1913 / 35 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 Feb 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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daß der Deutsche Anwaltsverein eine Statistik über die Gebühreneinnahmen der Rechtsanwälte veranstalten und damit die bisher fehlende Grundlage für die Prüfung der Frage schaffen wird, ob und in wie weit eine Erhöhung der einzelnen Sätze der Gebührenordnung für Rechtsanwälte geboten ist.

Meine Herren, was die Zeugen⸗ und Sachverständigen⸗ gebühren anbetrifft, so glaube ich, Ihnen zusagen zu können, daß Ihnen noch im Laufe dieser Session ein Entwurf vorgelegt werden wird. Er wird sich allerdings in der Hauptsache auf eine Erhöhung der Sachverständigengebühren beschränken das ist ja auch der meist⸗ erörterte Punkt. Außerdem ist eine Erhöhung der Sätze für Auf⸗ wand und für Nachtquartier in Aussicht genommen. Das Nähere kann ich Ihnen noch nicht mitteilen.

Wenn der Herr Abg. Belzer gesagt hat, daß nach den ihm zugegangenen Mitteilungen ein Gesetzentwurf über die Gewährung von Diäten an Schöffen und Geschworene wohl noch in weite Ferne gerückt sei, so kann ich ihn in dieser Beziehung beruhigen. Es liegt seit mehreren Monaten ein Antrag dreier füddeutscher Regierungen beim Bundesrat, der diese Diäten einführen will. Ueber diesen Antrag wird demnächst im Justizausschuß beraten werden. Ich hoffe und glaube, daß der Bundesrat in dieser Beziehung zu einem für das hohe Haus be⸗ friedigenden Ergebnis gelangen und alsdann eine Vorlage an das hohe Haus kommen wird. (Bravo!)

Meine Herren, das Spionagegesetz! Ich habe bereits im vorigen Jahre hier erwähnt, daß ich auf diesem Gebiet nicht die treibende Kraft sein könne, daß ich Anregungen nach dieser Richtung seitens der dabei in erster Linie interessierten Milltärressorts abwarten müsse. Diese Anregungen, meine Herren, sind im Spät⸗ herbst des vorigen Jahres erfolgt, und wir sind mit der Ausarbeitung eines neuen und erheblich verschärften Gesetzes beschäftigt. Wann diese Arbeiten zum Abschluß gelangen werden, vermag ich nicht zu übersehen; ich hoffe aber, daß dem hohen Hause noch in dieser Session ein Gesetzentwurf vorgelegt werden kann.

Meine Herren, wenn ich bei dem Spionagegesetz bin, gestatte ich mir, hier mit einigen Worten auf die Beschäftigung des Reichs⸗ gerichtes, bei dem die Spionageprozesse zur Verhandlung gelangen, einzugehen. Der Herr Abg. Dr. Belzer hat gemeint und hat damit seine Ablehnung und die Ablehnung der Zentrumspartei der Forde⸗ rung für einen Reichsanwalt begründet, daß die Geschäfte sich bei dem Reichsgericht durch die Hilfsarbeiter erheblich verbessert hätten, und daß die Geschäfte glatt weiter laufen würden und nicht weiter zunehmen würden. Es ist ganz richtig, daß die Hilfsarbeiter in Verbindung mit der Er⸗ höhung der Revisionssumme dahin geführt haben, daß die Geschäfte in den Zivilsenaten und nur um die Zivilsenate handelt es sich bei den Hilfsarbeitern, diese dürfen nur in den Zivilsenaten beschäftigt werden jetzt glatt erledigt werden. Durch die Erhöhung der Revi⸗ sionssumme ist auch die Zahl der Revisionen erheblich herabgegangen.

Ich glaube Ihnen einige Zahlen mitteilen zu sollen. Es he⸗ trugen die neuen Revisionen in Zivilsachen im Jahre 1909 4595. Im Jahre 1910, als das Gesetz vom Juni 1910 nur erst wenig Wirkung ausüben konnte, ging die Zahl der Revisionen auf 4344 herunter, während sie, wenn das Gesetz nicht erlassen wäre, bei der durch das Anwachsen der Bevölkerung bedingten normalen Zunahme der Sachen etwa auf 4800 gestiegen sein würde. ie volle Wirkung des Gesetzes trat erst im Jahre 1911 ein; es gingen in diesem Jahre nur 3531 Revisionen ein. 8

Nun, meine Herren, ich erwähnte schon, daß ganz stetig die Ge⸗ schäfte beim Reichsgericht zunehmen, falls nicht besondere Eingriffe wie im Jahre 1910 erfolgen. Das hat sich bereits wieder im Jahre 1912 ergeben: 1911 3531 Sachen, 1912 3906 Sachen. Nach den Erfahrungen, die man in den letzten 10, 15 Jahren beim Reichs⸗ gericht gemacht hat, kann man mit Sicherheit annehmen, daß im Jahre 1913 die Revisionen sich auf 4200 belaufen werden, im nächsten Jahre etwa auf 4400. Nehmen die Geschäfte aber in dieser Weise zu, so ist es unausbleiblich, daß wieder an irgendeine Entlastung wird gedacht werden müssen, sei es nun durch die im Jahre 1910 in Aus⸗ sicht gestellte allgemeine Revision der Zivilprozeßordnung oder durch die Erhöhung der Zahl der Reichsgerichtsräte bei den Zivilsenaten. Sie sehen daraus, daß von den jetzt in den Zivilsenaten beschäftigten Richtern nicht ein einziger bei den Strafsenaten verwendet werden kann.

Und nun, meine Herren, komme ich zu den Strafsenaten, die Entwicklung ist bei ihnen eine ganz ähnliche wie bei den Zivilsenaten. Die von Ihnen im Jahre 1905 beschlossene sogenannte lex Hage⸗ mann hat bewirkt, daß in den Jahren 1905, 1906, 1907 die Anzahl der neuen Revisionen in Strafsachen herabgegangen ist, gegenüber 1904 mit 6756 Sachen auf 6483, 5737, 5507. Die Wirkung der lex Hagemann ist durch die Judikatur bei den Untergerichten erst im Jahre 1907 voll in die Erscheinung getreten; im Jahre 1907 ist der Tiefstand der Revisionen erreicht. In den folgenden Jahren ist schon wieder eine andauernde Steigerung der Geschäfte zu beobachten: im Jahre 1908 sind es bereits wieder 200 Sachen mehr, 5708; im Jahre 1909 5944, 1910 6158, 1911 6368 jedes Jahr etwas über 200 neue Sachen mehr und im Jahre 1912 6807. Wir sind also jetzt im Jahre 1912 bereits bei einer höheren Ziffer angelangt, als wir sie im Jahre 1904 beobachten konnten. Das ist eine ganz naturgemäße Entwicklung. Wenn eine Bevölkerung so zunimmt, wie sie in Deutschland zunimmt, dann müssen bei der Geschäftsentwicklung der unteren Gerichte auch die Geschäfte beim Reichsgericht in der Weise zunehmen, wie ich es eben dargestellt habe. Ich glaube, das ist unabweisbar, und auch in den Strafsenaten, meine Herren, können wir mit voller Sicherheit nach den dargelegten Zahlen für die nächsten Jahre wieder mit einer erheblichen Zunahme rechnen.

Gegenüber den in Strafsachen stark beschäftigten Reichsgerichts⸗ räten haben wir bei der Reichsanwaltschaft den Oberreichs⸗ anwalt, 5 Reichsanwälte und 3 Hilfsarbeiter. Wenn ich zu den eben erwähnten 6800 Revisionen die ebenfalls in dauernder Zunahme be⸗ griffenen Spionageprozesse nehme, die von der Reichsanwaltschaft in erster Instanz zu bearbeiten sind, dann werden Sie wohl der Versicherung glauben müssen, daß von irgendwelcher Abberufung auch nur eines der drei vorhandenen Hllfs⸗ richter gar keine Rede sein kann. Und wenn Sie bedenken, daß drei Hilfsarbeiter bei der Reichsanwaltschaft nötig sind, und ferner bedenken, daß bei den Reichsgerichtssenaten nur ständige Richter be⸗ schäftigt werden dürfen, und daß es nie wünschenswert ist, bei einer solchen Behörde Herren zu beschäftigen, die nur aushilfsweise tätig

bestehen,

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ich das dringende Verlangen habe, daß wenigstens eine der Hilfs⸗

arbeiterstellen in eine etatsmäßige Stelle umgewandelt wird. Ich kann nur sagen: wer diese Stelle ablehnt, der verkennt die wahren Bedürfnisse des Reichsgerichts. Ich möchte also die Herren, die in dieser Beziehung die Ablehnung hier in Aussicht gestellt haben, dringend bitten, ihre Meinung zu rektifizieren. (Bravo! rechts.)

Abg Schiffer (nl.): Diesem Ersuchen des Staatssekretärs entgegen hat die Sozialdemokratie erklären lassen, daß sie den ge⸗ forderten sechsten Reichsanwalt ablehnt. Ihre Gründe dafür sind nicht stichhaltig.é Wir unsererseits hoffen, daß die Etatsforderung be⸗ willigt wird. Die Nachweise der Sozialdemokraten für das Vor⸗ handensein einer Klassenjustiz sind in sich brüchig; auch haben die Abgg. Heine und Stadthagen eine bewußte Parteilichkeit dem deutschen Richter nicht nachgesagt. Aus seinem Milien kann niemand heraus, auch Sie (zu den Sozialdemokraten) nicht; würden Sie Richter sein, Sie würden proletarische Klassenjustiz treiben. Menschen bleiben auch Sie; der Mensch ist ein Kind seiner Zeit, seiner Umgebung, seiner Anschauungen. Daß im einzelnen Fehlsprüche vorkommen, daß unsere Justiz wie alle menschlichen Einrichtungen unvollkommen ist, daß die Richter irren können, ist nur natürlich. Das unvorein⸗ genommene Urteil wird die Verallgemeinerung des Vorwurfs der Parteilichkeit der Richter stets zurückweisen. Volk und Recht müssen einander wieder nähergebracht werden; es muß wieder Luft und Licht in unser Recht gebracht werden. Dann wird unser Recht auch wieder die Grundlage der Volkstümlichkeit und das Volk wieder Ver⸗ 1 trauen zu seinem Recht gewinnen. Das Reichsjusttzamt nimmt in der Volksmeinung nicht ganz die ihm zukommende Stellung ein. 1875 wurde von Windthorst die Befürchtung geäußert, daß eine neu zu errichtende Abteilung des Reichskanzleramts die Tätigkeit der einzelstaatlichen Justizministerien in der Vorbereitung von Gesetzen lahmlegen möchte. Heute wird diese Meinung wohl von keiner Seite aufrecht er⸗ halten werden; 'das Reichsjustizamt ist von der Initiative in der Gesetzgebung mehr und mehr abgedrängt und auf Gutachten und dergleichen beschränkt worden; es ist bei ihm eine gewisse Blutleere eingetreten. Bei den Fragen der Rechtsfähigkeit der Berufevereine und der Gesetzgebung über Tarifverträge liegt die Initiative nicht hier, sondern beim Reichsamt des Innern. Die Frage des Streik⸗ postenstehens wird aus denselben Ressortvorhältnissen heraus nicht sachlich und nicht praktisch, sondern lediglich von politischen Ge⸗ sichtspunkten aus behandelt. Unsere Zivilprozeßordnung hat so große Mängel, daß die bessernde Hand viel schneller an⸗ gelegt werden müßte, als leider in Aussicht stebt. Dringende Not⸗ wendigkeiten in unserm Rechtsleben können nicht auf eine Reform verwiesen werden, die vielleicht in 7 oder 10 Jahren einmal kommen wird. Der Staatssekretär sollte die reichen Erfahrungen, die er bei der Strafrechtsnovelle gemacht hat, benutzen, um auf diesem Wege weiter zu gehen. Ich empfehle diesen Weg dringend, so wenig ich sonst ein Freund der Novellengesetzgebung bin. Ein Spionagegesetz wird angekündigt, in dieser Richtung betritt ja der Staatssekretär, wenn auch zögernd, diesen Weg. Die Zulassung der Volksschullehrer zu dem Justizdienst als Geschworene wird ja einhellig von der Volksvertretung verlangt, nicht den Lehrern zuliebe, sondern uns zuliebe; auch hier sollte rasch vorgegangen werden. Eine ebenso dringende Materie betrifft die Sicherung des Wahlgeheimnisses. Es wäre am Platze, einen größeren Schutz der geheimen Wahl herbei⸗ zuführen, das Prinzip der geheimen Wahl darf nicht durch eidliche Vernehmung durchlöchert werden. Leider hat der Staatssekretär in bezug auf die Behandlung irrer Verbrecher keine befriedigende Er⸗ klärung abgegeben. Das Volk wird es nicht verstehen, daß es noch 10 Jahre solchen irren Verbrechern ausgeliefert sein foll. Die Alar⸗ mierung einer Garnison würde ich noch nicht für einen Anlaß an⸗ sehen, gesetzgeberisch vorzugehen. Aber ich verweise auf die Messer⸗ stechereien uscw. Es muß auf diesem Gebiete bald und wirksam vorgegangen werden. Der Schutz der persönlichen Ehre liegt heute noch sehr im argen. Es werden Wahrheitsbeweise vorgenommen, die den Beleidigten schädigen. Es muß ein größerer Schutz der persönlichen Ehre angestrebt werden. In diesem Zusammenhange muß auch die Frage der Nötigung und Erpressung geprüft und geregelt werden. Damit wirkt man am besten beruhigend auf die Arbeit⸗ geber und Arbeiter. Die Regelung der Berufsfähigkeit der Vereine aller Art ist das beste Mittel in dieser Richtung. Unsere Resolution über das Vorkaufsrecht ist mißverstanden worden. Sie hat ihren Ursprung von dem Juristentag von 1910. Die Notwendigkeit unseres Vorschlages ergibt sich aus der Praxis. Unser Recht versagt heute gegen unsittliche Manipulationen auf diesem Gebiete. Alle Hypothekenbanken sind ja an dem Treiben nicht beteiligt. Der Regel nach hat die Rechtsprechung versagt und mußte versagen. Wenn ein Vorkaufsrecht eingeführt würde, so würde das Grundstück eher zu seinem wahren Werte verkauft werden. Daneben wäre es von höchstem Wert, daß Staat, Kreis und Gemeinde eingreifen, um im Wohnungsinteresse Sp kulationszwecken vorzubeugen. Daß eine Gemeinde oder der Staat ein zu hohes Gebot macht, bloß um einen unbequemen Bewerber fernzuhalten, glaube ich nicht. Die Möglichkeit eines Mißbrauchs ist jedenfalls sehr gering. Es wird durch unsern Antrag vermieden werden, daß sich jemand zum Schaden eines anderen bereichert.

Abg. Holtschre (dkons.): Auch ich möchte namens meiner Freunde entschieden Verwahrung einlegen gegen die Angriffe des Abg. Dr. Cohn gegen unsere Richter. Was die Resolution über das Vorkaufsrecht betrifft, so halten wir den vorgeschlagenen Weg nicht für den richtigen. 5 die Gemeinde würde der Weg zu Weitläufigkeiten führen und vom Mitbieten abschrecken. Der breiten Bevölkerung würde jedenfalls kein Gefallen getan und dem Schuldner würde auch nicht geholfen. Es müßte auf einem anderen Wege geholfen werden. Für die Resolution des Zentrums werden wir stimmen. Erfreut sind wir, daß einige Materien des Strafrechts in der Bearbeitung begriffen sind. Die fortdauernde Belastung des Reichsgerichts erkennen wir an. Das Reichsgericht hat die Rechtseinheit aufrecht zu erhalten, diese Aufgabe kann es aber nicht erfüllen, wenn seine Aufgaben zu umfangreich sind. Eine der wichtigsten gesetzgeberischen Aufgaben, für die alle Parteien, alle anständigen Elemente eintreten sollten, ist ein verschärftes Vorgehen gegen das Zuhälterunwesen. Der Redner macht eingehende Mitteilungen über Verhandlungen des englischen Unter⸗ hauses über gesetzgeberische Maßregeln gegen die Zuhälter, in denen auch die Anwendung der Prügelstrafe vorgesehen ist. Ich mache darauf aufmerksam, daß in England dieses Gesetz unter einem liberalen Ministerium zustande gekommen ist unter Mitwirkung aller Parteien, also auch der Arbeiterpartei. Dieses Gesetz hat auch sofort seine heilsame Wirkung ausgeübt. Die Zuhälter sind in Scharen nach Paris ausgewandert, sodaß man dort schon an Maß⸗ regeln denken mußte, wie dieser unliebsamen Auswanderung zu steuern ist. Da muß man doch die Frage aufwerfen, ob man nicht auch bei uns gegenüber diesen Elementen so vorgehen soll. Es wäre erwünscht, wenn die Parteien des Reichstages sich zu dieser wichtigen Frage äußern wollten. Hier könnte man sich England wirklich einmal zum Vorbild nehmen.

Inzwischen ist von den Abgg. Dr. Arendt, Warmuth u. Gen. (Rp.) folgende Resolution eingegangen:

„Der Reichstag wolle beschließen: die verbündeten Regierungen zu ersuchen, schleunigst noch in dieser Session dem Reichstage eine Vorlage zu machen, durch welche in Aenderung des § 1124 des Bürgerlichen Gesetzbuches und des § 57 des Zwangsversteigerungs⸗ gesetzes bestimmt wird, daß die Verfügung ü ber den Miet⸗ oder Pachtzins dem Hypothekengläubiger gegen⸗ über nur wirksam ist, soweit sie sich auf den Miet⸗ oder Pacht⸗

bezieht.“ Abg. Warmuth (Rp.): Es gibt eine Reihe von Verträgen,

zins für das zur Zeit der Beschlagnahme laufende Kalendervierteljahr

die eigens abgeschlossen werden, um den Gläubiger zu benachteiligen. Dazu gehören die Verträge von Angestellten und deren Ehefrau bei

regeln eingreifen und die Rechte des Gläubigers mehr geschützt werden. Man braucht ja dabei nicht gleich das Kind mit dem Bade aus⸗

zuschütten. Ein Fortschritt wäre es schon, wenn man bei Zwangs⸗ versteigerungen den Registerzwang einführte. Jetzt liegen die Ver⸗ hältnisse so, daß dabei meist nicht finat zell gut situierte, sondern gut⸗

gläubige minderbemittelte Menschen schwer geschädigt werden. Wenn diese, um ihre Hypothek nicht ausfallen zu lassen, ein Grundstück erwerben, dann müssen sie oft die Erfahrung machen, daß die Miete auf eine lange Reihe von Jahren hinaus an andere überschrieben worden ist. Wegen der hohen Kosten der Zwangs⸗ versteigerung, aber hauptsächlich um nicht späterhin solche unangenehmen Erfahrungen zu machen und noch um den Rest ihres anderen Geldes zu kommen, lassen sie häufig ihre Forderungen ganz schießen. Dadurch wird die Kreditnot noch mehr gesteigert. Das Kapital zieht sich von solchen Anlagen wie zweiten Hypotheken immer mehr zurück. Diese Verhältnisse haben sich schon so eingenistet, daß sie direkt betrügerisch ausgebeutet werden. Hier kann nur unsere Resolution einen Riegel vorschieben. Fruher hatten die Gerichtsvollzieher ein Interesse daran, im Interesse der Gläubiger die Forderungen einzuziehen. Das hat ja vielfach zu einem grausamen Vorgehen geführt. Jetzt nach der Neuregelung des Ge⸗ richtsvollzieherwesens ist das Gegenteil eingetreten, so daß hier häufig eine Gläubigernot vorhanden ist. Einer solchen Gläu⸗ bigernot muß man steuern, man kann es tun, aber mar kann auch dabei gleichzeitig der Schuldnernot entgegenkommen. Es ist eine traurige Tatsache, daß mancher gutwillige Schuldner, d

weder ein noch aus weiß, nicht über kritische Zeiten hinwegkomme

kann. Eine Reformbedürftigkeit liegt hier in erster Linie bei de

Bestimmungen über die Lohnbeschlagnahme vor. Auch jetzt noch kan

jeder Satz, der über 1500 Gehalt hinausgeht, beschlagnahn

werden. Das ist ungerecht, ganz besonders wenn man bedenkt, daß al

Lebensbedingungen teurer geworden sind. Das gleiche gilt von d

Pension der Arbeiter und Angestellten. Deshalb müßte man de

Beamtenprivileg auch auf diese Verhältnisse übertragen. Gerade d

Altersrentner werden durch eine Pfändung schwer in ihrer Existen

geschädigt. Die Zivilprozeßordnung muß nach allen diesen Richtunge

hin reformiert werden. Auch daß der verlierende Teil unter Un

ständen die ganzen Kosten tragen muß, kann zu großen Härten führen

wenn der Schuldner auch für die allerteuerste Prozeßführung, die de

Gläubiger beliebt hat, auftommen muß. Alle Glaäͤubiger sollten dos

tunlichst das billigste Verfahren bei Einklagung oder Eintreibun

einer Forderung wählen. Für die angeregte Reform der Konkursord

nung werden wir stimmen; auch dem nationalliberalen Initiatixd

antrage, der mit dem ganzen Wust der Polizeiverordnungen aufräume will, stehen wir sympathisch gegenüber. Dagegen können wir de Resolution wegen des Vorkaufsrechts des Staates und der Gemeinde bei Zwangsversteigerungen nicht beitreten, da er uns viel zu weni praktisch durchführbar erscheint. Der vom sozialdemokratischen Redne wiederum erhobene Vorwurf der Klassenjustiz, einer gewollten Klassen justiz, wie er aus dem Zusammenhange der Rede des Abg. Coh sich unzweifelhaft ergab, gehört ja zum alten Inventar der Herre bei der Kritik unserer Justizpflege. Dieser Vorwurf kann nur der blinden Haß gegen unsere Wirtschaftsordnung entspringen, die ma duxrchaus als morsch hinstellen will. Der Richter ist auch nicht in der Sinne, wie man es dargestellt hat, so abhängig von seinem Miliecu, daß er, ohne es zu wollen, aus diesem Milien heraus die Dinge be urteilt; der Richter soll sich auf eine höhere Warte stellen. Es wir da wieder der Vorwurf der Weltfremdheit gegen den Richter erhoben. In Wahrheit wendet sich der Vorwurf gegen die Menge von Kautschuk paragraphen, gegen den ganzen Riesenballast von Gefetzesbestimmungen mit dem er fertig werden soll. Daß die Gebühren für Sachver ständige aufgebessert werden sollen, kann ich nur mit Freude begrüßen Der Forderung des sechsten Reichsanwalts werden wir unsere Zu stimmung nicht versagen. Die Kritik richterlicher Urteile hier in

Hause ist immer mißlich, denn wir haben ja den Gerichtsverhandlungen nicht beigewohnt und konnen also ein unmittelbares Urteil auch uüber die Urteile nicht haben. Ein unrichtiges Vorgehen ist es, wenn man

jetzt der Presse unmöglich machen will, gewisse dunkle Geschäfte der

Animierbankiers öffentlich zu brandmarken; es ist neuerdings ein Redakteur wegen Beleidigung bestraft worden, obwohl alle behaupteten Tatsachen wahr waren. Hier hat sich gerade die Presse ein Verdienst erworben, und das sollte man anerkennen, um so weniger läßt sich das Verfahren der Sensationspresse entschuldigen, auch die Verbrecher geradezu zu glorifizieren; es wird dadurch der allernachteiligste Einfluß auch auf unsere heranwachsende Jugend ausgeübt. Wie kommt es, daß man heute gar nicht mehr über die große Streitfrage diskutiert, ob die Todesstrafe beizubehalten sei oder nicht? Offenbar hat hier der Fall Sternickel sehr klärend gewirkt; jedenfalls ist gerade die links⸗ stehende Presse, die stets die Aufhebung verlangte, jetzt verstummt. Eine gute Justiz muß stets den Boden im Volke zu behalten streben.

Abg. Vietmeyer (wirtsch. Vgg.): Die Richter sind ja die Kritik gewohnt, sie können auch die Kritik des Reichstags durchaus vertragen. Aber jede Kritik muß dem wohlwollenden Bestreben ent⸗ sprechen, zu heben und zu bessern. Der Abg. Cohn hat nur dazu beigetragen, das Ansehen der Justiz herabzusetzen. Ueber eine solche Kritik gehe ich zur Tagesordnung über. Im vorigen Jahre hat der Abg. Heine den Begriff Klassenjustiz definiert; ich konnte ihm zu⸗ stimmen. Vorurteile hat jeder, aber die Richter sind bestrebt, solche Vorurteile abzustreifen, und das aus dem Munde von Sozialdemo⸗ kraten zu hören, ist wertvoll. Ich will nicht alle Urteile in Schutz nehmen, auch die Justiz ist verbesserungsfähig und ⸗bedürftig. So möchte auch ich mir einige Vorschläge erlauben. Ein Uebelstand ist, daß die Richter so lange im Amt bleiben, obwohl sie ein hohes Alter erreicht haben. Man sollte sie ebenso pensionieren dürfen, wie alle anderen Beamten. Mancher Assessor wartet auf Anstellung und kann nicht heiraten. Hier müßte Wandel geschaffen werden. Die Reso⸗ lution Schiffer wegen des Vorkaufsrechts verfolgt einen guten Zweck, aber sie ist praktisch schwer durchführbar. Ein kurzbefristetes Vor⸗ kaufsrecht des Reiches ist nicht denkbar.

Abg. Hägy (Els.): Wohl nirgends stehen sich die verschiedenen Bevölkerungsschichten Das übt seinen Einfluß auch auf die Justiz aus. Der Richter kann beim Anziehen seiner Robe nicht den Menschen ausziehen, er bleibt an die Anschauung seiner Gesellschaftskreise gebunden. Die natio⸗ nalen Gegensätze werden bei uns verschärft durch konfessionelle Gegen⸗ sätze. Das zeigte sich auch in der Zurücksetzung der Elsässer um Katholiken bei der Besetzung der Richterstelle in Colmar. In der letzten Zeit hat sich ja manches gebessert. Manche Urteile machen 18 allerdings begreiflich, daß man im Volke von einer Klassenijustiz spricht. Gewiß ist die Aufgabe der Justiz bei uns bei jenen Gegen⸗ sätzen eine schwere. Die deutsche Justiz hat es um so schwerer, als sie die Erbschaft der in hohem Ansehen stehenden französischen Justiz angetreten hat. Wir haben hier vor einigen Wochen den Fall Wetterlé behandelt. Ich möchte darauf hinweisen, daß er wegen Preßvergehen zu 2 Monaten Gefängnis bestraft wurde, ein so hartes Arteil, daß es auch ziemlich allgemein als politischer Rancune ent⸗ sprungen bezeichnet worden ist. Die betreffenden Karikaturen, wegen deren er verurteilt wurde, halten nicht den Vergleich aus mit den Karikaturen gewisser Witzblätter in Berlin gegen sehr hochstehende Personen. Wegen Beleidigung des Statthalters erhielt die „Rheinisch⸗ Westfälische Zeitung“ nur 200 Geldstrafe, wegen Beleidigung eines Gymnasialprofessors erhielt der Aba. Wetterlé 2 Monate Gefängnis⸗ Warum wurde nicht auch ihm die Wohltat des § 193 zugebilligt, wie der „Rheinisch⸗Westfälischen Zeitung“? Elsaß⸗Lothringen schneidet in bezug auf die Kriminalstatistik gegenüber anderen Landesteilen se 4 günstig ab. Gerade die schweren Vergehen sind verhältnismäßig gr⸗ ringer als in Baden. Eine ganze Anzahl von Mordfällen ist bei⸗ 1 in Deutschland unaufageklärt und ungesühnt geblieben. Das 1 daran, daß es unseren Richtern an der nötigen Erfahrung und, Routin⸗ fehlt, während in Paris die Polizei eine große Findigkeit zeigt. Be Presse sollte auch bei uns die Justiz mehr unterstützen.

Hierauf wird um 5 Uhr die Fortsetzung der Bexatung auf Montag, 2 Uhr, vertagt. Außerdem Wahlprüfunge

sind (sehr richtig! links), dann werden Sie mir wohl zugeben, daß

e Maß⸗

den Mobiliarkredit werden häufig umgangen. Hier müßten gesetzli

drohender Gehaltspfändung und ähnliche. Auch die Feftin mängen über

und Rechnungsvorlagen

so schroff gegenüber wie in Elsaß⸗Lothringen.

Preußischer Landtag.

Haus der Abgeordneten. 8

8 128 Sitzung vom 8. Februar 1913, Vormittags 11 Uhr.

(Bericht von „Wolffs Telegraphischem Bureau“.)

Das Haus setzt zunächst die zweite Beratung des Etats des Ministeriums des Innern, und zwar die Debatte über das Kapitel des Medizinalwesens, fort.

Abg. von der Osten (kons.): Nur ein kurzes Wort über die

Schwesternfrage. Ich freue mich darüber, daß der Abg Heckenroth mit so warmem Verständnis und so warmer Einsicht diese schwierige soziale Frage behandelt hat. Ich kann seine Ausführungen in dieser Hinsicht durchaus unterstreichen. Herr Ströbel hat geglaubt, mit iner Verkürzung der Arbeitszeit eine Besserung aller Verhält⸗ nisse anstreben zu können. Er hat gesagt, daß die Entlohnung von 700 für das Jahr eine unzulängliche sei. Es liegt mir fern zu behaupten, daß diese Entlohnung eine ausreichende ist. Aber wie wenig Herr Ströbel in der Seele unserer Schwestern zu lesen versteht, geht daraus hervor, daß er vollkommen verkennt, doß sie diesen Beruf nur aus echt christlicher Nächstenliebe ergreifen. Auf das Problem des Geburt⸗ nrückganges möchte ich näher eingehen. Wir glauben, nachdem die Vertreter aller anderen Parteien auf dieses Problem eingegangen sind, würde es ein schiefes Bild abgeben, wenn wir schweigen wollten. Wir sind mit Ihnen der Ansicht, daß hier eines der wichtigsten und schwierigsten Probleme vorliegt. Ich bin mit dem Abg. Dr. Mugdan derselben Meinung, daß diese Frage nicht schlechtweg mit einem kurzen Wort abgetan werden kann. Am allerwenigsten ist es möglich, diese Erscheinung, wie es der Abg. Ströbel tut, auf die schlechte Lebenshaltung zurückzuführen. Negativb möchte ich bemerken, daß wir im Laufe der Zeit nicht eine sinkende, sondern eine steigende Lebenshaltung unseres Volkes erkennen. Ich möchte die Soztaldemokraten an die englische Enquete erinnern, die zu dem Ergebnis geführt hat, daß die Lebenshaltung unseres Volkes, insbesondere die unserer arbeitenden Stände, erheblich über diejenige der Engländer hinausgegangen ist. Eine solche Frage, wie der Gebartenrückgang, sollte nicht vom Parteistandpunkt, sondern von dem nationalen Standpunkt aus betrachtet werden. Man kann also diese Frage vom sozialen Standpunkt und vom Standpunkt Friedrich Wilhelms I. betrachten, der sagte: Die Menschen er⸗ achte ich für den größten Reichtum der Nation. Wenn wir uns nun fragen, was Reichtum ist, so wird vielleicht die über⸗ wiegende Mehrzahl dieses Hauses zu der Ueberzeugung kommen, daß der wahre Reichtum nicht in materiellen Mitteln, sondern in den Menschen liegt. Die Zahlen des Geburtenrückgangs kann man nicht ohne weiteres mit dem Rückgang der Sterblichkeitsziffer kompensieren. Die Statistik hat gezeigt, daß die Geburtenabnahme in den letzten 30 Jahren in allen Ländern ein schnelles Tempo eingeschlagen hat, und zwar hat sich gezeigt. daß sie in den Städten viel größer ist als auf dem Lande. In der Provinz Westpreußen werden verhältnismäßig doppelt so viel Kinder geboren als in Berlin⸗ Es ist einwandsfret festgestellt, daß die Geburtenziffer in Berlin schneller gesunken ist als die Sterbeziffer. Interessant ist eine Statistik über den Geburtenrückgang in denjenigen Kreisen, in denen hauptsächlich sozialdemokratlsche Stimmen abgegeben werden. In Berlin sind im Jahre 1907 von hundert abgegebenen Stimmen 66,2 sozial⸗ demokratisch gewesen; auf 1000 Einwohner von Berlin fallen 23,9 Geburten. In Westpreußen fommen auf 100 ahbgegebene Stimmen im Jahre 1907 9 sozialdemokrattsche Stimmen, während die Geburtenziffer hier 38,5 beträgt. Diese Zahlen geben zu denken. Es ist doch merkwürdig, daß gerade in der Sozialdemokratie sich dieses Uebel besonders deutlich bemerkbar macht. Interessant ist auch, daß die Statistik unzweifelhaft festgestellt hat, daß der Geburtenrückgang in denjenigen Kreisen, in denen die Religion an Boden verloren hat, größer ist als dort, wo die religiöse Einwirkung noch nicht so stark zurückgegangen ist. Wir stehen hier vor keiner neuen Erscheinung, sondern diese Erscheinung hat sich schon der alten Kulturwelt bemerkbar gemacht. Schon in den Schrift⸗ verken der alten Völker taucht die Frage auf, wie dem Geburten⸗ üückgang vorzubeugen ist. In einem bemerkenswerten derartigen Buch wird u. g. die Kinderlosigkeit auf Leichtsinn und Habgier zurückgeführt. Aus dieser Tatsache muß man zu dem Schluß gelangen, daß der Geburtenrückgang eine Begleiterscheinung in dem Werdegang eines Volkes ist, wenn die Kultur im Niedergang sich befindet. Gestern hat der Vertreter der Sozialdemokratie hier erklärt, daß auch er diesem Problem die größte Bedeutung beimesse. Auch die Sozial⸗ demokratie wünsche keine Beschränkung der Kinderzahl. Die Sozial⸗ demokratie wünsche, daß das deutsche Volk stark unb zahlreich werde. Damit stimmen aber nicht die Taten der Sozialdemokratie überein. Auf einen Zwischenruf des Abg. Hoffmann (Soz) bemerkt der Redner: Ich muß es ablehnen, mich in ein Zwiegespräch mit Ihnen einzulassen. Ich glaube, daß ich im Interesse der Fortführung der Geschäfte mich nicht durch Ihre Zwischenrufe provpozieren lassen darf. Ich will nur darauf hinweisen, daß der „Vorwärts“ Verhütungsmittel gegen die Schwanger⸗ schaft schon zu dem Preise von 20 Pfennigen anpreist. Ich glaube, daß mindestens ein Teil der Sozsaldemokratie die gestern geäußerte Ansicht des Abg. Ströbel nicht teilt, sondern daß die Sozialdemokratie die Sache nicht vom nationalen, sondern vom sozialdemokratischen Parteigesichtspunkt ausschlachtet. er einzige wahre Grund des Geburtenrückganges liegt in einer absichtlichen Beschränkung des Kindersegens. Es werden verschiedene Mittel dagegen vorgeschlagen, wie Unterstützung kinderreicher Familien, soziale Fürsorge, Wohnungspflege, innere Kolonisation usw. Tatsaͤchlich 9 hier auch die innere Kolonisation fördernd und helfend mitwirken. Alle diese Dinge liegen auf dem Verwaltungsgebiet und sind nicht ge⸗ eignet, hier besonders erörtert zu werden. Der Vorschlag des Professors Wolff in Breslau ist beherzigenswert, eine Kommission zur Untersuchung dieser Verhältnisse einzusetzen. Ich möchte diesen Vorschlag dem Minister aufs wärmste empfehlen und ihn bitten, nicht Zeit zu verlieren, son ern zu Taten sberzugehen. Wenn wir das Schicksal Frankreichs, den Rückgang der Bevölterung, erfahren sollten, würden wir dem An⸗ sturm der slawischen Rassen nicht mehr standhalten können. In der Dekämpfung der venerischen Krankheiten müssen wir rücksichtslos den aunger in die Brandwunde legen. Ich weiß wohl die Schwierigkeiten zu schätzen, die der Leipziger Verband und die Aerzte gegenüber den Krankenkassen gehabt haben, aber der Verband sollte sich jetzt doch überlegen, ob nicht seine Forderungen den Interessen der Allgemeinheit didersprechen. Etwas Aehnliches wie die Kampfesweise des Aerzte⸗ derbandes habe ich noch nicht erlebt. Der Verband hat 1909 an den ibigen Staatssekretär des Innern, den jetzigen Reichskanzler, ge⸗ Seen, daß er es ablehne, sich zur Unterwerfung unter ein sin agericht zwingen zu lassen, und daß der Aerztestand einig dn e de in dem Widerstalpd, wenn ihm die beste Waffe Fe Pnt Lertketung seiner Standesinteressen entwunden werden sollte. unfaht e, defe Leipsiger Verband, der von 33 000 Aerzten 24 000 Arttkerft 1 Absicht bestanden (wie der Redner durch Verlesung von Genetalfitenn aus dem Verbandsorgan nachzuweisen sucht), durch einen eähbes sel Durchsetzung seiner wirtschaftlichen Forderungen zu brauche 1 Daß dies dem Interesse der Bevölkerung widerspricht, hat nicht nicht auseinanderzusetzen. Die soziale Gesetzgebung ärztlichen en behauptet worden ist, eine Einschränkung der elben mit fich ci, sondern gerade eine eminente Erweiterung der⸗ 1 gebracht. Der Leipziger Verband verfolgt die Unter⸗ vertrag Ueder freien, selbständigen Persönlichkeit. „Der Kollektiv⸗ 8 vse für die auf die Kassenpraxis angewiesenen Koalitsor sind doch beinahe alle, nichts anderes als den aszwang. Der Verband hat den Kampf mit Mitteln ge⸗

die dem hohen Ansehen des Aerztestandes widersprechen. Durchsetzung seiner wirtschaftlichen Forderungen

Zuläfsigen Ee nwort stellt, so geht dies weit über das Maß des Kampfes Das find nicht Ausdrücke des überschäumenden Ebersmalde ondern es ist ein Vergessen der sozialen Pflichten. In anstalt an wurden sogar die städtischen Aerzte einer Wohltätigkeits uf die Verfehmtenliste gesetzt. Die Verhandlungen im

8 Reichsamt des Innern sind iher gescheitert, aber die handlungen im Ministerium des Innern haben wenigstens insofern ein befriedigendes Ergebnis gehabt, als sie fuüͤr eine soziale Verständigung eine Hoffnung übrig lassen. In Berlin ist ein Abkommen getroffen worden. Hioer liegt es günstiger, hier gibt es eine große Zahl freier Aerzte. Aber draußen im Lande liegt es anders, da hat der Leipziger Verband eine größere Macht. Meine Freunde würden es lebhaft begrüßen, wenn es zu einer Einigung käme. Wir wollen dem Aerztestande in keiner Weise die Verfechtung seiner berechtigten Interessen beschränken. Die Verstaatlichung der Aerzte, welche die Sozialdemokraten vorschlagen, ist absolut nicht nach unserem Geschmack, wir wollen unserem so wichtigen Aerztestand die freie Entwicklung er⸗ halten. Anderseits dürfen die Aerzte nicht rettungslos dem Machtspruch des Leipziger Verbandes ausgeliefert werden. Ich hitte den Minister, daß er unter Berücksichtigung der berechtigten Forderungen beider Teile und unter Berücksichtigung der unbedingt nötigen freien Entwicklung des Aerztestandes darauf Bedacht nehmen möge, alle die Konflikte, die zurzeit noch vorliegen, durch eine energische Initiattve dem Leipziger Verband gegenüber baldigst endgültig zu lösen.

Abg. Vorster (freikons.) schließt sich dem Vorredner in der Verurteilung des Vorgehens des Leipziger Aerzteverbandes vollkommen an unter besonderem Hinweis auf die Lage des Streites in Cöln und unter Anführung von Gerichtsurteilen von dort, worin den nicht dem Verbande angeschlossenen Aerzten bezeugt wird, daß sie nicht unehren⸗ haft gehandelt hätten. Eine Verständigung scheine in Cöln noch nicht erfolgt zu sein.

Abg. Dr. Wagner (freikons.): Ich freue mich, daß gestern in so eingehender Weise auf die ungünstige Lage der Hebammen auf dem Lande hingewiesen wurde, und daß man wünscht, den Hebammen wenigstens ein Mindesteinkommen zu garantieren. Dann werden wir auch wirklich leistungsfähige Hebammen auf dem Lande erhalten. Wenn hier behauptet wurde, die soziale Gesetzgebung habe für die Bekämpfung der Tuberkulose bei vns gar nichts getan, und dabei auf England verwiesen wurde, wo die Sterblichkeitsziffer schon längst zurück⸗ gegangen ist, so ist doch dieser Vergleich unzutreffend. Seit der Ent⸗ deckung des Tuberkelbazillus ist ein ganz erheblicher Rückgang in der Verbreltung der Tuberkulose zu verzeichnen. Unsere sozialpolitische Otganisation hat sich gerade auf diesem Gebiete ein ganz besonderes Verdienst erworben. Die Landesversicherungsanstalten haben Milli⸗ onen zur Bekämpfung der Tuberkulose ausgegeben, und der Erfolg ist nicht ausgeblieben. Ich muß ja zugeben, daß die Tuberkulose zum Teil eine Wohnungs⸗ und soztale Krankheit ist. Aber den Agrariern daran Schuld zu geben, ist doch nicht angängig, da sie auf die städtische Bodenpolitik so gut wie keinen Einfluß haben. Zum Teil hängt die Tuberkulose auch mit der Bodenbeschaffenheit zusammen. Nach den Veröffentlichungen des Reichsgesundheitsamts hat der Osten Deutschlands trotz seiner, wie man immer predigt, gänzlich rückständigen sozialen Verhältnisse die geringste Tuberkulose⸗ sterblichkeitsziffer, auch Oberschlesien, speziell der Regierungsbezirk Oppeln, hat eine sehr niedrige Sterblichkeit infolge von Tuberkulose. Ich mache darauf aufmerksam, daß eine Autorität wie Virchow schon im Jahre 1847 bei Gelegenheit einer Studienreise in Oberschlesien mit Erstaunen festgestellt hat, daß trotz der miserablen Wohnungs⸗ und sonstigen Verhältnisse dort die Sterblichkeit an Tuberkulose ganz erstaunlich niedrig sei. Es ist sehr charakteristisch, daß in Nordwestdeutschland und auch in der Rheingegend die Tuberkulosesterblichkeit viel höher ist als im Osten. Das kann man nur damit erklären, daß die Boden⸗ beschaffenheit einen großen Einfluß darauf hat. Es steht zweifellos fest, daß die Tuberkulose keine Proletarierkrankheit ist, und daß sie nicht eine Folge des Kapitalismus ist. Vielleicht hat der Abg. Ströbel die Güte, uns in einem ausführlichen Aufsatz einmal die Richtiakeit seiner darauf bezüglichen Behauptungen nachzuweisen. Jedenfalls stehen wir seinen Behauptungen sehr pessimistisch gegenüber. Der Abg. Ströbel ist dann auf den Alkoholmißbrauch zu sprechen gekommen und hat versucht, im Anschluß an den bekannten Studentenfall in Marburg zu eweisen, wie groß dieser Mißbrauch sei. Nach den mir gewordenen Infor⸗ mationen bin ich der Auffassung, daß in den kleineren Universitätsmädten der Alkoholverbauch in auffallender Weise zurückgegangen ist, und daß beinahe eine Entwöhnung von Alkohol stattgefunden hat. Wenn in gewissen Zeiten, z. B. während des Karnevals, einmal größere Mengen Alkohol verbraucht werden, so ist das begreiflich. Es kann dann einmal vorkommen, daß die jungen Leute übermütig werden. So ist wahrscheinlich auch der Marburger Fall zu erklären, den ich natürlich keineswegs entschuldigen will. Aber man kann daraus noch nicht den Schluß ziehen, daß sich unsere jungen Studenten noch nicht der Gefahren des übermäßigen Alkohol⸗ genusses bewußt seien. Der Abgeordnete Ströbel hat dann weiter die Bemerkung daran geknüpft, daß die Klassenjustiz ein allzu mildes Urteil in dem erwähnten Fall gesprochen habe. Darüber kann man verschiedener Meinung sein. Es ist jedenfalls sehr schwer, richterliche Entscheidungen anzugreifen, ich habe vielfach den Eindruck gewonnen, daß bei schweren Exzessen, die Menschenleben vernichtet haben, die

fällt haben, wenn nachgewiesen wurde, daß diese Exzesse in Trunken⸗ beit begangen worden waren. Das bezieht sich aber nicht nur auf Ausschreitungen von Studenten, sondern auch auf solche von anderen Kreisen, namentlich auf Arbeiterausschreitungen. Die Richter haben gewiß die Aufgabe, sehr sorgfältig zu prüfen, ob und wieweit es nötig ist, Milde walten zu lassen. Nun ist die Frage des Impfzwanges gestreift worden. Ich will anerkennen, daß dies in sehr vorsichtiger Form geschehen ist. Ich erinnere an den Pockenfall des Dr. Spohr in Krankfurt a. M. Dr. Spohr hat sich selbst an einem Patienten infiziert und die Krankheit auf seine Familienmitglieder und auf andere Patienten übertragen. Dr. Spohr hat selbst als klassischer Zeuge beweisen müssen, wie gefährlich das Pockengift ist, und wie heilsam die Impfung sein kann. Bedenken Sie doch, daß durch die Aufhebung des Impfzwanges hauptsächlich unsere Grenzgebiete gefährdet würden durch Leute aus den benachbarten Ländern, wo der Impfzwang nicht besteht, besonders aus Rußland, Oesterreich und auch aus Frankreich. Man kann jedenfalls nicht irgendwelche ernstliche Gründe ins Gefecht führen, die für eine Aufhebung des Impfzwanges sprechen. Es ist keineswegs festgestellt, daß durch das Impfen alle mög⸗ lichen Krankheiten übertragen werden, wie behauptet wird. Die Impfgegner handeln nicht immer nach Logik und Recht, wenn sie alles kritiklos verwenden gegen ein Gesetz, das ihnen nicht genehm ist. Wir werden jedenfalls alles versuchen, das Gesetz aufrecht zu erhalten. Der Aba. Ströbel hat dann die Prostitution gestreift und hat dabei eine Reihe Einzelfälle erwähnt, die beweisen sollen, daß die Notlage die Hauptursache der Prostitution sei. Eine große Zahl der von dem Abg. Ströbel erwähnten weiblichen Personen sind nun Dienstmädchen gewesen. Man kann aber nicht behaupten, daß gerade die Dienstmädchen sich aus Not der Prostitution zuwenden Mir scheint vielmehr die immer mehr zunehmende Ver⸗ gnügungssucht die Zunahme der Prostitution zu verursachen. Der Vorredner hat darauf hingewlesen, daß in sozialdemokratischen Kreisen der Geburtenrückgang am größten sei. Das ist tatsächlich der Fall. Es ist sehr bemerkenswert, daß gerade in sozialdemokratischen Kreisen von dem berühmten Irrigator, den man vielfach als Segen der Menschheit bezeichnet, ausgiebiger Gebrauch gemacht wird. Man ist so weit gekommen, daß man sich beinahe daruüber wundern muß, daß nicht in jeder Wohnung im Ngschrh an die Warm⸗ wasserleitung ein Irrigator eingebaut wird. Es steht fest, daß in den Großstädten der Geburtenrückgang am größten ist. Aus einer Statistik entnehme ich, daß die durchschnittliche Fruchtbarkeit der Ehen bei Post⸗ beamten 2,4 beträgt, und ich kann aus eigener Exfahrung infolge meiner Tätigkeit in Pensionskassen bestätigen, daß diese Ziffer richtig ist, und daß sie bei vielen anderen Beamten 2,6 beträgt. Es ist nun nachgewiesen worden, daß zur Erhaltung des Staates und für eine einigermaßen aus⸗ reichende Vermehrung seiner Einwohner eine durchschnittliche Fruchtbar⸗ keitsziffer von 4 Kindern nötig ist. Auch Friedrich der Große hat die

Vermehrung der Bevölkerung des Staates als ein erstrebenswertes bezeichnet. Wenn man unser Jahrhundert als das Jahrhundert des

Schöffen⸗ und Geschworenengerichte ganz erstaunlich milde Urteile ge⸗

1“ 1.“ 8— 2* 1 8 bezeichnet, so ist das nicht ganz zutreffend. Die Bekämpfung der Kindersterblichkeit ist ein erstrebenswertes Ziel. Ohne Zweifel ist die Kindersterblichkeit zum großen Teil auf die schlechten Wohnungs⸗ verhältnisse der Großstädte zurückzuführen. Ein sehr geeigneres Mittel zur Bekämpfung der Kindersterblichkeit wäre das, daß der Staat als Vater aller Kinder es auf eigene Rechnung unternimmt die Großstadtkinder aufs Land zu schicken, um sie dort zu erziehen. Denn es ist besser, ein Kind zu einem tüchtigen Land⸗ arbeiter zu erziehen, als es in der Stadt verkommen und beizeiten absterben zu lassen infolge allzu unzweifelhaft, daß die Städte und verzehren, was ihnen an Menschenmaterial vom zuströmt, und daß die Städte nicht in der Lage sind, sich selbst das erforderliche Bevölkerungsmaterial zu schaffen. Deshalb wäre es nicht unangebracht, dem Lande wieder das Be⸗ völkerungsmaterial, das in der Stadt nicht gedeihen kann, zurück⸗ zuführen. Zur Verringerung der Kindersterblichkeit ist es auch not⸗ wendig, daß die künstliche Verhütung der Schwangerschaft eingeschränkt wird. Die Aerzte tun in dieser Beziehung ihr möglichstes, um die Frauen auf die Gefahren in dieser Hinsicht aufmerksam zu machen. Die Belehrung des Volkes über diese ernsten Gefahren scheint mir das wesentlichste Vorbeugungsmittel zu sein.

Abg. Dr. Mugdan sfortschr. Volk⸗p.): Die Reden der Abgg⸗

von der Osten und Dr. Vorster werden nicht dazu beitragen, die Einigkeit zwischen den Aerzten und den Krankenkassen herbeizuführen. Der Abg. von der Osten hat selbst zugegeben, daß der Leipziger Verband in seiner letzten Erklärung gegenüber dem Minister des Innern nicht von einem Generalstrelk und nicht von dem Aufheben der freien Aerztewahl gesprochen hat. Der Abg. von der Osten hat aber behauptet, daß die Aerzte tatsächlich den Generalstreik vorbereitet hätten. Demgegenüber stelle ich fest, daß die Aerzte niemals dazu übergehen werden, den Kranken ihre Hilfe zu versagen. Man hat dann auf Cöln verwiesen. Dort hat man mehr als 100 Aerzte, die bis dahin Kassenärzte waren, einfach ausgesperrt, weil sie nicht zusammen sitzen wollten mit vorbestraften Kollegen. Wenn sich die Aerzte gegenüber einem derartigen. Vorgehen wehren, so ist das ihr gutes Recht. Der Streik hätte beendet werden können, wenn der Verband, dem der Abg. Vorster angehört, es gewollt hätte, Auch in Cöln wird man wahrscheinlich zum Frieden kommen. Es ist gewiß, wie ich aus den Ausführungen des Abg. von der Osten entnommen habe, dem Abg. von der Osten nicht bekannt, daß sich um den Eberswalder Streitfall verschiedene Rechtsstreitigkeiten er⸗ hoben haben, daß das Schöffengericht in Berlin anerkannt hat, daß alle Vorwürfe, die gegen den betreffenden Arzt gemacht werden, un zutreffend sind. Es scheint dem Abg. von der Osten auch nicht be⸗ kannt zu sein, daß bisher alle Untersuchungen, die gegen den an⸗ gegriffenen Arzt angestellt worden sind, zugunsten dieses Arztes aus⸗ gefallen sind, und daß dieser Arzt vollständig makellos dasteht. Ich will auf diese Angelegenheit nicht weiter eingehen, weil diese Rechtsstreitig⸗ keiten noch nicht erledigt sind. Es wird sich auch das ärzr⸗ liche Ehrengericht mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Ich bin seit Jahren ein Vorkämpfer der freien Aerztewahl; daß sie sich bewährt, zeigt die Stadt Berlin. Aber nicht überall ist es möglich, die freie Aerztewahl durchzuführen. Die Krankenversicherung hat der Volkswohlfahrt große Vorteile ge⸗ bracht, aber von den Schattenseiten hat man bisher sehr wenig ge⸗ sprochen. Die Schattenseiten liegen auf dem Gebiete der ärztlichen Wissenschaft. Wir verlangen bet der Bekämpfung der Tuberkulose z. B., daß der Tuberkulöse sich vom Arzt untersuchen läßt, wenn er sich nicht recht wohl fühlt; wenn der Arzt aber nichts findet, dann gilt der Kranke als Simulant. Die freie Arztwahl ist not⸗ wendig wegen des Vertrauens des Kranken zu seinem Arzt. Das Ver⸗ trauen des Kranken können wir Aerzte gar nicht entbehren; wenn der Kranke Vertrauen hat, ist schon ein gut Teil der Arbeit getan. Das freie Arztsystem muß noch weiter ausgedehnt werden, wenn es auch seinerseits natürlich Mängel bat. Vom Standpunkt des ver⸗ sicherten Arbeiters gibt es nichts Besseres als die freie Arztwahl. Muß nicht die medtzin sche Wissenschaft schließlich darunter leiden, wenn der Arzt nicht mehr als Arzt, sondern nur als medizinischer Polizeibeamter angesehen wird? Wir Aerzte haben in erster Linie nicht die Interessen der Krankenkassen, sondern die der Patienten wahr⸗ zunehmen. Das wird leider so viel übersehen. Wenn die Vor⸗ schläge der Krankenkassen zur Durchführung kämen, würde eine Ver⸗ schlechterung der medizinischen Wissenschaft die Folge sein. Die Ver⸗ besserung der Lage des Krankenpflegepersonals muß uns allen am Herzen liegen. Der verstorbene Ministerialdirektor Althoff hat sich schon vor langer Zeit mit der Frage der Versicherung des Krankenpflegepersonals beschäftigt, aber die Mühlen der Regierung mahlen recht langsam. In der Tat sind die Zust inde im Krankenpflegepersonal unerträglich. Unsere Hygiene hängt nicht allein von uns Aerzten ab, unser Kranken⸗ pflegepersonal wird immer wichtiger, da immer mehr die Krankenpflege eine stationäre Behandlung erfordert, und der Arzt, namentlich auf dem Lande, sich nicht allein auf seine Beobachtungen, sondern auch auf die der Krankenschwester verlassen muß. Die Krankenpflege der katholischen Kirche hat einen großen Vorsprung, aber auch die evan⸗ gelische Krankenpflege ist vorzüglich. Die Krankenpflege hat nicht einen gewerblichen Charakter, diesem Berufe muß man sich mit ganzem Herzen ergeben, das eigene Ich muß zurücktreten. Ich will die religiöse Krankenpflege nicht entbehren, aber sie reicht nicht aus, und wir brauchen auch die weltliche Krankenpflege. Man darf die Krankenpflege nicht anderen gewerblichen Berufen gleichstellen; gewiß kann man die Arbeitszeit beschränken, aber man kann die Ueberstunden nicht abschaffen; wenn der Arzt eine Operation vornehmen muß, kann die Schwester nicht sagen, daß sie jetzt keinen Dienst habe. Gerade deshalb muß aber die staatliche Gesetzgebung den Krankenpflegern helfen. Die Eisenbahnverwaltung hatte den Krankenpflegern wenigstens eine kleine Fahrpreisermäßigung gewährt, weil sie einsah, daß diese Personen einmal eine kleine Erholungsreise nötig haben, aber diese Er⸗ mäßigung ist wieder entzogen worden. Das ist gerade bei diesen Personen nicht gerechtfertigt, da kann man doch nicht sagen, daß es geschehen müsse, weil die Eisenbahn zu schlechte Einnahmen habe. Die Regierung selbst muß sich einmal ernstlich der Aerztefrage an⸗ nehmen, denn der Arzt wird immer wichtiger; im Kriege gilt das Wort, daß ein Arzt viele Lanzenträger überwiege. Die Krankenpflege⸗ stationen werden im Kriege eine große Rolle spielen, namentlich in⸗ folge der Entwicklung unserer Geschütze; viele Verwundete werden aus der Schützenlinie herausgeholt werden müssen. Darum muß das Krankenpflegepersonal im Kriege wesentlich verstärkt werden, aber leider hat die Heeresverwaltung viele Personen, die sich zur Aus⸗ bildung als Krankenpfleger im Kriege freiwillig gemeldet haben, zurückgewiesen. Im Kriege selbst wird man natürlich mit der Aus wahl des Personals nicht so ängstlich sein, aber diese Personen müssen vorher ausgebildet werden, zunächst muß die Pensionierung de Krankenpfleger als wichtigste Aufgabe eingeführt werden, damit nicht schließlich große Unzufriedenheit in diesen Beruf einzieht. Ich hoffe, daß die Medizinalverwaltung die Hand zur Verbesserung der Verhältnisse bietet.

Abg. Ströbel (Soz.): Es kann nicht bestritten werden, daß die Absicht bei dem Leipziger Verband vorhanden war, den Generalstreik gegenüber den Krankenkassen zu eröffnen. Die ärztlichen Forderungen konnten von den Krankenkassen nicht befriedigt werden. Jedenfalls wäre es besser, wenn sich die Aerzte mit den Krankenkassen vertrügen. Es war gar nicht nötig, wie es der Abg. Heckenroth tat, mit wohl⸗ einstudierten Worten und in so pathetischer und pastoraler Meise zu sagen, welchen Dank wir den Krankenpflegerinnen schulden. Das konnte 8 auch in einfachen, schlichten Worten gesagt werden. Wir müssen nach wie vor für eine Besserstellung des Personals eintreten, da wir wünschen, daß nicht nur die bessergestellten Kreise diesen Beruf ergreifen, sondern Angehörige aller Kreise sich diesem Beruf widmen können. Wenn die Krankenpflegerinnen sich mit Liebe ihrem Berufe widmen sollen, dann müssen sie auch gut bezahlt werden. Man kann doch nicht abstreiten, daß, wenn man die Tuberkulose erfolgreich bekämpfen will, vor allem auch eine Besserung der materiellen Lage der Bevölkerung herbeigeführt werden muß. Daß gerade in den Kreisen der Sozialdemokratie der Geburtenrückgang besonders

schlechter Ernährung. Es ist verschlingen Lande

gewissermaßen das