hbedauern, aber die Türken haben jahrhundertelang viel schlim ꝛere Greueltaten begangen. Es handelt sich jetzt um eine neue politische Konstellation. Deutschland hat ein großes eigenes Interesse an dieser Entwicklung. Für Oesterreich ist diese Frage eine Lehensfrage. Es muß mit ¾ Slawen regieren und kann mit ihnen regieren. Der polnische Bund hat stets die österreichischen Interessen vertreten. Wem verdankt Oesterreich seine finanzielle Entwicklung? Den Polen. Die polnische Fraktion hat auch die österreichische Regierung bei der Ein⸗ verleibung von Bosnien und der Herzegowina n; Dafür werden die Polen aber auch von der österreichischen Regierung ent⸗ sprechend berücksichtigt. Wie anders bei uns in Preußen! Ich er⸗ innere nur an die Schul⸗ und Wohnungspolitik. Man sollte es sich überlegen, ob jetzt nicht der Moment gekommen ist, hisser gefährlichen Polenpolitik Einbalt zu tun; vor einer solchen Politik muß auch im Interesse des Dreibundes gewarnt werden. Es ist auch von Rußland mit Beziehung auf die panslawistische Gefahr gesprochen worden. Gerade die deutsche Regierung hat in ihrer Ostmarkenpollich die Polen so behandelt, wie es die Russen getan haben. Es ist erfreulich, daß auch der Reichskanzler eingesehen hat, daß jetzt nicht der Moment ist, die Germanen gegen die Slawen aufzuhetzen. Was will denn Deutschland mit all den Elementen machen, die zwischen Memel und Berlin sitzen. Was will es mit Germanen wie Rogalla und anderen anfangen? Die preußische Regierung arbeitet dahin, daß gerade die ruhigen polnischen Elemente ihren Einfluß verlieren. Das Deutsche Reich sollte gegenüber den Polen abrüsten; diese Abrüstung würde ihm am besten nützen. Die antipolnische Hypnose muß aufhören. Abg. Bernstein (Soz.): Wenn man den Türken die Dar⸗ danellen überläßt, warum denn nicht auch Adrianopel? Das geschieht, weil man den Bulgaren Silistria nehmen will. Es wird hier nicht nach dem Völkerprinzip, sondern bloß nach Kombinationen gehandelt, um eine Macht gegen die andere auszuspielen. Wenn man strategische Rücksichten geltend macht, so können sich diese doch lediglich von seiten Rumäniens gegen Bulgarien richten. Rumaänien hat nach Art. 44 des Berliner Vertrages den Juden gegenüber Verpflichtungen, das muß ich nochmals betonen. Dieser Vertrag ist in keinem Punkte erfüllt worden. Die gegen meine neulichen Ausführungen gemachten Ein⸗ wände kann ich als berechtigt nicht anerkennen. Die Forderungen der rumänischen Juͤden dürfen nicht einseitig vom Rassestandpunkt aus be⸗ arteilt werden, sondern von dem der Gerechtigkeit. In dem Zeit⸗ alter der Demokratie kann gar keine andere Richtschnur gelten. Die Beschwerden der preußischen Polen werden in dem gleichen Augenblick rledigt sein, wo Freisen ihnen gegenüber eine gerechte Politik treibt. Eine ähnliche Rolle wie die Polen bei uns haben bisher in England die Iren gespielt. Jetzt ist in England eine Regierung am Ruder, ie ihnen die verlangte Gleichberechtigung zu geven fest ent⸗ chlossen ist; diese Regierung hat, ganz entgegen dem preußischen Ent⸗ eignungsgesetz, die englischen Landlords in Irland enteignet und den irischen Bauern ihren Grund und Boden zurückgegeben. Durch diese Pelti⸗ die die Iren zu Englandfreunden gemacht hat, ist die eng⸗ ische Politik außerordentlich gestärkt worden. Das gleiche günstige Ergebnis hat die englische Politik in den ehemaligen südafrikanischen Burenrepublken gehabt. Für die Engländer ist auch selbstverständlich, daß der Gesandte, der in ein fremdes Land geschickt wird, die Sprache des Landes beherrscht oder doch erlernt. „In Frankreich wohnen Hunderttausende von Deutschen, ohne daß ihnen irgend etwas in den Weg gelegt wird. In Nanchy allein sind 6000 deutsche Arbeiter tätig. Die französische Regierung und “ in seiner gxoßen Masse, sie wollen den Frieden. Wer den Frieden will, muß dahin arbeiten, daß jeder Verhetzung der Boden entzogen wird. Das ist unsere Politik, und unsere Politik wird den Sieg behalten. Damit schließt die Diskussion. Das Gehalt des Staats⸗ sekretärs wird bewilligt. Die von der Budgetkommission vor⸗ geschlagene Resolution, betr. die Zulassung zum diplomatischen Dienst, wird angenommen. ie sonstigen Ausgaben für das Auswärtige Amt werden ohne Debatte bewilligt, ebenso die Beseoldungen für die Botschaften und Gesandtschaften. Bei den Besoldungen der Konsularbeamten bringt der Abg. von Liebert (Rp.) Beschwerden über schwere Miß⸗ handlungen von aus Berlin gebürtigen Schiffsjungen vor, die auf dem der Gesellschaft „Visurgis“ gehörigen Schiffe „Nereide“ vor⸗ gekommen sind. Den Jungen seien unterwegs in der Fahrt von Bremen nach Chile die schlimmsten Mißhandlungen zugefügt und
mit ihnen die ekelhaftesten Prozeduren vorgenommen worden; u. g. sei ihnen ein Trichter in den After gesteckt und durch denselben Spiritus in den Leib getrieben worden, sodaß ihnen die Gedärme verbrannten. Der eine der Jungen sei desertiert und habe sich an den deutschen Generalkonsul in Valparaiso um Hilfe gewendet; der aber antwortete, er könne ihm nicht helfen, da er desertiert sei, er solle sich wieder auf das Schiff begeben, sich melden und bei Miß⸗ handlungen sich beim Kapitän beschweren. Der Brief sei nicht in die Hände des Jungen gekommen, dieser sei vielmehr in die Wüste Atacama geflohen, nach 4 Wochen in einen Hafenort gelangt, wo ein deutscher Vizekonsul war, der aber habe ihn barsch abgewiesen. Der Vater, durch einen Brief des Sohnes unterrichtet, habe die Reederei und die Behörden vergeblich in Anspruch genommen, schließlich sei der halbnackte Junge zu Schiff nach Valparaiso gelangt und dann auf einem Kosmosdampfer nach Europa. Der zweite Junge ist in einem anderen Hafen desertiert, wo es auch einen Wahlkonsul gab. Dga der Junge inzwischen durch die ausgestandenen Leiden zeitweilig gestört war, so muß er wohl auf den Konsul einen Eindruck ge⸗ macht haben, der für ihn nicht günstig war, und wurde zurückgewiesen. Schließlich fand er im Hospital Aufnahme und gelangte von da in die Landesirrenanstalt. Unter vielen Mühen ist es dann später seinen Eltern gelungen, ihn nach Hause zu schaffen, wo er dann wieder ge⸗ nas. Die beiden Väter wandten sich an den Staatsanwalt in Bremen. Im ersten Hafen, den die „Nereide“ in Europa anlief, wurden die ersten Untersuchungen angestellt. Aber die Hauptbeschuldigten waren unterwegs schon entlassen wotden. Ich will hier keine persönlichen Anklagen vorbringen. Der Generalkonsul in Valparaiso ist mir so⸗ gar als humaner Mann geschildert worden. Aber man muß ihm wenigstens seine Instruktion zur Last legen, daß er dem Jungen empfahl, sich wieder auf dem Schiff zu melden. Diese Schiffs⸗ jungen stehen doch im Lehrverhältnis und sind anders wie Voll⸗ matrosen zu behandeln. Das Schmerzlichste dabei ist, daß es immer an Geld gefehlt hat. Die Vizekonsuln fragten immer, wie sie wieder zu ihrem Gelde kämen. Aber auch andere Staatsangehörige werden von den Konsuln derartig behandelt, sodaß unter den Deut⸗ schen Südamerikas es als ausgemacht gilt, daß man von unseren Vertretern nichts zu erwarten hat, im Gegensatz zu den Amerikanern und Engländern. Ein Artikel in der „Chemnitzer Zeitung“, der „Das rollende Gold in der Auslandspolitik“ überschrieben ist, schildert, wie andere Staaten ihre Auslandsbeamten bezahlen und deshalb bessere Geschäfte machen und einen besseren Namen haben. Auf diese allzu große Knaufrigkeit mit Geldmitteln will ich hinweisen. .
Wirklicher Geheimer Legationsrat Schmidt⸗Dargitz: Als die Fälle zur Kenntnis der zuständigen Behörden kamen, ist sofort eine Untersuchung eingeleitet worden, deren Ergebnis noch nicht vorliegt. Die jungen Leute haben sich über die Behandlung auf dem Schiffe bei dem Generalkonsul in Valparaiso beschwert. Doch ließ sich natürlich die Richtigkeit dieser Beschwerde nicht feststellen. Es wurde aber an den Jungen und auch an den Kapitän geschrieben und letzterer aufge⸗ fordert, sofort einen Bericht einzusenden. Diese beiden Briefe sind aber nicht an die Adressaten gelangt. An den Jungen konnte der Brief nicht gelangen, weil er ja gar nicht erst die Entwicklung der Ange⸗ legenheit und die Antwort abgewartet hat, sondern über Bord sprang und ans Land flüchtete. Er hätte doch nhenlissten⸗ später bei seinen chilenischen Wirtsleuten seine Adresse zurücklassen können. Er hatte doch Zeit, an seine Eltern zu schreiben. Er hätte also, ehe er die Flucht ergriff, seinen Wirtsleuten sagen können, wenn nach mir ge⸗ fragt wird, wendet Euch dort und dort hin. er Wahlkonsul hat allerdings den Jungen zurückgewiesen. Er hat aber doch indirekt etwas
schützt. Der Junge Ec hea Fehsr begangen, daß er sich an die Konsuln nie mit nträgen gewandt hat. Der General⸗ konsul hat jedenfalls, sobald er das Telegramm vom Auswärtigen Amt bekam, mit aller Beschleunigung nach dem jungen Mann suchen lassen der aber zuerst nicht zu finden war. Der zweite hat in einem Brief an seine Elerm keine Beschwerde darüber Heführt. wie es ihm an Land gegangen ist. Was die allgemeine Frage betrifft, ob die Wahlkonsuln mit größeren Mitteln zu versehen sind, so verdient natürlich der Ge⸗ danke Berücksichtigung. Von seiten der Zentrale ist jedenfalls alles geschehen, um den Fall aufzuklären. Auch die gestern von dem Abg. Dove angeregte Frage wegen Abänderung der Bestimmungen über notarielle Beurkundungen der Konsuln wird im Auge behalten werden. Abg. Dove (fortschr. Volksp.): Die Beurteilung solcher Fälle hängt allerdings von den wirklichen Tatsachen ab. Aber wenn auch der eine Teil davon richtig ist, so muß es ein Gefühl der Entrüstung und maßlosen Empörung auslösen. Man muß sich doch in die Lage eines jungen Mannes versetzen, man kann von ihm nicht die Erfüllung aller Formalien verlangen. Es liegt hier eine unrichtige Behand⸗ lung des menschlichen Momentes vor. Die Konsuln müssen solchen Leuten helfen ohne Rücksicht darauf, daß sie die Kosten zurückerstattet bekommen oder nicht. Wir sehen hier wieder den bureaukratischen Zug. Es handelt sich hier um Wahlkonsuln. Diese sind oft bureau⸗ kratischer als berufsmäßige Beamte. Andere Staaten verfahren anders. Der ganze Fall zeigt, daß bei uns ein furchtbarer Autoritäts⸗ glaube vorhanden ist. Ein Deserteur kann doch durch Brutalität zum Desertieren gezwungen sein. Man darf sich da nicht auf den Stand⸗ punkt stellen: Du bist entlaufen, und das ist gegen die Disziplin. Es gibt eine übertriebene Disziplin, und diese bedarf der Korrektur.
Abg. Mol kenbuhr (Soz.): Auf allen Seiten hat es un⸗ angenehm berührt, daß der arme Junge so wenig Beistand erhalten hat. Das erklärt sich daraus, daß er sehr arm war oder wenigstens so aussah. Es ist keine neue Erscheinung, daß Vorgesetzte sich der Armen nicht annehmen. Bei Streiks stellen sich die Konsuln fast immer auf die Seite der Reeder oder Schiffsführer. In diesem tragischen Falle scheint der Abg. von Liebert eins außer acht zu lassen. Er sagte, der Schiffsjunge steht nur in einem Lehrverhältnis und bedarf des Schutzes. Dieser Schutz ist aber den Schiffsjungen vorenthalten worden. Die beiden Jungen haben wohl die Seemannsordnung ge⸗ lesen und ihre vollkommene Rechtlosigkeit erkannt. Wenn ein Konsul hört, daß ein Matrose desertiert, so muß er ihn wieder zurückführen, selbst wenn er dadurch wieder in die Martergrube zurückgezwungen wird. Daß solche Mißhandlungen häufiger vorkommen, weiß jeder, der an der Wasserkante lebt. Die Schiffsjungen werden geradezu in der schlimmsten Weise behandelt. Nun fragt es sich, was wird denn mit dem Kapitän geschehen? Aus der Darstellung des Regierungsver⸗ treters ging nur eins klar hervor: die völlige Unbeholfenheit des ganzen Auswärtigen Amts. Daß diese armen Schiffsjungen recht un⸗ beholfen in der Fremde waren, ist selbstverständlich. Die Regierung wird wohl kaum die Konsuln anweisen, den Deserteuren zu helfen. Was wäre geschehen, wenn der Schiffsjunge ausgerissen wäre? Dann wäre er mit Gewalt auf das Schiff gebracht worden. Er wäre von neuem mißhandelt worden und dann über Bord gesprungen, der Ver⸗ such, ihn zu retten, wäre vielleicht mißglückt usw. Es war ein Glück für beide Schiffsjungen, daß sie da ans Land kamen, wo kein Konsul vorhanden war. 1 “
Abg. Dr. Semler (nl.): Es ist gut, daß die beiden Jungen energische Väter gehabt haben; wäre dies nicht der Fall gewesen, so wäre die Sache noch tragischer ausgegangen. Dieser Fall beweist, wie nötig es ist, daß im Konsulats⸗ und Diplomatendienst sich eine starke Hand zeigt, die für Besserung sorgt. Bureaukratische Unbehilf⸗ lichkeit ist das Charakteristische dieses Vizekonsuls. Was soll man dazu sagen, daß vom Regierungstisch gerügt wurde, der Junge hätte nicht seine Adressen hinterlassen! Den Tatbestand im einzelnen werden wir ja abzuwarten haben. Zunächst muß die Anklage gegen den Schiffer eingeleitet werden, darauf kommt es an; rechtlos sind schließ⸗ lich auch die deutschen Schiffsjungen nicht.
Damit schließt die Diskussion. “ 11“
Die Ausgaben für die Konsularbeamten werden bewilligt.
Zu dem „allgemeinen Fonds“ liegen die von der Kom⸗ mission beantragten Resolutionen vor, worin der Reichs⸗ kanzler um eine Denkschrift über den Ausbau des orienta⸗ lischen Seminars zu einer deutschen Auslandshochschule und um eine Denkschrift über die deutschen Schulen im Auslande ersucht werden soll. 9
Die Resolution, betr. das orientalische Seminar, wird ohne weitere Debatte angenommen. 1
Zur Resolution, betr. die deutschen Schulen im Aus⸗ lande, wünscht der
Abg. Kuckhoff (Zentr.) in der vorzulegenden Denkschrift auch Auskunft über die Verwendung und den Verbleib der vom Reiche be⸗ willigten Mittel. Notwendig seien die deutschen Schulen nicht allein für die Ausbreitung des deutschen Einflusses im Auslande, sondern auch zur Unterstützung der im Auslande wohnenden Deutschen zur Er⸗ haltung dieser Deutschen in ihrem Deutschtum; in dieser Beziehung müsse viel mehr als bisher seitens des Deutschen Reiches getan werden, und nicht bloß in China, sondern auch im nahen Orient und im ganzen Gebiet von Südamerika. Unsere Diplomatie müsse darauf dringen, daß unseren Schulen überall ohne Ausnahme Gleichberechtigung ge⸗ waͤhrt werde. In Südamerika komme ganz besonders Chile in Be⸗ tracht; bisher seien die dortigen deutschen Schulen nicht unterstützt worden. Man müsse auch wissen, wie die Berechtigungen an den vor⸗ handenen, vom Reiche unterstützten deutschen Schulen sich im Aus⸗ lande verteilen. Ueberflüssig seien die Berechtigungen an solchen „höheren“ Schulen, die lediglich den Charakter von Pensionaten trügen. Die Ordensschulen verlangten keine Berechtigungen, sondern wünschten nur, daß man ihre Existenz nicht untergrabe, denn auch sie seien der Aufgabe dienstbar, das Deutschtum im Auslande zu ver⸗ treten. Die katholischen Ordensschulen arbeiteten keineswegs billiger, bezögen aber weit weniger Unterstützung als die evangelischeu. Den Schulen der Franziskaner in Brasilien, die ganz Ausgezeichnetes leisteten, sei bisher vom Deutschen Reiche jede Unterstützung verweigert worden. Der Redner exemplifiziert u. a. auf Blumenau und Porte Alegre. Auch die Jesuiten hätten durch ihre Schulen für das Deutschtum aufs eifrigste gewirkt; in keiner dieser katholischen Ordensschulen im Auslande werde Propaganda für den Katholizismus getrieben; eher lass sich dieser Vorwurf gegen deutsche evangelische Schulanstalten im Aus⸗ lande, z. B. in Madrid, erheben; dafür deutsche Reichsmittel herzu⸗ geben, habe man gar keine Ursache. 8
Die Resolution wird angenommen, ebenso der Rest des Ordinariums des Auswärtigen Amtes, desgleichen das Extra⸗ ordinarium und die Einnahmen. ““
Damit ist der Etat für das Auswärtige Amt erledigt.
Es folgt der Etat für den Reichskanzler und die Reichskanzlei.
Der Reichskanzler Dr.
von Bethmann Hollweg und die Staatssekretäre Dr. Lisco, Kühn und Solf er⸗ scheinen am Bundesratstische. 8 Zu diesem Etat liegen folgende Resolutionen vor: 1) Albrecht und Genossen (Soz.): 8* den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage baldigst einen Gesetzentwurf su unterbreiten, der für die Reichstagswahlen zum
Schutze der Minderheiten und zum Zwecke der wirklichen Durch⸗
führung des gleichen Wahlrechts die Verhältniswahl und
ine hässem Wahlverfahren entsprechende Gestaltung der Wahlkreise einführt;
2) Mumm und Genossen (wirtsch. Vgg., Welfen und
Elsässer): “ den Reichskanzler zu ersuchen, in den einzelnen Verwaltungen, in denen das Bedürfnis hervortritt, insbesondere bei der Reichs⸗
für ihn getan, denn dieser fand Unterkunft bei einem seiner Unter⸗ gebenen. So war er doch wenigstens vor Hunger und vor Durst ge⸗
postverwaltung und bei den Reichseisenbahnen, Beamtenausschüsse zu
. Fabrikinspektoren beweisen das auf jeder Seite.
2
3) Dr. Struve und Genossen (fortschr. Volksp.): 8 den Reichskanzler zu ersuchen, in den einzelnen Verwal⸗ tungen, in denen das Bedürfnis hervorgetreten ist, insbesondere bei der Reichsmarine n amten⸗ und Angestelltenausschüsse zu errichten.
Abg. Dr. Gradnauer (Soz.): Das 25jährige Jubiläu
des Kaisers würde am besten gefeiert durch Einlegung eines Feier
jahres alle 25 Jahre, in dem keine Reden gehalten und keine Bankette gefeiert werden. Das wirtschaftliche Leben des deutschen Volkes bat sich in den letzten 25 Jahren vollständig umgewandelt und nach vor⸗ wärts entwickelt. Damit steht jedoch die politische Entwicklung in Widerspruch. Die konservative Partei, die bei den letzten Wahlen nur ⁄ aller Stimmen erhielt, beherrscht nicht nur Preußen, sonder
auch das Reich. Von einem fruchtbaren Vorwärtsschreiten ist unter der Aera des jetzigen Kanzlers erst recht keine Rede. Wollte man ihm einen lateinischen Namen geben, so müßte man ihn „Herrn status quo“ nennen. Aber er ist ja von einer anderen Stelle abhängig, und auch die Parteien des Hauses sind daran schuld, in erster Linie die National⸗ liberalen. Ihre Zustände hat ja erst wieder der letzte Parteitag ent⸗
hüllt, wo am ersten Tage der Abg. Bassermann freiheitliche Ent⸗
wicklung wünschte und am zweiten Tage der Abg. Dr. Friedberg im
Namen seiner altnationalliberalen Freunde sprach. Die Partei schim⸗
mert in den Farben des Hansabundes und des Bundes der Landwirte.
In bezug auf die Jesuitenfrage scheint ein Handelsgeschäft zwischen
dem Zentrum und dem Kanzler vor sich zu gehen. Für die Tausende von
Offizieren sollen Tausende von Jesuiten eingetauscht werden. Hier
wüeen wir eine klare Politik. Es läßt sich nicht leugnen, daß in
einigen Punkten dieser Reichstag etwas erreicht hat. Aber diese
winzigen Zugeständnisse mußten erst der Regierung abgerungen werden.
Jetzt liegt ein Entwurf vor, in dem wir von den Zigarrenkisten und
den Suppenterrinen Abschied nehmen. Wir hätten ja gleichartige Wahlurnen für das Reich gewünscht. Aber es ist immerhin ein
Fortschritt. Auch das verdankt das Volk unserer Partei. Erst durch die Enthüllungen in diesem Hause ist der Minister von Dallwitz gezwungen worden, nachzugeben. Der Staatssekretär Delbrück soll uns dankbar sein, daß wir ihm zu diesem Siege über den preußischen Polizeiminister verholfen haben. Hier sieht man wieder, wie wir positive Arbeit leisten. Nötig ist dann aber vor allem die Herab⸗ setzung der Altersgrenze bis auf 65 Jahre zur Erreichung der Alters⸗ rente. Wo bleibt die Reichswohnungsfürsorge? Wir sollen eine Militärmilliarde bewilligen. Da möchte ich eine Kulturmilliarde mit einem Kulturbeitrag von ½ %c% vorschlagen. Wie steht es mit dem Ausbau des Arbeiterschutzes und des Arbeiterrechts, der Arbeitslosen⸗ unterstützung? Vorwärts sind wir von Reichs wegen auf diesem Ge⸗ biete nicht gekommen. Die Macht des Großunternehmertums hat über die soziale Neigung der Reichsregierung gesiegt. Es ist mit der sozialen Reform Schluß gemacht worden. Die Beamten erfreuen sich keines freien Vereinigungsrechtes, die Jugendvereine der Arbeiter werden unter die politischen Paragraphen des Vereinsgesetzes gezwängt. Ueber die Vorgänge in Magdeburg und Braunschweig hat sich gestern die Regierung nicht ausgesprochen; der Staatssekretär von Jagow hat sich wohl in diesen Fragen nicht eingeübt, oder er interessiert sich nicht dafür. Das Verhalten der braunschweigischen Polizeibehörden gegen Morel und seinen deutschen Begleiter ist geradezu eine Schande. (Vize⸗ präsident Dr. Paasche: Ich rufe Sie wegen dieser Aeußerung zur Ordnung!) Moeel ist ohne weiteres in Braunschweig mit Ausweisung bedroht worden, und es ist diese Ausweisung auch aus⸗ geführt. Er durfte auf dem Bahnhofe nicht einmal Speise zu sich nehmen. Er und sein Begleiter hatten nicht die Möglichkeit, einen Zug zu wählen oder ihre Parteigenossen zu unterrichten, was die Polizei über sie verhängt hatte, sie durften nicht telephonieren. Der deutsche Begleiter wurde mit Verhaftung bedroht, wenn er nicht sofort mit Morel abreise. Diese Vorkommnisse beweisen, wie übel es mit den „freiheitlichen Garantien“ bei uns bestellt ist. Der Polizei⸗ minister von Dallwitz hat im preußischen Abgeordnetenhause eine Rede gehalten, die eine Scharfmacherrede sein sollte, aber vom Volke mit Heiterkeit aufgenommen werden wird. Er sprach davon, daß es den Veranstaltern der Versammluͤngen an nationalem Empfinden fehle. Es ist nicht leicht, mit ihm darüber zu diskutieren. Selbst der freisinnige Vertreter, Dr. Müller, verwirft das Verhalten der Polizei. Der Minister von Dallwitz wäre der letzte, objektiv über nationales Empfinden zu sprechen. Denn er will in derselben Rede ¾⁄0 der deutschen Nation in der Entrechtung beim Wahlrecht erhalten. Er hat aber auch die Tatsachen vollständig verschoben. Selbst wenn Morel also sich in deutsche Angelegenheiten ein⸗ mischen wollte, so wäre das kein Unglück gewesen. Die Herren, die für die Rüstungsvorlagen sind, sind selber nicht gerade von großer Begeisterung dafür erfüllt. Aber es ist gar nicht wahr, was der Minister von Dallwitz über die Ansichten Morels geäußert hat. In dem Text der Morelschen Rede steht kein Wort über die deutsche Rüstungsvorlage, sondern nur von dem französischen Chauvinismus. Er wollte für den Frieden sprechen. Solche Polizeimaßnahmen werden von dem Inlande und Auslande nur verspottet. Der Minister von Dallwitz hat wohl schon dem Reichskanzler von Bethmann weg vorgegriffen; Preußen ist der mächtigste Teil im Reiche. Was die Wirtschaftspolitik des Kanzlers betrifft, so sind die Maßnahmen der Reichsregierung auf dem Gebiete der Lebensmittelverbilligung unzureichend. Die Fleischnot hat angehalten, die Fleischpreise sind für das Volk nach wie vor unerschwinglich. Wer entwirft denn „Zerrbilder“ über die Lage unseres Volkes? Es sind diejenigen, die von der „gefüllten Kompottschüssel“ gesprochen haben. Gewiß haben sich die Löhne in den letzten Jahrzehnten etwas gehoben, aber im Kampfe gegen das Unternehmertum. Aber dieser geringe Lohnzuwachs zerrinnt in nichts gegenüber der gesteigerten Teuerung; die Berichte der Nirgends zeigt sich die verderbliche Wirkung der Vorherrschaft des preußischen Junker⸗ tums so wie auf diesem Gebiete. Wir sehen jetzt den Umschwung in den Vereinigten Staaten, einen Umschwung, den die Volks⸗ souveränität herbeigeführt hat, denn die erste Tat der neuen Regierung ist der Abbau der Zollmauern. Auch für den Ausfall, der zu erwarten steht, wird dort vorgesorgt, und zwar durch eine Bundeseinkommen⸗ steuer auf die hohen Vermögen. Bei uns aber warnt der Kanzler davor, die Besitzsteuer zum Rückgrat der deutschen Reichsfinanzen zu machen. Die Reichsregierung ist ja nur eine Filiale der preußischen Regierung. Nur eine obere Schicht übt in Preußen ihre Macht aus, nicht das Volk. Der Staatssekretär Delbrück wies auf die Notwendig⸗ keit einer einheitlichen Politik im Reich und Preußen hin. Dann muß aber auch in Preußen und im Reich ein einheitliches Wahlrecht vor⸗ handen sein. Preußen ist auf allen Gebieten der Hemmschuh des Reiches. Daher wäre die wichtigste Aufgabe für den Kanzler die Reform des preußischen Wahlrechts. Der Minister von Dallwitz hat gestern unter dem “ seiner Freunde ein Loblied auf das preußische Wahlrecht gesungen. Das preußische Wahlrecht be⸗ vorzugt die Besitzenden und entrechtet die große Masse des werk⸗ tätigen Volkes. 40 Jahre haben beide Wahlsysteme nebeneinander bestanden, sagte der preußische Polizeiminister, das abgestufte Wahl⸗ system entspreche der kulturellen Bedeutung. Entspricht es dieser Bedeutung auch, daß seine Kollegen in der dritten Wählerklasse wählen? Selbst der Reichskanzler wählt in der dritten Klasse mit dem Justizminister Beseler zusammen. Der Kanzler würde dem Volke einen wirklichen Dienst erweisen, wenn er ihm als Jubiläumsgabe ein besseres Wahlrecht überreichte. Glauben Sie doch nicht, daß auf die Dauer das Maß von Unrecht beim Wahlverfahren aufrecht er⸗ halten werden kann. Die Zeit ist nicht fern, wo in dieses System Bresche geschlagen wird, wenn nicht von oben, so durch den Druck von unten. Die Regierung spielt sich geradezu absolutistisch gegen⸗ über dem Reichstage auf. Von den „nahen“ Beziehungen des Reichs⸗ kanzlers zum Reichstage, von denen er auf dem Deutschen Handels⸗ tage sprach, haben wir hier nichts gemerkt. Wenn er auch in den letzten Tagen fleißig hier erschien, weil er den Reichstag als Be⸗ willigungsmaschine brauchte, so ist er doch im allgemeinen ein seltener Gast, und in die Budgetkommission ist er überhaupt nicht gekommen. Der Reichstag muß früher einberufen werden; auch dieses Jahr ist der
Etat nicht rechtzeitig fertiggestellt worden, und die Initiativanträge
der Reichspost und den Reichseisenbahnen, Be⸗
8 8 1 bleiben liegen. Noch immer wird uns ein Ministerverantwortlich⸗ keitsgesetz vorenthalten. Trotz der Novembertage von 1908 haben wir wieder, eine Reihe von Reden von gewisser Stelle vernommen, von der Königsberger Gottesgnadenrede von 1910 bis zu der Rede von dem herausgeschmissenen Pächter, die allgemeines Kopfschütteln erregt haben. (Vizepräsident Dov e: Die letztere Sache gehört wohl nicht hierber.) Ich will nur nachweisen, wie schwierig es unter den heutigen Verhältnissen sein muß, den Kaiser richtig zu informieren. Der Geheime Regierungsrat von Etzdorf ist als derjenige bezeichnet wor⸗ den, der die unrichtige Information sügeben hat. Was wird mit diesem Manne? Auf ihn dürften auch die hochoffiziösen Mitteilungen der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ über die Umstände bei der Uebernahme von Cadinen auch diese Informationen bedeuten eine Irreführung. Es heißt da, es handle sich gar nicht um eine Schenkung, sondern um einen Ver⸗ trag mit Leistung und Gegenleistung. Nach meiner Information ün diese Angaben durchaus unwahr. Ich kann den Wortlaut des Unschreibens mitteilen, das der Kaiser an den Schenker, den früheren Landrat Birkner, gerichtet hat; darin wird dem Herrn der Königliche Dank für die Uebereignung ausgesprochen, das würde doch nicht in diesen Formen geschehen sein, wenn es sich um einen ge⸗ wöhnlichen Vertrag gehandelt hätte. Mindestens 1 Million ist als Geschenk anzusehen. (Vizepräsident Dove ersucht nochmals, auf die Schenkung selbst nicht einzugehen.) Dem Pächter Sohst ist tatsächlich Unrecht geschehen, das hat man eingesehen, man hat ihn mit Geld ab⸗ gefunden und ihm einen Orden verliehen. Wenn alle, denen Unrecht geschieht, mit Orden abgefunden werden sollten, so viele Orden gibts ja gar nicht. In der Rede im Landwehrkasino sprach der Kaiser zu den Reserveoffizieren von dem Kampf gegen die finsteren Mächte des Unglaubens und der Vaterlandslosigkeit. Damit können nur die Sozialdemokraten gemeint sein. Solche Aeußerungen wären seitens des unverletzlichen Reichsoberhauptes nicht mög⸗ lich, wenn der Kaiser nicht immer wieder unrichtig informiert würde. Es gibt anscheinend nicht einen Etzdorf, sondern viele Etzdorfs. Solche Reden pflegen uns stets einige zehntaufend sozialdemokratische Stimmen zuzuführen. Eine andere Frage ist aber, ob es dem Reichs⸗ kanzler wünschenswert erscheint, daß große Schichten des Volkes in dieser Weise gekennzeichnet werden. (Vizepräsident Dove: Sie haben keinen Beweis, daß mit den Mächten des Unglaubens und der Vaterlandslosigkeit Ihre Partei gemeint ist!) Dem Kaiser ist in der Schweiz zu seiner Information ein Offizier beigegeben worden, der ein Sozialdemokrat ist; hoffentlich hat Mese nicht auf den Kaiser abge⸗ färbt ((Vizepräsident Dove: Sie bestätigen das, was ich Ihnen vorgehalten habe!) Das jetzige Reichstagswahlrecht bringt den wirk⸗ lichen Willen des Volkes nicht zum Ausdruck. Konservative und Zentrum okkupieren zum großen Teil Sitze, die den Liberalen und uns zukommén. Bei einem richtigen Wahlverfahren müßten die Liberalen 107 Sitze haben. Wir schlagen Ihnen eine Resolution vor, die diesen Mißständen abhelfen will. Ich hoffe, daß gerade die Nationalliberalen dafür eintreten werden, die sich darüber beschweren, daß die Industrie hier nicht genügend vertreten ist. Die Liberalen brauchen nur liberal genug zu sein, um hier den Ausschlag zu geben. Wenn sie eine wirk⸗ lich liberale Politik treiben, so wird es ihnen an unserer Unterstützung nicht fehlen. Das Verhältniswahlsystem hat auch in Deutschland seinen Siegeszug angetreten, ich erinnere an Württemberg. Wir Sozialdemokraten wollen der Unfruchtbarkeit der gegenwärtigen inneren Politik durch fortwährende Anregungen ein Ende machen. Unsere Hoffnung auf die gegenwärtige Regierung ist allerdings gering. Wir hoffen auf die große Kulturbewegung des Volkes. Wir vertrauen auf das Dichterwort: Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.
Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg:
Meine Herren, ich will mich darauf beschränken, auf einige Fragen zu antworten, die der Herr Vorredner gestellt hat. 1
Er hat sich bei mir nach dem gegenwärtigen Stande der Jesuitenfrage erkundigt. Seit ich im November vorigen Jahres über die Jesuitenfrage hier im Reichstage gesprochen habe, ist das Novum eingetreten, daß der Reichstag einen Antrag auf Auf⸗ hebung des Gesetzes angenommen hat. Dieser Antrag liegt dem Bundesrat vor, der noch keinen Beschluß darüber gefaßt hat. Bei der Erörterung des Antrages hier im Reichstage ist weitläufig über das Verhältnis des Reichsrechts zum Landesrecht debattiert worden. Um dieses Verhältnis aufzuklären, hat der Herr Staatssekretär des Innern, wie er mir mitgeteilt hat, bei den Regierungen der Einzel⸗ staaten Rückfrage gehalten. Lediglich darauf beziehen sich diese Rück⸗ fragen. Von einem Kuhhandel, den der Herr Vorredner an die Wand gemalt hat, ist mir nichts bekannt. [Lachen bei den Sozial⸗ demokraten.)
Meine Herren, dann hat der Herr Vorredner gefragt, wie ich zu den Vorgängen mit dem französischen Sozialisten Monsieur Compédre⸗Morel stünde. Die Einzelheiten der Vorgänge in Braunschweig sind mir unbekannt, und der braunschweigische Herr Bundesratsbevollmächtigte hat, wie er mir mitteilt, auch noch keine Nachricht. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Man wird also doch
wohl gegenüber der Darstellung des Herrn Vorredners zunächst einmal⸗
abwarten müssen, wie sich die andere Seite dazu äußert. (Leb⸗ hafte Zustimmung rechts.) Sachlich ist mein Standpunkt folgender. Wenn die Herren Sozialdemokraten glauben, gegen die von uns ein⸗ gebrachte Wehrvorlage protestieren zu müssen, Versammlungen dagegen abzuhalten, wenn sie es verantworten zu können glauben, Deutschland diejenige Verstärkung seiner Rüstung vorzuenthalten, welche zur Sicherung unserer Zukunft notwendig ist, dann mögen sie das unter sich abmachen. (Lebhaftes Sehr richtig! rechts.) Aber wenn sie sich dazu fremde Hilfe holen, dann können sie sich nicht wundern, daß wir ein Veto dagegen einlegen. (Erneute lebhafte Zustimmung rechts. Lachen bei den Sozial⸗ demokraten.) Der Herr Vorredner hat gesagt, Monsieur Compore⸗ Morel hätte ja gar nicht gegen unsere Wehrvorlage sprechen wollen, sondern lediglich gegen den französischen Chauvinismus. Das wäre ja an sich ein sehr verdienstvolles Werk (sehr gut und Heiterkeit rechts) von Monsieur Compore⸗Morel, das gebe ich ja zu, aber seine Anwesenheit in der deutschen Versammlung sohllte doch dazu dienen, Ihre Agitation gegen die Wehrvorlage zu unterstützen. (Lebhafte Zustimmung rechts. — Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, was wir an Verstärkung für unsere Armee tun wollen, darüber wird von Deutschen beschlossen, und zwar von Deutschen ganz allein. (Lebhafte Rufe: Sehr richtig! rechts.) Wir brauchen da keine Mitreden von fremden Herren, mögen sie nun an sich kompetent sein, ihre Ansicht zu äußern, oder mögen sie es nicht sein, wie es wohl in dem vorliegenden Falle gewesen sein würde. (Unruhe bei den Sozialdemokraten. Sehr gut! rechts.) Meine Herren, dann lst der Herr Vorredner auf den Fall Sohst zuruͤckgekommen. Ich meine doch wirklich der Ansicht der großen Mehrheit des Reichstages und jedenfalls der ganzen Oeffent⸗ lichkeit Ausdruck zu geben, wenn ich sage, daß der Fall Sohst von Seiner Majestät dem Kaiser in einer Weise erledigt worden ist, daß er für uns alle erledigt ist (Lebhafte Zustimmung rechts), und daß es ünnütz ist, darüber weiter zu sprechen. (Unruhe bei den Sozial⸗ demokraten. Lebhafte Zustimmung.) Dann hat der Herr Vorredner
durch den Kaiser zurückzuführen sein, und.
über den Kaufvertrag, der zwischen Seiner Majestät dem Kaiser und dem damal'gen Besitzer von Cadinen geschlossen worden ist, sei falsch, es habe sich um eine Schenkung gehandelt. Er hat einen Brief von Seiner Majestät an den früheren Besitzer von Cadinen vorgelesen. Ich kenne den Brief nicht, er wird ja wohl stimmen, wenn der Herr Vorredner glaubt, ihn hier der Oeffentlichkeit mitteilen zu können. Ich möchte nur angeben, daß im Kaiserlichen Archiv ein Kaufvertrag vom 15. Dezember 1898 liegt, wo im § 1 gesagt ist: Seine Majestät der Kaiser übernimmt käuflich von Herrn Birkner usw. die und die Besitzungen; § 2: Der Erwerber übernimmt die sämtlichen Hypotheken und Grundschulden (Lebhafte Rufe rechts: Hört, hört!), zusammen
ꝛc. Birkner eine einmalige bare Summe von 50 000 ℳ, außerdem eine jährliche Rente usw. (Lebhafte Rufe rechts: Hört, hört!) Also, meine Herren, ich halte die Mitteilung in der „Norddeutschen All⸗ gemeinen Zestung“ — ich perfönlich habe sie nicht abgefaßt, ich weiß nicht, von welchem Ressort sie ausgegangen ist — gegenüber den Be⸗ hauptungen des Herrn Vorredners aufrecht. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, im Zusammenhang damit ist der Herr Vorredner auf Aeußerungen Seiner Majestät des Kaisers eingegangen. Er hat sich darüber beklagt, daß Seine Majestät der Kaiser in einer Tisch⸗ rede, die er vor den versammelten Landwehroffizieren in Berlin am 10. März, wenn ich nicht irre, gehalten hat, zum Kampfe gegen die finsteren Mächte des Unglaubens und der Vater⸗ landslosigkeit aufgerufen hat. Nun, meine Herren (zu den Sozial⸗ demokraten), wollen Sie etwa bestreiten, daß solche Mächte bei uns eine Wirklichkeit und an der Arbeit sind? (Lebhafte Zustimmung rechts. — Lachen bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, müssen wir uns nicht tagtäglich in der sozialdemokratischen Presse Ver⸗ höhnungen des Gottesglaubens gefallen lassen? (Sehr richtig! rechts. — Widerspruch und Zurufe von den Sozialdemokraten: Beweise!) — Meine Herren, ich habe keine Notizen hier. (Rufe von den Sozialdemokraten: Aha!) — Ja, meine Herren, ich könnte sie Ihnen zu Dutzenden bringen. (Wider⸗ spruch bei den Sozialdemokraten. Sehr wahr! rechts) Ich habe vor kurzer Zeit, ich glaube aus der „Leipziger Volkszeitung“, einen Artikel bekommen, wo Einrichtungen des christlichen Glaubens (Zuruf von den Sozialdemokraten) in einer Weise dargestellt worden sind, daß ich allerdings den Herrn Staatssekretär des Reichsjustizamts gebeten habe, zu prüfen, ob da nicht auf strafrechtlichem Wege ein⸗ zuschreiten sei. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Also, meine Herren (zu den Sozialdemokraten), auch ohne die Preßnotizen werden Sie mir, wenn Sie ehrlich sein wollen, zugeben müssen, daß Sie trotz all der Toleranz, die Sie predigen — ich spreche jetzt nicht von den Herren im Hause, ich spreche von der Tätigkeit draußen in der Presse —, daß Sie trotz dieser Toleranz, die Sie predigen, den Gottesglauben anderer Leute angreifen (Sehr richtig! rechts. — Widerspruch bei den Sozialdemokraten), — jawohl, meine Herren, der ganze Reichstag ist da, glaube ich, auf meiner Seite — (Sehr richtig! rechts, Zurufe von den Sozialdemokraten.) Ebenso wird über die Vaterlandsliebe in dem Sinne, wie sie die große Mehrzahl des deutschen Volkes versteht, von Ihnen unausgesetzt gelärmt und gespottet. (Sehr richtig! rechts.) Denken Sie doch daran, meine Herren, daß Seine Majestät der Kaiser diese Rede vom 10. März ungefähr 8 oder 14 Tage nach den berühmten Debatten über die Jahrhundertfeier in der Berliner Stadtverordneten⸗ versammlung gehalten hat. (Lebhaftes Hört, hört! rechts.) Erinnern Sie sich einmal an die Ausführungen der Herren sozialdemokratischen Redner, erinnern Sie sich an die Antworten, die ihnen von dem freisinnigen Herrn Abg. Dr. Cassel geworden sind. (Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.) Da wundern Sie sich, meine Herren, daß gegenüber allen derartigen Vorfällen Seine Majestät der Kaiser an die sittlichen Kräfte, an den Gottesglauben, an die Gotteszuversicht erinnert, die die Grundlagen gewesen sind für die Wiedergeburt unseres Volkes vor hundert Jahren? (Lebhaftes Bravo! rechts; Lachen bei den Sozialdemokraten.) Meine Herren, der Kaiser hat, wenn er so gesprochen hat, dem deutschen und dem preußischen Volke aus der Seele gesprochen. (Wiederholtes lebhaftes Bravo! rechts.) Wir werden uns das nicht verkümmern lassen durch die Angriffe, die Sie Gu den Sozialdemokraten) hier dagegen richten. (Lebhafter Beifall rechts. — Zischen bei den Sozialdemokraten. — Wiederholter lebhafter Beifall.)
Abg. Liesching (fortschr. Volksp.) ist bei der großen Unruhe, die sich im ganzen Hause nach der Rede des Reichskanzlers geltend macht und andauert, vorerst nicht zu verstehen. Er führt dann etwa folgendes aus: Eine freudige Zustimmung zu der Führung der inneren Reichspolitik können auch wir keineswegs empfinden. Was die Jesuitenfrage betrifft, so erklärte der Kanzler, es könne von einem Kuhhandel keine Rede sein. Diese Erklärung wird sicherlich in weiten Kreisen des Volkes beruhigend wirken. Es mag ja kein sehr gut ge⸗ wählter Zeitpunkt gewesen sein, zu dem Compère Morel nach Deutsch⸗ land kam, um in einer sozialdemokratischen Versammlung zu sprechen; aber dennoch müssen wir wünschen, daß die preußische und die braun⸗ schweigische Polizei weniger kleinlich verfahren waären. Wenn Amerika uns in der Steuerpolitik durch den Abg. Gradnauer als Beispiel hin⸗ gestellt wurde, so muß doch dagegen hervorgehoben werden, daß es in Amerika bisher überhaupt keine Einkommen⸗ und keine Kapitalsteuer
gegeben hat. Auch wir haben bedauert, daß der Kanzler nicht in der Kommission erschienen ist, aber es ist auch eine Tatsache, daß die ganze Budgetkommission, einschließlich der Sozialdemokraten, mit der schrift⸗ lichen Erklärung des Kanzlers, er werde die auswärtige Politik im Plenum behandeln, einverstanden war. Auch wir müssen wünschen, daß von dem schlecht unterrichteten an den besser zu unterrichtenden Kaiser appelliert werde, indem wir seine Reden auch hier kritisieren. Wenn es sich aber darum handelt, ob der Kaiser ein Gut durch Schenkung oder durch Vertrag erhalten hat, geht uns dies hier als eine Privat⸗ sache nichts an. Für das allgemeine Wahlrecht sind wir stets einge⸗ treten und treten auch jetzt dafür ein, und zwar auch für das direkte, geheime und gleiche Wahlrecht. Wir haben schon im vorigen Jahre einen Antrag eingebracht, der eine bessere Wahlkreiseinteilung und auch eine Vertretung der Minderheiten ermöglichen soll, also materiell genau dasselbe, was der Antrag Albrecht will. Die Ungerechtigkeiten und schreienden Mißstände, welche die gegenwärtige Wahlkreisein teilung mit sich bringt, sind ja allgemein bekannt. Ueber die Einzel⸗ heiten der Verhältniswahl wird heute noch nicht zu reden sein; man wird einen Entwurf des Kanzlers abzuwarten haben. Dem Antrag Albrecht stimmen wir zu. Zur Annahme empfehlen wir unseren An⸗ trag wegen der Einrichtung von Beamtenausschüssen und Angestellten⸗ ausschüssen in den Reichsbetrieben, in denen dafür ein Bedürfnis be⸗ steht; die Beamtenwünsche können nur auf diesem Wege wirkliche Würdigung und Berücksichtigung finden. Der Wunsch ist auch gar nicht so neu; im Kolonialbeamtengesetz steht eine derartige Bestim⸗ mung, und in den süddeutschen Staaten ist die Einrichtung längst vor⸗ handen. Die Furcht, daß die Disziplin untergraben wird, sollte die Reichs⸗ regierung doch endlich abwerfen; also sol man endlich die geheimen
Konduitenlisten abschaffen. Mindestens aber soll man den Beamten
behauptet, die Notiz in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“
.
die Einsicht gestatten, dann wird es ihnen nicht bloß möglich werden,
535 700 ℳ (Hört, hört! rechts); § 5: Seine Majestät gewähren dem
von Denunziationen Kenntnis zu nehmen, die gegen sie eingegangen sind, sondern auch zu erfahren, wer denunziert hat. Das Wiederauf⸗ nahmeverfahren muß in das Beamtenrecht endlich hineingeschrieben werden. Die Beamtenausschüsse als solche stoßen heute bei keiner Partei des Reichstags mehr auf Widerstand; wir sehen ja, daß auch die Wirtschaftliche Vereinigung mit einem ähnlichen Antrage hervorge⸗ rreten ist, der uns nur nicht weit genug geht. Nehmen Sie unsere Resolutionen an; wir wollen hoffen, daß die Regierung ihnen auch die entsprechende Beachtung schenken wird.
Abg. von Morawski (Pole): Wir fordern von der Reichs⸗ regierung eine Politik, die endlich den berechtigten Ansprüchen der auf Respektierung ihrer Nationalität und ihrer nationalen FEigentümlichkeiten gerecht wird. Der Reichstag hat in diesem Sinne mit großer Mehrheit entschieden. Leider aber ist er nicht entscheidend; er ist eigentlich nur dazu da, um Gelder zu bewilligen für Zwecke, die den Einzelstaaten zugute kommen. Er kann reden, was er will, durch⸗ setzen kann er nur etwas, wenn der Bundesrat zustimmt. Trotz des Reichstagsbeschlusses wird in Preußen ruhig und munter weiter ent⸗ eignet, als ob der Beschluß des Reichstags Luft wäre: gerade in diesem Augenblick werden da die Enteignungsarbeiten durchgeführt. Der Kompetenz des Reichstags unterliegen alle die Dinge, die in einem Bundesstaate geschehen und für die Allgemeinheit schädlich sind. Wenn der Bundesrat in der Polenfrage den Wünschen des Reichstages nicht entgegenkommt, so liegt es daran, weil unsere ganze Ostmarkenpolitik unter dem Einflusse des Hakatismus steht, dieser iftpflanze, die uns wie ein Vampir aussaugt.
Abg. Mumm (wirtsch. Vgg.): Geradeso, wie man Arbeiter⸗ ausschüsse in den staatlichen Betrieben zugelassen hat, muß man auch dieses Recht den Beamten gewähren. Es ist mit Sicherheit anzu⸗ nehmen, daß durch diese Ausschüsse die Disziplin nicht leidet. Ein weiterer Antrag will auch die Marine mit einbeziehen. Wir halten diesen aber für überflüssig, da wir solche Einsetzung überall da ver⸗ langen, wo sie notwendig ist. Der sozialdemokratische Antrag zur Ein führung der Verhältniswahl müßte genauer begründet werden, wenn man ihn ernst nehmen soll. Der Reichskanzler ist mit Recht den Be⸗ strebungen der Sozialdemokratie so energisch entgegengetreten, die gegen all das ankämpft, was im Volke an Vaterlandsliebe vorhanden ist.
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück:
Meine Herren! Der Herr Abg. Liesching hat sich in einer längeren Auslassung zu der Resolution Ablaß und Genossen geäußert, in welcher unter Nr. 1 verlangt wird, daß ein Gesetz vorgelegt werden soll, in welchem das Disziplinarverfahren mit ausreichenden Garantien für die Beamten versehen, insbesondere das Wiederaufnahmeverfahren geregelt wird. Meine Herren, es handelt sich bei dem Reichsbeamten⸗ gesetz um ein modernes Gesetz, welches nach meiner Ansicht sowohl in bezug auf die Ausgestaltung des Verfahrens, als in bezug auf den Instanzenzug allen Anforderungen genügt, die im Interesse der Beamten zu stellen sind. Allerdings ist in dem geltenden Recht nicht eine Bestimmung enthalten über die Wiederaufnahme des Verfahrens, und es ist richtig, daß der Herr Reichskanzler durch mich, ich glaube, vor zwei Jahren, die Vorlage eines Gesetzentwurfs hat versprechen lassen, in welchem diese Materie alsbald geregelt werden sollte. Ich bin unmittelbar, nachdem ich dieses Versprechen gegeben habe, an die Ausarbeitung dieses Gesetzentwurfs gegangen; die Lösung der Aufgabe hat sich aber doch als schwieriger herausgestellt, als wir damals angenommen haben, nicht weil von irgendeiner Stelle dem Wunsche nach der Möglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens grundsätzlich Widerstand entgegen⸗ gesetzt wird, sondern mit Rücksicht darauf, daß außerordentliche juristische Schwierigkeiten in der Materie liegen. Ich habe bestimmt gehofft, Ihnen in dieser Tagung den Gesetzentwurf vorlegen zu können; ob ich das noch werde fertig bekommen, ist mir heute zweifel⸗ haft; ich nehme aber an, daß der Gesetzentwurf in der allernächsten Zeit dem Bundesrat zugehen wird und daß er im nächsten Winter Gegenstand Ihrer Beratungen sein kann.
Ein Vertagungsantrag der Sozialdemokraten wird um 6 Uhr 5 Minuten gegen die Stimmen der Antragsteller ab⸗ gelehnt. -
öAbg. Hüttm ann (Soz.) wendet sich unter großer Unruhe des Hauses gegen die Ausführungen des Reichskanzlers. Ueber dessen Politik, namentlich dessen Teuerungspolitik sei das Volk sehr geteilter Meinung. Das Vereins⸗ und Versammlungsrecht werde nicht einheit⸗ lich durchgeführt und von den untergeordneten Organen falsch aus⸗ gelegt. Ausnahmegesetze gegen die Arbeiter seien gar nicht notig, denn die bestehenden Strafgesetze seien gegen die Berg⸗ arbeiter des Rahrkohlenreviers mit unerhörter Schärfe angewendet worden. über die ungerechte Wahlkreiseinteilung hätten sich die Arbeiter zu beklagen. Die Zahl der sozialdemokratischen Vertreter stehe in keinem Verhältnis zu dem enormen Zuwachs der Wähler. 5 Millionen deutscher Wähler seien nach dem heutigen Majoritäts⸗ prinzip im Reichstage überhaupt nicht vertreten. Seine Partei schlage deshalb das Proporttonalwahlrecht vor. Daß die Kon⸗ servativen dagegen seien, erkläre sich daraus, daß sie eine Ver⸗ minderung des agrarischen Einflusses auf die Reichsgesetzgebung be⸗ fürchten. Für die Behauptung, daß die Sozialdemoktaten religions⸗ feindlich seien, habe der Kanzler auch nicht den mindesten Beweis vorgebracht. Traurig genug, daß er auf die Justizverwaltung ein⸗ zuwirken suche. Seine Partei respektiere den Glauben des einzelnen, nach wie vor sei für sie Religion Pripatsache. In bezug auf die Schenkung des Gutes Cadinen habe der Kanzler durch den Hinweis auf den Vertrag die von dem Abg. Gradnauer behauptete Schenkung nicht widerlegt. Der Fall Sohst habe in der Oeffentlichkeit beängstigendes Auffehen erregt, der Kanzler habe sich die Sache sehr leicht gemacht. Für diejenigen, die auf dem Boden des Monarchismus stehen, sei dies ein sehr unglücklicher Fall. Nicht zum ersten Male sei der Kaiser falsch informiert worden; er erinnere nur an die Kompott⸗ schüssel. Fleisch sei heute auf dem Tisch der Arbeiter eine Delikatesse geworden. Hunderttausende von Arbeiterfamilien haben in der ganzen Woche kein Fleisch. Daß der Fall Sohst heute den Herren sehr unangenehm ist, glaube ich wohl; aber wie ist es möglich gewesen, daß ein solcher Fall überhaupt vorkommen konnte? Darübor ist jede Aufklärung ausgeblieben. Am 10. März hat der Kaiser gegen die finsteren Mächte des Unglaubens und der Vaterlandslosi⸗keit Stellung ge⸗ nommen; aber erst nach zehn Tagen wurde der Wortlaut ver⸗ öffentlicht; irgend etwas war dabei also doch nicht in Ordnung. Die jüngste Nachwahl in Greiz hat zu einer falschen Auslegung des Wahlgesetzes geführt; man hat die Wählerliste nicht neu auf⸗ gestellt, weil die Wahl noch vor Ablauf eines Jahres nach den allgemeinen Neuwahlen stattfand. Da durfte diese Wählerliste aber auch nicht dadurch geändert werden, daß man di
inzwischen in einen anderen Ort des Wahlkreises ver⸗ zogenen Wähler strich; das ist aber hier geschehen. Der Reichs⸗ kanzler hat auch jetzt wieder so getan, als ob sich di
deutsche Wirtschaftspolitik glänzend bewährt hätte. Für die Züchtung und Bevorzugung der Millionäre ist gewiß alles mögliche geschehen, die Wirtschaftspolitik hat das Uebergewicht des Groß⸗
kapitals noch verstärkt. Und das soll eine „bewährte“ Wirtschafts⸗
politik sein! Die deutsche Arbeiterschaft zählt in den 24 Jahren von
1886 bis 1909 auf dem Schlachtfelde der Industrie 9 Millionen Ver⸗
wundete, darunter 2 Millionen Schwerverletzte; und diese erschreckenden
Zahlen gehen nicht zuruͤck, die Massenkatastrophen nehmen vielmehr zu, ohne daß darüber die Oeffentlichkeit sich noch besonders n Die Arbeiterschaft bildet mit den Männern der Wissenschaft die
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rundlage des Staates und seines hlstandes; wie kann man da