immer mehr als Maler, was auch seine Kollektivausstellung bei]
Keller und Reiner schon zeigte; der Graphiker schien natürlicher. Marrs Riesenbild ist wohl für das Thema unzulänglich; so etwas wurde in München noch ganz anders gelöst. Im Gegensatz dazu ist Toni Stadlers Btldchen ein wahres Kabinettstück. Als Vertreter der „Scholle“ tritt Putz mit einem meisterhaften „Mädchenbildnis“ auf, das freilich seine sonstige Farbenpracht kaum ahnen läßt. Eigentlich muß in diesem Zusammenhang das frühere „Scholle“⸗ Mitalied Münzer genannt werden, auf dessen „Weibliches Bildnis“ die Düsseldorfer Galerie stolz sein kann. Selten waren seine deko⸗ rativen Gemälde so anziehend durch eine gehaltene Meisterschaft.
Der Saal der Dresdner, der Kuehl seine Anordnung ver⸗ dankt, hat von diesem ein gutes, aber nicht gerade bezeichnendes Bild „Schlechte Nachrichten“; man hätte in diesem Fall weniger Be⸗ scheidenheit gewünscht. Den Saal beherrschen zwei große, einander gegenübergehängte Gemälde: Klingers Dreedner wohlbekannte „Pietà“ und Lührigs „Rumänischer Archimandrit“; wenn man beim ersten den Mangel an richtig orientiertem Farbensinn störend empfindet, so möchte man von dem andern, so sonderbar es klingen mag, im Gegenteil behaupten, daß mit weniger Farben mehr Harmonie er⸗ reicht worden wäre. Zwintschers Damenbildnis zeigt eine aufdring⸗ liche Zeichnung, die auf diesem Gebiet keinen Vorzug bedeutet. Gern sieht man immer wieder Ungers Frauentypen, diesmal als „Mutter und Kind“ bezeichnet.
Im Karlsruher Saal beherrscht Trübners Reiterbild des Großherzogs von Hessen den Eindruck; es ist in der bewährten Art dieses Altmeisters gemalt und von weitem an seinem besonderen Grün zu erkennen. Thoma wirkt dagegen bescheiden, fast möchte man sagen, hausbacken. Dill neigt immer mehr zum Dekorativen und . ewiger „Herbstabend im Moor“ scheint in seinen Wirkungen längst erschöpft zu sein. Von Schmid⸗Reutte waren in diesen Räumen viel bessere Sachen zu sehen; aber auch die hier ausgestellte „Kreuzigung“ läßt sein starkes Talent durchblicken. Stuttgart tritt hinter anderen Städten zurück, und man kann sich mit den großen Bildern von Carlos Grethe, die so viel Raum wegnehmen, kaum befreunden. Am erfreulichsten wirkt der bekannte von Haug, dessen „Preußen bei Möckern“ als Bild vielleicht mehr Vorzüge haben als das in der Nationalgalerie. Landenberger, der seinerzeit in München zu so viel Hoffnungen berechtigte, ist ganz gering vertreten. Weise wiederholt mit Geschick die Gestalt seiner „Städterin“, die seine „Blaue Stunde“ vor Jahren so bekannt ge⸗ macht hat. 1
Bei den Weimarern erdrückt das Riesenfresko (so ist es wohl gedacht) von Egger⸗Lienz alle anderen Bilder schon durch seine Abmessungen, dann aber durch die monumentale “ Bei der diesjährigen Sammelausstellung bei Keller und Reiner wirkte er be⸗ deutend stärker, weil man durch die Fülle gleichartiger Bilder auf diese große Anschauung, die ihm zweifellos eignet, von vornherein ein⸗ gestellt war. Wie sollen daneben die zarten Farbenakkorde Ludwig von Hofmanns zur Geltung kommen? Das interessanteste unter ihnen ist wohl „Am felsigen Strande. Thedys bewußte Anlehnung an alte Meister ist als gelungen zu bezeichnen. Mackensens Art eignet sich nicht für Riesenbilder, die einheitliches Sehen verlangen; seine „Mutter und Kind“ zeugt aber von Innerlichkeit, die dieser ganzen Gruppe gemeinsam ist. ’
Literatur.
Um dem Kaiser ihre Huldigung darzubringen, haben sich mehrere Hunderte von Landwirten, sowohl Großgrundbesitzer als auch bäuerliche Besitzer, aus allen Bundesstaaten und den Kolonien zu⸗ sammengetan und in einem groß angelegten Werke die Entwicklung der Landwirtschaft des Mutterlandes und der Kolonien in einzelnen Betrieben geschildert. Das Werk führt den Titel: „Die deutsche Landwirtschaft unter Kaiser Wilhelm II.“ (Verlag Marhold, Halle a. S.) und ist Seiner Mafjestät bereits vor dem Jubiläumstage von dem Präsidenten des Deutschen Landwirtschaftsrats Dr. Graf von Schwerin⸗Löwitz unterbreitet. Es enthält 140 Schilderungen von Großbetrieben, darunter der Kaiser⸗ lichen Güter Cadinen, chmolsin und Urville, 229 Beschreibungen von bäuerlichen Betrieben und 16 Berichte von Farmern und Pflanzungs⸗ gesellschaften sowie eine Darstellung der Gesamtentwicklung der Land⸗ wirtschaft von 1888 — 1913. Den beiden 1300 Seiten starken Bänden sind über 1000 Abbildungen beigegeben.
— Von dem Deutschen Wörterbuch der Gebrüder Grimm, das im Verlag von S. Hirzel in Leipzig erscheint, liegt die 4. Lieferung der 1. Abteilung des Elften Bandes vor. Sie enthält die Wörter Todestanz bis Ton und ist von Dr. M. Lexer und Dr. D. von Kralik herausgegeben. 5
— Baedeker, Oesterreich⸗Ungarn, nebst Cetinje, Belgrad, Bukarest. Mit 75 Karten, 76 Plänen, 7 Grundrissen und 2 Panoramen. 29. Auflage. Leipzig, Verlag von Karl Baedeker,
. Die neue Auflage dieses altbewährten Reisebuches erscheint rechtzeitig zur Reisezeit. Ein Vergleich mit der früheren Auflage zeigt, daß der Inhalt mit Sorgfalt durchgesehen ist und die Zahl der Karten und Pläne wieder vermehrt wurde. Von den neuen Plänen seien genannt: Görz, an der vielbefahrenen Tauernbahn; das dalmat. Seebad Lussinpiccolo und das auch von Deutschen mehr und mehr besuchte ungarische Bad Pistyän. Für das in jüngster Zeit häufig genannte Seebad Brioni ist eine Karte beigegeben. Für Reisende die nur den westlichen Teil der österreichischen Monarchie besuchen wollen, sei auf die gleichzeitig erschienene neue Auflage von Baedekers Oester⸗ reich, ohne Galizien, Dalmatien, Ungarn und Bosnien, hingewiesen: 51 Karten, 41 Pläne und 7 Grundrisse.
„MNr. 20 des „Eisenbahnverordnungsblatts“ herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 18. Juni 1913 hat folgenden Inhalt: Eisenbahnanleihegesetz. Vom 28. Mai 1913. Nachrichten. “ 8
85
lebhafte Ehrungen bereitet.
Woblfahrtspstetettct.
Der Geheime Kommerzienrat C. W. Koch hat, wie „W. T. B.“ meldet, der Stadt Oelsnitz (Vogtland) zum Andenken an seine kürzlich verstorbene Gattin hunderttausend Mark gestiftet.
Die Handwerkskammer für das Großherzogtum Hellen hat, wie „W. T. B.“ meldet, in ihrer heutigen Sitzung eschlossen, anläßlich des Regierungsjubiläums unter dem Namen „Kaiser Wilhelm⸗Jubiläumsstiftung’ einen Unterstützungsfonds mit einem Grundkapital von zehntausend Mark zu errichten, der in Fällen von Tuberkuloseerkrankung wenig bemittelten Handwerkern sowie Familienangehörigen den Kuraufenthalt in einer Heilstätte er⸗
möglichen soll. Theater und Musik.
Das unter dem Protektorat des Grafen Bolko von Hochberg stehende 18. Schlesische Musikfest in, wie „W. T. B.“ berichtet, estern nachmittag in Görlitz in der Stadthalle eröffnet worden. Rußer dem Protektor des Festes und seiner Familie wohnten der Fest⸗ aufführung Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Friedrich Wilhelm von Preußen, die Prinzessin Elisabeth von Ratibor, der Regierungspräsident Freiherr von Seherr⸗ Thoß sowie zahlreiche hervorragende Persönlichkeiten bei. Das Haus war von etwa 2000 Zuhörern gefüllt. Die musikalische Leitung der Festaufführungen liegt in den Händen des Generalmusikdirektors Steinbach⸗Cöln und des Königlichen Domchordirektors, Professors Rüdel⸗Berlin. Eingeleitet wurde der gestrige Festtag mit einem Präludium von J. S. Bach, gespielt vom Musikdirektor Bernhard Irrgang⸗Berlin. Den musikalischen Höhepunkt bildete die „Missa solemnis“, die mit vollendeter Tonschönheit vorgetragen und von Fenfässor Rüdel dirigiert wurde. Die hervorragenden Leistungen der erliner Königlichen Kapelle sowie der Solisten und des gut geschulten Chors, bestehend aus 600 schlesischen Sängern und Sänge⸗ rinnen, fanden starken Beifall. Den beiden Festdirigenten wurden
Mannigfaltiges.
Hamburg, 22. Juni. (W. T. B.) Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten sind gestern, kurz nach 4 Uhr, von Hannover kommend, im Automobil hier eingetroffen. Die Majestäten, welche in Celle das Schloß und in Lüneburg den Dom 9 hatten, sind auf der ganzen Fahrt durch die ü ne⸗ burger Heide überall mit großer Begeisterung empfangen worden. Ganz besonders großartig gestalteten ch die Be⸗
rüßungskundgebungen in den eiden genannten Steädten.
us Anlaß des Kaiserlichen Besuches tragen in Hamburg die öffent⸗ lichen Gebäude sowie viele Privatgebäude, insbesondere auch die Werften und die im Hafen liegenden Schiffe reichen Flaggenschmuck. Die Jacht „Hohenzollern“, auf der die Majestäten Wohnung nahmen, lag an den St. Pauli⸗Landungsbrücken. Hier waren zum Empfange erschienen die Bürgermeister Dr. Schröder und Dr. Predöhl, der preußische Gesandte von Bülow mit Gemahlin und der Legationssekretär von Bonin mit Gemahlin. Als die Majestäten die „Hohenzollern“ betraten, brachte der Kapitän zur See von Karpf ein dreifaches Hurra auf Seine Majestät aus. Der Senat hatte einen prachtvollen Blumenstrauß an Bord der Jacht bringen lassen. Ein anderer, mit den Mützenbändern der „Hohenzollern“ geziert, wurde Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin von dem Komman⸗ danten üͤberreicht. 1
Heute vormittag um 10 Uhr hielt Seine Majestät der Kaiser und König an Bord der „Hohenzollern“ selbst Gottesdienst ab. Nachmittags begaben sich Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten zu dem Pferderennen nach Horn, wo sie im offenen Vierspänner kurz nach 3 Uhr eintrafen und über das Geläuf vor die Kaiserloge, die mit blühenden Gewächsen reich geschmückt war, fuhren. Die Musik spielte die Nationalhymne. Das Publikum, das zu vielen Tausenden bei dem prächtigen Wetter die Bahn füllte, brachte stürmische Hochrufe aus. Die Majestäten wurden von den Bürgermeistern Dr. Schröder und Dr. Predöhl und dem Vorstand des Hamburger Rennklubs, mit Herrn Max Schinckel an der Spitze, empfangen und sahen zunächst das Rennen um die Silberne Peitsche. Es folgte der Große Hansapreis, alsdann das Kaiserin Auguste Viktoria⸗Jagdrennen um den Ehrenpreis Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin. Erster wurde der Leutnant Graf von Holck, der mit 2 ½ Längen sicher gewann. Der Graf von Holck wurde in die Kaiserloge geführt und empfing den Preis aus der Hand Ihrer Majestät. Um 4 ¼ Uhr ver⸗ ließen die Majestäten zu Wagen die Rennbahn unter andauernden Huldigungen und begaben sich nach dem Dammtorbahnhof. Um 5 ¼ Uhr reiste Ihre Majestät die Kaiserin und Königin mit Sonderzug nach der Wildparkstationab, wo sie Abends um 10 Uhr 33 Minuten eintraf. Seine Majestät der Kaiser und König hat sich um 8 Uhr mit Gefolge zur Abendtafel in die preußische Gesandtschaft begeben. 8
23. Juni. Heute vormittag um 10 Uhr fuhr Seine Majestät mit Gefolge im Automobil nach Stellingen zur Besichtigung von becks Tierpark, wo er von den Söhnen des verstorbenen
ommerzienrats Hagenbeck, Heinrich und Lorenz Hagenbeck, empfangen wurde. Außer den Neueinrichtungen des Tierparks wurden Seiner Majestät auch die zurzeit im Tierpark weilenden Massais vorgeführt.
Spandau, 21. Juni. (W. T. B.) Amtlich wird gemeldet: Am 21. Juni d. J., um 5 Uhr 5 Minuten Nachmittags, explo⸗ dierte auf dem Güterschuppen auf dem Güterbahnhof Spandau eine Kiste mit Zündhütchen. Hierbei wurde der Güterbodenarbeiter Willi Raschke aus Spandau, 22 Jahre alt, ledig, getötet. Ferner wurden der Güterschuppen und mehrere Güter beschädigt. Die Ursache der Explosion ist noch nicht aufgeklärt.
Kiel, 21. Juni. (W. T. B.) Das von der Germaniawerft erbaute Turbinenlinienschiff „Prinz⸗Regent Luitpold“ hat seine heutige Abnahmeprobefahrt mit sehr gutem Erfolge erledigt. Das Schiff ist von der Kaiserlichen Marine übernommen
I u n
worden.
mitgeteilt wird,
schien auch das falls
großer „Sachsen“ landete um 4 Uhr 15 Minuten glatt vor der Halle, die
Franzosen gänzlich zertrümmert. Fluggast, Linienschiffsleutnant Nepalek, schwer verletzt.
Osnabrück, 23. Juni. (W. T. B.) Wie von amtlicher Seite sind vom 1. Bataillon des Infanterie⸗ egiments Nr. 78 etwa 200 Mann an Kopfschmerzen, Erbrechen nd Durchfall erkrankt. Die Ursache der Erkrankung ist noch icht festgestellt. Lebensgefahr liegt bei keinem der Erkrankten vor.
Leipzig, 23. Juni. (W. T. B.) Zur Eröffnung des
Leipziger Luftschiffhafens ist gestern Seine Majestät der
König von Sachsen hier eingetroffen. an der Halle begrüßt wurde, traf das Luftschiff „Sachsen“, aus
Potsdam kommend, ein,
Während Seine Majestät
nachdem es schon 20 Minuten lang sichtbar und überflog die Halle. Um 3 Uhr 50,. Minuten er⸗ Luftschiff „Viktoria Luise“, das eben⸗ von Potsdam kam. Beide Luftschiffe umkreisten unter Begeisterung des Publikums den Landungsplatz. Die
ewesen,
Viktoria Lulse“ kreuzte über Leipzig. — Das Luftschiff Sachsen“ mit Seiner Majestät dem König von Sachsen
an Bord ist um 4 Uhr 30 Minuten zu einer einstündigen Fahrt über Leipzig und die Bauausstellung aufgestiegen. landete die „Viktoria Luise“ glatt vor der Halle und trat 10 Minuten später gleichfalls eine Passagierfahrt über Leipzig an. fahrt landete die „Sachsen“ um 5 Uhr 30 Minuten vor der Halle und war nach einigen Minuten in ihr geborgen. jestä Ihre Königlichen Hoheiten der Kronprinz und Prinz Friedrich Christian von Sachsen, welche die Rundfahrt mitgemacht hatten, sowie der Graf von Zeppelin L.
großem Jubel der Zuschauer und besichtigten darauf die Halle. Um 5 Uhr 45 Minuten war au
der Halle geborgen. 1 König, die Prinzen und Graf von Zeppelin in die Bauaus stellung.
Um 4 Uhr 40 Minuten Nach einer Rund⸗ Seine Majestät der König,
entstiegen in der Halle dem Luftschiff unter
ch die „Viktoria Luise“ gelandet und in Um 6 Uhr fahen Seine Majestät der
Stuttgart, 22. Juni. (W. T. B.) Seine Majestät der
Kaiser und König hat dem Verein „Naturschutzpark“ aus dem Dispositionsfonds 50 000 ℳ für die b. geplanten Naturschutzparke bewilligt.
beiden in Deutschland
Wien, 21. Juni. (W. T. B.) In seiner heutigen Sitzung
hat der Senat der Universität beschlossen, die Prüfungen wieder aufzunehmen, versitätsgebäude bis auf weiteres eingestellt bleiben. Erklärung bedauert der Senat die neuerlichen strafbaren Handlungen eines Teiles der Studentanschaft und fordert sie auf, zur Besonnenheit und Ordnung zurückzukehren. (Vgl. Nr. 145 d. Bl.)
Vorlesungen im Uni⸗
während die In einer
Wien, 22. Juni. (W. T. B.) Beim heutigen internationalen
Frng sg in Afpern stieß der Apparat des Oesterreichers
Höhe von 40 m gegen das Flugzeug des Beide Apvarate stürzten und wurden Molla wurde leicht, Stager und sein
tager in einer Molla.
Esseg, 22. Juni. (W. T. B) In der Walzmühle von
Joseph Krauß Söhne A⸗G. brach heute vormittag 11 Uhr aus bisher unaufgeklärter Ursache im dritten Stockwerke des Hauptgebäudes
3 euer aus, das mit rasender Geschwindigkeit um sich griff, innen
sodaß zehn Minuten das ganze Gebäude in Flammen stand. An den Löscharbeiten, die durch die ausströmende Hitze überaus erschwert wurden, beteiligten sich neben der Feuerwehr Sappeur⸗ und Artilleriesoldaten. Nach dreistündiger Arbeit gelang es, die Nebengebäude zu sichern. Das Mühlengebäude sowie die in den Magazinen aufgehäuften Waren wurden ein Raub der Flammen. Der Brand im Innern des Hauptgebäudes, das völlig einstürzte, dürfte noch drei Wochen dauern. Der Schaden, der auf ungefähr anderthalb Millionen geschätzt wird, ist durch Versicherung gedeckt. “ Löscharbeiten wurden drei Feuerwehrmänner leicht verletzt. 8
Southend on Sea, 21. Juni. (W T. B.) Heute früh ist ein Anschlag auf die St. Johanneskirche entdeckt worden. Ein großer Haufen Streichhölzer, auf dem dreißig Patronen lagen, wurde im Orgelraum gefunden. Ein Streichholz war an⸗ gezündet, aber anscheinend durch den Windzug ausgelöscht worden. Am Tatort wurden Druckschriften für das Frauenstimm⸗
recht aufgefunden. .“ St. Andrews (Schottland), 21. Juni. (W. T. B.). Der der Universität ist
östliche Flügel des Laboratoriums durch eine Feuersbrunst zerstört worden. Nach sicheren Anzeichen
ist der Brand das Werk von Anhängerinnen des Frauen⸗ stimmrechts.
Paris, 23. Juni. (W. T. B.) Mehrere Blätter melden aus Marseille, daß auf dem Landungsplatze in Port St. Louis du Rhöone große Mengen Heu, die für die Besatzungstruppen bestimmt waren, durch eine Feuersbrunst vernichtet wurden. Es ist seit kurzer Zeit das dritte Mal, daß derartige Heusendungen durch Feuer zerstört werden, und man heat den Verdacht, daß der Brand von einer antimilitaristischen Gruppe angelegt
worden ist.
Brüssel, 23. Juni. (W. T. B.) Der König Albert hat gestern seinen feierlichen Einzug in Gent gehalten, nachdem er den neuen Kanal von Gent nach Terneuzen eingeweiht hatte. Am Nachmittag besuchte der König die altflämische Kunst⸗ ausstellung und stattete auch der Galerie Ravene einen län⸗ geren Besuch ab. Er wurde hier von dem Geheimen Kommerzienrat Dr. Louis Ravené und dem deutschen Geschäftsträger Prinzen von
Hatzfeldt⸗Trachenberg empfangen. “
Nichtamtlichen in der Zweiten Beilage.) 8
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Theater.
Berliner Theater. Dienstag, Abends 8 Uhr: Filmzauber. Große Posse mit Gesang und Tanz in Rudolf Bernauer und Rudolph Schanzer.
Mittwoch und folgende Tage: Film⸗ zauber.
Lessingtheater. 8 Uhr: Gesamtgastspiel des Königlichen Theaters am Gärtnerplatz in München: Alt Wien. Operette in drei Akten von
8 ¼ Uhr: nungen.
theater.) Der Leibgardist.
Charlottenburg. Wien.
Deutsches Schanspielhaus. (Direk⸗ tion: Adolf Lantz. NW. 7, Friedrich⸗ traße 104 — 104 a.) Dienstag, Abends 8 ¼ Uhr: Eine Vergangenheit. Schau⸗
Mittwoch: Freiwild.
lottenburg,
spiel in drei Akten von Silvio Zambaldi. Direktion: Georg Hartmann.) Dienstag, Holländer und Leon Jessel. Eine Abends 8 Uhr: Marta oder Der Markt von
Mittwoch und folgende Tage: Vergangenheit.
zu Richmond.
Komödienhans. Dienstag, Abends Hochherrschaftliche Woh⸗
Mittwoch und folgende Tage: Hoch⸗ 4 Akten von herrschaftliche Wohnungen. zu Richmond.
Schillertheater. 0. (Wallner⸗
Komödie Dienstag, Abende Aufzügen von Franz Molnär. Mittwoch: Der Leibgardist. Donnerstag: Der Leibgardist. Gustav Kadelburg und Julius Wilhelm. Dienstag, Abends —: 8 Uhr: Hasemauns Töchter. Veittwoch und folgende Tage: Alt stück in vier Akten von Adolf L'Arronge.
Donnerstag: Zwei Wappen
Deutsches Opernhaus.
Mittwoch: Die Königin von Saba. Donnerstag: Der Freischütz Freitag: Die Königin von Saba.
Sonnabend: Marta oder Der Markt Kakadu.
Montis Operettentheater. (Früher: Neues Theater.) Dienstag, Abends
in drei Julius Spielmann: Der lachende Ehe⸗ mann. Operette in drei Akten von Edmund Eysler.
Mittwoch und folgende Tage: Der lachende Ehemann.
Montag, den 30. Juni: Schluß der Spielzeit.
Puppchen.
8g liebchen.
Lustspielhaus. (Friedrichstraße 236.) Dienstag, Abends 8 ¼ Uhr: Der lustige Vaudeville in drei Akten von Wilhelm Jacoby und Artur Lippschitz.
Mittwoch und folgende Tage: Der lustige Kakadu.
Thaliatheater. (Direktion: Kren und Dienstag, Abends 8 Uhr: 8 Uhr: Zu Sommervpreisen: Gastspiel Schönfeld.) Dienstag, Abends 8 Uhr: Posse mit Gesang und Tanz in drei Akten von Curt Kraatz und Jean Kren. Gesangstexte von Alfred Schönfeld. Musik von Jean Gilbert. Mittwoch und folgende Taage Pupychen Sonntag, Nachmittags 3 Uhr: Auto⸗
Verehelicht: Hr. Leutnant Max von Poncet mit Frl. Edelgarde von Glisczinskt (Berlin-—Klein Loitz).
Geboren: Ein Sohn: Hrn. Ober⸗ leutnant Karl⸗Wilhelm Frhrn. Geyr von Schweppenburg (Stendal).
Gestorben: Hr. Oberstleutnant Kurt Johannes (Charlottenburg). — Fr.
auptmann Matthiaß, geb. von Stein⸗ eller (Kolberg). — Fr. Helene von Bendemann, geb. Sturz (Berlin⸗Halen⸗ see)h. — Frl. Elisabeth von Kehler (Charlottenburg).
Verantwortlicher Redakteur: Direktor Dr. Tyrol in Charlottenburg.
Dienstag, Abends 8 ½ Uhr: Der Mann mit der grünen Maske. Burleske in (Char⸗ drei Akten. Musik von Friedrich Ber⸗
Mittwoch und folgende Tage: Der Mann mit der grünen Maske. .“ 8 18 1“
89
Familiennachrichten.
Bismarck⸗Straße 34 — 37. mann mit Kompositionen von Viktor Verlobt: Frl. Elisabeth von der Mar⸗ witz mit Hrn. Regierungsassessor Albrecht
Sch mann
Theater am Nollendorfplaz ——
Verlag der Expedition (Heidrich, in Berlin. (1391)
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsanstalt, Berlin, Wil elmstraße 3
Neun Beilagen (einschließlich Börsenbeilage).
11“
(Berlin — Neurode
167. Sitzung vom 21. Juni 1913, Mittags 12 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zwei Beratung des Entwurfs Se Gesehen “ Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres und des Besoldungsgesetzes sowie zur Aenderung des Gesetzes über die Versorgung der Personen der Unterklassen des Reichsheeres, der Kaiserlichen Marine und der Kaiserlichen Schutztruppen.
Die Beratung wird fortgesetzt mit dem Art. Ii nach dem Abänderungsantrag Albrecht und Genossen.
Nach dem Generalmajor Freiherrn Leuckart von Weiß⸗
“ 588 Abg. Dr. van Calker, deren Reden in der “ d. Bl. mitgeteilt worden sind, ergreift
9) „† 2 1 js di Abg. von Brockhausen (dkons.): Wer unparteiisch die Ver⸗
handlungen über die We hrvorlage verfolgt hat, muß den Eindruck ge⸗
winnen, daß die Sozialdemokratie dabei nur den Zweck verfolgt hat die Kommandogewalt unseres Kaisers und Königs zu beseitigen und an deren Stelle die parlamentarische Herrschaft zu setzen. Die Sozialdemokratie will die Heeresorganisation von Grund aus ver⸗ ändern und die Disziplin im Heere untergraben. Dies ist aber meines Erachtens ein Versuch mit untauglichen Mitteln. Denn eine solche Uebertreibung, eine Verallgemeinerung von Einzelfällen, die Heran⸗ ziehung längst Verstorbener wird der gesunde Sinn des Volkes so⸗ weit es nicht durch die sozialistische Presse und ihre Agitation ver⸗ bildet ist, mit Entrüstung zurückweisen. Wenn man gestern jemand aufgefordert hätte, anstatt spazieren zu gehen, die Rede des Abg Stadthagen anzuhören, dann würde er wohl sicher erwidert haben, mit dem Abg. Stadthagen zu disputieren, ist weder ehrenvoll, noch “ es Gewinn. Der Abg. Stadthagen hat sich mit großer öö“ beklagt, daß leitens meiner politischen Freunde bei seinen Ausführungen über die Soldatenmißhandlungen gelacht worden ist. Er scheint wenig Selbsterkenntnis zu haben. Sein Auftreten in so später Abendstunde und die Mißhandlung des ganzen Hauses durch ihn muß meines Erachtens zum Lachen reizen. Wir wollen ein zum Kampf und Sieg stets bereites Heer. Das ist für uns eine Frage von großem Ernst und großer Bedeutung. Aber alles Menschen⸗ werk ist Stückwerk, sodaß auch im Heere bedauerlicherweise die menschlichen Schwächen zum Vorschein kommen. Aber die Heeresver⸗ waltung bemüht sich so energisch wie möglich, ihnen entgegenzutreten Es handelt sich nur um bedauerliche Einzelfälle. Die Behandlung der Soldaten durch die Vorgesetzten ist im allgemeinen eine sehr bumane und loyvale. Auf Grund meiner eigenen Erfahrungen kann ich erklären, daß sich die Liebe zum Regiment stets auf die Söhne verpflanzt. Dem Abg. Stadthagen wird es wohl bekannt sein, daß in dieser Woche das 2. Garderegiment sein 100jähriges Regiments⸗ jubiläum gefeiert hat. Zu dieser Feier sind 5000 alte Angehörige des Regiments erschienen. Einer von diesen ehemaligen Regiments⸗ dngehörihen der auf der Tribüne sitzt, hat mir heute noch erklärt daß sämtliche 5000 gesagt hätten, ihre Militärzeit wäre schön gewese 8 und von Mißhandlungen wäre ihnen nichts bekannt geworden. Wir werden alle Anträge der Sozialdemokratie ablehnen. Alle Gerüchte, die an die Verabschiedung des Kriegsministers von Einem geknüpflt werden, sind unzutreffend. Ich konstatiere ausdrücklich, daß nur Ge⸗ sundbeitsrücksichten den Kriegsminister von Einem bestimmt haben E“ zu 1.4“ seiner Stellung zu entheben. Alle anderen ründe, die ihm zugeschoben werden, sind hinfällig. Die vorliege Resolutionen e W “ Resolu enth Fragen gender militärischer und juristischer Bedeutung, welche m. E. nicht in einer Resolution be⸗ handelt werden können. Gewiß ist die ganze Militärgesetzgebung ent⸗ wicklungsfähig wie alle unsere Gesetze; wenn sich herausgestellt hat, daß die Gesetzgebung reformbedürftig ist, so werden auch Mittel und Wege eingeschlagen werden, um die Gesetzgebung der modernen Ent⸗ wicklung anzupassen. Aber es geht zu weit, bei der Behandlung der großen, schweren nationalen Frage, wie es die Wehrkraft des deutschen Volkes und die Erhaltung der Existenz des Deutschen Reiches ist hier etwas festzulegen, von dem man noch nicht sagen kann, wie es ausgestaltet werden soll. Die Zeit, die wir bei der Beratung der Resolutionen verwandt haben, hätte viel fruchtbarer verwendet werden können. Auch diejenigen, die sich in der Kommission mit den Reso⸗ lutionen befaßt haben, hätten diese Zeit besser zur Erledigung ihrer Privatgeschäfte verwenden konnen. Es war kein Vergnügen für die bürgerlichen Parteien, derartige sozialdemokratische Reden anhören zu müssen. Eine Reform des Militärstrafgesetzes wird erfolgen, wenn das Zivilstrafgesetz reformiert worden ist, wie dies seitens des Kriegs⸗ ministers in der Kommission schon erklärt worden ist. Ich kann mich den Ausführungen des Abg. van Calker nur anschließen, der erklärt hat, daß man aus der Masse von Paragraphen des Militär⸗ strafgesetzbuches nicht irgend etwas herausgreifen könne. Was nun die Einführung von Strafmilderungsgründen betrifft, so müßte doch be⸗ sein, daß nach dem Einführungsgesetz schon die Milderung von — 1 itärstrafe n zulässig ist. Wenn bei dem Zivilstrafgesetzbuch eine Aenderung des Strafmaßes und die Einführung von Strafmilde⸗ rungsgründen beschlossen wird, dann kann man ja auch etwas Der⸗ artiges im Militärstrafgesetzbuch einführen. Die Resolution, die sich mit der Militärstrafgerichtsordnung beschäftigt, behandelt eine diszipli⸗ narisch wichtige Frage. Es ist schon in der Kommission gesagt wor⸗ den, daß nach der Militärgerichtsordnung dem Kaiser das Recht zu⸗ steht, die erforderlichen Bestimmungen zu treffen. Es bedarf einer eingehenden Erwägung, hier Aenderungen eintreten zu lassen. Wenn man in besonderen Fällen die Oeffentlichkeit zuließe, so würde man sich großen Gefahren aussetzen, da leider von seiten der Presse nicht immer objektiv, sondern oft sensationell berichtet wird. Was die Forderung betrifft, daß die Zuständigkeit des Militärgerichts auf mili⸗ tärische Vergehen beschränkt werden soll, so werden Sie zugeben müssen, daß das unmöglich ist. Wer Soldat ist, muß auch unter dem Militärstrafgesetzbuch stehen, auch die Offiziere a. D. und z. D., die einen öffentlichen Beruf ausüben. Der Kriegsminister hat in der Kommission mit Recht ausgeführt, daß diejenigen Offiziere, die einen bürgerlichen besoldeten Beruf bekleiden, jederzeit die Möglichkeit der Verabschiedung haben. Wenn man aber als Offizier den Abschied nimmt und einem die höchste Ehre erwiesen wird, die Uniform zu tragen, so wird man sich wohl auch der Militärgerichtsbarkeit unter⸗ stellen können. Wir halten es nicht für richtig, in dieser Hinsicht eine Aenderung zu treffen. Im Militarstrafgesetzbuch ist heute schon präzise ausgedrückt, in welchen Fällen schwere Strafen und in welchen leichte Strafen in bezug auf Beschwerden eintreten. Im übrigen kommt es selten vor, daß auf Grund falscher Angaben Beschwerden eingelegt werden, und deshalb tritt auch eine Bestrafung in solchen Fällen kunßerst selten ein. Aber wenn etwas Derartiges vorkommt, dann müssen auch schwere Strafen angewandt werden. 8 Uebrigens ge⸗ hört diese Frage zur Allerhöchsten Kommandogewalt. Auch mit der Beseitigung des strengen Arrestes als Disziplinarstrafe soll man nicht leichtfertig vorgehen, denn Strafen sind bei großen Verfehlungen durchaus angebracht. Was die Revision des ehrengerichtlichen Ver⸗ fahrens gegen Offiziere betrifft, so können wir auch zugeben, daß das Verfahren nicht in allen Punkten dem entspricht, was vom juristischen Standpunkt aus gewünscht wird. Aber wir müssen daran unbedingt
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Berlin, Montag, den 23. Juni
festhalten, daß die Ehrengerichtsordnung ein Ausfluß der verfassungs⸗ mäßig feftgestellten Kommandogewalt des Kaisers ist, und wir wissen, daß der Allerhöchste Kriegsherr sich der Verantwortung auch in dieser Hinsicht voll bewußt ist, und wir sind überzeugt, daß er ohne Anregung Uejenigen Maßnahmen treffen wird, die erforderlich sind, um die Disziplin im Heere zu erhalten, und Aenderungen anordnen wird, die infolge der Entwicklung als zweckmäßig und notwendig erscheinen. Das deutsche Offizierkorps ist eine Art Genossenschaft und wird nicht dulden, daß in seinen Reihen sich Personen befinden, die in Wort und Schrift für die Sozialdemokratie eintreten. Glaubt jemand aus taktischen und politischen Rücksichten mit der Sozialdemokratie zu⸗ sammengehen zu sollen, dann soll er vorher seinen Abschied nehmen. Unsere Ehrengerichtsordnung ist die gewaltigste Macht, die das preußische Heer aufzuweisen hat, und muß unter allen Umständen auf⸗ recht erhalten werden. Von Bedeutung ist, daß gerade infolge der Resorm des Verfahrens bei Ehrengerichten vom Jahre 1821 der Bruder der Königin Luise, Herzog Carl von Mecklenburg, als Kom⸗ mandeur ernst darauf hingewiesen hat, daß die Ehre unter allen Umständen im ö gewahrt werden müsse, und daß es eine oberste Pflicht ist, den Offizieren Achtung vor jedem Stande und persönliche Bescheidenheit einzuschärfen. Ich meine, daß auf dieser Grundlage die heutige Ehrengerichtsordnung aufgebaut ist und sich noch weiter aufbauen wird, und daß der Allerhöchste Kriegsherr nie und nimmer etwas dulden wird, was mit der Ehre der Armee und ihrer Schlagfertigkeit nicht im Einklang steht. Unser Kaiser hat stets allen Fortschritten seine Aufmerksamkeit zugewendet. Deshalb müssen wir auch die Resolutionen der Kommission ablehnen. Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Allerdings ist es kein Vergnügen, hier wochenlang zu stehen und alle Dinge zu behandeln, die wir schon so unendlich oft behandelt haben. Aber die Rede des Vorredners könnte uns provozieren, immer wieder darauf einzugehen. Ich will aber darauf verzichten. Wir haben unsere An⸗ träge zurückgezogen, weil wir nicht durch eine Verquickung solcher An⸗ träge das Zustandekommen der Vorlage gefährden wollen. Auch wir fordern eine Reform des gesamten Mälikärrechts. Dieses ist so un⸗ übersichtlich, daß sich auch wenig Personen der Armee darin zurecht finden. Darum ist eine Kodifikation des ganzen Militärrechts dringend notwendig. Die Anträge der Sozialdemokratie, so wie sie lauten sind natürlich für jeden Verständigen unannehmbar. (Widerspruch bel den Sozialdemokraten.) Nehmen Sie (zu den Sozialdemokraten) es mir nicht übel, aber ich kann diese Anträge zum Teil gar nicht ernst nehmen. Wir können doch nicht jede Materie in dieses Gesetz hinein⸗ bringen; sonst könnten wir auch eine vollständige Reform des Bürger⸗ lichen Gesetzbuches oder auch die verwandte Materie des Kaligesetzes hineinbringen, weil Kali zur Pulverfabrikation verwendet⸗ wird (Zwischenruf rechts: Vogelschutzgesetz!), oder auch das Vogelschutz⸗ gesetz, weil in den Kasernen für Vogelschutz gesorgt werden könnte Ich sagte schon neulich, so macht man nicht einmal Würste, geschweige denn Gesetze. Die Resolutionen der Kommission enthalten lauter Forderungen, die den Anträgen der großen Mehrheit des Reichstages seit zehn Jahren entsprechen. Wenn es sich zugestandenermaßen um eine entwicklungsfähige Gesetzgebung handelt, vor allem auf dem Ge⸗ biete des Ehrengerichtswesens, sz ist nicht zu verstehen, daß der Abg von Brockhausen sämtliche fünf Resolutionen ahlehnt. Diese verlangen nur Recht statt Willkür für Soldaten und Offiziere, sie verlangen eine Reform des materiellen und des formellen Rechts, insbesondere die gesetzmäßige Anwendung des bestehenden Rechts, namentlich der Be⸗ stimmungen über den Ausschluß der Oeffentlichteit der Militärgerichts⸗ verhandlungen. Wie sollte die Disziplin gefäahrdet werden, wenn öffentlich darüber verhandelt wird, daß ein Offizier einem zwilisten auf einem Bahnhof aus einem Grunde, der mit militärischen Dingen nichts zu tun hat, eine Ohrfeige gegeben hat? Die Oeffentlichkeit vird oft gegen der Geist und Sinn der gesetzlichen Bestimmungen ausgeschlossen. Die Resolutionen fordern vor allem staatsbürgerliche Rechtsgarantien für unser Offizierkorps; das Ehrengericht soll wieder wie einst ein wirkliches Gericht werden. Das alte preußische Ehren⸗ gerichtsverfahren war ein vollkommen demokratisches Verfahren das dem Offizierkorps eine wirkliche Mitwirkung als Richter einräumte während das jetzige Verfahren nur gutachtlich ist und in Wirklichkeit das allgewaltige Militärkabinett entscheidet. Hier darf der Reichs⸗ kanzler nicht ausweichen, diese Fragen sind spruchreif, das Parlament hat schon zehnmal darüber entschieden. Das jetzige Recht in der Armeee weiß oft nichts von dem Recht, das mit uns geboren ist. Das beste Fundament für die ganze Armee, für die Disziplin und die Schlagfertigkeit bleibt Gesetz und Recht. In diesem Sinne bitte ich sämtliche Resolutionen der Kommission anzunehmen. 3 Abg. Kunert (Soz.); Ich muß den Angriff des Vorredners gegen unseren Antrag zurückweisen; seine geistreichen Kalauer waren durchaus deplaciert. Der Abg. van Calker bewegte sich in einem circulus vitiosus; er erwartet alles von oben her. Wenn nicht von unten auf durch eine Gesetzesänderung gearbeitet wird, so kommen wird nicht vorwärts. Der Abg. von Brockhausen hat in seiner rück⸗ ständigen Art darauf hingewiesen, daß unsere Anträge die Disziplin gefährden. Unsere Anträge richten sich im Gegenteil gegen die Disziplinbrecher; es soll den feigen, niederdrückenden Mißhändlern des Handwerk gelegt werden. Der Abg. von Brockhausen behandelt uns wie Rebellen, dabei ist er selber ein Rebell, zwar nicht ein Sozialrebell, aber ein Kanalrebell. Wenn es ihm wenig Ehre ist, mit uns zu diskutieren, und dies ungerügt geblieben ist, so werden wir uns damit abfinden. Die Anerkennung mildernder Um⸗ stände ist ein unabwendbares Erfordernis, ebenso die Beseitigung des strengen Arrestes. Der Abg. von Brockhausen findet ihn natürlich ganz in der Ordnung. Es ist eine Schamlosigkeit junkerlicher scharf⸗ macherischer Naturen, das Volk als Packesel anzusehen, dem man alles auflegen kann. (Präsident Dr. Kaempf rügt diesen Ausdruck segen ““ Hauses gerichtet sein sollte.) Unsere “ 5 Disziplin, sondern kräftigen sie. Jeder, der S lungen begeht, einen gemeinen Monn beleidigt, verletzt das Gesetz, die Disziplin. Ich könnte ein endloses Heer von Soldaten⸗ mißhandlungen anführen, die es rechtfertigen, ein Notwehrrecht ein⸗ zuführen. Die scheußlichsten, ekelhaftesten Verbrechen sind auch von Offizieren gegen Soldaten begangen worden. Min⸗ destens muß die bedingte Notwehr zulässig sein wie wir es verlangen. Das Notwehrrecht ist weit umfangreicher. Zug um Zug, Körperverletzung gegen Körperverletzung: das ist all⸗ gemeines Menschenrecht. Dieses Recht haben auch Zubälter und Dirnen, von denen der Kriegsminister gesprochen hat. Die Gehorsams⸗ verweigerungspflicht ist selbüiverständlich, wenn der Vorgesetzte rechts⸗ widrige Befehle erteilt. Der Abg. van Calker hat das in einer Zubiläumsschrift auch zugegeben, allerdings in bezug auf Zivilisten. Was von den Zivilisten gilt, gilt auch von den Soldaten, es ist das gleiche Notwehrrecht. Aehnlich wie der Abg. van Calker haben sich auch andere gut hürgerliche Autoren ausgesprochen, auch solche die dem Abg. von Brockhausen nahestehen; diese Herren erkennen das Not⸗ wehrrecht an. Konservativ gerichtete höhere Reichsbeamte sind auch dafür eingetreten, so in einer Schrift: der rechtswidrige Befehl, der unter Umständen zu einer Notwehr des Unteraebenen führen kann, daß die Notwehr straffrei zu bleiben hat. Wir verlangen das nicht eingeengte Notwehrrecht, auch dafür treten namhafte Juristen ein. Das bestehende Militärrecht kennt ein Notwehrrecht in der Theorie allerdings nur, indem es auf die allgemeinen Be⸗ stimmungen des Zivilstrafrechts Bezug nimmt. Wir. verlangen eigentlich weniger, als im Zivilstrafrecht steht, und auch die Kon⸗ servativen könnten für unseren Antrag stimmen. Das Zentrum hätte 8 “
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eichsanzeiger und Königlich Preußis chen Staatsanzeiger.
1913
alle Ursache, dem vorbildlichen Vorgehen des früheren Abgeordneten Dasbach zu folgen, der 1904 das Notwehrrecht gefordert hat. Ob der Liberalismus den Spuren des Abg. Müller folgen wird, muß ich ihm überlassen. Die Konservativen mögen daran denken, daß sie für den Duellzwang sind, damit sind sie für das modernisierte mittelalterliche Faustrecht. Da müssen sie auch dem gemeinen Mann das Notwehrrecht gewähren. Es handelt sich hier um ein elemen⸗ tares Menschenrecht. Zeigen Sie, daß Sie dem Volke nicht bloß Lasten auferlegen, sondern ihm auch Erleichterungen schaffen können. Die Kommissionsresolution ist viel zu engherzig gefaßt, sie geht nicht weit genug. Was wir zu verlangen haben, 8 daß die Be⸗ schwerde auch innerhalb einer Frist von 6 Monaten angebracht werden darf, auch gemeinsam und unter Ausschluß jeder Bestrafung für die Anbriagung der Beschwerde. Mit dem guten Beschwerderecht und dem Notwehrrecht werden Sie zur Beseitigung der Mißhandlungen und des Kadavergehorsams beitragen. Dem Militärrecht wird da durch kein Haar gekrümmt, es bieibt alles beim alten. Es ist ein Schandmal des Unrechts, das bereits zur Rechtsanarchie geführt hat. (Vizepräsident Dove: Sie dürfen ein bestehendes Recht nicht ein Schandmal des Unrechts nennen, ich rufe Sie zur Ordnung!) 8 Oberst Freiherr Langermann von Erlenkamp: Der “ und der Abg. Stadthagen haben sich gestern des längeren über 2 ihandlungen ausgesprochen. Die Fälle, die der Abg. Stadthagen aus der Broschüre vorgelesen hat, sind außerordentlich hedauerlich, ander⸗ seits bin ich der festen Ueberzeugung, daß die betreffenden Vorgesetzten die volle Strenge des Gesetzes getroffen hat. (Rufe bei den Sozial⸗ demokraten: Nein!) Sie (nach links) sagen: Nein. Sie meinen wahrscheinlich, daß die Strafen zu gering gewesen sind. Aber Sie müssen bedenken, daß zur Bestrafung nech ein anderes Moment hinzu⸗ kommt, z. B. wird mit einem Unteroffizier, der aus solchem Grunde bestraft ist, nicht mehr kapituliert. Er kommt also um seine Zivil⸗ versorgung. Im übrigen konstatiere ich, daß die Mißhandlungen stindig zurückgegangen sind, weil von allen Vorgesetzten mit aller Energie ihnen zu Leibe gegangen wird. (Zurufe bei den Sozial⸗ demokraten: Nicht richtig!) Ich bin bis vor kurzem Regiments⸗ gewesen, und ich habe kolossal darauf gehalten, daß keine 2 lißhandlungen vorkamen; und ähnlich verfahren alle Kommandeure. Die Armee ist so groß, daß Mißhandlungsvorfälle bei rohen Elementen stets vorkommen können. Daß aber nicht allgemein die Mißhandlungen im Heere verbreitet sind, beweist die Anwesenheit von über 5000 alten Soldaten bei der Hundertjahrfeier des 2. Garde⸗ regiments. Wenn es wahr wärec, wie es hier hingestellt worden ist, daß die Kaserne ein Gefängnis ist, wo geschunden wird, dann würden diese alten Leute sich gehütet haben, die Stätte wiederzusehen, wo es ihnen so schlecht gegangen ist. Vorgesetzte, die nach dem Grundsatze erziehen: „Oderint, dum metuant“ sind auf dem Holzwege. Zu einem freudigen Gehorsam muß man die Leute erziehen. Was die zu strengen Bestrafungen wegen ungerechtfertigter Beschwerden anlangt, so will ich Ihnen ein kurzes Beispiel aus meinem Leben erzählen. In meinem Regiment hatte ein Unteroffizier über die Stränge geschlagen, und ich bestrafte ihn. Als er aus dem Arrest herauskam, bestellte ich ihn mir auf das Regimentsbureau und redete ihm väterlich zu (Rufe bei den Sozialdemokraten: Väterlich), jawohl väterlich. Ich hatte im Regiment sogar den Beinamen: Vater 1““ Trotz des Zuredens machte der Unteroffizier am selben Abend dieselbe Sache. Da bestrafte ich ihn wieder, diesmal natürlich strenger. Darauf beschwerte er sich und wurde abgewiesen, aber be⸗ strast wurde er nicht. Das ist doch ein Fall, wo vielleicht eine Be⸗ strafung hätte stattfinden können. Zu den Anträgen der Sozial⸗ demokraten bemerke ich: wenn bisher noch nicht klar war, daß die Bestrebungen der Soztaldemokraten dahbin gehen, die Fundamente der Armee zu untergraben, so beweisen es diese Anträge, die im Wider⸗ spruch nicht nur zu der notwendigen militärischen Unterordnung sondern zu jeder Rechtsordnung überhaupt stehen. Zum Schluß noch ein Wort über die Notwehr: die Sozialdemokraten verwechseln hier den Begriff der Notwehr mit dem Recht der Selbstvergeltung. Abg. Peu 8 (Soz.): Der Abg. Stadthagen soll übertrieben haben. Das ist jedoch nicht der Fall. Er hat nur reine Tatsachen vorgebracht und nur darüber das Maß von Entrüstung ausgedrückt das äußerst angebracht war. Der Abg. Stadthagen hat nur seine Pflicht als Abgeordneter getan, wenn er den Mißhandlungen entgegen⸗ trat, die immer noch vorkommen. Auch in den Soldaten ist der Knechtssinn im Schwinden begriffen, und sie fangen an, Gleichberechti⸗ gung zu fordern. Daß das Ministerium die Mißhandlungen scharf bekämpft, geben wir zu. Daß man dies tut, und daß man die Soldatenmißhändler von der Amnestie ausnimmt, das ist alles nur das Verdienst der Sozialdemokratie. Früher lagen die Exerzier⸗ plätze offen da, so daß auch die Mißhandlungen öffentlich vorkamen. Jetzt sperrt man jedoch die Kasernenplätze ab, damit die Mißhandlungen, die noch immer vorkommen, nicht gesehen werden. Das ist nur eine Flucht aus der Oeffentlichkeit. Ich gestehe es ein es gibt Vorgesetzte, für die man durchs Feuer geht. Das habe ich an mir selbst erlahren. Aber es gibt auch solche, die infame Bestien von Niederträchtigkeit sind. Und gerade diese letzteren werden durch unser jetziges Militärstrafgesetz geradezu geschützt. Unter Disziplin verstehe ich weiter nichts, als die strenge Beobachtung des Ge⸗ setzes. 8 eshalb gilt sie nicht nur für Untergebene, sondern auch für die Vorgesetzten. Duldung der Mißhandlungen und Nachlässig⸗ keit in deren Beobachtung sind gerade so schlimm, wie die Tat selbst. Man muß gegen die infamen Charaktere solche Bestimmungen treffen wie wir sie fordern. Gewiß ist das Notwehrrecht eins der schwierigsten und kompliziertesten. Aber es ist zu bedenken, daß jemand, der das Notwehrrecht mißbraucht, um so härter bestraft wird. Diese Aus⸗ sicht schützt vor Mißbrauch und vor Gefährdung der Disziplin. Unsere Kritik hat es mit sich gebracht, daß solche Scheußlichkeiten wie die daß Soldaten ihren eigenen Unrat essen müssen, mehr und mehr zurückgewichen sind. Die Strafe des strengen Arrestes ist härter, als man dentt, der Kulturmensch von heute erträgt sie nicht mehr so wie die Menschen vor 50 Jahren. Der springende Punkt ist daß ein Unterschied gemacht wird zwischen den Gemeinen und Unter⸗ offizieren und Offizieren. Diesen Unterschied erträgt das moderne Rechtsbewußtsein nicht mehr. Der Klassenjustizcharakter darf sich nicht in der Strafe in dieser Art zum Ausdruck bringen, daß nur der gemeine Mann dieser Strafe unterliegt. Der Regierung wäre es nicht schwer geworden, neben der Wehrvorlage und Deckungs⸗ vorlege eine Novelle zum Militärstrafgesetzbuch einzubringen. Ich wundere mich, daß sie eine solche Gelegenbeit sich hat entgeben lassen, uns das Wasser abzugraben. Die bürgerlichen Parteien hätten eine Diskussion über die Wehrvorlage ablehnen sollen bevor diese Novelle nicht erschien. Allerdings würden Sie durch eine selche Novelle auch uns nützen. Ihre Dickfelligkeit wird nicht stand⸗ halten. Eines Tages werden wir auch dieses Ziel erreichen, wie wir schon so manches erreicht haben. Der dritte Teil des deutschen Volkes steht als Wähler hinter uns. Die Liberalen retten sich nur dadurch, daß sie ähnliche Forderungen stellen wie wir. Täten sie es nicht, so würden sie eines Tages weggeschwemmt werden. Uns macht die Agitation kein Vergnügen, uns liegt an der Sache daran, den Soldaten zu helfen. Es ist gerühmt worden, daß in Kavallerieregimentern Freiwillige 4 Jahre dienen. Für die Leute vom Lande ist das Regiment freilich eine Verbesserung: außerdem hat ein Bauernknecht nicht das Ehrgefühl. Das wird anders werden, wenn wir erst noch mehr auf dem Lande agitieren. Wie es mit den Erinnerungsfeiern bestellt ist, wissen wir, bei der Er⸗ innerung an die Vergangenheit schwindet leicht das Häßliche und man