leicht Unordnung und Verstopfung. Diese Möglichkeit ist aber nicht gegeben, wenn beim Dampfbetrieb verblieben wird. Wir können die vollkommensten Dampfmaschinen beschaffen — und wir müssen sie sogar noch beschaffen, um nur noch den Betrieb bis 1918/19 führen zu können —, so werden wir doch nicht in der Lage sein, auch nur annähernd diese Höchstleistungen zu erreichen, oder, wenn wir ihnen zustreben, den Fahrplan sicher zu stellen. Auch der Versuch, uns während des vergangenen Jahres eine für diese Zwecke eigens konstruierte Lokomotive zu präsentieren, wie er von den Lokomotiv⸗ fabrikanten gemacht worden ist, kann nicht als gelungen be⸗ zeichnet werden. Mit diesen ungeheueren Maschinen würden wir Leistungen, wie wir sie anstreben, nicht erreichen, jedenfalls aber nicht den Fahrplan siccherstellen. Diese rein betriebstechnischen Momente machen es unmöglich, mit der Dampf⸗ maschine die Höchstleistung zu erreichen, die absolut erforderlich ist. Dazu kommen die wirtschaftlichen Momente, deren bereits der Herr Berichterstatter in seiner Rede soeben Ausdruck verlieh. Wir würden, wenn wir Dampfmaschinen von außergewöhnlicher Stärke einstellten und den ganzen Park der Stadt⸗, Ring⸗ und Vorortbahnen ganz gleichmäßig damit ausstatteten, im Effekt eine jährliche Mehrausgabe von annähernd 6 Millionen Mark haben, wobei noch nicht einmal damit gerechnet ist, daß die Kohlenpreise bis 1918/19 weiter steigen werden, wie sie das in den letzten Jahren getan haben. Die Frage, ob Dampf oder Elektrizitat, ist also für die Staatseisenbahnverwaltung entschieden. Blieben wir beim Dampfbetrieb, so würden wir eine Verbesserung durchführen können; aber wir würden niemals die Höchst⸗ leistung erreichen, die wir erreichen müssen, um auf diesem Netz einen geordneten und sicheren Betrieb auf die Dauer führen zu können.
Neben dieser Hauptfrage war auch die Frage der Wahl der Stromart — Wechsel⸗ oder Gleichstrom — heiß umstritten. Die Staatseisenbahnverwaltung hat sich für den Wechselstrom ent⸗ chieden. Wir betreiben augenblicklich die 26 km lange Bahn von Blankenese nach Ohlsdorf bei Hamburg mit Wechselstrom in dichter Zugfolge, wenn auch nicht so dicht, wie wir es hier als Maximum in Aussicht genommen haben. Der Betrieb ist seit sechs Jahren voll im Gange und bewährt sich glänzend. Seitdem wir eine Regelung der Tarife und eine Erhöhung der Fahrpreise vorgenommen haben, wissen wir, daß der Betrieb auch rentabel ist; er verzinst das Anlagekapital und sichert auch noch eine Tilgungsquote. Wir haben auch auf unseren Versuchsbetrieben in der Provinz Sachsen, die in der Vorbereitung sind, bereits eine 30 km lange Strecke mit Wechselstrombetrieb. Auch diese Strecke liefert uns den Beweis dafür, daß wir auf dem richtigen Wege sind. Es soll damit nicht ausgesprochen werden, daß sich der Wechselstrom unter allen Umständen für solche Netze wie das Berliner Netz eignet. Es ist da die recht interessante Tatsache festzustellen, daß der Hamburgische Staat im vergangenen Jahre ein Hoch⸗ und Untergrundbahnnetz in Betrieb genommen hat und daß auf diesem Netze Gleichstrombetrieb eingeführt wurde. Aber dieselben Gesellschaften, die es dort für zweckmäßig hielten, den Gleichstrombetrieb zu empfehlen, sind der Auffassung, daß für den Berliner Betrieb der Wechselstrom der richtige ist. Das Abgeordneten⸗ haus hat in einer Resolution dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß bei der Einbringung der Gesetzesvorlage, in der die weiteren Mittel an⸗ gefordert werden müssen, auch über diese Frage nähere Aufschlüsse ge⸗ geben werden. Das wird geschehen. Wir sind deshalb zufrieden, aß wir durch die Bewilligung der 25 Millionen festen Fuß be⸗ ommen. Bei der grundsätzlichen Anerkennung, daß der elektrische
etrieb eingeführt werden soll, sind wir in der Lage, im Laufe des
üunserer Anschauung erhärten sollen.
Niccht minder umstritten war die Frage, ob es zweckmäßig die großen Kraftwerke von Privaten bauen und betreiben n oder durch den Staat. Wir hatten uns für die privaten Kraftwerke entschieden, aus verschiedenen Gründen, 1 erster Linie deshalb, weil die preußische Staats⸗ eisenbahn bereits heute in weitestem Umfange ihren Strom für Licht⸗ nd Kraftzwecke von privaten Werken bezieht, und zwar auch für Zwecke, die man als diffizile bezeichnen kann, beispielsweise die Be⸗ euchtung der großen Rangierbahnhöfe, insbesondere innerhalb eines Bahnnetzes, wie es das rheinisch⸗westfälische ist. Die Störung der Stromzuführung kann auch hier sehr erhebliche Mißstände für den Betrieb herbeiführen; aber da wir jahrzehntelang den Strom aus olchen privaten Werken bezogen haben, sind wir außer Sorge, daß
ich hier Ungewöhnliches zutragen werde. Wir waren ferner der Meinung, es biete gewisse Vorteile, wenn man für die Aufbringung des Kapitals, das auf 90 Millionen ver⸗ nschlagt ist, das Privatkapital heranzöge. Aber in der Kommission des anderen Hauses und demnächst auch im Plenum trat eine ent⸗ chiedene Meinung dafür hervor, daß es nützlicher wäre, diese Werke Staatswerke auszubauen, sodaß die Staatsregierung nicht Anstand genommen hat, auszusprechen, daß sie diesem Ansinnen ntsprechen wolle. Es wurde freilich die Anregung gegeben, ob es icht zweckmäßig sei, zerke als gemischte Werke, als gemein⸗ ame private und Staatswerke mit der Maßgabe zu bauen, daß er Staat die entscheidende Stimme haben solle. Aber diese An⸗ egungen sind nicht in Form von Anträgen oder Resolutionen zum Ausdruck gekommen; die Staatsregierung hat in dieser Frage völlig reie Hand, sie wird im Laufe des Jahres geklärt werden. Ich kann ür meine Person aussprechen, daß mir, nachdem die Entscheidung ge⸗ ist, daß der Staat entscheidend mitwirken solle beim Bau ind Betriebe der Kraftwerke, eine Lösung in dem Sinne, daß der usschließlich Kraftwerke baue und betreibe, nur erwünscht
die W
roffen
Die Frage der Sicherheit der Landesverteidigungsinteressen habe
ich bereits berührt. Sie hat auch im andern Hause eine große Rolle espielt. Ich darf feststellen, daß keine derartige Gesetzesvorlage er, olgen kann, ohne daß vorher eine völlige Verständigung mit der
m Interesse der Landesverteidigung möglich ist. Ein Kommissar der resverwaltung hat im andern Hause auch ausgesprochen⸗ ie Interessen in jeder Weise sicchergestellt erscheinen,
und ich darf feststellen, daß, wenn demnächst dem elektrisierten Berliner Netze elwas zustößt, wenn die Stromzuführung zeitweilig unterbrochen ist, daß dan
tõ
in der Lokomotivenpark der Staatsbahnen in Berlin gerade, wo ein so großes Bahnnetz zusammenläuft, so stark ist, daß an der Versorgung des Netzes mit Dampflokomotiven niemals weifelt werden kann.
Gleichartige Bedenken waren geäußert worden, ob auch das Inter⸗ esse der Reichspost, beziehungsweise der Reichstelegraphenverwaltung gesichert sei. Denn die Starkstromleitungen beeinslussen die Schwach⸗ stromleitungen, und man fürchtete, daß durch den Starkstrom der
Schwachstrom der Reichstelegraphenverwaltung Not leiden könne. Es
sind sehr erbebliche Mittel für die Sicherssellung dieser Interessen vorgesehen, über 10 Millionen, und wir dürfen bestimmt annehmen, daß, wenn die Isolierung der Rückleitungen in der richtigen Weise erfolgt, die Frage als gelöst betrachtet werden kann. Es ist selbst⸗ verständlich der Reichspostverwaltung zugesichert worden, daß der Be⸗ keiebnict eröffnet wird, bevor nicht diese Frage zweifelsfrei ge⸗ öst ist.
Es war die Voraussetzung für die Einbringung dieser Vorlage durch die Staatsregierung, daß das zu investierende Kapital unter allen Umständen verzinst und getilgt werden müßte; ohne diese Vor⸗ aussetzung könnten wir niemals daran denken, dem Staate eine weitere finanzielle Belastung zuzumuten. Von diesem Gesichtspunkte aus bleibt nichts anderes übrig, als die jetzt geltenden abnorm niedrigen Tarife zu erhöhen. Zweifelhaft kann nur die Grenze der Erhöhung sein. Man muß davon ausgehen, daß die ganze Wohnungspolitik Berlins, das Wohnungswesen sich seit 20 Jahren und länger auf diese außerordentlich niedrigen Tarife hat einrichten können. Es ist gar keine Frage und wird mir auch von anderer Seite bestätigt, daß die Tarifpolitik der Staatsbahn zu der erwünschten Dezentralisierung des Wohnunzswesens in Berlin nicht unwesentlich beigetragen hat. Das ist ein Gesichtspunkt, der für eine Weltstadt von eminenter Be⸗ deutung ist, wie wohl allgemein zugegeben werden kann.
Wenn man annimmt und annehmen muß, daß diese Verhältnisse keinesfalls grundlegend geändert oder erschüttert werden dürfen, so ergab sich daraus das Maß der in Aussicht zu nehmenden Tarif⸗ erhöhungen; sie durfte nur so hoch sein, um die Verzinsung und Til⸗ gung dieses neu zu investierenden Kapitals sicher zu stellen. Die Tariferhöhung mußte und konnte in Aussicht genommen werden, weil ein Stadt⸗, Ring⸗ und Vorortbahnbetrieb von solcher Vollkommenhelt, wie er sich nach der Elektrisierung darstellen wird, allen denen, die auf die Benutzung dieser Bahn angewiesen sind, sehr erhebliche Vor⸗ teile gewährt. Darum ist auch der Moment der Einführung des elektrischen Betriebes der gegebene, um eine Erhöhung der Tarife durchzusetzen.
Es ist der Wunsch ausgesprochen worden, die Tariferhöhung so weit zu steigern, daß auch das alte Anlagekapital verzinst werden möge. Ich halte diesen Wunsch an sich für nicht unberechtigt, aber im Extrem ist er nicht ausführbar, weil eben das eintreten würde, was wir vermeiden wollen, eine starke Beeinflussung der Wohnungs⸗ politik von Berlin. Nachdem aber in Aussicht gestellt und als fest⸗ stehend erachtet werden kann, daß die Kraftwerke als Staatswerke gebaut werden, daß aus dem eigentlichen staatlichen Betriebe dieser Werke nunmehr derjenige Gewinn, den das Privatunternehmen aus dem Betriebe ziehen wollte und konnte, dem Staat zufließen wird, darf angenommen werden, daß wenigstens ein Teil des alten Kapitals auf diese Weise eine gewisse Verzinsung finden kann.
Die Kommission und das Plenum des Abgeordnetenhauses und die Kommission dieses hohen Hauses haben beschlossen, die Mittel zur Vorbereitung der Elektrisierung zu bewilligen. Das genügt der Staatsverwaltung durchaus, denn damit ist anerkannt, daß grund⸗ sätzlich die Elektrisiegeng durchgeführt werden soll. Man hat die Mittel um 25 Millij den gekürzt; diese Kürzung kann hingenommen werden, weil wir imn /ie Lage gesetzt werden, weiter zu arbeiten. Es wird jetzt eine umfassende Organisation für die Durchführung des großen Unternehmens geschaffen, an die wir nur dann herangehen konnten, wenn wir Gewihheit hatten, daß elektrisiert werden würde.
Die Kommission hat aber noch eine weitere Einengung der Vor⸗ lage vorgenommen, sie hat die Elektrisierung nur in Aussicht genommen für diejenigen Strecken, auf denen Stadtbahnzüge verkehren, also auf alle die Strecken, die im unmittelbaren Zusammenhange mit der Stadtbahn stehen, also mithin, soweit die Züge über die Stadtbahn hinweggehen, auch auf die Vorortstrecken. Auch diese Begrenzung hat hingenommen werden können. Wir sind durch die Resolution ver⸗ anlaßt festzustellen, ob diese Begrenzung wirtschaftlich richtig ist. Es kann das in bohem Maße zweifelhaft sein, und ich glaube, wir werden in der Lage sein, den Nachweis zu führen, daß es unwirtschaftlich wäre, wenn man den größten Teil des Berliner Bahnnetzes elektri⸗ sierte, einzelne Strecken aber ausließe, beispielsweise die sehr wichtige Strecke vom Potsdamer Bahnhof nach Wannsee, vom Görlitzer Bahnhof nach Grünau oder die vom Stettiner Bahn⸗ hof ausgehenden Vorortstrecken. Theoretisch ist bes sehr wohl mög⸗ lich, diese Strecken, die nicht in unmittelbarem betrieblichem Zusammen⸗ hang mit der Stadtbahn stehen, auszuscheiden; praktisch wird sich nach unserer Meinung ergeben, daß es unwirtschaftlich wäre. Diese Frage wird aber bei der bevorstehenden Gesetzesvorlage ihre Klärung finden.
Ich konnte im anderen Hause darauf hinweisen, daß dieser Vor⸗ lage nicht nur jedes grundsätzliche Moment im Sinne einer allge⸗ meinen Elektrisierung der Staatsbahnen fehlt, daß sie auch ohne jede wirtschaftliche Bedeutung ist, daß das Wesen der Vorlage vielmehr auf rein technischem Gebiete liegt. Die Verwaltung muß, weil es sich überwiegend um betriebstechnische und um verkehrstechnische Fragen handelt, die Bitte aussprechen, daß ihr wie bisher das Vertrauen entgegengebracht wird, daß sie diese Fragen zweckmäßig und gut lösen wird. Es ist für eine Verwaltung, die ihre Erfolge zum großen Teil dem Dampflokomotivenbetriebe verdankt und die Entwicklung des Dampflokomotivenbetriebes hat sich unter stärkster Mitwirkung der Verwaltung vollzogen ein sehr schwerer Entschluß, für ein so be⸗ deutsames Netz, wie es das Netz der Berliner Ortsbahnen ist, vom Dampf⸗ zum elektrischen Betrieb überzugehen. Dieses gilt insbe⸗ sondere für die auf dem Gebiet der Technik führenden Männer, die diese Erfolge durch ihre Tätigkeit herbeigeführt haben. Aber auch diese sind der Meinung, daß es keine andere Lösung gibt, wenn man grundlegend Wandel schaffen will. Ich habe im anderen Hause auch noch darauf hinweisen müssen, daß die führende elektrische Industrie, man darf sagen, führend auch in der Welt, es nicht unternommen haben würde, das Netz der Berliner Ortsbahnen zu elektrisieren und zwar im Sinne der Verwaltung mit Wechselstrom zu elektrisieren, wenn nicht ein voller Erfolg gewähr⸗ leistet wäre. Man kann wohl aussprechen, daß die allgemeine Meinung dahin geht, daß für ein solches Netz der technische Fort⸗ schritt nur in der Elektrisierung besteht. In keiner Weltstadt, in keiner Großstadt ist man, wenn aus gleichartiger Veranlassung eine
lenderung des Betriebssvstems erforderlich war, etwa zum veroe kommneten Dampfbetrieb übergegangen, sondern überall nur za2 elektrischen Betriebe.
Unter diesem Gesichtspunkte empfehle ich dem hohen Hause, Vorlage die verfassungsmäßige Zustimmung in der Fassung des M. geordnetenhauses zu erteilen. (Lebhaftes Bravo.)
Graf von Behr⸗Behrenboff: Es ist interessant, ze zwei große Vorlagen wegen Elektrisierung von Bahnen in beiß Häusern des Landtages ohne jede Schwierigkeit Zustimmung gefund haben, während jetzt bei der vorliegenden Vorlage über die Elekt sierung der Stadt⸗ und Ringbahn das Abgeordnetenhaus ungefähr Jahr gebraucht hat, um die Sache zu prüfen, und viele Beden. nach allen Richtungen “ hat. Wenn man sich eingehend a der Frage beschäftigt, so kann man es nur dankbar begrüßen, . seitens des anderen Hauses eine so intensive Prüfung vorgenomm worden ist. Ich kann die Prüfung nur für berechtigt ansehen, insofen sich um die finanzielle Seite der Frage handelt. Ich kann es aber ii für richtig halten, daß das Abgeordnetenhaus sich auch in intenste Weise mit der Frage beschäftigt hat, wieweit die Elektrisierungt Stadtbahn auch technisch durchführbar ist. Damit hat sich das † geordnetenhaus auf ein Gebiet begeben, auf dem es nicht sachpe ständig sein kann. Die Folge ist gewesen, daß das Abgeordnetenhaus! gutachtliche Tätigkeit von Sachverständigen in Anspruch genommen h Man kann nicht bestreiten, daß die Dampfinteressenten nicht n befangen sind. Freilich sind die Interessenten der elektrist Industrie ebenso befangen gewesen. Für die Zustände ist es de ein bedauerliches Zeichen, daß alle bedeutenden Sachverständig auf elektrischem Gebiet, soweit sie sich in staatlichen Stellungg befunden haben, es ablehnten, irgend ein Gutachten mit ihrem Nan zu decken, weil sie sonst durch die elektrischen Konzerne in ihrem Fam kommen aufs höchste gefährdet sein würden. In der Sache wirden sich dem anschließen können, was der Minister gesagt hat, daß technischen Fragen das eigentliche sachverständige Urteil nur von! Staatsregierung abgegeben werden kann. Deshalb kann ich es nie für richtig halten, daß das Abgeordnetenhaus sich in eine Prüf der Frage hineingedrängt hat, die der Eisenbahnverwaltung vorbehal bleiben muß. Die Kommission des Herrenhauses hat sich bemüh nicht in diesen Fehler zu verfallen. Sie hat für die sachliche Pruf der Vorlage nicht ein Jahr gebraucht, sondern hat sie in zwei Tam erledigt. Wir haben uns in der Kommission, soweit es sich um te nische Fragen handelt, mit den Ausführungen der Regierung begnih Wer auf der Stadtbahn gefahren ist, der wird zugeben müssen, d dort schon jetzt die Zustände zu gewissen Zeiten unhaltbar gewon sind, und daß sie von Jahr zu Jahr immer noch unhaltbarer were Es muß daher Abhilfe geschaffen werden. Ich bedaure, daß die Regier, nicht schon früher an eine Prüfung dieser Frage herangetreten; Es ist die Frage gestellt worden, ob nicht die Stadt zu den Kos herangezogen werden soll. Wenn die Stadtbahn nicht bestände, kömn man im Zweifel sein bei der Beantwortung dieser Frage. Nachd aber der Staat die Stadtbahn erworben hat, ist es unabweisb Pflicht des Staates, auch den Verkehr in ausreichendem Maße bedienen. Es kann also nicht die Stadt Berlin oder der Zwe verband dazu herangezogen werden. Es ist etwas ganz anderes, we eine neue Bahn gebaut wird. Dann kann man von Kommurn verbänden auch eine Beteiligung verlangen. Es werden ja se erhebliche Mittel von uns gefordert, im ganzen 123 Million Davon geht ab der Wert der Lokomotiven mit erwa 30 M lionen; im ganzen wird immerhin mit rund 100 Millionen rechnen sein. Stellen wir jetzt 25 Millionen zur Verfügung, muß das später auch mit dem Rest geschehen. Bei einer so groh finanziellen Tragweite ist ernsteste Prüfung notwendig. Bisher 245 Millionen in der Stadt⸗ und Rinzgbahn investiert, die abweiche von dem Gesamtbahnnetz nicht nur keine Verzinsung liefern, sond— noch einen für das nächste Jahr auf 1,9 Million berechneten) 2 triebskostenzuschuß erfordern. Da muß doch auch auf Abhilfe; sonnen werden. Diese Abhilfe kann, wenn man erwägt, daß die Defizit sich auch weiter steigern wird, nur in der Elektrisiern erblickt werden. Uebersehen darf man freilich nicht, daß die Regieru die allein über die Tarife zu entscheiden hat, es ablehnt, für Dampfbetrieb eine Tariferhöhung eintreten zu lassen, während bereit ist, für die Einführung des elektrischen Betriebes eine soll in Aussicht zu nehmen, die etwa 8 Millionen Mark mehr einbrin 100 Millionen erfordern nun für Verzinsung doch mindestens 4,† Abschreibungen etwa 2 Millionen, bleiben also noch 2 Millionen; Verzinsung für das alte Netz. Es kommt anderseits hinzu, daß! elektrische Betrieb billiger sein wird als der Dampfbetrieb, sel diese 2 Millionen sich eventuell noch etwas vermehren, aber ob dl rund 8 Millionen ausreichen werden, erscheint mir doch en zweifelhaft, und ich bitte daher die Regierung, noch intensiv zu prif ob die Tarife nicht noch ein wenig mehr erhöht werden können. C Tariferhöhung bei Beibehaltung des Dampfbetriebes ohne gleichzeit Gewährung neuer Vorteile erscheint allerdings auch mir untunle Es ist fraglos ein Fehler, daß seinerzeit die Verwaltung so exorbit billige Tarife zugestanden hat: die Erhöhung wird zu erfolgen hat auch im Interesse der Gesamtheit, welche indirekt für die Bahn bie⸗ sehr erheblich hat zuschießen müssen. Ich möchte aber noch eine! klärung auch der Staatsregierung, nicht bloß der Eisenbahnverwalt haben, daß die zugesagte Erhöhung wirklich vorgenommen n. sowie daß der elektrische Strom in staatseigenen Werken erzeugt wfß Auf gemischte Werke sollten wir uns nicht einlassen; ich bin un allen Umständen dafür, daß der Staat sehr viel besser tut, das forderliche Geld dafür selbst aufzubringen und den Verdienst dar für sich selbst voll in Anspruch zu nehmen. Ich kann mich nur freus daß das andere Haus sich energisch in gleichem Sinne at gesprochen hat. Was den Kriegsfall betrifft, so habe ich keine 2 denken. Bedenklicher wäre es, wenn, was Gott verhüten wolle, 2 standsbewegungen in Berlin eintreten, denn elektrische Leitungen viel leichter unbrauchbar zu machen. Aber hier wirkt d beruhigend, daß solches Unternehmen für den Täter mit Lebensgese verbunden ist sowie daß die Versorgung Berlins mit Lebensmittg auf diesem Wege ebenfalls in Frage gestellt sein wün Nicht ganz so rosig wie der Minister sehe ich die Sicherung; Postleitungen an. Von den dafür in Aussicht genommenen 10 M. lionen sollen 5 zur Sicherung der eigenen Leitungen der Staatsbahr 5 zur Sicherung der Posttelegraphen und Telephonleitungen diens Man weiß, wie sehr der Starkstrom diese Leitungen beeinträcht Immerhin liegen die Verhältnisse bei den Ueberlandzentra anders als hier, wo eine besondere geschlossene Leitung † die Sicherung sorgt. Auch hier möchte ich bezweifeln, mit dieser Summe auszukommen sein wird. Alles in allem tritt, den großen Vorteilen für Berlin Rauchlosigkeit, größere Geräut losigkeit, Verbesserung des Verkehrs, der große Vorteil für die samtheit, daß ein bisher dauernd mit steigendem Defizit arbeiter Betrieb nunmehr wenigstens einigermaßen rentieren wird. Ich bi
die Vorlage und die Resolutionen unverändert anzunehmen; die 29
teile, die wir schaffen, überwiegen die Nachteile. Daß noch nicht Frage geklärt ist — bei der Elektrizität ist ja alles dauernd in! Schwebe —, kann uns nicht anders bestimmen; dieser Einwand l.
sich jederzeit machen, und wir kämen überhaupt nicht zu einem 90 schluß. Ich vertraue darauf, daß die Regierung die Vorlage risse
und sachgemäß ausführen wird.
Herr Wermuth: Alle Argumente, die man gegen diese Te lage angeführt hat, gipfeln in dem Gefühl, daß Berlin durch; Elektrisierung der Berliner Stadt⸗ und Ringbahn eine ungere fertigte Bevorzugung erfahre. Dabei weist man nicht ganz sel mit dem Finger auf Berlin, daß es viel zu viel erhält. Demger über möchte ich mir die Frage gestatten, wieviel denn Berlin utt haapt zu den Staatslasten beiträgt. Im Jahre 1912 betrug; Staatseinkommensteuersoll für den gesammten preußischen Sie⸗ 329,5 Millionen, davon entfielen allein auf die Stadt Be 44,1 Millionen. Das sind 13,4 % oder, wenn man die Steu zuschläge hinzurechnet, über 14 % des gesamten St einkommens. Auf Groß Berlin sogar entfallen 81,4 Milli
das ungefähr 24,7 %, und wenn man auch hier die Zuschläge hinzurechnet, dann ergibt sich noch ein böherer Prozentsatz. Groß Berlin bringt also ein volles Viertel des gesamten Steuersolls auf. Die Beteiligung des Verkehrs Berlins an den Staatzseisenbahneinnahmen ist ja in der Vorlage und in den eingehenden Darlegungen des Ministeis der öffentlichen Arbeiten anschaulich und korrekt dargelegt worden. Diese Wirkung des Berliner Verkehrs erscheint aber ganz natürlich, wenn man di Stellung Berlins in der Gewerbetätigkeit in der Monarchie be⸗ trachtet. Ich möchte darauf nicht weiter eingehen, daß die Stadt Berlin an der Verkehrsverbesserung nur ein sehr geringes Interesse hat, weil ihr dadurch fort und fort sehr gute Steuer⸗ zahler entzogen werden. Ich glaube, hier von dem Gesichts punkte ausgehen zu dürfen, daß alles, was einem Staatsgliede zu⸗ gewendet wird, auch den anderen Staatsgliedern zugute kommt. Aus dieser Erwägung heraus haben wir alle Veranlassung, dankba anzuerkennen, was jetzt in Groß Berlin gescheben soll, und alles auf⸗ richtig zu begrüßen, was der Staat für seine Landesteile tut. Jeden⸗ falls kann man von einer Bevorzugung Berlins auf keinen Fall sprechen. Was die Frage der Heranziehung des Zweckverbandes oder er Stadt Berlin zu den Kosten der Elektrisierung betrifft, so glaube ch, daß es nicht angebracht erscheint, der Regterung ein Kommunal⸗ organ zur Seite zu setzen. Dies würde zum großen Schaden für die Sicherheit des Betriebes führen, da natürlich auch die Beteiligten das Recht beanspruchen würden, ein Wort über die Verwaltung und Betriebsführung mitzureden. Es bleibt dem Staat nichts anderes übrig, als sein eigenes Institut auf der Höhe zu erhalten. Ich bezweifle stark, daß es richtig ist, daß es sich bei der Menschenmenge Groß Berlins überhaupt noch hier um einen Lokalverkehr handelt. Man braucht bei der Prüfung dieser Frage nur in Betracht zu ztehen, daß die Stadt Berlin jährlich un⸗ efähr 2 Millionen Fremde beherbergt. In der Arbheitsteilung zwischen Staat, Gemeinde und privater Unternehmungslust ist auch Berlin in recht reichlichen Maße beteiligt. Berlin steht hier in keiner Beziehung anderen Städten nach. Gerade jetzt ist eine sehr bhafte Bewegung im Gange, um nicht nur die Verkehrs⸗ erhältnisse im allgemeinen zu verbessern, sondern auch darauf wird großes Gewicht gelegt, das Schnellbahnsystem auszubauen. m Arbeit ist bereits eine Bahn, welche vom Norden nach dem Suden er Stadt geht. Wenn die Herren Interesse dafür haben, werde ich ne Karte auf den Tisch des Hauses niederlegen, welche den gesamten Plan für die Entwicklung der Schnellbahnen enthält. Rechnet man dazu alles, was geschehen ist zur Erweiterung des städtischen Straßen⸗ bahnnetzes, für Tunnelprofekte, Straßenanlagen und Brückenbau, so kann man dafür mindestens den Betcag von mehreren hundert Millionen Mark einsetzen. Dieser Betrag bezieht sich natürl'ch bloß auf die Stadt Berlin. Wenn man hierbei Groß Berlin mitrechnet, so würde man, um eine richtige Summe zu erlangen, diesen Betrag bedeutend höher anrechnen müssen. Die Vorlage paßt sich vollständig den Forderungen der Groß Berliner Verkehrsverhältnisse an. Man⸗ kann sie nur auf das freudigste begrüßen und ihr gern und ohne Rückhalt zustimmen. 8 Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Meine Herren! Ich habe mir bereits erlaubt festzustellen, daß Voraussetzung bei Einbringung der Vorlage gewesen ist die Durch⸗ führung einer Tartferhöhung zu der Zeit, in welcher die Elektrisierung sich vollzieht. Hierin liegt eine Bindung der Staatsregierung, die sie aber eingehen kann, auch eine Bindung bezüglich der Tarife, da es ihrer eigenen Auffassung entspricht, daß nur unter dieser Bedingung vorgegangen werden darf. Ich darf auch bestätigen, daß sich die Tarif⸗ erhöhung bis zu den Grenzen erstrecken soll und muß, die erforderlich sind, um eine Mehreinnahme von rund 8 Millionen Mark zu sichern.
Was nun die Frage der Erbauung der Kraftwerke durch den Staat betrifft, so habe ich seiner Zeit einen Beschluß des Staats⸗ ministeriums herbeigeführt und mich in der Kommission dahin geäußert, daß das Staatsministerium der Meinung sei, daß dem Ansinnen, dem Staate selbst die Stromlieferung zu übertragen, nicht zu widersprechen sei. Ich habe weiter ausgeführt, als an mich das Ansinnen gerichtet wurde, mich darüber zu äußern⸗ ob ein gemischtwirtschaftlicher Betrieb einzurichten sei, eine bestimmte Stellung hierzu wolle ich nicht einnehmen, sondern nur feststellen, daß die Staatsregierung grundsätzlich bereit sei, auf eine Stromversorgung durch Private für die Stadt⸗, Ring⸗ und Vorortbahn zu verzichten.
Im Anschluß an diese Erklärung darf ich nur feststellen, daß nach meiner persönlichen Auffassung die Einrichtung eines rein staatlichen Kraftwerkbetriebes zweckmäßig ist. Ich kann es daher nur begrüßen, daß es in beiden Häusern des Landtags der Staatsregierung und mir als Ressortminister nahegelegt worden ist, ausschließlich den staatlichen Kraftwerkbetrieb durchzuführen und in Aussicht zu nehmen. Die Sorge, daß die elektrischen Anlagen, seien es Kraftwerke, seien es Speise⸗ oder Betriebsleitungen, durch Sabotage gefährdet werden können, ist nicht wegzuleugnen. Graf Behr hat aber bereits darauf hingewiesen, daß der Fernverkehr von solchen Sabotageakten überhaupt nicht getroffen werden kann, da er ja nach wie vor mit Dampflokomotiven befördert werde. Die Sabotage könnte also nur den Stadt⸗, Ring⸗ und Vorortverkehr treffen. Auch dies wäre unerwünscht; aber wenn man sich vergegen⸗ wärtigt, daß wir in Berlin immer einen großen Dampflokomotiven⸗ park zur Verfügung haben, der jederzeit einspringen kann, so liegt auf der Hand, daß die Störungen nicht sehr empfindlich sein würden. Treffen die Störungen die Leitungen oder auch die gesamte Instal⸗ lation der Bahn, so sind sie nach den Meinungen meiner Sachver⸗ ständigen schnell zu beseitigen. Schwieriger liegt es natürlich, wenn sich die Sabotage gegen die Kraftwerke richtet. Aber in bewegten Zeiten wird man die Kraftwerke unter ganz besonderer Kontrolle, wahrscheinlich unter militärischen Schutz nehmen.
Herr Dr. von Dziem bowski: Wie verschiedene Wege nach Rom führen, so führen auch verschiedene Gründe und Er⸗ wägungen zur Annahme einer Vorlage. Ich möchte die Annahme dieser Vorlage durchaus befürworten, aber meine Auffassung weicht deoch in einigen Punkten von dem ab, was Herr Wermuth vorgetragen hat. Dies gilt namentlich von der Frage, ob ein Vorzug der Stadt Berlin in der Einrichtung der Stadt⸗, Ring⸗ und Vorortbahnen zu erkennen sei, und von der Tariffrage. Ich bin der Meinung, daß eine Fort⸗ dauer des gegenwärtigen Zustandes nicht zu dulden ist. Ich muß die Gründe für die Aenderung und Verbesserung dieses Zustandes durchaus anerkennen. Die Einrichtungen und die Sicherheit lassen nach den bestimmten Erklärungen der Eisenbahnverwaltung zu wünschen übrig, und das finanzielle Resultat insbesondere der Stadtbahn ist überraschend ungünstig. Dieses Resultat ist mit zurückzuführen auf die Ausdehnung der anderen Betriebswege und insbesondere auch des Automobil⸗ verkehrs. Ich erkenne an, daß die Stadt Berlin einen Anspruch auf eine größere Betriebssicherheit und auf einen schnelleren Verkehr hat. Eine Bevorzugung Berlins kann ich in einer solchen Maßregel nicht erblicken. Die Einwohnerschaft, insbesondere der Vororte, haben einen direkten Anspruch darauf, schnell und sicher befördert zu werden, denn Zeit ist Geld. Was aber die Frage der Verzinsung an⸗ langt, so bin ich doch der Meinung, daß Berlin keinen Anspruch darauf hat, daß dauernd die Tarife so niedrig gehalten werden, daß nicht nur keine Verzinsung vorhanden ist, sondern noch Zuschüsse not⸗ wendig sind. In dieser Beziehung erkenne ich auch nicht an, daß der Vergleich der Steuerlast, den Herr Wermuth gezogen hat, irgendwie beweiskräftig ist. Der Staat ist nicht eine Erwerbsgesellschaft, der die
858 8 8 Eb“ * 88 8 — Verpflichtung hätte, auf Grund der Aequivalentstheorie denen, die das meiste beisteuern, auch das meiste zu leisten; die Gesichtspunkte, von denen der Staat und die Eisenbahnverwaltung ausgehen, sind weittragender. Zu den Meliorationsbahnen leisten die Interessenten namhafte Zuschüsse. Ueberall wird die Hergabe des Grund und Bodens von den Kreisen verlangt. Wenn die Tarife so niedrig gehalten werden, wenn die alten Tarife fortdauern oder gar ermäßigt werden, so haben zum großen Teil die Hauseigentümer, die Bauspekulanten den Vortetl davon. Die Stadt⸗ und Ringbahn dient der Anregung volkswirtschaftlich tätiger Kräfte und bietet Gelegenheit zur Ausnutzung der Chancen. Zwischen dem Parallelogramm der Kräfte die richtige Diagonale zu finden, wird Aufgabe der Staatsregierung sein. “ “
Damit schließt die Generaldiskussion.
In der Spezialdiskussion wird das Gesetz im einzelnen und darauf im ganzen in der Fassung des Ab⸗ geordnetenhauses einstimmig angenommen. Die von der Kommission beantragten Resolutionen gelangen ebenfalls zur Annahme.
Es folgt der Bericht der XVI. Kommission Gesetzentwurf, betr. die Verbesserung der Oderwasserstraße unterhalb Breslaus, in dem für den Ausbau der Oder unterhalb Breslaus 18,5 Millionen und für die Anlegung von Staubecken, und zwar zunächst eines Staubeckens an der Glatzer Neisse bei Ottmachau, 18,2 Millionen Mark gefordert werden.
Berichterstatter Herr Remy referiert eingehend über den Inhalt der Vorlage und über die Kommissionsberatung, er be⸗ antragt namens der Kommission die unveränderte Annahme der Vorlage sowie folgende Resolution:
„die Regierung in Uebereinstimmung mit dem Hause der Ab⸗
geordneten zu ersuchen, unter entsprechender Heranziehung der Interessenten
1) eine Begradigung und Vertiefung der Fahrstraße Swine⸗
münde —Stettin auf mindestens 8 m durchzuführen,
2) eine Ermäßigung der staatlichen Vertiefungsabgabe ein⸗
treten zu lassen“.
Der Berichterstatter beantragt ferner, eine Petition des Landeshauptmanns von Schlesien um Inkraftsetzung der Kom⸗ pensationen, welche der schlesischen Montanindustrie zum Aus⸗ gleich der Verschiebung ihrer Wettbewerbsverhältnisse durch den Großschiffahrtsweg Berlin —Stettin gemäß § 6 des Wasser straßengesetzes vom 1. April 1905 zu gewähren sind, der Re⸗ gierung als Material zu überweisen, sowie über eine Petition von Einwohnern von Patschkau um Ablehnung des Stau beckens an der Glatzer Neisse bei Ottmachau zur Tagesordnung überzugehen.
Graf von Zedlitz und Trützschler: Als Schlesier und früherer Oberpräsident der Provinz Schlesien möchte ich zunächst der Regierung und vor allem dem Ressort der öffentlichen Arbeiten meinen herzlichen Dank dafür aussprechen, daß sie durch Einbringung der Vorlage, insoweit es sich bei ihr um die Verbesserung der Schiffahrtsverhältnisse der Oder handelt, so weitgehend entgegen⸗ gekommen ist. Ich bin, etwas abweichend von der Ansicht, die in dieser Frage im Abgeordnesfenhause und an anderer Stelle zur Aeußerung gelangt ist, der Meinung, daß die Verbesserung der Oder⸗ wasserstraße nicht nur vorzugsweise der oberschlesischen Industrie, sondern ganz Schlesien zu gute kommen würde, und daß deswegen die Bedeutung dieser Verbesserung größer ist, als bisher angenommen wurde. Diese Auffassung stützt sich auf Erfahrungen, die ich seinerzeit als Oberpräsident in den J 1904/05 gemacht habe.
über den
Jahren In diesen Jahren zeigte es sich ganz klar, daß die Außerkurssetzung des Schiffsbetriebes eine sehr erhebliche Erschwerung der wirischaft⸗ lichen Verhältnisse in Schlesien herbeigeführt hat. Auch die Land⸗ wirtschaft litt damals unter der ungeheuerlichen, den Preisverhältnissen des Weltmarktes nicht entsprechenden Preiserhöhung ihrer Import⸗ artikel. Auch der Export ihrer Produkte wurde in einer ebenfalls den Weltmarktpreis üuberragenden Weise durch die Verteuerung der Transportbedingungen behindert. Wir Schlesier sind in dieser Be⸗ ziehung ganz ungewöhnlich ungünstig gestellt, weil wir von drei Seiten umgeben sind von fast hermetisch verschlossenen Grenzen, und weil unser ganzer Verkehr nur nach Norden gehen muß oder von dort herkommen muß, um fruchtbringend für Schlesien verwertet zu werden. Ich bin aufichtig dankbar für die starke Verbesserung der Oderwasser⸗ verkehrsverhältnisse, die in diesem Entwurf enthalten ist. Indem ich anknüpfe an die letzte Bemerkung des Referenten, bezüglich der Be⸗ friedigung der Interessen der oberschlesischen Montanindustrie und bezüglich der Kompensierung der durch den Großschiffahrtsweg Berlin
Stettin herbeigefuhrten Preisverhältnisse, glaube ich, daß weder diese Vorlage noch eine andere mögliche Verbesserung der Wasserstraßen⸗ verhältnisse von Schlesien den Ansprüchen wird genügen können, die die oberschlesische Industrie stellt, ganz besonders in bezug auf den Konkurrenzkampf mit der englischen Kohle in Berlin. Diese Verbesserung wird um deswillen durch die jetzige Vorlage nicht herbeigeführt werden, weil die Wirkung dieser Vor⸗ lage ja erst nach elf Jahren eintritt und in der Zwischenzeit un⸗ zweifelhaft die englische Kohle in demselben gesteigerten Maße, in dem sie in dem letzten Jahrzehnt auf dem Berliner Markt die ober⸗ schlesische Kohle zurückgedrängt hat, neue Gebiete erobern wird. Wie der Referent zutreffend ausführte, ist es für den Handel und die Pro
duktion ganz außerordentlich schwer, Gebiete wieder zurückzuerobern für die eigene Verwertung, die einmal verloren gegangen sind. Der Gesetzentwurf hat nun aber eine doppelte Aufgabe. Er will einmal, nachdem die Oder bis nach Breslau durch die Kanalisierung für Vierhunderttonnenschiffe schiffbar gemacht ist, den mittleren Dweil der Oder auf eine RRvon 1,40 m er⸗ höhen und dies dadurch ausführen, daß die eben be
zeichnete Wasserstraße auf diese Tauchtiefe erweitert wird. Um nun in trockenen Jahreszeiten für diese Tauchtiefe das nötige Wasser zu bekommen, wenn es sich nicht in natürlichem Laufe der Dinge von selbst ergänzt, sollen im Oberlauf der Oder Staubecken angelegt werden, aus denen das Zuschußwasser herabgelassen werden soll, um die mittlere Oder entsprechend im Wasserstande aufzuhöhen. Das erscheint mir als ein ganz neuer Versuch der Wasserwirtschaft, über den, soviel ich weiß, bisher noch keine Er
fahrungen vorliegen. Die Technik behauptet, daß der gewollte Er⸗ folg in Zeiten der Wasserklemme erreicht wird, aber auf bereits ge⸗ machte Erfahrungen kann sie nicht hinweisen. Indessen bin auch ich überzeugt, daß der Weg der richtige ist, und ich erkenne jedenfalls darin einen dankenswerten Versuch der Regterung. Insofern bin ich mit dem Entwurf völlig einverstanden. Die allerschwersten Bedenken aber habe ich dagegen, ob man bei diesem Versuch das Staubecken an der richtigen Stelle errichtet. Ich muß Ihnen aber in dieser Beziehung zunäaͤchst ein Bekenntnis machen: Ich bin an dieser Sache persönlich interessiert. Nicht persönlich in dem Sinne, daß ich als Mensch oder Besitzer oder Eigentümer mit irgend einem Pfennig daran interessiert wäre, sondern insoweit, als bei dem Stau⸗ becken von Ottmachau ein Familienbesitz, der durch drei Generationen in unserer Familie ist, und der vorher der uns verwandten Familie von Schaffgotsch durch Jahrhunderte gehört hat, nicht nur sehr tief betroffen, sondern direkt dem Untergang entgegengeführt wird. Das ist, ganz abgesehen von der Finanzfrage, vom ethischen Standpunkt eine schwere Sache, und ich spreche unter dem Druck dieser Empfindung, daß meiner Familie ein Opfer zugemutet wird, was ganz ungewöhnlich und mir in meiner, doch auch recht langen Praxis noch nicht vorgekommen ist. Aber nicht wir allein werden dadurch betroffen, sondern eine große Zahl von kleineren Besitzern, und diese empfinden die Störung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse und die Notwendigkeit, vielleicht den Wanderstab zu nehmen und mit der ihnen ausgehändigten Geldquote
schriftlich vernommen, und manche beklagen sich dabei ganz befenders darüber, daß in der Konferenz mit dem einen Besitzer des Malavpane⸗ beckens direkt verhandelt worden und auf die Preisforderung destelben die ursprünglich dorthin gerichtete Aktion der Regierung unterbrechen worden ist, während ihnen und also auch mir, ich itent fiziere mich mit den Interessen meiner Famtlie, diese Verhandlung versagt worden ist und wir tatsächlich durch die Einbringung der Vor⸗ lage im Landtage in gewissem Maße in die Uamöalichkeit versetzt worden sind, rechtzeitig und an der rechten Stelle unsere Bedenken vorzutragen und wenigstens deren Prüfung zu erbitten. Die Vorlage nimmt Bezug auf eine Denkichrift der Oderstrombauverwaltung oder des damaligen Oderstrombaudirektors Hamel und seines Mitarbeiters. In dieser Dentschrift von 1910 ist expressis verbis das Stau⸗ becken an der Malapane als das einzig in Frage kommende bezeichnet. Es wird dort darauf hingewiesen, daß an der Malapane für Zwecke der Aufhöhung des Oderwassers 89 Millionen Kubikmeter Wasser aufgestaut werden können. Diese Summe entspricht genau dem⸗ jenigen Quantum, welches nunmehr aus dem Staubecken bei Ott⸗ machau herabgelassen werden soll. Erst seit 1910, und zwar zu⸗ fällig mit dem Besitzwechsel des großen Waldgebiets, in dem früher der Stau angelegt werden sollte, hat sich herausgestellt, auf Grund technischer Prüfung, daß die hydrologischen und geo⸗ logischen Verhältnisse an der Malapane sehr viel ungünstiger liegen, als in der Hamelschen Denkschrift angegeben ist. Es sollen nach den neueren Forschungen dort nur 76 Millionen chm. zu erlangen sein: ebenso haben erst seit dieser Zeit die geologischen Untersuchungen nachgewiesen, daß bei Ottmachau man für die Fundierung nur 8 m tief zu gehen brauche, während an der Malapane man 9 oder 10 m tief gehen müsse. Ich bin selbstverständlich nicht in der Lage, diese Angabe irgendwie zu bezweifeln, aber ich kann diese plötzliche Veränderung der Situation nicht ohne weiteres akzeptieren. Wenn die Regierung erklärt, daß diese Dinge unzweifelhafte Tatsachen sind, bin ich sehr gern bereit, das als maßgeblich auch für ihre Stellung⸗ nahme anzuerkennen; ich mache aber darauf aufmerksam, daß der Stau⸗ damm bei Ottmachau nach der jetzigen Vorlage 5 Km lang sein wird, während der an der Malapane erheblich kürzer sein würde: das möchte doch die Kostenfrage erheblich beeinflussen. Es heißt, das Staubecken bei Ottmachau habe große Vorteile, weil es gestatte, außer dem Oder⸗ wasser noch einen Schutzbereich für die gewöhnlichen Hochwässer der
Glatzer Neisse zu schaffen, und weil außerdem ermöglicht werde, eine dauernde Wasserhaltung zur Gewinnung motorischer Kraft durch ein Elektrizitätswerk zu erlangen. Ich bin weit entfernt, das zu unter⸗ schätzen. Für die nächstbeteiligten vier oder fünf Kreise ist ein billiges Elektrizitätswerk in ihrer Nähe von der allergrößten Be⸗ deutung, und was die Hochwassergefahr betrifft, so muß ich mich da auch damit bescheiden, wenn mir auf Grund der Untersuchungen der Felgen. Fandezanstelt hür Gewässerkunde nachgewiesen wird, daß eine Gefahren von dem Hochwass Neiss vohte
Gefahr vielmehr auf diesem . lich 8 verefe 1 Wege ganz wesentlich gemildert würde. Ich habe 60 Jahre lang an der Neisse gelebt, und ich bin als Laie ja natürlich trotzdem nicht in der Lage, der Sache mit Erfolg entgegenzu⸗ treten, aber andere, die an der Neisse gelebt haben, sind der Meinung, daß das Hochwasser im Sommer so schnell ist — von Glatz bis Ott⸗ machau ungefähr 6 Stunden —, daß es kaum möglich sein wird, eine wirkliche Entlastung in dem Umfange eintreten zu lassen, daß dadurch die Gefahren des Hochwassers abgewendet werden, und ich stütze mich bei auf Erfahrungen, die wir am., Queiß und am Bo⸗ ber bereits gemacht haben. Dort ist tatsächlich durch das Staubecken zwar ganz eine Hochwassergefahr vermieden worden, aber es ist ein Umstand eingetreten, der von den Beteiligten besonders schwer empfun⸗ den wird, eine Verlängerung des Hochwassers, und das kann hier auch sein. Und nun komme ich zu dem schwerwiegendsten Punkt. Man sagt, daß durch das Staubecken zwar zum größten Bedauern aller derer die daran interessiert sind, 5000 Morgen des besten in Kultur befind⸗ lichen Bodens von Schlesien, in einer landschaftlich reizvollen Gegend vernichtet würden, aber dieses Opfer müsse gebracht werden im Inter⸗ esse der Allgemeinheit. Außer den 5000 Morgen gehen aber noch eine sehr erhebliche Zahl von Wiesen und Waldungen, darunter 800 Mor⸗ gen fiskalischen Waldes, zugrunde, der letztere ohne jede Gegen⸗ leistung, weil es sich um den Austausch zwischen zwei fiskalischen Stationen handelt. Rechnungsmäßig müßte doch der Höchstbetrag der Kosten des Staubeckens um diese Summe erhöht werden. Nun wird wahrscheinlich einer der Herren, die die dortige Gegend noch besser kennen als ich, hervorheben, daß dieser Boden minderwertig sei. Der Herr Oberlandforstmeister hat mir vor drei Jahren ihn als den besten Eichenhochwald von Schlesien bezeichnet. Wer von den beiden Herren recht hat, kann ich natürlich nicht beurteilen. Außer der Vernichtung dieses doch für die Produktion unserer Nahrungsmittel recht erheblichen Geländes steht doch eine große Anzahl von zwar nicht ganzen Ortschaften, aber einzelnen Gehöften in Frage — und eins da⸗ von ist ein immerhin mittleres Gut, das meiner Familie gehört —, di vollständig zugrunde gehen. Man sagt, und das entspricht unserer heu⸗ tigen Zeitstimmung, daß dies auch eins der Opfer sei, das der Groß⸗ grundbesitz bringen müsse, man nehme dieses Gut und eine Reihe benachbarter Teile von größeren Gütern in Anspruch, um kleinen bäuerlichen Betrieben durch Austausch auszuhelfen. Es ist mir zu⸗ näͤchst ganz außerordentlich zweifelhaft, ob sich das ausführen läßt. Das Abgeordnetenhaus hat an dem Gesetzentwurf eine, von meinem Standpunkte aus sehr dankenswerte Verbesserung vorgenommen, indem es die Bes immung gestrichen hat, durch welche auch nicht beteiligte Güter in den Kreis der Umlegung zwangsweise hineingezogen werden könnten, sodaß jetzt nur mit Zustimmung der Besitzer diese Um⸗ legung vorgenommen werden kann. Was wird die Folge sein? Die⸗ jenigen Leute, die nicht, wie wir, gezwungen werden können, werden ihre Preise für die freiwillig zu erwerbenden Güter so erhöhen, daß es unmöglich sein wird, zu einer rationellen Umlegung zu gelangen. Wer die Verhältnisse im Lande kennt, wird darüber nicht im Zweifel sein. Der Hinweis auf die Talsperre bei Waldeck kann nicht beweis⸗ kräftig sein. Bei Waldeck handelt es sich um einen verhältnismäßig sehr mangelhaften Boden. Ich kenne die Verhältnisse dort, weil ich in dienstlicher Eigenschaft dort mitgewirkt habe, und ich kann mir sehr wohl denken, daß die Leute froh gewesen sind, gute Preise zu er⸗ halten. Hier bei Ottmachau liegt die Sache anders. Die Ländereien die für den Austausch nur in Fraage kommen, sind hochwertig, sie dienen der Zuckerrübenkultur, und die Leute werden sehr schwer bereit sein, sie Dann hat das Abgeord⸗
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ie zu einem angemessenen Preise abzugeben. netenhaus noch eine zweite sehr wertvolle Bestimmung in das Gesetz bineingebracht, daß nämlich die Vorschriften des Wasserstraßengesetzes vom 7. April d. J. auf diese Anlagen zur Anwendung kommen sollen. Nach diesem Gesetz wird in dem Titel über Talsperren be⸗ stimmt, daß vor Beginn einer solchen Stauanlage ein Betriebsplan aufgestellt wird, der der Beurteilung der Interessenten unterstellt wer⸗ den muß. Ich persönlich halte es für eine ganz außerordentlich schwie⸗ rige Aufgabe, einen solchen Betriebsplan aufzustellen, an einem Fluß, an dem wahrscheinlich Hunderte von besonderen Rechten in bezug auf die Entnahme des Wassers und seiner Verwertung vorhanden sind. Nach den Erfahrungen am Queiß und am Bober können diese gar nicht befriedigt werden, wenn gleichzeitig in umfangreichem Maße Wasser⸗ zurückhaltung stattfindet. Jedenfalls wird durch die Einführung der Be⸗ stimmungen des Wasserstraßengesetzes bezüglich der Präklusivfrist für Schadensansprüche der Beteiligten, die auf 30 Jahre ausgedehnt ist, eine ganz erhebliche Verteuerung der Anlage eintreten, und eine ge⸗ wisse Sicherheit für starke Nachforderungen. Was den Kostenanschlag betrifft, so ist mir mitgeteilt worden, daß für die Erwerbuna eines Hektars Landes 3200 ℳ in Rechnung gestellt sind, altpreußisch aus⸗ gedrückt 800 ℳ per Morgen. Das ist nach meiner Auffassung eine erheblich zu niedrige Summe. Das zeigt, daß die Voraussetzungen, auf denen das Staubecken aufgebaut ist, nicht zutreffen. Ich möchte einmal den sehen, der in der dortigen Gegend — es handelt sich um kleine Leute — sein Land für 800 ℳ per Morgen abgeben wird. Von großen Gütern ist der Morgen mit 1000 ℳ verkauft worden. Ich bitte den Minister, sich einmal die Akten vorlegen zu lassen. Dar⸗ aus wird sich ergeben, daß bei der Erwerbung des Terrains für den
sich anderswo anzusiedeln, sehr bart; ich habe heute noch aus den Kreisen dieser kleineren Besitzer die bittersten Klagen darüber
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Bau der Linie Patschkau — Ottmachau erheblich über 1000 ℳ für den 9 0 SrBr J„ r 198 8 FIn 825]' . 83 8 . Morgen expropriierten Terrains bezahlt worden sind. Das war vor