8 8 Deutscher Reichstag. 1 158. Sitzung vom 10. Juni 1913, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)
Auf der Tagesordnung stehen zunächst Anfragen. Der Abg. Dr. Liebknecht (Soz.) fragt: „Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß vor einigen Tage
der Bergmann Ignatz Jakubik aus Myslowitz, ein deutscher Staatsangehöriger, in dem russischen Grenzort Nifka von den russi⸗ schen Behörden verhaftet und wegen der von ihm für den ober⸗ schlesischen Bergarbeiterstreik betriebenen Agitation im administrativen Wege — angeblich zu lebenslänglicher Zwangsarbeit (Katorga) — verurteilt worden ist? 1 Was hat der Herr Reichskanzler bisher zum Schutze dieses deutschen Staatsangehörigen getan? Was gedenkt der Herr Reichs⸗ kanzler in dieser Angelegenheit weiter zu tun?“
Wirklicher Geheimer Legationsrat Lentze: Im Auftrage der Reichsleitung beehre ich mich, folgendes zu antworten: Das Aus⸗ wärtige Amt hat von der Verhaftuug des preußischen Staats⸗ angehörigen Bergarbeiters Jakubik durch Zeitungsnachrichten etwa um dieselbe Zeit Kenntnis erhalten, als ihm die jetzige Reichstags⸗ anfrage zuging. Darauf sind sofort durch den preußischen Grenz⸗ kommissar und das Generalkonsulat in Warschau nähere Er⸗ kundigungen über den Vorfall eingezogen worden. Nach den eingegangenen telegraphischen Berichten hat der Berg⸗ arbeiter Jakubik gegen eine russische Gouvernementsverordnung verstoßen, indem er entgegen dieser Verordnung in Ruß⸗ land Gelder für Streikzwecke sammelte. Infolgedessen ist er in dem russischen Grenzorte Nifka verhaftet und ein Verfahren gegen ihn eingelettet worden, das voraussichtlich in den nächsten Tagen zum Abschluß kommen und für Jakubik keine andere Folge als die Aus⸗ weisung haben wird. Für möglichste Beschleunigung des Verfahrens Sorge getragen. Eingehende schriftliche Berichte stehen noch aus.
Abg. Dr. Haegy (Els. Zentr.) fragt:
„Ist dem Herrn Reichskanzler bekannt, daß unter dem Namen „Malzwein“ in jüngster Zeit ein Produkt in den Verkehr gebracht worden ist, welches sich als eine täuschende Nachahmung von Wein darstellt? Was gedenkt der Herr Reichskanzler gegen diese Irre⸗ führung der Konsumenten und schwere Gefährdung des Weinbaues und des reellen Weinhandels zu tun?“
Direktor im Reichsamt des Innern von Jonquires: Die Herstellung dem Weine ähnlicher Getränte aus Malzabzügen und ihre Bezeichnung als „Malzwein“ ist nach § 10 des Weingesetzes an und für sich zuläzsig. Es ist in letzter Zeit bekannt geworden, daß mit derartigen Getränken Mißbrauch getrieben wird. Ver⸗ urteilungen wegen falscher Bezeichnung solcher Erzeugnisse und wegen Verfälschung von Traubenwein durch Zusatz von Malzwein haben in mehreren Fällen stattgefunden. Die Frage, ob besondere Maßnahmen zum Schutze des Verbrauchers, des Weinbaues und des Weinhandels geboten sind, beschäftigt die zuständigen Stellen.
Darauf beginnt das Haus die zweite Beratung der Wehrvorlagen, nämlich des Gesetzentwurfs zur Ergänzung des Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres und des Besoldungsgesetzes, sowie zur Aenderung des Gesetzes über die Versorgung der Personen der Unterklassen des Reichsheeres, der Kaiserlichen Marine und der Kaiserlichen Schutztruppen von 1906 (des Mannschafts⸗ versorgungsgesetzes) auf Grund des mündlichen Berichts der Budgetkommission. Die Diskussion wird zunächst eröffnet über
den Artikel 1 der Vorlage und der Kommissionsbeschlüsse. Die Kommission hat die geforderte Erhöhung der Friedenspräsenz⸗ stärke bis auf einen Abstrich von 15 Eskadrons (3 von den 6 neu geforderten Kavallerieregimentern) bewilligt; ein An⸗
trag Bassermann will auch hier die Forderung der Vor⸗ lage in vollem Umfange genehmigen. Mit zur Erörterung ge⸗ stellt wird ein großer Teil der von der Kommission zu der Vorlage beschlossenen Resolutionen.
Berichterstatter Gans Edler Herr zu Putlitz hebt aus den Verhandlungen der Kommission hervor, daß der überwiegende Teil der Kommission anerkannt habe, daß die in der Begründung der Vorlage betonte politische Lage ein Grund zur Einbringung der Vorlage gewesen ist, ebenso herrschte auch bei dem weitaus größten Teil der Kommissionsmitglieder kein Zweifel, daß genügendes Menschen⸗ material vorhanden ist, um den durch die Erhöhung der Friedens⸗ präsenzstärke erforderlichen Bedarf zu decken.
Abg. Noske (Soz.): Das Vorspiel, das gestern abend der zweiten Lesung vorangegangen ist, war für die großen Volksmassen sehr lehrreich. Der Chor der Patrioten, die gern Lasten bewilligen, wenn das Volk sie trägt, gab seinem Groll darüber Ausdruck, daß Gefahr droht, sie könnten genötigt werden, diesmal selbst zu zahlen. Angeblich haben die Vertreter der Parteien, die gestern hier feierliche Erklärungen abgegeben haben, bis in die neueste Zeit hinein geglaubt, daß eine ernsthafte Gefährdung der Sicherheit des Reiches vorliege, wenn nicht rasch eine so große Vermehrung des Heeres vorgenommen werde, wie sie in Deutschland noch niemals beschlossen worden ist. Die Sozialdemokraten sind der Ansicht, daß diese Gefahr nicht be⸗ steht, nicht bestanden hat. Jedenfalls können die Voraussetzungen, von denen die Regierung bei der Einhringung der Vorlage ausging, zum mindesten jetzt nicht mehr als zutreffend erachtet werden. Man hat das Volk über die politische Lage graulich zu machen verstanden, ein ernsthafter Grund zu einem Kriege zwischen den großen euro⸗ päischen Kulturstaaten hat tatsächlich in den letzten Jahren nicht be⸗ standen. Nur Reibereien und Hetzereien der Rüstungsinteressenten haben eine Beunruhigung verbreitet, aber auch diese hat abgeflaut. Zurzeit liegt nach metner festen Ueberzeugung gar kein Grund dazu vor, vermehrten Rüstungen zuzustimmen. Es ist nicht wahr, daß Deutschlands Sicherheit auf irgend eine Weise ernstlich bedroht ist. Von drohenden Gewitterwolken am politischen Himmel sieht man nichts, und die Besuche der Regierenden großer Länder in den letzten Wochen, die verschwenderischen Feste, die mit unglaublicher Pracht gef iert worden sind, während unsere Volksgenossen nicht Brot genug haben, beweisen das zur Genüge. Wir sind nicht geneigt, die Be⸗ deutung von Fürstenbesuchen zu überschätzen, aber der Besuch des Königs von England und die Anwesenheit des Zaren in Deutschland waren von politischer Bedeutung. Die europäischen Machtverhältnisse sollen durch den Balkantrieg verschoben worden sein. Deutschlands Stellung ist dadusch in keiner Weise tangiert worden. Die türkische Macht hätte lediglich als Faktor in Rechnung gestellt werden können, wenn es zwischen Deutschland und England zu einem Kriege gekommen wäre. Der Gedanke eeiner kriegerischen Auseinander⸗ setzung zwischen Deutschland und England ist immer Wahnwitz ge⸗ wesen, und man hat damit bei dieser Heeresvermehrung nicht ge⸗ rechnet; zudem hat sich der jetzige Reichskanzler für die Verbesserung der deutsch⸗englischen Verhältnisse eingesetzt, und diese Verhältnisse haben sich gebessert. Die bessere Aussicht darauf, daß das Wettrüsten zwischen England und Deutschland nicht fortgesetzt werden solle, scheint aber gewissen Leuten im Deutschen Reich gegen den Strich zu gehen, und die Aeußerung des Ministers Churchill, daß die von Canada ab⸗ gelehnten drei Panzerschiffe von England selbst gebaut werden sollten, hat eine neue kräftige Hetze in der deutschen kapitalistischen Presse veranlaßt. Dabei waren, als vor Monaten die Frage eines festen Verhältnisses der Flottenstärke zwischen Deutschland und England besprochen wurde, diese drei Schiffe schon mit in Rechnung gestellt. Unsere Stellung gegen den weiteren Flottenausbau hätte allerdings eine Stärkung erfahren, wenn England darauf verzichtet hätte, diese Schiffe zu bauen. Für die jetzige Militärvorlage wurde als Begründung die Sorge angeführt, daß die siegreichen Balkanstaaten sich nach Norden wenden könnten. Diese Staaten müssen sich aber erst finanziell und durch Ersatz der Menschenverluste erholen, die
Darlegungen des Reichskanzlers über die Gefahr des Slawentums sind also absolut gegenstandslos. Außerdem hat sich die An⸗ nahme, daß die verbündeten Balkanstaaten allezeit zusammenstehen würden, als irtig herausgestellt. Infolgedessen ist es nicht wahr, daß Oesterreichs Kräfte gefesselt sind und Deutschland auf seine eigene Kraft angewiesen ist. Selbst die Scherlsche offiziöse Presse schrieb am 1. Juni, daß mit dem Friedensschluüͤß in London der Balkankrieg zum Abschluß gekommen sei und die Ausrinandersetzung zwischen den feindlichen Brüdern den europäischen Frieden nicht stören würde. Deshalb wurde bald nach Einbringung der Wehr⸗ vorlage ein Frontwechsel vorgenommen und behauptet, die Hauptgefahr für uns käme von Osten. Aber der Kaiser und der Zar haben sich in Berlin in den Armen gelegen und bherzliche Küsse ausgetauscht. Bei der Anwesenheit des Zaren haben unsere Garde⸗ regimenter in dichten Scharen die Berliner Straßen besetzt, und für den Zweck, den Zaren zu schützen, haben sie vollständig ausgereicht. Daß die freundschaftlichen Gefühle des Zaren sich alsbald nicht wandeln werden, dafür wird schon die revolutionäre Bewegung in Rußland sorgen. Deshalb nahm man abermals einen Fronlwechsel vor und behauptet jetzt, die Gefahr liege im Westen. Der Kriegs⸗ minister hat in der zweiten Lesung in der Kommission in Tönen ge⸗ sprochen, als ob die Situation im Westen sich aufs äußerste verbösert hätte. In Frankreich hat die deutsche Heeresvermehrung ein wahres Rüstungsfieber hervorgerufen. In Wahrheit haben also die Stärke⸗ verhältnisse zwischen den einzelnen Staaten eine nennenswerte Ver⸗ schiebung nicht erfahren. So wird auch diese unsere Heeres⸗ vermehrung eine Verschiebung der deutschen Machtstellung nicht hervorrufen. Aber in Frankreich ist eine außerordentlich ge⸗ fährliche chauvinistische Stimmung erzeugt worden. Von schwarzen Plänen der Franzosen gegen uns ist nicht die Rede, aber Frankreich ist von banger Sorge vor deutschen Angriffen er⸗ füllt. Daß diese Sorge unberechtigt ist, ändert daran nichts. Immer wieder wird in Frankreich in den letzten Monaten mit Recht betont, daß es sich bei der Einführung der dreijährigen Dienstzeit nur um Abwehrmaßregeln handele. Kein französischer Minister hälte es wagen dürfen, dem französischen Volke eine dreijährige Dienftzeit zuzumuten, wenn nicht die deutsche Heeresvorlage gekommen wäre. Diejenigen Leute, die in Frankreich in den letzten Monaten besonderen Eifer in ihrer Agitation für die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit gezeigt haben, haben keinen Zweifel darüber gelassen, daß ie die Sicherheit ihres Landes gefährdet glaubten durch die kolossale zermehrung des deutschen Heeres. In Frankreich hat man seither lediglich theoretische Erörterungen über die Wieder⸗ einführung der dreijährigen,. Dienstzeit gehört. Die Nach⸗ richt von dieser kolossalen Heeresvermehrung in Deutschland ist für die gesamte bürgerliche Oeffentlichkeit geradezu verblüffend ge⸗ wesen. Kein Mensch hätte es vor einem Jahre für möglich gehalten, daß im Laufe eines Jahres das deutsche Heer um 120 000 Mann vermehrt werden soll. In Frankreich kann aus dem Volk kein einziger Mann mehr herausgeholt werden. Deswegen ist es in ge⸗ wissem Grade verständlich, daß weite Kreise in Frankreich mit Sorge erfuͤllt waren über die große Heeresvermehrung in Deutschland. Die deutsche Regierung allein trägt die Verantwortung für die Wieder⸗ einführung der dreijährigen Dienstzeit in Frankteich. Hat sich denn nun in Frankreich, nachdem die Wiedereinführung der dreijährigen Dienst⸗ zeit vorgeschlagen worden ist, eine solche überschäumende chauvinistische Regung geltend gemacht, wie in Deutschland? Sind weite Volksklassen von großer patriotischer Begeisterung getragen? Von solchen chaupvinisti⸗ schen Regungen ist bei dem französischen Volke nichts zu spüren gewesen. Dagegen kämpft die französische Sozialdemokralte mir bewunderungs⸗ würdiger Energie gegen die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit. Eine große Zahl der französischen Soldaten hat be⸗ kanntlich gegen die Zurückhaltung der Truppen protestiert. Bei uns dagegen hat sich eine große nationale Begeisterung entflammt, und die bürgerlichen Parteien kennen in ihrer Bewilligungslust gar keine Grenzen. Unsere offiziöse Presse hat selbst interessante Beiträge dafür geliefert, daß lediglich die deutsche Regierung Anlaß zu den übergroßen Rüstungen gegeben hat. Ueber die Stim⸗ mung in Frankreich gibt die Rede eines früheren Ministers Auf⸗ schluß, der die Tatsache konstatiert, daß die französische Re⸗ gierung keine Rebvanche wünscht. Das muß uns genügen. Daß die Franzosen Elsaß⸗Lothringen nicht vergessen wollen, daraus kann man ihnen keinen Vorwurf machen. Ein französischer Parlamentarier hat richtig festgestellt, daß die Teile des Volkes in Deutschland und Frankreich, die den Krieg wünschen, genau dieselben Gründe vortragen. Wenn man die Stimmung in Frankreich richtig beurteilen will, darf die Tatsache nicht unerwähnt bleiben, daß eine große Zahl französischer Parlamentarier zur Konferenz nach Bern gekommen sind und darüber beraten haben, wie eine Besserung der deutsch⸗ französischen Beziehungen herbeigeführt werden könnte. Ein Jammer war es, daß das deutsche Bürgertum dieser Konferenz gegenüber eine so unglaubliche Gleichgültigkeit zur Schau getragen ha Ich wollte nachweisen, daß weder in Frankreich noch in Deutschland das Volk den Krieg wünscht. Beide haben nichts zu gewinnen, ganz besonders nicht die Arbeiter, die sowieso schon die meisten Lasten zu tragen haben. Was der Krieg und die Rüstung den Arbeitern nützt, zeigt ja der letzte Krieg. Man ließ die Veteranen zwei Jahrzehnte lang Not leiden. Die Offiziere bekamen Orden und die Generale Dotationen. Als die Arbeiter auch Anteil an den von ihnen mit erkämpften 5 Milliarden haben wollten, wurden sie unter ein skandalöses Ausnahmegesetz gestellt. Man sollte lieber den Weg der Verständigung gehen. Das Verhältnis zwischen den Cumberländern und den Hohenzollern soll ja durch die letzte Heirat endlich ein gutes geworden sein. Aber man soll doch die Beziehungen zwischen Völkern nicht davon abhängig machen, ob die Herrscher heiratsfähige Kinder haben. Das deutsche Volk muß zu heller Empörung aufflammen, wenn man ihm jetzt mit einer solchen Vorlage kommt. Wenn es auch vielleicht nicht möglich gewesen wäre, zwischen Frankreich und Deutschland ein Abkommen dahin zu treffen, das jede Rüstung unmöglich macht, dann hätte man diese doch auf ein gewisses Maß beschränken können. Man rechnet aber im Gegenteil aus, wie gioß die Ueberlegenheit auf jeder Seite ist. Das hat ja erst vor einigen Tagen die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ getan. Diese Zahlen beweisen aber wohl am besten das Unsinnige dieser Rüstungen. Es mwar ein geradezu niederdrückendes Schauspiel, als auf unsere Anfrage in der Kommission, weshalb man nicht den Weg der Verständigung mit Frankreich gesucht habe, die ganze erharmungswürdige Hilsslosigkeit des Staatssekretärs zu Tage trat. Diese Unfahigkeit der deutschen Regierung hat es zuwege gebracht doß man überall Deutschland mit lebhaftem Mißtrauen gegenübersteht. Wenn schon die deutsche Regierung keine Neigung zeigt’ oder sich nicht die Fähigkeit zutraut, darauf hinzuarbeiten, daß die rasenden Rüstungstreibereien Uhüschen Deutschland und Frankreich endlich auf⸗ hören, dann sollte wenigstens der Reichstag in dieser Frage ein Macht⸗ wort sprechen, daß die Beratung über die Wehrvorlage bis zu dem Tage aussetzen muß, an dem die Regierung sich bereit erklärt, diese ungeheuerlichen Belastungen von unserem Volke fernzuhalten. Da die Regierung aber nicht den Versuch macht, solche Erklärung abzu⸗ geben, so müßte der Reichstag einfach darüber hinausgehen und diese Forderung ablehnen, aus der Erwägung heraus, daß dadurch dem europäischen Frieden am besten gedient wird. Da ich aber nicht die Ueberzeugung haben kann, daß Sie diesen vernünftigen Standpunkt einnehmen werden, so bleibt mir nichts weiter übrig, als auf die Einzelheiten der Vorlage einzugehen. Was die Rüstungen des Drei⸗ bundes betrifft, so denkt Oesterreich⸗Ungarn gar nicht daran, seine Rüstungen seiner Volkszahl entsprechend jetzt auf denselben Umfang zu bringen, wie es die deutsche Regierung tut. Die österreichische Bevölkerung beziffert sich auf 72 Millionen, also 7 Millionen mehr als die Bepölkerung Deutschlands. Dabei ist das stehende Heer Oesterreich⸗Ungarns nur 329 000 Mann stark. Wenn. Oesterreich⸗ Ungarn den gleichen Prozentsatz seiner Bevölkerung zum Heeresdienst heranziehen wollte wie Deutschland, dann müßte es sein Heer auf 626 000 Mann bringen. Die österreichische Regierung sieht die inter⸗ nationale Lage nicht als so gefährlich an wie die deutsche Regierung.
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Das ist für uns ein Grund mehr dafür, daß wir die Vorlage der
Regierung mit allem Nachdruck bekämpfen. Ich glaube nicht not⸗ wendig zu haben, über die grundsätzliche Stellung der Sozialdemokratie zur Wehrvorlage selbst auch nur ein Wort sagen zu müssen. Es können eigentlich nur hösartige Gegner der Sozialdemokratie fertig bringen, uns vorzuwerfen, daß wir das Vaterland wehrlos machen wollen. Aber ich möchte noch einmal unterstreichen, daß wir in unserem Programm die Forderung aufgestellt haben, das Volk zur Wehrhaftigkeit zu erziehen. Ich möchte den Spieß umdrehen und soeen daß gerade die Regierung und die bürgerlichen Parteien sich ortgesetzt auf das Schlimmste an der Wehrhaftigkeit unseres Volkes versündigen. Eine schwerere Anklage gegen die bestehenden Zustände und gegen die Untätigkeit der Regierung und die Unterlassungssünden der bürgerlichen Parteien ist nicht zu denken als die Tatsache, daß ein 8 außerordentlich hoher Prozentsatz zwanzigjähriger Deutscher für den Militärdienst untauglich sind. Fer normale Zu⸗ stand sollte sein, daß jeder junge Mann das Ts von körperlicher Tüchtigkeit besitzt, das zum Heeresdienst im Interesse des Vaterlandes notwendig ist. Jetzt aber sollen sich die Tauglichkeitsverhältnisse mit einem Male gebessert haben, und zwar in dem Augenblick, wo man 120 000 Rekruten mehr ausheben will. Aber trotzdem rechnet man damit, daß auch in Zukunft 41 bis 42 % aller jungen Leute von 20 Jahren als körperlich untauglich nicht für den Heeresdienst in Be⸗ tracht kommen. Das ist ein geradezu skandalöser Zustand. Schuld an dieser mangelhaften körperlichen Entwicklung unseres Volkes sind vor allem die erbärmlichen Wohnungsverhältnisse, in denen ein großer Teil der Arbeiterbevölkerung leben muß; schuld daran ist der Mangel eines ausreichenden Wöchnerinnenschutzes, ein Mangel, der die Arbeiterfrauen verhindert, gesunde Kinder zur Welt zu bringen oder die zur Welt gebrachten zu kräftigen Menschen zu erziehen; schuld daran ist die Ausbeutung der Körperkraft der jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen durch eine raffgierige industrielle Unternehmerschaft, die mit dieser Kraft geradezu Raubbau treibt. Den Kampf gegen diesen Zustand hat lange Zeit die Sozialdemokratie isoliert führen müssen; erst seit kurzem fangen die bürgerlichen Parteien an, sich in dieser Richtung auf ihre Pflicht zu besinnen. Gegen diese Bemühungen, Knochen und Muskeln der Bevölkerung zu stärken, versündigt sich die Regierung mit ihren Organen fortgesetzt, indem sie die Arbeiterturn⸗ vereine und alle sonstigen Arbeitervereine, die ahnliche Zwecke ver⸗ folgen, drangsaliert und in geradezu sinnloser Weise verfolgt, anstatt diese Bestrebungen zu fördern. ie Heeresorganisation ist heute in jeder Hinsicht den Interessen der Besitzenden angepaßt, auch den Inter⸗ essen dieser Schichten im Inlande den breiten Massen gegenüber. Wir Sozialdemokraten wollen aus dem Heere ein Instrument machen, das lediglich der Landesverteidigung zu dienen hat; die Vorlage aber bedeutet lediglich eine Verstärkung des volksfeindlichen und kultur⸗ hemmenden militaristischen Systems. Nun ist ein großer Teil dessen, was in der Kommission für die Vorlage ins Feld geführt wurde, als vertraulicher Natur bezeichnet worden; ich kann diesen Fall der Be⸗ ratungen also nur streifen. Um die enorme neue Vermehrung des deut⸗ schen Heeres schmackhaft zu machen, hat man die gegenüberstehenden Ziffern der russischen wie der französischen Armee übertrieben, indem man Bestandteile der effektiven Stärke hinzurechnete, die mit unseren Kom⸗ battanten gar nicht auf eine Stufe gestellt werden können. Es geht überhaupt nicht an, einfach mit dem Zahlenvergleich zu operieren, namentlich wenn man, wie unsere Heeresverwaltung, nur dann damit operiert, wenn es ihr in den Kram paßt; bei dem Vergleich der Unteroffizierkorps rechnet die Verwaltung schlankweg eine Unterlegen⸗ heit Deutschlands gegenüber Rußland wie gegenüber Frankreich, trotz der großen Ueberlegenheit der deutschen Zahl über die französische, heraus! Die Belastung des Volkes durch den Heeresdienst soll jetzt dergestalt gesteigert werden, daß über das 1 % der Bevölkerung von 1871, in welchem damals auch noch die Marine einbegriffen war, weit hinausgegangen werden soll. In wenigen Jahren werden 175 000 Mann mehr als jetzt dauernd der Volkswirtschaft entzogen sein. Diese Entziehung von Arbeitskräften wird namentlich dem deutschen kleinen Bauerntum schweren Schaden zufügen. Der Ausgleich, den die Kom⸗ mission dadurch schaffen will, daß den Familien, die mehrere Söhne beim Heere haben, eine Entschädigung gezahlt werden soll, genügt in keiner Weise. Es ist versichert worden, daß die von der Verwaltung gewünschte Zahl von Rekruten auch vorhanden sein wird. Man muß aber bedenken, daß schon 1894 die Anforderungen an die Tauglichkeit herabgesetzt werden mußten, und auch sonst ist Mißtrauen jener Ver⸗ sicherung gegenüber am Platze. Allemal, wenn die Verwaltung mehr Rekruten braucht, geht die Zahl der Tauglichen sprunghaft in den Nachweisungen in die Höhe; danach ergäbe sich eigentlich, daß wir immer noch weit davon entfernt sind, den letzten tauglichen Mann ein⸗ zustellen, womit neuen Rüstungstreibereien abermals Tür und Tor geöffnet wird. Wie ist denn bisher möglich gewesen, daß Leute zum Dienst herangezogen wurden, die eine Unfallrente auch während des Dienstes erhielten? In der Kommission ist der Regierung das, was sie gefordert hat, nahezu restlos bewilligt worden. Früher wurden größere Abstriche gemacht. Dem Rotstift der Kommission sind nur die drei Reiterregimenter zum Opfer gefallen, die die Nationalliberalen wieder bewilligen wollen. Dabei hat der Kriegsminister nicht undeut⸗ lich zu verstehen gegeben, daß es auch so gehen werde. Es war inter⸗ essant, zu beobachten, daß in manchen Kreisen der Bevölkerung sich die fixe Idee gebildet hat, daß jede Forderung der Armee unbesehen ge⸗ schluckt werden müsse. Es setzte sofort ein Geschrei ein, als das Zentrum die Streichung von Offizier⸗ und Unteroffizierstellen be⸗ antragte; man forderte die Auflösung des Reichstages, obwohl doch klar war, daß diese Stellen nicht in diesem Jahre besetzt werden konnten. Diese Streichung war etatsrechtlich eine selbstverständliche. Das Zentrum hat nun den Vorteil, daß die Regierung Jahr für Jahr kommen muß, um die fehlenden Stellen anzufordern; es kann dabei seine Geschäfte betreiben. Die Nationalliberalen können ihrer Be⸗ willigungslust keine Zügel anlegen, ihr Uebereifer wird keinen Erfolg haben. Der Reichskanzler hat in der ersten Lesung unsere Beziehungen zu Rußland und Frankreich als gut bezeichnet. Wozu also der ver⸗ stärkte Grenzschutz? Die Militärverwaltung stellt die Sachlage heute viel ungünstiger dar, als im vorigen Jahre. Das ist nicht geeignet, die Autorität der Militärverwaltung zu stärken. Eine große Zahl der russischen Truppen an der Grenze sind Polizeisoldaten. Auf deut⸗ scher Seite gibt es ein dichteres Eisenbahnnetz und bessere Chausseen. Es dürfen also nicht die rohen Mannschaftszahlen in Vergleich ge⸗ stellt werden. Die Anschaffung einer Anzahl von Automobilen durch die russische Armee beweist noch nicht, daß die russische Armee im Kriege schneller mobil gemacht wird. Die Korruption in der russi⸗ schen Armee ist neuerdings wieder klar zutage getreten. Der Hin⸗ weis auf die russische Gefahr mußte etwas verstummen, als der Zar nach Deutschland kam. Jetzt soll nun wieder Frankreich als Popanz herhalten. Der französische Soldat wird als der beste der ganzen Welt hingestellt. Unser westlicher Nachbarstaat bleibt um ein Drittel hinter unserer Hevöllerung zurück. Diese Tatsache allein genügt, um zu beweisen, daß eine Heeresverstärkung bei uns nicht notwendig ist. Notwendig sind bei uns militärische Reformen, namentlich eine Ver⸗ kürzung der Dienstzeit. Die Militärverwaltung will davon nichts In dem Jubiläumsjahr sollte so etwas nicht vorkommen. 1813 haben sich die Krümpersoldaten vortrefflich geschlagen. Wenn jetzt auch die technischen Hilfsmittel größer geworden sind, so ist doch auch das Menschenmaterial besser geworden, als es vor 100 Jahren war. Ein großer Teil von Soldaten kommt aus der Industrie her; diese haben eine große technische Ausbildung erhalten. Es ist an der Zeit, mit den überflüssigen Paraden aufzuräumen. Es wird die Zeit in den Kasernen damit vergeudet, daß für wenige Paradetage unnötige veraltete friderizianische Griffe eingepaukt werden. Die Nervosität der Unteroffiziere rührt nicht von der Verkürzung der Dienstzeit her, se von diesem überflüssigen Paradedrill. Eine große Zahl der kannschaften steht an körperlicher und geistiger Fähigkeit und Tüch⸗ tigkeit nicht hinter den Einjährigen zurück. Die Heeresverwaltung bleibt dabei bestehen, daß an dem jetzigen Zustande nichts geändert werden darf. Bei den besitzenden Klassen sind natürlich die mili⸗ tärischen Instinkte und Fähigkeiten in dem Grade vorhanden, daß die Leute schon in einem Jahre zu Führern gemacht werden können. Gegen die einjährige Dienstzeit kann nicht geltend gemacht werden,
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junger
lnoch wie erobertes Land behandelt und mit Trupyen aus den anderen
daß dadurch Deutschland minderwertiger werden würde. Unser Partei⸗
noll 8 8 . . mohe ürzung der Dienstzeit eingebracht, und wenn nur der Reichs⸗ in den ernsten gleichen Willen bekunden würde, so würde eine solche form auch in Frankreich ein williges Ohr finden, ebenso in Eng⸗ and. Aus diesen von mir nur ganz knapp vorgetragenen Gründen können nir der Vorlage nicht zustimmen. Ueber die Mannschaftsverstärkung st in der Kommission eigentlich nichts gesagt worden, nur die sechs Kavallerieregimenter haben eine ausgiebige Debatte veranlaßt, denn über den Wert der Kavallerie gehen die Ansichten weit auseinander. aß nicht so viele Tenener bewilligt sind, wie gefordert wurden, rüber können eigentlich nur die Leute betrübt sein, die sich auf das ükrative Geschäft des Remontezüchtens gelegt haben. Es wäre enteressant, festzustellen, wieviel von den 17 Millionen für die Pferde⸗ mkäufe in die Tasche von Konservpativen fallen. (Ruf links: 161) ie Vermehrung der Kavallerie wird nur zu weiterer kastenmäßiger zschließung führen. Die Kriegstechnik hat in den letzten Jahr⸗ ten eine vollständige Revolutionierung erfahren, namentlich die wallerie hat kolossale Wandlungen durchgemacht, als Schlachttruppe st sie ganz ausgeschieden. Der Kriegsminister hat sie in der Kom⸗ nüission als das Auge und den verlängerten Arm des Feldherrn be⸗ eicnet. Der Kriegsminister hat seine Ansichten wiederholt geändert, das hat mich nicht gewundert, denn ich habe die Fähigkeit des Kriegs⸗ ninisters im Umlernen in den letzten Jahren bewundern gelernt. Es
st der Vorschlag gemacht worden, die Garderegimenter an die Grenze
ul verlegen. Einer der ulkigsten Gründe, die dagegen geltend gemacht worden sind, ist der Einwand, man könnte doch die vorhandenen sasermnen der Garderegimenter nicht leerstehen lassen. Die Ver⸗ nehrung der Verkehrstruppen ist sehr erheblich. Ich habe es ver⸗ nißt, daß man nicht gründlich erörtert hat, wie groß der Nutzen ist, der durch Aufwendung so erhehlicher Mittel für Beschaffung von Flugzeugen, Lenkballons usw. erzielt werden soll. Die Ansichten über ben Wert dieser Hilfsmittel sind sehr verschieden. Allerdings machen auch andere Länder so große Aufwendungen, sogar Rußland, das übri⸗ nens seinen Bedarf auf diesem Gebiet in Deutschland deckt. Be⸗ zauerlich ist, daß nicht allein das militärische Bedürfnis bei der An⸗ shaffung der großen Lenkhallons ausschlaggebend gewesen ist, sondern rhebliche Rücksichten auf die Industrie, die solche Fahrzeuge herstellt. zu beklagen ist, daß die regierenden Kreise es nicht richtig verstanden jaben, durch Verhandlungen auf internationalem Wege die wahn⸗ witzigen Rüstungssteigerungen in allen Ländern auf dem Gebiet de Luftfahrzeuge zu verhindern. Die Militärverwaltung hat uns bis⸗ jer den Befähigungsnachweis nicht erbracht, daß sie in der Lage it, mit den neuen Mitteln etwas wirklich Ersprießliches zu leisten. Fn der letzten Zeit ist eine Flugzeugfabrik großen Stils, „Die Atlaswerke“, mit 6 Millionen Kapital gegründet worden. In dem Prospekt, der u. a. von den Abgg. von Böhlendorff⸗Kölpin, Freiherrn von Zedlitz und Grafen Posadowsky unterzeichnet ist, wird das be⸗ währte militärische Interesse betont und hervorgehoben, daß bereits größere Bestellungen in sichere Aussicht gestellt worden seien. Wer hat den Herren die großen Bestellungen in sichere Aussicht gestellt? Ich frage, sind die Herren etwa mit der Regierung in Verbindung igetreten? Im Interesse der politischen Moral muß festgestellt werden, ob die Mitglieder dieses Gründungsausschusses elwa ihr par⸗ lamentarisches Amt mißbraucht haben.
Vizepräsident Dove: Es ist ein Zwischenruf „Korruvption“ ge⸗ falle; darin liegt ein Urteil. Es ist absolut unzulässig, Mit⸗ bliedern des Hauses einen derartigen Vorwurf zu mochen.
Abg. Noske (Soz., fortfahrend): Die Intendantur hat sich in neuerer Zeit nicht immer ihrer Aufgabe gewachsen gezeigt. Sie soll zwar inzwischen manches gelernt haben. Das ist aber nie zutage ge⸗ treten. Ich erinnere nur an die Expedition nach Deutsch Südwest⸗ afrika, wo sie völlig versagt hat. Sie hat damals geradezu sinnlos uit dem Gelde der Steuerzahler gewirtschaftet. Große Be⸗ stände blieben liegen, und jetzt noch zeigen Reste, welch glänzendes Organisationstalent die Intendantur damals entwickelt hat. Zuruf von den Sozialdemokraten: Tippelskirch!) Sehr bedenklich ist ganz besonders die Art der Ausbildung der Intendanturbeamten Die von der Kommission zu Art. I zugefügte Bestimmung, daß die Mannschaften des Beurlaubtenstandes nur in den Wintermonaten zur Uebung einberufen werden, soweit militärische und wirtschaftliche Gründe es gestatten, ist völlig unzulänglich und öffnet zudem der Willkür Tür und Tor. Man müßte dann jedenfalls dafür Vor⸗ sorge treffen, daß den Mannschaften Gelegenheit gegeben wird, an etwaigen Wahlen zum Landtag und Reichstag teilzunehmen. Bei der Schaffung von neuen Offiziersstellen scheint man nur ein schnelleres Avancement im Auge gehabt zu haben. Deshalb ist es nicht mehr als recht und billig, die einzelnen Stehen stark unter die Lupe zu nehmen. Allerdings wird die jetzige Freude über dieses geschaffene schnellere Avancement nicht lange dauern. Es werden ja viele Stellen für junge Offiziere eingerichtet, für die dann später wieder nicht genügend höhere Stellen vorhanden sein werden. Nötig ist es auch, daß man tüchtigen Unter⸗ offizieren den Aufstieg zum Offizierstande ermöglicht. Das verbietet aber die kastenmäßige Gliederung des Heeres. Dieses muß mit modernem Geiste erfüllt werden, indem für jeden Tüchtigen freie Entfaltung gewährleistet wird. Die Liberalen treten für Schaffung von Feldwebelleutnantsstellen ein. Das ist aber nur eine Halbheit, die wir nicht mitmachen wollen. Die Vermehrung des Unteroffizierkorps um 15 000 Köpfe bedeutet eine gleichzeitige große Vermehrung des Bedürfnisses der Unter⸗ bringung der Kapitulanten im Zivildtenst. Schon heute macht diese Unterbringung sehr große Sorge. Den Interessen der Gemeinden widerspricht es vielfach außerordentlich, wenn sie genötigt werden, eine immer wachsende Zahl von Militäranwärtern einzustellen, und e ist auch nicht jeder gediente Unteroffizier den bürgerlichen Amts⸗ geschäften gewachsen. Eine Verminderung dieser Erhöhung wird freilich davon erwartet, daß man die Abfindung für die Nicht⸗ benutzung des Zivilversorgungsscheins von 1500 auf 3000 ℳ er⸗ höhen will. Diese Erwartung könnte trügen. Anderseits wird schon heute geklagt, daß die erforderliche Zahl von Kapitulanten nicht aufgetrieben werden kann; besonders in Elsaß⸗Lothringen soll es damit übel bestellt sein, weil dieses Gebiet immer
deutschen Vaterländern besetzt wird. General Deimling setzt dort bekanntlich das alte Treiben, das ihm im Reichstage zu wiederholten Zusammenstößen mit den Parteien verhalf, fort, wie seine jüngsten Heldentaten in Mülhausen beweisen; er hat zu derselben Zeit, als sich fast die ganze Kommission gegen den Milttärboykott aussprach, sich Uebergriffe in dieser Richtung erlaubt, die geradezu unerhört sind. Ein ganz besonders schwieriges Kapitel ist der Aerztemangel im Heere, nicht weniger afs 500 Stellen des Sanitätsdienstes sind unbesetzt. inzweifelhaft wird das Sanitätsoffizierkorrs im Heere noch immer nicht seinen berechtigten Ansprüchen entsprechend respektiert, und diesem Mangel wird auch durch Verbesserung des Avancements nicht abgeholfen werden. Große Summen fordert die neue Wehrvorlage für die Waffen⸗ beschaffung, ein Umstand, der die Rüstungsinteressenten mit heller Freude erfüllt. Wie diese Interessenten sich skrupellos der bedenklichsten Mittel bedienen, für die Rüstungsvermehrung zu arbeiten, haben wir ja vor einigen Wochen an dem Fall der „Deutschen Waffen und Munitions⸗ fabriken“ kennen gelernt. Nach Möglichkeit muß darauf gesehen werden, daß der Bedarf an Waffen und sonstigen Ausrüstungsgegen⸗ ftänden in reichseigenen Betrieben hergestellt werde: nähme man dem Rüstungskapital die Hoffnung auf Profit, so würde der wirksamste Hebel für die Steigerung der Rüstungen außer Tätigkeit gesetzt berden; in allen Ländern betreibt das internationale Rüstungs⸗ fapital aus reiner Profitsucht planmäßig die Rüstungshetze. Unter allen Umstͤnden muß. dem Schmieren der Offiziere und Beamten, die Kriegsmaterial abnehmen, ein Ende gemacht werden; vas noch bis in die neueste Zeit hinein von Krupp darüber 68 die Oeffentlichkeit gedrungen ist, gehört in die Gruppe er tollsten Skandalosa; dem einzelnen Offizier, der zur Abnahme vommandiert war, sind bis zu 12 000 ℳ derartige persönliche Zu⸗ wendungen gemacht worden. Natürlich muß ein sosches Schmier⸗ gelderunwesen um sich greifen und bis in die untersten Kreise dringen;
se Jaurès hat in Frankreich ebenfalls einen Gesetzentwurf über
auch darüber hat die Kommissionsberatung Material ergeben! Nicht
am guten Willen, aber an der Fähigkeit der man da schließlich zu zweifeln anfangen; Geschäftsgewandtheit, Geschäftstüchtigkeit war nicht ihre stärkste Seite. Man muß besorgen, daß in diesem Punkte besonders in den nächsten Monaten sehr piel gesündigt wird. Es kommen hier auch vor allem Grundstücksankaufe in Frage; ich verweise nur auf die Tatsache, daß der Ver⸗ waltung für den Zossener Exerzierplatz von gerissenen Terrain⸗ spekulanten mindestens 3 Millionen zuviel abgenommen worden sind. Das Unbegreiflichste, was wir in den letzten Wochen erfahren haben, 'war der hartnäckige Widerstand, den die Militärverwaltung allen Reformen entgegengesetzt hat. In dem Augenblick, wo dem Volke ein Milliardenopfer zugemutet wird, kann dieses zum mindesten ver⸗ langen, daß der Geldverschleuderung ein Ende gemacht wird, die in der Beibehaltung des Gardekorps liegt. Sie ist eine Gefahr für den Fall der Mobilmachung. Komisch wirkte das Motiv des Kriegsministers, daß die Garde dazu diene, das monarchische Gefühl im Volke zu stärken. Ein Teil der Gardisten, die in Berlin bleiben, wird selbstverständlich Sozial⸗ demokraten. Ohne Garde ist die Wehrvorlage für den Kriegs⸗ minister unannehmbar. Uns soll es recht sein, wenn die Vorlage abgelehnt und der Reichstag aufgelöst würde. Selbstverständlich haben wir in der Kommission eine Radikalreform des Beschwerde⸗ rechts zur Bekämpfung der Soldatenmißhandlungen gefordert, und ebenso selbstverständlich hat sich die Militärverwaltung dagegen ab⸗ lehnend verhalten. Ebenso notwendig ist eine Verbesserung des Militärstrafrechts. Mit dem Leben der Soldaten müßte schonender umgegangen werden. Die neuesten Hitzschläge unter den Truppen fordern dies gebieterisch. Wären alle notwendigen Maßregeln ge⸗ troffen worden, so wären Menschenleben nicht zu beklagen. Die Mehrheit der Kommission hat nur nebensächliche, geringfügige Zu⸗ geständnisse von der Militärverwaltung durchgesetzt, eigentlich nur Lappalien. Zu den Schäden der neuen Vorlage gehört auch, daß einem Teil der Steuerzahler direkt das Brot vom Munde weggenommen wird durch die Schaffung von neuen Militärkapellen. Der Kriegsminister hat fast jeden Reform⸗ vorschlag bekämpft als einen Eingriff in die Kommandogewalt. Das war nichts als die Proklamterung der absolutistischen Gewalt. Das widerspricht dem konstitutionellen Gedanken. Wir Sozialdemo⸗ katen werden dafür eintreten, daß der Einfluß des Reichstags in Militärfragen gestärkt wird. Es ist nicht ausgeschlossen, daß in wenigen Jahren wieder neue Milliarden für neue Waffen gefordert werden. Welche Früchte das militaristische System zeitigt, beweist der öster⸗ reichische Fall Redl. Der Militarismus muß deshalb grund⸗ sätzlich bekämpft werden. Gegen die Rüstungstreiberei wehren sich jetzt auch Kreise, die nicht der Sozialdemokratie an⸗ gehören. Ich erinnere an gewisse Stimmen aus dem Zentrum. Welche Fülle von Kulturarbeit geht durch den Milikarismus dem Volke verloren! Die deutschen Sozialdemokraten müßten ehr⸗ lose Kerle sein, wenn sie diesem Kriegsminister und dieser Regierung auch nur einen Pfennig für Heereszwecke bewilligten. Der Kriegs⸗ minister hat den Mut gehabt, davon zu sprechen, der Boykott würde über Lokale verhängt, in denen Sozialdemokraten verkehren und Zu⸗ hälter und Dirnen. Die Sozialdemokraten werden also auf eine Stufe mit Zuhältern und Dirnen gestellt. (Lebhafte wiederholte Pfuirufe bei den Sozialdemokraten. — Vizepräsident Dr. Paasche: Ich bitte, Pfuirufe zu unterlassen; Abg. Antrick wiederholt den Pfuiruf, worauf er vom Präsidenten zur Ordnun g gerufen wird. — Große, fortdauernde Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Der Kriegsminister hat uns den gröbsten Schimpf ins Gesicht geschleudert, als er die Sozialdemokraten in einem Atem mit dem ärgsten Gesindel nannte.
Vizepräsident Dr. Paasche: Ich erkläre noch einmal, daß Pfuirufe in dieser Form nicht parlamentarisch sind. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Diese sind hier doch zulässig und angebracht. Der Kriegsminister hat es doch gesagt, er soll es zurücknehmen.) Ich muß bei meiner Ansicht bleiben. (Erneute Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten; große Unruhe und Lärm.)
Abg. Noske (fortfahrend): Das werden wir Sozialdemokraten der Heeresverwaltung nicht vergessen, ich gebe ihr die Ver⸗ sicherung, daß wir es in Tausenden von Versammlungen bekannt geben werden. Das mußte ich bier zur Sprache bringen. Trotzdem ich aus vertraulichen Besprechungen sonst nichts vorbringe, muß ich doch auf einen Fall zu sprechen kommen, bei dem der Kanzler zugegen war. Der Reichskanzler meinte, wenn einmal ein Krieg ausbrechen sollte, dann müsse jeder in Deutschland mit höchster Be⸗ geisterung Leben und Kraft zur Verteidigung des Vaterlandes ein⸗ setzen. Wir fragten, was die Regierung zu tun gedenkt, um Zu⸗ friedenheit im Innern zu schaffen, welche Reformen speziell in Preußen eingeführt werden, wir wiesen auch auf die Notwendigkeit der Aen⸗ derung des Wahlrechts hin. Alle Teile der Bevölkerun müßten dann wirklich das Gefühl haben, daß sie gleichberechtigte Bürger des Landes sind. Der Kanzler 18 sich gar nicht. In einem Teil der bürgerlichen Presse war die Rede davon, daß zu einer Jubiläums⸗ feier in den nächsten Tagen von den bürgerlichen Parteien als schönste Gabe die bewilligte Militärvorlage dargebracht werden solle. Dagegen ist die Gegengabe ausgeblieben, das Königswort ist nicht eingelöst worden. Die Kommission trägt eine Reihe von Resolutionen vor. Damit ist dem Volke aber nicht gedient. Vielleicht sollen einige wirklich nicht als Futter für den Papierkorb des Bundesrats dienen. Aber die bürgerlichen Parteien haben nur dann Energie angewandt, um ihren Wilten durchzusetzen, wenn es sich um ihre Geldsackinteressen handelte. So werden die Liberalen wohl auch einmal ihren jüdischen Reserve⸗ leutnant und ein paaor Konzessionsschulzes in der Garde bekommen. Den Kampf für das Proletariat wird aber auch in Zukunft nur die Sozialdemokratie zu führen haben. Der Kriegsminister tut ja so, als ob er etwas gegen die Sozialdemokratie ausrichtet. Aber wir verfügen über Mittel, an die er nicht heranreicht. Trotz 40 jährigen Kampfes gegen uns steht jetzt hinter uns ein Viertel des ganzen Volkes. Die Heeres⸗ verwaltung glaubt den starken Mann spielen zu können. Aber sie hat schon andere Seiten aufziehen müssen. Sie können sicher sein, daß wie in Zukunft mit vermehrtem Eiser und verstärkter Kraft den Kampf weiterführen werden. Vor dem festen Willen, der hinter uns steht, wird auch die reaktionärste Verwaltung zu Kreuze kriechen müssen. Wir werden nicht eher ruhen, als bis wir das jetzige Klassen⸗ heer zu einem demokratischen Volksheer gemacht haben. In dem Kampf gegen die Rüstungstreibereien stehen wir einer großen Mehr⸗ heit gegenüber. Um so ehrenvoller ist es, wenn wir uns der Durch⸗ führung dieser Heeresverstärkung widersetzen. Wir dienen am besten dem Frieden, wenn wire diese unsinnige Rüstungspolitik bekämpfen. Immer weitere Volksmassen werden erkennen, daß unser Wirken für sie am segensreichsten ist. In dieser Zuversicht erblicken wir in allen Ländern Europas eine sichere Gewähr dafür, daß es gelingen wird, den Militarismus zu überwinden.
Preußischer Kriegsminister, von Heeringen:
Meine Herren! Sie werden nicht von mir erwarten, daß ich bei der vorgeschrittenen Zeit auf die 4 ½ stündige Rede des Herrn Vor⸗ redners eingehe, ihm ausführlich antworte. Ich will nur einen Punkt herausgreifen, und das ist die Beschuldigung, die hier ausgesprochen
General der Infanterie
worden ist, daß ich in der Budgetkommission die Sozialdemokratie
mit Zuhältern auf eine Stufe gestellt hätte. Das ist nicht wahr. Ich bin in der Budgetkommission nach den Gesichtspunkten gefragt worden, unter denen Militärverbote gegen Wirtschaften aus⸗ gesprochen würden. Darauf habe ich in ganz gedrängter Kürze darauf hingewiesen, daß einerseits diejenigen Wirtschaften, in denen nachweisbar eine soztaldemokratische oder deutschfeindliche Einwirkung festgestellt worden wäre, verboten würden, und andererseits auch die⸗ jenigen, wo Verhältnisse existierten, die den Soldaten zu einem lieder⸗ lichen Leben verleiteten. (Lebhafte Rufe bei den Sozialdemokraten: Na also!) — Das ist eine krankhafte Empfindlichkeit, meine Herren,
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eilitärverwaltung muß
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wenn man daraus folgert, daß ich beides auf eine Stufe gestellt, in
einen Topf geworfen hätte. (Sehr richtig! rechts.) Einer von Ihrer Partei war es sogar, der auch unmittelbar nach meinen Aus⸗ führungen anerkannt hat, daß das nicht gemeint war. (Hört, hört! rechts.) Derartige Momente ganz verschiedenartiger Natur, die einem Ziel zustreben, finden sich in unserer Gesetzessprache sehr viel. Da darf ich Sie zum Beispiel nur darauf hinweisen, daß der § 33 des Mannschaftsversorgungsgesetzes von 1906, wenn die Vorlage an⸗ genommen wird, in Zukunft lauten wird: . —
Das Recht auf den Bezug der Versorgungsgebührnisse erlischt:
1) mit dem Wiedereintritt in den aktiven Militärdienst;
2) durch rechtskräftige Verurteilung zu Zuchthausstrafe wegen Hoch⸗ verrats, Landesverrats, Kriegsverrats oder wegen Verrats militärischer Geheimnisse;
3) mit der Beförderung zum aktiven Offtzier.
Niemand hat dabei bisher vermutet, daß das alles auf eine Stufe gestellt würde. (Sehr gut! und Heiterkeit rechts.) Ich kann von mir aus deshalb den mir gemachten Vorwurf nur als durchaus un⸗ berechtigt zurückweisen. (Beifall rechts.)
Meine Herren, der Herr Abgeordnete hat dann am Schluß noch ein Loblied auf die Erfolge der Sozialdemokratie gegen das Heer ge⸗ sungen. Auch dies ist unberechtigt. Ganz zweifellos ist die Armee niemals offensiv gegen die sozialdemokratischen Bestrebungen vor⸗ gegangen. (Lachen und lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemo⸗ kiaten.) Von vornherein befand sich das Heer im Abwehr⸗ zustand. Sie haben aber die Armee mit Ihrem ganz speziellen Haß beehrt (sehr richtig! rechts. — Zurufe bei den Sozialdemokraten); denn Sie sehen in der Armee das Haupthindernis, um Ihre Be⸗ strebungen durchzusetzen. Die Armee ist sich der Aufgabe, dieses Haupthindernis auch für die Zukunft zu bilden, voll und ganz be⸗ wußt, und wird an ihrem Standpunkt unentwegt festhalten, die Truppe zur Treue für Kaiser und Reich zu erziehen. (Lebhafter Beifall rechts. — Unruhe bei den Sozialdemokraten.)
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück:
Meine Herren! Der Herr Abg. Noske hat, wenn ich richtig unterrichtet bin, — es ist mir nicht gelungen, in den Besitz des Stenogramms zu gelangen —, im Zusammenhang mit seinen Aus⸗ führungen über die Heeresvermehrung folgendes, dem Sinne nach, gesagt: während man auf der einen Seite dem Volke unerhörte Be⸗ lastungen auferlege, stehe auf der anderen Seite ein uneingelöstes Königswort. (Lebhafte Zustimmung bei den Sozialdemokraten. — Zuruf rechts: Gebrochenes Königswort!) — Meine Herren, mir ist berichtet worden „ein uneingelöstes Königswort“. Ich bitte, meine Ausführungen auf dieser Grundlage weiterführen zu dürfen Also ich setze voraus, daß der Herr Abg. Noske mit Bezugnahme auf die preußische Wahlrechtsfrage behauptet hat, daß den Opfern des Volks, die jetzt auf dem Gebiete der Heeres⸗ vermehrung gefordert würden, ein uneingelöstes Königswort entgegen⸗ stehe. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)
Meine Herren, die Form ist sehr geschickt gewählt; in der Sache kommt allerdings diese Ausführung darauf hinaus, daß dem Köni von Preußen der Vorwurf gemacht wird, daß er ein dem Volk gegebenes Wort nicht gehalten hat. (Sehr richtig! bei den Soztal⸗ demokraten. — Zuruf von den Sozialdemokraten: Der Regierung wird der Vorwurf gemacht!) Mit diesen Ausführungen hat der Herr Abg. Noske ein Gebiet betreten, das sich der Zuständigkeit des Reichs⸗ tags entzieht. (Ah! bei den Sozialdemokraten. Zuruf von den Sozialdemokraten: recht kläglich! — Sehr richtig! rechts.) — (Glocke des Präsidenten.)
Mit Bezug auf diese preußische Angelegenheit möchte ich, gestützt auf Art. 9 der Reichsverfassung, hier folgendes feststellen. Es ist unrichtig, tatsächlich unrichtig, wenn behauptet wird, daß hier ein un⸗ eingelöstes Königswort vorläge. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Mehrere!) Die preußische Staatsregierung bezw. der König von Preußen haben dem preußischen Landtage eine Vorlage wegen ander⸗ weiter Regelung des preußischen Wahlrechts gemacht. (Sehr richtig! rechts. — Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ueber diese Vorlage ist eine Einigung mit dem preußischen Landtag nicht erfolgt Sie werden unmöglich behaupten können, daß unter diesen Um⸗ ständen die Regierung die von ihr gegebene Zusage nicht erfüllt habe. (Widerspruch⸗bei den Sozialdemokraten. Lebhafte Zustimmung rechts.) Wenn diese Vorlage nicht Gesetz geworden ist, so lag das an dem Landtag, der seine Zustimmung dazu versagt hat, nicht aber an der Regierung des Königs von Preußen. (Zurufe von den Sozial⸗ demokraten: Sie hätte ihn auflösen können!)
Zweitens aber, meine Herren, ist auch nach der preußischen Ver⸗ fassung der Vorwurf, der hier gegen den König von Preußen erhoben ist, formell fehlsam. Wenn jemand die Ver⸗ antwortung in dieser Beziehung trägt, trägt sie allein das preußische Staatsministerium (sehr richtig! rechts), und ich muß mich mit aller Entschiedenheit dagegen verwahren, daß hier die Person des Königs von Preußen in den Bereich der Er⸗ örterung gezogen wird. (Lebhaftes Bravo! rechts. — Zurufe und Lachen bei den Sozialdemokraten.)
Wenn der Herr Abgeordnete Noske endlich gesagt hat, daß die preußische Wahlrechtsftage, wenn sie nicht mit dem König von Preußen gelöst werden könne, gegen den König von Preußen gelöst werden würde, so antworte ich Ihnen, daß das nicht geschehen wird. (Bravo
rechts. — Heiterkeit und Zuruf von den Sozialdemokraten: Abwarten!)
Wir werden in Preußen dafür sorgen, daß Preußen seine verfassungs⸗ mäßigen Bestimmungen so erhält und so ausgestaltet, wie es dem Wohl des preußischen Staats nach unserer Auffassung entspricht. (Lebhaftes Bravo rechts. Große Unruhe und Lachen bei den Sozial⸗ demoktaten.)
Vizepräsident Dr. Paasche: Nach dem mir vorliegenden Stenogramm hat der Abg. Noske nach einem Hinweis auf die bevor⸗ stehende Jubelfeier gesagt, die „Gegengabe ist ein verpfändetes Königs⸗ wort, das nicht eingelöst worden ist“. Ich habe diese Worte vorhin bei der Unruhe des Haufes nicht verstehen können. Es liegt in diesen Worten eine herbe, beleidigende Kritik Seiner Majestät des Königs von Preußen, und ich rufe deshalb den Abg. Noske nachträglich z ur Ordnung. (Lachen hei den Sozialdemokraten.) Ich bitte, das Lachen zu unterlassen. Sie wählen Ihren Präsidenten, damit er die Ordnung des Hauses aufrecht erhält, und es würde mir leid tun, wenn ich dies nicht tun könnte.
Generalleutnant von Wandel: Wenn ich richtig gehört habe, so hat der Abg. Noske gesagt, daß Offiziere von der Firma Krupp geschmiert worden seien, und daß es zu verwundern wäre, daß die Militärverwaltung dem nicht ernstlich entgegengetr en wäre