““
Referent Graf von Behr⸗Behrenhoff spricht sich gegen die Anträge aus. Die Beseitigung der gewerblichen Zwecke würde eine wesentliche Schädigung der Industrie bedeuten.
Fürst zu Salm⸗Horstmar: Diese aragraphen sind für mich und meine politischen Freunde die wi tigsten des Gesetzes. Wenn sie angenommen werden sollten, ist es uns unmöglich, für das Gesetz zu stimmen. Dieses Eingreifen in das Privateigentum zu⸗ gunsten eines beliebigen Dritten und für nichtöffentliche Zwecke muß zurückgewiesen werden. Gerade die Bestimmungen dieser Paragraphen sind für die Aem im Westen unerträglich. Bei den häufigen Zwistigkeiten mit der Industrie würden sie, da sie in der Minderzahl sind, immer den kürzeren ziehen. Durch diese Bestimmungen wird das Grundstück häufig entwertet. Es muß dann allen möglichen Leuten Zutritt gestattet werden, die man nicht kontrollieren kann. Ich erinnere nur daran, was es für ein Grundstück heißt, wenn es die Legung einer fremden Wasserleitung dulden muß.
Graf von Zedlitz⸗ Trützschler: In der Schätzung der Bedeutung dieser Paragraphen stimme ich mit dem Vorredner überein, doch in der Bewertung der Anträge weiche ich ganz entschieden von ihm ab. Nehmen wir diese Anträge an, dann wird in weiten Ge⸗ bieten Preußens eine wesentliche Verschlechterung des gegenwärtigen Zustandes herbeigeführt. Das Gesetz will das kostbare Gut, das Wasser, in einer wirtschaftlichen Form der Allgemeinheit zur Ver⸗ fügung stellen. Deshalb dürfen wir keine Bestimmungen treffen, die das Gegensätzliche herbeiführen müssen. Die Antragsteller übersehen, daß wohl jeder Grundstücksbesitzer in vielen Fällen auch Unternehmer ist. Ich glaube, daß weder die Landwirtschaft noch die Industrie das Gesetz annehmen kann, wenn die Anträge Annahme finden. Ich bitte Sie deshalb, es bei der Fassung des Gesetzes zu lafsan⸗ damit wir hier wirklich ein Werk von kulturellem Wert
affen.
Graf zu Rantzau: Auch ich teile die Ansicht, daß hier der
kritische Punkt des Gesetzes ist, da es sich um die Einschränkung von
Privateigentum handelt. Ich habe mich aber mit den Wasserinter⸗ essenten in Schleswig⸗Holstein in Verbindung gesetzt und den dringenden Wunsch überall gehört, daß diese Paragraphen ungeschwächt aufrecht erhalten werden. Wenn man hätte Einwendungen machen wollen, dann wäre es doch bei § 25, der über den Gemeingebrauch handelt,
am . gewesen. Jetzt muß man alle solche Bedenken zurückdrängen.
Durch Annahme der Anträge würde das ganze schleswig⸗holsteinische
Vorflutrecht auf den Kopf gestellt, und die landwirtschaftlichen Inter⸗
essen würden geschädigt. Fürst Salm sprach immer von den Inter⸗ essen des Unterliegers, aber wir müssen doch auch die Interessen der Oberlieger wahrnehmen. Wie zwischen beiden ein Ausgleich gefunden werden muß, so ist es auch zwischen Industrie und Landwirtschaft nötig. Das Gesetz muß aber auch die allgemeinen Interessen wahren. Werden die Anträge des Fürsten Salm angenommen, dann werde ich gegen das ganze Gesetz stimmen.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer: 38 Meine Herren! Ich kann es nur dankbar begrüßen, daß zwei so hervorragende Vertreter landwirtschaftlicher Interessen, wie die Herren Graf von Zedlitz und Graf von Rantzau, sich für die Beibehaltung der §§ 308 und 309 in der Fassung Ihrer Kommission ausgesprochen haben. Ich hätte ihren Ausführungen kaum etwas hinzuzufügen. Ich . öchte aber doch auch meinerseits darauf hinweisen, daß für weite Teile der reußischen Monarchie im Bereiche des Vorflutedikts vom November 811 und im Bereiche des Privatflußgesetzes bereits erhebliche Beschränkungen des Grundeigentums und Verpflichtungen bestanden zugunsten des Nachbarn, bestimmte Anlagen zu dulden. Die An⸗ nahme der Anträge des Fürsten zu Salm würde insofern geradezu einen Rückschritt bedeuten, der zweifellos, wie schon vorhin zutreffend ausgeführt worden ist, nicht allein die ins Auge gefaßte Industrie, sondern ebenso auch in weiten Bezirken der Monarchie die Landwirtschaft benachteiligen würde. (Sehr richtig!) Es ist nicht allein die Ent⸗ und Bewässerung von Grundstücken, die durch Annahme der Anträge des Fürsten Salm in Frage gestellt werden kann, sondern es handelt sich auch um landwirtschaftliche Be⸗ triebe, die sich des Wassers zu gewerblichen Anlagen bedienen. Ich möchte auch meinerseits die Elektrizität und sonstige mit landwirtschaftlichen Betrieben verbundenen Anlagen erwähnen, für welche sowohl die Entnahme von Wasser, als auch die Beseitigung der Abwässer notwendig ist. Solche Unternehmungen würden in Frage gestellt, wenn die Anträge des Fürsten Salm an⸗ genommen würden. Meine Herren, die Staatsregierung ist bei ihren Vorschlägen von der allein richtigen Absicht ausgegangen, ein Gesetz zu schaffen, das nicht allein für die Landwirtschaft und nicht allein für die Industrie, sondern für die Allgemeinheit nützlich sein soll! Wenn wir uns dazu verstanden haben, in den §§ 308 und 309 empfindliche Beschränkungen des strengen Eigentumsbegriffs zu⸗ zulassen, so waren wir uns auch bewußt, daß diese Einschränkungen der Allgemeinheit zugute kommen und daß es nicht zulässig sein würde, einseitig der Landwirtschaft Vorteile zuzubilligen, die der Industrie unter den gleichen Voraussetzungen versagt bleiben.
Die im einzelnen geäußerten Bedenken des Fürsten Salm werden durch den § 312 des Gesetzes in der Hauptsache ausgeräumt, der zugunsten der Gebäude, Gärten und Parkanlagen noch besondere Ausnahmen enthält. Wenn der Fürst Salm seinen Wünschen Geltung verschaffen wollte, so hätte es wohl näher gelegen, zu diesem Paragraphen Abänderungsvorschläge zu machen; seine Anträge zu den §§ 308 und 309 stellen, wie ich auch meinerseits ausdrücklich betone, das ganze Gesetz in Frage! (Bravo!)
err Dr. Johansen⸗ECrefeld: Auch die Kreise, denen ich nahestehe, hatten zunächst nicht unerhebliche Bedenken gegen die 88 308 und 309, sie haben sie aber fallen lassen, zum größten eil aus den Erwägungen heraus, wie sie soeben Graf Zedlitz so vorzüglich zum Ausdruck brachte. Ich hebe nur noch hervor, daß im 313a die Entschädigungspflicht einen über alles bisher Uebliche inausgehenden Umfang erhalten hat; jedes Interesse des Ge⸗ schädigten muß entschädigt werden. Angesichts einer so großen Schad⸗ loshaltung sind die §§ 308 und 309 unbedenklich anzunehmen.
Graf von Seidlitz: Es will mir scheinen, als ob man die Trag⸗ weite der Anträge des Fürsten zu Salm⸗Horstmar etwas aufbauscht, um das Gesetz nicht zu gefährden. Wenn man den Antrag vor⸗ urteilsfrei prüft, so kann man aus ihm nur herauslesen, daß er das bisher geltende Recht bestehen lassen, aber zugunsten industrieller Anlagen neues Recht schaffen will. Bisher hat sich doch auch ohne dieses neue Recht, das hier statutert werden soll, die Industrie blühend entwickeln können. Warum es plötzlich für die Weiterentwicklung not⸗ wendig sein soll, neues Recht zu schaffen, dafür habe ich Gründe bisher nicht gehört. Ich bitte, sich mit möglichst großer Mehrheit auf die Anträge Salm zu konzentrieren.
Herr vom Rath: Durch das Gesetz in der Fassung des Abge⸗ ordnetenhauses und unserer Kommission ist ein billiger Ausglesch zwischen den Bedürfnissen der Landwirtschaft und der Industrie ge⸗ geben. Die Vertreter der Industrie könnten ihrerseits dem Gesetz zicht zustimmen, wenn die §§ 308 und 309 eine Veränderung erfahren ollten.
Miinister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow: Ich möchte auch von meinem Standpunkt aus die Wünsche des Herrn Vorredners nach Ablehnung des Antrags des Fürsten Salm
auf das wärmste unterstützen. Auch wenn man sich auf den prinzipiellen Standpunkt stellt, so kann man doch nicht bestreiten, daß es sich hier um eine — wie man gesagt hat — Erxpropriation nicht handelt, sondern um eine gesetzliche Einschränkung des Eigentums. Solche gesetzliche Eigentumseinschränkungen durchziehen ja unser gesamtes Privatrecht. So wird im Bürgerlichen Gesetzbuch mehrfach dem Eigentümer eines Grundstücks eine Beschränkung zugunsten des Eigen⸗ tümers eines benachbarten Grundstücks auferlegt. Der Gesetzgeber wägt die Interessen gegeneinander ab. Er führt den Eigentums⸗ begriff nicht bis auf seine letzten, starren Konsequenzen durch, sondern schränkt ihn ein, wenn das volkswirtschaftlich nötig und berechtigt ist. Um dasselbe handelt es sich hier, nur mit dem Unterschied, daß die Beschränkung mit einer Entschädigungspflicht verbunden ist. Es soll jetzt die Verpflichtung des tiefer gelegenen Grundstücksbesitzers zur Duldung gewisser Maßnahmen nur eintreten, wenn das Unter⸗ nehmen nach den Bestimmungen des Gesetzes anders nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten durchgeführt werden kann und wenn der zu erwartende Nutzen den Schaden des Betroffenen er⸗ heblich übersteigt. Ich meine, das ist eine so billige Abwägung der beiderseitigen Interessen, daß diese Beschränkung nichts Außer⸗ gewöhnliches, nichts Prinzipwidriges hat, zumal wenn sie mit einer Entschädigungspflicht verbunden ist und diese Entschädigung jedes Interesse des Geschädigten umfassen soll, wie es im § 313 a aus⸗ drücklich anerkannt ist.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß alle Rechtsgarantien gegeben sind und daß die Beschwerde an das Landeswasseramt und in der Entschädigungsfrage der Rechtsweg vorgesehen ist. Ich darf ferner darauf aufmerksam machen, daß der Entwurf hier nur dem Vorgang
anderer moderner Gesetze auf dem Gebiet des Wasserrechts folgt.
Aehnliche Bestimmungen finden sich z. B. in den Gesetzen von Baden, Württemberg und Bayern.
Nun sagt man: es sind neue Berechtigungen, die hier geschaffen werden. Diesen neuen Berechtigungen steht aber auch eine ganze Reihe von neuen Verpflichtungen gegenüber, die durch das Gesetz, sowohl wenn es sich um Verwertung von Wassertriebkräften, als auch wenn es sich um Ableitung von Abwässern und um Wasserversorgung handelt, geschaffen sind. Was die Wasserkraftanlagen betrifft, so möchte ich daran erinnern, daß dieses Gesetz z. B. einen Zwang für die Stauberechtigten zum Ausbau oder zur Sicherung der Stau⸗ anlagen schafft, und daß ferner das Erfordernis der Genehmigung der Wasserpolizeibehörde zur Außerbetriebsetzung der Stauanlagen und ein Verbot, aufgestautes Wasser plötzlich abzulassen, vorgesehen ist, — alles Beschränkungen, die das bisherige Recht nicht kannte. Was die Ableitung der Abwässer und die Wasserbeschaffung zu gewerblichen Zwecken angeht, so verweise ich auf die Vorschriften über die Be⸗ nutzung der Wasserläufe und der unterirdischen Gewässer sowie über die Reinhaltung der Gewässer, die gegenüber dem geltenden Recht erhebliche Erschwerungen enthalten. Für diese Belastungen bieten meines Erachtens doch die nur beschränkten Zwangsrechte aus §§ 308 und 309 eine ganz bescheidene Kompensation. Gehen Sie nicht so weit, wie das Gesetz in § 308 und § 309 vorsieht, so lassen Sie der Schikane des unterliegenden Eigentümers freien Spielraum, um volkswirtschaftlich berechtigte Anlagen auf den oberhalb gelegenen Grundstücken entweder sehr zu erschweren oder gar un⸗ möglich zu machen, und solche Fälle von Schikanen sind — das er⸗ widere ich dem Herrn Grafen von Seidlitz⸗Sandreczki — vorgekommen. Die Klagen über solche Schikanen haben mit die Veranlassung ge⸗ geben, daß die §§ 308 und 309 in das Gesetz aufgenommen sind. Demgegenüber bestehen doch sehr erhebliche volkswirtschaftliche Inter⸗ essen; sie sind schon alle berührt worden: ich erinnere nochmals an die elektrischen Zentralen, die der Wasserkraft in allen den Landesteilen, in denen keine Kohle ansteht und Kohle nur mit großen Trans⸗ portkosten zu beschaffen ist, gar nicht entbehren können. Ich sollte meinen, im Interesse der Industrie und der Landwirtschaft müssen wir bestrebt sein, die Schaffung solcher Zentralen, die billigen Strom über das ganze Land verbreiten können, zu erleichtern und nicht, sie zu erschweren. Weiter gibt es eine Reihe industrieller Anlagen, sowohl industrieller im engeren Sinne, als auch industrieller Nebenanlagen von landwirtschaftlichen Betrieben, für welche ohne die Bestimmungen der §§ 308 und 309 die Existenz aufs äußerste erschwert werden würde. Ich will in dieser Beziehung nur hinweisen auf Zuckerfabriken, Brennereien, Molkereien usw⸗; welches Interesse besteht denn da, die Ableitung der Abwässer zu erschweren? Und wenn man gesagt hat, es ist doch bisher ohne diese Eigentumsbeschränkungen gegangen, so kann ich mich doch der daraus von dem Grafen von Seidlitz gezogenen Schlußfolgerung nicht an⸗ schließen. Der Zweck des Gesetzes ist die Förderung der wasserwirt⸗ schaftlichen Tätigkeit, und wenn dieser Zweck erfüllt werden soll, dann dürfen meines Erachtens die §§ 308 und 309 nicht weiter eingeschränkt werden. (Bravo!)
Graf von Plettenberg⸗Lenhausen: Ich muß auch meiner⸗ seits gegen diese beiden Paragraphen protestieren. Ich stehe ganz auf dem Poden der Anträge des Fürsten zu Salm. Einen so scharfen
Eingriff in das herveelgentum⸗ wie er hier konstrutert wird, haben
wir wohl noch nie in einem Gesetz gehabt; es ist etwas ganz Neues, daß zugunsten eines einzelnen, der Nutzen von der Sache hat, der andere seine wohlerworbenen Rechte, sein angestammtes Eigentum aufgeben muß. In dem Gesetz sind gewisse sozialistische Anwandlungen zu erblicken, ist gesagt worden; ich weiß nicht, wie weit dieser Vorwurf aufrecht erhalten werden kann, aber es ist ein ungeheuer gefährlicher Schritt, den wir hier machen wollen, der sich schwer rächen wird. Wir haben in dem letzten Jahre Gesetze gemacht, die, gelinde aus⸗ gedrückt, den Begriff des Privateigentums, wie er bisher bestanden hat, stark beschränkt haben, und wir sind auf dem Wege, ihn von Gesetz zu Gesetz weiter einzuschränken. Werden diese beiden Paragraphen Gesetz, dann wird für einen Teil der Grund⸗
besitzer des Westens die Existenz auf ihren Gütern, wo
ihre Vorfahren seit Jahrhunderten gesessen haben, fast un⸗ möglich; das wird die praktische Folge davon sein. Die bessere und sücher⸗ Abführung von Abwässern, die Verunreinigung von Wasser⸗ läufen, das sind die Momente, die uns schädigen, und die wir hier absolut ablehnen. Ich bedauere ganz aufrichtig, daß hier der Gegensatz zwischen den altpreußischen und den neuen Provinzen so scharf zutage tritt; man sieht aber daraus, daß ein derartiges Gesetz ar nicht einheitlich zu machen ist. Wenn die Leitung einer Ueber⸗ durch meinen Wald gehen soll, Füchen Schneisen gehauen werden, es muß eine Beaufsichtigung stattfinden. Die Schneisen werden Schnee⸗ und Windbrüche im Gefolge haben, die Waldbestände können ganz vernichtet werden. Die Entschädigungsfrage wird ebenfalls die Schikanen nicht verhindern, sondern gerade herbeiführen, und zwar in allerhöchstem Maße. Das Gesetz hat die beiden Paragraphen nicht nötig; werden sie nicht gestrichen oder wenigstens die Anträge Salm angenommen, so kann ich nicht für das Gesetz stimmen.
Graf Droste zu Vischering: Ich bedauere schmerzlich,
daß hochangesehene Mitglieder des Hauses und die Staats⸗
regierung sich ausschließlich auf den Standpunkt der Nützlich⸗ keit gestellt haben, und daß bei ihnen von der Frage des Rechts sehr wenig die Rede gewesen ist. Hat der Handels⸗ minister überhaupt noch von einem ungestörten Eigentumsrecht ge⸗ sprochen? Bei so weitgehenden Enteignungen ist es doch Pflicht der
egierung, davon einen maßvollen Gebrauch zu machen; sonst unter scheiden wir uns nur sehr wenig vom Kollektivstaat. Gewiß ist es sehr bequem, alles zu enteignen und dann frei zu disponieren, aber das können wir nicht mitmachen. Auch für mich hängt die Annahme des Gesetzes von der Annahme der Anträge Salm ab, die ich noch in letzter Stunde dringend empfehle.
Herr Dr. von Dziembowski: Beide Paragraphen stellen eine Erweiterung des Nachbarrechts dar, wie sie durch die Entwicklung notwendig geworden und wirtschaftlich unentbehrlich ist. Der Antrag⸗ steller überschäͤtzt wohl mit seinen Freunden die Tragweite dieser Be⸗ stimmungen wesentlich. Diese Paragraphen werden namentlich für die Ueberlandzentralen nicht von wesentlicher Bedeutung sein. Ein Ein⸗ griff in das Privatrecht wird hier auch nicht annähernd in der Weise vorgenommen, wie die Antragsteller annehmen. Andererseits halte ich diese Bestimmungen doch für unentbehrlich für das Zustandekommen des ganzen gesetzgeberischen Werkes.
Graf von Seidlitz: Der Handelsminister hat zugegeben, daß ein Rechtsnovum geschaffen werde, und er hat gemeint, daß diese Kompensation für die erweiterten Rechte der Landwirtschaft der In⸗ dustrie gegenüber notwendig sei. Ich kann das nicht einsehen, denn die Landwirtschaft bekommt gar kein erweitertes Recht in der Form, wie der Antrag des Fürsten Salm zunächst gefaßt ist. Dann hat der Handelsminister gemeint, daß ein schikanöses Vorgehen gegen die In⸗ dustrie durch das Gesetz beseitigt werden müsse. Aber ich meine, kaß mit den §§ 308 und 309 unzählige Fälle von Schikanen der In⸗ dustrie gegenüber der Landwirtschaft geradezu hervorgerufen werden. Ich gebe zu, daß der Antrag des Fürsten zu Salm vielleicht etwas
zu weit geht, und ich würde ihm anheimgeben, im § 309 die Worte
„oder Bewässerung“ und „oder gewerblichen“ nicht zu streichen. Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sy dow:
Um Mißverständnissen vorzubeugen, möchte ich dem Herrn Vor⸗ redner erwidern, daß ich nicht gesagt habe, diese Bestimmungen be⸗ zweckten, der Industrie Kompensationen zu geben für Vorteile, die im übrigen der Landwirtschaft eingeräumt seien, sondern es handle sich um Kompensationen gegenüber Belastungen, die sowohl den Wasserkraftanlagen, als den Anlagen zur Wasserbeschaffung zu gewerb⸗ lichen Zwecken durch die Vorlage gegenüber dem bisherigen Recht auf⸗ erlegt werden.
Fürst zu Salm⸗Horstmar: Ich bin bereit, in meinem Antrage die Worte „oder Bewässerung“ zu streichen. Betonen möchte ich, daß ich nicht, wie es scheinen möchte, ein Gegner der industriellen Entwicklung bin. Andererseits haben wir gerade im Westen so schlimme Erfahrungen gemacht, daß wir sagen müssen: principiis obsta. Der Handelsminister hat gesagt, die industriellen Anlagen seien volks⸗ wirtschaftlich vollkommen berechtigt. Mit demselben Rechte kann man sagen: auch die land⸗ und forstwirtschaftlichen Grundstücke und An⸗ lagen sind vollkommen berechtigt. Infolge der §§ 308 und 309 kann eine Unsumme von Schikanen entstehen. Wenn vorhin aus⸗ geführt worden ist, daß auch bei der Verleihung die Gründe des öffentlichen Wohles nicht erforderlich wären, und daß Inkongruenzen in das Gesetz hineingetragen würden, so würde ich mich nach dieser Feststellung an sich für berechtigt halten, zu beantragen, die ganze Vorlage an die Kommission zur nochmaligen Beratung zurückzuver⸗ weisen. Ich will es jetzt noch nicht tun, behalte es mir aber für später vor. Im übrigen bitte ich Sie, für meine Anträge recht zahl⸗ reich einzutreten.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Meine Herren! Ich glaube, es ist auch einer guten Sache nicht damit gedient, wenn die Gründe, welche für dieselbe sprechen, über⸗ trieben werden. Und zu solchen Uebertreibungen muß ich zu meinem Bedauern Ausführungen rechnen, welche darin gipfeln, daß die An⸗ nahme der §§ 308 und 309 die Existenz bedrohe, den Ruin herbeiführe oder das fernere Verbleiben auf dem Grund⸗ besitz unmöglich machen könnte. Die Staatsregierung ist beim Entwurf der §§ 308 und 309 durchaus nicht in erster Linie von dem Gedanken ausgegangen, private, gewerbliche oder industrielle Interessen mit diesen Bestimmungen besonders zu schützen; sie hat die Aufrechterhaltung des bestehenden Rechtszustandes in einem Teile der Monarchie im Auge gehabt und sodann es er⸗ reichen wollen, die vorhandenen Wasserschätze bestmöglichst aus⸗ zunützen. Sie hat dabei den landwirtschaftlichen Betrieben durch die Zulassung stärkerer und besserer Bewässerung Vorteile sichern wollen, die ihnen gegenwärtig nicht beschieden sind. Im Laufe der Verhandlungen ist dann, wie ich vorhin schon erwähnt habe, mit vollem Recht erwogen worden, daß man auf der einen Seite der Landwirtschaft nicht Vorteile zuführen dürfte, die man andererseits der Industrie versagt hätte. Ich möchte dabei doch ausdrücklich hervorheben, daß etwas Scozialistisches meines Erachtens in diesen Bestimmungen nicht liegt; wenn hervorgehoben worden ist, daß überall Beschränkungen des Eigentums festzustellen wären, so kann ich demgegenüber nur bemerken, daß der Begriff des Eigentums, solange er im Rechte existiert, niemals als ein absoluter bestanden hat, sondern daß mit dem Begriffe des Eigentums immer gleichzeitig eine Reihe von Beschränkungen verbunden waren, die sich der Eigentümer im Interesse des Nachbarn oder der Allgemeinheit ge⸗ fallen lassen mußte. Herr von Dziembowski hat meines Erachtens ganz richtig ausgeführt, daß das, was hier in den §§ 308 und 309 gefordert wird, nichts weiter ist als eine Erweiterung des Nachbarrechts, das bekanntlich schon in zahlreichen Gesetzesvorschriften dem Eigentümer Beschränkungen zugunsten des benachbarten Bezirks auferlegt. Meine Herren, Sie dürfen doch nicht außeracht lassen, daß im Gesetze die Kautelen meines Erachtens vorhanden sind, welche der Herr Antragsteller und seine Freunde vermissen. Auf der einen Seite schreibt § 308 ausdrücklich vor, daß Anlagen dieser Art nur gemacht werden dürfen, wenn das Unter⸗ nehmen anders nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehrkosten durchgeführt werden kann und der davon zu erwartende Nutzen den Schaden des Betroffenen erheblich übersteigt. Also für ein Unter⸗ nehmen im Sinne des § 308 ist die gesetzliche Voraussetzung, daß es anders nicht zweckmäßig oder nur mit erheblichen Mehr⸗ kosten durchgeführt werden kann, und ebenso muß die Ge⸗ nehmigung zu dem Unternehmen versagt werden, wenn der dadurch für den andern herbeigeführte Nachteil den Vorteil des Unternehmers bedeutend übersteigt. Die Entscheidung über die Ge⸗ nehmigung ist auch nicht in die Hand des Unternehmers gelegt, sondern sie findet durch den Bezirksausschuß statt, und gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde an das Landeswasseramt gegeben. Es ist somit völlig ausgeschlossen, daß in solchen Fällen ein unzu⸗ lässiger Gebrauch von den Bestimmungen der §§ 308 und 309 gemacht werden kann.
Ich will nun gern anerkennen, daß der Herr Antragsteller mit der Beschränkung, die er, auch den Ausführungen des Herrn Grafen Seidlitz entsprechend, seinem Antrag geben will, einigermaßen dem Standpunkt des Gesetzentwurfs entgegenkommt. Aber wenn die Worte: „im öffentlichen Interesse“ stehen bleiben und damit die Ab⸗ führung von Abwässern lediglich auf die Fälle des öffentlichen Interesses beschränkt bleibt, wird man meiner Ansicht nach dem Bedürfnis der Gegenwart und der Zukunft nicht gerecht. Meine Herren, es handelt sich doch nicht nur um Ab⸗ wässer der Industrie, um die Kanalisation, die allerdings wohl regelmäßig im öffentlichen Interesse stattfindet. Es handelt sich vielmehr auch um die Abwässer der mit landwirtschaftlichen Be⸗ trieben verbundenen Anlagen. Ich erinnere an die Zuckerfabriken, an Brennereien und Wassertriebwerke, die der moderne landwirtschaftliche Betrieb gar nicht entbehren kann. Hier steht die Abführung von Abwässern in Frage und durch die Weigerung des Grundstückseigen⸗ tümers kann dem Nachbarn ein erheblicher Nachteil zugefügt werden, ohne daß der Grundstückseigentümer einen entsprechenden Vorteil hat. Die Kautelen, die in dieser Beziehung gesetzlich festgelegt sind, die Vorschrift, daß für Schmutzwasser nur dichte Leitungen gelegt werden dürfen, machen doch auch die Bestimmungen der §§ 308 und 309 erträglicher, als es in den Augen der Antragsteller der Fall ist Meine Herren, ich bitte wiederholt, es bei den Bestimmungen der §§ 308 und 309 zu belassen, die ich für unentbehrlich halte, wenn das Wassergesetz die von uns beabsichtigte Wirkung haben soll. (Bravo!)
Herzog Ernst Günther zu Schleswig⸗Holstein: Ich bin auch der Meinung, daß der Antrag, wie er lautet, einen Rückschritt für einen großen Teil der Monarchie bedeuten würde. Andererseits sind meine Bedenken gegen den Wortlaut des Paragraphen doch auch recht erheblich, namentlich gegen die Worte „und der davon zu er⸗ wartende Nutzen den Schaden des Betroffenen erheblich übersteigt“. Diese Worte haben einen etwas unangenehmen Beigeschmack. In bezug auf Kläranlagen werden an die Städte große Anforderungen gestellt, die in vielen Fällen schwer zu erfüllen sind. Ich glaube nicht, daß nach dem Stande der heutigen Industrie die Anlagen in vielen Fällen vollständig ausreichen würden; es werden also die Städte gezwungen sein, sehr viel weiter zu gehen, und sie werden voraus⸗ sichtlich eines sehr viel größeren Terrains bedürfen, um die Klär⸗ anlagen auszudehnen. Vielleicht empfiehlt es sich, gewisse Worte in diesem Paragraphen zu streichen.
Herr Holle⸗Essen: Nicht als Städter, sondern als einer, der an Landeskulturangelegenheiten mitgearbeitet hat, möchte ich mein Erstaunen darüber aussprechen, daß man behauptet hat, das Recht werde hier zuungunsten des öö geändert. Gerade in Westfalen, für welches drei Herren hier gesprochen haben, besteht das Landeskulturedikt von 1811, und dieses macht einen Unterschied zwischen gewerblichen Abwässern und natürlichen Abwässern nicht. Man hat niemals gehört, daß dieses Edikt bekämpft worden wäre. Die vorliegenden Paragraphen bedeuten aber noch einen enormen Fortschritt gegenüber dem Landeskulturedikt von 1811. Dieser Fortschritt kommt besonders dem platten Lande zugute, insofern die Abwässer dahin gebracht werden, wo sie unschäͤdlich beseitigt werden können. Die Paragraphen liegen also im Interesse einer unschädlichen Abwässerbeseitigung, einer unschädlichen Wasserzufuhr und im Interesse der sanitären Verhältnisse des platten Landes.
Graf von Plettenberg (zur tatsächlichen Berichtigung): Ich habe nicht sagen wollen, ich würde von Haus und Hof vertrieben, sondern ich habe nur die Staatsregierung darauf hinweisen wollen, daß, wenn sie so fortfahre mit derartigen Gesetzen, wir dann dazu kommen würden, daß dieser Zustand hervorgerufen wird.
Fürst zu Salm⸗Horstmar stellt folgenden Eventual⸗
antrag: Im Falle der Ablehnung der Anträge zu § 308 den
Absatz 1 folgendermaßen zu fassen:
„Zugunsten eines Unternehmens, das die Entwässerung von Grundstücken, die bessere Ausnutzung einer Triebwerksanlage oder im öffentlichen Interesse die 8 eseitigung von Abwässern be⸗ zweckt usw.“;
im § 309 den Absatz 1 folgendermaßen zu fassen:
„Zugunsten eines Unternehmens, das die Entwässerung oder die Bewässerung von Grundstücken, die Wasserbeschaffung zu Hänellchern oder gewerblichen Zwecken oder im öffentlichen Interesse die Be⸗ seitigung von Abwässern bezweckt usw.“
Herr von Buch: Ich werde aus den Gründen, welche die Herren Grafen Zedlitz und Rantzau entwickelt haben, für die un⸗ veränderte Annahme der §§ 308 und 309 stimmen. In § 313a ist dem Eigentümer allerdings eine außerordentlich hohe Entschädigung n Aussicht gestellt. Es gibt aber Verluste, für die eine genügende Entschädigung überhaupt nicht gegeben werden kann.
Fürst zu Salm⸗Salm: Ich werde allerdings für die Anträge stimmen, möchte aber nicht so weit gehen, gegen das ganze
Gesetz zu stimmen, wenn diese Anträge abgelehnt werden sollten. Denn an dem Zustandekommen dieses Gesetzes haben weite Kreise ein
Interesse. Graf zu Rantzau: Es ist hier ein Unterschied zwischen alten und neuen Provinzen gemacht worden; die Provinz Schleswig⸗ lstein hat ein dringendes Interesse an der Annahme der Kom⸗ ssionsbeschlüsse. 1 Fürst zu Salm⸗Horstmar: Ich gehöre nicht zu denjenigen, ie diesen Unterschied gemacht haben.
Damit schließt die Diskussion. Die Prinzipalanträge und die Eventualanträge des Fürsten
Salm⸗Horstmar werden abgelehnt; die §§8 308 und 309
leiben unverändert. Zu § 317, der den Begriff der Wasserpolizeibehörde fest⸗ gt, beantragt Graf von 8 edel⸗Gödens, daß bei Wasserläufen zweiter Ordnung Städte, deren Polizeiverwaltung der Aufsicht des Landrats nicht untersteht, den Stadtkreisen gleichstehen. Herr Tramm⸗Hannover befürwortet den Antrag: Ich möchte dem hohen Hause meinen Dank dafür aussprechen, daß es schon vorhin die Sonderrechte der kleinen hannoverschen Städte fast einstimmig aufrecht erhalten hat. Das geschieht hoffentlich auch in der Zukunft. Auch der Minister hat sich ja zustimmend aus⸗ gesprochen nur konnte man aus einer Bezugnahme auf einen späteren Parograp en des Gesetzes herauslesen, daß die Regierung gegebenen⸗ falls diese Rechte doch nicht beachten würde. Ich bitte deshalb, die in Betracht kommenden Fälle genau daraufhin zu prüfen, ob wirklich eine Bedürfnisfrage vorhanden ist, die Wasserläufe unter einheitliche eitung zu stellen. Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer: Meine Herren! Ich habe, als ich von der Möglichkeit sprach, die §§ 318 und 319 in den Fällen anzuwenden, wo an sich die Wasserpolizei den Kreisangehörigen, selbständigen Städten in der Provinz Hannover zustehen würde, schon ausdrücklich hervorgehoben, daß die Staatsregierung von dieser Möglichkeit nur dann Gebrauch machen werde, wenn dazu ein Bedürfnis vor⸗ handen ist. Es wird sich also auch hier nicht darum handeln, die von Ihnen angenommene Vorschrift durch die Anwen⸗ dung der Paragraphen 318 und 319 illusorisch zu machen! Aber gegen⸗ über den Bedenken, welche im vorliegenden Falle auch von der Staats⸗
regierung nicht verkannt werden konnten, halte ich mich verpflichtet, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß, wenn ein Bedürfnis dafür vor⸗ liegt, einen Wasserlauf einer Polizeibehörde zu unterstellen, die Staatsregierung sich genötigt sehen müßte, von der Befugnis der Paragraphen 318 und 319 Gebrauch zu machen.
Der § 317 wird zusammen mit dem Antrag von Wedel angenommen.
Der achte Abschnitt (§8 344a — d) handelt vom Landes⸗ wasseramt. Der § 344c regelt zuerst das Disziplinar⸗ verfahren und spricht von der Beschlußfassung. Ein Antrag des Herrn Dr. von Schönstedt will, daß die Mitglieder des Landes⸗ wasseramts im Disziplinarverfahren wie richterliche Beamte behandelt werden, und ferner, daß zur Fassung der Entscheidung mindestens die Hälfte der ständigen Mitglieder außer dem Vor⸗ sitzenden erforderlich ist.
Herr Dr. von Schönst edt: Die Gleichstellung der Mitglieder dieses Amtes mit den richterlichen Beamten halte ich im Interesse des Ansehens dieses neugeschaffenen Amtes für notwendig. Die Fassung des Gesetzes könnte den Anschein hervorrufen, als ob sis Beschlußfassung die Anwesenheit sämtlicher Mitglieder nötig ein müßte. Das kann natürlich bei der zu erwartenden Größe dieses Amtes unmöglich beabsichtigt sein. Das ist auch bei anderen obersten Gerichten nicht nötig. Selbst das Reichsgericht verlangt nur die Anwesenheit von zwei Dritteln. Ich halte es für wünschenswert, daß wir für dieses Amt die Hälfte sestsetzen. Ein Widerspruch der Staatsregierung ist auch nicht zu erwarten, ja es liegt sogar die An⸗ nahme des Antrages in ihrer Absicht.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten r. Freiherr von Schorlemer: Meine Herren! Ich habe kein Bedenken gegen diesen Antrag zu erheben und bitte, ihm zuzustimmen.
Der § 344 c wird mit dem Antrag von Schönstedt an⸗ genommen.
Der zehnte Abschnitt, §§ 349 bis 365, handelt von den
ebergangs⸗ und Schlußbestimmungen. § 349 setzt die Rechte fest, die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes auf⸗ recht erhalten bleiben, soweit sie auf besonderem Titel be⸗ ruhen. Die auf nicht besonderem Titel beruhenden Rechte sollen nur insoweit und so lange aufrecht erhalten werden, als rechtm äßige Anlagen zu ihrer Ausübung vorhanden sind. Ein Antrag des Herrn Dr. von Dziembowski will für die
nicht auf besonderem Titel beruhenden Rechte einen bestimmten Stichtermin festsetzen, und zwar den 1. Januar 1912, sodaß alle Anlagen, die vor diesem Termin errichtet sind, oder bei denen mit der Errichtung begonnen ist, dieses Rechtes teilhaftig werden. Ein Antrag des Herrn Holle will diesen Zeitpunkt bis 1. Januar 1913 hinausgeschoben wissen. Ein Antrag des Herzogs Ernst Günther zu Schleswig⸗Holstein will diesem Paragraphen einen Absatz 6 hinzufügen, wonach eine Veränderung des Wasserstandes ferner im bisherigen Umfang gestattet ist, wenn dieselbe durch Einleitung von Wasser aus Seen und Teichen, die der Fischerei dienen, geschieht, sofern d zur Grundräumung, Ansamung oder Abfischung abgelassen werden.
Herr Dr. von Dziembowski: Ich erkläre mich mit der
Hinausschiebung des Stichtermins bis 1. Januar 1913 einverstanden.
Graf von Reichenbach⸗Goschütz: Ich bitte, den Antrag des Herzogs zu Schleswig⸗Holstein anzunehmen. Er ist einfach eine Konsequenz des schon zu § 42 angenommenen Antrages.
Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:
Ich will gegen den Antrag Seiner Hoheit Herzogs Ernst Günther von Schleswig⸗Holstein und des Herrn Grafen Reichenbach wie auch gegen den Antrag des Herrn Dr. von Dziembowski Bedenken nicht erheben; letzterem möchte ich jedoch nur mit der Maßgabe zu⸗ stimmen, daß ich es für wünschenswert halte, als Stichtag den 1. Januar 1913 festzusetzen.
Der § 349 wird mit den dazu gestellten Anträgen an⸗ genommen.
Der Rest des Gesetzes, §s 350 — 365, wird ohne Dis⸗ kussion in der Kommissionsfassung angenommen. Das Ver⸗ zeichnis der Wasserläufe J. Ordnung erfährt noch zwei Aende⸗ rungen: Auf den von Herrn Dr. Johansen befürworteten Antrag des Grafen von Wedel⸗Gödens wird für die Weser als Endpunkt des Wasserlaufs festgesetzt „Verbindungslinie zwischen dem Kirchturm von Langwalden und der Mündung des Orstedter Baches (hamburgische Grenze)“; auf Antrag des Referenten wird ferner die Jeetzel auf der Strecke außerhalb der Stadt Salzwedel (nicht von der hohen Brücke 81 Salzwedel) bis zur Elbe als Wasserlauf I. Ordnung erklärt.
Schließlich werden auch Einleitung und Ueberschrift und sodann fast einstimmig das Wassergesetz im ganzen angenommen. Ohne Diskussion nimmt das Haus auch die von der Kommission empfohlenen sechs Re soluti zu dem Entwurfe an.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. 8
Schluß 3 Uhr. Die nächste Sitzung wird zur Erledigung des Schleppmonopol⸗ und des Fortbildungsschulgesetzes voraus⸗ sichtlich am 12. oder 13. März stattfinden.
1“
Haäaus der Abgeordneten. 125. Sitzung vom 4. Februar 1913, Vormittags 11. Uhr. (Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)
és wird die zweite Beratung des Etats des Mini⸗ steriums des Innern bei dem Kapitel der Landrats⸗ ämter fortgesetzt. Die Debatte erstreckt sich zugleich auf die Titel der Gehälter der Landräte, der Oberamtmänner, der landrätlichen Hilfsbeamten, der Kreissekretäre, der Dienst⸗ aufwandsentschädigungen und der Kosten des Verfahrens bei den Versicherungsämtern, für welchen letzteren Zweck 600 000 ℳ ausgeworfen sind.
Ueber den Beginn dieser Besprechung ist bereits in der
gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. Korfanty (Pole): Auf die Beschwerden, die der Abg. Wenke gegen die Uebergriffe von Amtsvorstehern vorgebracht hat, hat der Minister gesagt, mit diesen Fällen werde es sich ungefähr so ver⸗ halten, wie mit denjenigen des Abg. Korfantv. Im Anschluß an die Ausführungen des Abg. Dr. Seyda hat der Minister gestern bemerkt: Das ist die Art und Weise, wie die Herren Polen polemisieren. Diese Aeußerungen des Ministers veranlassen mich, die Kampfesweise des Ministers einmal gebührend zu kennzeichnen. Auf meine Beschwerde, daß ein Landrat in Oberschlesien eine Reihe polnischer Versamm⸗ lungen verboten hat, hat der Minister gesagt, auf Grund der amt⸗ lichen Ermittlungen könne er feststellen, daß die von mir vorgebrachten Beschwerden auf unrichtigen Informationen beruhen. Ich habe nun zwei amtliche Schriftstücke auf den Tisch des Hauses gelegt, die ein
von dem betreffenden Landrat unterzeichnetes Versammlungsverbot enthalten. Nach den Ausführungen des Ministers soll aber der Land⸗ rat damals Urlaub gehabt haben. Das ist die Art und Weise, wie der Minister die Angriffe SA Gegner widerlegt. Der Minister hat mir gewissermaßen den Vorwurf gemacht, daß ich hier und im Reichs⸗ tage häufig die Unwahrheit gesagt habe. Der Minister hat es aber nicht für seine Pflicht gehalten, seinerzeit im Reichstage zu erscheinen, als ich meine Interpellation über das Vereinsgesetz eingebracht habe. Statt, dessen sagt er hier in diesem Hause: es hat sich herausgestellt, daß nicht ein einziges Wort von der Sache wahr ist; die Gewährs⸗ männer des Abg. Korfanty haben die Sache vielleicht aus den Fingern gesogen. Dieses Verhalten des Ministers verdient an dieser Stelle einmal gebührend beleuchtet zu werden. Ich habe Akten vor mir liegen, aus denen sich ergibt, daß dem Minister unterstellte Beamte, insbesondere die Landräte und Amtsvorsteher, wenig 1 Be⸗ richte eingeschickt haben. Ein Amtsvorsteher aus der Umgebung von Beuthen i. Oberschlesien hat dem Minister nicht objektiv berichtet, als er berichtete, daß er eine Versammlung unter freiem Himmel nicht habe zulassen können, weil der betreffende Acker zu schmal gewesen sei, um die Menschenmenge unterzuhringen, daß nicht für Gelegenheit zur Verrichtung der Notdurft während einer dreistündigen Versammlung gesorgt sei, und daß die umliegenden Aecker hätten beschädigt werden können. Der Minister hat früher im Reichstage gesagt, der Landrat von Rosenberg sei zu der Zeit, in welche meine Beschwerden fallen, beurlaubt gewesen, und ich habe aktenmäßig nachweisen können, daß der Landrat gerade in dieser Zeit zwei Verfügungen erlassen hat. Ich habe im Jahre 1912 verschiedene eingeschriebene Briefe an den Minister geschickt, in denen ich mich über ungerechte Versammlungs⸗ verbote beschwerte, auf eine Antwort warte ich noch heute. Dagegen hat mir der Minister Grobheiten entgegengeschleudert und mich laͤcher⸗ lich zu machen gesucht. Der Redner erwähnt auch ein Versammlungs⸗ verbot in Neudeck und schließt damit, daß der Minister seine Erfolge überschätze, und daß das kein Verhalten für einen Minister sei.
Minister des Innern Dr. von Dallwitz: Meine Herren! Der Abg. Korfanty hat soeben behauptet, daß
ich im vorigen Jahre bei Besprechung einer Interpellation über Be⸗
schwerden über die Handhabung des Vereinsgesetzes im Reichstage ge⸗ sagt hätte, er hätte alle 58 Fälle, welche damals vorgebracht wurden, für seine Person allein vorgebracht. Meine Herren, die Vorgänge im Reichstag waren notorisch; alle Welt wußte wohl, daß nicht Herr Korfanty allein, sondern auch der Herr Abg. Albrecht und der Abg. Müller (Meiningen) eine ganze Reihe, ja die große Mehrzahl der Beschwerden vorgebracht hatten. Aus meinen Ausführungen, glaube ich, konnte wohl kein Zweifel darüber sich ergeben, daß ich die ganz unwahrscheinliche Behauptung nicht habe aufstellen wollen, daß diese sämtlichen 58 Beschwerden einzig und allein von dem Abg. Korfanty zur Sprache gebracht worden seien.
Die Behauptung des Herrn Korfanty, meine Angabe, der Landra des Kreises Rosenberg sei zu der bestimmten Zeit auf Urlaub gewesen sei unrichtig, weil er Bescheide, die von dem Landrat gezeichnet seien in der Hand habe, ist unzutreffend. Auf Urlaub war der Landra jedenfalls; ob er irgendwelche Bescheide während des Urlaubs unter⸗ zeichnet hat (Lachen links), kann ich nicht wissen. Jedenfalls stimmt meine Angabe über seine Beurlaubung.
Daß ich persönliche Invektiven Herrn Korfanty gegenüber ge⸗ braucht habe, muß ich entschieden bestreiten; er hat es auch vermieden, die Worte zu nennen, die er als Invektiven aufgefaßt hat.
Ich komme nun zu dem Fall Birkenhain, der, abweichend von seinen früheren Mitteilungen, nach den heutigen Angaben des Herrn Korfanty sich in Neudeck abgespielt haben soll. Jedenfalls hat der Herr Abg. Korfanty im Jahre 1911 in diesem hohen Hause be⸗ hauptet, daß der Bescheid, von dem mehrfach die Rede gewesen ist, durch den Amtsvorsteher des Amtsbezirks Birkenhain im Kreise Beuthen erlassen sei. Das Stenogramm des Abgeordnetenhauses liegt mir nicht vor, dagegen das Stenogramm der Reichstags⸗ verhandlung vom 18. Oktober 1911. Da heißt es:
In Birkenhain im Kreise Beuthen sollte eine Versammlung unter freiem Himmel stattfinden. Es war ein großer Platz usw. Dort sollte also dieser Bescheid ergangen sein. Im vorigen Jahre hat der Abg. Korfanty, und zwar am 7. Mai, weiter folgendes gesagt: Der Minister stellt sich hier hin und behauptet, es sei gar nicht wahr, er sei dem Fall nachgegangen, und es habe sich herausgestellt, daß der Amtsvorsteher in dem Verbot nur die nationalen Gegensätze angeführt habe usw. Herr Minister, Sie sind einfach irregeführt worden. Dieses Verbot, auf das Sie sich bei der zweiten Lesung berufen haben, datiert vom 2. Juni 1910, und diese Versammlung, deren Verbot der Amts⸗ vorsteher in so komischer Weise begründet hat, sollte am 24. April 1910 stattfinden. Der Amtsvorsteher von Birken⸗ hain hatte damals systematisch alle Versammlungen verboten Nicht ich habe die Sucht, die Staatsbehörden lächerlich zu machen; die Staatsbehörden hat lächerlich gemacht dieser Amtsvorsteher Schaffarczyk in Birkenhain. Er hat die Behörden noch mehr lächerlich gemacht, indem er wahrscheinlich bei den Nach⸗ forschungen den Fall vom 24. April verschwiegen hat. Dafür ver⸗
dient er doch eine ganz exemplarische Bestrafung usw.
Ich glaube, der Herr Minister hätte alle Veranlassung, unter⸗ geordneten Beamten, die derartige Dummheiten machen, so scharf auf die Finger zu sehen, daß sie ihn nicht in diese unangenehme Situation bringen, etwas zu behaupten, was mit der Wahrheit nicht übereinstimmt.
Und dann hat Herr Korfanty wörtlich hinzugefügt: „Ich bin bereit, das Dokument im Original Seiner Erzellenz zu schicken.“ Sofort nach dieser Rede habe ich Herrn Korfanty durch meinen Herrn Referenten mündlich um Uebersendung des Originals gebeten, was er auch diesem zugesagt hat. Da aber die Uebersendung nicht erfolgte, habe ich den Abg. Korfanty durch eingeschriebene Briefe vom 5. August und vom 5. Oktober 1912 ersucht, mir die Originalver⸗ fügung des Amtsvorstehers Schaffarczyk einzureichen. Darauf ist über⸗ haupt keine Antwort erfolgt. (Hört! hört! rechts.) Der Abg. Korfanty hat dann gestern gesagt, der Sachverhalt werde sich ergeben aus einem von ihm näher bezeichneten Aktenstück des Bezirksausschusses in Oppeln von 1911. Ich habe die Akten telegraphisch kommen lassen, sie sind hier, und auch in diesen Akten ist nichts davon ent⸗ halten, daß ein derartiges Verbot ergangen sei (Hört! hört! rechts.) Wenn jetzt der Abg. Korfanty sagt, es handle sich um einen Vorgang, der nicht in Birkenhain, sondern in Neudeck stattgefunden habe ... (Abg. Korfanty: Habe ich nicht gesagt; ich habe gesagt: in Neudeck und Birkenhain!) — Also in Birkenhain hat sich der Vorgang nicht ereignet; in bezug auf Neudeck kann ich das nicht nachprüfen, da das eine ganz neue Behauptung ist, daß die Sache sich da zugetragen habe, und ich keine Erkundigungen habe einziehen können.
Unter allen Umständen sind alle die dreimal wiederholten Be⸗ schuldigungen, die er gegenüber dem Amtsvorsteher Schaffarezyk in