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zurzeit noch zu belassen.
den
Dentscher Reichstag. 148. Sitzung vom 24. April 1913, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Fest⸗ n 5*” Reichshaushaltsetats für das Rechnungs⸗ jahr 8
Vom „Etat für die Verwaltung des Reichsheeres“ ist noch das Kapitel 20 der fortdauernden Ausgaben (Gouverneure, Kommandanten und Platzmajore) zu erledigen.
Die Budgetkommission beantragt, die Kommandanten von Karlsruhe, Darmstadt, Dresden und Stuttgart als am 1. Oktober 1913 wegfallend zu bezeichnen. In Karlsruhe solle der Kommandant ganz fortfallen, in Darmstadt solle der Kommandant des Truppenübungsplatzes zugleich Kommandant von Darmstadt werden.
8 Referent Abg. Gans Edler 8 u Sali (dkons.) berichtet über die Kommissionsberatung. Die Mehrheit habe sich der Ansicht zu nbigt 8 ein solcher Vorschlag trotz der entgegenstehenden staats⸗ rechtlichen Verträge zulässig sei.
Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen:
Meine Herren! Der Ihnen hier vorliegende Antrag greift in⸗ staatsrechtliche Verträge ein, die Preußen mit Baden und Hessen seinerzeit geschlossen hat. Beide Kontrahenten sind der Ueberzeugung bis zu dieser Zeit gewesen, daß die Kommandanten von Karlsruhe und Darmstadt voll und ganz durch den Staatsvertrag gedeckt wurden. Man kann bezüglich des jetzigen Vorschlags in bezug auf Darmstadt zweifelhaft sein, ob dem Wortlaut und dem Sinne des Vertrages entsprochen wird. Die preußische Heeresverwaltung steht auf dem Standpunkt, daß dieser Antrag der Auffassung von dem Staats⸗ vertrag mit Hessen nicht entspricht. Ganz unzweifelhaft aber ist es, daß der Antrag, wie er vorliegt betreffs Karlsruhe, von der Auf⸗ fassung, wie sie Preußen und Baden bisher gehabt haben, abweicht. Nun sollen die beiden Kommandanten zum September 1913 in Darm⸗ stadt in eine andere Form gebracht werden, in Karlsruhe ganz fort⸗ fallen. Wenn Sie Verhandlungen verlangen zwischen Preußen und den beiden Staaten, darf man doch nicht gleichzeitig eine derart ge⸗ bundene Marschroute uns geben. Denn wenn wir Verhandlungen über Aenderungen eines Staatsvertrags führen sollen, müssen sie zu⸗ nächst im freien Ermessen der beiden Staaten stehen. Das liegt hier nicht vor, sondern sie müssen die Verhandlungen bereits in dem Sinne führen, daß am 30. September 1913 unbedingt eine andere, unserer Auffassung von dem Staatsvertrag nicht entsprechende Regelung ein⸗ treten soll. Ich kann Sie nur dringend bitten, von dieser Regelung Abstand zu nehmen und uns die Möglichkeit zu geben, eine freie Ver⸗ handlung mit den beiden Staaten einzuleiten. Nur dann ist es möglich, daß man auf einer freien Vereinbarung vielleicht eine auch Ihren Wünschen entsprechende Regelung im Jahre 1914 ein⸗ treten läßt.
Bundesratsbevollmächtigter, Großherzoglich hessischer Gesandter Dr. Freiherr von Biegeleben: Es ist anzuerkennen, daß der Antrag der Kommission uns mehr entgegenkommt, als man ursprüng⸗ lich nach der Ansicht des Abg. Erzberger annehmen konnte. Es wird nun vorgeschlagen, daß die Stelle des Kommandanten Se Fenen im Nebenamte mitversehen werden soll. Das trägt aber nicht der Militärkonvention Rechnung, die zwischen Hessen und Preußen abge⸗ schlossen ist. Danach muß der Kommandant ein aktiver Offizier sein. üa dies bitte ich zu erwägen und den Antrag vorläufig zurückzu⸗ tellen.
Buadischer Bundesratsbevollmächtigter, Ministerialdirektor Dr.
Nieser: Auch ich habe große staatsrechtliche Bedenken gegen den Antrag der Kommission. Selbst wenn man annehmen wollte, daß diese Stelle im Nebenamt bekleidet werden könnte, so würde auch dieses dem Sinne der Staatsverträge widersprechen, die zwischen Preu⸗ ßen und Baden abgeschlossen worden sind. Die badische Regierung hat deshalb das Zutrauen zu diesem hohen Hause, daß diesen Ver⸗ trägen auch nachgekommen wird. Erschüttern Sie also dieses Ver⸗ trauen nicht und stellen Sie die Vorlage zurück.
Abg. 1“ (Soz.): Wirkliche Gründe für die militä⸗ rische Notwendigkeit der von der Kommission gestrichenen Posten an nnbefoftigten Plätzen find nicht vorgebracht worden. Mit den Stellen für Offiziere, die man in der Front nicht mehr weiter stehen lassen will, muß aufgeräꝛumt werden. Wenn man sich auf staatsrechtliche Verträge 88 so sieht die Kommission vertragliche Verpflich⸗ tungen nicht als vorliegend an. Wir beantragen ferner, den Kom⸗ mandanten der Feste Königstein ebenfalls zu streichen. Diese Feste hat keinen strategischen Wert mehr, was soll also da ein Kommandant? Seine Geschäfte kann ein älterer Feldwebel wahrnehmen. Die Kom⸗ mission hat den ernsten Willen gezeigt, zu sparen, und wir hoffen, daß das Plenum der Kommission dabei helfen wird.
Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen:
Der Herr Abgeordnete hat zunächst gesagt, daß auch in der Budgetkommission keine Stimmen laut geworden wären, die be⸗ haupteten, daß die Kommandanten von Karlsruhe und Darmstadt konventionsmäßig gesichert wären. Ich muß das be⸗ streiten. Es ist das nicht nur von Vertretern der Regierung, sondern auch aus den Kreisen der Herren Abgeordneten betont worden. In der Konvention mit Hessen — das ist ganz sonnenklar — steht im § 2 der Kommandant von Darmstadt drin. Von Baden ist uns nachgewiesen worden, haben wir nachgewiesen — und dem ist in der Kommission von einzelnen Herren beigestimmt worden —, daß der Vertrag mit Baden einen Kommandanten für Karlsruhe zur Vor⸗ aussetzung hat. Also nach dieser Richtung hin stimmt das doch nicht, was der Herr Abg. Schöpflin behauptet hat.
Was den Antrag von ihm und dem Herrn Abg. Noske betrifft wegen des Wegfalls des Kommandanten in Königstein, so möchte ich mich lediglich auf die Gründe beziehen, die von uns in der Budgetkommission in ausreichender Weise angeführt worden sind, und aus denen die Budgetkommission zu der Ueberzeugung gekommen ist, daß es doch erwünscht wäre, den einmal bestehenden Kommandanten
Abg. Fehrenbach (Zentr.): Ich habe schon in der Kom⸗ auseinandergesetzt, daß die beiden Kommandanturen Karls⸗
ruhe und Darmstadt durch die Militärkonvention garantiert sind. Und
selbst wenn nach dem strengen Wortlaut das nicht richtig ware, so soll man doch bei solchen Verträgen den äußersten Grad von Loyalität be⸗ wahren. Wenn auch nicht staatsrechtlich, so doch faktisch werden die Beschlüsse über Karlsruhe und Darmstadt ihre Konsequenzen für
Stuttgart und Dresden haben, und in letzterer Beziehung scheint mir auch sachlich der Nachweis der Dringlichkeit der Beseitigung nicht
erbracht zu sein. Ich hatte einen Vermittlungsvorschlag ins Auge
6 Ffaßt wonach alle 4 Kommandanturen von inaktiven Offizieren im
ange von Obersten oder Brigadekommandeuren wahrgenommen wer⸗ een; für die zweite Lesung habe ich diesen Antrag einzubringen unterlassen, und werde ihn in der dritten Lesung stellen.
Abg. Dr. Blankenhorn (nl.): Ich schließe mich den Aus⸗
führungen des Vorredners völlig an und gehe heute auf den Streit⸗ punkt nicht näher ein. Ich kann mich auch nur auf den Rechts⸗ standpunkt, auf den Boden der badischen Militärkonvention stellen. Mit nes Konvention verzichtete der Gweßeog auf seine mili⸗ tärische Oberhoheit; daraus ergibt sich do ⸗schon eine moralische Verpflichtung. Wir behalten uns unsere Stellungnahme für die dritte Lesung vor.
Abg. von Liebert (Rp.): Dresden hat eine der größten Garnisonen des Reiches. Unter so vielen verschiedenartigen Truppen⸗ teilen muß doch eine unparteiische Instanz stehen, welche den “ dienst regelt; das kann nicht im 1¹”¹“ gemacht werden. Vor allem für den “ würde das nicht ausreichen, wo dort allein weit über 50 000 Reservisten zusammentreten. Da muß die Be⸗ hörde ganz genau orientiert sein, be kann da nicht von heute auf morgen bingeschoben werden. Jedenfalls muß ein General zur Disposition an diesen Platz gestellt werden. b 3 8 Abg. Noske (Soz.): Der finanzielle Effekt fällt bei den Ab⸗ 8 2 gut vsee nicht ins Gewicht, aber trotzdem wohnt dieser
ebatte eine große Bedeutung bei. Wenn der Reichstag seiner Budget⸗ kommission jetzt nicht folgen will, dann 9 er sie lieber ganz einpacken. Der Abg. Fehrenbach appelliert an die LCoyalität des Reichstages; wir appellieren an die Regierung, endlich ein bißchen guten Willen zur Sparsamkeit zu beweisen. Was wir heute hier am Bundesratstische erlebt haben, war ein sehr wirksamer Anschauungsunterricht; nach⸗ einander marschierten die Herren auf, um gewisse gutdotierte über⸗ flüssige Stellen zu retten, obwohl von Gefahrbung der Sicherheit des Reiches nicht im entferntesten die Rede sein kann. Das Volk soll sich immer neue Hunderte von Millionen, ohne zu murren, auf⸗ acken lassen; für diese überflüssigen Stellen aber wird uns ein großes kamento vorgemacht. Der Reichstag hat allen Anlaß, auch die Stelle von Königstein mit zu streichen.
Bündesratsbevollmächtigter, Cras ehaglich bessis r Gesandter Dr. Freiherr von Biegeleben: Es handelt sich hier wirklich um eine Fir Frage, wenn auch nicht im Sinne des Abg. Noske. er badische Vertreter und ich haben hier gesprochen im Namen des Rechts, im Namen der Wahrung der Staatsverträge. Wenn er diese als Bagatelle ansieht, so bleibt ihm das überlassen. Die Debatte heute stellt wohl einen Anschauungsunterricht dar, wie man C von seiten des Abg. Noske über Staatsverträge hinwegsetzt.
g. Erzberger (Zentr.): Die heutige Debatte ist geradezu symptomatisch. Welche Fraktion hätte nicht schon Gouverneure, Kom⸗ mandanten und Platzmajore streichen wollen? Die Nationalliberalen wollten 1909 alle Kommandanten und auch Gouverneure von Festungen streichen. Niemals war eine Mehrheit dafür vorhanden, heute zum erstenmal. Kaum haben wir aber diese Beschlüsse gefaßt, sofort er⸗ heben sich Stimmen auch aus der Mitte des Reichstages, auch dieses Mindestmaß von Sparsamkeit 18 und für später aufzube⸗ wahren. Sollten in der 3. Lesung Abänderungen beantragt werden, so kündige ich schon jetzt namentliche Abstimmungen an. fsens tausend Mark macht der Abstrich immerhin aus. Wenn Vertrags⸗ verletzungen in Frage kommen würden, würde ich nicht als Antrag⸗ steller auftreten. Die Militärkonvention mit Hessen setzt doch nirgends fest, daß der Kommandant von Darmstadt ein aktiver Stabsoffizier sein muß. Wir wollen ihn auch gar nicht abschaffen. Er soll nur nebenbei mit Kommandeur des Truppenübungsplatzes heer Auf die Zustände, die 1870 geherrscht haben, kann man sich doch nicht be⸗ rufen. Der Kriegsminister will den Ausdruck „ungetrennt“ für Baden so aufgefaßt risr als ob an dem dortigen Kontingent nichts ge⸗ ändert werden darf. Dann hätte man ja auch im vorigen Jahre keine neue Landwehrinspektion für Baden schaffen dürfen. Auch hier soll die Stelle ja nicht beseitigt werden. Es soll nur keine besondere Persönlichkeit dafür eingesetzt werden. Dasselbe gilt von Dresden und Stuttgart. Alle diese Stellen sind Sinekuren. Ich bitte also, alle diese Stellen zu streichen, von Bruch und Verletzung eines Vertrages kann keine Rede sein.
Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen:
Meine Herren! Der Herr Abg. Erzberger hat meine Darstellung über Darmstadt und Karlsruhe zergliedert. Gewiß, für Darm⸗ stadt steht es ganz ausdrücklich in der Konvention darin, insofern ist Hessen in einer besseren Lage als Baden. Aber darüber kann kein Zweifel bestehen, daß die beiden Kontrahenten Preußen und Baden, als sie den Vertrag abschlossen, der Meinung und des Willens waren, daß Preußen das badische Kontingent so verwalten sollte, wie es bis dahin bestanden hat. Diese Auffassung ist die ganzen Jahre hindurch praktisch durchgeführt worden und ist auch vom Reichstage anerkannt worden, weil die Stelle in Karlsruhe die ganze Zeit hindurch im Etat belassen worden ist. Ich meine also, es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Absicht der beiden Vertragsstaaten so aus⸗ gelegt werden mußte. Nun soll uns jetzt ohne die Möglich⸗ keit einer Vereinbarung die Stelle gestrichen werden! Ich stelle doch zur Erwägung, ob das richtig ist.
Der Herr Abg. Erzberger ist dann nochmals wieder auf König⸗ stein zurückgekommen. Meine Herren, wir sind nicht in der Lage, diejenigen Punkte über Königstein hier in der Oeffentlichkeit zu erörtern, die wir in der Kommission erörtert haben. Ich lasse also diese Sachen beiseite. Ich darf aber ausdrücklich darauf hinweisen, daß ich ausgeführt habe, daß in Königstein erstens eine ganze Masse Material der verschiedenartigsten Behörden liegt, welches verwaltet werden muß, daß Königstein aber vor allen Dingen auch zur Verbüßung von Festungshaft verwendet wird, daß wir nur sehr wenig Stellen im Reiche haben, wo wir das namentlich für ausländische Spione machen können, und daß Königstein zu diesem Zwecke eingerichtet worden ist. Gerade diese Angelegenheit macht es aber unbedingt erforderlich, daß ein Kommandant in Königstein über dem Ganzen steht, der die Verantwortung für alles übernimmt.
Abg. Dr. Becker⸗Hessen (wild): Alle Fhitterdigte sen müßen nichts, es handelt sich hier um Abkommen zwischen Bundesstaaten. Wir haben dafür zu sorgen, daß auch in Zukunft die Vertragstreue ge⸗ wahrt wird. Auch ich bin dafür, daß man jeden unnötigen Posten im Etat streicht. Aber man darf die Sparsamkeit nicht so weit treiben, daß man ein Unrecht gegen die Bundesstaaten begeht. Er⸗ innern will ich auch nur noch, 8 es ja zur Zeit des Abschlusses des Vertrages zwischen Preußen und Hessen einen Truppenübungsplatz bei Darmstadt nicht gab; ich bitte also, die Position wieder herzustellen.
Abg. Fehrenbach (Bentr.): Man will hier durch Einseifungs⸗ versuche die Rechtsfrage verdunkeln. Wenn es sich nicht um die Ver⸗ letzung von Verträgen handeln würde, könnte man mit der Streichung einverstanden sein. Dadurch, daß diese Kommandanturen 40 Jahre bestanden haben, hat man ja auch früher ihre Rechtmäßigkeit aner⸗ kannt. Ob es ein aktiver oder inaktiver Offizier ist, darauf kommt es ja schließlich nicht an. Nur die Stellen sollen selbständig erhalten bleiben. Ich hoffe, daß Sie einen diesbezüglichen Antrag, den ich bis zur dritten Lesung stellen werde, annehmen. 1 16“ Uärtt h. Generalmajor von Graevenitz: Wenn Vermehrungen oder Verminderungen in dem Bestande des württem⸗ bergischen Armeekorps vorgenommen sind, dann ist es immer im Ein⸗ vernehmen zwischen beiden Parteien geschehen. Die Bedeutung der Kommandantur Stuttgart habe ich ja schon in der Kommission aus⸗ führlich dargelegt. Diese Stelle ist für die Mobilmachung außer⸗ ordentlich wichtig und muß erhalten bleiben. 1
Sächsischer Generalmajor Freiherr Leuckart von Weiß⸗ dorf: Dasselbe gilt für die Kommandanturen in Dresden und König⸗ stein. Auch sie sind für die Mobilmachung außerordentlich bedeutungs⸗ fanl Das kann ich auf Grund meiner eigenen Kenntnisse nur be⸗ tätigen,
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Abg. Gans Edler Herr zu Putlitz (bkons.): Nach den Ausführungen, die uns von sachsischer und württembergischer Seite ge⸗
macht worden sind, sind wir allerdings der Ansicht, daß die be⸗ treffenden Stellen nicht ohne weiteres beseitigt werden können. Eine andere Frage ist, ob die Besetzung nicht durch inaktivpe ebier mög⸗ lich wäre, und ich neige dieser Ansicht zu. Den Abgg. Noske und
Erzberger gegenüber möchte ich betonen, daß doch Zweifel über die Bedeutung des Wortlauts der Konvention mit Baden und Hessen vor⸗ handen sind. Weil wir staatsrechtlich gebunden sind, glaubten wir, daß wir zunächft auf die militärische Bedeutung der Stellen einzugehen
nicht gezwungen wären. Den Weg der einfachen Streichung des Postens in Karlsruhe können wir nicht mitmachen; haß das Gefühl einer Vergewaltigung platzgreift, das zu verhindern haben wir allen
Grund. 2* “ Dr. Paasche: Die Unruhe des weist wohl, deh es zweckmäßig ist, wenn die folgenden möglichst kurz fassen.
Nag. S.
tragsmäßigen Rechts und gar eines badischen Interesses sein, wenn
ein militärisch absolut unnützer Kommandant nicht mehr in Karlsruhe ist? Das glaubt doch wohl der Abg. “ selber nicht. Genau so
liegt es in Darmstadt, Stuttgart und Dresden. 8 Abg. Erzberger⸗(Zentr.): Der Stuttgarter Kommandant ist
allerdings geradesogut gesichert, wie der Kalsruher, d. h. sie sind e Aüssrleah wathcen de 27ae. n ⸗
beide nicht vfecer⸗ un e ich denn eingeseift haben? Der Kollege Fehrenbach beruft sich 8 den Geist der Verträge, weil er sich auf den Wortlaut nicht berufen Baden wäre auch in das Deutsche Reich eingetreten, wenn der Kom⸗ mandant 1871 nicht zugestanden worden wäre, und es wird auch im Deutschen Reiche bleiben, wenn der Kommandant abgestrichen wird. bg. Liesching (fortschr. Volksp.): Auch dem kleinsten Ver⸗ such zur Sparsamkeit hat die Kriegsverwaltung in der Kommission den hartnäckigsten Widerstand entgegengesetzt. Hier setzt sie uns die Be⸗ rufung auf Staatsverträge entgegen. Und alles in dem Opferjahr
1913, wo so ungeheure Opfer vom deutschen Volke für seine Wehr⸗
haftigkeit verlangt werden! Aktive Generale sollten auf diese Posten nicht mehr gestestt werden; es muß endlich einmal in dieser Hinsicht ein Anfang gemacht werden. Auch dem Antrag wegen der Feste Kö⸗ nigstein werden wir zustimmen.
Der Kommandant von Königstein wird nach dem Antrage Schöpflin⸗Noske gestrichen; mit den Sozialdemokraten und der
Fortschrittlichen Volkspartei stimmt auch die Mehrheit des
entrums. Gegen die Streichung der 4 anderen Kom⸗ mandanturen stimmen nur die utschkonservativen, die Reichspartei und die Nationalliberalen; die Kommissions⸗ anträge gelangen zur Annahme.
Damit ist die Spezialberatung des Militäretats erledigt.
Der Etat für das Reichsmilitärgericht wird ohne Diskussion bewilligt.
Beim Etat für den Rechnungshof des Deutschen Reiches bemängelt der
Abg. Rauch (Soz.), des in zahlreichen Fällen bei mittleren und höheren Beamten dieser Behörde Unterstützungen und außerordent⸗ liche Vergütungen gewährt werden, die ihm absolut nicht in den v begründet erscheinen. Die Vergütungen seien gewährt worden „in Anerkennung des Diensteifers“ oder „in Anerkennung des be⸗ wiesenen Fleißes“; wie stehe es denn um den Fleiß und Diensteifer derjenigen Beamten, die solche Vergütung nicht erhalten haben? Die Remunerationen zögen vielfach nur ein elendes Strebertum groß und würden nicht mit Unrecht als Korruptionsfonds bezeichnet.
Der Etat wird bewilligt.
Es folgt der Etat über den Weeng sionsfonds; Berichterstatter der Budgetkommission ist Abg. Speck (Zentr.). .
Die Kommission schlägt folgende Resolution vor:
Den Reichskanzler zu ersuchen, noch im laufenden Rechnungs⸗ jahr einen Feeceekru vorzulegen, durch den eine Aufbesse⸗ rung der Altpensionäre ermöglicht wird, sowie ferner
einen Gesetzentwurf zur Abänderung der 11“
rungsordnung behufs Herabsetzung der Altersgrenze für die Gewaährung der Alersrente von 70 auf 65 Jahre.
Die Resolution Arnstadt (dkons.) wegen der Altpensionäre ist zurückgezogen worden. Der Schatzsekretär hat in der Kom⸗ mission die Erklärung abgegeben, daß ein G betr. die Altpensionäre in Vorbereitung sei.
Die Sozialdemokraten haben eine Re Saröen⸗ n bean⸗ tragt, tunlichst bald dem Reichstag einen Gesetzentwurf vor⸗ zulegen, durch welchen bestimmt wird, da
a. die den Kriegs⸗ und Militärinvaliden bewilligten Renten nach erfülltem 60. Lebensjahre nicht mehr gekürzt oder entzogen
werden dürfen; 3
b. die Renten der Militär⸗ und Kriegsinvaliden der Unter⸗
offiziere und Gemeinen mindestens der erfolgten Teuerung ent⸗
sprechend erhöht werden. „» Abg. Hugel (Soz.): Den Offizieren und Beamten gönnen wir ihre Pension. Aber man sollte auch den Soldaten und Unteroffizieren gegenüber so eedia, bee ren Das geschieht aber nicht. Man hat sogar bewilligte Verstümmelungszulagen später wieder verkürzt. Einige haben sogar die Beihilfen wieder herauszahlen müssen. Einige sind 1e zum Selbstmord getrieben worden. Bei den vielen Mil⸗ lionen, die man für gesunde pensionierte Offiziere ausgibt, sollte man züc für die im Dienst verunglückten Söhne der Arbeiter etwas übrig
en.
„Ein Vertreter des Kriegsministeriums: Erspar⸗ nisse aus dem allgemeinen Pensionsfonds sind nicht gemacht worden. Die Mannschaften werden nicht anders behandelt wie die Offiziere. Hier entscheidet allein das Gesetz, sodaß jede Willkür Bnsgistasen Im Verhältnis wird für Neanagehaften sogar mehr als für Offiziere ausgegeben. Die vorgebrachten Fälle werden jedoch eingehend geprüft werden. Ich stehe zum erstenmal an dieser Stelle und kann dem hohen Hause erklären, daß es stets meine Pflicht sein wird, für meine alten Kameraden, seien es Offiziere oder Mannschaften, zu sorgen.
Abg. Erzberger (Gentr.): Die letzte Erklärung haben wir mit Freuden entgegengenommen. Im Vorjahre wurde Klage geführt über rasche Pensionierung von Apothekern, besonders, wenn sie eine Konzession schon in der Tasche hatten. Bei dem einen Fall wurde uns mitgeteilt, daf der Betreffende wegen Schwerhörigkeit pensioniert werden mußte. un hat aber der Betreffende an demselben Tage, wo diese Erklärung hier abgegeben wurde, in Dresden an einem Symphoniekonzert als Violinist mitgewirkt. Als wir das Gesetz für im Dienste der Luftschiffahrt verunglückte Offiziere und Mannschaften annahmen, war wohl jeder überzeugt, daß es rückwirkende Kraft hätte. Das Ministerium hat nun aber in einem Fall anders entschieden.
ier müßte man doch wie bei den Kriegszulagen vorgehen. Auf jeden
all muß dafür gesorgt werden, daß die vor dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes Verunglückten vom 1. April ab eine Entschädigung beziehen. Um zu verhüten, daß 8I und derdtig nic völlig gesunde Sol⸗ daten eingestellt werden, könnte man nach Art der Schweiz Rekruten⸗ prüfungen einführen. Ganz unglaublich ist es aber, wenn einem Inva⸗ liden die Unterstützung ES wird, weil er völlig erwerbsunsähig geworden ist. Das hat der Oberrechnungshof angeordnet. Ihm scheint das ungeschriebene Gesetz des gesunden Menschenverstandes abhanden gekommen zu sein. Rae —
Ein Vertreter des Kriegsministeriums: Das Fuftfaßefürsorgestz wird daraufhin eprüst werden, ob ihm rückwirkende Kraft beizulegen ist. Im anderen Falle wird auf andere Weise Abhilfe
eschaffen werden. Im letzten angeführten Fall hat die Verwaltung sben aßregeln getroffen, daß solchen Unterstützungsempfängern im Unterstützungswege geholfen wird.
bg. Sachse Ehanns Es wäre sehr erfreulich, wenn diese
Versprechungen in Erfüllung gingen. Es ist auch die höchste Zeit dazuz
auses be⸗ edner sich
öpfli —:): Also es soll eine Verletzung des ver⸗ 1ee. id) scebiscrneicsn vessehusg 8 das zu viel Erhaltene wird ihm in monatlichen
amn.
die Heeresverwaltung hat sich in diesgr Beziehung oft recht tadelnswert benommen, sondl den Veteranen wie den Invaliden gegenüber. Die Veteranen sollen ja jetzt 150 statt 120 ℳ bekommen; das ist eine viel zu geringe Aufbesserung. Ich befürworte die Annahme der von uns eingebrachten Resolutionen. Die Kriegsinvaliden haben bereits den Reichstag mit Petitionen bestürmt, daß die Kriegszulagen in ein befriedigenderes Verhältnis zu denen der Offiziere gebracht werden behün. Die Militärverwaltung hat ebenso wie das Reichsschatzamt dazu eine gänzlich ablehnende Haltung eingenommen; sie bekämpft selbst die Ueberweisung der Petitionen als Material, „um nicht aus⸗ sichtslose Hoffnungen zu erwecken“. Zuerst sollte doch einmal die Ehrenpflicht gegen die alten Krieger und Veteranen eingelöst werden, ehe man dem Volke so ungeheure neue Opfer für den Milrtartsmus zumutet. In einem früheren Falle, wo eine Petition dem Reichs⸗ kanzler zur Berücksichtigung überwiesen war, hat man dem Petenten nicht die ihm zustehenden 2700 ℳ, sondern nur 648 ℳ gegeben, ihn also um 2000 ℳ geprellt. (Vizepräsident Dove rügt diesen Aus⸗ druck.) Einem 69jährigen Invaliden ist seine efn gekürzt, und
ene r Raten von 31 ℳ abgezogen! Das sind doch geradezu skandalöse Verhältnisse. Der Mann ist bei Königgrätz verwundet worden, hat dadurch eine Läh⸗ mung davongetragen und ist vollständig erwerbsunfähig. Weil seine Frau mit einem Flaschenbierhandel angeblich etwas verdient, mußte eine solche Rentenkürzung erfolgen! Aehnlich liegt es mit einem Invaliden namens Förster in Essen, dem man erst die Rente kürzte und, als er sich beschwerte, ganz entzog. Solchen Skandalen muß ein Riegel vorgeschoben werden, und das bezweckt unsere Resolution. Wir verlangen darin weiter eine Erhöhung der Renten entsprechend der erfolgten Teuerung, wie ja fast allen Beamten die Gehälter aus demselben Grunde aufgebessert worden sind.
Sächsischer Generalmajor Freiherr Leuckart von W eiß⸗ dorf: Der Abg. Erzberger hat einen Fall der Pensionierung eines ‚pothekers erneut zur Sprache gebracht. Ich habe diesen Fall im vorigen Jahre ausführlich behandelt und keine Veranlassung, heute nochmals darauf einzugehen.
Ein Vertreter des Kriegsministeriums: Von 24 000 Kriegsinvaliden hat im vergangenen Jahre bei keinem einzigen eine Entziehung stattgefunden. Die Generalkommandos sind benach⸗ richtigt, daß sich von jetzt ab das Kriegsministerium darüber die Ent⸗ scheidung vorbehält. Die Militärverwaltung ist auch bereit, dem
einen der erwähnten Invaliden, der 648 ℳ nachgezahlt erhalten hat,
noch weiter zu chelfen, wenn er aus seiner Stellung als Schuldiener ausgeschieden ist. Abg. Erzberger (Zentr.): Weshalb der Staatsapotheker
V pensioniert worden ist, habe ich vorhin ausgeführt. Ich habe mich
aber gewundert, daß dieser Herr an diesem Tage sich so hervorragend an einem Konzert beteiligt hat. Der Bundesratsbevollmächtigte hat mir hier gegenüber einen Ton angeschlagen, der vielleicht auf den Kasernenhof, aber nicht hierher paßt. Ich werde in der dritten Lesung
darauf zurückkommen und werde sehen, ob man hier die Sache mit
einer kurzen Handbewegung erledigen und so das Kontrollrecht des Reichstags aus dem Wege räumen kann.
Sächsischer Generalmajor Freiherr Leuckart von Weiß⸗ dorf: Ich habe doch nur gesagt, daß ich meine Erklärung im vorigen Jahre abgegeben habe auf Grund des mir vorgelegten Materials.
Abg. Erzberger (Zentr.): Ich habe heute neues Material vorgebracht und hätte deshalb erwarten können, daß darauf einge⸗ gangen wird. Es war nicht angebracht, abzulehnen, hierauf einzu⸗ 1 Hier handelt es sich um die Steuergroschen des ganzen Volkes.
Die Resolution der Kommission wird angenommen und ebenso die der Sozialdemokraten.
Es folgt der Etat des Reichsschatzamts.
Die Kommission hat die Ausgaben für einen neu geforder⸗ ten Direktor gestrichen.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Küöhn:
Meine Herren! Die Ablehnung der Direktorstelle im Schatzamt durch die Kommission ist mit einer geringen Mehrheit erfolgt. Es sprechen indes so viele sachliche Erwägungen dafür, die Stelle zu be⸗ willigen, daß ich fast glaube, ich trage die Schuld an der Ablehnung, indem ich die Gründe nicht ausreichend vorgetragen habe. Ich muß deshalb hier darauf zurückkommen, bitte Sie aber, trotzdem nicht be⸗ sorgt zu sein, daß ich Sie mit meinen Ausführungen lange behelligen werde; ich werde auf die Geschäftslage durchaus Rücksicht nehmen.
Gefordert wird von dem Schatzamt ein Direktor. Dies aber hat nach zwei Richtungen hin Bedeutung. Indem nämlich ein vor⸗ tragender Rat in die demnächstige Direktorstelle befördert, wird eine Stelle für einen neuen vortragenden Rat frei. Daß im Reichs⸗ schatzamt ein großer Bedarf an Referenten besteht, bedarf, glaube ich, keines besonderen Beweises. In den letzten sechs Jahren — Sie mögen sagen „leider“; aber es ist eine Tatsache —, in den letzten sechs Jahren ist über ein Dutzend neuer Steuergesetze beschlossen worden, die vom Reichsschatzamt bearbeitet waren. Auch die augen⸗ blicrkliche Anspannung ist außerordentlich groß. Das ist auch in der Presse allgemein anerkannt worden, so, um nur ein Beispiel zu erwähnen, in der „Kölnischen Volkszeitung“ vom 29. März d. J., wo ganz besonders hervorgehoben wird, daß das, was die Beamten des Reichsschatzamtes in den letzten Tagen und Wochen an Arbeit geleistet hätten, an das Ueber⸗ menschliche grenze. (Zuruf links: Uebermenschliche Forderungen!) — Nein, es ist hier von der Arbeitslelstung die Rede, nicht von den Forderungen, die nicht von unserer Seite aufgestellt zu werden pflegen.
Nun aber besteht die Tätigkeit des Reichsschatzamtes nicht bloß in der Fertigstellung von Gesetzen; die Hauptarbeit beginnt vielfach erst, wenn die Gesetze vom Reichstag beschlossen sind. Es handelt sich um eine gerechte und gleichmäßige Durchführung in den verschie⸗ denen Bundesstaaten, es handelt sich ferner um die Beobachtung der Einwirkung dieser Gesetze auf das wirtschaftliche Leben, um die hrüfung der Frage, ob und in welcher Weise sie abgeändert werden müssen. Die Beamten werden also dauernd in Tätigkeit gehalten.
In der Kommission ist freilich behauptet worden, die Beamten seien ja da; wenn die fest angestellten nicht ausreichten, so ziehe man Hilfsarbeiter heran. Aber es ist doch nicht einerlei, in welcher Eigen⸗ schaft jemand im Amte fungiert. Die erwähnte Behauptung beweist nur, daß verhältnismäßig keine hohen Mehrkosten entstehen würden, wenn die Beamten, die doch einmal vorhanden sind, auch in dem Amte angestellt werden. Sie beweist ferner, daß in dieser Frage nicht bloß das Reichsschatzamt in Mitleidenschaft gezogen ist, sondern auch alle diefenigen Amter, von denen die Hilfskräfte entnommen werden. Nehmen wir z. B. an, es würde aus einer Mittelbehörde des Reichs ein Hilfsarbeiter in das Reichsschatzamt eingezogen, so kann, solange dieser nicht im Reichsschatzamt angestellt wird, auch seine Stelle bei der Mittelbehörde nicht besetzt werden. Nehme ich an, daß die Mittelbehörde ibrerseits wieder anderswoher einen Beamten zum Ersatz herangezogen hat, so muß auch dessen Stelle so lange frei bleiben, bis über die Anstellung im Reichsschatzamt durch die gesetz⸗ gebenden Körperschaften Beschluß gefaßt worden ist. Nun liegt aber doch, hiervon ganz abgesehen, auf der Hand, daß ein Beamter, der
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fest angestellt ist, von bedeutend größerem Nutzen für eine Behörde ist als ein Hilfsarbeiter, von dem man nicht weiß, wie lange er uns angehören wird, und bezüglich dessen es ganz ungewiß ist, wer später an seine Stelle treten wird, während es doch gerabe notwendig ist, daß derselbe Beamte, welcher an der Fertigstellung des Gesetzes, an seiner Beratung im Bundesrat und Reichstag tätig war, bei dessen Durchführung und dessen etwaiger Abänderung mitwirkt.
Die andere Seite der Sache beruht darin, daß wir bei An⸗ nahme des Regierungsvorschlags einen neuen Direktor, einen neuen Abteilungsleiter bekommen. Seit die letzte Abteilungslelter⸗ stelle im Schatzamt geschaffen wurde, (Glocke des Präsidenten) — das war 1894/95 — hat sich die Zahl der Beamten um 90,5 % vermehrt. Es hat sich die Beamtenzahl also nahezu verdoppelt, woraus sich schon an sich ergeben würde, daß auch eine neue leitende Stelle erforderlich ist. Aber die Zahl der Beamten ist nicht das allein Ausschlaggebende, die Hauptfache ist, daß die Geschäfte sich nicht nur vermehrt, sondern derart anders gestaltet haben, daß eine Teilung der Abteilung für Zölle und Steuern — unserer früheren zweiten Abteilung — nötig wurde. Während die nunmehrige zweite Abteilung nach wie vor die Zölle und Verbrauchssteuern bearbeitet, brauchen wir einen neuen Leiter infolge der Schaffung einer dritten Abteilung, welcher die Bearbeitung der Verkehrssteuern und derjenigen Geschäfte obliegt, die entweder direkte Steuern oder verwandte Steuer⸗ gruppen betreffen oder sonst auf einem von dem der Zölle und Ver⸗ brauchssteuern völlig verschiedenen Gebiete liegen. Es müssen für diesen Zweck besonders ausgebildete Beamte vorhanden sein; während für die zweite Abteilung vorwiegend zollwissenschaftlich gebildete Beamte nötig waren, brauchen wir für die dritte wesentlich solche von juristischer und wirtschaftlicher Vorbildung. Die eine Abteilung ist verwaist in bezug auf die Leitung. Während in der Budgetkommission auch mit den Stimmen der Herren von der äußersten Linken, bei einem anderen Reichsamt mit 4 Abteilungen jetzt eine fünfte leitende Stelle bewilligt ist, würde das Reichsschatzamt mit 3 Abteilungen in Zukunft nur 2 Ab⸗ teilungsleiter haben. Ich glaube, ich brauche nur diese Zahlen zu nennen, um Sie alle davon zu überzeugen, daß eine Aenderung des Kommissionsbeschlusses nötig ist. Es trifft doch auch nicht zu, wenn man sagt, die Stelle könne durch einen vortragenden Rat wahr⸗ genommen werden. Der Leiter einer Abteilung, der vielfach selb⸗ ständig in Vertretung des Ressortchefs zu handeln, der namentlich auch mit anderen Behörden zu verhandeln hat, muß schon nach außen hin eine andere Stellung erhalten, eine gewisse autoritative Stellung, die sich in seinem Range und in seinen Bezügen ausdrückt. Es handelt sich hier um kein bloßes Dekorum, sondern tatsächlich um eine Lücke in der Besetzung unserer Stellen, eine Lücke, die in ge⸗ wissem Maße schließlich auch die Aktionsfähigkeit des Reichsschatzamts
zu beeinflussen geeignet sein würde. Ich bitte Sie daher, meine
Herren, die Regierungsvorlage wieder herzustellen und so dabei mit⸗ zuwirken, daß diese Lücke ausgefüllt wird. (Bravo!)
Abg. Stolle (Soz.): Die Teuerung und Fleischnot infolge der durch die Zölle verteuerten Lebensmittel ist zweifellos eine dauernde Erscheinung, nicht eine vorübergehende, wie die Regierung be⸗ hauptet hat. Es ist deshalb vor allem eine Aufhebung der Einfuhr⸗ scheine notwendig. Durch diese wird die Reichskasse in unerhörter Weise geschädigt und der Großgrundbesitz bereichert. Beamte, Hand⸗ werker und Arbeiter haben darunter zu leiden, nicht minder die kleinen Landwirte, die Getreide kaufen müssen; denn der Zweck der Einfuhr⸗ scheine war eingestandenermaßen die Erhöhung der Getreidepreise. Wir können nur immer sagen: fort mit den indirekten Steuern, we⸗ nigstens mit der Besteuerung notwendiger Lebensmittel. Man be⸗ steuert bei uns die Armut, das tägliche Brot.
Abg. Dr. van Calker (nl.) empfiehlt die Annahme folgen⸗ der Resolution: „Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, baldmöglichst den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, durch welchen diejenigen Be⸗ stimmungen des Zollvereinsvertrags vom 8. Juli 1867 aufgehoben werden, die eine einseitige Belastung der deutschen Weine zulassen, damit diese in allen deutschen Staaten den Auslandweinen gleich⸗ gestellt und nicht schlechter, als diese behandelt werden.“ Es handle sich um die Beseitigung einer schreienden Ungerechtigkeit. Ausländische Weine würden trotz der Zölle bei uns zu sehr billigen Preisen einge⸗ führt. Der inländische Wein dürfe nicht zu kurz kommen. Eine Aufhebung der Oktrois sei, wie die Verhältnisse in den Gemeinden liegen, nicht möglich. Straßburg beziehe aus dem Oktroi 250 000 ℳ, man hätte den großen Städten nicht die Möglichkeit nehmen sollen, ihre steigenden Aufgaben zu erfüllen, dazu gehöre viel Geld. Die Individualität der großen Städte müsse erhalten werden; es dürften ihnen nicht Einnahmen entzogen werden, ohne daß ihnen dafür Ersatz geboten wird. Deshalb empfehle es sich, den Gemeinden zu ermög⸗ lichen, von den ausländischen Weinen einen Oktroi zu erheben. Möge der Staatssekretär dem Weinbau bald helfen, dann werde ihm ein volles Glas gebracht werden. .
„Abg. Graf Kanitz (dkons.): Ich kann mich dem Vorredner nur anschließen. Als ich seinerzeit bei den Caprivischen Handels⸗ verträgen auf eine Erhöhung des Weinzolles drang, blieb ich mit meinen Freunden allein. Was ist die Folge gewesen? Die Einfuhr aus Frankreich ist erheblich gestiegen. Ueberrascht war ich, daß der Abg. Stolle so kurz vor Schluß der Verhandlungen die alte Frage der Einfuhrscheine wieder aufgerollt hat. Eine Debatte über diese Frage scheint mir jetzt nicht am Platze, wo wir so niedrige Getreidepreise haben. Ich habe in diesem Winter die Tonne Weizen verkauft mit 147 ℳ. Die höchsten Preise sind bis zu 160 ℳ. Jaures hatte ein⸗ mal in der französischen Deputiertenkammer den Antrag eingebracht, den Preis der Tonne Weizen auf 250 Frank zu fixieren. Die Netto⸗ einnahmen aus den Zöllen sind heute höher als vor Einführung der Einfuhrscheine. Damit fällt die Einwendung des Abg. Stolle zu Boden. Gerade ein unentwegt Freisinniger, Rickert, hatte die Ein⸗ führung der Einfuhrscheine angeregt. Von einer Bereicherung der Agrarier, der Großgrundbesitzer kann absolut keine Rede sein, wie ich bewiesen habe. Einen Gegensatz zwischen Großgrundbesitz und Klein⸗ grundbesitz gibt es in dieser Frage und auch sonst nicht. Das System der Einfuhrscheine ist namentlich für die östliche Landwirtschaft eine dringende Notwendigkeit; ich bitte, an diesem System nicht zu rütteln.
Abg. Gunßer (fortschr. Volksp.): Durch die Einfuhr nament⸗ lich der spanischen Weine wird den württembergischen Weinen eine drückende Konkurrenz gemacht. Eine Erhöhung des Weinzolles hat aber doch ihre großen Bedenken. Ich sehe keinen anderen Ausweg, als die gleiche Behandlung der ausländischen Weine mit den inländi⸗ schen. Die Lage der Winzer ist so ungünstig, daß alle Mittel ergriffen werden müssen, um sie vor dem Untergange zu bewahren.
Abg. Hoffmann⸗Kaiserslautern (Soz.): Um den Pfälzer Weinbauern zu helfen, gibt es zwei Wege: entweder die Belastung der Auslandsweine, oder die Aufhebung des Privilegs der Steuerfreiheit für die Inlandweine. Die Resolution van Calker lehnen wir prinzipiell ab, da wir diese Zölle grundsätzlich bekämpfen. Der An⸗ trag unterstützt die Bestrebungen, diese Steuer weiter zu erhalten. Er ist auch mit ns auf die 1“ nicht durchführ⸗ bar. Wir schlagen Ihnen eine Resolution vor, die die Aufhebung der Oktrois in Lebensmittel vorsieht. Eine Verfassungsänderung ist zur Durchführung dieser Maßregel nicht nötig. Diese liegt vor allem im Interesse der Konsumenten. Jede Verteuerung des Weines führt notwendig zu einer Einschränkung des Konsums und damit zu einer Schädigung der Weinproduzenten und Weinhändler. Der Antrag
van Calker will Interessen vereinigen, die sich nicht vereinigen lassen, die Interessen der Winzer und der Städte. Wir wollen die Kon⸗ sumenten entlasten, und das ist um so notwendiger, wenn es richtig ist, daß Straßburg eine so hohe Einnahme aus dem Oktroi auf
Wein ezieht.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn⸗ l
Meine Herren! Ich bin heute nicht in der Lage, zu den ver⸗ schiedenen in der Weinfrage eingebrachten Resolutionen eine bestimmte Stellung einzunehmen. Das möchte ich allerdings dem Herrn Vor⸗ redner erwidern, daß es nicht gut vertretbar sein wird, in die Finanz⸗ gesetzgebung der Bundesstaaten in der Weise einzugreisen, daß man landesgesetzlich zu Recht bestehende Steuern durch Reichsgesetz auf⸗ hebt, es sei denn, daß das Reich eine entsprechende Abgabe für sich in Anspruch nimmt. Was den Wein anbetrifft, so kommt noch be⸗ sonders in Betracht die bei der Königlich württembergischen Regierung bestehende Auffassung, die Ihnen aus den Verhandlungen hier im Hause und in den Kommissionen bekannt ist.
Ein berechtigter Kern liegt jedenfalls auch in der sozialdemokra⸗ tischen Resolution, indem auch sie von dem Wunsche ausgeht, eine gewisse Ungleichheit in der Belastung des ausländischen und des inländischen Weines zu beseitigen — ein Wunsch, auf den auch speziell die beiden anderen Herren Vorredner, die Abgg. Gunßer und Dr. van Calker eingegangen sind. Wie schon erwähnt, kann ich auf die von Herrn Abg. Dr. van Calker an mich ge⸗ richtete Frage noch keine abschließende Antwort erteilen. Ich kann aber mitteilen, daß wir sehr umfangreiche Ermittlungen übe den Gegenstand eingeleitet haben, daß wir insbesondere mit den Regierungen der Weinbau treibenden Länder in Verbindung getrete sind und daß wir im Einvernehmen mit diesen Regierungen die Frage eingehend prüfen werden. Schon aus diesem Umstande, aus der Zu⸗ ziehung der beteiligten Regierungen, werden die Herren entnehmen, daß das Interesse des Winzerstandes, das mir der Herr Dr. van Calker in so warmer und so liebenswürdiger Weise an das Herz gelegt hat, bel der Erledigung der Angelegenheit soweit tunlich Berücksichtigung finden wird. (Bravo!)
Abg. Baumann (Ztr.): Der Weinbau befindet sich wirklich in einer sehr schwierigen Lage. Das wird ja von allen Seiten z gegeben. Die Löhne sind gestiegen, und alle Materialien sind teurer geworden. Bei den zukünftigen Handelsverträgen wird man des⸗ halb darauf sehen müssen, wie hier Abhilfe geschafft werden kann.
Abg. Dr. Blankenhorn (nl.): Ein weiterer Schutz des heimischen Weinbaues ist absolut notwendig. Da wir die Zölle jetzt ngtürlich nicht heraufsetzen können, so müssen wir auf einem anderen Wege zum Ziel zu kommen suchen, damit wenigstens etwas geschieht. Deshalb kann man ruhig dem Antrag van Calker zustimmen. Der sozialdemokratische Antrag bietet keinen gangbaren Weg. Er ist ein Schlag ins Wasser. Eine Reichsweinsteuer wollen auch wir nicht. Das ist schon früher immer von uns erklärt worden.
Abg. Emmel (Soz.): Der Staatssekretär irrt in der Annahme, daß wir kein Mittel haben, auf die Abschaffung des Oktrois für Wein hinzuwirken. Dies ist ja beim Fleisch und anderen Nahrungsmitteln möglich gewesen. Unser Weg ist der einzig gangbare. Wir sind froh, daß wir die billigen ausländischen Weine haben. Sonst würden die kleinen Leute überhaupt gar nicht mehr zum Weingenuß kommen. Die Erhebungskosten der Oktrois stehen zu ihrem Erträgnis in keinem Verhältnis; die Oktrois werden über kurz oder lang fallen müssen. Im vorigen Jahr hat das Reichsschatzamt einen Erlaß er⸗ gehen lassen, durch welchen den Gemeinden bezüglich ihrer Finanz⸗ wirtschaft Schwierigkeiten zu machen versucht wird. Es wird darin darauf hingewiesen, daß die Schulden der Gemeinden sich um 300 % erhöht haben, die Staatsanleihen aber nur um 95 %. Die Reichs⸗ anleihen werden dabei nscht berücksichtigt. Zwischen den Zeilen wird in dem Erlaß ausgesprochen, daß die Kommunalpapiere keine Mündel⸗ sicherheit mehr genießen. Gerade das Reich hat auf dem Gebiete der Anleihe am meisten gesündigt und den Gemeinden ein Beispiel gegeben. Es wird weiter darauf hingewiesen, daß die Gemeinden zuviel Luxus trieben. Das wagt man in einem Augenblick, wo wir uns mit dem Grundstück des Militärkabinetts zu beschäftigen hatten. Schließlich werden die Aufsichtsbehörden in dem Erlaß gegen die Gemeinden scharf gemacht. sehe in diesem Erlaß einen Eingriff in das Selbstverwaltungs⸗ recht der Gemeinden, in ihre gesunde Entwicklung. Unterzeichnet ist dieser Erlaß von dem früheren Staatssekretär, dem jetzigen Oberbürgermeister von Berlin Wermuth. Ich wollte nur feststellen, welcher Geist in der Verwaltung gegenüber der Selbstverwaltung herrscht. Wir müssen entschieden gegen ein solches Eingreifen protestieren, weil es sich bei den Gemeinden um kulturelle Aufgaben handelt, die eine Anleihe erfordern. Die Kosten für die Erhebung der Zölle und Steuern werden den Einzelstaaten nicht vollständig ersetzt. Das ist eine Ungerechtigkeit; darunter leidet namentlich Elsaß⸗Lothringen. Um diese Ungerechtigkeit zu beseitigen, sollte das Reich die indirekten Steuern allein einziehen.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Kühn: b
Meine Herren! Ich will mich ganz kurz fassen. — Wenn der Herr Vorredner in dem von meinem Herrn Amtsvorgänger erlassenen Rundschreiben einen Eingriff in die Rechte der Gemeinden gefunden hat, so erledigt sich der Vorwurf einfach dadurch, daß das Schatzamt überhaupt in gar keiner Weise in der Lage ist, die Gemeinden zu beeinflussen oder ihnen Vorschriften zu machen. Daß wir aber von der Reichsschatzverwaltung aus, die doch u. a. auch die Aufgabe hat, die Kurse der Reichspapiere tunlichst hoch zu halten — und Sie alle verlangen es ja von uns —, in der Richtung wirken, auch Anleihen der Stadtverwaltungen, soweit sie nicht unbedingt nötig und gerecht⸗ fertigt sind, vom Anleihemarkt fernzuhalten, das werden Sie ver⸗ stehen. Wenn ferner von unserer Seite versucht wird, den Grund⸗ sätzen, die wir im Einverständnis mit Ihnen bei der Finanzverwal⸗ tung in bezug auf das Schuldenwesen seit einigen Jahren befolgen, auch anderwärts, auch im Haushalte der Gemeinden Geltung zu verschaffen, so werden Sie das ebenfalls verstehen. (Sehr richtig! rechts.) In dem Erlaß ist weiter nichts geschehen, als daß die Aufmerksamkeit der Bundesregierungen auf die Gesichtspunkte hingelenkt ist, die bei der Bewilligung von Anleihen in Betracht kommen können. Es ist auch noch ausdrücklich hervorgehohen worden, daß es sich bei unseren Anregungen niemals um Regeln handeln kann, von denen keine Aus⸗ nahmen zulässig wären, sondern daß selbstverständlich immer die Um⸗ stände des Einzelfalles in Betracht gezogen werden müssen.
Weas die zweite Frage des Herrn Vorredners betrifft, so kann ich ihm erwidern, daß vor einiger Zeit ein Rundschreiben des Schatzamts an die Bundesregierungen einschließlich Elsaß⸗Lothringens ergangen ist, in welchem neue Vorschläge wegen der Regelung der Verteilung der Zollverwaltungskostenvergütung gemacht worden sind. Elsaß⸗ Lothringen würde nach der von uns vorgeschlagenen Regelung etwas besser fahren als bisher, wenn auch noch nicht in dem Maße, wie es der Herr Statthalter in Elsaß⸗Lothringen für notwendig hält. Er hat uns von seiner Auffassung Mitteilung gemacht, wir sind mit ihm in Schriftwechsel getreten und haben ihn gebeten, uns seinerseits an⸗ zugeben, welche Maßstäbe für die Verteilung von Elsaß⸗Lothringen