1913 / 92 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 18 Apr 1913 18:00:01 GMT) scan diff

aber wirklich eine Beeinflussung zu, dann darf man doch nicht alle Stimmen abziehen, denn viele hätten den betreffenden Kandidaten sicher auch ohnedies gewählt. Der Reichstag hat früher in dieser Frage eine andere Haltung eingenommen. Als es sich um die Wahl des Abg. Blumenthal in Straßburg⸗Land handelte, war auch der Abg. V7. dieser Meinung. Daß eine Beeinflussung der Wahl nicht eabsichtigt war, geht doch daraus hervor, daß im Salzwedeler Kreis⸗ blatt derselbe Aufruf stand, ohne daß der Amtscharakter beigefügt war. Entgegentreten müssen wir auch der Ansicht der Kommission, daß dieser vor der Hauptwahl erlassene Wahlaufruf auch auf die Stichwahl Einfluß ausgeübt hat. Ich stelle deshalb den Antrag, die Angelegenheit in die Kommission zurückzuverweisen. Wenn Sie diesem Antrage entsprechen, dann handeln Sie nach den Begriffen von und Billigkeit, die in unserer ländlichen Bevölkerung errschen.

Abg. Stupp (Zentr.): Der größte Teil meiner politischen Freunde steht auf einem anderen Standpunkte als der Vorredner in der Bewertung der Namensunterschrift unter Zufügung des Amts⸗ charakters. Das Vorrecht des Amtscharakters darf der Beamte nicht in den Dienst irgendeiner Partei stellen. Wir haben es hier also mit einem Verstoß eines Beamten zu tun. Ob es sich hier um einen Wahlaufruf handelt oder nicht, ist gleichgültig. Die persönlichen Kücksichten treten bei solchen Veröffentlichungen in den Vordergrund. Es kommt auch nicht darauf an, wie die Unterschrift mit dem Amtstitel zustande gekommen ist, sondern um den objektiven atbestand. Zum mindesten hätten die Amtsvorsteher, wenn hne ihr Verschulden ihr Name mit dem Amtscharakter in die Zeitungen gekommen ist, eine, Berichtigung veranlassen müssen. Es frogt sich nun, ob dieser Aufruf von Einfluß ge⸗ wesen ist. Man würde den Einfluß unterschätzen, den auf dem Lande der Amtstitel hat, wenn man diese Frage verneinen wollte. Die Amtsvorsteher haben Leumundsatteste auszustellen, in Militär⸗ angelegenheiten mitzusprechen usw. Ich kann mir also sehr wohl denken, daß manche sich sagen, mit dem Amtsvorsteher will ich es nicht verderben und stimme für seinen Kandidaten. Wie viele Stimmen sind nun zu kassieren, nur ein Prozentsatz? Ich glaube, das ist nicht möglich. Es bleibt lediglich die Kassierung sämtlicher Stimmen in den vier Bezirken übrig. Das Haus müßte allerdings auf die Mitgliedschaft eines hoch angesehenen Mannes verzichten, aber wir können hier nicht im vorliegenden Falle von dem bisherigen Ver⸗ fahren abgehen und müssen die Wahl für ungültig erklären. Abg. Dr. von Veit (dkons.): Die Forderung, daß die Amts⸗ vorsteher eine Berichtigung eintreten lassen, geht doch zu weit.

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von Recht

Sie waren dazu auch gar nicht in der Lage. Der Antrag von Veit wird gegen die Rechte und etwa abgelehnt, die Wahl für ungültig

die Hälfte des Zentrums erklärt.

Das Haus setzt darauf die zweite Beratung des Reichs⸗ haushalts mit dem Spezialetat der Verwaltu ng des Reichsheeres fort. Die Beratung beginnt mit den fortdauernden Ausgaben, und zwar zunächst für das Kriegs⸗ ministerium, Gehalt des Kriegsministers 50 000 MC.

Referent über die der Budgetkommission überwiesenen Teile dieses Etats ist der Abg. Gans Edler Herr zu Putlitz.

Zu diesem Titel beantragt die Budgetkommission die An⸗ nahme folgender Resolution:

den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstag eine Statistik

über die Beförderung der Einjährig⸗Freiwilligen zu Reserve⸗ ffizieren für sämtliche Kontingente und bezüglich sämtlicher Kon⸗ essionen jährlich mitzuteilen.

Ferner beantragt die Kommission, zur Lösung der Duellfrage eine besondere Kommission nnschen und ihr die in der Budgetkommission zu dieser Frage gestellten An⸗ träge als Material zu überweisen.

Von dem Abg. Mumm (wirtsch. Vgg.) u. Gen. wird eine Resolution beantragt:

den Reichskanzler zu ersuchen,

a. in einem Nachtragsetat die Mittel für eine Freifahrt Soldaten in ihre Heimat und zurück anzu⸗ ordern,

b. darauf hinzuwirken, daß Pakete der Angehörigen an Soldaten bis zu 3 kg ohne Post⸗ und Bestellgeld befördert werden.

Abg. Schöpflin (Soz.): Durch die Militärvorlage werden die Ausgaben für Militärzwecke ungeheuer gesteigert. Man hätte nun erwarten sollen, daß die Militärverwaltung zeitgemäßen Reformen geneigt ist; wir hören aber von ihr nur schöne Worte, sehen aber keine Taten. Die Duellfrage ist ein trefflicher Beleg. Ich will dar⸗ über nicht sprechen, weil eine Kommission mit der strafrechtlichen Re⸗ gelung niedergesetzt ist. Eine andere Frage, die seit Jahrzehnten hier eine Rolle spielt, ist die Frage der jüdischen Reserveoffiziere. Wir haben ja kein Interesse, daß die Mitglieder der jüdischen Bour⸗ geoisie auf ihre Visitenkarten drucken lassen können: Leutnant der Re⸗ serve. Worauf es uns nur ankommt, ist, daß das Reserveoffizierkorps sich über Recht und Verfassung hinwegsetzt. Für die Bekleidung öffentlicher Aemter soll nach Verfassung und Gesetz der Unterschied des zeligiösen Bekenntnisses keine Rolle spielen. In Norddeutschland werden aber jüdische Freiwillige, gleichgültig, vb sie befähigt sind oder nicht, nicht zu Offizieren gewählt, auch wenn sie ihre Befähigung nach⸗ gewiesen haben. Der Kriegsminister hat nichts dagegen, daß jüdische Einjährige gewählt werden, aber tatsächlich werden Juden nicht ge⸗ wählt. Heach spricht von dem militärischen Aussehen. Auch mancher Reservpeoffizier sieht nicht gerade besonders militärisch aus. Die Ju⸗

den müssen doch als Gemeine dienen, dafür genügt also ihr militärisches Aussehen, nur für den Ofizier soll es nicht genügen. Seit 1888 ist kein Jude mehr zum befördert worden. Sollte sich seit⸗ dem kein Jude gefunden haben, der nicht das militärische Aussehen hat und sich nicht mündlich und schriftlich ausdrücken kann? Es wird ja aber auch der Sohn eines Handwerkermeisters, der vielleicht zu Hause noch mit dem Schurzfell herumläuft, nicht zum Reserveoffizier ewählt, weil das nicht standesgemäß ist. Die Bestimmungen der Verfassung werden hier also systematisch übertreten; kein Jude, kein Dissident wird Reserveoffizier. Dieses Korps will sich eben nur aus einer ganz bestimmten sozialen Schicht ergänzen. Bei einem Chemnitzer Regiment sind sämtliche Lehrer durchgefallen, angeblich, weil sie in der 8 vaterländischen Geschichte nicht genügend bewandert waren; in Wirk⸗ lichkeit aber, weil die Volksschullehrer den sächsischen Kultusminister Beck so ärgern, daß sie der Nagel zu seinem Sarge sind, so hat der Oberleutnant Beck in diesem Regiment, der Sohn des Kultus⸗ ministers, selbst gesagt. Ist ein derart aufgezogenes Reserveoffizier⸗ korps den Anforderungen gewachsen, die an dieses gestellt werden? Wenn der oberste Kriegsherr, der Kriegsminister und die ganze Mi⸗ litärverwaltung prinzipiell der Meinung sind, da die Juden Re⸗ serveoffiziere werden können, warum ist dann der Widerstand des Re⸗ 11““ unbesiegbar? Als in der Kommission vorgeschlagen wurde, es sollten doch ein paar jüdische Söhne, deren Eltern Lust hätten, sie Offiziere werden zu lassen, in das Lichterfelder Kadetten⸗ korps eingestellt werden, erklärte der Kriegsminister: Nein, das geht nicht, das Kadettenkorps ist eine christliche Erziehungsanstalt. Seit Jahren mehren sich die Klagen über den bedenklichen Mangel an Sanitätsoffizieren in der Armee. 586 oder 25 % fehlen. Dieser Mangel an Militärärzten soll auch darauf zurückzuführen sein, daß die Frontoffiziere sie nicht als gleichberechtigt ansehen und gesell⸗ chaftlich zurücksetzen. Fehlt es an Militärärzten, dann dürfen doch solche Rücksichten nicht maßgebend sein. Der Fall des Obersten Henigst kann hier nicht übergangen werden. Der Oberst war über inen pfälzischen Redakteur erbost; er traf ihn eines schönen Tages nd gab ihm nach kurzem Wortwechsel eine Ohrfeige. Der Redak⸗ eur verklagte den Oberst, und es erfolgte eine Geldstrafe von 50 ℳ. ne solche Bestrafung für eine solche schwere öffentliche tätliche Beleidigung ist geradezu ein Anreiz für solche Taten. Der Redakteur hat die Ohrfeige eingesteckt; es kann aber auch einmal anders kom⸗

men. Kurze Zeit nach dem Vorfall bekam der schlagfertige Oberst eine Brigahe. Wenn solche Fälle sich wiederholen, werden wir sie hier vor die Oeffentlichkeit bringen, auch trotz des bayerischen Reser⸗ vatrechtes. Das Verhalten der Bezirksoffiziere und Bezirkskomman⸗ deure bei den Kontrollversammlungen bildet einen immer stärker her⸗ vortretenden Mißstand. Immer häufiger nehmen sich die Herren her⸗ aus, die Mannschaften in gröblichster Weise zu beschimpfen und anderer⸗ seits die Versammlungen zur Agitation zu benutzen. Gegen Ueber⸗ griffe will der Kriegsminister nach seiner Erklärung in der Kommission einschreiten; wir halten aber für nötig, auch hier die Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Ein krasses Beispiel dafür hat ein Zentrumsorgan, die „Fuldaer Zeitung“, gebracht. Es geht doch nicht an, bei Kontroll⸗ versammlungen gegen das internationale Lumpengesindel zu sprechen und zum Eintritt in die Kriegervereine aufzufordern. Eine derartige Beschimpfung der stärksten Partei im Reiche ist unerhört. Das ist aber nicht nur roh, sondern auch ein Zeichen außerordentlicher Feig⸗ heit. Die Kriegervereine sollen unpolitisch sein, aber sie sind Or⸗ gane der konservativen Partei. Ein Kriegerverein in Dessau nahm es sich heraus, dem Rechtsanwalt Cohn zu verbieten, in . p⸗ Sozial⸗ demokraten zu verteidigen. Cohn blieb aber standhafk und trat aus. An anderer Stelle verweigerte man einem verstorbenen Kameraden die 8 Ehre, weil er Mitglied einer freien Gewerkschaft war. Man solle den Kriegervereinen entweder jede politische Agitation verbieten, oder sie wie politische Vereine behandeln. Ebenso bedenklich ist die Haltung der Militärverwaltung in der Frage des Boykotts von Gast⸗ wirtschaften. Sie hat nur für die Kriegstüchtigkeit des Heeres zu sorgen, darf sich aber in politische Verhältnisse nicht einmischen. Dazu kommt, daß sie ja gerade den Mittelstand dadurch schädigt, dem man erst jetzt wieder so große Lasten aufbürdet. Man sollte dem sächsischen Beispiel folgen, wo der Boykott nur für den Tag gilt, an dem in dem betreffenden Lokal sozialdemokratische Versammlungen stattfinden. In Ulm hat man dem Theater die Militärkapelle für die Aufführung der Fledermaus verweigert, die der dortige Bildungsausschuß für die min⸗ derbemittelte Bevölkerung veranstalten wollte. Als 1““ wurde angeführt, das Militär könne doch nicht Leuten seine Musik zur Verfügung stellen, die den Militäretat ablehnen. Wir haben dem Reichstage in dieser Frage eine Resolution vorgelegt. Dem preu⸗ ßischen Kriegsminister sollte möglich sein, was dem sächsischen Kriegs⸗ minister möglich war. Was die Streiks anbetrifft, so 5 te die Mi⸗

litärverwaltung von wirtschaftlichen Kämpfen die Hände fort lassen

und den streikenden Arbeitern nicht in den Arm fallen. Der Kriegs⸗

minister hat in der Kommission eine zufriedenstellende Erklärung in

einem Falle gegeben. Ueber Militärmi handlungen in einem Train⸗

bataillon bin ich im vorigen Jahre falsch informiert worden; ich stelle

das hier gern fest. Wir verlangen, daß gegen Soldatenmißhandlungen

mit der größten Strenge vorgegangen wird. Wir haben im vorigen

Jahre nur einzelne Fälle vorgebracht. Es sind aber seitdem sehr schwere

Fälle vorgekommen. (Der Redner führt eine Reihe solcher Mißhand⸗

lungen an, so den Fall, wo ein Soldat von einem Unteroffizier gezwun⸗ gen wurde, Schmutzwasser zu trinken, und der Unteroffizier nur zu

2 Monaten Gefängnis verurteilt worden ist, ferner den Fall, wo ein

Mann gezwungen wurde, den Inhalt des Spucknapfes der Mann⸗

schaftsstube auszutrinken.) Nicht nur Unteroffiziere, auch Offiziere

haben sich Soldatenschindereien und die gröbsten Beschimpfungen gegen

ihre Untergebenen zuschulden kommen laffen, auch gegen Reservisten,

verheiratete Männer. Ein Offizier sagte, wenn ich könnte, ich schlüge

euch, daß euch die rote Suppe aus dem Munde käme. Der sozial⸗ demokratische Redakteur, der dieses Vorkommnis mitteilte, wurde an⸗ geklagt, aber freigesprochen, weil er die Wahrheit geschrieben hatte. In einem Braunschweiger Regiment wurde ein Soldat so geschunden, daß er sich das Leben nahm. Für solche Schindereien ist der Kom⸗ pagniechef verantwortlich, er kann sie verhindern; ein Mitglied dieses Hauses hat durch sein Beispiel gezeigt, daß es auch ohne Schindereien geht. Auch der Regimentskommandeur hat das in der Hand, er braucht nur die Offiziere entsprechend anzuweisen. Bei den Gardes du Corps, einem besonders vornehmen Regiment, sind bei der fünften Eskadron die schwersten Mißhandlungen vorgekommen; aus der Ver⸗ handlung ergab sich, daß die Betroffénen sich nicht beschwert hatten, weil es ihnen nach ihrer Meinung dann noch schlimmer ergangen wäre. Der Verhandlungsführer fragte sie, ob sie denn nicht das Ehrlose eines solchen Standpunktes empfänden; ich wiederhole die Frage und stelle sie an die ganze Armeeverwaltung. Eine Ungeheuerlichkeit ist es, wenn sich in der Kaserne selbst ältere Mannschaften finden, die die jüngeren Kameraden mißhandeln, und leider scheint das gar nicht selten zu sein. Offiziere, denen Mißhandlung oder Duldung von Miß⸗ handlung nachgewiesen ist, sollten ohne Pension entlassen werden, man muß ihnen den bunten Rock ausziehen, sonst wird es nicht besser. Nie⸗ mand wird froher sein, als wir, wenn wir endlich auf diese Klagen und Anklagen verzichten können. Mit diesen Anklagen gegen die Sol⸗ datenschindereien beabsichtigen wir nicht, die Armee vor dem Auslande herabzusetzen, sondern wir wollen damit dem Vaterlande dienen. Wir hoffen, daß auch der Kriegsminister unserem Verlangen zugänglich sein wird.

Abg. Dr. Ablaß (fortschr. Volksp.) Gelegenheit wahrnehmen, über solche brutalen unseren Abscheu mit aller Deutlichkeit auszusprechen. Auf die letzten Militärdebatten muß ich zurückkommen, weil in der Presse gegen die Ausführungen des Abg. Dr. Müller⸗Meiningen eine ganz ungerecht⸗ fertigte und unwahrhaftige Polemik entstanden ist. Nichts hat ihm ferner gelegen, als eine Beleidigung gegen das deutsche Unteroffizier⸗ korps auszusprechen; aber es darf tatsächlich kein Jahr vorübergehen, in dem nicht die Soldatenmißhandlungen hier zur Sprache gebracht werden, solange sie nicht aufgehört haben. Eine amtliche Statistik über die Mißhandlungsfälle und Soldatenschindereien würde sehr lehrreich sein. Die Kommission hat in breiter Ausführlichkeit den Fall des Amtsrichters Knittel aus Rybnik behandelt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Knittel hat als Reserveoffizier gegen zwei Offiziere behauptet, daß sie wiederholt die Unwahrheit gesagt hätten. Der ganze Fall ist dadurch ein „Fall“ geworden, weil er bei der Landtagswahl für Wahlmannskandidaten stimmte, die den Polen oder dem Zentrum angehörten; das sollte sich nicht mit den Pflichten eines preußischen Offiziers vertragen, auch hätte er sich nicht in den Vorstand eines Vereins aufnehmen lassen dürfen, in dem auch ein Pole saß. Daß die Militärverwaltung und ein Bezirkskommandeur der⸗ artige Befugnisse in Anspruch genommen haben, ist geradezu uner⸗ hört. Welche wunderbaren allgemeinen Rechtsgrundsätze hat da die Militärverwaltung entwickelt! Das Ganze stellt sich als ein uner⸗ hörter Eingriff der militärischen Instanzen in das bürgerliche Leben dar. Man versetzte den Herrn von der Reserve in die Landwehr, hielt

Auch wir werden jede Mißhandlungen

antragen. Der Korpskommandeur von der Groeben hat es aufs schärfste gemißbilligt, daß der Bezirkskommandeur dem Leutnant Knittel die Gründe für die Versetzung mitzuteilen unvorsichtig genug war; es hätte ihm einfach gesagt werden müssen, die Versetzung sei im dienstlichen Interesse erfolgt. Da hören wir's, wie's gemacht wird; er hat nichts verbrochen, wir haben kein Recht, gegen ihn einzu⸗ schreiten, aber man soll ihm das nicht sagen, sondern ihn maßregeln und nur „im dienstlichen Interesse“; man soll ihm nicht sagen, weshalb 8 1 8 36 N*o . * ; 8 PosorHo 312 5.

es geschehen ist. Das ist die Rechtlosigkeit des Reserveoffiziers; der wird auf solche Weise zu einem Bürger zweiter Ordnung degradiert, und das ist es, wogegen wir uns auflehnen. Wie weit wird denn die „passive“ Förderung der Sozialdemokratie durch einen Offizier ge⸗ duldet? s ist bei der letzten Wahl vorgekommen, daß seitens der konservativen Parteileitung eines Wahlkreises bei einer Stichwahl zwischen einem Fortschrittler und einem Sozialdemokraten der Rat gegeben wurde, keinesfalls den Fortschrittsmann zu wählen. Darauf sind eine Anzahl Offiziere zu Hause geblieben; darin liegt doch eine passive Förderung der Sozialdemokratie! Wie stellt sich der Kriegs⸗ minister dazu? Ich freue mich, daß er schweigt. Der Bezirksoffizier muß sich doch immer bewußt sein, daß der Schwerpunkt seiner Tätig⸗ keit in dem Verkehr mit den bürgerlichen Kreisen liegt. Einige sehr böse Streiflichter werden aber durch gewisse Vorkommnisse auf dieses Verhältnis geworfen. Bei Kontrollversammlungen sind, wie gericht⸗

der Boykott wirklich so verwerflich

ihn aber nicht für berechtigt, ein Verfahren gegen sich selbst zu be⸗

hier von der Tribüne zu wiederholen. Der Offizier muß doch wissen, daß er sich eines durch und durch anständigen Tones zu befleißigen hat; es ist auch nicht richtig, daß bei Kontrollversammlungen die Mann⸗ schaften den ganzen Tag den Militärgesetzen unterstellt werden; es wird auch bei diesen Gelegenheiten viel zu stark und schwer bestraft, man sollte mehr Geldstrafen auferlegen, aber nicht gleich einen Familienvater abführen lassen und auf 3 Tage ins Loch stecken. Wenn ist, bitte ich die Sozialdemokraten, auch ihrerseits dem bösen Beispiele der Militärverwaltung nicht zu folgen, sondern auch auf das unlautere Mittel des Boykotts zu ver⸗ zichten. In der Kommission haben wir gefordert, daß die Fürsten und

die Kosten 5. ihre Adjutanten selbst bezahlen. Wenn man an die Opferwilligkeit des Volkes im Anschluß an 1813 appelliert, sollen doch die Führenden und Mächtigen nicht zurückstehen, sondern auch an dieser Stelle des Etats ein Scherflein beitragen. Ueber die Militär⸗ wißhandlungen erfährt man deshalb so wenig, weil fast immer die Oeffentlichkeit ausgeschlossen wird. Die Furcht vor der Oeffentlich⸗ keit ist unbegründet, ein Urteil gegen Soldatenschinder wird nicht auf⸗ reizend sein. Ueber die Frage der jüdischen Einjährigfreiwilligen hat sich der Kriegsminister mit dankenswerter Offenheit ausgesprochen. Er hat von antisemitischen Tendenzen gesprochen. Daß der Jude keine militärischen Fähigkeiten hat, behauptet niemand. Bei der Einbringung der Militärvorlage wurde gesagt, wir können auch nicht auf einen Mann verzichten. Wenn man aber in dieser Weise die jüdischen Einjährigen nicht in das Offizierkorps einläßt, wenn sie sich nicht vorher taufen lassen, so ist das mit allgemeiner Gleichheit nicht vereinbar. Wir wünschen, daß Statistik dargetan wird, in welchem Grade die Juden von der eförderung ausgeschlossen werden. Die Bestimmungen über die Verstümmelungszulage sind viel zu spezialisiert; man sollte hier mehr entgegenkommen und aus Billigkeitsgründen heraus Verstümmelungszulagen gewähren. Ich wünsche, daß wir vor allem darauf hinarbeiten sollen, daß das Heer in der Tat ein Volksheer werde. Dann müssen wir dafür sorgen, daß das gleiche Recht für alle zum Durchbruch kommt.

Preußischer Kriegsminister, General der von Heeringen:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat mich an der Hand des Falls Knittel gefragt, wie ich mich zu der politischen Betäti⸗ gung der Offiziere des Beurlaubtenstandes stelle. Ich darf da auf eine Aeußerung Bezug nehmen, die mein Amtsvorgänger hier im Reichstage im Jahre 1909 gemacht hat. Sie lautet wörtlich:

Nichts ist mir unangenehmer als die Verfolgung eines dem Heere als Landwehr⸗ oder Reserveoffizier angehörigen Mannes wegen politischer Betätigung. Der Reserveoffizier, der Landwehr⸗ offizier hat das aktive und passive Wahlrecht. Er kann es nicht anders ausüben, als wenn er sich tatsächlich politisch be⸗ tätigt. Er muß also Freiheit im politischen Handeln haben, und ich weise jegliche Verfolgung eines solchen Offiziers für politische Tätigkeit innerhalb der staatserhaltenden Parteien weit von mir. Ich hoffe, daß eine solche Verfolgung nicht vorkommt und nicht vor⸗ kommen wird. Ich hoffe aber auch, daß jeder dieser Reserve⸗ und Landwehroffiziere immer daran denkt, daß er in diesem Verhältnis tatsächlich auch Pflichten habe. Aber eine Grenze gibt es, meine Herren, und das ist die Sozialdemokratie. (Lachen bei den Sozial⸗ demokraten.) Meine Herren, eine Betätigung zugunsten der Sozial⸗ demokratie durch einen Offizier, sei es der Linie, der Reserve oder der Landwehr, kann und darf nicht stattfinden. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, das ist die Grundlage, auf der auch ich heute noch stehe, und auf der, glaube ich, jeder deutsche Kriegsminister stehen

Infanterie

bleiben muß. Denn eine Armee, die auf einer nationalen Grundlage

steht, kann keine Führer dulden, die sich antinational betätigen. (Ohol links.) Ich weise das von der Hand. Auf dieser Grundlage werden wir stehen bleiben. Die Festigkeit der Armee würde sonst in bedenklicher Weise leiden. (Bravo! rechts. Zuruf links: Und die passive!) Die passive kommt überhaupt nicht in Betracht. Gesinnungs⸗ schnüffelei treiben wir nicht. Wie die betreffenden Herren denken, kann ich nicht wissen, es ist auch nur die Betätigung einer anti⸗ nationalen Gesinnung dasjenige, was getroffen werden muß.

Ueber den Fall Knittel kann ich mich überhaupt kaum aus⸗ lassen. Der Herr Vorredner hat bereits gesagt, es liegt noch kein rechtskräftiges Urteil vor, die Sache ist noch in der Schwebe. Ich bin also gar nicht in der Lage, in irgend einer Weise mich elngehend mit der Sache zu beschäftigen. Ich glaube, nur zu zwei Punkten Stellung nehmen zu können. Die Ueberführung eines Reserveoffiziers zur Landwehr darf niemals als Strafe und als Maßregel statt⸗ finden und auch niemals unter dem Gesichtspunkte, als ob hier eine politische Betätigung des betreffenden Herrn daran schuld wäre; denn der Landwehroffizier steht ganz genau auf der gleichen Grundlage wie der Reserveoffizier, sie werden also von ganz gleichen Gesichtspunkten zu beurteilen sein. Wenn in dem vorliegenden Fall die Ueberführung veranlaßt worden ist, so hat die betreffende Stelle anscheinend nur die Be⸗ fürchtung gehabt und das hat ja der Herr Vorredner aus der Entscheidung der Division auch vorgelesen —, daß durch die engeren Beziehungen, die ein Reserveoffizier durch die langwöchentlichen Uebungen zu dem aktiven Offizierkorps hat, doch unter Umständen Reibungen mit Mitgliedern des aktiven Offizierkorps hätten stattfinden können. Dadurch würde aber, was wir gerade vermeiden wollen, die Politik in die Armee getragen; deshalb halte man einen Offizier, der zu derartigen Befürchtung Veranlassung geben könnte, besser von zu naher Berührung mit dem aktiven Offizierkorps fern. Ich glaube, daß die ganze Sache, soweit ich Einblick habe durch das flüchtige Durchlesen des Urteils, welches gestern abend ein Herr Abgeordneter mir freundlicher Weise zur Verfügung gestellt hat, vermeldbar war. Nachdem die Anschuldigungen des Amtsrichters Knittel in der Oeffent⸗ lichkeit einen solchen Umfang annahmen, daß sie zur Kenntnis des Bezirkskommandeurs kamen, hätte ich als Bezirkskommandeur ich kann nur persönlich jetzt urteilen, da ich den Fall, [wie gesagt, noch nicht genau kenne mir den Herrn kommen lassen, den ganzen Fall mit ihm durchgesprochen und ihn gefragt: Das und das ist hier be⸗ hauptet worden, wie stellen Sie sich zu der Sache? Denn es ist das auch wieder ein persönlicher Gesichtspunkt der Vorgesetzte ist nicht nur dazu da, die Untergebenen zu strafen oder gegen sie vor⸗ zugehen, sondern vor allen Dingen ist der Vorgesetzte auch dazu da, der Schutz seiner Untergebenen zu sein, und im vorliegenden Falle hätte der Bezirkskommandeur den Schutz gegen derartige Anschuldi⸗ gungen des Amtsrichters Knittel bilden können.

Der Herr Vorredner ist dann auf die Resolution eingegangen wegen der Adjutanten der deutschen Fürsten und Prinzen. Ich weiß ja nicht, wie die verbündeten Regierungen zu dieser Reso⸗ lution sich stellen werden. Von meinem Standpunkt aus kann ich das Ansinnen eigentlich nur als unbillig ansehen. (Widerspruch links.) Die deutschen Fürsten haben auf eine große Zahl von Militärhoheits⸗

liche Urteile bestätigen, gegen Lehrer Schimpfworte so niedriger Art

aus dem Munde von Offizieren gefallen, daß es mir widersteht, sie

rechten verzichtet. Sie haben den Befehl und die Verwaltung ihrer

Kontingente abgegeben an Preußen, darunter diese Adjutanten, übrig behalten. und nun von ihnen zu verlangen solution —, auch noch auf diese Sache zu verzichten oder sie einzu⸗

schränken, scheint mir, wie gesagt, nicht billig. (Zuruf links: Opfer⸗ ahr!) Es ist behauptet

nur aus ganz bestimmten sozialen

Beziehung ist das allerdings ganz sagen, daß die soziale Stellung

aaektiven, sei es des Beurlaubtenstandes, dem Ansehen des Offizier⸗ 8 korps entsprechend sein muß.

eharren.

Meine Herren, es ist das kein Kastenvorurteil derartiges, sondern ein rein sachliches Moment. kannschaften sein will, und wer im Mobilmachungsfalle, wie die Offizlere der Reserve und der Landwehr, plötzlich vor die Front ge⸗ stellt wird und seine Leute führen soll, der kann vorher nicht in einer ganz untergeordneten Stellung befunden haben. (Große Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Das ist, ich wiederhole es, keine Unterschätzung, sondern einfach eine sachliche Naturnot⸗

wendigkeit.

Im übrigen aber setzt sich unser aktives Offizierkorps tatsächlich aus fast allen Schichten einige Zahlen darüb Im Jahre 1913 waren ersatzes Söhne von aktiven oder inaktiven Offizieren, von Sanitäts⸗ offizieren, höheren Beamten, Geistlichen, 9,7 % Söhne von Gutsbesitzern, von Kaufleuten oder die Väter sonstige Privatstellungen. eigentlich

zugeben müssen.

15,2 % alternbeamten

Offizierersatz

Daraus geht hervor, Gesinnung haben können. (Bravo! rechts.)

Ueber die Aeußerungen des Generals der Infanterie von Prittw itz, die bei einem Kriegerverein gefallen sein sollen, weiß ich nicht Bescheid; ich habe es nur gelesen. Aber ich glaube, daß, werden, doch das Bedenkliche, das der Herr Abgeordnete in ihnen sucht, nicht darin liegt. Ein Offizier,

kastenmäßige

von Prittwitz, an

lichste Kommando gehabt Rückblick auf diese Zeit werfen. antideutschen Vorkommnisse der letzten Jahre in Lothringen auf das schmerzlichste bedauert, so ist ihm das, meine ich, nicht nur vom mili⸗ tärischen, sondern auch vom patriotischen Standpunkt aus nicht zu ver⸗ denken. (Bravol rechts.) Die Sanitätsoffiziere weisen allerdings ziemlich

Fehlstellen auf. Wir haben, b1“ und der Unterärzte, jetzt ein Manquement von

hört! links.) Aber

höhung der Zahl der Studenten der Kaiser dieses Manquement von Jahr zu Jahr zurückgehen. drang zur Sanitätsoffizierkarriere müssen ungefähr dreimal so viel Aspiranten für die Kaiser Wilhelms⸗ als wir aufnehmen können. daß die Laufbahn des Sanitätsoffiziers doch ist, wie es zuweilen hingestellt wird.

Im übrigen wird die Versorgung des deutschen Herres in ge⸗ sundheitlicher Beziehung durch fährdet. Die Zahl der Behandlungstage im ganzen geht von Jahr zu Jahr dauernd herunter; dagegen geht die durchschnittliche Zahl der Behandlungstage des einzelnen hervor, daß summa summarum die Pflege eine sehr sorgsame, der Gesundheitszustand des Heeres ein vortrefflicher ist betonen überhaupt noch notwendig ist, denn wir werden darum von vielen Seiten jenseits unserer Grenzen

Es ist durchaus nicht der Fall, daß die Sanitätsoffiziere in dem Offizierkorps irgendwie links: Na. na!) vorigen Jahre gesagt, daß mir der Generalstabsarzt der Armee, der doch wirklich die Interessen seines Sanitätsoffizierkorps wahren wird, dies ausdrücklich bestätigt hat. ganz gleichberechtigt nebenelnander. keiten in den Vordergrund geschoben. An solchen Aeußerlichkeiten ernste Männer an ihrem vortrefflichen Sanitätsoffizierskorps hat, das weiß sie, meine Herren, ganz genau, und deshalb sieht kein Offizier einen Sanitäts⸗ offizier, der ihm behilflich ist, die Mannschaften zu erzlehen und gesund zu erhalten, über die Achsel an. aus, daß unsere Sanitätsoffiziere von Jahr zu Jahr in wachsendem Maße die Hausärzte und Zurufe von den Sozlaldemokraten.)

Ueber Bezirksoffiziere ist ja in der Budgetkommission sehr lang⸗ und auch heute hier wieder gesprochen worden. die Ansicht, die der Herr Abg. Schöpflin ausgesprochen hat: die Ver⸗ urteilung der Beschimpfung und schlechten Herren auch in der Budgetkommission gesagt. Es

Akademie abweisen,

sollten

sich

Ich habe das den

tut mir aber eigentlich leid, Fälle hier vorgetragen hat, während er mir doch gesagt hat, er wollte die üt mir diese Fälle vorher mitzuteilen. (Hört! hört! rechts.) Meine Herren, geben Sie mir doch die Fälle bekannt, dann werden wie eingegriffen wird, wie Mißstände abgestellt werden. Und wenn nicht eingegriffen wird, dann ist die scharfe Kritik von durchaus am Platze, vorher aber nicht.

Ich glaube, einzelne dieser vorgekommenen Fälle sind bereits voll ganz erledigt. Die generellen Vorschriften und auf diese kann ich von der Zentralstelle aus immer nur verweisen —, die über die Abhaltung von Kontrollversammlungen bestehen, lauten:

für diesen Dienst in Betracht kommenden Offiziere sind darauf hinzuweisen, daß nach § 39,5 der Heerordnung nur dienstliche Vorschriften bei gemacht werden dürfen. sätzlich ferngehalten werden.

Güte haben, Sie sehen, Ihrer Seite

und

Sämtliche

araus geht hervor, die Kontrollversam ort vorgebracht.)

und verhältnismäßig wenig, Jetzt an sie heranzutreten das bezweckt doch die Re⸗

worden, das Offizierkorps setzte sich immer Schichten zusammen. In gewisser richtig, denn unsere Bestimmungen

des Offiziersaspiranten, sei es des Auf dieser Grundlage müssen wir auch

oder irgendetwas Wer Führer von

sich unmittelbar

des Volkes zusammen. Wenn ich Ihnen er vortragen darf, so werden Sie mir das wohl 62,5 % des Offizier⸗

Rechtsanwälten, Aerzten usw.; Gutspächtern und Gutsverwaltern; und Fabrikbesitzern; 5,2 % von Sub⸗ Unteroffizieren und bei 7,3 % bekleideten Also verteilt sich der auf alle Stände unseres Volkes. daß wir auch nach dieser Richtung hin keine

gestern oder vorgestern in der Zeitung wenn die Aeußerungen richtig aufgefaßt

der so lange Jahre, wie der General der äußersten Grenze des Reichs das verantwort⸗ hat, darf wohl bei seinem Scheiden einen Wenn er bei diesem Rückblick die

unter Anrechnung der einjährigen Aerzte 27,2 %. (Hört! durch die, auch in diesem Etat vorgesehene Er⸗ Wilhelms⸗Akademte wird Denn der An⸗ ist ein ganz erheblicher. Wir

Daraus geht hervor, nicht so wenig begehrt

diese Fehlstellen in keiner Weise ge⸗

Kranken in die Höhe. Daraus geht falls das zu

sehr beneidet.

über die Achsel angesehen würden. Das ist nicht der Fall!

(Rufe Ich habe schon im

Sanitätsofsiziere und Offiziere stehen Es werden vielfach Aeußerlich⸗

nicht stoßen. Was die Armee Es drückt sich das auch deutlich darin

der Offiziersfamilien werden. (Bravo!l rechts

Ich teile durchaus Behandlung der Leute.

daß der Herr Abgeordnete heute verschiedene

den Kontrollversammlungen bekannt Alle sonstigen Erörterungen müssen grund⸗

daß alle sogenannten politischen Reden nicht in

Die Kriegervereine unterstehen nicht dem Kriegsminister. Ich habe das wiederholt betont. Sie gehören zum Ressort des Ministers des Innern. Infolgedessen kann ich auch nicht für die Maßnahmen der einzelnen Vereine hier Rede und Antwort stehen. Aber eins möchte ich hervorheben. Die Kriegervereine werden von ihrer Zentralstelle dauernd darauf hingewiesen, daß sie keine politische Betätigung anders treiben sollen, als daß sie für Kaiser und Reich eintreten. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) 1X“ An der Spitze ihrer Satzungen steht als Aufgabe: 88 die Liebe und Treue für Kaiser und Reich, Landesfürst und Vater⸗ land bei lhren Mitgliedern zu pflegen, zu betätigen und zu stärken (Bravo! rechts) sowie die Anhänglichkeit an die Kriegs⸗ und Soldatenzeit im Sinne kameradschaftlicher Treue und nationaler Gesinnung aufrecht zu erhalten. Das ist die Grundlage, auf der die Kriegervereine stehen, eine Grund⸗ lage, die die Armee als solche nur sympathisch begrüßen kann (Bravo! rechts); und gerade weil sie diese Grundlage sympathisch be⸗ grüßt, bin ich auch derjenige, der die Beziehungen der Armee zu den Kriegervereinen fördert, nicht aus politischen Rücksichten (Lachen bei den Sozialdemokraten und links), sondern nur zur Kräftigung des Vereinswesens. Meine Herren, vom Standpunkt der Armee aus ist die Betonung der Treue zu Kaiser und Reich keine Politik. (Sehr richtig! rechts und Lachen bei den Sozialdemokraten.) Das möchte ich ganz besonders betonen; und, wie ich schon in der Budgetkommission gesagt habe, kommen wir auf diesem Wege in Gegensatz zu der Sozialdemokratie, so ist es nicht unsere Schuld. Es ist einfach nur eine Selbsterhaltungspflicht, wenn wir in dem Kampfe unsern Mann stehen. (Bravo! rechts und Zurufe links.)

Dann sind die Militärverbote gestreift worden. Meine Herren, Lokalverbote für das Militär sollen nur da eintreten, wo die Disziplin der Mannschaften gefährdet sein würde. Es wird stets vom Kriegsministerium ausdrücklich betont, daß nur dienstliche und disziplinare Interessen nach dieser Richtung entscheidend sein dürfen. Und nur dann, wenn uns nachgewiesen wird, daß solche dienstlichen oder disziplinaren Interessen gefährdet sind, wird ein derartiges Verbot erlassen. Bedauerlicherweise wird damit in das wirtschaft⸗ liche Leben eingegriffen, und ich habe auch in der Budgetkommission schon erklärt, daß das für die Armee nicht angenehm ist. Wir wollen in wirtschaftliche Kämpfe nicht eingreifen und werden es auch nicht tun. Nur unserer Pflicht müssenz wir genügen, die Disziplin unserer Truppe zu sichern.

Wie die Verhältnisse in Sachsen sich gestaltet haben, so ist es auch in Preußen eingerschtet. Auch hier ist den kommandierenden Generalen, den Gouvernements, den Ortsältesten usw. freigestellt, daß sie auch nur für Tage einen Saal verbieten dürfen. Ob das im einzelnen geschehen kann, kann ich von Berlin aus nicht beurteilen; das muß im einzelnen erwogen und entschieden werden. Wenn Be⸗ schwerden in dieser Richtung vorkommen, wird das Kriegsministerium stets bereit sein, sie zu prüfen und, wenn es notwendig ist, ein⸗ zuschreiten.

Dann hat der Herr Abgeordnete die Verwendung von Soldaten bei Streiks gestreift. Ich gebe zu, daß in neuester Zeit einige Verstöße auf diesem Gebiet vorgekommen sind; aber die Bestimmungen darüber lauten ganz klar und einfach, und wenn da⸗ gegen verstoßen wird, wird auch eingegriffen. Es heißt nämlich in den Bestimmungen:

Wo wichtige Staatsinteressen durch Streiks in Frage gestellt werden, darf das Militär zu Arbeitsleistungen jeder Art kom⸗ mandiert werden.

1 es sich lediglich darum, inanziellen Nachteil zu ersparen, so erscheint die Einse u militärischer Kräfte im allgemeinen Nur 8 nahmefällen ist zum Vorteil des Militärfiskus eine Kommandierung, zum Vorteil anderer Ressorts eine Beurlaubung freiwillig sich meldender Mannschaften zuzugestehen.

Im Interesse von Privaten ist eine derartige Verwendung des Militärs selbst in Form einer Beurlaubung unstatthaft.

Ich glaube, das ist klar genug. (Sehr gut! rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.) Bei den betreffenden Verstößen haben die aus⸗ führenden Stellen stets geglaubt, daß ein öffentlicher Notstand anzu⸗ erkennen sei, der ja allerdings auf der anderen Seite ein Eingreifen des Militärs rechtfertigen könnte. Ein solcher öffentlicher Not⸗

der Staatskasse einen

stand kann selbstverständlich nicht bei einer Arbeitseinstellung von Speditionsarbeitern, Kellnern usw. zugegeben werden. Das ist kein öffentlicher Notstand, und deshalb ist auch in allen Fällen das Nötige veranlaßt worden.

. Schließlich ist auch wieder das Thema der Mißhandlungen aufgegriffen worden. Der Herr Abg. Schöpflin hat selber in elner ganzen Reihe von Fällen angeführt, daß der Gerichtsherr Berufung eingelegt hat, daß dem betreffenden Verhandlungsführer die Strafe zu gering gewesen ist, daß der Verhandlungsführer seine Verwunde⸗ rung darüber ausgesprochen hat, daß die Leute Mißhandlungen so lange ertragen haben usw. Daraus gehen doch deutlich die Gesichts⸗ punkte hervor, nach denen in der Tat die verantwortlichen militärischen Stellen draußen gegenüber Mißhandlungen auftreten. Ich nehme keinen Anstand, zu wiederholen, was ich im vorigen Jahre gesagt habe: über die schärfste Verurteilung, die hier im Hause den Miß⸗ handlungen zuteil wird, geht meine eigene Verurteilung der Miß⸗ handlungen noch weit hinaus; denn derartige Mißhandlungen und Schindereien, wie sie zuweilen noch vorkommen, schädigen das Ansehen der Armee. Wenn trotzdem immer wieder in dieser Richtung Verfehlungen eintreten, so liegt das zum Teil auch an der Roheit mancher Elemente in unserem Ersatz; denn sehr vielfach sind es gerade die Mannschaften, die die Dinge begehen. Ich habe noch im vorigen Jahre eine Verfügung hinausgehen lassen, in der ich die Aufmerksamkeit der Kommandeure ausdrücklich darauf gelenkt habe, derartigen Mißhandlungen durch die alten Mannschaften vorzubeugen.

Wie werden nun die kriegsgerichtlichen Urteile selbst behandelt? Jede Mißhandlung ich wies schon einmal darauf hin wird mit genauer Begründung des Tatbestandes in eine Nachweisung aufge⸗

nommen. Diese Nachweisung wird im Dienstweg an Seine Majestät

den Kaiser gegeben; wo schwere Verfehlungen vorliegen, werden die

Akten von unten einverlangt, genau durchgesehen, und dann wird einge⸗

griffen. Dann bekomme unter anderen auch ich diese gesamten Nach⸗

en gehören. (Zuruf links: Aber sie werden

weisungen, und ich habe Seiner Majestät darüber Vortrag zu halten, inwieweit Maßregeln allgemeiger Natur notwe dig sind. Diese 8 8

scharfen Eingriffe von allen Seiten bewerkstelligen es, daß die Miß handlungen tatsächlich zurückgehen, und wenn auch derartige Fälle bedauerlichster Art im einzelnen immer wieder vorkommen und immer wieder hier vorgetragen werden müssen, so ist doch die Ges amtzahl der Mißhandlungen erfreulicherweise dauernd im Abnehmen, wie nebenbei der Herr Abg. Schöpflin mir selber gegenüber in der Budgetkommission anerkannt hat. Ich will aber die Zahlen hier noch einmal ausdrücklich nennen.

Meine Herren, während wir in frühren Jahren in Prozenten der Etatsstärke an (wegen Mißhandlung) bestraften Offizieren und Unter⸗ offizieren noch hatten 0,63 %, waren es im Jahre 1908 0,35, im Jahre 1910 0,32, im Jahre 1911 0,30 und im vergangenen Jahre 0,25 %. Also eine dauernde Abnahme der Bestraften. (Zurufe von den Sozialdemokraten: Bestrafungen.) Nein, derjenigen Offiziere und Unteroffiziere, die mißhandelt haben. Es waren im vorigen 6 ü 1g. im Jahre 1896 waren es 743. Daraus geht

ervor, daß dauernd und mit Erfolg an der ie . hältnisse gearbeitet wird. b 8

Wir werden auf diesem Wege fortfahren, mit aller Energie gegen die Mißhandlungen zu kämpfen. Aber deshalb dürfen Sie einzelne Fälle noch nicht verallgemeinern. (Sehr richtig! rechts.) Der Herr Abgeordnete hat sich dagegen verwahrt, daß es seine Absicht sei, durch Vortragen der einzelnen Fälle hier die deutsche Armee herabzusetzen. Aber tatsächlich ist das doch die Wirkung davon. Sehen Sie sich die Zeitungen des Auslandes an! Die Leute bilden sich ein, in Deutschland käme der Offizier mit seinen⸗ Leuten über⸗ haupt nur mit dem Stock in der Hand aus, und sind des Todes er⸗ staunt, wenn sie zu uns kommen und z. B. beim Manöver sehen daß die Verhältnisse ganz anders liegen, daß das Vertrauen zwischen Offizier, Unteroffizier und Mann bei uns vielleicht viel besser ist als in irgend einer anderen Armee. (Sehr richtig! rechts.) Was drückt sich aber in der Ansicht des Auslandes aus? Eine Gering⸗ schätzung der deutschen Armee’. Man glaubt, die Schlagfertigkeit, die innere Verfassung der deutschen Armee wäre vom Uebel. Das ist die üble Folge davon, wenn man seine schmutzige Wäsche vor aller Welt wäscht. Davor möchte ich warnen. (Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Geben Sie uns die Mißhandlungsfälle an, wir schreiten ein, und dann können wir später weiter darüber reden. Aber fahren Sie nicht fort, die schmutzige Wäsche der Armee hier vor der ganzen Welt zu waschen; das ist nicht zum Vorteil des deutschen Vaterlandes. (Lebhafter Beifall rechts. Unruhe bei den Sozialdemokraten.)

Württembergischer Generalmajor von Graeveni Ahg. Schöpflin hat sich darüber beschwert, daß die in Ulm einer Veranstaltung des dortigen Bildungsausschusses ver⸗ weigert worden ist. Das ist geschehen, weil es sich tätsächlich um ein sozialdemokratisches Publitum handelte. Den Angehörigen der Regimentsmusik ist es wie allen andern Angehörigen eines Re⸗ verboten, sich an sozialdemokratischen Veranstaltungen zu be⸗ gen. Sächsischer Militärbevollmächtigter Generalmajor Freiher Leuckart von Weißdorf: Zur Vermeidung 8 Fherr verstandnissen will ich nur erklären, daß die dem Sohne des sächsischen Kultusministers Oberleutnant Beck in den Mund gelegte Ueüßetung nicht gefallen ist. Was die Soldatenmißhandlungen betrifft, o habe ich dem, was der preußische Kriegsminister im allgemeinen darüber gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Ich will nur feststellen, daß ebenso wie in Preußen auch in Sachsen ein Rückgang in den Soldatenmißhandlungen zu verzeichnen ist. 1899 waren es noch 1,2 %, 1903 nur 0,67, und diese Ziffer ist dann noch fortgesetzt gefallen. In den meisten Fällen handelt es sich um Aus⸗ schreitungen, die sich Unteroffiziere im Affekt, in der ersten Erregung haben zu schulden kommen lassen. Außerdem ist in einem der an⸗ geführten Fälle auf Veranlassung des obersten Kriegsherrn das erste Urteil revidiert und auf eine schärfere Strafe erkannt worden. Abg. Pospiech (Pole): Wir werden für Abs⸗ Sinekuren stimmen, auch alles dessen, 8 G 5 rativen Charakter hat. Ebenso treten wir für eine Beseitigung des Duellunwesens ein. Das polnische Volk trägt in erheblichem Maße zu den Lasten bei. Derselbe Staat, der solche Lasten von uns verlangt, verletzt unsere nationalen Gefühle. Das nationale Empfinden des polnischen Soldaten wird nicht nur von Unter 8 offizieren, sondern auch von Offizieren bis in die höchsten Chargen in der gröblichsten Weise verletzt. Man sucht den polnischen Soldaten die Befriedigung ihrer religiösen Bedürf⸗ nisse zu erschweren. Die Zahl derer, die polnisch beichten wollen wird nach Kräften reduziert. Die Zahl der Soldatenmißhandlungen mag abgenommen haben, aber die Roheit und Gemeinheit der Mißhandlungen hat zugenommen. Die Verhängung des militärischen Boykotts wird nach wie vor in rigoroser Weise ausgeübt. Wenn ein Soldat auf Urlaub geht, so bekommt er einen Zettel, in dem die Lokale bezeichnet sind, die er besuchen darf; polnische Lokale sind ausgeschlossen. Auf den Kontrollversammlungen werden erwachsenen Männern politische Vorhaltungen gemacht, sie werden gescholten, . i ““ Der Kriegsminister sollte endlich diesen Mißständen ein Ende bvereiten, damit wir ni unsere Beschwerden vorzubringen brauchen. Abg. Mumm (gvirtsch. Vgg.): Dem sozialde Redner haben die Vertreter hacseeeegeat tthr worten fast zuviel Ehre erwiesen. Die Sozialdemokratie ist am wenigsten geeignet, zur Volkserziehung beizutragen. Die Sozial demokraten suchen das Heer veräͤchtlich zu machen und arbeiten auf seine Beseitigung in jeder Form hin. Man bekommt in sozial⸗ demokratischen Schriften zu lesen, für das Volk sei es gleich⸗ gültig, ob das Heer siege oder eine Niederlage erleide, serner: Das alte Lied, das dumme Lied, das Lied der deutschen Treue. So etwas wagt man der deutschen Jugend zu bieten. Auch das Gottvertrauen wird in sozialdemokratischen Liedern verhöhnt, nicht bloß kirchliche Einrichtungen werden angegriffen, sondern christliche Heilswahrheiten. Der Kriegsminister hat in einer Weise gegen die Sozialdemokratie gesprochen, wie es sich für einen Kriegsminister gehört. Dem Antrag auf Niedersetzung einer Kommission zur Prüfung der strafrechtlichen Seite der Duellfrage schließen wir uns an. Die Juden haben aller⸗ dings eine gewisse Vorliebe für das Kommandieren. Sie sollten sich auf das Kommandieren in der Sozialdemokratie beschränken. 1812 waren sie Spione, das sage nicht ich, das hat Moltke gesagt. Ich verweise auch auf das Urteil Bismarcks über die Eignung der Juden zu autoritativen Stellungen. Dankbar bin ich dem Kriegsminister dafür, daß er die Schlagfertigkeit der Arm e durch ein kostenloses Mittel stärkt, durch den Kampf gegen den Alkoholismns. Auch auf eine geordnete Seelsorge in der Armee muß das größte Gewicht gelegt werden. Gegenüber der Sozialdemokratie sage ich: Volk und Heer gehören untrennbar zusammen.

Inzwischen ist ein Antrag auf Vertagung und vom Abg Grafen Westarp ein Antrag auf Schluß eingegangen. 8 Der Präsident läßt zunächst über den Vertagungsantrag

abstimmen, die Vertagung wird beschlossen.

Schluß 6 ½ Uhr. Nächste Sitzung Freitag, 1 Uhr pünktlich. (Militäretat, 8 6