machen. Das deutsche Vork hat die Waffen in der Hand, es braucht nur dem Beispiel zu folgen, das unsere belgischen Mmnesten egeben haben. Das Volk braucht nur zu dem politischen Massen⸗ treik zu greifen. (Zuruf rechts: Aha! — Große Unruhe — Glocke des Präsidenten.) Seien Sie versichert, diese Waffe im wirt⸗ schaftlichen Kampf, wenn sie zu politischen Zwecken von einer bis zum Aeußersten getriebenen Volksmasse gebraucht wird, versagt niemals, und ich hoffe, daß, wenn nicht bald die Herren, die das Versprechen gegeben haben, zur Ansicht kommen, daß es nötig ist, diese Aufgabe ernstlich durchzuführen, und zwar gründlich, der kulturellen Entwicklung des deutschen und preußischen Volkes entsprechend, dann hoffe und wünsche ich und mit mir alle meine Parteigenossen, daß es gelingen wird, auf dem Wege, den ich angedeutet habe, die Regierung und die herrschenden Klassen Preußens zur Erfüllung ihres Versprechens zu zwingen. Vor nicht allzu langer Zeit haben im preußischen Abgeordnetenhause einige Herren der konservativen Partei das Verlangen gestellt, daß das preußische Abgeordnetenhaus einen Druck auf die preußische Re⸗ gierung ausübe, damit sie die preußischen Vertreter des Bundesrats im Sinne des Abgeordnetenhauses instruiere. Wenn wir dem ein⸗ zelnen Bundesstaat ein solches Recht zugestehen, wieviel mehr haben wir dann ein Recht, darauf hinzuwirken, daß nicht Landtage bestehen, die in pöllig reaktionärem, volksfeindlichem Sinne zusammengesetzt sind auf Grund eines Wahlrechts, das in direktem Wider pruch steht mit dem Geist der Verfassung und dem Reichstag. Es ist ein unhaltharer Zustand, daß ein deutscher Bundesstaat ein Wahl⸗ recht hat, das im Gegensatz steht zur Ansicht der Mehrheit des deutschen Reichstages. (Präsident Dr. Kaempf ruft den Redner zur Sache.) Ich muß dem Staatssekretär Delbrück entgegentreten, weil er die Legitimation des Reichstags in dieser Frage bestritten hat. Ich weiß nicht, ob das dem Präsidenten bekannt gewesen ist. Wenn es ihm bekannt war, dann verstehe ich nicht sein u“ (Präsident Dr. Kaempf ruft den Redner wiederholt zur Sache.) Ich habe das Recht, den Aeußerungen des Staatssekretärs, die sich mit dem Sinn der Reichs⸗ verfassung nicht vereinbaren lassen, entgegenzutreten. Genau so wie in der Wahlrechtsfrage, so bestehen auch in anderen Fragen unserer inneren und auswärtigen Politik die verschiedensten Gegensätze zwischen der Auffassung der Reg erung und dem Geist der Verfassung. Wir wollen eine friedliche Aussöhnung mit Frankreich und England herbeiführen. Wenn ein ernster Wille vorhanden ist, läßt sich auch ein Weg finden. Den Weg dazu haben unsere Parteigenossen und auch Abgeordnete der bürgerlichen Parteien aus Frankreich und Deutschland, die mit uns zusammen in Bein für die friedliche Verständigung und Aus⸗ söhnung dieser Länder eingetreten sind, gewiesen. Ich begrüße es mit Freuden, daß der Anfang selbst von bürgerlichen Parteien in Deutsch⸗ land gemacht worden ist. Wir werden alles aufbieten, um eine “ der Verständigung und Freundschaft gegenüber Frankreich zu etreiben. Indem wir das tun, arbeiten wir besser für den Welt⸗ frieden, als Sie mit allen Ihren Rüstungen. Diejenigen Parteien, die für die Rüstungsvorlage eintreten, tragen dazu bei, daß wir eine Drachensaat säen, die geeignet ist, das größte Unheil herbei⸗ zuführen. Präsident Dr. Kaempf: Der Abg. Ledebour hat im Laufe iner Rede die Redewendung gebraucht, daß die Regierung eine Politik treibe, die nur die Geldsäcke der Agrarier fülle. Das ist eine Beleidigung einer Partet des Hauses und des Reichskanzlers. Ich rufe Sie deshalb zur Ordnung.
Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen:
Meine Herren! Es liegt mir ferne, auf die Rede des Herrn Abg. Ledebour in der Gesamtheit eingehen zu wollen (sehr richtig! rechts), nur einige Punkte möchte ich herausgreifen. Er hat davon gesprochen, daß unsere Waffenindustrie jetzt Milliarden aus dem Er⸗ gänzungsetat bekäme. Sieht man der Frage einmal etwas trocken ins Gesicht, so stellt sich heraus, daß von den 384 Millionen, die in dem Ergänzungsetat für 1913 darin sind, 52 ½ Millonen für die Waffen⸗ industrie im ganzen bestimmt sind, und von diesen 52 ½ Millionen ent⸗ fallen über 24 Millionen auf Arbeitslöhne. (Hört, hört! rechts.) So Feht die Sache in Wirklichkeit aus. Sie können versichert sein, daß die deutsche Heeresverwaltung Vorsorge trifft, daß keine Heeres⸗ geheimnisse ans Ausland kommen.
Er ist dann weiter darauf eingegangen, uns wieder, wie seine Parteigenossen in der Budgetkommission es ja öfters getan haben, eine allgemeine Landesbewaffnung vorzuschlagen. Es ist uns ja wiederholt von den Herren entgegengehalten worden, daß ihr Ideal die Milizen wären. Ich glaube, über die Milizen werden wir uns noch später unterhalten. Ich möchte beute nur die Bemerkung machen, daß kein sozlaldemokratischer Arbeiter seine Arbeitsstätte, an der er sein tägliches Brot findet, und seine Heimat gegenüber den Massenheeren, die unsere Nachbarn aufstelen und die gut disziplintert sind, dem lockeren Gebilde von Milizarmeen anvertrauen möchte. (Sehr wahr! rechts. — Zuruf von den Sozialdemokraten: Und die Schweizer!) In der Budgetkommlission ist uns wiederholt, und zwar von den Herren Ihrer (der Sozialdemokraten) Partei gesagt worden, wenn wirklich diese Heeresvorlage lediglich zur Verteidigung des Vaterlandes dienen sollte, dann müßte allerdings die Verteidigungskraft auf den höchsten Gipfel gestellt werden. Ja, meine Herren, was wollen wir denn mit der Vor⸗ lage anders als die Verteldigung unseres Vaterlandes? Heute hat der Herr Abg. Ledebour den Gedanken wieder gestreift, als ob da andere Zwecke mit unterliefen. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Das haben Sie ja zugegeben!) Trauen Sie uns wirklich zu, daß der von Ihnen so oft in den Maͤnd genommene innere Feind auch hierbei eine Rolle spielt? (Zuruf von den Sozialdemokraten: (Zweifellos!) Ganz gewiß nicht! Zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in Deutschland genügt die Polizei oder, wie einer meiner Amtsvorgänger vor Jahren schon sagte, die Feuerwehr. (Heiter⸗ keit rechts.) Wenn wirklich der Ausnahmezustand eintreten sollte, den niemand mehr wie die Armee bedauert, daß das Heer aushelfen müßte, dann genügen dafür unsere Truppen, die wir jetzt haben, ganz sicher. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Mansfeld! Vor einem Jahr im Ruhrrevier! — Glocke des Präsidenten.) Der Herr Abg.
Liebknecht ruft mir: Ruhrrevier zu. Da haben Sie ein Beispiel gewählt, welches für die Sache ausgezeichnet paßt. Da konnte die Polizei und Gendarmerie die Ordnung nicht aufrecht erhalten, da trat der bedauerliche Ausnahmezustand ein, den ich eben als möglich hinstellte. Aber wie verlief die Sache? In vortrefflicher Weise. Als die Truppe auf dem Plan trat, war mit ihrem Erscheinen Ruhe und Ordnung da, und gerade die Art und Weise, wie die Ruhe und Ordnung damals hergestellt worden ist, kann der Armee nur zum Lobe gereichen; keiner der deutschen Mitbürger ist verletzt worden, alle Arbeitswilligen sind geschützt worden durch unsere Truppen, und es war eine ganze Anzahl von Parteigenossen von Ihnen, die damals sogar behaupteten, — wenn ich mich recht erinnere, — daß erst durch das Eintreten der Armee Ordnung geschaffen ist, sehr viel bessere Verhältnisse eingetreten sind, als sie vorher dort gewesen sind.
Aber es fragt sich nur, was versteht man unter Verteidigung des Vaterlandes. Der Herr Abgeordnete meint, daß wir lediglich in der
Verteidigung seien. Gewiß, Deutschland ist friedlich bis in die Knochen. Das zeigen die 42 Jahre, die hinter uns liegen, und das zeigt vor allen Dingen hier die Heeresvorlage (Unruhe bei den Sozialdemokraten); denn wenn wir offensive Absichten hätten, dann würden wir Ihnen eine ganz anders geartete Vorlage vorgelegt haben; keine, die Jahre braucht, bis sie zu ihrer vollen Wirkung gelangt. (Sehr richtig! rechts.) Wir haben durchaus nicht die Absicht, in irgendeiner Weise einen Krieg zu beginnen, sondern lediglich den Frieden deutscher Arbeit und deutschem Fleiß zu sichern. (Bravo! rechts.) Aber wenn Deutschland — ich will den Fall bloß hypothetisch be⸗ handeln — in der Zukunft gegen seinen Willen gezwungen sein sollte, das Schwert wieder einmal zu ziehen: glauben Sie denn, daß wir dann ruheg abwarten müßten und sollten und dürften, bis der Feind über die Grenzen kommt und in unser Heimatland einbricht, sodaß unsere Heimat zum Schlachtfeld wird? Würden Sie das für richtig halten? In dem Moment wird, dessen bin ich sicher, die deutsche Heeresleitung sich auf die alte Wahrheit wieder besinnen, daß der Hieb die beste Deckung ist.
Dazu bedürfen wir einer Heeresvorlage, wie sie Ihnen jetzt vorliegt; dazu bedürfen wir u. a. auch der Kavallerie, die auf⸗ klären muß, aber auch die Gefechte durchzuführen uns helfen muß. Es ist durchaus unrichtig, wenn immer wieder gesagt wird, daß die Rolle der Kavallerie in zukünftigen Kriegen ausgespielt sei. Nein, gerade umgekehrt wird es unter Umständen der Fall sein! Lassen Sie mich das in einigen Worten erläutern. Ueber die Erkundungs⸗ tätigkeit der Kavallerie ist ja schon wiederholt gesprochen worden, und ich glaube, das ist für jeden klar und einleuchtend gewesen. Aber nun das Gefecht! Gewiß, da sind große Kavallerteattacken gegen unerschütterte Infanterielinien nicht mehr möglich. Das waren sie schon nicht, als die Infanterie noch sehr viel schlechter bewaffnet war; da ist es nicht notwendig, daß man die Maschinengewehre und die modernen Geschütze heutzutage überhaupt in Rechnung stellt. Anderer⸗ seits ist aber auch heute der Angriff gegen eine gut mit modernen Waffen — Infanterie, Maschinengewehren, Artillerie — ausgerüstete Verteidigungsposition für die Infanterie und Artillerie sehr viel schwieriger als früher. Die Durchführung einer erfordert das Heranziehen aller Reserven, das Ausbrennen der Angriffstruppen unter Umständen bis zur Schlacke. Es ist sogar sehr gut denkbar, ja von vielen erwartcet, die über diese Sachen geschrieben und nachgedacht haben, daß der Angreifer bis zu dem Momente, wo er in die Stellung des Verteidigers vermöge seiner besseren Ausbildung und vermöge des besseren Geistes, der in ihm steckt, trotz aller Verluste eindringt, sehr viel mehr verliert als der Verteidiger. Die Früchte des Angriffs, die man nach der Erleidung so großer Verluste einheimsen muß, reifen erst hinterher, liegen erst in der Ver⸗ folgung. Gerade die Verfolgung bringt heute eigentlich erst die Früchte, die ein Angriff mit all dem vergossenen Blute zeitigen muß. Da ist die Kavallerie an ihrem Platz, und wenn die Infanterie durch ein langdauerndes Gefecht ausgebrannt ist zur Schlacke, so wird auch in Zukunft eine rechtzeitig gut geführte Kavallerie diejenige sein, die den halben Erfolg zum ganzen stempelt und unter Umständen Tausenden und Abertausenden neuer Opfer vorbeugt. (Hört, hört! rechts.) Denn derjenige Gegner, der, nachdem er von der Infanterte und Artillerie aus seiner Stellung, herausgeworfen ist, dann auf dem Rückzug von Kavallerie angefaßt wird, der erscheint so bald nicht wieder im Feld, und darauf kommt es an. Es kann also gerade das Vorhandensein von gut⸗ geführter, zahlrelcher Kavallerie einen Feldzug nicht nur entscheiden, sondern vor allen Dingen beenden. (Sehr gut! rechts.)
Der Herr Abg. Ledebour hat eingangs seines Vortrags darauf hingewiesen, daß der Herr Reichskanzler eigentlich gestern die Resolutionen gegenüber dem Herrn Abg. Dr. Müller (Meiningen) als eine quantité négligeable behandelt hätte. Ich glaube in vollster Uebereinstimmung mit dem Herrn Reichskan, ler dies hier doch verneinen zu müssen. Meine Herren, ich hake mich über die Resolutionen, wie sie Ihre Budgetkommission gefaßt hat, eingehend bei den Verhandlungen ausgesprochen. Ich kann darauf hier nur nochmals wiederholt verweisen. Vorbehaltlich der Stellung der verbündeten Regierungen, denen ja Ihre Resolutionen, wenn sie hier angenommen sind, nachher zugehen werden, kann ich nur darauf hinweisen, daß ein großer Teil Ihrer Resolutionen meiner Auf⸗ fassang nach ohne weiteres annehmbar ist. (Hört, hört! links.) Bei einem anderen Teil der Resolutionen ist es, wie ich das auch in der Budgetkommission ausgesprochen habe, in Rücksicht auf ihre Trag⸗ weite und in Rücksicht auf die große Bedeutung, die die Stellung⸗ nahme zu diesen Resolutionen hat, notwendig, zunächst Erwägungen und Erörterungen eintreten zu lassen. Erst davon kann es abhängig gemacht werden, wie die verbündeten Regierungen ihre Stellung nehmen. Ich kann also auch heute dazu nichts weiter sagen. Sie können aber versichert sein, meine Herren, daß die verbündeten Re⸗ gierungen in eingehendster Weise prüfen werden, inwieweit den Wünschen des Reichstags entgegengekommen werden kann, und daß das auch in entgegenkommendster Weise geschehen wird. (Bravo! rechts und im Zentrum.)
Präsident Dr. Kaempf macht Mitteilung, daß über die Anträge, betreffend die Kavallerieregimenter, namentlich abgestimmt werden wird.
Akg. Fischbeck (fortschr. Volksp): Der Abg. Ledebour ist noch einmal auf die Ausführungen meines Freundes Müller gegenüber der Rede des Abg. Noske zu sprechen gekommen. Der Kernpunkt des ganzen Streites ist doch nur der, daß der Abg. Dr. Müller in seiner Rede darauf hinwies, daß in der Kommission auch feitens der Sozialdemokratie anerkannt worden ist, daß jeder, dem das Wohl des Vaterlandes am Herzen liege, prüfen müsse, ob bei uns die Ver⸗ hältnisse so liegen, daß man allen Gefahren begegnen kann. Der Abg. Ledebour hat ja selbst von den Gefahren im Osten und Westen gesprochen. Auf diese Gefahren ist ja häufig genug hingewiesen worden. Man kann nur darüber streiten, in welcher Weise man ihnen am besten begegnet. Die Sozialdemokratie hat da einen anderen Standpunkt. Aber so, wie der Abg. Ledebour es hinstellt, liegen die Dinge nicht. Es handelt sich nicht um das Schützen von Geldsackinteressen. Der Abg. Ledebour hat ja selbst vor einigen Tagen geschrieben, daß die Sozialdemokratie niemals verkannt habe, daß die geographische Lage des Reiches eine stake Schutzwehr nötig machk. Die Sozialdemokratie hält dafür ein Milizheer für genügend, andere aber nicht. Es stehen also keine Geldsackinteressen auf dem Spiele. Nach dem Abg. Ledebour haben die Resolutionen keinen Zweck, man müsse stärkere Mittel anwenden und die Militärvorlage ablehnen. Aber wir be⸗ willigen die Vorlage ja nicht der Regierung, sondern der Sicher⸗ heit des deutschen Volkes wegen. Verwunderlich war allerdings das Auftreten des Reiche kanzlers. Der Kriegsminister hat sich
bemüht, in einer anderen Tonart zu sprechen, und ich hoffe, daß seinen Worten hald die Tat folgen wird. Der Abg. Müller⸗Meiningen
Schlacht
erklärte im Namen meiner Freunde und in Uebereinstimmung mit der großen Mehrheit dieses Hauses, daß wir bereit seien, die schweren Lasten dieser Vorlage auf uns zu nehmen. Aber wir stellten au gleichzeitig Forderungen nach Reformen. Es ist unverständlich, wie der Reichskanzler sagen konnte, es sei seine oberste Aufgabe, in der Armee die Treue zum Kaiser und die Disziplin und die Organisation aufrecht zu erhalten. Solche Worte waren entweder deplaciert oder brüskierend und verletznd. Was von alledem, was wir fordern rüttelt an dem, was der Kanzler als seine oberste flicht hinstellt? Wir wollen nur Ersparnisse in der rmee machen. Wir haben doch die Pflicht, dem Volke, d solche Lasten auferlegen, auf der anderen Seite durch Er⸗ hernisge diese etwas leichter zu machen. Es ist uner⸗ klärlich, wie dadurch die Armee in ihrer Treue zum Kaiser und in ihrer Disziplin und Organisation geschädigt werden kann. War es nicht Fürst Bülow, der auch auf Ersparnisse in dem Heer⸗ wesen hinwirken zu wollen erklärte? Haben nicht aus allen Parteien sich Stimmen erhoben, die die schwere wirtschaftliche Belastung des Volkes durch diese neue Militärvorlage betonten und dafür Zu⸗ P.f in dieser Richtung forderten? Der Kollege Müller⸗ Meiningen forderte die Wehrhaftmachung der Jugend durch Turnen, Spiel und Sport; war das etwa der Grund für das brüske Auftreten des Reichskanzlers gegen ihn? Der Kollege Müller⸗ Meiningen hat sich allerdings mit großem Nachdruck für eine Reform der Rechtsverhältnisse der Offiziere und Soldaten ein⸗ gesetzt; das ist doch nur eine Forderung derselben Disziplin, für die der Reichskanzler so energisch sich einlegte. „Gerade wenn man in der Richtung auf die Schaffung eines wirklichen Volksheeres vorgeht, muß man diese Forderung beachten und berücksichtigen. Die Armee ist keine abgeschlossene Welt für sich. Die Hebung des S ulwesens trägt doch dazu bei, den jungen Mann fähig zu machen, selbständig zu denken und Entschlüsse zu fassen. Die Armee braucht allerdings ihre eigenen Gesetze, aber diese Gesetze können von der Grundlage dessen, was Gerechtigkeit ist, nicht ab⸗ weichen. Die Armee muß auch ihrerseits den Fortschritten in der Rechtsbildung Rechnung tragen. Die Disziplin kann nicht erzwungen werden bloß durch Kommandieren und Strafen, wenn sie ein moralisches Element sein soll. Darum fordern wir die Re⸗ g der Militärjustiz, für den gemeinen Mann wie für den Offizier, und mit dem steten Hinweis auf die in dieser Hinsicht noch bestehenden Mängel hat sich der Kollege Müller⸗ Meiningen ein großes Verdienst erworben. Ist in der Armee die Forderung der modernen Verfassung erfüllt, daß Rücksichten auf Rang, Stand und Glauben nicht genommen werden dürfen? Besteht nicht vielmehr in der Armee eine Bevorzugung derjenigen, die die drei Buchstaben vor ihrem Namen haben? Die Zurücksetzung des bürgerlichen Elements erweckt Pisrrht ae auch in den Offiziers⸗ kreisen, und darunter muß die Disziplin, muß der ganze innere moralische Halt der Armee leiden. Ein hoher Offizier, der Generalleutnant Litzmann, spricht in einem dieser Tage erschienenen Artikel ganz offen von diesem Mißvergnügen. Aus den Grenz⸗ regimentern in Graudenz oder Metz wandert der Adel aus und die Ofüzierkorps werden schließlich bürgerlich. Was konnte den Reichs⸗ kanzler veranlassen, hier dem Abg. Dr. Müller gegenüber in so schroffer Form auszurufen, es gelte die Treue zu Kaiser und Reich? Die Resolutionen, die die Kommission beschlossen hat, sollen in die Kommandogewalt des Kaisers eingreifen. Der Kriegsminister weise uns die Resolutionen nach, zu welchen wir auf Grund der Verfassung nicht berechtigt wären! Gerade die Verfassung wollen wir beobachtet wissen; wenn Verfassungsgrundsätze nicht beachtet werden, kann man sich hinter keine Kommandogewalt zurückziehen. Wenn ein verantwortlicher Minister sich hinter den Kaiser zurückzieht, so entspricht das doch absolut nicht seiner Stellung, nach der er das verantwortliche Bekleidungsstück des Monarchen sein soll. Die Rechte hatte verlangt, die Regierung möchte sich doch endlich über die Deckungsfrage aͤußern; ob sie mit der estritgen Erklärung des Kanzlers sonderlich zufrieden ist, ist mir zweifelhaft. Die Linke hat immer die Deckung für neue Ausgaben gefordert, wir halten für selbstverständlich, daß auch bei dieser großen Militärvorlage für Deckung gesorgt wird; es kann uns nur erwünscht sein, wenn die Rechte sich daran beteiligt. Bedeutet die Erklärung des Grafen Westarp und die gestrige des Kanzlers vielleicht noch etwas anderes? Der Kanzler erklärt die Erledigung der Militärborlage für das oberste Gesetz; das ist genau dasselbe, was wir wollen, und unsere Taktik in dieser Beziehung ist doch ein Entgegenkommen gegen den Kanzler. Dann ist es freilich merkwürdig, daß er dieselben die das gleiche mit ihm wollen, so unliebenswürdig be⸗ andelt. Wir sind bereit, eifrig an der Deckungsfrage mitzu⸗ arbeiten. Der Wehrbeitrag ist im großen und bener durchberaten; die laufenden Ausgaben zu bewilligen, sind wir ebenfalls bereit, aber natürlich nicht so, wie es gerade die Konservativen wollen. Wie der Reichstag sich die Deckung dachte, zeigen ja die vorjährigen Beschlüsse über die Besitzsteuer, die eine große Mehrheit im Hause gefunden haben. Hier kann es für uns auch kein Rück⸗ wärts geben; es wid die allgemeine Besitzsteuer gefordert, also eine Steuer vom Vermögen oder von den Erbschaften. Will die Reichsregiernng keine Vermögenssteuer, so bleibt nur die Erbschaftssteuer übrig. Ueber die Form läßt sich sprechen; aber wenn die „Deutsche Tageszeitung“ erklärt, daß für die Konservativen jeder Geseßentwur , der eine Steuer auf das Kindes⸗ erbe lege, unerträglich sei, dann werden sich eben unsere Wege trennen. Bei solchen Erklärungen müssen doch Nebengedanken vorhanden sein. Für eine Besitzsteuer hat sich do selbst auf der Rechten Stimmung gefunden. Wir würden das Ver⸗ trauen des Volkes verscherzen, wenn wir ihm jetzt nicht gäben, was wir ihm seit 1909 bei den Wahlen versprochen haben. Der Reichskanzler und der Kriegsminister haben wiederholt die Bewilligung der drei gestrichenen Kavallerieregimenter verlangt, jedesmal mit anderen Gründen. Wir glauben, auch jetzt noch ist die Kavallerie eine notwendige Waffe; aber aus vielen Kriegsgebieten, wo sie früher eine Rolle spielte, ist sie durch die moderne technische Entwicklung heraus⸗ gedrängt worden. Wenn wir bedenken, daß, trotzdem die Verwendung der Kavallerie im Ernstfall eingeschränkt ist, heute schon 102 Kavallerieregimenter bestehen, dann glauben wir, daß wir uns doppelt und dreifach besinnen sollen, ehe wir die ge⸗ forderten Kavallerieregimenter bewilligen. Alle Zurückse ungen des bürgerlichen Elements und alle Bevorzugungen der Adligen spielen in keiner Truppe eine solche Rolle, wie gerade in der Kavallerie. Wenn der Reichskanzler nun in so schroffer Form unsere diesbezüglichen Wünsche nach einer Modernisierung der Armee zurückweist, kann ich nur sagen, daß einzelne Mit⸗ glieder meiner Fraktion, die bisher auf der Seite der Regierung gestanden haben, wahrscheinlich nunmehr eine andere Haltung einnehmen werden. Wir werden aber nicht ermüden, unsere Forderung immer wieder von neuem vorzubringen. Sie wird schließ⸗ lich auch zur Durchführung gelangen, denn auch die preußische Heeres⸗ verwaltung ist schließlich nicht stark genug, den Forderungen der Ge⸗ rechtigkeit zu widerstehen.
Hierauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.
Persönlich bemerkt der
Abg. Erzberger (FZentr.), daß er seine Ansicht aufrecht erhalte, daß Frankreich die Rüstungen eher vorbereitet habe als Deutschland.
Abg. Ledebour (Soz.): Die Ausführungen des Abg. Erz⸗ berger bestätigen nur meine Behauptung.
Schluß gegen 5 ½ Uhr. Nächste Sitzung Chen Uhr. (Fortsetzung der Beratung; vorher kleinere Vorlage
lvon
3
1“
Preußischer Landtag.
f Vorschlag von Dr. Frei⸗
eite Beilage en Reichsanzeiger und Königlich Preu
sischen Sta
teilweise in Kleinrußland, im Zentralrayon und an der mittleren
Herrenhaus. 1. Sitzung vom 12. Juni 1913, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)
Der Präsident der vorangegangenen Session Herr von Wedel⸗Piesdorf eröffnet die Sitzung um 2 Uhr 20 Minuten mit folgenden Worten:
Meine Herren! Als Präsident der vorigen Session eröffne ich die heutige Sitzung. Unserem Brauche entsprec en⸗ beginnen wir unsere Tätigkeit damit (die Mitglieder des Hauses erheben sich), daß wir Seiner Majestät unseres Könias, des Deutschen Kaisers, gedenken. Wir tun es heute mit besonderer Freude, gehen wir doch dem fest⸗ lichen Tage entgegen, wo Seine Majestät auf 25 Jahre einer gesegneten Regierung zuruͤckblickt. Wir sind erfüllt von Dankbarkeit für alles, was unser Allergnädigster Herr in diesen 25 Jahren für Deutschlands und Preußens Wohl getan und geleistet hat, und wir hoffen zu Gott, daß es ihm beschieden sein möge, noch lange, lange Jahre in gleichem Segen wie bieher Deutschland und Preußen zu regieren. Lassen Sie uns diesen Gefühlen der Dankbarkeit und der Hoffnung dadurch Aus⸗ druck geben, daß wir rufen: Seine Majestät unser König, Deutsch⸗ lands Kaiser, lebe hoch! (Die Mitglieder stimmen dreimal begeistert in diesen Ruf ein.)
Zu provisorischen Schriftführern beruft der Präsident die Herren Graf von Arnim⸗Boitzenburg, Graf von Hutten⸗ Czapski, Dr. Johansen und Graf von Seidlitz⸗Sandreczki.
Der Präsident teilt ferner mit, daß er Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen zum Geburtstage die Glückwünsche des Herrenhauses übermittelt habe, und daß darauf ein huldvolles Dankschreiben eingegangen sei.
Der Präsident stellt fest, daß die Mitglieder in beschluß⸗ fühiger Zahl versammelt sind, und daß deshalb von dem ge⸗ schäftsordnungsmäßig vorgesehenen Namensaufruf Abstand ge⸗ nommen werden kann.
Auf der Tagesordnung steht die Wahl der Prä⸗ sidenten und der Schriftführer.
Auf Vorschlag von Dr. Freiherrn Lucius von Ball⸗ hausen wird das bisherige Präsidium durch Akklamation wiedergewählt, und zwar Herr von Wed el⸗Piesdorf zum Präsidenten, Herr von Becker zum Ersten und Dr. Freiherr n Landsberg⸗Steinfurt zum Zweiten Vize⸗ präsidenten.
Präsident Herr von Wedel⸗Piesdorf: Ich nehme die auf mich gefallene Wahl mit Dank an und bitte auch fernerhin um Ihre Unterstützung und Ihre gütige Nachsicht.
Herr von Becker und Dr. Freiherr von Landsberg⸗ Steinfurt erklären gleichfalls die Annahme der Wahl.
Zu Schriftführern werden au
herrn
Klitzing,
Lucius
wiedergewählt die von Ballestrem, G Graf von Seidlitz⸗
von Wedel⸗Gödens.
Jubiläum wird das
des Hauses Allerhöchst Möglichkeit bieten, da Hauses an der Gratulation teil
gung, die nächste Sitzung selb Schluß 2 Uhr 25 Minuten; nächste Sitzung unbestimmt.
Neu in das Haus eingetreten dessen Vereidigung in einer sp u Mitgliedern der Stati auf Vorschlag des Freiherrn von Rochow und Graf von der Schulenburg⸗Grünthal wieder⸗ gewählt und Herr von Bes⸗ Präsident Herr von Wedel⸗Pesdorf: räsidium die Ehre haben, die Glückwünsche enorts darzubringen. ein größerer Teil des Vorstands des nimmt, so wird dementsprechend ver⸗ fahren werden; aber das läßt sich momentan noch nicht übersehen.
ß auch
von Ballhausen durch Akklamation Herren Graf von Arnim⸗Boitzenburg, raf von Hutten⸗Czapski, Sandreczki, Veltman und Dr. Graf
von R
eler neugewählt.
2
Der Präsident erhält auf seinen ’1
ist Graf von Schaffgotsch, äteren Sitzung erfolgen wird. stischen Zentralkommission werden
anzuberaumen.
Graf Dr. Johansen, von
ichthofen die Herren
Bei dem bevorstehenden Sollte sich noch die
Vorschlags die Ermächti⸗
westbahnen ezogenen E
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Saatenstand in Rußland. Soweit sich aus den von dem hiesigen Ravonkomitee der Süd⸗ zur Regelung des Güterverkehrs auf den Bahnen ein⸗
rkundigungen bisher ersehen läßt, verspricht die bevor⸗ tehende Getreideernte nach dem derzeitigen Stande der Felder im
Amtsbezirke einen guten Mittelertrag,
fürchtungen, welche von den L
mehr als befriedigend in den Gouvernements Wolhy en und Podolien und befriedigend in den Gouvernements (Bericht des Kaiserlichen Kons
In den ein für das Winter
Petersburg, 13. Juni. und Industriezeitung“ 20. Mai alten Stils all sind mittelgut. Der Winterweizen steht voll befriedigend. ist er im Südwestrayon, im Süden,
vorzüglich.. u
b andwirten wegen des bvielfach zu starken und stellenweise auch zu dichten Emporschießens des Getreides gehegt werden, sich in der Folge als unbegründet zelnen Gouvernements gestalten sich die Ernteaussichten „ und Sommergetreide folgendermassen:
. im Goubernement Kiew,
uls in Kiew vom 7. Juni 1913.)
(W. T. ist der Saatenstand in gemein befriedigend.
im Nordkaukasus, im Dongebiet,
vorausgesetzt, daß die Be⸗
erweisen.
Poltawa, Mohilew und Tschernigow.
B.) Nach der Handels⸗ Rußland vom Die Ernteaussichten Gut
Wolga,
ist,
und im
gebiet,
nicht
im Uralgebiet, Zentralrayon, Stand der Sommersaaten
steht er gut. Der elrußland festgestellt und
Südrußland und Mitt befriedigend. im Nordkaukasus, Wolga, stellenwei Bezirken des Nor g in Ufa und Grodno stehen die Winter voll befriedigend.
„Kaiserin Au „Kronprinzessin Cecilie“ ab Bremen 24. „Cineinnati“ ab Hamburg 25. Juni, „Geor „Kaiser Wilhelm der „Amerika“ ab Hamburg 3. „Kaiser Wilhelm II.“ ab Bremen 8. Juli, „Imperator“ ab Hamburg 9. Juli, „Cleveland“ ab Hamburg 10. Jult,
stellenweise im No dwestrayon. nur stellenweise in Grodno, Sjedlez und Tambow, sonst überall befriedigend. Der gemein befriedigend. Gut ist er dort, wo a und stellenweise
im Trane uralgebiet. teilweise in Wjatka, stellenweise auch
an der
Uabefriedigend ist er im südlichen Teile von Winterroggen ist all⸗ uch der Winterweizen gut Unbefriedigend ist er
oberen Wolga Nordwesten; sonst ist nur in allgemein voll
Gut ist er im Sudwesten und Süden, in Kleinrußland,
Verkehrswesen.
Schiffsliste für billige Briefe na Staaten von Amerika (10
Die Portoermäßigung erstreckt nicht auch auf Postkarten, Drucksach für Briefe nach auch nach anderen
den
ch den Vereinigten ₰ für je 20 g).
sich nur auf Briefe, en usw., und gilt nur Vereinigten Staaten von Anerika, Gebieten Amerikas, z. B. Canada. „Kronprinz Wilhelm“ ab Bremen 17. Juni, guste Victoria“ ab Hamburg 18. Junt,
teilweise im Zentralrayon und an der mittleren se im Nordwesten von Polen und in einzelnen dostrayons, unbefriedigend nur stellenweise im Ural⸗ „ sonst befriedigend. In Westsibirien saaten allgemein befriedigend, die Sommersaaten
Juni,
ge Washington“ ab Bremen 28. Juni,
Juli,
Große“ ab Bremen 1. Jullt,
Postschluß nach Ankunft der Frühzüge.
Alle diese Schiffe, außer „Cineinnati“ Schnelldampfer oder solche, gange die schnellste Beförder
Es empfiehlt sich, Weg“ oder „über Bre
und „Cleveland“, sind die für eine bestimmte Zeit vor dem Ab⸗ ungsgelegenheit bieten.
die Briefe mit einem Leitvermerke wie „direkter men oder Hamburg“ zu versehen.
Nr. 19 des „Eisenbahnverordnun im Ministerium der folgenden Inhalt: B
öffentlichen Arbeiten,
Nachrichten.
ffend Niederschlagung
gsblatts“ herausgegeben vom 10. Juni 1913 hat ekanntmachung des Reichskanzlers vom 13. Mai 1913, betreffend Aenderung der Militärtransportordnung. — Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten: 1V. 46. 115/293, betre Bahnpolizeistrafen. —
21. vom 5. Juni 1913, rechtskräftig festgesetzter
Marktorte
Danzig Berlin Stettin Breslau. Magdeburg Dortmund. 1
Berlin, den 13. Juni 1913.
197 — 200 207,50 — 211
162 162,50 157 159 160 — 162 173 — 178
gering
mittel
gut Verkaufte
Gezahlter Preis für 1 Dopp
elzentner
Menge
Tag niedrigster
höchster
höchster ℳ
niedrigster
ℳ
niedrigster
höchster Doppelzentner ℳ
Verkaufs⸗
wert
Am vorigen Markttage
Durch⸗
preis V ℳ
Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) nach überschläglicher Schätzung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)
nnꝗs
12. Kaufbeuren.
12. ]Kaufbeuren .. . 17,00
Bemerkungen. Die verkaufte
ℳ
17,00
Roggen.
17,50 17,50
18,40
Hafer. 1 19,00
[18,40
19,900
Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Pankt (.
8
Kaiserliches Statistisches Amt. Delbrück.
Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet
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