erhalten. Die Unterrichtsverwaltung hat eine Reihe von Maßnahmen getroffen und plant weitere Maßnahmen, die nach dieser Richtung wirken sollen.
Zunächst möchte ich die von dem Herrn Vorredner genannten Seminarkurse erwähnen, die ich in Posen, Berlin und Münster unter Ihrer gütigen Mitwirkung durch Bewilligung der erforderlichen Mittel eingerichtet habe. Ueber sie ist in der Unterrichtskommission auf das eingehendste verhandelt worden, und die Kommission ist dann zu einem Beschluß gelangt, der das als den richtigen Weg bezeichnet,
was wir selbst uns vorgenommen haben. Diese Knurse sollen die Lehrer in ihren Kenntnissen wissenschaftlich ver⸗ tiefen. Die Lehrer, die den Unterricht an diesen Kursen erteilen, sind teils Ihpraktische Schulmänner, teils Hoch⸗ schulprofessoren. Mit diesem Lehrerkollegium hoffen wir zu erreichen, daß dort eine wissenschaftliche hochschulmäßige Behandlung der Dinge stattfindet, daß aber gleichzeitig diese Kurse auf die Aufgabe gerichtet sind, die sie erfüllen sollen, die Kursisten in ihrem Beruf als Volks⸗ schullehrer zu heben, zu fördern und sie namentlich auch dazu zu be⸗ fähigen, demnächst an unsern Lehrerbildungsanstalten wertvolle und tüchtige Lehrer zu werden. Diese Kurse sind ganz direkt auf die Be⸗ dürfnisse der Volksschule gerichtet, und daran, glaube ich, müssen wir bei allen diesen Maßnahmen festhalten. Der Volksschule wollen wir ienen! Wenn wir dabei auch der Lehrerschaft dienen, um so besser! Schließlich wird Lehrerschaft und Volksschule in ihren Interessen, wenn sie beide richtig verstanden werden, niemals auseinandergehen. Sehr richtig! rechts.) Was dem einen nützt, nützt auch dem andern, nd was dem einen schadet, schadet auch dem andern.
Diese Kurse haben also vornehmlich den Zweck, uns geeignete Seminarlehrer zu schaffen, und es ist ja, wenn wir den Seminar⸗ nterricht verbessern wollen, auch die Voraussetzung, daß wir für ein geeignetes Lehrerkollegium sorgen. Nun möͤchte ich aber doch hier ausdrücklich betonen, daß die Angriffe, die gegen die jetzigen Seminarlehrer in einem Teil der Presse gerichtet worden sind, nicht berechtigt sind. Man muß vielmehr in hohem Maße an⸗ erkennen, was die Seminarlehrerschaft bei den sehr großen Schwierig⸗ keiten, mit denen sie in der Vergangenheit zu kämpfen hatte und auch jetzt noch zu kämpfen hat, zu leisten vermochte. Wenn Sie sich ver⸗ gegenwärtigen, daß die letzten Jahre unter dem Zeichen des Lehrer⸗ mangels standen, daß die Schulverwaltung nicht eine sehr scharfe Auswahl nach der Geeignetheit und der Würdigkeit treffen konnte⸗ sondern daß sie bei der Annahme von Seminaristen und Präparanden weitherzig sein mußte, um den Bedarf zu decken, und wenn Sie daran denken, mit welchem schwierigen Material deshalb die Seminarlehrer vielfach zu arbeiten hatten, so werden Sie um so eher geneigt sein, das Verdienst dieser Lehrer anzuerkennen.
Das hindert aber nicht, daß wir hier nun doch Fortschritte zu machen versuchen. Es kommt darauf an, wie das Kollegium an den Seminaren zusammengesetzt sein muß. Ich glaube, es besteht kein Streit darüber, daß die Zusammensetzung des Lehrer⸗ kollegiums so sein muß, daß akademisch gebildete und seminaristisch gebildete Lehrer zusammenarbeiten. Die einen, die akademisch gebildeten Lehrer, werden vornehmlich — ich sage: vornehmlich, nicht ausschließlich — die Fächer zu lehren haben, die eine wissenschaftliche Behandlung ver⸗ langen; die anderren, die seminaristisch gebildeten Lehrer, werden vor⸗
nehmlich Methodik und dlejenigen Fächer zu lehren haben, die sich aus dem Volksschulbetriebe ergeben, in dem sie gestanden haben, und in dem sie Praxis und Erfahrung haben.
Wenn man nun so das Lehrerkollegium gemischt zusammensetzen muß, so entsteht, wie gesagt, die Notwendigkeit, Akademiker heran⸗ zuziehen. Um das tun zu können, müssen die entsprechenden Ein⸗ richtungen getroffen werden. Bisher mußten die Akademiker, um sie für die Seminare zu gewinnen und dort zu halten, in die Stellen der Seminaroberlehrer und der Seminardirektoren berufen werden. Wenn sie nicht wenigstens die Aussicht hatten, diese Stellen zu er⸗ halten, blieben sie nicht bei den Seminaren, sondern kehrten an die höheren Schulen zurück, wo sie günstigere Gehaltsbedingungen fanden. Um nun solche Akademiker dauernd fesseln zu können, andererseits aber auch nicht gezwungen zu sein, sie in solchem Umfang wie bisher in die Seminaroberlehrer⸗ und Seminardirektor⸗ stellen berufen zu müssen, haben wir es für angezeigt gehalten, eine besondere Stelle an den Seminaren, die sogenannte Prorektor⸗ stelle einzurichten, in die Akademiker berufen werden können, und in der sie dieselben Gehaltsbezüge haben, die ihnen an höheren Schulen zustehen. Das würde also zur Folge haben, daß in der Zukunft Seminariker in höherem Maße in Seminaroberlehrer⸗ und Seminar⸗ direktorstellen berufen werden können, weil für die Akademiker eben diese Prorektorstelle vorhanden ist.
Eine solche Maßnahme ist namentlich unter den jetzigen Ver⸗ hältnissen notwendig, wo uns noch nicht genügend durch die Kurse gegangene Seminarlehrer zur Verfügung stehen. Ich will nicht in Abrede stellen, daß es in Zukunft vielleicht möglich sein wird, hier anders zu verfahren, wie das ja auch von Herrn Freiherrn von Zedlitz angedeutet worden ist. Zurzett wird es aber nicht anders gehen, und ich würde es auf das lebhafteste bedauern, wenn Sie sich etwa auz den Erwägungen heraus, die hier angestellt worden sind, entschließen sollten, die Prorektorstelle nicht zu bewilligen. Das würde uns geradezu einen Eckstein der ganzen Seminarreform, die wir vornehmen wollen, wegnehmen. Wir würden in die aller⸗ größten Schwierigkeiten geraten, und es würde in Frage stehen, ob wir die von Ihnen, wie ich bis jetzt gehöct habe, eigentlich durchweg gebilligten Aenderungen vornehmen können. Ich möchte deshalb doch dringend bitten, meine Herren, daß Sie sich nicht etwa dazu ent⸗ schließen, diese Stelle abzulehnen; und ich meine, auch diejenigen Herren, die gewisse Bedenken haben, könnten sie wohl um so eher bewilligen nach dem, was ich soeben ausgeführt habe.
MNrun darf man ja auch diese Einrichtung des Prorektors nicht für sich allein betrachten, man muß vielmehr tun im Zusammenhang mit den übrigen Einrichtungen, die wir treffen wollen; sie sind von dem Herrn Abg. Freiherrn von Zedlitz erwähnt worden. Es handelt sich vor allem darum, die Präparandenanstalten mehr als bieher für die Ausbildung der zukünftigen Lehrer zu verwerten. Wir wollen an sie überall zwei Königliche Lehrer berufen, sodaß wir die Sicherheit haben, dort tüchtige, ältere und länger verbleibende Lehrer zu haben. Daran hat es bisher gefehlt. Es fand ein außerordentlicher Wechsel statt Die Lehrer sahen an diesen Anstalten keine Zukunft, verließen sie bald wieder, um wo ahders hin zu gehen. Das, hoffe ich, wird aufhören, wir werden da ein dauerndes tüchtiges Lehrermaterial haben, das
dann auch sehr wohl von dort, wenn es sich bewährt hat, an die Seminare übergehen kann.
Sodann, meine Herren, besteht die Absicht, diejenigen Präpa⸗ randenanstalten, die sich an dem Sitz der Seminare besinden, durchweg in eine nähere Verbindung mit den Seminaren dadurch zu bringen, daß überall der Seminardirektor auch der Leiter der Präparanden⸗ anstalt wird. Wir brauchen aber eine größere Zahl von Präpa⸗ randenanstalten als Seminare. Das Verhältnis ist 3:4. Es ist also notwendig, daß in noch anderen Orten als den Seminarorten Präpa⸗ randenanstalten beibehalten werden, und die Leiter dieser Präparanden⸗ anstalten sollen den Rang und die Besoldung der Seminaroberlehrer bekommen. Dadurch eröffnet sich für die Seminariker eine große Zahl von Avancementsstellen; es sind das über 50 Stellen, die in Betracht kommen und die doch ganz wesentlich ins Gewicht fallen, wenn Sie, meine Hercen, mit Recht den Wunsch haben, für die seminaristisch gebildeten Lehrer die Möglichkeit des Fortkommens, des Avancements zu schaffen. Das ist durchaus auch mein Wunsch, ein Wunsch, den ich übrigens nicht nur platonisch habe, sondern dem ich auch die Tat habe folgen lassen. Es ist eine ganze Reihe von Seminarikern von mir schon in höhere Stellen berufen worden, in die Stellen der Kreisschulinspektoren, der Seminaroberlehrer, der Seminar⸗
direktoren, und ich glaube, man wird mir nicht den Vorwurf machen
können, daß ich tüchtige, dazu geeignete Seminariker von einem solchen Avancement irgendwie zurückhalte; ich bin im Gegenteil durchaus geneigt, den tüchtigen Seminarikern diese Karriere zu eröffnen, und halte es für sehr wohl möglich, daß diese Stellen durch tüchtige Seminariker im vollen Umfange zur Zufriedenheit der Schulver⸗ waltung und im Interesse der Sache verwaltet werden. (Bravo!)
Mit diesen Absichten, die darauf gerichtet sind, die Lehrerschaft noch tüchtiger für ihre Aufgabe zu machen, hängt die Absicht zu⸗ sammen, den Lehrplan an den Seminaren einer gewissen Re⸗ form zu unterziehen. Meine Herren, die Lehrpläne vom Jahre 1901 haben sich bewährt, und an ihren Zielen wird festzuhalten sein; aber innerhalb dieser Lehrpläne lassen sich doch vielleicht noch einige Ver⸗ besserungen vornehmen durch eine gewisse Verschiebung der Lehrstoffe in den einzelnen Klassen, durch eine gewisse Konzentration des Lehr⸗ stoffes üsw., sodaß das Ziel doch noch besser erreicht werden kann, das uns vorschwebt und das darin besteht, zwar keineswegs die wissen⸗ schaftliche Ausbildung an unseren Seminaren zu beschneiden, aber doch dem Können mehr Raum zu schaffen als dem Lernen. (Bravo !) Wir brauchen tüchtige, praktisch demnächst sich auch be⸗ währende Lehrer. Man muß daran festhalten, daß das Seminar eine Fachschule ist, daß sie bestimmt ist, unsere Volksschullehrer aus⸗ zubilden, und deshalb muß der Unterricht an diesen Schulen so ein⸗ gerichtet sein, daß er die jungen Leute mit denjenigen Kenntnissen und denjenigen Fähigkeiten ausstattet, die sie demnächst in ihrem Berufe brauchen. (Sehr richtig!)
Diesem Gedanken wird auch die Reform der zweiten Lehrerprüfung gerecht. Daß die bisherigen Bestimmungen über die zweite Lehrerprüfung nicht befrirdigt haben, ist in diesem hohen Hause schon wiederholt zum Ausdruck gebracht und auch von der Regierung anerkannt worden. Schon selt längerer Zeit gingen die Unterrichtsverwaltungen mit dem Ge⸗ danken um, eine Reform dieser Bestimmungen vorzunehmen. Sie ist jetzt erfolgt und, wie ich zugeben muß, in einer ziemlich radikalen Form. Aber ich glaube doch, daß mit dieser Reform, deren Einzelheiten von den Herren Vorrednern richtig gekennzeichnet worden sind, ein großer Fortschritt gemacht werden wird. Irgend⸗ welche Schwierigkeiten haben sich überdies, wie ich Herrn Freiherrn von Zedlitz gegenüber bemerken möchte, aus ihr noch nicht ergeben können, denn sie ist erst seit 8 Tagen, seit dem 1. April in Kraft getreten. Eine Prüfung ist bisher nach diesen Bestimmungen noch nicht vorgenommen worden; das wird erst in diesem Sommer geschehen. Meine Reform legt die Prüfung aus dem Seminar in die Volksschule, auf das Arbeitsteld des Lehrers selbst. Dort soll er zeigen, was er zu leisten vermag; dort soll er zeigen, ob er die Theorien und die Unterweisungen, die er auf dem Seminar erhalten hat, zweck⸗ mäßig in die Praxis umzusetzen vermag (Abgeordneter Siebert: Sehr gut!) Sein ganzes Wesen, sein ganzes Benehmen, seine Tätigkeit, sein ganzes Leben in der Schule tritt dort in die Erscheinung und muß bei der Prüfung mit berücksichtigt werden. (Sehr gut!) Es hat den weiteren großen Vorteil, daß der Lehrer, wenn er in sein Amt eintritt, von Anfang an seine volle Tätigkeit der Schule, der Klasse zuteil werden läßt. (Sehr richtig!) Früher wurde er durch das zu bestehende zweite Examen der Schule direkt entzogen, mußte sich in sein Studierzimmer setzen, dort Bücher studieren und sich ein ge⸗ dächtnismäßiges Wissen aneignen, um demnächst vor dem Seminar das Examen abzulegen. Jetzt muß er tüchtig in der Schule arbeiten; dann wird er im Examen bestehen. (Sehr richtig!) Ich hoffe also, daß diese Reform von dem besten Einfluß für unsere Lehrerschaft und unsere Volksschule sein wird. (Lebhafte Zustimmung.)
Es läßt sich ja nicht leugnen, daß mit der Ausführung gewisse Schwierigkeiten verbunden sind, und mancher ältere brave Schulmann scheut vielleicht ein wenig vor dem Gedanken zurück, nun im Lande herumreisen und Examina abhalten zu müssen. Das kann mich aber nicht abhalten, diese Reform vorzunehmen, wenn ich sie im übrigen für richtig halte. Ich glaube, die Herren werden sich daran gewöhnen, und sie werden schließlich selber die größte Freude gerade an dieser Arbeit finden. (Sehr richtig!) Sie treten dadurch in ganz andere Be⸗ ziehungen zu der Lehrerschaft, als es bisher der Fall war. Sehr richtig!) Sie müssen sich, um das Examen abhalten zu können, auch noch weiter mit der Theorie beschäftigen, als es sonst für sie not⸗ wendig ist. Ich glaube, das ist auch gerade für den Schulaufsichts⸗ beamten von großem Werte. Er wird dann um so besser in der Lage sein, die Tätigkelt der Lehrer in ihren Schulen sachgemäß zu beurteilen. (Sehr richtig!)
Die Prüfungskommission ist aus dem Regierungs⸗ und Schulrat als Vorsitzendem, aus dem Kreisschulinspektor als dem zweiten Mitglied und aus einem dritten Schulmann zusammengesetzt. Wenn hervorgehoben worden ist, daß namentlich für die nebenamt⸗ lichen Kreisschulinspektoren diese Aufgabe doch eine schwere Bürde bedeute, so möchte ich demgegenüber betonen, daß man die Aufgaben für die nebenamtlichen Kreisschulinspektoren, die ihnen bieraus ent⸗ stehen, doch sehr üöberschätzt. Im Durchschnitt kann man annehmen, daß auf etwa 45 Lehrerstellen 2 bis 3 Lehrerprüfungen kommen. Das ist aber auch etwa der Durchschnitt der Lehrerstellen, die unter einem Kreisschulinspektor im Nebenamt stehen, sodaß in der Tat die Belästigung, wenn ich mich einmal so ausdrücken darf, der Kreis⸗
. schulinspektoren im Nebenamt durch diese neue Aufgabe nicht sehr stark ist.
Als Dritter, hatte ich erwähnt, kommt ein praktischer Schul⸗ mann in die Kommission. Das kann ein Seminardirektor sein, ein Seminarlehrer, ein Rektor oder auch ein bewährter Volksschullehrer. Ich habe geglaubvt, gerade durch die Hinzuziehung eines solchen Mannes in die Prüfungskommission der Prüfung selbst einen Dienst zu leisten, und andererseits auch angenommen, daß es in den Kreisen der Volks⸗ schullehrerschaft nicht ungern gesehen würde, wenn auch aus ihren Reihen erfahrene Männer zu diesem Amte berufen werden würden.
Wenn sie alle diese Maßnahmen zusammennehmen, meine Herren, werden Sie mir zugeben, daß die Unterrichtsverwaltung mit Ziel⸗ bewußtsein vorgeht, sich ein festes Ziel gesetzt hat, und diejenigen Maßnahmen ergreift und Ihnen zur Billigung vorschlägt, die ge⸗ eignet sind, dieses Ziel zu erreichen. Es liegt darin: tüchtige Volks⸗ schullehrer auszubilden, ihnen die Möglichkeit zu schaffen, sich weiter zu bilden und sich auch so weiter zu bilden, daß sie in die höheren Stellen des Volksschuldienstes einrücken können. Alle diese Maß⸗ nahmen müssen aber — ich wiederhole das — auf das Interesse der Volksschule gerichtet sein; Standesinteressen der Lehrer können wir bei all diesen Dingen nur insofern berücksichtigen, als sie gleich⸗ zeitig die Interessen der Volksschule fördern. (Sehr richtig! rechts.) Wo das nicht ist, meine Herren, müssen die Standes⸗ interessen der Volksschullehrer zurücktreten. (Sehr richtig! rechts.) Das erkennen auch, wie ich weiß, die besonnenen Kreise unserer Volks⸗ schullehrer in vollem Umfang an.
Ich komme nun auf einige Einzelheiten, die der Herr Freiherr von Zedlitz angeführt hat. Er hat sich mit einigermaßen bitteren Worten gegen die Regierung gewandt, weil sie in der Frage der Reise⸗ und Umzugskosten der Lehrer noch nichts getan habe. Ich darf Herrn Freiherrn von Zedlitz wohl daran erinnern, daß diese Frage in einer Kommission des Hauses eingehend zwar erörtert worden ist, daß die Kommission aber bis heute einen Bericht darüber noch nicht erstattet hat, daß auch im Plenum diese Frage noch nicht zur Erörterung gekommen ist. Die Regierung wollte abwarten, bis die Angelegenheit in diesem hohen Hause zum Abschlusse gekommen ist, und wird dann ihre Entschli ßungen treffen. Ich glaube, daraus wird der Regierung ein Vorwurf nicht gemacht werden und jedenfalls
aus ihrem Verhalten nicht entnommen werden können, daß sie dieser
Frage nicht diejenige Aufmerksamkeit zuwende, die ihr zukommt. Da die Regelung dieser Frage ja auch in der Richtung liegt, für unsere Lehrer höhere Bezüge, und zwar bei den Umzugs⸗ und Reisekosten, zu erreichen, so möchte ich bei dieser Gelegenheit doch einmal hervorheben, daß in den Jahren 1906 bis 1911 die Bezüge der Lehrer sich um etwa ein Drittel gesteigert haben, und zwar um rund 100 Millionen Mark. (Hört, hört! rechts.) Es wird also anerkannt werden müssen, daß die Parlamente und die Staatsregierung unseren Volksschullehrern weitgehendes Entgegenkommen gezeigt haben, gewiß nicht ohne Grund und mit vollem Recht. Aber ich glaube, es ist doch gut, wenn es von Zeit zu Zeit ausgesprochen wird, daß in der Tat doch in den letzten Jahren für unsere Volksschullehrer viel geschehen ist. (Sehr richtig! rechts.) Ich will nicht bestreiten, daß hier und da noch Korrekturen vorgenommen werden können; aber das kann doch den Eindruck nicht verwischen, daß Staatsregierung und Parlament in den letzten Jahren wohl für die Volksschullehrer ge⸗ sorgt haben. (Lebhafter Beifall rechts.)
Abg. Ernst (fortschr. Volksp.): Es ist in erster Linie Aufgabe des Staates, die Schuten so einzurichten, daß den Schülern geistige Werte übermittelt werden, damit sie tüchtige Bürger werden können. Dadurch kann das Schillersche Ideal mit gefördert werden: Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an! Das Anschwellen des Volks⸗ schuletats ist an sich erfreulich, aber er ist immer noch knapp bemessen, die Ergänzungszuschüsse des Staates müssen erhöht werden. Solange wir noch überfullte Klassen und Halbtagsschulen haben, hat der Staat keine Veranlassung, auf diesen Etat stolz zu sein Die Lehrerbesoldung ist noch immer nicht ganz befriedigend; noch nicht 5 % der Lehrer sind in der Lage, Kapitalien anzusammeln. Nur hier und da mag wohl einmal ein Lehrer besonders vorsichtig bei seiner Heirat gewesen sein. Aber sonst siad materialistische Ten⸗ denzen bei den Lehrern nicht zu finden. Die Ortszulagen sind nicht richtig geregelt; ich bin beim Lehrerbesoldungsgesetz Gegner der Ortszulagen gewesen und bin es heute noch. Der einzige Weg zu einer richtigen Gehaltsregelung ist das Einheitsgehalt in allen Orten nach Analogie der Gehaltsregelung für die Staats⸗ beamten. Es ist neulich bemängelt worden, daß der preußische Lehrer⸗ verein keine Klarheit in der Religionsfrage geschaffen habe. Ich frage den Abg. Heckenroth, wie der Verein das machen soll. Der Verein hat erklärt, daß er den Religionsunterricht in der Volksschule auf konfessioneller Grundlage erhalten wissen will, aber er besteht aus evangelischen, katholischen und jüdischen Lehrern und kann sich in Religionsstreitigkeiten nicht einlassen. Die Schulaufsicht muß eine fachmännische sein. Es ist nicht richtig, daß alle katholischen Lebrer auf dem Standpunkt der geistlichen Schulaufsicht wie der Abg. Heß steben. Wir wollen auch in dieser Hinsicht die Staatshobeit wahren. Das Bestreben des Ministers, die Seminare zu reformieren, ist erfr ulich. Wir verlangen, daß im Interesse der Schule die ganze Lebrerbildung auf eine andere Basis gestellt wird. Der Deutsche Lehrerverein fordert nach wie vor die Zulassung der Lebrer zum Universitätsstudium. Die Prorektorstellen müssen auch mit seminaristisch gebildeten Lehrern besetzt werden. Der Redner bringt dann den Fall eines Lehrers in Bromberg zur Sprache, der infolge schlechter Behandlung seitens des Kreisschulinspektors Selbstmord verübt habe, und bittet den Minister um Auskunft darüber. Zum Schluß tritt er für die Schaffung eines selbständigen Unterrichtsministeriums ein.
Ein Regierungskommissar: Der Abg. Ernst hat ausgeführt, daß ein Lehrer in Bromberg, der von dem Krrisschulinspektor schlecht behandelt worden sein soll, Selbstmord verübt habe. Ich stelle fest, daß zwei Zeitungen, die den Fall in einem Zeitungsartikel geschildert haben, zur Rechenschaft gezogen worden sind. Der Staatsanwalt hat Anklage erhoben, aber die Gerichtsverhandlung hat noch nicht statt⸗ gefunden. Infolgedessen hat der Minister davon Abstand genommen, jetzt schon zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen.
Abg. von Trampcezynski (Pole): Die Regierung scheut sich nicht, jedes Jahr ein Ausnahmegesetz gegen die Polen zu schmieden. Wir würden ja gern die Schullasten tragen, wenn wir wüßten, wozu sie verwandt werden. Man hat jetzt eine neue Methode für den Unterricht in der deutschen Sprache eingeführt, den fogenannten An⸗ schauungsunterricht. Der Minister, der diese Methode in verschiedenen Provinzschulen selbft geprüft hat, hat seine Befriedigung über die Er⸗ folge dieser Methode ausgesprochen. Aber demgegenüber muß ich darauf aufmerksam machen, daß der Minister dabei hinters Licht ge⸗ führt worden ist. Den Kindern wurde schon 14 Tage vorher ein⸗ getrichtert, was sie antworten sollen. Wir müssen unbedingt fordern, daß der Unterricht unserer Kinder in unserer Mutter prache erteilt wird. Alle Staaten, die eine zweisprachige Bevölkerung haben, haben zweisprachige Schulen. Das ist in der Schweiz, in Ruß⸗ land usw. der Fall. Ja selbst die Türkei hat nicht gewagt, in den nicht mohammedanischen Schulen die Muttersprache zu unterdrücken.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
ist bekannt.
Zweite Beilage
sanzeiger und Königlich Preußischen
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Die Anschauung der preußischen Regierung widerspricht der Anschauung der ganzen zivilisierten Welt. Die Ursache der ganzen Misere ist, daß die Volksschule bei uns nicht wie in anderen Ländern den Beruf hat, das Interesse des Kindes in erster Linie zu wahren. Bei uns hat die Schule den Zweck, zu ermöglichen, daß das Kind seine Muttersprache nicht erlernt, sondern verlernt. so weit gebracht, daß die Volksschule bei den Eltern der Kinder als verhaßtes Instrument betrachtet wird. Will der Minister vielleicht bestreiten, daß die polnische Schule ausschließlich in den Dienst der Politik gestellt werde? Man hat ein genaues Spioniersystem ein⸗ gerichtet. Man kann bei uns niemand raten, Lehrer zu werden. Er muß entweder seine Nation verraten, oder er muß Märtvrer werden. Von oben nach unten herrscht bei den Schulbehörden die Tendenz, die Schule politischen Zwecken dienstbar zu machen. Diese Tendenz reicht bis in die Schuldeputationen hinein. Darauf ist es auch zurückzuführen, daß kürzlich in Posen ein ganz unfähiger Lehrer zum Rektor gewählt wurde, weil er im Ostmarkenverein eine hervorragende Rolle spielte. Einen großen Mißgriff bedeutet der Beschluß der vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts, der die Verfagung des Unterrichtserlaubnisscheins an polnische Privatpersonen, die sich mit dem Unterricht in der polnischen Sprache befassen, bestätigt. Auf eine Beschwerde an den Minister erwidert derselbe, daß er sich der Entscheidung des höchsten Gerichtshofs unter⸗ werfen müsse. Sehr merkwürdig ist es, daß alle Beschwerden bei den zuständigen Behörden erst nach Jahren ihre Erledigung finden. Wenn auch der erwähnte Beschluß des Reichsgerschts, der sich auf frühere Verordnungen stützt, formell vielleicht zu Recht besteht, so ist er aber mindestens aus ethischen Gründen bedenklich. Wenn wir hier das Wort ergreifen, so wissen wir ja zwar, daß wir die Regierung nicht bekehren können, aber wir wollen die polnischen Eltern darüber auf⸗ klären, wie die preußischen Volksschulen in den Dienst der nationalen Unterdrückung gestellt werden.
Abg. Borchardt⸗Berlin (Soz): Die Abgg. Heckenroth und Heß haben behauptet, daß unsere Volksschule einzig dastehe, und haben den hoben Stand des preußischen Volksschulwesens an der Hand amt⸗ licher Siztistiken nachzuweisen versucht; sie haben weiter bemerkt, daß unsere Böolksschule uns niemand nachmachen könne. Etwas Aehnliches hat seinerzeit Bismarck behauptet, indem er sagte, den preußischen Leutnant mache uns niemand nach, und doch hat der Schuster Voigt sogar den preußischen Hauptmann nachgemacht. In der Budget⸗ kommission wurde darauf hingewiesen, daß der Lehrermangel im großen und ganzen überwunden sei, und daß damit auch die Zahl der überfüllten Klassen zurückgehe. Das scheint mir doch nicht ganz zutreffend zu sein, denn wir haben noch heute eine Million Kinder, die in überfüllten Klassen unterrichtet werden. Wenn bei uns in der Volksschule eine Klasse 70 und mehr Kinder zählt, dann wird sie noch nicht als über⸗ füllt angesehen. Nach Ansicht der Regierung ist eine Klasse erst über⸗ füllt, wenn in ihr mehr als 100 Kinder zu unterrichten sind. Der Minister har selbst anerkannt, daß die überfüllten Klassen eine große Schädigung für die Kinder bedeuten, hat aber trotzdem auf eine An⸗ frage in der Budgetkommission erklärt, daß er leider noch nicht in der Lage sei, Mittel für eine Beseitigung dieses Uebelstandes in den Etat einzustellen. Besonders sind die Schulverhältnisse auf dem Lande besserungsbedürftig. Hier sind die Schulen noch gänzlich unzureichend und nur dazu da, die amtlichen Statistiken zu verbessern, damit die Kinder nicht als Analphabeten gezählt werden können. Der Minister hat erklärt, die Schule sei dazu da, tüchtige, arbeitsfreudige Menschen zu schaffen. Er hat deshalb als wünschenswert angesehen, daß die Lehrer zu den Schülern möglichst in persönliche Beziehungen treten. Aber in einer Klasse von 80 und mehr Schülern ist dies doch dem Lehrer ganz unmöglich. In Gegenden, wo die Junker und Pfaffen dominieren, ist die Zahl der überfüllten Klassen am größten. So sind z. B. in Marienburg 5000 Schüler in überfüllten Klassen unter⸗ gebracht, und in Trier und Aachen liegen die Verhältnisse ähnlich. Im Regierungsbezirk Oppeln sind 55 000 Kinder in überfüllten Klassen untergebracht. Der Beruf der höheren Lehrer ist überfüllt; der Minister sagt, es seien 1550 Kandidaten vorhanden, von denen nur 400 angestellt werden könnten. Warum werden diese Lehrer nicht in der Volksschule angestellt? Unsere Stellung zur Religionsfrage Die Lehrerschaft sagt, ohne Religion sei ein sittlicher Unterricht nicht möglich. Es ist jetzt Konstantin der Große gefeiert worden, der das Christentum zur herrschenden Religion gemacht hat, er war aber ein Verbrecher, wie er toller nicht gedacht werden kann, gegen den Sternickel der reine Waisenknabe ist; er hat das Abschlachten im großen betrieben und selbst die eigenen Verwandten nicht geschont. Nach der „Kölnischen Volkszeitung“ hat Professor Lauscher am 7. März in Cöln im Verein der akademisch gebildeten Katholiken in einem Vortrag über Konstantin der Ansicht eines Ge⸗ schichtsschreibers widersprochen, daß Konstantin nicht aus Ueberzeugung, sondern aus politischen Erwägungen das Christentum gefördert habe, und gesagt: „Die sittliche Bedenklichkeit einzelner seiner Handlungen, wie der sogenannten Verwandtenmorde, muß zugegeben werden, aber sie sind nichts gegen die Ehrenhaftigkeit und Festigkeit seiner religiösen Ueberzeugung.“ Das widerlegt die Behauptung, daß durch die Religion die Sittlichkeit gefördert wird. Ein katholischer Lehrer urteilt in einem Briefe sehr absprechend über die Religion in der Volksschule und sagt u. a., die Bibel gehöre nicht in die Hand des Kindes; er müsse allerdings einmal im Jahre das Abendmahl über sich ergehen lassen, aber „die Welt will ja betrogen sein, also betrügen wir sie“. Der preußische Staat gibt ganze 17 ℳ pro Kind für die Volksschule aus. Uns ist es ganz gleichgültig, ob ein Lehrer evangelisch oder katholisch oder Heide ist. Der Abg. Heß hat im vorigen Jahre die Auf⸗ rechnung aufgemacht, wieviel die Unkosten betragen würden, wenn unser Schultdeal, das allerdings etwas anders aussieht, als das des Zentrums, erfüllt würde; er rechnet bei einer Vermehrung der Klassenzahl nach unseren Wünschen und unter Einschluß der Kosten für Unterrichtsmittel, Beköstigung und Kleidung der Schüler an laufenden Ausgaben 6,3 Milliarden heraus, wozu noch die einmaligen Kosten für Schulgebäude kommen würden, und er fragt, woher das Geld kommen soll. Der Abg. Heß übersieht, daß Kleidung und Beköstigung der Kinder von den Eltern bezahlt werden, und er hat überhaupt etwas sehr hoch gerechnet. Wenn er sich um 100 % verrechnet hat, so bleiben immer noch über 3. Mil⸗ liarden übrig. Das ist noch eine sehr große Summe, aber wenn sie nicht aufgebracht werden kann, so zeigt das nur, daß der Staat nicht genug für seine Schule tun kann. Für die Millitärlasten kommen ganz gut 3000 Millionen heraus, für die Mordwerkzeuge hat der Staat die Mittel, aber nicht für die Volksbildung. Untersuchungen über die Intelligenz der Rekruten haben ergeben, daß unsere Volks⸗ schulbildung doch viel zu wünschen übrig läßt. Sogar die Re⸗ sultate der besten Berliner Volksschule sind unzureichend. Die ganze preußische Volksschule dient nur politischen Zwecken, sie wird dazu benutzt, die Sozialdemokratie zu bekämpfen. Im vorigen Jahre hat der Kultusminister behauptet, daß gerade die Sozialdemokratie die Politik in die Schule trage, und hat sich dabei auf ein Flugblatt berufen. Auf einen Zuruf von unserer Seite hat er erklärt, er werde uns das betreffende Flugblatt zuschicken. Das ist aber bis heute nicht der Fall gewesen. Deshalb wiederhole ich hier⸗ mit diese Bitte ganz ergebenst. . S
Abg. Kloppenborg⸗Skrumsager (Däne): Wir wünschen, daß die dänische Sprache in unserer Schule gelehrt werde. Diese
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Sie haben es
gerechte Forderung findet selbst in nichtdänischen Gegenden volles Ver⸗ ständnis, nur die Regierung weigert sich, diesen Wunsch zu erfüllen, weil sie darin eine Gefahr für den preußischen Staat erblickt. Wir empfinden die abweisende Haltung der Regierung nur als eine große Unfreundlichkeit. Ich bitte den Minister, unseren Wunsch noch einmal zu prüfen.
Abg. Dr. von Schenckendorff inl.): Der Deutsche Verein für Knabenhandarbeit, der seit vielen Jahren in dankenswerter Weise von der Unterrichtsverwaltung eine namhafte Beihilfe erhält, ist bis⸗ lang der Träger der Bestrebungen für die werktätige Erziehung in Deutschland; er vertritt den Grundgedanken des erzieblichen Wertes gestaltender Tätigkeit. Zur Ausbildung von Lehrern hat er ein Seminar errichtet, das im vorigen Jahre sein 25jähriges Bestehen feiern konnte und Tausende von Lehrern ausgebildet hat. Nach langen Kämpfen hat die deutsche Lehrerschaft endlich auf dem vor⸗ jährigen Lehrertage in Berlin den erziehlichen Nutzen der gestaltenden Tätigkett anerkannt, und zwar in der Erkenntnis, daß die Lern⸗ schule innerlich durch die Arbeitsschule ergänzt werden müsse. Zum Ausbau und zur Vertiefung der Kurse des Seminars muß der staatliche Zuschuß wesentlich erhöht werden; die technische Arbeit in den Kursen muß wissenschaftlich vertieft werden, die Kurse müssen verlängert werden und eine Seminarübungsschule muß hinzutreten. Schon ohne staatliche Unterstützung haben wir durch die dankenswerte Mitwirkung der Verlagshandlung von Quelle u. Mevyer in. Leipzig das Organ „Die Arbeitsschule“ geschaffen, um diese pädagogische Idee zu verbreiten. Ich bitte nun den Minister, im nächsten Etat die Unterstützung für den Verein für Knabenhandarbeit zu erhöhen. Wir dienen damit einem staatlichen Interesse. Für die Durchführung stehen uns vorzügliche Kräfte zur Verfügung. Auch in den Prä⸗ varandenanstalten müßte schon mit der Lehrerausbildung für die Arbeitsschulen eingesetzt werden.
Abg. Buttke (kons.): Wir erkennen dankbar an, daß die Re⸗ gierung für das Schulwesen, besonders für das Elementarschulwesen, Hervorragendes geleistet hat, und wir können der Regierung dafür nur aufrichtig danken. Gewiß, jedes Menschenwerk ist Stüͤckwerk, und wer etwas aussetzen will, der wird auch dazu Veranlassung finden. Jedenfalls können wir nur auf das freudigste „be⸗ grüßen, daß die Regierung den Bestrebungen der Lehrer so wohl⸗ wollend gegenübersteht. Allerdins habe ich noch einige Wünsche, die bisher unerfüllt geblieben sind, von denen ich aber hoffe, daß sie die Regierung berücksichtigen wird. Die Mittel, die in den Etat bei dem Titel: „Umzugskosten für Lehrer und Fahrgelder bei Vertretungen“ eingesetzt sind, reichen bei weitem nicht aus und müssen unter allen Umständen erhöht werden. Der Minister hat sich in der Kommission bereit erklärt, eine Er⸗ höhung des Titels vorzunehmen, aber bisher ist dies noch nicht er⸗ folgt. Die ärmeren ländlichen Gemeinden sollten vom Staate mehr unterstützt werden, da sie oft nicht in der Lage sind, die für die Schule erforderlichen Mittel aufzubringen. Diese Gemeinden sind oft genötigt, Lehrer anzustellen, die die zweite Prüfung nicht bestanden haben. Er⸗ freulich ist, daß die Lehrergehälter in den letzten 20 Jahren eine bedeutende Erhöhung erfahren haben, was allerdings zum Teil auf die verteuerten Lebensverhältnisse zurückzuführen ist. Die Vergütung der Ueberstunden, die sich in manchen ländlichen Gemeinden jährlich auf 60 bis 70 Stunden belaufen, läßt zu wünschen übrig. Die niederen Küsterdienste sind des Lehrerstandes unwürdig. Eine der wichtigsten Aufgaben der Lehrer ist die Pflege und Erziehung der Jugend. Aus diesem Grunde ist es nötig, daß die Lehrer den Ort ihrer Tätigkeit nicht zu oft wechseln, damit sie Gelegenbeit haben, mit den Kindern in engere Beziehung zu treten. Ich hoffe, daß die Regierung diese kleinen Wünsche erfüllt, dann wird auch Arbeitsfreudigkeit und Zufriedenheit die Lehrer beseelen. Die Lehrer müssen natürlich standesgemäß ausgestattet werden, und ich bitte den Minister, baldmöglichst die grundlegenden Bestimmungen über die Größe der Lehrerwohnungen auf dem Lande einer gründlichen Revision zu unterziehen. Wenn die Kinder heranwachsen und schul⸗ pflichtig werden, und wenn vielleicht ernste Tage eintreten und der Arzt in der Familie gebraucht wird und der Arzt dafür 25 oder 30 . bekommen muß — billiger kann er es auf dem Lande nicht machen —, dann hält den Lehrer nichts mehr auf dem Lande, er strebt so bald wie möglich nach der Stadt, am liebsten dorthin, wo die großen Ortszulagen sind. Das sind die Hauptursachen, welche die Lehrer auf dem Lande nicht bodenständig werden lassen: die Wohnungsfrage, das Heranwachsen der Kinder und die Ortszulagen in den Städten. Deshalb muß die Grundforderung die Gleich⸗ stellung aller Lehrer in Stadt und Land unter Fortfall der Orts⸗ zulagen sein. Ob der Ausgleich in der Höhe des Gehalts der Sekretäre der Staatsverwaltung bestehen kann, lasse ich dahingestellt. Wir wollen keine Ueberhürdung der leistungsschwachen Gemeinden, aber die Beibehaltung der Funktionszulagen würde dem Lehrer auf dem Lande es erleichtern, die Kosten der Familie zu tragen, und seine Boden⸗ ständigkeit ermöglichen. Die bürgerlichen Parteien sind darin einig, in absehbarer Zeit eine Revision der Gehälter eintreten zu lassen. Man kann die Klagen der Lehrer und auch vieler anderer Beamter verstehen. Nie hatten wir in so kurzer Zeit eine so erhebliche Steigerung der Ausgaben gehabt, wie gerade in den letzten drei Jahren, und doch kann ich einer Gehaltsregulierung jetzt kaum das Wort reden, weil ernstere finanztelle Fragen an uns als Deutsche und Preußen herantreten. Mehr als je weisen die Bajonette der Nachbarländer zu uns herüber, und in dieser ernsten Zeit müssen die Standesinteressen hinter den nationalen Interessen zurückstehen, es gilt, dem Vaterlande große Opfer zu bringen wie vor hundert Jahren, damit nicht wieder die Stunde kommt, wo das Vaterland in Gefahr ist.
Abg. Dr. Dittrich (Zentr.):; Wir bestreiten gar nicht, daß. der Staat die Aufsicht über die Schule hat, aber bei der eminenten Wichtigkeit der Schule für die Erziehung der Jugend muß auch die Kirche eine Mitaufsicht nicht nur über den Religionsunterricht, sondern auch über den gesamten Unterrichtsbetrieb nach der religiös⸗sittlichen Seite haben. Nichts anderes. Wir weisen den Vorwurf, daß die Kirche eine Herrschaft oder gar eine Alleinherrschaft über die Schule haben will, weit zurück, sie will nur eine Art Mitaufsicht, einen Platz an der Sonne in der Schule haben. Durch den Falkschen Schulerlaß von 1876 ist das Recht der Kirche auf die Leitung des Religionsunterrichts sehr einge⸗ schränkt worden. Der Abg. von Campe behauptet, daß der Abg. Heß sich in innere Angelegenheiten einer andern Konfession eingemischt habe, der Abg. Heß hat aber nur auf das Anwachsen des Unglaubens nicht nur in der evangelischen, sondern auch in der katholischen Kirche hingewiesen als eine bedenkliche Erscheinung, die auf die Schule einwirken könnte. Das war sein gutes Recht. Der Abg. von Campe hat sehr oft auf Erscheinungen innerhalb der katholischen Kirche hingewiesen, weil er die Besorgnis hatte, daß diese Erscheinungen auf das Staatsgebiet übergreifen könnten. Etwas anderes hat der Abg. Heß auch nicht getan, er befürchtete, daß gewisse Erscheinungen auf religiös⸗kirchlichem Gebiet einen bösen Einfluß auf die Schule hätten. Die Ortszulagen sind eine ganz richtige Einrichtung, sie gleichen gewisse Unstimmigkeiten aus. Aber darüber wird mit Recht geklagt, daß die Genehmigung der Orts⸗ zulagen der Gemeinden eigenartig ist. Die Regierung in Koblenz hat z. B. die von Neuwied beschlossenen Ortszulagen nicht genehmigt, obwohl die Teuerungsverhältnisse und die sonstigen Voraus⸗ setzungen der Ortszulagen allgemein anerkannt sind, während anderswo, wo die Verhältnisse nicht einmal so liegen, die Orts⸗
vom 5. April 1913.)
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zulagen genehmigt sind. Die Reform der Lehrerbildung ist ein dankenswertes Unternehmen, da von ihr die Volksbildung im all emeinen bedingt wird. Wir begrüßen es auch mit Freude, daß an de räparandenanstalten zwei Lehrer als ordentliche Lehrer mit dem Geha der Seminarlehrer angestellt werden sollen; dadurch wird die rasche Ab wanderung der jungen Lehrer von den Präparandenanstalten wenigstens einigermaßen beseitigt. Auch darüber freuen wir uns, daß die Vor⸗ steher das Einkommen der Seminaroberlehrer erhalten sollen. Au den gesteigerten Anforderungen der Lehrpläne an den Seminaren wird allmählich eine Akademisierung folgen, womit nicht gesag werden soll, daß die jetzigen Seminarlehrer sich nicht bemüht hätten, den wissenschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Die Einführung der Prorektorstelle hat in interessierten Kreisen fast allgemeinen Unwillen erregt. Man sieht darin vor allem einen Ein⸗ 8 griff in die Geschlossenheit des Lehrerkollegiums. Die Einrichtung der akademischen Kurse scheint mir zwar eine ganz brauchbare Ein⸗ richtung zu sein, aber ich glaube, daß sie in Zukunft wegfallen kann, b weil sie nicht notwendig sein wird.
Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz:
Meine Herren! Ich möchte zu diesem letzten Punkt einige Worte sagen.
Es ist richtig, daß der Streit über den Charakter der Schule in Bütow schon seit mehreren Jahren schwebt. Der Herr Vorredner irrt aber, wenn er annimmt, daß die Angelegenheit sich bei der Unterrichtsverwaltung befände. Ueber sie hat der Provinzial⸗ rat zu entscheiden, allerdings nicht unbedingt endgültig; deshalb hat der Oberpräsident in meinem Auftrage gegen den ergangenen Be⸗ schluß des Provinzialrats die noch zulässige Klage an das Oberver⸗ 8 waltungsgericht gerichtet, weil ich den Wunsch hatte, daß die strittige Frage in der höchsten Instanz entschieden werde, die nach dem Gesetz gegeben ist. Dort liegt die Angelegenheit augenblicklich. 3
Es ist also, glaube ich, von seiten der Unterrichtsverwaltung das, was sie nach den gesetzlichen Bestimmungen tun konnte, getan worden: die strittige Frage ist vor den obersten Gerichtshof gebracht worden.
Abg. Heine (nl.): Ich bitte den Minister, darauf hinzu⸗ wirken, daß die Kreisschulinspektoren eine Bezahlung erhalten, die ihrer Arbeit und Stellung wenigstens einigermaßen entspricht. Eine große Unzufriedenheit herrscht unter den Lehrern über die ver⸗ schiedenartige Festsetzung der Ferien an den verschiedenen Schulen. Ich bitte den Minister, zu erwägen, ob die Ferien an den Volks⸗ nnes nicht den Ferien an den höheren Schulen angepaßt werden önnen. 1
Abg. Ramdohr (freikons.): Die Lehrer sollten endlich einmal von den niederen Küsterdiensten befreit werden. Dies ist schon des⸗ halb nötig, damit endlich die große Ungleichheit bei der Pensionierung der Lehrer beseitigt wird. Die Entschädigung für die sogenannten höheren Kirchendienste, die vielfach nur 150 ℳ beträgt, muß bedeutend erhöht werden. 8
Die allgemeine Besprechung wird geschlossen.
Persönlich bemerkt Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Der Minister hat behauptet, ich hätte die großen Vorzüge des Lehrer⸗ besoldungsgesetzes nicht richtig gewürdigt⸗ emgegenüber stelle ich fest, daß ich an die Spitze meiner Ausführungen den Satz gestellt habe, daß das Lehrerbesoldungsgesetz ein großer Fortschritt sei. Ich habe auch nicht eine baldige Aenderung des Gesetzes verlangt. Die Unterstellung des Ministers, als ließe ich mich durch die Neu⸗ wahlen in meinen Ausführungen bestimmen, muß ich energisch zurück⸗ weisen.
Abg. Dr. von Campe (nl.): Der Abg. von Zedlitz hat heute bedauert, daß das Besoldungsgesetz nicht in seinem Sinne zustande gekommen sei, und hat dies auf meinen Einfluß zurückgeführt. Sie überschätzen mich aber. Ich fühle mich nicht gewandt genug, den Vielgewandten des Hauses zur Strecke zu bringen.
Abg. Hoff (fortschr. Volksp.): Durch den Schluß der Debatte bin ich verhindert, die Angriffe des Abg. Heß gegen den deutschen Lehrerverein gebührend zuruͤckzuweisen. Ferner ist es mir unmöglich, eine Reihe von Beschwerden aus Kollegenkreisen hier vorzubringen. Ich betrachte den Schluß der Debatte als eine Vergewaltigung.
Zur Geschäftsordnung bemerkt
Abg. Dr. von Campe (nl.): Ich habe die Erklärungen des Ministers über die Prorektoren so aufgefaßt, daß, sobald geeignete Kursisten zur Verfügung stehen, demnächst nichts dem im Wege stehe, auch diesen Kursisten die 15 zugängig zu machen. Aus der zustimmenden ewegung des Ministers ersehe ich, daß diese meine Meinung zutreffend ist. Unter diesen Umständen und in der Voraussetzung, daß unser An⸗ trag angenommen wird, sind meine Freunde bereit, für die Position des Prorektors zu stimmen. G
Abg. Dr. Heß (Zentr.): Durch den Schluß der Debatte bin ich verhindert, die in Aussicht genommenen Behauptungen des Abg. Hoff schlagend zu widerlegen.
Eine Reihe von Titeln für das Elementarschulwesen wird bewilligt. Die gestern mitgeteilten Anträge des Abg. Dr. von Campe und der Budgetkommission werden angenommen. Ein Antrag der fortschrittlichen Volkspartei, die neuen Prorektor⸗ stellen an den Seminaren zu streichen, wird abgelehnt.
Gegen 5 ½ Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung des Kultusetats auf Freitag, 10 Uhr.
Land⸗ und Forstwirtschaft.
Weizeneinfuhr in Marseille
Wochenberichten der in Marseille erscheinenden Zeitung „Le Sémaphore“ hat die Weizeneinfuhr nach Marseille auf dem Seewege betragen: in der Zeit vom 9. bis 14. März davon aus Rußland .. in der Zeit vom 16. bis 21. März. davon aus Rußland . .. in der Zeit vom 23. bis 28. März.. davon aus Rußland . . . in der Zeit vom 30. März bis 4. April.. . . 140 183 davon aus Rußland .. .. 111“ In den Zollniederlagen in Marseille befanden sich am 2. April 40 880 dz. (Bericht des Kaiserlichen Konsuls in Marseil
166 366 85 218 191 740 58 744 14 121 1 995