1913 / 118 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 May 1913 18:00:01 GMT) scan diff

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Kreissekretären Thiemann und Wittenberg in Berlin, Heinsch in Dramburg, Claas in Burgsteinfurt, Rosenberg in Münster und Winkler in M.⸗Gladbach den Charakter als Rechnungsrat zu verleihen. 8

Aunuf den Bericht vom 14. April d. J. will Ich dem Kreise Danziger Höhe auf Grund des Gesetzes vom 11. Juni 1874 (Gesetzsamml. S. 221) hiermit das Recht verleihen, das zu den Anlagen für die Uebertragung und Verteilung des von der Kraftstation bei Straschin⸗Prangschin erzeugten elektrischen Stromes in Ii zu nehmende Grundeigentum innerhalb desjenigen Teiles des Kreises Danziger Niederung, der südlich der nachstehend angegebenen Begrenzungslinie liegt, nötigenfalls im Wege der Ent⸗ eignung zu erwerben oder, soweit dies ausreicht, mit einer dauernden Beschränkung zu belasten. Die Begrenzungslinie wird gebildet durch die Mottlau von der Grenze des Stadt⸗ kreises Danzig bis zu ihrer Vereinigung mit der Neuen Vor⸗ flut, die Neue Vorflut, die Sieden⸗Vorflut, die Elslake bis zu ihrer Vereinigung mit der Toten Weichsel und die Tote Weichfel bis zu ihrer Abzweigung von der Stromveichsel. Die eingereichten Anlagen folgen anbei zurück. Bad Homburg v. d. Höhe, den 21. April 1913. Wilhelm R. von Breitenbach. Sydow. Freiherr von Schorlemer. 8 8 —vyon Dallwitz. . G

An die Minister der öffentlichen Arbeiten, für Handel und Gewerbe, für Landwirtschaft, Domänen und Forsten und des Innern.

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Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.

Der wissenschaftliche Hilfsarbeiter Dr. August Eichhorn ist zum Direktorialassistenten beim Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin ernannt worden.

Der Provinzialschulrat Sachse ist dem Provinzialschul⸗ kollegium in Berlin überwiesen worden.

Dem Bibliothekar an der Königlichen Technischen Hoch⸗ schule in Breslau Dr. Wilhelm Molsdorf ist das Prädikat Professor verliehen worden. .“

Bei der Hauptverwaltung der Staatsschulden sind die Kassensekretäre Benarndt, Pixa, Nedebock, Schild und Brauß zu Buchhaltern ernannt worden. I

8 Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 21. Mai 1913.

Die Festlichkeiten zur Vermählung Ihrer Königlichen Hoheit dder Prinzessin Viktoria Luise nahmen heute ihren Anfang mit dem feierlichen Einzuge Ihrer Majestäten des Königs und der Königin von Großbritannien und Irland in die Hauptstadt des Deutschen Reichs. VZünktlich um 11 Uhr 30 Minuten Vormittags lief dem Lehrter Bahn⸗ hof der Hofzug mit den englischen Maäjestäten in die mit Fahnen, Standarten und Blumen geschmückte Halle ein, wo sich, wie „W. T. B.“ meldet, Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, die Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, der Reichskanzler, die Herren des Allerhöchsten Hauptquartiers sowie die Spitzen der Staats⸗ und Militärbehörden zum Empfange versammelt hatten. Nach herzlicher Begrüßung bestiegen die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften die Wagen zur Fahrt nach dem König⸗ lichen Schlosse. An die Spitze des Zuges setzte sich eine Eskadron des 1. Gardedragonerregiments Königin Viktoria von Groß⸗ britannien und Irland und dem Wagen Ihrer Mafjestäten der Kaiserin und der Königin folgte eine Eskadron des Gardekürassier⸗ regiments. Vom Brandenburger Tor bis zum Schloß bildeten die Truppen der Garnison Reihen. Beim Herannahen der Majestäten präsentierten die Regimenter, das Spiel wurde gerührt, und ein dreimaliges Hurra durchbrauste die Luft. Als man die Friedrichstraße kreuzte, begann die im Lustgarten aufgestellte Leibbatterie des 1. Gardefeldartillerieregiments mit dem Abfeuern des Ehrensaluts von 101 Schuß. Nach dem Ein⸗ treffen im Schlosse war Empfang und großer Vortritt, zu dem sich die Palast⸗ und Ehrendamen Ihrer Majestät der Kaiserin, die Hofchargen, der Minister des Königlichen Hauses Graf zu Eulenburg und der Chef des Zivilkabinetts, Wirk⸗ licher Geheimer Rat von Valentini eingefunden hatten. Vorher hatten Ihre Majestäten der Kaiser und der König den Vorbeimarsch der im kleinen Schloßhof aufgestellten Ehren⸗ kompagnie des 3. Garderegiments z. F. abgenommen. Später fand Familienfrühstückstafel und gleichzeitig Marschalltafel für die Gefolge und den Ehrendienst statt.

1 8 b Der Bundesrat trat heute nachmittag zu einer Plenar⸗

sitzung zusammen; vorher hielten der Ausschuß für Handel und Verkehr, die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie die vereinigten Ausschüsse für Rechnungswesen und für Handel und Verkehr Sitzungen.

Das Königliche Staatsministerium trat heute zu iner Sitzung zusammen.

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Der Küöniglich bayerische Gesandte Graf Lerchenfeld⸗ Köfering ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung d eesandtschaft wieder übernommen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 19. Mai S. M. S. „Goeben“ mit dem Chef der Mittelmeerdivision in Jaffa, S. M. S. „Loreley“ in Konstantinopel, S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ in Sainam, das Geschwaderbegleitschiff „„Titania“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders und S. M. S. „Emden“ in Tsingtau eingetroffen.

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In der Ersten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ wird die vom Reichseisenbahn⸗ amt aufgestellte tabellarische Uebersicht der Betriebs⸗ ergebnisse deutscher Eisenbahnen (ausschließlich Bayerns) nach dem Stande am Ende des Monats April 1913 veröffentlicht, auf die am Montag an dieser Stelle auszüglich hingewiesen worden ist.

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Oesterreich⸗Ungarn. .

Im österreichischen Abgeordnetenhause ist gestern das Budgetprovisorium für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1913 eingebracht worden. Das Haus beschloß, sofort in dessen erste Beratung einzutreten. Zur Begründung der Vorlage ergriff der Ministerpräsident Graf Stürgkh das Wort und sprach zunächst über Fragen der inneren Politik.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ drückte der Ministerpräsident sein Bedauern darüber aus, daß in Böhmen, wo man dem heiß⸗ ersehnten Ziele wirklich nahe zu sein schien, ein Ausgleich nicht zu⸗ stände gkkommen sei. Er wies auf die finanzielle Kalamität in Böhmen hin und sagte: Wir stehen vor einer ernsten Situation, deren man möglicher Weise nur mit ernsten Mitteln wird Herr werden können. Der neue galizische Landtag wird im Herbst wiederum an das Ausgleichswerk herangehen. Der Ausgleichsgedanke wird so lange leben, bis er in seiner restlosen Verwirklichung die be⸗ stebenden Gegensätze in einer höheren Einheit auflöst. Es hieße unsere geschichtliche Entwicklung mißverstehen, wenn wir in diesem Augenblick den Mut sinken lassen wollten. Es wäre die größte Un⸗ dankbarkeit gegen das mit einer so schweren geschichtlichen Mission beladene Staatswesen, wenn einzelne Parteien ihm in solchen Augen⸗ blicken die Mitwirkung an seinen Aufgaben versagen würden. Die Erschließung neuer finanzieller Hilfsmittel ist notwendig und dringlich. Die großen Kosten für die militärische Bereitschaft müssen bei der Behandlung des Finanzproblems in Erwägung gezogen werden. Wir konnten die welthistorischen Ereignisse auf dem Balkan nicht einfach als gleichgültige Zuschauer verfolgen. Wenn es uns auch erspart blieb, aktiv einzugreifen, war uns doch durch die vernünftige Wahrnehmung unserer elementarsten Interessen die Rolle eines wohl⸗ gerüsteten bewaffneten Zuschauers auferlegt. Die Nachteile, die aus solchen Rüstungsausgaben sich für die ökonomischen Interessen ergeben, sind, so schmerzlich sie auch empfunden werden mögen, so gut wie nichts gegen die Unermeßlichkeit des Schadens, gegen die geradezu katastrophalen Verheerungen auf allen Gebieten der Volkswirtschaft, die aus der Vernachläfsigung der Rüstung erwachsen können.

Der Ministerpräsident ging sodann zur Erörterung der auswärtigen Lage über und führte aus:

Ich trage dem Augenblick Rechnung, wo wir unter dem unmittel⸗ baren Eindruck großer weltgeschichtlicher Ereignisse stehen, indem ich an meine Ausführungen über die innere Politik eine knappe Erörterung der auswärtigen Lage anschließe, während die nähere Darlegung der einschlägigen Fragen verfassungsmäßig dem kompetenten Forum der Delegationen vorbehalten bleiben muß. Die von der Monarchie in der Balkankrise eingenommene Haltung war durch die Richtlinien gegehen die sich unsere guswärtige Politik seit langem durch

ufstellung des Prinzps Seichnet hatte, der selbständigen Ent⸗ wicklung der Völker am —2 tunlichste Förderung angedeihen zu lassen. Es erscheint nut e eine folgerichtige Anwendung obiger Prinzipien, wenn der programmatische Satz „der Balkan den Balkan⸗ völkern“ allen Völkern des Balkans, also auch dem albanesischen Elemente, zunutze kommen sollte. In diesem Sinne hat sich Oester⸗ reich⸗Ungarn die Schaffung eines selbständigen Albaniens zum Ziele gesteckt, dessen Konstituierung übrigens bereits durch frühere diplo⸗ matische Arbeit, namentlich in Vereinbarung mit dem verbündeten Italien, vorausgesehen war. Hierdurch erscheint das vitale Interesse der Monarchie an der unveränderten Erbaltung der bisherigen Macht⸗ verhältnisse an der Adria sichergestellt. Solange die Entscheidung auf dem Schlachtfelde noch nicht gefallen war, hat die Monarchie, von dem Gedanken geleitet, die militärischen Operationen nicht zu be⸗ hindern, keinen Einspruch dagegen erhoben, daß albanesisches Territorium von den Truppen Serbiens, Montenegros und Griechenlands besetzt werde. Unterdessen hatte unser Aus⸗ wärtiges Amt Sorge getragen, für das von uns ver⸗ kündete Prinzip der Schaffung eines selbständigen albanesischen Staatswesens die Sanktionierung der anderen Signatarmächte des Berliner Vertrages zu erwirken. Von den Beschlüssen der Londoner Botschaftervereinigung über die Nord⸗ und Nordostgrenze Albaniens wurden nach deren Annahme durch die einzelnen Kabinette die kriegführenden Balkanstaaten in Kenntnis gesetzt. Trotz dieser Verständigung und der gleichzeitigen Aufforderung an Monte⸗ negro, die Belagerung von Skutari aufzuheben, hat die Königliche Regierung in Cetinse den aussichtslosen Kampf fortgesetzt und sich dadurch in Widerspruch mit dem Willen Europas gebracht. In der Absicht, Montenegro zum Einlenken zu „bewegen, sind die Mächte zu Zwangsmaßregeln geschritten, die anfangs die Form einer bloßen Flottendemonstration, nachmals jene einer friedlichen Blockade annahmen. Da aber diese Mittel nicht zureichend erschienen, sah sich Oesterreich⸗Ungarn veranlaßt, in London die Erklärung abzugeben, daß es sich vorbehalten müsse, in gegebenen Momenten die entsprechenden Maßnahmen zur Durch⸗ setzung des Willens Europas selbständig zu eggreifen. Dies energische Vorgehen war deshalb geboten, weil andernfalls die Durchführung der europäischen Beschlüsse fraglich und die Schaffung Albaniens via facti illusorisch geworden wäre. Die Monarchie be⸗ fand sich hierbei in Uebereinstimmung mit Italien hinsichtlich der zwischen den beiden Mächten vereinbarten Konstituierung eines auto⸗ nomen Albaniens. Getragen von dem patriotischen Gefühle der weitesten Kreise der Bevölkerung und der opferfreudigen Bereitschaft einertrefflichen Armee, konnte Oesterreich⸗Ungarn gegenüber den Schwierig⸗ keiten der internationalen Lage seinem Willen Geltung verschaffen, sodaß Montenegro sich schließlich in richtiger Erkenntnis seiner eigenen Interessen dazu verstanden hat, den Beschlüssen Europas nachzukommen und Skutari den Mächten zu übergeben. Derzeit ist Aussicht vor⸗ handen, daß der Friede zwischen den Balkanstaaten und der Türkei in nicht allzulanger Zeit geschlossen sein wird. Es wird hier die Aufgabe unseres Auswärtigen Amtes sein, rechtzeitig an die Regelung der zahlreichen, uns und die Balkanstaaten interessierenden Angelegenheiten zu schreiten, unter welchen jene wirtschaftlicher Natur den breitesten Raum einnehmen werden. Oesterreich⸗Ungarn darf wohl erwarten, daß die durchaus freundliche Haltung, die es den Balkan⸗ völkern gegenüber an diesem Wendepunkte ihrer Geschichte an den Tag gelegt hat, Verständnis begegnen und entsprechende Würdigung finden werde. Derzeit ist die Lage am Balkan nach mancher Richtung noch ungeklärt, die Entwicklung und Dauer einer so epochalen Um⸗ wälzung, wie jene, deren Zeugen wir eben sind, läßt sich nicht vorher übersehen, noch abschätzen. Es wird sich unser Auswärtiges Amt an⸗ gelegen sein lassen, auf die tunlichst rasche Klärung der Verhältnisse im nahen Orient hinzuwirken. Dann wird auch der Moment ge⸗ kommen sein, die bis jetzt notwendig gewesenen Verstärkungen der Bestände an unserer Südostgrenze ruückgängig machen zu können. Mehrfach ist in der Oeffentlichkeit Kritik an der Tätigkeit

242 8 941 Kritik, die auch

gewisser Organe des auswärtigen Dienstes geübt worden, eine Interpellationen in diesem hohen

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Hause zum Ausdruck gekommen ist. In diesem Belange beehre ich mich, im Namen des Ministers des Aeußern dem hohen Hause folgendes zu erklären: Der Vorgang, ein Departement des Ministeriums

des Aeußern herauszugreifen und zum Gegenstand einer speziellen Kritik

zu machen, steht in Widerspruch mit dem Umstande, daß gleich den übrigen Abteilungen des genannten Ministeriums auch das Literarische Bureau ausschließlich nach den Weisungen und Anordnungen des Ministers des Aeußern vorzugehen hat und tatsächkich während des ganzen Verlaufs der Krise wie auch insbesondere in den verschiedenen angeführten Einzelfällen nach den erteilten Direktiven seiner Vorgesetzten vorgegangen ist. Es muß daher der Versuch, Gegensätze zwischen dem Minister des Aeußern und ihm unterstellten Beamten zu konstruieren, als unzulässig zurückgewiesen werden. Abg. Hummer: Dann ist Graf Berchtvld dafür ver⸗ antwortlich. Ministerpräsident Graf Stürgkhe Selbst⸗ verständlich deckt der Minister des Aeußern die Ametstätig⸗ keit jedes einzelnen der ihm nts so auch des Literarischen Bureaus, mit seiner Verantwortlichkeit, eine Tatsache, auf die um so nachdrücklicher hingewiesen werden muß, als der Versuch, irgendwelche, nicht verfassungsmäßige Sonderverantwort⸗ lichkeiten aufzustellen, zu gänzlich unhaltbaren Verhältnissen führ

müßte. Abg. Hummer: anders geäußert. Graf Stürgkh: Der von mancher Seite unternommene Versuch, der amtlichen Tätigkeit des Literarischen Bureaus eigennützige Motive zu unterschieben, kann wohl über⸗ haupt nicht ernstlich in Betracht gezogen werden. Bei dem Umstande jedoch, daß dieser Anwurf nunmehr auch hier im Hause vorgebracht wurde, sieht sich der Minister des Aeußern veranlaßt, die Unterstellungen, die sich gegen Beamte richten, deren persönliche Integrität über jeden Zweifel erhaben ist, mit jener Entschiedenheit zurückzuweisen, die der absoluten Haltlosig⸗ keit dieser Anschuldigungen, entspricht. Abg. Hummer: Der Minister des Aeußern hat hier nichts zurückzuweisen; er tritt uns ja gar nicht gegenüber, das kann er in den Delegationen sagen. Geben Sie sich nicht dazu her, das Sprachrohr für derartige Insinuationen zu sein. Die Belehrungen des Grafen Berchtold brauchen wir nicht. Abg. Dr. Smeral: Graf Berchtold will das Haus provozieren. Abg. Friedmann: Das ist keine Antwort auf die Interpellationen. Abg. Hummer: Wo sind die sachlichen Nachweisungen? Abg. Zenker: Eine unerwartete Einigung des ganzen Hauses, Exzellenz!

Der Ministerpräsident Graf Stürgkh fuhr fort: Hohes Haus, die schon jetzt seitens der Kriegsverwaltung in Angriff genommenen Vorkehrungen wegen Erleichterung der der Bevölkerung durch die zahl⸗ reichen Einberufungen auferlegten Lasten umfassen im Bereiche des 1. bis 14. Korps die Entlassung sämtlicher Reservisten des Assent⸗ jahrganges 1909, aller Reservisten und Ersatzreservisten älterer Jahr⸗ gänge und sämtlicher Ersatzreservisten mit Begünstigungstiteln sowie des entbehrlichen Teiles der sonstigen Ersatzreservisten. In aller⸗ jüngster Zeit ist die Anordnung getroffen worden, daß in den Land⸗ wehrterritorialbereichen Krakau, Przemysl und Lemberg alle Re⸗ servisten und Ersatzreservisten der Landwehr, die in aktiver Dienstleistung zurückbehalten wurden, in das nichtaktive Ver⸗ hältnis zurückoersetzt werden. Eine Einschränkung der mili⸗ tärischen Verstärkungen an unserer Südostgrenze kann nur nach Maßgabe der fortschreitenden Klärung des Verhältnisses am Balkan platzgreifen. Uebrigens ist ja die Einrichtung einer turnusweisen Beurlaubung auch an der Südostgrenze angeordnet worden. Die Bereitstellung erhöhter militärischer Machtmittel, durch den Allerhöchsten Oberbefehl angeordnet, erscheint in Umfang und Dauer durch die Gestaltung der außerpolitischen Lage bedingt. Es hieße, den Enderfolg einer eindrucksvollen Stellungnahme der Monarchie im internationalen Konzert der Mächte be⸗ einträchtigen und damit viele für eine wirksame Friedenspolitik gebrachte Opfer in ihrem Zwecke gefährden, wollte man diesen ersten und obersten Gesichtspunkt hierbei außer Betracht lassen. Die maßgebenden Faktoren sind bestrebt, die durch Rücksichten auf die internationale Lage gebotene militärische Sicherung mit den wirt⸗ schaftlichen Bedürfnissen der Bevölkerung in Einklang zu bringen.⸗ Ich möchte an diese Darlegungen nur die Bemerkungen knüpfen, daß nachträgliche Bemängelungen eines einmal international ein⸗ genommenen Standpunktes höchstens die erfolgreiche Geltend⸗ machung dieses Standpunktes, wenn er einmal vertreten wurde, oder die Festhaltung der durch ihn erzielten Erfolge, wenn er bereits durchgesetzt erscheint, schäbigen können. Es wäre nicht unbegreiflich, wenn die Entwicklung der auswärtigen Politik, wie ich sie früher gekennzeichnet habe, nicht auf allen Seiten des Hauses ein gleichmäßiges Gefühl der Zustimmung auslöste, ja dies wäre geradezu natürlich in einem Staatswesen, wie dem unsrigen, bei seiner komplizierten politischen und nationalen Struktur, bei den zahlreichen Beziehungen einzelner Teile der Bevölkerung zu den geistigen Mittelpunkten auswärtiger Kulturen. Derartige Be⸗ ziehungen können auch innerhalb des Rahmens voller patrio⸗ tischer Loyalität, namentlich in bewegten Evpochen, gewisse Differenzierungen in der Beurteilung einzelner Fragen hervor⸗ rufen. Ich glaube aber, daß das Haus aus meinen Darlegungen eines entnehmen kann, was auf allen Seiten mit der gleichen Be⸗ friedigung verzeichnet werden muß und verzeichnet werden wird: die würdinge und erfolgreiche Geltendmachung der Interessen der Monarchie und ihrer Bestrebungen auf Wahrung eines ebrenvollen Friedens. Aus der Bedeutung dieser Errungenschaften mögen Sie kraftvolle Impulse zu segensreicher Arbeit auf dem Gebiete der Erfüllung innerer Staatszwecke schöpfen. Machen Sie durch Vorsorge für die Fortführung des Staatshaushalts die Bahn flei für parlamentarisches Schaffen. In diesem Sinne bitte ich um Be⸗ willigung des Budgetprovisoriums.

Der Abg. Korosyo (Südslave) erklärte, die Zukunft des Reiches liege auf dem Balkan und der Adria. Die Südslaven gravitierten nicht nach außen, sondern sie verlangten mit allem Nachdruck die gleichen Rechte wie die anderen Völker. Ihre letzte Hoffnung sei die Dynastie, die stark genug, gestützt auf ein verläßliches Heer, dem Dualismus ein Ende bereiten könne. Der Abg. Dr. Gros führte aus, die Erfolge der Balkanslaven hätten das Stammesbewußtsein der Südslaven der Monarchie in hohem Maße gesteigert. Oer trialistische Staat könne nichts anderes sein, als eine Zuchtstätte für den Pan⸗ slavie mus und zentrifugale Tendenzen. Die Deutschen könnten sich auf Aenderungen des Verfassungswesens im föderalistischen oder trialistischen Sinne durchaus nicht einlassen. Nach wie vor müsse der Dreibund der Angelpunkt der auswärtigen Politik bleiben. Dem Dreibund, der Bundestreue Deutschlands und der Unterstützung Italiens sei es zu verdanken, daß kein europäischer Krieg ausge⸗ brochen sei.

Nachdem noch zwei tschechische Redner gesprochen hatten, wurde die Sitzung auf heute vertagt.

In der gestrigen Sitzung des Budgetausschusses machte der Finanzminister von Zaleski Mitteilungen über die Ausgaben, mit denen die außerordentlichen militärischen Maß⸗ nahmen seit November vorigen Jahres den Staatsschatz be⸗ lastet hätten.

Es habe sich hierbei, so führte der Minister obiger Quelle zufolge aus, um Ausgaben für die volle Schlagfertickeit des Heeres, der Marine und der österreichischen Landwehr gehandelt und um Aus⸗ gaben, die mit der sogenannten Erhöhung des Friedensstandes be⸗ ziehungsweise in einigen Korps mit der Erhöhung auf den Kriegs⸗ stand verbunden waren. Auf diese beiden Kategorien von Aufwen⸗ dungen seien für Heer und Marine insgesamt auf österreichischer Seite als quotenmäßiger Beitrag 167 Millionen Kronen aus⸗ gegeben worden. Durch diese Aufwendungen seien gewisse, in dem von den Delegationen festgesetzten Ausrüstungsprogramm vorgesehene Maßnahmen durchgeführt worden, sodaß in Zukunft sich manches an dem ursprünglichen Programm werde ersparen lassen. Erfreulicher Weise sei diese im voraus nicht vorgesehene Summe ohne außer⸗ ordentliche kreditäre Maßnahmen bestritten worden, allerdings werde die Fortdauer der Erhöhung des Standes entsprechende weitere Kosten

untergeordneten Departemente,

Privat hat sich aber Graf Berchtold

Großbritannien und Irland.

Die Botschafter sind gestern nachmitttag im Auswärtigen Amt zu einer Sitzung zusammengetreten, vor der der fran⸗ zösische und der russische Botschafter Unterredungen mit Sir Edward Grey hatten. Wie „W. T. B.“ meldet, er⸗ örterten die Botschafter die Ansichten ihrer Re⸗ gierungen über die Bedingungen, die von Oesterreich⸗ Ungarn und Italien für die Verwaltung Albaniens aus⸗ gearbeitet und den Sün⸗ bereits früher übermittelt worden sind. Keine dieser Bedingungen hat entscheidenden Charakter. Die Verhandlung ergab die Tatsache, daß vollständige Ein⸗ mütigkeit über die Notwendigkeit besteht, daß die Verbündeten den Vorfrieden sofort unterzeichnen. Gleichzeitig hielten die Beiscafter an der Tatsache fest, daß die Verbündeten, wenn sie den Vorfrieden unterzeichneten, damit in keiner Weise ihre Stellung gegenüber den Mächten beein⸗ flußten. Die Botschafter betonten als wesentlichen Punkt, daß

die Balkanstaaten mit der Unterzeichnung des Vorfriedens

lediglich den Frieden mit der Türkei unterzeichneten und nicht ihr Recht berührten, mit den Mächten die Fragen zu erörtern, die diesen zur Entscheidung vorbehalten seien. Die Botschafter drückten deshalb den dringendsten Wunsch aus, daß der Friede unterzeichnet und daß alle Erörterungen bis später aufgeschoben werden möchten. Die Mächte werden einzeln fortfahren, diese Ansichten in den Hauptstädten der Balkanstaaten eindringlich zu etonen.

3 Gestern haben sich die Führer der Friedens⸗ missionen der Balkanstaaten versammelt, um ihr Ver⸗ halten hinsichtlich der Unterzeichnung der Friedenspräliminarien zu besprechen. Wie das „Reutersche Bureau“ erfährt, hat ein vollkommener und völlig freundschaftlicher Meinungsaustausch für und wider die Unterzeichnung der Friedenspräliminarien in der gegenwärtigen Form stattgefunden. Schließlich kam man überein, die Aenderungen, die vorgeschlagen wurden, aufzuzeichnen.

Frankreich.

Im gestrigen Ministerrat im Elysée wurde der Kriegs⸗ minister beauftragt, von der Kammer zu fordern, daß das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit gleich nach der Verteilung des Berichts auf die Tagesordnung gesetzt werde. Der Kriegs⸗ minister berichtete über die Entsendung des Generals Pau, der beauftragt wurde, die Vorfälle in Toul und Belfort zu unter⸗ suchen und die nach Feststellung der Verantwortlichkeit not⸗ wendigen Beschlüsse vorzubereiten.

Im Senat stand in der gestrigen Sitzung die Beratung des Marinebudgets auf der Tagesordnung.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ besprach der Berichterstatter Chautemps das Schiffsbauprogramm und drückte die Hoffnung aus, daß es möglich sein werde, in diesem Jahre vier Schiffe auf Stapel zu legen. Er fügte hinzu, daß Frankreich die Schiffsbauprogramme anderer Nationen sehr sorgfältig verfolgen müsse, um sein Uebergewicht im Mittelmeer, das eine Lebensfrage sei, aufrechterhalten zu können, ohne deshalb seine anderen Seegrenzen zu vernachlässigen. Der Berichterstatter hob weiter die ballistischen Vorzüge des Pulvers B und seine Haltbarkeit bei sorgfältiger Herstellung hervor. Der Marineminister Baudin erklärte, daß Frankreich mit der Aus⸗ führung seines Schiffsbauprogramms um drei Jahre voraus sei. Im Oktober würden vier Schiffe auf Stapel liegen. Es werde dann der Bau von sechs Schiffen übrig bleiben, deren Armierung eine Haupt⸗ frage sei. Die nächste Serie Schiffe werde mit der 34 cm⸗Kanone ausgerüstet werden. Nichts spreche dafür, darüber hinauszugehen. Die Ertfernung des verdächtigen Pulvers erforderte, die Fabrikation neuen Pulvers sehr zu beschleunigen. Heute besitze das erste Geschwader seine vollständigen Pulvervorräte, und das gleiche könnte für das zweite Geschwader in wenigen Stunden der Fall sein. Alles Artilleriepulver für die Reservegeschwader sei kürzlich wieder eingeladen worden, damit für den Fall einer Mobil⸗ machung Zeit gewonnen werde. Die Indienststellung der Schiffe des neuen Programms werde Frankreich eine Macht zur See sichern, wie es sie noch nie besessen habe. Aber man werde dem Mangel an Offizieren und Mannschaften abhelfen müssen. Deshalb sei es un⸗ moͤglich, einer Herabsetzung der Dienstzeit für die eingeschriebenen Seeleute zuzustimmen. Es würden große Kredite gefordert werden für den Ausbau und die Vertiefung der Häfen. Ferner werden die Kammern mit einem Programm für die Marineluftfahrt und mit einem Bauprogramm für Geschwaderkreuzer befaßt werden.

Im Budgetausschuß der Deputiertenkammer erklärte gestern der Kriegsminister Etienne bei der Be⸗ gründung der Kreditvorlage von 400 Millionen, obiger Quelle zufolge, die für die Zurückbehaltung der Jahresklasse 1910 erforderlichen Maßnahmen seien so dringender Natur, daß er es auf sich genommen habe, die Ausgaben unverzüglich und auf seine eigene Verantwortung zu machen. Diese Erklärung rief bei den Radikalen und Sozialisten große Erregung hervor. Eine von den Sozialisten Sembat und Thomas beantragte Resolution, durch die der Minister aufgefordert wurde, keinerlei Ausgaben vorzunehmen, bevor die Kammer die erforderliche Bewilligung erteilt habe, wurde mit 9 gegen 8 Stimmen abgelehnt.

Der General Pau hat gestern in Toul seine Unter⸗ suchung über die militärischen Demonstrationen be⸗ ndet und begibt sich heute nach Belfort. Die Militär⸗ behörden beobachten über das Ergebnis der Untersuchung voll⸗ ständiges Stillschweigen. Vorgestern sind in Toul vier Kommissare der allgemeinen Sicherheitsbehörde eingetroffen, um Nachforschungen anzustellen, inwieweit bei den Militärkund⸗ gebungen der Einfluß von Zivilisten im Spiele war. Wie „W. T. B.“ meldet, versuchte in Paris gestern abend eine Gruppe von Soldaten des 28. Infanterieregiments, eine undgebung gegen die Zurückbehaltung der Jahres⸗ klasse 1910 zu veranstalten, wurde aber von der Polizei ver⸗ trieben. In Macon durchzogen gestern einige hundert Mann des 134. Infanterieregiments die Hauptstraßen mit dem Rufe: „Nieder mit der dreijährigen Dienstzeit!“ Mehrere sangen die Internationale. Ein Offizier versuchte vergeblich, sie zu zer⸗ ireuen. Um 8 Uhr gingen die Manifestanten auseinander, ohne daß es zu Zwischenfällen kam.

In Boulogne bei Paris fanden gestern nachmittag arge antimilitaristische Straßenkundgebungen statt. Zwei lutomobile, die rote Fahnen und rote Anschlagzettel mit der Aufschrift „Nieder mit dem Gesetz über die drei Jahre, mieder mit der Armee!“ trugen, fuhren durch die Straßen der Stadt. Der Polizeikommissar ließ die Automobile durch Schutz⸗ eute auf Fahrrädern verfolgen, denen es auch gelang, eins der Automobile anzuhalten und die zwei Insassen fest⸗ zunehmen. Einige Stunden später wurden in Boulogne etwa 40 Gestellungspflichtige, denen eine Trikolore vorausgetragen

vurde, von etwa 50 Antimilitaristen, die in dem Lokal eines Ar⸗ beiterkonsumvereins versammelt gewesen waren, überfallen und mit keinen beworfen. Schutzleute griffen ein, und es entstand ein hestiges Handgemenge, wobei ein Polizeikommissar und vier Ge⸗ tellungspflichtige nicht unerheblich verletzt wurden. Inzwischen war aus dem benachbarten St. Cloud eine Abteilung Kürassiere

insbesondere

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herbeigeeilt, bei deren Anblick die Antimilitaristen in das

Konsumvereinslokal zurückflüchteten. Zwölf von ihnen wurden 11ö64A“; 1A164“*“

u“ Nußland. 1“ Die Justizkommission der Duma hat, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, die Gesetzvorlage über die Aus⸗ dehnung der allgemeinen Reichsgesetze auf die in Finn⸗ land begangenen Hochverrats⸗ und politischen Ver⸗ brechen angenommen. Die Mitglieder der Opposition waren ostentativ fern geblieben. Die Kommission hat bei der An⸗ nahme der Gesetzvorlage auch die Anwendung des neuen Ge⸗ setzes auf Beleidigungen der orthodoxen Geistlichkeit, des Heeres und der russischen Beamten in Finnland beschlossen.

Dänemark. Bei den gestrigen Wahlen zum Folkething sind laut

Meldung des „W. T. B.“ 43 Mitglieder der Linken, 32 Sozial⸗

demokraten, 31 Radikale und 7 Mitglieder der Rechten gewählt worden. Das vorige Folkething setzte sich aus 56 Mitgliedern der Linken, 24 Sozialdemokraten, 20 Radikalen, 13 Mitgliedern der Rechten und einem Wilden zusammen. Ein Wahlergebnis von den Farörinseln steht noch aus. Unter den Wiedergewählten befinden sich der Ministerpräsident Berntsen, der Minister des Innern Jensen⸗Sönderup, der Verkehrsminister Thomas Larsen, der Ackerbauminister Anders Nielsen, der Finanzminister Neer⸗ gaard, der ehemalige Ministerpräsident J. C. Christensen (Linke) d der ehemalige Ministerpräsident Zahle (Radikal).

In offiziellen Kreisen der Pforte wird, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, erklärt, daß das englisch⸗türkische Abkommen über den Persischen Golf und die damit im Zusammenhange stehenden Fragen endgültig abgeschlossen worden sei.

Die Einrichtung des Verwaltungs⸗ und Sicherheitsdienstes in Skutari vollzieht sich, obiger Quelle zufolge, weiter ohne Zwischenfälle. Es ist eine Ver⸗ besserung der telegraphischen und funkentelegraphischen Ver⸗ bindungen in Aussicht genommen. Die Abteilungen des inter⸗ nationalen Geschwaders sind gegenwärtig in den Kasernen

Der Präsident der cubanischen Republik Mario Menocal und der Vizepräsident Dr. Enriquez Varona sind gestern in ihr Amt eingeführt worden.

8 Statistik und Volkswirtschaft.

Der deutsche auswärtige Handel im April und in den Monaten Januar bis April 1913.

Wie dem „W. T. B.“ mitgeteilt wird, haben im Handels⸗ verkehr des deutschen Zollgebiets mit dem Auslande betragen:

im Monat April d. J. die Einfuhr 6 103 572 t, außerdem 13 091 Pferde und 152 Wasserfahrzeuge (gegen 5 167 845 t, 12 083 Pferde und 41 Wasserfahrzeuge im April 1912), die Ausfuhr 6 425 616 t, außerdem 493 Pferde und 74 Wasserfahrzeuge (gegen 5 538 122 t, 525 Pferde und 73 Wasserfahrzeuge im April 1912);

in den 4 Monaten Januar bis April d. J. die Einfuhr 22 055 797 t sowie 56 109 Pferde und 249 Wasserfahrzeuge (gegen 20 893 161 t, 51 111 Pferde und 135 Wasserfahrzeuge im gleichen Zeitabschnitt 1912), die Ausfuhr 24 526 336 t sowie 2210 Pferde und 210 Wasserfahrzeuge (gegen 20 855 089 t, 3076 Pferde und 223 Wasserfahrzeuge im gleichen Zeitabschnitte 1912).

Die Werte erreichten Millionen Mark:

im April d. J. in der Einfuhr 985,1 an Waren und 26,s an Edelmetallen (gegen 943,8 und 30¼ im April 1912), in der Aus⸗ fuhr 868,, an Waren und 5,3 an Edelmetallen (gegen 717,-: und 11,3 im April 1912);

in den 4 Monaten Januar bis April d. J. in der Einfuhr 3655,8 an Waren und 103,2 an Edelmetallen (gegen 3579,5 und 76,3 im entsprechenden Zeitraume 1912), in der Ausfuhr 3315,s an Waren und 41¼ an Edelmetallen (gegen 2784 und 55,; im ent⸗ sprechenden Zeitraume 1912).

1“ Die Kurse der an der Berliner Fondsbörse zugelassenen Aktien der deutschen Aktiengesellschaften im April 1913.

Nach der vom Statistischen Landesamt hierüber in der „Stat. Korr.“ veröffentlichten Uebersicht waren an der Berliner Fondsbörse abgesehen von 9 (4 preußischen und 5 nichtpreußischen) Gesell⸗ schaften mit 80,76 Millionen Mark Kapital, deren Aktien im April, wie in den Vormonaten, nicht notiert wurden am Schlusse des Monats April d. J. die Aktien von insgesamt 911 (Ende März d. J. die von 909) deutschen Aktiengesellschaften, 683 (681) preußischen und 228 (228) nichtpreußischen, zur Notierung zugelassen. Deren börsenfähiges Kapital betrug Ende April 9131,98 (Ende März d. J. 9134,4) Millionen Mark nach dem Nennwerte und 15 751,02 (15 616,78) Millionen Mark nach dem Kurswerte, das der preußischen Gesellschaften allein 6844,97 (6847,47) Millionen Mark nach dem Nenn⸗ und 12 008,41 (11 881,021) Millionen. Mark nach dem Kurswerte und das der nichtpreußischen Gesellschaften 2286,390 Millionen Mark (wie Ende März) nach dem Nenn⸗ und 3743,1s (3735,17) Millionen Mark nach dem Kurswerte.

Bei der Gesamtheit der deutschen Aktiengesellschaften, deren Aktien an der Berliner Fondsbörse zugelassen sind, ist der Wochendurch⸗ schnittskurs des Monats April gegenüber dem des Vormonats fast unverändert geblieben. Berücksichtigt man jedoch, daß die im Laufe des Berichtsmonats bei 168 Gesellschaften vorgenommene Abtrennung des Dividendenscheins für 1912 im Monatsdurchschnitt eine Kurs⸗ verminderung von 2,26 % bedingt hat, so ist die auf Aenderung der Marktlage zurückzuführende Steigerung auf etwa 2,80 % zu bewerten. In gleicher Weise ergibt sich für die preußischen und die nicht⸗ preußischen Gesellschaften unter Berücksichtigung des Kursrückganges, den die Abtrennung des Gewinnanteilscheins bei 119 bezw. 49 Ge⸗ sellschaften verursacht hat, eine Aufbesserung der Kurse, die sich auf 2,53 bezw. 1,60 % berechnen läßt.

Gegenüber dem vorjährigen Aprilkurs zeigt der diesjährige einen Nachlaß von 3,395 %, der sich indes nur auf die preußischen Gesell⸗ schaften (mit 4,76 %) erstreckt, während die außerpreußischen den Kurs⸗ stand des Vorjahres behauptet haben.

Im einzelnen ist der Kurs gegen den Vormonat besonders stark 1en bei der chemischen Industrie (um mehr als 14 %), nsbesondere bei der der Farbenmaterialien (um 25 %) sowie der Sprengstoffe und Zündwaren (um 10 %), ferner noch bei der Industrie der Herstellung von Zeitmeßinstrumenten und Fein⸗ mechanik (um 25 %). Die in verschiedenen Gewerbegruppen und „arten zu heobachtende Kursminderung, die übrigens nirgends 7 % erreicht, ist vielfach auf die Abtrennung des Dividendenscheines für 1912 zurückzuführen. Einen bemerkenswerten Kursrückgang (von mehr als 2 %) bedingte diese Uͤrsache bei folgenden Gewerbegruppen bzw. Gewerbearten: Bergbau, Hütten⸗ und Salinenwesen (um 2,84 %), Steinkohlenbergbau (um 6,1 %) und Braunkohlen⸗ 2,87 %), Industrie der Steine und Erden (um dieser Gewerbegruppe insbesondere Zementwerke

Töpferei, Steingut⸗ und Porzellanfabrikation

bergbau (um 2,22 2%), in (um 2,93 o),

(um 4,1 %) und Glasfabrikation (um 2,45 %), Industrie der Leuchtstoffe usw. (um 3,627 %), hier namentlich Gas⸗ anstalten (um 5,88 %), ferner Lederindustrie und Industrie lederartiger Stoffe (um 2,68 %), Industrie der Holz⸗ und Schnitzstoffe (um 4,58 %), Bekleidungsgewerbe (um 2,24 ⁄%), polygraphische Gewerbe (um 2,27 %), Handelsgewerbe (um 3,22 %) und dessen Untergruppen Hypothekenbanken (um 2,09 %) und Noten⸗, Effekten⸗ und Emissions⸗ banken (um 3,3 %), Versicherungsgewerbe (um 2,01 %), dessen Unter⸗ gruppen (um 2,77 %) und Transportversicherung (um 2,80 %), endlich Verkehrsgewerbe (um 3,622 %) sowie dessen Unter⸗ r und Straßenbahnen (um 3,88 %) und Seeschiffahrt um 4,81 /0 b

Gegen den vorjährigen Aprilkurs ist der diesjährige bei der Mehr⸗ zahl der Gewerbegruppen und ⸗arten gesunken, besonders erheblich bei den Gewerbegruppen: Industrie der Leuchtstoffe (um mehr als 22 %) sowie Musik⸗ und Theatergewerbe mit nur einer Gesellschaft (um 42 %), ferner bet den Gewerbearten: Ziegelei, Ton⸗ und Steinzeug⸗ fabrikation (um 37 %), Herstellung von Zeitmeßinstrumenten und Fein⸗ mechanik (um 31 %), Wasserversorgung und Eisbereitung (um 22 %). Anderseits findet man gegen den April 1912 ein beträchtliches Steigen der Kurse bei der chemischen Industrie (um mehr als 22 %), insbe⸗ sondere bei der der Farbenmaterialien (um 66 %), und beim Ver⸗ sicherungsgewerbe um (20 %).

8 Zur Arbeiterbewegung.

1“X“ Tarifbewegung der Färbergehilfen im Wuppertal (vgl. Nr. 116 d. Bl.) hat der Verein der Wuppertaler Seiden⸗ und Kunstseidenfärber in Elberfeld kürzlich Stellung genommen und der „Köln. Ztg.“ zufolge nachstehenden Beschluß gefaßt: „Die Färberelbesitzer sind im Augen⸗ hlick nicht in der Lage, die in einigen Betrieben ver⸗ langten Forderungen der Arbeiter zu befriedigen. Unter der Bedingung aber, daß die Arbeit in den bestreikten Betrieben Montag, den 19. ds., wieder aufgenommen wird und eine weitere Streik⸗ bewegung nicht stattfindet, sind die Färbereibesitzer bereit, nach Be⸗ endigung des Crefelder Streiks, spätestens am 1. August, eine Lohn⸗ erhöhung eintreten zu lassen. Maßregelungen finden nicht statt.“ Die Färbereigehilfen haben darauf die Arbeit wieder aufgenommen, aber aus Solidaritätsgründen die Bedingung ge⸗ stellt, daß die Färbereibesitzer während der Dauer des Crefelder Aus⸗ standes von Ueberstunden Abstand nehmen. Bei dieser Bedingung gingen die Gehilfen von der Erwägung aus, daß auch die Färberei⸗ besitzer nur aus Solidaritätsgründen gegenüber den Crefelder Färberei⸗ besitzern eine sofortige Lohnerhöhung nicht bewilligten.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.)

Literatur.

Preußen und seine Hauptstadt im Jahre 1813. Von Dr. Valentin Scherer. Verfaßt auf Anregung der Diester⸗ weg⸗Gesellschaft zu Berlin. Berlin, Trowitzsch u. Sohn. 212 Seiten. 1,50 ℳ. Die vorliegende Volks⸗ und Jugendschrift über die Frei⸗ heitskriege erhält ihr Gepräge durch das Eingehen auf die Frage, wieweit die Stadt Berlin von den Ereignissen des Jahres 1813 be⸗ rührt wurde. Dem entspricht auch die hübsche Ausstattung des Buches; es enthält außer 10 Vollbildern und 11 Porträts sowie 9 Karten und einigen Illustrationen noch 8 Ansichten aus dem alten Berlin. Auch über den Inhalt kann man nur Gutes sagen; er sucht Ver⸗ ständnis für die Eigenart der vielen Helden jener Tage zu wecken und in die jugendlichen Seelen Begeisterung für das Große in die Menschenbrust zu pflanzen. Man darf auch diesem Buch weite Ver⸗ breitung wünschen. XII. Sonderheft der Berliner Architekturwelt. Die neuen Entwürfe zum Berliner Königlichen Opernhaus. reis 10 ℳ, für Abonnenten 5 ℳ. Verlag von Ernst Wasmuth G., Berlin. Der bekannte Architekturverlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, die in den Entwürfen zum Opernhaus geleistete Arbeit als Niederschlag des architektonischen Könnens unserer Zeit durch eT“ der Allgemeinheit zugänglich zu machen und dauernd zu erhalten. Baurat Hans Schliepmann berichtet über die Ent⸗ wicklung der Berliner Opernhausfrage in ihrem geschichtlichen Ver⸗ laufe bis zum Ende des Jahres 1912. Wir sehen die Aufnahmen des Knobelsdorfschen Baues und erfahren von seinen Umänderungen bis in die neueste Zeit, die schließlich nur noch als provisorische angesehen wurden, da man erkannte, daß nur ein vpölliger Neubau den erhöhten Ansprüchen gerecht werden könnte. Die Platzfrage wird erwogen, und der weitere Verlauf der An⸗ gelegenheit zeitigt die drei Wettbewerbe, deren Ergebnisse, Pro⸗ gramme sowie das Gutachten der Königlichen Akademie des Bau⸗ wesens wiedergegeben sind. Es bedarf wohl keiner weiteren Be⸗ gründung, daß das Studium dieser Entwürfe in ihrem Ringen mit den in der Aufgabe liegenden Schwierigkeiten und in ihrem Be⸗ streben, für unseren bedeutendsten Monumentalbau der Neuzeit eine treffende Form zu finden, manches Interessante bietet.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Abspe maßregeln. Griechenland.

Nach einer Mitteilung der griechischen Regierung vom 16. April .J. (a. St.) ist die für die Herkünfte von der Küste vom Golf von Orfano bis Dédéagatch angeordnete Quarantäne ieder aufgehoben worden. Derartige Hexrkünfte unterliegen 1 gace ner ärztlichen Untersuchung. (Vgl. R.⸗Anz. vom 2. d. M.

1. Indien.

In Chittagong sind durch Verfügungen der Regierung von Bengalen Aden, Hongkong und der Hafen Busbire für pestverseucht erklärt worden. Von dort ankommende Schiffe unterliegen nebst ihren Passagieren den vorgeschriebenen gesundheitspolizeilichen Maß⸗ nahmen. 8

Theater und Musik.

Die Feier des 100 Geburtstages Richard Wagners beginnt morgen mit einem Festakt, Mittags 12 Uhr, im Königlichen Schauspielhause, zu dem besondere Einladungen ergangen sind. Der Königliche Domchor wird einen a cappella⸗Chor aus dem „Liebesmahl der Apostel“, die Königliche Kapelle das „Siegfried⸗Idyll“ vortragen. Hierauf folgt die Festrede des Herrn Professors Dr. Burdach; den Beschluß bildet der Lateran⸗ chor aus „Rienzi“, vorgetragen vom Königlichen Opernchor. Nachmittags 5 Uhr findet im Königlichen Opernhause auf Allerhöchsten Befehl Festvorstellung für die hierzu geladenen Schülerinnen und Schüler der oberen Lehranstalten statt. Gegeben werden „Die Meistersinger von Nürnberg“ in solgender Be⸗ setzung: Hans Sachs: Herr Bischoff; Eva: Fräulein Dux; Magdalena Frau von Scheele⸗Müller; Walther Stolzing: Herr Vogelstrom; l Herr Schultz; David: Herr Henke; Pogner: Herr Schwegler; Kothner: Herr Bronsgeest. Die musikalische Leitung hat der Kapellmeister von Strauß.

Im Köntglichen Opernhause wird am Sonntag, den 25. d. M., auf Allerhöchsten Befehl „Kerkyra“ gegeben. Der Fen nes Sänger Gustav Schwegler, der im vorigen Herbst nach achtzehnjähriger Tätigkeit am Königlichen Theater in Wiesbaden auf besonderen Wunsch Seiner Majestät des Kalsers und Königs an das Königliche Opernhaus berufen wurde, begeht dieser Tage sein 25 jähriges Jubiläum als Bühnensänger.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen, Donners⸗ tag, im Zyklus der Volksvorstellungen zu den bekannten billigen Preisen „Minna von Barnhelm“ in folgender Besetzung aufgeführt: Minna: Fräulein Arnstädt, Franziska: Fräulein Heisler, Dame in Trauer: Frau Butze, Tellheim: Sommerstorff, Wirt: Herr

Vollmer, Werner: Herr Patry, Just: Herr Mannstädt, Riccaut: