) der Trunksucht, von den Müttern 555 (i. Vorj. 610) der Unzucht ergeben. In 284 (i. Vorj. 293) Fällen lag geistige Minderwertigkeit des Vaters oder der Mutter oder beider vor. Arbeitsscheu, Trunksucht, Unzucht und geistige Minder⸗ wertigkeit bilden nach wie vor in aller beteiligten Familien die Ursache der mangelhaften Erziehung der Kinder. Es stammten 3232 oder 34,6 % der in Zugang gekommenen Zöglinge von Eltern mit lasterhaften Neigungen oder von solchen, die Feistig minderwertig waren, ab. Von den 396 Zöglingen, deren Väter oder Mütter geisteskrank, geistesschwach oder epileptisch waren, sind 86 als geistig Minderwertige in Fürsorgeerziehung genommen worden.

Die im Berichtsjahre berie ensen 9348 Zöglinge stammten aus 7931 Familien. Aus 7110 Familien kam nur je 1 Kind in Für⸗ sorgeerziehung, aus 470 Familien sind je 2, aus 196 Familien je 3, aus 97 Familien je 4, aus 37 Familien je 5, aus 13 Familien je 6, aus 5 Familien je 7 und aus 3 Familien je 8 Zöglinge, mithin aus 821 Familien je 2 bis 8 Kinder gleichzeitig überwiesen worden. Aus 704 Familien mußte das einzige Kind fortgenommen werden. Die Zahl der beteiligten Familien, die 10 und mehr Kinder besitzen, ist im fortwährenden Steigen begriffen. In einem Falle hatte der Zög⸗ ling 23 Geschwister. Wiederum ist festzustellen, daß die Zahl der Familien, in denen 5 und mehr Geschwister des Fürsorgezöglings gestorben sind (in 60 Fällen sämtliche), ge eeg ist. Die große Sterblichkeit läßt einen Schluß auf die mangel⸗ hafte Pflege der Kinder in diesen Familien zu. Ein⸗ schließlich der 61 816 Familien, aus denen während der ersten 10 Jahre der Wirksamkeit des Fürsorgeerziehungsgesetzes Kinder herausgenommen werden mußten, sind bis zum 1. April 1912 69 747 Familien durch dieses Gesetz betroffen worden. Rechnet man der betroffenen Familien auf die bereits in Abgang gekommenen Fürsorgesüglinge (die 3 der Gesamtzahl der seit Inkrafttreten des Gesetzes Ueber⸗ wiesenen ausmachen) ab, so bleiben noch rund 44 000 Familien, aus denen sich zurzeit Kinder in der Fürsorgeerziehung befinden. Nach dem Stande der letzten Volkszählung betrug die Zahl der Familien⸗ haushaltungen mit 2 und mehr Personen in Preußen 8 145 423. Demnach entfallen auf je 1000 Haushaltungen dieser Art 54, aus denen, bezw. ist durchschnittlich jede 185. Familienhaushaltung in Frangen als eine solche anzusprechen, aus der sich ein oder mehrere

inder in der Fürsorgeerziehung befinden.

Von den während der ersten 10 Jahre der Geltung des Gesetzes vom 2. Juli 1900 der Fürsorgeerziehung überwiesenen 71 548 Minder⸗ jährigen verblieb am 31. März 1911 ein Bestand von 47 563 Zög⸗ lingen. Davon kamen im Laufe des Rechnungejahres 1911/12 6406 (einschließlich der auf Widerruf Ergiüsegn in Abgang; wegen mangelhafter Führung mußten 143 widerruflich Entlassene wieder in die Erziehung zurückgenommen werden, sodaß am 31. März 1912 ein Bestand von 41 300 Fürsorgezöglingen verblieb. Außerdem waren von den 10 Jahrgängen noch 3628 auf Widerruf entlassene Zöglinge vorhanden. Von den im Rechnungsjahre 1911/12 aus⸗ geschiedenen Fürsorgezöglingen sind 66 9 % als gebessert, 11,8 % als

uungebessert entlassen worden, während bei 21,3 % der Erfolg zweifel⸗

haft blieb. Im allgemeinen waren die Erfolge um so größer, je früher die Erziehungsarbeit einsetzen konnte. Aber auch bei den in vorgerückten Lebensjahren Ueberwiesenen wurden recht befriedigende Ergebnisse erzielt. Sie sind um so günstiger, je weniger mit schlechten Neigungen oder gerichtlichen Vorbestrafungen zu rechnen war.

Die Gesamtkosten der Fürsorgeerziehuna betrugen im Rech⸗ nungsjahre 1911/12 12 500 276 (gegen 11 257 958 im Jahre 1910/11, 10 102 770 im Jahre 1909/10), wovon 8 204 418 (im Vorjahre 7 452 534 ℳ) auf den Staat und 4 205 859 (im Vor⸗ jahre 3 805 424 ℳ) auf die Kommunalverbände entfielen. Im Vergleich mit den Kosten der Zwangserziehung im Rechnungs⸗ jahre 1900/,01 sind die jährlichen anteiligen Kosten des Staats um 7 456 575 und die der Kommunalverbände um 3 365 725 gestiegen. Die durchschnittlichen Kosten für den Zögling betrugen im Jahre 1911/12 245,69 gegen 233,02 i. J. 1910/11, 218,72 i. J. 1909/10 und 203,54 i. J. 1908/09. In den vermehrten Kosten liegt eine teilweise recht erhebliche Erhöhung der Pflegegeldsätze wie auch eine vermehrte Aus⸗

abe für eine ausgedehntere ärztliche Behandlung der Zöglinge. An Beiträgen zu den Unterhaltungskosten der Zöglinge sind im Rechnungs⸗ jahre 1911/12 von den zum Unterhalt Verpflichteten oder aus dem Vermögen der Zöglinge zusammen 171 365 geleistet worden. Auf einen Zögling entfielen hiervon im Durchschnitt 3,37 gegen 3,31 orjahre und 2,94 im Jahre 1909/10.

Zur Arbeiterbewegung. Der Ausstand der Bauarbeiter in München⸗Gladbach ist, wie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, gestern beendet worden, nachdem durch das Entgegenkommen der Arbeitgeber eine Einigung über den

Tarif erzielt worden war. (Vgl. Nr. 127 d. Bl.).

Aus Mailand wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert: Ein Ausstand der Bemannungen der staatlich unterstützten onnabend begann, erstreckt sich schon auf ungefähr 50 Handelsdampfer, die in verschiedenen Häfen fest⸗ gehalten sind. Nur den Transportschiffen, die Truppen nach Afrika zu bringen bestimmt sind, hat die Leitung des Seemannsbundes die Abfahrt erteilt.

Wohlfahrtspflege. 8

Der Vereinsverband akademisch gebildeter Lehrer Deutschlands in München hat, wie „W. T. B.“ meldet, anläßlich des Regierungsjubiläums Seiner Majestät des Kaisers und Königs ine von 100 000 errichtet.

Kunst und Wissenschaft.

A. F. In der Maisitzung der Anthropologischen Gesell⸗ schaft gedachte der Vorsitzende, Geheimrat Professor Hans Virchow zunächst in warmen Worten des am 19. April der Wissenschaft durch den Tod entrissenen Assyriologen Professor Dr. Hugo Winckler, der sich den Keim zu seiner Todeskrankheit in Kappadozien bei seiner epoche⸗ machenden Feststellung der alten Hethiterhaupstadt Chatti geholt hat. Sodann stellte Dr. A. Posnanski, der Erforscher der bolivianisch⸗ peruanischen Bilderschrift, anknüpfend an seinen Vortrag in der Püten Sitzung der Gesellschaft, ein 9—10 Jahre altes Aymara⸗ Mädchen vom Hochlande von La Paz vor. Langschädlig, von sehr dunkler Hautfarbe, mit vorstehendem Kinn, ist das Mädchen mit einem auffallend großen Brustkorb begabt, einer Eigentümlichkeit der Indianer des Hochlandes, womit die Natur sie ausgestattet zu haben Feh um die der Lunge in jenen Höhen beschiedene große Arbeit zu

ewältigen. Die sogenannte Mongolenfalte ist in dem jugendlichen Gesicht schon deutlich erkennbar. 2

Vor Eintritt in die Tagesordnung erstattete Professor Dr. Schuchhardt noch Bericht über den am 16. Mai auf dem Gute Messingwerk bei Eberswalde gemachten Goldfund, zu dessen Be⸗ sichtigung und Inventarisierung der Redner an Ort und Stelle ge⸗ wesen ist. Wie bereits gemeldet, wurde beim Ausschachten für einen Neubau ein Tontopf gefunden, der eine Fülle von Goldsachen ent⸗ rent nämlich 8 Näpfe mit feinster Verzierung von Punkten, Buckeln, Schnüren und Zickzacklinien, in konzentrischen Kreisen umlaufend,

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33 sogenannte Noppenringe, das sind Arm⸗ und Fingerspiralen aus doppelt genommenem Draht, viele Bündel aus solchem Draht und einige Stücke Rohmaterial, Barren nämlich und ein heller Schmelzkönig. Alles dies aus reinem, feinstem Golde, zusammen 2 ½ kg wiegend. Alte Kunstformen des Schatzes sind aus anderen Funden in Nord⸗ deutschland und Skandinavien genügend bekannt. Die Näpfe, Trink⸗ schalen für eine fürstliche Tafel, zeigen in Form und Verzierung den Hallstatt⸗Stil. Der schwedische seschr Montelius glaubte alle diese Dinge auch im Hallstatt⸗Kreise, also im Süden entstanden; für ihren nordischen Ursprung aber machte Sophus Müller geltend, daß sich mit geringen Ausnahmen solche Gefäße nur im Norden zeigen. Für die Beantwortung der Frage bringt der Fund erwünschte Förderung. Der Umstand, daß sich Rohmaterial dabei findet, scheint zu beweisen, daß man solche Arbeiten im Lande machen wollte und wohl sicher auch konnte. Noppenringe haben sich mit anderen Hallstatt⸗Sachen zusammen aus der älteren Bronzezeit u. a. schon vor längeren Jahren in dem großen Goldfunde von Wohlau und vor zwei Jahren in einem kleinen Ge⸗ fäß Lausitzer Stils bei Friedeberg in der Neumark gefunden. Von der Atr der Eberswalder ist auch in Dänemark ein Goldnapf ausgegraben worden, eingeschlossen in einem großen bronzenen Gefäß von italienischer Arbeit und von der Art desjenigen, das im Königsgrabe von Seddin die Aschenurne bildete und seinerseits in einem großen Tongefäß ruhte. Arbeit und Verschluß des Tongefäßes, worin der Fund verpackt war, sind von anderen nordischen Bronzebüchsen her bekannt, und es er⸗ scheint daher dies Tongefäß an Ort und Stelle ebenso für seinen besonderen Zweck angefertigt, wie das ebengedachte Seddiner Tongefäß. Alles in allem genommen, läßt sich der Eberswalder Fund zeitlich und kulturell ziemlich gut bestimmen: Er gehört in die jüngere, von der im Süden parallel gehenden Hallstatt⸗Kultur schon beeinflußte Bronzezeit, also etwa in das 7. oder 8. Jahrhundert vor Chr., somit in die „Lausitzer Kultur“, die im Spree⸗ und Havellande ihren Brennpunkt hat und von da südöstlich, westlich und nördlich ö“ Die Wurzel für diese Kultur in Ungarn oder noch weiter donauabwärts zu suchen, ist ein Irrtum gewesen. Die Lausitzer Keramik beruht nach Forn und Verzierung auf der steinzeitlichen des mittleren und unteren Elblandes. Ihre Träger sind Germanen, sind die suebischen Völker, die Tacitus in großer Zahl östlich der Elbe aufführt und als deren ältestes und edelstes er die Semnonen hervor⸗ hebt. Diese müssen gerade im Spree⸗ und Havellande gewohnt haben. Die Blüte der Lausitzer Keramik, das Zentrum des Burgenbaues, lag bei ihnen. Auch der Eberswalder Goldfund stammt von ihnen.

Den ersten Vortrag des Abends hielt Freiherr von Schlippen⸗ bach über „Trachten und Sitten in der mährischen Slowakei“. Be⸗ gleitet war der Vortrag von farbigen Autochromlichtbildern. Und der gütigen Mitwirkung der Opernsängerin Frau Oumiroff war es zu danken, daß einige der schönen slowakischen Volkslieder, die Herr Schönberg auf der Balalaika begleitete, zu Gehör gebracht wurden und in ihrer reizvollen Eigenart bestätigten, was der Vortragende von ihnen rühmte, daß sie in ihren freien Rhythmen eine aparte Harmonik verkörperten. Der Vortragende besprach die Sitten dieses so wenig gekannten, richtiger verkannten, Volkstums, unter dem er, um es kennen zu lernen, mehrere Monate gewohnt hatte. Im südöstlichen Mähren wohnen 200 000 mährische Slowaken, außer ihnen gibt es aber noch etwa 3 Millionen ungarische Slowaken. Eingebettet zwischen Wiesen, Wäldern, Weinbergen, im Gebiet der March liegen die Dörfer der ersteren. Sie sind zunächst durch eine reiche Volkstracht ausgezeichnet, bei deren Herstellung echte Volkskunst mit feinem Geschmack entwickelt wird. Godin an der March und Buchlau, der Sitz des Grafen Berchtold, sind zwei solche zwischen Erlen, Pappeln und Weiden liegende Slowakendörfer, Sitze eines schönen, kraftvollen Bauernstamms. Eine andere Art Kopftuch der Füanen zeigt jedes Dorf mindestens; doch auch andere Einzel⸗ eiten der Frauentrachten sind von Ortschaft zu Ortschaft verschieden. Gestickte rote Männerhosen der Bauern fallen in Lundenburg auf, in Gaje die gestickten Hemden der Bauern, in Betka und Jabornic die malerische, sehr schöne Frauentracht, überall aber herrschen Luxus und Sauberkeit bei diesen Bauern. Die Leute in Jabornic sind von 1417 her noch hussitisch, lebten nichtsdesto⸗ weniger stets in Eintracht mit den katholischen Nachbarn. Dort wird die Holbeinstickerei noch heute von jungen Mädchen, selbst von Kindern kunstvoll geübt. Gelb ist Farbe der Freude, -18. der Trauer. Im Lichtbilde vorgeführte Kirchenfeste und Hoch⸗ zeitsbräuche geben eine Vorstellung von dieser merkwürdigen Bevölke⸗ deren Eigenart sich aber keineswegs in den genannten Aeußer⸗ lichkeiten erschöpft. Sie sind beweglichen, lebhaften Geistes, diese Bauern, stehen im Wortgefecht ihren Mann, rühmen sich eines aus ihren Reihen hervorgegangenen Malers und eines Ethno⸗ graphen und sind offenbar künstlerisch in verschiedenen Rich⸗ tungen begabt. Ungemein groß ist ihre musikalische Begabung. Es sind etwa 5000 slowakische Volkslieder gesammelt worden, zunächst der Texte. An das Sammeln der Melodien ist man erst neuerdings herangetreten und findet, daß viele für ungarisch gehaltene Melodien slowakischen Ursprungs sind. Jedenfalls verdient dieses Volks⸗ tum des Mißklanges ledig zu werden, dem das Wort „Slowaken“ noch begegnet.

„Unter den Indianern am Rio Branco in Nordbrasilien“ lautete das Thema des zweiten Vortrags. Zu botanischen Studien hatte der Vortragende, Professor Dr. E. Ule, 1908 Nordbrasilien bis zur venezolanischen Grenze besucht, und 1909 im Innern mehrere Monate bei den Indianern am Rio Branco, einem Fluß, der dem Rio Negro zuströmt, verlebt. In einer Anzahl von Lichtbildern führte der Redner vier von ihm besuchte, kulturell sehr verschiedene Stämme der Indianer vor Augen. Einer davon, die Arekuma, kennen den Luxus der Kleidung noch fast gar nicht, sind aber dabei friedfertig und gastfreundlich; bauen Maniok, Kürbisse, Bananen und Zuckerrohr, als Waffen benutzen sie Blasrohr, Bogen und Pfeile, sind neuerdings aber auch mit der Flinte bekannt geworden.

Literatur.

Deutsche Rundschau, herausgegeben von Julius Rodenberg. 39. Jahrgang, Heft 9. Verlag von Gebr. Paetel (Dr. Georg Paetel), Berlin (Preis vierteljährlich 7,50 ℳ). Zu dem Regierungsjubiläum Seiner Majestät des Kaisers und Königs bringt das soeben erschienene Juniheft einen Aufsatz „Fünfundzwanzig Jahre“, in dem der bekannte Stuttgarter Historiker Gottlob Egelhaaf die Entwicklung Deutschlands während des letzten Vierteljahrhunderts in kurzem Ueberblick betrachtet und des Kaisers Anteil und Verdienst daran kennzeichnet. Dem juüngst verstorbenen Berliner Literarhistoriker Erich Schmidt widmet Dr. Bruno Hake einen Nachruf, der die Persönlichkeit des Gelehrten und seine wissenschaftliche Be⸗ deutung charakterisiert. Von dem Steyrer Roman „Stephana Schwertner“ der Baronin Enrica von Handel⸗Mazzetti bringt das Heft den Schluß. Die beiden neuen Abschnitte der Studie über 1813 von Generalmajor Dr. Gustaf Dickhuth stellen das Verhalten Napoleons und der Verbündeten bei Dresden dar. Die S vee. Berichte Marie von Bunsens über die spanisch⸗portugiesischen Burgen und Gärten werden beendet. Eine Abhandlung über das Wesen der Kunst bringt Professor Heinrich Bulle. Von besonderem Interesse dürften 86 die Schilderungen des Grafen Vay von Vaya und zu Luskod sein: „Quer durch Bulgarien“. Kleinere Aufsätze: Anton von Werner, über philhellenistische Strömungen einst und jeßt (Professor A. Thumb⸗Straßburg) und die Meister des Farbenstichs (Mela Escherich) nebst 8 deutscher und ausländischer Bücher schließen das Heft ab.

Die Margarethenhöhe bei Essen. Margarethe Krupp⸗ Stiftung für Wohnungsfürsorge. Erbaut von Professor G. Feeen; dorf. Preis geb. 8 ℳ, in Originaljapanband 10 ℳ. Verlagsanstalt Alexander Koch, Darmstadt. In der Margarethenhöhe bei Essen stehen wir vor einer Siedlung, wie sie die moderne Zeit nach ihren Ansprüchen und nach ihrer Auffa sung, allerdings mit Hilfe der privaten Wohltätigkeit, geschaffen hat. Es handelte sich nicht um das Problem großstädtischer Bebauungen, sondern es sollte eine ab⸗

gesonderte Wohn⸗ und Erholungsstätte für die minderbemittelten

Klassen geschaffen werden, der man die Form der Gartenstadt gab. Sie bietet Raum für über 2000 Häuser mit 16⸗ bis 20 000 Ein⸗ wohnern im Südwesten der Stadt Essen auf hügeligem Gelände, durch das Mühlbachtal von der Stadt getrennt. Der Architekt stellte den Bebauungsplan auf und hatte auch die einzelnen Straßenzüge mit ihren Häusern zu schaffen, und so bekam die ganze Stadt ein einheitliches, durchaus gewolltes, künstlerisches Gepräge. Tragen die zuerst ausgeführten Saeeenüüg. einen freieren, malerischen Charakter, der durch ihre den Geländekurven angepaßte Führung zum Teil bedingt wurde, so suchte der Architekt später zu strengerer geschlossener Wirkung zu kommen, in der richtigen Erkenntnis, daß eine größere Siedlung nur durch das Zusammen 8g. der einzelnen Teile zu künst⸗ lerischen Einheiten zu meistern ist. ie Häuser werden einfacher in der Form, an Stelle des freistehenden Einzelhauses tritt das Reihen⸗ haus, das auch wirtschaftlich bedeutende Vorteile bietet. Den Zugang zur Siedlung von der Stadt aus bildet eine recht hübsch aus⸗ gebildete Steinbrücke mit Straßenbahnwartehäuschen, die das Mühlbachtal in mehreren Bogen überspannt, und zu einer größeren Baugruppe führt, dem Eingang zur Stadt. Eine besonders charakteristische, wohlüberlegte Platzanlage ist in dem Markt geschaffen. Da Metzendorf bereits viel im Kleinhausbau gearbeitet hat, so sind seine Häuser in den Einzelheiten gut durchgebildet und den praktischen Bedürfnissen der Bewohner in der Raumanordnung entsprechend. Professor Brinckmann macht den Leser in einem längeren Aufsatz mit den Absichten des Künstlers bekannt, der Beigeordnete Rath gibt einen Blick in die Verwaltung des Unternehmens. Das Buch enthält über 200 sehr geschickt Ansichten, auch Grundrisse und Einzelheiten, und wird allen Freunden der Wohnungsfürsorge will⸗ kommen sein.

Land⸗ und Forstwirtschaft.

Zur Ausbildung von Volksschullehrern für die Aufgaben der ländlichen Fortbildungsschule in Preußen

finden in diesem Jahre auf Veranlassung des Ministers für Land⸗ wirtschaft, Domänen und 8 wiederum in jeder Provinz besondere Lehrgänge statt. Sie erstrecken sich meist über einen Zeitraum von etwa vier Wochen mit 120 bis 160 Unterrichtsstunden. Die Lehrer sollen mit den Aufgaben und der Einrichtung des ländlichen Fortbildungsschulwesens vertraut gemacht und in die Gestaltung des Fortbildungsschulunterrichts eingeführt werden. Die Leitung der Lehrgänge ist in die Hände erfahrener Fortbildungsschulmänne gelegt; den Unterricht erteilen außer ihnen hauptsächlich Landwirtschafts lehrer und Verwaltungsbeamte. An jedem Lehrgange können bis zu 40 Personen teilnehmen. Anträge 8 Zulassung sind durch die Kreis schulaufsichtsbehörde an den zuständigen Regierungspräsidenten zu richten Lehrer, in deren Gemeinden bereits eine ländliche Fortbildungsschul besteht oder in nächster Zeit begründet werden soll, werden vorzugs weise berücksichtigt. Die Stellvertretung eines Lehrers muß für den Fa seiner Einberufung geregelt sein. Für etwaige Stellvertretungskoste hat die Gemeinde aufzukommen. Zu den Reise⸗ und Aufenthalts kosten können den Lehrern Beihilfen gewährt werden.

In der Provinz Sachsen findet in diesem Jahre dem Bedürfnis entsprechend nur ein Kursus statt, nachdem mehrere Jahre lang je ein Sommer⸗ und ein Herbstkursus veranstaltet worden war. Die Gesamt⸗ zahl der Kurse verringert sich daher in diesem Jahre auf 19.

Die Ausbildungskurse für Lehrer ländlicher Fortbildungsschule des Jahres 1913 finden statt: 1) in der Provinz Ostpreußen z Königsberg vom 15. September bis 11. Oktober unter Leitung des Kreisschulinspektors Mallée⸗Insterburg und 2) zu Allenstein vom 6. Oktober bis 1. November unter Leitung von Kreisschulinspektor Hekel⸗Johannisburg; 3) in der Provinz Westpreußen zu Marien⸗ burg vom 22. September bis 18. Oktober, Kreisschulinspektor Schreiber⸗Neustadt i. Westpr.; 4) in der Provinz Brandenburg zu Kyritz vom 30. Juni bis 26. Juli, Schriftleiter Lembke⸗Berlin, und 5) zu Friedeberg i. N. M. oder Guben vom 15. September bis 11. Oktober, Schriftleiter Lembke⸗Berlin; 6) in der B Pommern zu dena vom 8. September

is 11. Oktober, Regierungs⸗ und Schulrat Reddner⸗ Stralsund; 7) in der Provinz Posen zu Hohensalza vom 15. September bis 11. Oktober, Kreisschulinspektor, Schulrat Dr. Krausbauer⸗Posen, und 8) zu Bojanowo vom 15. Sep⸗ tember bis 11. Oktober, Kreisschulinspektor Otto⸗Pinne; 9) in der Provinz Schlesien zu Liegnitz vom 6. Oktober bis 1. November Direktor der Landwirtschaftsschule Dr. Wübbe⸗Liegnitz, 10) z Brieg vom 29. September bis 25. Oktober, Direktor der Land wirtschaftsschule, Professor Dr. Altmann⸗Brieg, und 11) zu Tarnowitz vom 29. September bis 25. Oktober, Direktor der Winterschule Arndt⸗Tarnowitz; 12) in der Provin Sachsen zu Halle a. S. vom 14. Juli bis 2. August, Rekto Bodesohn⸗Wittenberg; 13) in der Provinz Schleswi Holstein zu Flensburg vom 27. Juli bis 23. Auguß Kreisschulinspektor, Schulrat Schöppa⸗Ratzeburg; 14) in de Provinz Hannover zu ildesheim vom 28. Juli bi 23. August, Oberlehrer der Landwirtschaftsschule, Professor Dr Prieß⸗Hildesheim, und 15) zu Verden vom 14. Juli b 9. August, Regierungs⸗ und Schulrat Nicssde. 16) in de Provinz Westfalen zu Herford vom 30. Juni bis 26. Jult Kreisschulinspektor Frese⸗Dortmund; 17) in der Hessen Nassau zu Weilburg vom 11. August bis 13. September Direktor der Landwirtschaftsschule, Professor Dr. Kienitz⸗Gerloff Weilburg, und 18) zu Homberg vom 7. Juli bis 2. August, Ge heimer Regierungs⸗ und Schulrat Dr. Quehl⸗Cassel; 19) in de Rheinprovinz zu Kleve vom 30. September bis 28. Oktober Direktor der L. rtschaftsschule Dr. Pick⸗Kleve.

aatenstand in Ungarn.

1 dem Saatenstand des ungarischen Ackerbauministeriums vom 26. v. M. traten die heißersehnten Niederschläge gegen den 20. Ma ein und währten bis zum 25., 26. Mai. In einigen Komitaten gingen Gewitter und Hagelschläge nieder, ohne jedoch Schaden anzu⸗ richten. Drei Wochen hindurch herrschte kühles und windiges Wetter In einzelnen Gegenden ist die Wintersaat zu üppig und gibt zu Be⸗ fürchtungen Anlaß. Auch Sommerhalmfrüchten kam die Witterung zustatten. Der Saatenstand ist entsprechend der schwankenden Witterung je nach den Verhältnissen der Gegend grundverschieden. Wenn auch einige Komitate die Aussichten bs zeichnen, werden die Ernteaussichten im Durchschnitt dennoch als mittel angegeben, weil von dem inzwischen eingetretenen warmen Wetter eine allgemeine Besserung erwartet wird. Im großen und ganzen stehen Wintersaaten schwächer, die xöö dagegen befriedigend. Der Stand von Weizen kann als mittel, jener von Gerste und Hafer als gut und gutmittel bezeichnet werden. Von 63 Komitaten be⸗ zeichnen 39 ihren Weizenstand als mittel, 11 als gutmittel und 9 als gut 42 ihre Roggensaat als mittel, 8 als gutmittel und 7 als gut, 9 ihren Gerstestand als mittel, 14 als gutmittel und 18 als gut und 32 ihren Haferstand als mittel, 15 als gutmittel und 15 als gut. Sichere Zahlen über die Anbaufläche konnten bisher nicht angegeben werden, annähernd kann jedoch festgestellt werden, daß die Anbaufläche von Weizen und Roggen gegen das Vorjahr abgenommen, die für Gerste und Hafer hingegen zugenommen hat. Das seit drei Tagen herrschende warme Wetter übte eine gute Wirkung auf die Entwicklung der Halmfrüchte aus. Infolge der kühlen Witterung trat in einzelnen Gegenden Rost auf. Es ist aber anzunehmen, daß der Weiter⸗ verbreitung durch das jetzige warme Wetter Einhalt getan werden wird. Mais keimte im Landesdurchschnitte gut und entwickelt sich vorteilhaft. Kartoffeln stehen befriedigend, die Stengeln nd kräftig, die Blätterung ist üppig. Die Behackung st. im Zuge. Die Zuckerrübe wurde zum ersten Male behackt, ein zweites Behacken ist im Zuge. Die aug⸗ giehigen Niederschläge haben die Entwicklung der Pflanze vorteilhaft eeinflußt, doch sind stellenweise von Feldflöhen unv Rüsselräfern

Beschädigungen angerichtet worden. apssaaten stehen schwach, Gartengewächse dagegen schön. Dabei entwickeln sich die Spät⸗

almfrüchte nur als befriedigend bex.