1913 / 91 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Kreisdirektor Biffé ist die Kreisdirektorstelle in Erstein übertragen worden. 8 8 8

Der Kaiserliche Konsul in Honolulu W. Pfotenhauer ist gestorben.

Königreich Preußen.

eine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

dem Mitgliede der Hauptverwaltung der Staatsschulden, Geheimen Oberfinanzrat Dr. jur. Georg Zwicker in Berlin die nachgesuchte Entlassung aus dem Staatsdienste in Gnaden und unter Beilegung des Charakters als Wirklicher Geheimer Oberfinanzrat mit dem Range der Räte erster Klasse zu er⸗ teilen sowie

den Geheimen Oberfinanzrat Warnecke bei der Haupt⸗ verwaltung der Staatsschulden zu Berlin zum Wirklichen Ge⸗ ʒg Oberfinanzrat mit dem Range der Räte erster Klasse un

den bisherigen Rechtsanwalt, Justizrat Dr. jur. Ernst Springer in Berlin zum Geheimen Finanzrat und Mitgliede der Hauptverwaltung der Staatsschulden mit dem Range der Räte dritter Klasse zu ernennen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den bisherigen ersten Geistlichen am Henriettenstift in Hannover, Pastor D. Schwerdtmann daselbst zum General⸗ superintendenten im Konsistorialbezirk Hannover mit dem Range eines Rats zweiter Klasse und den Geheimen Medizinalrat, Professor Dr. Otto Hilde⸗ brand in Berlin zum ordentlichen Mitgliede der Wissenschaft⸗

lichen Deputation für das Medizinalwesen zu ernennen.

Ministerium für Handel und Gewerbe.

Der Navigationslehrer Wurmb in Zingst ist in seiner bisherigen Amtseigenschaft an die Navigationsschule in Barth versetzt worden. .

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Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ 1 angelegenheiten.

Der Maler, Professor Paul Vorgang ist zum ordent⸗ lichen Lehrer an der Königlichen Akademischen Hochschule für die bildenden Künste in Charlottenburg und der bisherige kommissarische Kreisschulinspektor Dr. Sieg⸗ mund Richter in Kattowitz zum Kreisschulinspektor daselbst ernannt worden. 8

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen B und Forsten 8 8Sgs

Der Hauptmann a. D. Wachs ist zum Direktor de Landgestüts Traventhal ernannt worden. 8

Finanzministerium.

Dem Geheimen Finanzrat Dr. jur. Ernst Springer ist ie Stelle eines ehrenamtlichen und unbesoldeten Mitgliedes er Hauptverwaltung der Staatsschulden übertragen worden.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 13 er Preußischen Gesetzsammlung enthält unter Nr. 11 268 den Staatsvertrag zwischen dem Königreich Preußen und dem Fürstentum Schwarzburg⸗Rudolstadt wegen nderweitiger Regelung der Uebertragung von Auseinander⸗ setzungsgeschäften auf die Königlich Preußischen Auseinander⸗ etzungsbehörden, vom 10./6. April 1912, unter Nr. 11 269 eine Bekanntmachung, betreffend die Ratifikation es zwischen Preußen und Schwarzburg⸗Rudolstadt am 0./6. April 1912 vereinbarten Staatsvertrags wegen ander⸗ weitiger Regelung der Uebertragung von Auseinandersetzungs⸗ eschäften auf die Königlich Preußischen Auseinandersetzungs⸗ ehörden, vom 7. April 1913, und unter Nr. 11 270 den Staatsvertrag zwischen Preußen und Mecklenburg⸗Strelitz wegen Herstellung einer Eisenbahn von Fürstenwerder nach Strasburg (Uckermark), vom 25. Sep⸗ ember 1912. 18

in W. 9, den 16. April 1913 8 Königliches Gesetzsammlungsamt. aan. ““

Bekanntmachung.

Nach Vorschrift des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetzsamml. S. 357) sind bekannt gemacht: 1) der Allerhöchste Erlaß vom 29. Januar 1913, betreffend die Verleihung des Enteignungsrechts an die Stadtgemeinde Lügde für ie Regulierung der Emmer in der Stadtfeldmark Lügde, durch das mtsblatt der Höec. gen Regierung in Minden Nr. 12 S. 71, usgegeben am 22. März 1913; 2,) das am 3. Februar 1913 Allerhöchst bosasshe Statut für die L ybach⸗Genoss nschaft in Altkalkar im Kreise Kleve durch das mtsblatt der Königlichen Regierung in Düsseldorf Nr. 12 S. 111, usgegeben am 22. März 1913; 3) das am 3. Februar 1913 Allerhöchst vollzogene Statut für die Stöwen⸗Sparrenfelder Entwässerungsgenossenschaft in Stöwen im Kreise Randow durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Stettin Nr. 12 S. 110, ausgegeben am 22. März 1913; 4) der Allerhöchste Erlaß vom 4. März 1913, betreffend die Ver⸗ leihung des Enteigungsrechts an die Stadt Eschweiler für die Bereit⸗ stellung eines großen und eines kleinen und für die Verbreiterung des zu dem kleinen Exerzierplatze führenden Weges, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Aachen Nr. 15 S. 105, ausgegeben am 29. März 1913.

Angestellten der Beyy⸗

Deutsches Reich. ßen. Berlin, 17. April 1913.

Seine Maäzeftg! der Kaiser und König hörten heute im Königlichen Schloß in Homburg v. d. Höhe den Vortrag des Vertreters des Auswärtigen Amts, Gesandten von Treutler.

1 Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗

sitzung; vorher hielten der Ausschuß für Handel und Verkehr,

die vereinigten Ausschüsse für Justizwesen und für Handel und Verkehr, der Ausschuß für Justizwesen, die vereinigten Aus⸗ schüsse für Rechnungswesen, für das Landheer und die Festungen und für das Seewesen sowie der Ausschuß für Rechnungswesen Zbb““ .

An den zu Anfang der nächsten Woche in Paris be⸗

ginnenden internationalen Verhandlungen über die Regelung

der Finanzverhältnisse zwischen der Türkei und den

Balkanstaaten nimmt, wie „W. T. B.“ meldet, als Ver⸗

treter der deutschen Reichsregierung der außerordentliche Ge⸗ sandte und bevollmächtigte Minister Freiherr von der Lancken⸗ Wakenitz teil. Als finanzielle Sachverständige sind von der deutschen Regierung ernannt worden der deutsche Vertreter bei der Dette Publique, Minister R. Pritsch, ferner der Wirkliche Legationsrat Dr. Helfferich, Direktor der Deutschen Bank, und Dr. von Schwabach, Chef des Bankhauses S. Bleichröder.

Die Nr. 3 der Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗ versicherungsamts vom 15. März 1913 enthält im Amt⸗ lichen Teile unter A (Allgemeines) ein Rundschreiben des Amtes vom 22. Januar 1913 an die Versicherungsträger zu den Ausführungsbestimmungen über die Rentenzahlungen, eine Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 14. November 1912, betreffend Aenderung des dem Vertrage zwischen dem Deut⸗ schen Reiche und der Schweiz über die Beglaubigung öffent⸗ licher Urkunden vom 14. Februar 1907 beigefügten Verzeich⸗ nisses, eine Bekanntmachung des Amtes vom 11. Februar 1913. über die Wahl des Großherzoglich sächsischen Geheimen Staats⸗ rats Dr. Paulssen zum ni sftäͤndigen Mitglied des Reichs⸗ versicherungsamts, eine Bekanntmachung des Amtes vom 15. März 1913 zu dem Verzeichnis der Oberversicherungsämter und Versicherungsämter.

Unter B (Unfallversicherung) ist das Abkommen vom 6. Juli 1912 zwischen dem Deutschen Reiche und Belgien über Unfallversicherung abgedruckt unter Anschluß der Bekannt⸗ machung des Reichskanzlers vom 15. Januar 1913 über die Ratifikation. .

Es folgen: eine Entscheidung des Reichskanzlers vom 11. Februar 1913 über die Befreiung bestimmter Klassen der

Fagsnosenchaften pon der Versicherungs⸗ pflichb nach § 9, des Versicherutgsgesetzes für Ange⸗ stellte, ein Rundschreiben des Am, 38 vom 5. Januar 1913 an die Vorstände der beteiligten gen vblilhzen Berufs⸗ genossenschaften wegen Durchführung der neuen Maßnahmen der Unfallverhütung und Betriebsüberwachung, ein Rundschreiben des Amtes vom 20. Februar 1913 an die Vorstände der dem Reichsversicherungsamt unterstellten gewerblichen Berufsgenossen⸗ schaften wegen Durchführung des § 857 der Reichsversicherungs⸗ ordnung, ein Rundschreiben des Amtes vom 10. Februar 1913 an die Vorstände der dem Reichsversicherungsamt unterstellten, öö“ über das im Jahre 1911 während der Wartezeit übernommene Heilverfahren mit tabellarischer Ueber⸗ sicht der Ergebnisse für das Jahr 1911.

Der Abschnitt C (Kranken⸗, Invaliden⸗ und Hinterbliebenenversicherung). bringt neben einigen Be⸗ kanntmachungen zur Durchführung der Kranken⸗ und der Invalidenversicherung mehrere jährlich wiederkehrende Ver⸗ öffentlichungen, vor allem das Rundschreiben vom 26. Februar 1913 über die Anlegung des Vermögens der Versicherungs⸗ träger zugunsten gemeinnütziger Zwecke mit einer Nachweisung der zum Baue von Arbeiterwohnungen, zur Befriedigung des landwirtschaftlichen Kreditbedürfnisses und für Wohlfahrts⸗ einrichtungen ausgeliehenen sowie für eigene Veranstaltungen zugunsten der Versicherten aufgewendeten Beträge nach dem Stande vom 31. Dezember 1912.

Im Anschluß daran sind zwei Uebersichten voröffentlicht, von denen die eine die mit Hilfe der preußischen Landes⸗ E“ gegründeten Arbeiterrentengüter, die andere die Beleihung von Erbbaurechten, beides nach dem Stande vom Ende 1912, behandelt.

Die Bekanntmachung vom 29. November 1912 gibt die herkömmliche Uebersicht über die nicht mündelsicheren Anlagen nach dem Stande vom 1. Januar 1912. Ihr folgt das Rund⸗ schreiben vom 28. Januar 1913 über die Art der Anlegung des Anstaltsvermögens nach dem Stande vom 31. Dezember 1911. Außerdem enthält die Nummer folgende grundsätzliche Revisionsentscheidungen: *)

Eine Versicherungsanstalt, die 8 eine mehr als zwei Jahre zurückliegende Zeit Pflichtmarken beigetrieben oder ein⸗ gezogen hat, kann die Anrechnung dieser Beiträge im späteren Rentenverfahren in der Regel nicht verweigern, ohne gegen Treu und Glauben zu verstoßen [16681. Die Vorschrift des § 1311 der Reichsversicherungsordnung über das Ruhen der Rente findet bei densenigen Rentenansprüchen, über die am 1. Januar 1912 das Feststellungsverfahren schwebt, auf Grund des Artikel 79 des Einführungsgesetzes zur Reichsversiche⸗ rungsordnung auch für die vor dem Inkrafttreten der neuen Vorschrift liegende Zeit Anwendung [1669][. Be⸗ ruht die Markenverwendung für eine Person auf Hand⸗ lungen oder Erklärungen des Kontrollbeamten einer Versiche⸗ rungsanstalt, in denen nach den Umständen ein Anerkenntnis der Versicherungspflicht oder der Versicherungsberechti⸗ gung zu erblicken ist, so kann der Rentenanspruch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, daß die Marken zu Unrecht verwendet sind [1670 und 1671]. Ferner sind zwei Entscheidungen des Beschlußsenats ab⸗ gedruckt, in denen dieser folgende Grundsätze ausgesprochen hat: Eine ledige Lehrerin an einer preußischen öffentlichen Volks⸗

*) Die neben den einzelnen Entscheidungen stehenden einge⸗ klammerten Zahlen geben die Ziffer an, unter welcher diese in den „Amtlichen? kachrichte * veröffentlicht .“““

schule ist nach § 1234 der Reichsversicherungsordnung

sicherungsfrei, obgleich ihr Anwartschaft auf Waisenrente nicht gewährleistet ist [1672]. In Fällen, in denen die Nachbringung rückständiger Beiträge nach § 146 des Invalidenversicherungs⸗ gesetzes nur für zwei Jahre, nach § 1442 der Reichs⸗ versicherungsordnung dagegen für vier Jahre zulässig ist, können nach dem 1. Januar 1912 Beiträge für vier Jahre rückwärts verwendet werden, auch wenn die zweijährige Frist des § 146 des Invalidenversicherungsgesetzes bereits abgelaufen war [16731. Auf Grund des § 1459 Abs. 2 der Reichsversiche⸗ rungsordnung 155 des Invalidenversicherungsgesetzes) ist ausgesprochen worden, daß Kanzleigehilfen in Preußen, Bezirks⸗ und Rentamtsinzipienten in Bayern nicht versicherungspflichtig sind [1674 u. 1675]7. Auch die Versicherungspflicht des Bürger⸗ meisters einer Landgemeinde in der Provinz Hannover wurde ver⸗ neint [1676], wogegen die Versicherungspflicht emes Missions⸗ arbeiters der Ostdeutschen Union der Siebenten⸗Tags⸗Adventisten bejaht wurde [1677]1. Zur Entgegennahme und Vorbereitung der Anträge der Hinterbliebenen auf Versicherungsleistungen ist das Versicherungsamt des letzten Wohn⸗ oder Beschäftigungsorts des verstorbenen Versicherten zuständig [1678]. Der Anwartschafts⸗ bescheid nach § 1743 der Reichsversicherungsordnung ist in berufungsfähiger Form zu erteilen [1679]. Die Zuständigkeit des Reichsversicherungsamts (Landesversicherungsamts) für die Entscheidung über Strafbeschwerden ist nur im Falle des § 1799 der Reichsversicherungsordnung begründet [1680]. Endlich folgen Zusammenstellungen über die Zahl der im Jahre 1912 durch Vermittlung der Post vereinnahmten Wochen⸗ beiträge und Zusatzmarken, über die Rentenzahlungen und Beitragserstattungen der 31 Versicherungsanstalten in den Monaten November und Dezember 1912, über Zahlungen aus Invaliden⸗, Kranken⸗ und Altersrenten der 31 Versicherungs⸗ anstalten im Monat Januar 1913, über Versicherungsleistungen der 31 Versicherungsanstalten an Hinterbliebene im Monat Januar 1913, über den Erlös aus Beitragsmarken in den Monaten Dezember 1912, Januar und Februar 1913.

Der Nichtamtliche Teil bringt den Abdruck einer Ent scheidung des Reichsgerichts vom 18. November 1912 über die Frage, ob die Nichteinführung einer von der Berufsgenossen⸗ schaft in einem Rundschreiben dringend empfohlenen, jedoch nicht in den Unfallverhütungsvorschriften angeordneten Schutz⸗ vorrichtung ein den Unternehmer haftbar machendes Verschulden im Sinne des § 136 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes darstellt.

Hieran schließen sich Anzeigen der für das Sommerhalb⸗ jahr 1913 an der Hochschule für kommunale und soziale Ver⸗ waltung in Cöln angekündigten Vorlesungen, der für das Sommerhalbjahr 1913 an der Akademie für Sozial⸗ und Handelswissenschaften in Frankfurt a. M. angekündigten Vor⸗ lesungen, der im amtlichen Auftrag von Regierungsrat Dr. Schulz und Gerichtsassessor Dr. Dersch bearbeiteten An⸗ leitung zur Durchführung der Verhältniswahl für berufs⸗ genossenschaftliche Ehrenämter, der im Verlage von Carl Hey⸗ mann in Berlin W. 8, Mauerstraße 43/44, in Folioausgaben erschienenen Mustersatzungen für Krankenkassen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Geier“ am 15. April in Alexandrette und am 16. April S. M. S. „Jaguar“ in Nokohama, S. M. S. „Seeadler“ in Dares⸗ salam und S. M. Flußkbt. „Otter“ in Shasi eingetroffen.

Baden.

Ihre Königlichen Hoheiten der Herzog, die htr⸗ zogin und die Prinzessin Olga von Cumberland haben, wie „W. T. B.“ meldet, gestern nachmittag die Rück⸗ reise nach Gmunden über München angetreten. Am Bahnhofe waren zur Verabschiedung Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin sowie Seine Großherzogliche Hoheit der Prinz Maximilian von Baden mit Gemahlin und Kindern erschienen.

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EFlsaß⸗Lothringen.

Einer Einladung des Kaiserlichen Statthalters und der Gräfin von Wedel folgend, hatten sich gestern abend die meisten Mitglieder der Ersten Kammer, die Minister und hohen Staats⸗ beamten sowie Vertreter der Presse zu einem Essen im Statt⸗ halterpalais zusammengefunden, in dessen Verlauf der Kaiser⸗ liche Statthalter Graf von Wedel nach begrüßenden Worten laut Meldung des „W. T. B.“ folgendes ausführte:

„Die Erste Kammer steht im zweiten Jahre ihrer legislativen Tätigkeit und hat den Beweis erbracht, daß die von dem Gesetzgeber in ihre Eecrichtung gesetzten Hoffnungen durchaus berechtkigt waren. Wie die aus direkter Wahl hervorgegangene Zweite Kammer den Wünschen der

breiten Wählermassen Ausdruck zu geben bestimmt ist, so ist es die

Aufgabe der Ersten Kammer, die sich aus hervorragenden und ver⸗ dienten Vertretern der Konfessionen, der großen Gemeinwesen sowie

der verschiedenen Berufsstände und Erwerbszweige zusammensetzt und

daher weniger durch die wechselnde Strömung der Zit beeinflußt

wird, die ihr unterbreiteten Vorlagen unabhängig zu prüfen und zu Diese unabhängige Aufgabe der Ersten Kammer, die gerade

erledigen. in unserm von Erregungen noch öfter durchwehten Lande erhöhte Be⸗ deutung gewinnt macht sie zu einem regulierenden Faktor und schafft die Gewähr, daß Gegensätze, die die Interessen des Landes und seine ruhige Entwicklung gefährden, ihre möglichste Ausgleichung nden.

Mit herzlichen Worten des Dankes für die Einladung erwiderte in des Ersten Präsidenten der Zweite Präsident der Ersten Schluß:

Unser Volk erkennt die Errungenschaften an, die ihm die letzten

Jahre gebracht haben; auch unser Staat ist wesentlich vorwärts ge⸗ kommen. Den Ungeduldigen werden wir zurufen, daß die Rechte eines Volkes von der weisen und mäßigen Anwendung des schon Errungenen abhängen. Daß der Kaiserliche Statthalter dem gesunden Fortschritt und der organischen Entwicklung unseres Staates die Wege geebnet hat, daß sein Bestreben dahin zielt, Freude am polisischen Leben is unserem Lande zu wecken, Freude an der Staatsarbeit und die echte Lebenswärme in den Beziehungen zwischen Staatsbürgern und Staat zu pflegen und durch Ausgleichung der Gegensätze und weitere Verschmelzung nicht allein die wirtschaft⸗ lichen Interessen, sondern auch unsere elsaß lothringische Kultur mit dem großen deutschen Staatswesen zum Nutzen des Ganzen, ins⸗ besondere aber zum Segen für unfer Land, zu fördern, das ist allbe⸗ kannt. Dafür sei ihm der Dank der Ersten Kammer gebracht.

ammer Dr. Hoeffel und erklärte zum

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Chalten. Die Straßenbahnen verkehrten seit

Oesterreich⸗Ungarn.

Da der Landesausschuß des böhmischen Landtags laut Meldung des „W. T. B.“ gegen die Stimmen der beiden deutschen Beisitzer einen Antrag angenommen hat, wonach der Finanzreferent wegen Aufnahme einer neuen schwebenden Schuld für das Land Verhandlungen führen soll, hat der bisherige Finanzreferent, der Deutsche Dr. Urban, den Oberst⸗ landmarschall ersucht, das Finanzreferat einem anderen Beisitzer zuzuweisen.

Frankreich. Die Regierung hat, nach einer Meldung des „W. T. B.“,

die Société Générale Marocaine damit betraut, mit der Konzessionsgesellschaft für die geplante Bahnlinie Tanger Fes die französischen Interessen zu vertreten und den franzö⸗ ischen Anteil am Kapital zu zeichnen. Die Société Générale Marocaine wurde im vorigen Jahre von einer Gruppe großer ariser Banken gegründet, um der Regierung bei der wirt⸗ schaftlichen Entwickkung und Verwertung Marokkos behilflich 1“

Rußlannd.ʒ

Die Reichs duma hat gestern laut Meldung des „W. T. B.“ in geschlossener Abendsitzung folgende Gesetzentwürfe in dritter Lesung angenommen: die Festsetzung des Rekruten⸗ kontingents für 1913, die Anweisung von Geldmitteln aus dem Etat für 1913 zur Vervollständigung des Bestandes der Artillerie an Geräten und Material sowie zur Vervollkommnung der Landesverteidigung, ferner einen Ergänzungskredit für das um die Kosten für Ankäufe von Ländereien zu decken

Belgien.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ über den General⸗ streik hat sich die Lage in dem Borinage bis gestern nach⸗ mittag nicht geändert, nur bei einigen kleinen Industrien ist eine leichte Zunahme der Arbeit zu verzeichnen. Im Becken von Charleroi streikten gestern 4000 Mann mehr als vor⸗ gestern. Unter den Streikenden sind 34 500 Bergarbeiter, 23 500 metallurgische Arbeiter, 6200 Arbeiter der Glashütten und 4400 Arbeiter verschiedener Industrien. Aus La Louvisre wird gemeldet, daß gestern nach⸗ mittag von 51 500 Arbeitern nur 5000 arbeiteten, meistens Arbeiter, die die Gruben und die Fabriken instand⸗ . ormittag, aber nur bis 6 Uhr. In dem Bezirk sind fünf Fälle festgestellt, bei denen Arbeitswillige belästigt wurden. Im Gebiet von Lüttich wurde eine weitere Zunahme der Zahl der Streikenden festgestellt. Auch in Huy nahm die Bewegung zu. In Antwerpen wurde die Zahl der Streikenden gestern auf 15⸗bis 17 000 geschätzt. Im Hafen aber wurde gearbeitet. Auch einige Schiffe gingen ab. In Gent haben gestern einige Fabriken aus Mangel an Rohwaren den Betrieb einstellen müssen. Eine große Kund⸗ gebung, die Nachmittags stattfand, ist ohne Zwischenfall ver⸗ laufen. Aus Mons wird gemeldet, daß gestern in der Pro⸗ vinz Hennegau 86 400 Bergarbeiter von 96 800 streikten, in der metallurgischen Industrie 43 600 Arbeiter von 50 100, 18 600 Glashüttenarbeiter von 21 600, 16 900 Steinschläger von 19 100 und 9000 Arbeiter von 17 600, die anderen Industrien angehören. Einige Abendblätter geben die Gesamtzahl der Streikenden auf über 300 000 an.

In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer beantragte der Radikale Lorand ein Referendum darüber, ob die Einleitung einer Verfassungsrevision angebracht sei. Er verlangte für seinen Antrag die schleunige Beratung. Die Sozialdemokraten beantragten Vertagung der Beratung über die Heeresvorlage auf 14 Tage, da die Kammer und das Land nicht in der Verfassung seien, derartige Beratungen fortzuführen. Dann wurde über den Streik verhandelt.

Der Liberale Hymans sagte, obiger Quelle zufolge, die Politik des Ministeriums ermangele der Offenheit, denn der Ministerpräsident habe Hoffnungen erweckt, die er nicht erfüllen durfte oder wollte. Auch der Abg. Vandervelde erklärte nochmals, daß bei der Zurücknahme des Generalstreikbeschlusses im Monat Februar den vermittelnden Bürgermeistern der großen Städte von seiten des Mmisterpräsidenten Hoffnungen auf eine Einigung ge⸗ macht worden seien. Der Ministerpräsident erwiderte, er habe nur zugesagt, die Frage der Kommunal⸗ und Provinzialwahlen zur Prüfung zu stellen, aber er habe nicht von den aligemeinen Wahlen hefra Er ließ in seiner Rede durchklingen, daß, wenn wieder

uhe im Lande sei, man nochmals an die Erörterung der Verfassungs⸗

frage herantreten könne.

Türkei.

Nach dem amtlichen türkischen Kriegsbericht herrschte vorgestern sowohl vor Tschataldscha wie vor Bulair Ruhe.

Das Ministerium des Innern veröffentlicht, wie „W. T. B.“ meldet, folgendes Communiqus:

Armenische Blätter haben ein dem armenischen Patriarchat zu⸗ gegangenes Telegramm aus Bitlis veröffentlicht, wonach sich der dortigen türkischen Bevölkerung große Erregung bemächtigt habe, verursacht durch ein von Unbekannten verübtes Verbrechen, das Armeniern zugeschrieben werde. Vier Armenier seien verwundet worden, und in de⸗Stadt herrsche panikartiger Schrecken. Nach einem Telegramm des Walis von Bitlis über diesen Vorgang wurde ein Türke in Bitlis aus bisher unbekannten Gründen von neun Armeniern getötet. Daraufhin zogen die Verwandten des Getöteten in größter Aufregung an der Spitze eines Volkshaufens vor den Regierungskonak und ver⸗ langten die strenge Bestrafung der Schuldigen. An die Versicherung, daß die Regierung alles mögliche tun werde, kehrte sich die Men e nicht, sondern verlangte die sofortige Hinrichtung der Mörder. Schließ⸗ lich brachten sie den Leichnam des Getöteten vor den Konak und er⸗

ärten, die Leiche zurücklassen zu wollen, ohne sie zu besraben. Die Behörden ergriffen die entsprechenden Maßnahmen, die Menge wurde jerstreut und der Leschnam von der Bevölkerung bestattet. Später wurden Verwandte des Getöteten eines der Mörder namens Avedis habhaft, mißhandelten ihn, seine Frau, seine Mutter und noch eine Person, die zu Hilfe geeilt waren. Zwei dieser Angreifer wurden verhaftet, der dritte entkam. Es sind strenge Maßnahmen ergriffen worden, um ihn festzunehmen und die Ordnung aufrechtzuerhalten. Nach einem weiteren Telegramm des Walis von Bitlis sind acht des Mordes beschuldigte Armenier verhaftet worden.

Offiziellen Nachrichten zufolge ist der kürzlich ausge⸗ brochene Ausstand in Beirut beendet. Einige Personen sind als vermutliche Anstifter der Streikbewegung verhaftet worden. Diese Bewegung sollte die in Konstantinopel als un⸗ annehmbar betrachteten Forderungen des Reformkomitees unter⸗ stützen, wonach den Generalräten des Wilajets das Recht der Absetzung des Walis und die sofortige Durchführung jedes Beschlusses bewilligt werden sollte. Ferner sollten alle Ein⸗ künfte mit Ausnahme jener aus den Zöllen, der Postverwaltung und aus der Militärtaxe den Bedürfnissen des Wilajets ge⸗

idmet werden. 16

1““

erwerben. 5 .

8 Griechenland.

Wie die „Agence d'Athènes“ aus guter Quelle erfährt, ist die griechische Regierung der Meinung, die Ver⸗ bündeten sollten, wenn auch ihre Bedingungen nicht erfüllt worden seien, keine Einwendungen gegen die Vermittlung der Mächte machen. Die griechische Regierung sei geneigt, die Vermittlung anzunehmen und behalte sich vor, die Einzel⸗ heiten über den Frieden zu erörterr.

Rumänien. Der Senat hat gestern nach einer Meldung des „W. T. B.“ die Dotation von 100 000 Lei für den Prinzen Carol einstimmig genehmigt. 3 Serbien. Wie dem ‚Serbischen Pressebureau“ aus Djakowa gemeldet

wird, hat die gemischte Kommission, die den Fall Palitsch

untersucht hat, am 15. d. M. ein Protokoll unterzeichnet, in dem festgestellt wird, daß die Kommission keine überzeugenden Beweise dafür gefunden habe, daß Palitsch im Gefängnis auf Veranlassung der montenegrinischen Behörden geschlagen und mißhandelt worden sei. Auch sei kein Beweis da⸗ für erbracht worden, daß Palitsch von seiner montenegri⸗ nischen Militäreskorte mit Vorbedacht ermordet worden sei. Die Kommission habe nichts feststellen können, was die Angaben der montenegrinischen Behörden, daß Palitsch einzig und allein infolge eines Fluchtversuches erschossen worden 8 entkräftet hätte. Die Kommission verfolgt jetzt ihre Aufgabe weiter und prüft die 8eeexG der zur Orthodovxie.

Die Landsturmpflichtigen der Jahrgänge 1892, 1893, 1894 sind zu einer fünfzehntägigen Waffenübung ein⸗ berufen worden.

Bulgarien.

Zu den Nachrichten über den Abschluß eines Waffen⸗ stillstandes zwischen Bulgarien und der Türkei ist die „Agence Bulgare“ ermächtigt, zu erklären, daß es sich hierbei nicht um einen schriftlich abgeschlossenen Waffenstillstand handelt, sondern um eine für einige Tage mündlich vereinbarte Waffenruhe, die beiden Teilen ermöglichen soll, ihre Toten zu beerdigen.

Montenegro.

Die Vertreter der Großmächte in Cetinje haben gestern vormittag, wie „W. T. B.“ meldet, einen gemein⸗ samen Schritt unternommen, indem sie die in Sofia, Belgrad und Athen bereits überreichte Antwortnote der Mächte auf den jüngsten Gegenvorschlag der Verbündeten dem Minister des Aeußern übermittelten. Hierauf machten die Vertreter der Mächte dem Minister Mitteilung von der für Albanien fest⸗ gesetzten Nord⸗ und Nordostgrenze. Der Minister nahm diese Mitteilung zur Kenntnis, dankte und erklärte, er werde sie dem Ministerrate unterbreiten und sich mit den Verbündeten wegen Erteilung der Antwort ins Einvernehmen setzen.

Amerika.

Die Gesetzesvorlage über den Landbesitz von Aus⸗ ländern in Californien bestimmt in ihrer jetzigen Form, wie „W. T. B.“ meldet, daß kein Ausländer Land besitzen darf, der nicht seine Absicht erklärt, das Staatsbürgerrecht zu

Die Zweite Kammer hat den Ent

f angenommen.

Afien.

Wie „W. T. B.“ aus Tokio meldet, soll nach amtlicher Ankündigung eine fünfprozentige Anleihe in Höhe von 77 Millionen Yen in Paris ausgegeben werden. 70 Mil⸗ lionen von diesem Betrage sollen zur vollständigen Einlösung der Eisenbahnbonds verwendet werden.

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstags

und der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses

Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten eilage.

In der heutigen (142.) Sitzung des Reichstags, welcher der Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen, beiwohnte, wurde die Spezialberatung des Etats für den Reichskanzler und die Reichskanzlei fortgesetzt und zunächst die Abstimmung über den Antrag Albrecht (Soz.), betreffend die Einführung der Verhältniswahl und den Schutz der Minderheiten, wiederholt. Es mußte wiederum Auszählung erfolgen; das Ergebnis war die Ablehnung mit 140 gegen 139 Stimmen. Gegen den Antrag stimmten auf der Linken Nationalliberale und der Abg. Dr. Becker⸗Sprendlingen; für den Antrag auf der Rechten die Polen. 1—

Die Resolution Struve (Fortschr. Volksp.) und Mumm (Wirtsch. Vgg.) wegen Einsetzung von Beamtenausschüssen und Angestelltenausschüssen wurde angenommen. Ebenso gelangte zur Annahme die Resolution Ablaß und Genossen (Fortschr. Volksp.) wegen alsbaldiger gesetzlicher Neuregelung der Dienstverhältnisse der Reichsbeamten.

Der Etat der Reichskanzlei wurde ohne Debatte bewilligt.

Auf der Tagesordnung standen sodann die Berichte der Wahlprüfungskommission über die Wahlen der Abgg. Vietmeyer (wirtsch. Vgg.) und von Kröcher (dkons.). Erstere beantragt die Kommission zu beanstanden, letztere für ungültig zu erklären.

Zur Geschäftsordnung bemerkte der

Abg. Graf Westarp (dk.): Ich beantrage, den zweiten Gegen⸗ stand der Tagesordnung heute abzusetzen. Es empfiehlt sich, solche Wahlprüfungen, die vollständig erledigt sind, zusammen zu behandeln und mit einander zu verbinden. Nun sind die beiden Wabhlprüfungen der Abgg. Kölsch und Haupt spruchreif. Sie sind vor zwei Monaten an die Kommission zurückverwiesen worden, sodaß ich annehmen darf, daß ihre Erledigung in kürzester Zeit erfolgt. Schon aus diesem Grunde empfiehlt es sich, die beiden hier zur Wahl stehenden Wahlprüfungen zurückzustellen.

Abg. Haase⸗Konigsberg (Soz.): Als gestern die Tagesordnung festgestellt wurde, ist kein Widerspruch erhoben worden. Wollte man diese beiden Wahlprüfungen, deren Entscheidung spruchreif ist, ver⸗ zögern, so würde es zur Störung der bisher bestebenden Praxis führen.

Abg. Dr. Neumann⸗Hofer (fortschr. Volksp.): ie Ver⸗ hältnisse bezüglich der Wahlprüfungen sind ja wesentlich besser ge⸗ worden. Folgten wir aber dem Wunsche des Grafen Westarp, dann würde der alte Zustand wieder hergestellt. Wir müßten gleich eine Reihe von Wahlprüfungen auf die Tagesordnung stellen und die alte Hasterei begänne wieder. .

werden, und dazu gehören auch die Fälle der Abgg. sch u

„Abg. Graf Westarp: Der Vorwurf, daß ich gestern eine Zurückstellung nicht beantragt habe, trifft nicht zu, das Haus war beschlußunfähig, so daß eine Erörterung unmöglich war. Auch wir wünschen, daß die Wahlprüfungen schnell erledigt werden, aber wir wünschen, daß alle spruchreifen Wahlprüfungen g Se;

1, n upt.

öö

(Schluß des Blattes.) 8

1

Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (168.) Sitzung, welcher der Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten D. Dr. von Trott zu Solz beiwohnte, die dritte Beratung des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1913 bei dem Etat des Ministe⸗ dergeistlichen und Unterrichtsangelegenheiten ort.

Abg. Dr. Gaigalat (kons.): In Litauen besteht eine große Schwierigkeit in dem Verkehr zwischen Lehrern und Schülern. Man sagt zwar, daß manche Schüler sich den Gebrauch der litauischen Sprache abgewöhnt hätten; dies trifft aber nur für Einzelfälle zu. Der Gebrauch der litauischen Sprache als Muttersprache in der Schule muß doch anders beurteilt werden als der Gebrauch der polnischen Sprache. Die Litauer sind ein lovyales, treues Volk. Beim Konfirmandenunterricht zeigt es sich viel⸗ fach, daß die Schüler dem Unterricht nicht folgen können, weil sie des Deutschen nicht vollkommen mächtig sind. Dadurch wird natürlich die Religiosität im Volke geschwächt. Die Litauer wollen das Deutsche gern und freudig lernen; das schließt aber nicht aus, daß auch ihre Muttersprache gepflegt wird. Die Litauer haben bei der Erhebung Preußens vor 100 Jahren für das Vaterland freudig Gut und Blut geopfert, sie sind den anderen Provinzen mit gutem Beispiel vorangegangen. Religion und Sprache sind die höchsten und heiligsten Güter, beide müssen zusammen gepflegt werden; in einer Zeit, in der so viel vom Schutz der Naturparks die Rede ist, sollte auch die heimische Sprache geschützt werden. In bezug auf die Fakultäten halten meine Freunde daran fest, daß bei der Berufung zu theologischen Lehrstühlen der feste Grund des Evangeliums als unverrückbare Grenze nicht verlassen werden darf. Die Verwaltung sollte sich durch das Geschrei der Liberalen nicht beirren lassen.

Abg. Dr. Runze (Fortschr. Volksp.) Der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht ist die strenge Wissenschaft, dieser haben wir uns alle zu fügen. Wir stehen hier einer Entmündigung der theo⸗ logischen Fakultät gegenüber. Daß eine solche wirklich eingeleitet ist, beweisen die Zahlen. Es fällt den liberalen Theologen gar nicht ein, für sich besondere Rechte in Anspruch zu nehmen. Nein, hier handelt es sich nur darum, daß das Ansehen und das Recht der Fakultät als solcher gesichert bleibt. Tatsächlich werden die positiven Theologen weit mehr berücksichtigt als diejenigen, die sich auf kritischer Grundlage bewegen. Professor Simons hat 9 Jahre auf seine Berufung als Extraordinarius warten müssen, und der liberale Theologe Bauer ist erst kürzlich nach Breslau berufen worden. Von den seit 1903 amtierenden Privatdozenten in Preußen ist kein der liberalen Richtung Angehöriger befördert worden. Ich bitte das hohe Ministerium dringend, in dieser Hinsicht gleiches Maß walten zu lassen. In Berlin wurde ein Lizentiat vom Kon⸗ sistorium nicht bestätigt, weil er bei einigen Gemeindekirchenrats⸗ mitgliedern Besuche gemacht hatte, obwohl dies auf ausdrück⸗ lichen Wunsch und erst dann geschehen war, nachdem er vom Magistrat als Pfarrer schon in Aussicht genommen war. Wenn auch die Synodalordnung diese Besuche untersagt, so liegen doch in Berlin die Dinge ganz besonders eigenartig, und es besteht hier eine Art Observanz, die ja gewiß auch abgeschafft werden sollte; aber ein Vorwurf ist dem Lizentiaten nicht zu machen. Hier hat also die Behörde mit peinlicher Sorgfalt ihres Amtes gewaltet. In einem ganz ähnlichen Fall aus einer nördlichen Ephorie Berlins hat der in der vierten Stelle befindliche Geistliche, der noch nicht allzu lange in Berlin tätig ist, nachdem die erste Dienststelle frei geworden war, für sich eine Agitation getrieben, gegen die ältere Amtsbrüder öffentlich Protest erhoben, und 28 schließlich trotz alledem be⸗ stätigt worden. Einer der Amtsbrüder hat aus diesem Anlaß seinen Abschied eingereicht und ist ohne Pension ausgeschieden. Die Nachteile dieser Bestätigung zeigen sich von Tag zu Tag mehr. Daß auch der Fall Traub immer weitere Kreise zieht und immer unerquicklichere Wirkungen zeigt, ist wohl allgemein bekannt. Der Amtsrichter Konstantin von hat in einer geharnischten Broschüre sich dem Professor Baumgarten dem Oberkirchenrat gegenüber mit kaum widerlegbaren Gründen angeschlossen. Das ist ein neuer Beweis dafür, daß die Kirchenbehörde hier mit größerer Vorsicht ihres Amtes hätte walten sollen. Wie steht das Ministerium zu der Behauptung der Frankfurter Zeitung“, daß den für Jatho eingetretenen Professoren jede weitere Be⸗ förderung auf immer abgeschnitten sei? Qui tacet, consentit. Aber ich hoffe, das Ministerium wird sich doch darüber äußern. Und wie steht es zu der weiteren Behauptung, daß in Berlin die positiven Theologen vom Kultusministerium bei der Erteilung von Aufträgen bevorzugt wurden, um die wissenschaftliche Forschung allmählich zu beseitigen. Erfreulich ist die Liebe und Hin⸗ gebung, mit der die Ausgrabungskommission gearbeitet hat, deren Leistungen wir demnächst in einer Ausstellung zu sehen bekommen werden. Im Zusammenhange damit erneuere ich den Wunsch der Schaffung eines Ordinariats für prähistorische Forschung an der Universität Berlin. Das Ausland bes solche Ordinariate; wir haben eins in Wien, in Stockholm, in Christiania, neuerdings auch in Upsala und sogar in Kiew. Dann möchte ich ein Wort für die bessere Pflege der musica sacra einlegen. Luther hat einmal gesagt: „An einem Orte, wo die musica ertönt, da kreucht der Teufel zusammen.“ Viele echte Protestanten hegen schon längst den heißen Wunsch, daß die musica in der protestantischen Kirche zu größerem Ansehen und zu größerer Entfaltung komme. Dies geschieht leider noch nicht in ausreichendem Maße. Die Organisten Berlins haben eine Petition in diesem Sinne an das Haus gerichtet; sie wollen auch ihre Amtsstellung geändert sehen, sie wollen nicht mehr mit den niederen Kirchendienern zusammen⸗ gestellt in den Verzeichnissen geführt und als solche behandelt werden, da doch hervorragende Musikprofessoren sich unter ihnen befanden und befinden. Ich nenne nur Alsleben und Kawiau Sie bitten auch, daß die Kirchenchöre bessergestellt werden; sie erwähnen, daß die Gemeinderäte sich vielfach nicht dazu auf⸗ schwingen können, einzusehen, daß diese Chöre auch eine Kultur⸗ aufgabe lösen. Sie bezeichnen den Chorgesang als das „Stief kind unserer evangelischen Kirche; aus Privatmitteln allein lassen sich die Kirchenchöre nicht unterhalten. Die Stadt⸗ synode hat einen sehr bedeutenden Fonds zu verwalten; ob er in den kostspieligen Zentralfriedhöfen richtig angelegt ist, lasse ich unerörtert; aber es dürfen darüber nicht so wichtige Sachen vernachlässigt werden. Was die Predigt des eedigers nicht vermag, vermag die musica sacra in der Kirche. Aber leider sehen wir, daß ein Kirchenchor nach dem anderen eingeht. Hier sollte der Minister seinen Einfluß dahin geltend machen, daß die Kreis⸗ synoden und die Stadtsynode Berlins sich künftig in dieser Be⸗ ziehung nicht so ablehnend verhalten. Der Religionsunterricht sollte mehr auf historischer Grundlage betrieben werden. Sehr zu bedauern ist, daß die liberalen Geistlichen in auffallender Weise bei der 1““ der Amtspflichten zurückgesetzt werden. Es ist keineswegs zu billigen, daß ein positiver jüngerer Amts⸗ kollege unter Uebergehung älterer Kollegen in höhere Stellen aufrückt. Mir ist sogar ein Fall bekannt, wo einem älteren, allgemein als tüchtig bekannten Geistlichen seine Amtspflichten in ehrverletzender Weise genommen und einem jüngeren, positiven Geistlichen übertragen wurden. Solche Vorgänge müssen aufs allerentschiedenste verurteilt werden. Zum Schlusse möchte ich meinen schon früher geäußerten Wunsch wiederholen, daß das Geburtshaus Luthers in ein Luther⸗ museum umgewandelt werden möe. v