1913 / 37 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 11 Feb 1913 18:00:01 GMT) scan diff

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feassung, daß wir allen Anlaß haben, unserem preußischen Hafen Stettin beizuspringen. Ich möchte aber doch nicht unterlassen, auf Grund meiner speziellen Kenntnisse der Eisenbahntarifverhältnisse festzustellen, daß unsere gesamten Eisenbahntarife es kann sich ja nur um Ausnahmetarife handeln zwischen Nordseehäfen und Ostseehäfen so genau abgestimmt sind, daß von einer Benachteiligung Stettins durch die Gestaltung der Tarife tatsächlich nicht die Rede sein kann⸗

Herr Abg. Rosenow hat den Wunsch vorgetragen, daß wir be⸗ müht sein müßten, den Abschluß des neuen großen West⸗ hafens, den Berlin in Zusammenhang mit der Erbauung des Groß⸗ schiffahrtsweges einrichtet, zu fördern, und hat gemeint, daß die Staatseisenbahnverwaltung doch da zu langsam gearbeitet hätte; seit Jahren wäre verhandelt worden, und die Verhandlungen schienen erst jetzt zu einem Abschluß zu führen. Meine Herren, ich bin in der Sache heute nur im allgemeinen informiert. Ich weiß nur, daß ganz außerordentliche betriebliche Schwierigkeiten vorgelegen haben, den Anschluß dieses Hafens in dem Berlin⸗Hamburger Bahnhof an einer den betrieblichen Anforderungen entsprechenden Stelle hineinzubringen, und sich aus diesen Schwierigkeiten heraus Verlangsamungen der Verhandlungen ergeben haben. Soweit ich informiert bin, liegen nicht etwa durchschlagende finanzielle Meinungsverschiedenheiten vor, sondern die Betriebsfrage stand im Vordergrund. Es wird mir aber mitgeteilt, daß diese Verhandlungen nunmehr abgeschlossen sind, und ich kann hier berelts die Zusicherung geben, daß das, was von seiten der Staatseisenbahnverwaltung ge⸗ schehen kann, auch geschehen wird, um den Anschluß des Hafens zur rechten Zeit fertig zu stellen. (Abg. Rosenow: Bravo!)

Die beiden Herren Vorredner haben dann eine Beschwerde vor⸗ gebracht, die auf die Nebenbeschäftigung der Staatsbau⸗ beamten Bezug nimmt. Bezüglich der Nebenbeschäftigung der Staatsbaubeamten bestehen von jeher ganz bestimmte Grundsätze. Sie sind dahin formuliert, daß die Genehmigung zur Uebernahme von Nebenarbeiten gegen Vergütung den Staatsbaubeamten nur dann erteilt werden darf, wenn die Uebernahme im öffentlichen Interesse notwendig oder zweckmäßig ist und wenn unter den Neben⸗ arbeiten die dienstliche Tätigkeit nicht leidet. Auf die Durchführung dieser Bestimmung wird mit großer Strenge hingewirkt. Die Herren Regierungspräsidenten lassen es sich angelegen sein, zu verhindern, daß die Staatsbaubeamten durch eine über diese Grenze hinausgehende nebenamtliche Tätigkeit in die Verhältnisse der Privatbaubeamten ein⸗ greifen. Ich habe nun aber auf Grund einer Reihe von Beschwerden, die auch zu meiner Kenntnis gelangt sind, feststellen können, daß die beschwerdeführenden Architekten und Baugewerksmeister doch einen sehr

ngherzigen Standpunkt vertreten. Es ist festgestellt worden, daß unzulässige Genehmigungen nur in ganz vereinzelten Fällen gewährt vorden sind, und daß die Nebentätigkeit der Staatsbaubeamten tat⸗ ächlich so gering ist, daß von einer Schädigung der Privatbaubeamten kaum die Rede sein kann. Die Klage der Privatbaubeamten richtet sich dagegen, daß die Staatsbaubeamten überwiegend bei Schulbauten mit tätig sind; ich glaube, Herr Abg. Röchling nahm ausdrücklich auf Schulbauten Bezug. (Zustimmung.) Aber gerade bei diesen Bauten spricht das örtliche Interesse sehr wesentlich mit. Der Staat ist sehr häufig mit eigenen Beträgen daran stark beteiligt, also an den Baukosten interessiert, und überdies sind es oft die Gemeinden selbst, die wünschen, daß staatliche Baubeamte den Bau aus⸗ führen. Ich verkenne gar nicht, daß die Staatsverwaltung alle Veranlassung hat, dauernd darauf zu achten, daß die staatlichen Bau⸗ beamten sich in ihrer Nebentätigkeit auf das äußerste beschränken, jedenfalls innerhalb der genannten Grenzen bleibes. Ich kann jeden⸗ falls die Zusicherung erteilen, daß ich wie bisher auch fürderhin eine starke revidierende Tätigkeit ausüben werde.

Was die Frage der Zulassung von Malerateliers in Dach⸗ geschossen betrifft, so hat sie mich im Laufe des letzten Jahres be⸗ schäftigt, und es hat sich in der Tat die Notwendigkeit ergeben, ab⸗ weichend von den Bestimmungen der Bauordnung, da der Maler reflexfreies Licht braucht, die Malerateliers in den Dachgeschossen zu⸗ zulassen. Diese Bestimmung ist für den Landespolizeibezirk Berlin ergangen. Es kann der Nachprüfung unterliegen, ob es erforderlich ist, sie auch in den Vororten, wo sich ja dieser Mangel ganz selbst⸗ verständlich nicht in demselben Maße geltend machen wird, ein⸗ zuführen.

Endlich hat Herr Abg. Rosenow noch auf die Tatsache hin⸗ gewiesen, daß den Arbeitern der Wasserbauverwaltung nunmehr die Möglichkeit eröffnet ist, durch Beitritt zu der umfassenden Pensions⸗ kasse der Arbeiter der Staatseisenbahnverwaltung an deren Wohltaten teilzunehmen. Damit ist einem Wunsche entsprochen worden, der hier im hohen Hause wiederholt von verschiedenen Seiten ausgesprochen worden ist. (Sehr richtig!) Freilich hat die Beschränkung statuiert werden müssen, daß nur solche Arbeiter beitreten dürfen, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; die Risiken der Kasse würden sonst außerordentlich zum Schaden derjenigen gesteigert, die ihr bereits angehören. Gleichartige Bestimmungen sind bei der ersten Einrichtung der Kasse getroffen worden, und es würde ungerecht sein, in diesem Falle anders vorzugehen. (Bravo!)

Abg. Brors (Zentr.): Im vorigen Jahre hat bei Mülheim am Rhein ein Schiffszusammenstoß stattgefunden. Die Unternehmer haben den vergeblichen Versuch gemacht, den Dampfer zu heben, und die Sachverständigen sind der Meinung, daß unzureichende Hilfe bei der Hebung die Ursache des Mthßerfolges gewesen ist. Man wundert sich darüber, daß die Strombauverwaltung, die für die Reinhaltung und Freihaltung der Ströme verantwortlich ist, noch keine Zwangsmaßregeln zur Wegschaffung des Wracks getroffen hat. Die Schiffahrt wird dadurch gehemmt, und die Stadt Mulheim fürchtet, für den an⸗ gerichteten Schaden zur Verantwortung gezogen zu werden. Der jetzige Zustand ist unhaltbar, und ich bitte die Regierung, alle ihr zu Gebote stehbenden Zwangsmaßregeln zu gebrauchen, damit das Wrack aus dem Rhein entfernt wird.

Ein Regierungsvertreter teilt mit, daß alles angeordnet sei, um das Wrack zu heben. Dies werde wohl gelingen, sobald der Wasserstand etwas niedriger geworden sei. 3

Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Das Wasserstraßengesetz nabm im § 6 Rücksicht auf die Befürchtungen der oberschlesischen Montanindustrie, daß durch die neugeschaffene Wasserstraße dieser Industrie erhebliche Schwierigteiten entstehen könnten. Im Gesetz waren geeignete Maßnahmen vorgesehen zur Beseitigung etwa ent⸗ stebender Schädigungen der oberschlesischen Industrie. Kaum war das Gesetz geschaffen, da erklärte die oberschlesische Industrie schon, daß das Gesetz eine Schädigung ihrer Interessen bedeute. Nun sind aber die Vorteile des Großschiffahrtsweges für Stettin gar nicht so erbeblich. Durch den Großschiffahrtsweg wird es er⸗ möglicht, mit 600 t⸗Kähnen von Stettin nach Berlin zu fahren, was man jetzt nur mit 180 t⸗Kähnen kann. Auf der anderen Seite wird es aber ermöglicht, von Hamburg nach Berlin mit 800 r⸗Kähnen

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werte

zu fahren. Es war also klar, daß Frachten, die Stettin sonst gehabt hatte, nunmehr nach Hamburg gehen. Wenn man berück⸗ sichtigt, daß auf der Elbe Kähne mit über 1500 t und auf dem Rhein solche mit über 3000 t gefahren werden, dann muß man sagen, es ist beinahe Größenwahn, von einem Großschiffahrtsweg zu reden. Der Abg. von Zedlitz brachte die oberschlesischen Beschwerden vor und sagte, es müsse etwas geschehen. Daraufhin hat der Minister gleich erklärt, der Abg. von Zedlitz solle sich beruhigen, es sei bereits ein Projekt unterwegs, das den Beschwerden Oberschlesiens Rechnung tragen werde. Ich hoffe, daß die zu erwartende Vor⸗ lage angenommen wird. Aber ich bitte das Haus bei dieser Ge⸗ legenheit, sein Augenmerk darauf zu richten, daß andere beachtens⸗ Interessen dadurch nicht geschädigt werden dürfen. Der Status, der 1905 vorhanden war, darf nicht geändert werden zu⸗ ungunsten der Schiffahrt. Ich bitte im übrigen den Minister dringend, die lange gehegten Wünsche Stettins bezüglich der Auf⸗ hebung der Abgaben zu erfüllen. Leider hat die Regierung auf die Anfrage des Abg. Rosenow, ob es richtig sei, daß die Stromarbeiter zum Austritt aus den Gewerkvereinen gezwungen wurden, keine Antwort erteilt. Wenn dieses Schweigen bedeuten soll, daß die Tatsache richtig ist, dann würden wir den Standpunkt der Re⸗ gierung bedauern. Durch solche Behandlung der Stromarbeiter drängt man sie in die Arme der Sozialdemokratie. Es wäre wünschenswert, daß uns das Material des Statistischen Landesamts über die Arbeitsbedingungen der Stromarbeiter bald zugänglich gemacht würde. Der Abg. Röchling hat seiner Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß das preußische Parlament ein sozialpolitisch ebenso hochstehendes Wohnungsgesetz schaffen würde wie der Reichstag. Nach den Aus⸗ führungen des Freiherrn von Maltzahn kann man aber diese Hoffnung nicht haben, denn der Abg. von Maltzahn sagt ganz offen, dieser sozialpolitische Einschlag des Wohnungsgesetzes ist nur ein Manöver, um der heutigen modernen 11141“*“ werden, nötig ist das nicht. Ich habe also nicht das Gefühl, daß die Rechte dem neuen Wohnungsgesetz freundlich gegenüberstehen wird. Im übrigen wünsche ich, daß die Herren von der Rechten ihren Standpunkt verlassen und mit uns an der Verbesserung und Verabschiedung des Wohnungs⸗ gesetzes zusammenarbeiten werden. In diesem Gesetz sind große soziale Fortschritte enthalten.

Abg. von Schuckmann (kons.): Die Handhabung der Bau⸗ polizeiverordnungen hat so große Härten, namentlich unter den kleinen Leuten hervorgerufen, daß ich die Aufmerksamkeit des Ministers auf diese Verordnungen lenken muß. Ich gebe zu, daß es an der Zeit war, die alten Baupolizeiverordnungen zu ergänzen und zu verbessern. Das mag auch durch die neuen Verordnungen gelungen sein. Aber es ist des Guten zu viel getan worden. Durch die neuen Verordnungen wird den Leuten das Bauen sehr erschwert. Wenn jemand einen kleinen Bau vornehmen will, dann sind dazu nicht weniger als 19 Schreiben erforderlich. Zunächst ist nötig ein Antrag bei dem Amtsvorsteher, der ihn an den Vorsitzenden des Kreisausschusses weitergibt, dieser übergibt ihn an den Bautechniker usw. Ist uber die Bauerlaubnis endlich erteilt, dann darf man mit dem Bau noch nicht anfangen. Sämtliche Vorlagen müssen nicht nur vom Bauherrn, sondern auch vom Bauunternehmer unterzeichnet werden, welche beide dafür verantwortlich sind. Da in diesen Vor⸗ lagen viele Zahlen und Berechnungen enthalten sind, so ist es leicht möglich, daß Fehler entstehen, die der Bauherr nicht beurteilen kann. Trotzdem kann er dafür bestraft werden. Verbesserungen, die er noch während des Baues machen möchte, sind verboten. Die Bau⸗ polizei sollte sich darauf beschränken, daß für die Sicherheit und Gesundheit nach jeder Richtung Gewähr geleistet wird, aber darüber hinaus kleinliche Bestimmungen zu treffen, das ist ungerecht und unbillig. Auch die Bestimmungen über die Entfernungen zwischen den einzelnen Gebäuden sind zu hart. Durch diese Bestimmungen wird es manchem kleinen Mann unmöglich, seine erforderlichen Wirtschaftsgebäude aufzuführen. Wenn man bei der Errichtung eines Wagenschuppens vorschreibt, daß ein Fundament von 1 m Tiefe vor⸗ handen sein muß, und daß Anker von 1 m Tiefe angebracht werden müssen usw., so geht das doch wohl zu weit. Es ist ausgerechnet worden, daß in diesem Fall die Kosten für den Schmied teurer gewesen sind als der ganze Schuppen. In den kleinen Städten und auf dem Land sollte man doch nicht so rücksichtslos vorgehen. Die Polizeibauordnung sollte in ausreichendem Maße bei dem Bau von Häusern für Sicherheit und Gesundheit sorgen. Man sollte nicht ein zu großes Gewicht auf schöne und geschmackvolle Ausführung der Bauten legen, denn jeder hat nicht die Mittel dazu, darauf ent⸗ sprechende Rücksicht zu nehmen. Ich will hier keine Vorschläge machen, sondern den Minister bitten, daß er die Handwerkskammern und Land⸗ wirtschaftskammern hört und danach die Abänderungen beschließt, die er für angezeigt hält. Ich habe das Vertrauen zu dem Minister, daß er Maßnahmen treffen wird, die den nötigen Schutz für Gesundheit und Sicherheit bieten.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Gleiche Beschwerden sind hier in diesem hohen Hause vor einigen Jahren zu meiner Kenntnis gebracht worden, und sie haben Veranlassung gegeben, im Herbst 1909 eine allgemeine An⸗ weisung an die Verwaltungsbehörden in dem Sinne herauszugeben, daß auf dem platten Lande in baupolizeilicher Beziehung nicht schematisch die gleichen Ansprüche erhoben werden sollten, wie in den Städten. Diese Anweisung ist ganz spezialisiert erlassen, und sie ist erlassen in vollem Gegensatz zu den Feuersozietäten. Die Feuer⸗ sozietäten haben lebhaft Beschwerde geführt, weil ihnen die von mir erlassenen Bestimmungen zu weit zu gehen schienen. Dieser Erlaß vom Jahre 1909 ist im Zusammenarbeiten und Zusammenwirken mit dem Deutschen Landwirtschaftsrate ergangen. Ich hatte daher ge⸗ glaubt, daß den Wünschen, die Herr Abg. von Schuckmann soeben zu meiner Kenntnis gebracht hat, im allgemeinen entsprochen ist und zwar im Sinne der Absicht einer starken Erleichterung für die länd⸗ lichen Bauten. Zweifellos werden mir diese Beschwerden, namentlich wenn sie spezialisiert zu meiner Kenntnis gelangen, Anlaß geben, nachzuprüfen, ob in den einzelnen Bezirken auch im Sinne dieser Bestimmungen verfahren wird. (Sehr gut! rechts.)

Die Baupolizeiverordnungen werden ja von den Herren Regie⸗ runzspräsidenten im Zusammenwirken mit den Bezirksausschüssen er⸗ lassen. Beschwerden liegen bei mir nicht vor. Ich war daher etwas erstaunt, eine so lebhafte Beschwerde zu hören, womit ich nicht sagen will, daß sie nicht nach dieser oder jener Richtung berechtigt ist. Auch die Beschwerden über die eigentlichen Verfahrensvorschriften werden einer Prüfung unterzogen werden können.

Wenn ich vorhin auf die Anfrage des Herrn Abg. Rosenow, ob Bestimmungen erlassen wären, welche den Beitritt der Arbeiter der Wasserbauverwaltung zu den Hirsch⸗Dunckerschen Gewerk⸗ vereinen verbieten, nicht geantwortet habe, so ist das lediglich auf ein Omissum zurückzuführen. Ich kann feststellen, daß Vorschriften nach dieser Richtung nicht erlassen worden sind. Ich würde mich da⸗ durch auch in Widerspruch zu dem Vorgehen der Staatseisenbahn⸗ verwaltung setzen; denn auch den Arbeitern der Staatseisenbahn⸗ verwaltung ist es gestattet, den Hirsch⸗Dunckerschen Vereinen beizu⸗ treten. (Bravo! bei der fortschr. Volksp.)

Darauf wird die Debatte geschlossen. ca. Abg. Tönnies (nl.) bedauert, durch den Schluß verhindert zu sein, eine lokale Angelegenheit an der Eider zu besprechen. 1

Abg. Fürbringer (nl.) bedauert, verhindert zu sein, die Schäden zu besprechen, die die Häfen des Dortmund⸗Ems⸗Kanals durch

die Notstandstarife für Futtermittel erfahren haben

Das Kapitel des Ministeriums wird bewilligt.

Bei dem Kapitel „Bauverwaltung“ bemerkt Abg. Dr. König (Zentr.): Der Brand des Theaters des Westens konnte eine so große Ausdehnung annehmen infolge einer verbotswidrigen Anwendung einer Rabitzwand zwischen Büh e und Zuschauerraum. Wenn dieser Brand zurzeit der Aufführung gebrochen wäre, so wäre ein unabsehbares Unglück geschehen. helfen alle Polizeivorschriften, wenn sie nicht beachtet werden wenn die Abnahme und Revision derartig ist, daß solche Verbotz⸗ widrigkeiten bestehen bleiben! In anerkennenswerter Weise hat der Minister der öffentlichen Arbeiten eine Verfügung an das hiesige Polizeipräsidium erlassen, wonach die zuständigen Behörden unverzüglich eine Kontrolle bei allen Theatergebäuden vornehmen sollen. Diese Revision hat eine Reihe von Mängeln entdeckt. Man hat nun gestattet, daß die Beseitigung dieser Mängel erst im Sommer vor⸗ genommen zu werden braucht, damit das Spiel durch die Bauaus⸗ führungen nicht unterbrochen wird. Ich glaube kaum, daß die zuständige Behörde die Verantwortung übernimmt, daß durch die Verschiebung der Ausbesserung dieser Mängel bis zum Sommer die Sicherheit des Publikums in den Theatern nicht gewahrt bleibt. Auch eine schärfere Ueberwachung der Kinemato raphentheater ist not⸗ wendig. Es muß dafür gesorgt werden, daß Notausgänge vorhanden sind und sonstige Maßnahmen zur Verhütung von Katastrophen ge⸗ troffen sind. 1

Ein Regierungskommissar: In einer Ministerialver fügung an alle Regierungspräsidenten ist darauf aufmerksam gemach worden, daß ganz besondere Sorgfalt in der Prüfung dieser Fragen notwendig sei, und daß sämtliche Bezirke daraufhin zu unter⸗ suchen seien, ob etwa derartige bedenkliche Konstruktionen vorliegen. Das Ergebnis dieser Ermittelung war, daß alsbald drei Theater geschlossen werden mußten. Bei weiteren 30 Theatern wurden ebenfalls erhebliche konstruktive Bedenken festgestellt. Cz wurde aber mit Rücksicht auf die erhebliche Schädigung, die dem Unternehmer und den Darstellern bei einem sofortigen Schluß der Vorstellungen zugefügt werden würde, gestattet, daß diese Aus⸗ besserung nicht sofort, sondern erst nach einer Fesniten Zeit aus⸗ geführt werden kann. Für die Kinematographentheater ist der Minister des Innern zuständig.

Abg. Hoffmann (Soz): Bei der Königlichen Hafenbauinspektion in Swinemünde wurden vor Weihnachten 40 Arbeiter und am 4. Januar weitere 60 Arbeiter entlassen. Das ist gerade zu einer Zei, in der die Zahl der Arbeitslosen ohnehin 1“ hoch ist. Den entlassenen Arbeitern wurde weder vorher ge ündigt, noch wurde ihnen der Restlohn ausgezahlt. Den Arbeitern sollte man das Recht der Organisation nicht verkümmern.

Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels von der Brügghen: Ein solcher Vorgang würde nicht den Gepflogenheiten entsprechen, die wir durchweg bei unseren Arbeitern verfolgen. Es wird sich hier um Saisonarbeiter handeln, die im nächsten Frühjahr wieder beschäftigt werden. Durchweg sind wir gegen unsere Arbeiter rücksichtsvoll. Gerade bei der Wasserbauverwaltung haben wir Arbeiter, die jahrelang in derselben Weise beschäftigt werden. Die letzten Jahre haben bewiesen, wie wobhlwollend wir gegen die Arbeiter sind. Wir haben sie in die Pensionskasse der Eisenbahnarbeiter auf⸗ genommen, und sie erhalten auch die Zulagen, wie die Eisenbahn⸗ arbeiter nach längerer Dienstzeit.

Abg. Hoffmann (Soz.): Ich will noch einmal hervorheben, daß vor Weihnachten vierzig und nach Weihnachten sechzig Arbeiter entlassen wurden, und daß es sich um Familienväter handelt, die mehrere Jahre dort gearbeitet hatten, also nicht um Saisonarbeiter, wie der Regierungsvertreter sagte.

Abg. Witzmann (nl.) führt darüber Klage, daß die außeretats⸗ mäßigen Landmesser jeden Tag befürchten könnten, entlassen zu werden; sie sollten möglichst etatsmäßig gemacht werden, wenigstens wenn sie schon jahrelang beschäftigt seien.

Ein Regierungskommissar erwidert, daß bereits eine bedeutende Stellenvermehrung eingetreten sei. Ein großer Teil der Landmesser habe für die Zwecke der Kanalbauten nur vorübergehend angenommen werden können, davon werde aber ein Teil nach der Beendigung der Kanalbauten für andere Zwecke verwendet werden. Jetzt eine Vermehrung der etatsmäßigen Stellen vorzunehmen, sei schwierig, weil sich das dauernde Bedürfnis nicht übersehen lasse. Die Entlassung der seit acht und neun Jahren beschäftigten Landmesser würde allerdings sehr hart sein, die Eisenbahnbehörden seien daher angewiesen, Meldungen von Landmessern zur Beschäftigung in der Eisenbahnverwaltung nach Möglichkeit zu berücksichtigen.

Abg. Lüdicke (freikons.) legt die Wünsche der Strommeister dar. Zunächst wünschten die Strommeister die Zulassung zur Prüfung als Wasserbauwart. Die Militäranwärter würden unter besonderen Bedingungen zu dieser Prüfung zugelassen, dasselbe Recht könnten auch die Strommeister verlangen, die aus dem Militärstande hervo gegangen seien. Die Regierung habe eingewendet, daß die Strom⸗ meister nur Polizeibeamte seien und sich nicht die nötigen technisch Kenntnisse eines Wasserbauwarts aneignen könnten. Die technisch Kenntnisse brauchten aber nicht bloß auf den Baugewerkschule sondern könnten auch im praktischen Dienst erworben werde Wenn der Dienst der Strommeister allerdings lediglich e polizeilicher werden sollte, dann würde das nicht möglich sei aber diese Beamten hätten von vornherein damit gerechnet, de sie technische Beamte werden könnten. Wenn sie bloß Polizeibeamt werden wollten, brauchten sie nicht zwölf Jahre im Heere zu diene

Abg. Busse (kons.) führt gleichfalls aus, daß die Strommeister den Wunsch hätten, in die Stellen der Wasserbauwarte hineinzn kommen, und erklärt dies für durchaus berechtigt. Die Strommeiste könnten dasselbe leisten wie die Wasserbauwarte. Die Erfüllung de Wünsche der Strommeister würde die Arbeitsfreudigkeit dieser Be⸗ amten wesentlich erhöhen.

Ge der Wünsche der Strommeister. Ein

Prüfung der Wasserbauwarte zuzulassen. Der Dienst der Strom. meister beschränke sich auf die polizeilichen Funktionen, und zwar nich erst neuerdings, sondern schon seit längerer Zeit. Die Kenntnisse, di sich ein Wasserbauwart auf der Baugewerkschule angeeignet habe könne ein Strommeister im praktischen Dienst nicht erwerben.

Bei den Ausgaben für die Unterhaltung der Re⸗ gierungs dienstgebäude bemerkt

Abg. von Pappenheim (kons.): In einer Provinzialhaupt⸗ stadt am Rhein befindet sich ein Regierungsgebäude, in dem ein Herr wohnt, der lebhaftes Interesse für die preußischen Finanzen bekundet hat. Zur Unterhaltung dieses Gebäudes wurde ig vorigen Jahr ein Betrag von 7500 gefordert. Die Budget⸗ kommission hatte die Absicht, 2500 zu streichen. Es müssen doch ernste Gründe sein, welche die Kommission veranlaßt haben, diese Streichung zu beantragen. In der Tat muß es Bedenken erregen, wenn für Umänderungen eines neuen Hauses solche erheblichen Mittel ge⸗ fordert werden. Die Kommission hat nachher den Titel wieder her⸗ gestellt. Ich möchte aber die Regierung ersuchen, in Zukunft 8 dieser Hinsicht größere Sparsamkeit zu üben. Ich wünsche, daß 88 ein Regulativ darüber, daß alljährlich ein bestimmter Prozentsatz de Bauwertes für Reparaturen ausgegeben wird, erlassen werden möge, damit unsere altpreußische Sparsamkeit wieder mehr zur Geltung kommt. . 2 Ein Regierungskommissar: Von dem Finanzministe sind bereits Grundsätze festgelegt worden, nach welchen solch⸗ Un ändernungen von Bauten vorgenommen werden. 1

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Abg. Baerwald (fortschr. Volksp.) empfiehlt gleichfalls die

Regierungskommissar führt aus, daß die Strom⸗ meister durch Zulagen und Erleichterungen des Dienstes schon wesent⸗ liche Vorteile erhalten hätten, daß es aber nicht angängig sei, sie zur

(Schluß aus der Ersten Beilage.) 1 8 . hei den Ausgaben für die A bwendung und kämpfung der Hochwasser⸗ und Eisgefahr tritt Abg. von Boehn (kons.) für die Erhaltung eines Kurhauses n Nr Ostsee und für die Befestigung der Dünen an der Ostsee u nd bemerkt: Leider stehen nicht überall genügend Mittel zu Lerfügung, um die Dünen an der Östsee hinreichend zu be⸗ siczen, sodaß unbedingt der Staat größere Beihilfen gewähren muß. wher verhält sich aber die Regierung diesen berechtigten Wünschen menüber vielfach ablehnend. Die Stadt Kolberg hat z. B. 0000 aus eigenen Mitteln für die Befestigung des Strandes erwandt. Als sie seinerzeit vom Regierungspräsidenten eine santliche Beihilfe erbat, wurde ihr gesagt, daß die im natshaushalt vorgesehenen Mittel lediglich für die Erhaltung d im Besitz des Fiskus befindlichen Dünen bestimmt seien. 1 Wir müssen doch verlangen, daß die Kommunen in dieser Hinsicht thwas mehr unterstützt werden. Es hat den Anschein, als ob von den dkereitgestellten Mittein der größte Teil für die Dünen an der Nordsee eerwandt werden soll. In der Kommission hat ein Regierungsvertreter gsagt, daß es sich nur um geringe Werte an der Ostsee handelt, weil bei den Hünen vielfach nur Sandflächen in Betracht kommen. Demgegenüber will ch doch darauf aufmerksam machen, daß alljährlich unzählige Menschen un die Ostsee wandern, um sich dort zu erholen. Hier scheint sich neder das alte Sprichwort zu bewahrheiten: „Artige Kinder kriegen ihts;. Der Regierungskommissar hat in der Kommission selbst an⸗ iannt, daß der Titel sehr knapp bemessen ist. Ich beantrage daher, ie Regierung zu ersuchen, künftig größere Mittel zur Erhaltung ir Dünen an der Ostsee in den Etat einstellen zu wollen. Dieser Untrag ist auch von Mitgliedern anderer Parteien unterstützt worden, und ich bitte das Haus, meinen Antrag einstimmig anzunehmen, da er in Interesse der Allgemeinheit liegt. Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von C oels von der Brügghen: Es ist nicht richtig, daß für die Ostseedünen keine Schutzmaßnahmen getrofen worden feien. Auch an der Ostsee sind zu diesem Zweck ganz erhebliche Mittel verwandt worden. Im all emeinen wird der Staat immer dort eingreifen, wo die örtlichen Interessenten bbereit sind, Beiträge für die Sicherung der Dünen zu bewilligen. Ich kann nur die Versicherung abgeben, daß der Staat in gleicher Weise für 1 sorgt wie für die Nordsee, um die Dünen vor Zerstörung zu bewahren.

Abg. Dr. Schifferer (nl.): Ich bitte, den Antrag des Abg. von Boehn zu unterstützen. Wir haben seinerzeit eine größere Beihilfe Ffür den Schutz der Insel Amrum gegen Hochwasserschäden bewilligt.

er Kreiztag hat zu demselben Zweck 20 000 bewilligt. Im Provinzialausschuß sind auch Verhandlungen gepflogen worden, aber eider ist die Hergabe von Mitteln abgelehnt worden. Deshalb ichte ich an den Minister die dringende Bitte, in Erwäpungen ein⸗ ütreten darüber, wie man den leistungsunfähigen Gemeinden auf Amrum durch Gewährung einer Staatsbeihilfe den notwendigen Schutz gegen Hochwassergefahr gewähren könne, nachdem der Kreis die Not⸗ wendigkeit einer solchen Beihilfe anerkannt hat.

Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels von der Hrügghen: Ich habe keine Bedenken, auszusprechen, daß auch die Regierung bereit sein wird, ihrerseits zur Beseitigung der Mißstände auf Amrum beizutragen.

Abg. Graf von der Groeben (kons.): Wir sind gern bereit, er den Schutz der Bevölkerung gegen Hochwasserschäden die erforder⸗ hen Mittel zu bewilligen. Es liegt doch im Interesse der Fischerei, benn wir für die Erhaltung der Dünen größere Mittel aufwenden. bei dieser Gelegenheit möchte ich auch darauf hinweisen, wie dringend not⸗ endig die Anlage von Fischereihäfen in Vorpommern ist. Ich habe huch den Landwirtschaftsminister bereits darauf aufmerksam ge⸗ nacht, aber leider hat sich die Regierung bisher ablehnend verhalten. Der Landwirtschaftsminister, der seinerzeit versprach, nichts unversucht u lassen, um den Wünschen der Fischer Rechnung zu tragen, hat eine Anregungen dem Minister der öffentlichen Arbeiten mitgeteilt. Venn die Fischer plötzlich von einer Sturmflut überrascht werden, ann müssen sie einen Zufluchtsort haben, um ihre Geräte und ihr eben zu schützen. Unsere Fischerei liegt ohnehin schon darnieder, auch ie Marine hat alle Veranlassung, den Ausbau von Fischereihäfen im Interesse der Erhaltung der Fischerei zu fördern. Es ist in erster einie. Aufgabe des Staates, diese Häfen zu bauen. Man darf diese lobeiten nicht den Interessenten überlassen.

Ein Regieru ngskommissar: Die Anlage von Fischerei⸗ usen wird auch vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten als ßerordentlich notwendig anerkannt. Der Herr Vorredner hat aber chon selbst darauf hingewiesen, daß große Schwierigkeiten sich der Lusführung solcher Projekte entgegenstellen. Auf alle Fälle muß dar⸗ uf geachtet werden, daß die erforderlichen Aufwendungen auch mit em Zweck im Einklang stehen. Die von dem Vorredner gewünschten sschereibäfen würden die Aufwendung von Millionen erfordern. Wir nd bemüht, an besonders geeigneten Stellen solche Fischereihäfen an⸗ alegen. Allerdings müssen auch die Interessenten Beiträge für diesen weck zur Verfügung stellen.

Abg. Fürbringer (nl.): Dadurch, daß die Mündung der toßen Verkehrsstraße des Rheins im Ausland liegt, gehen jährlich serem nationalen Wohlstand Millionen verloren. Dieser beklagens⸗ ate Zustand hat seit Jahrzehnten den Wunsch hervorgerufen, daß i auf deutschem Boden eine zweite Mündung des Rheins schaffen

e. Diese Bestrebungen haben aber biher keine praktische Lösung fnden. Das Projekt einer zweiten Rheinmündung durch eine Ver⸗ düng des Rheins mit der Ems ist zwar nicht ganz ohne Kritik ge⸗

ehen. Aber angesichts der vielen Vorteile, die sich für uns aus en Projekt ergeben würden, wäre es an der Zeit, daß der Minister

1 loß sein platonisches Wohlwollen dieser Frage gegenüber aus⸗

5 sondern daß er auch praktisch an die Prufung dieser so wich⸗

Mraggrage herantritt und untersucht, ob die Einwendungen dagegen 89 bet sind. Es ist eine Notwendigkeit und Pflicht des Ministers,

dene dieses Projekt ausführbar ausarbeiten läßt. Die bavyerische dteung hat den Rhein⸗Donaukanal projektiert und ist darauf be⸗

Win N. n so bald wie möglich auszuführen. Es wird dann damit

88½ erbindung von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer erreicht

8 82 Aber Deutschland wird an diesem neuen Verkehrswege und

8 sich daranknüpfenden Handelsbeziehungen keinen Anteil haben,

nicht der Rhein⸗Emskanal ausgeführt ist.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenba ch: .“ Herr Vorredner hat das Projekt einer Verbindung des Schaff mit der Emsmündung oder, wie er sich ausdrückte, der

zung einer deutschen Rheinmündung mit der Lebhaftigkeit ne arme vertreten, die wir an ihm als national denkenden ennen sn als erfolgreichen Vertreter der Emdener Interessen cerliegenden hat dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß ich den beiden venden ee Projekten nicht nur mein platonisches Interesse zu⸗ ennase ondern dieses Interesse auch betätigen möchte, und hat ür ragt, daß ich mich bereit erkläre, die allgemeinen Vorarbeiten

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Berlin, Dienstag, den 11. Februar

Ueber die Bedeutung des Projekts einer Verbindung des Rheins mit der Emsmündung können ja Zweifel kaum be⸗ stehen; es ist ein großzügig gedachter Plan. Aber, meine Herren, es ist ein Plan, der einer sehr sorgfältigen Untersuchung nach der technischen, der wirtschaftlichen und der finanziellen Seite bedarf. Es liegen zwei Projekte vor. Das eine von Hertzberg und Tacks betrifft die Schaffung einer Verbindung von Wesel nach der Ems; dieses Projekt sieht eine Wassertiefe von 4 ½ m vor. Das zweite geht weiter; es will eine direkte Verbindung von Cöln aus mitten durch das Industrierevier hindurch nach der Emsmündung schaffen. Es sieht von Anbeginn eine Wassertiefe von 7 m vor, die auf 9 m zu erhöhen ist; dieser Kanal soll also für Seeschiffe von den größten Dimensionen nutzbar sein. Es ist ohne weiteres erkennbar, daß dieses zweite Projekt mit ungewöhnlichen Kosten und außerordentlichen technischen Schwierigkeiten zu rechnen hat, die die Finanzierung erschweren, sie vielleicht unmöglich machen, zumal ja von der Erhebung von Schiffahrtsabgaben wenn man davon ausgeht, mündung und den dortigen Häfen Konkurrenz machen soll kaum die Rede sein kann. Ob dasselbe auch für das Hertzberg⸗Tackssche Projekt zutrifft, will ich dahingestellt sein lassen. Jedenfalls wird die Finanzierung dieses Projektes auch sehr erhebliche Schwierigkeiten bereiten; denn die Abgabenbemessung wird immer nur eine sehr niedrige sein dürfen. Daß das Projekt Wesel —Ems, da ein solcher Kanal große Moorflächen und auch Toneisenlager durchschneiden würde, auch in landeskultureller Beziehung von großer Bedeutung sein würde, darüber kann kein Zweifel bestehen.

Ich habe neulich bereits in der Kommission ausgesprochen, daß es, da diese Projekte kaum von der Tagesordnung verschwinden werden und eine wirtschaftliche, auch eine politische Bedeutung beanspruchen können, zweckmäßig sein wird, wenn die Staatsverwaltung Veranlassung nimmt, aus ihren Kräften heraus eine Nachprüfung vorzunehmen oder auch Mittel für die Aufstellung eines allgemeinen Projekts zuzuschießen. In welcher Form die Mitwirkung der Staatsverwaltung bei der Projektierung sich vollziehen kann, mag dahingestellt bleiben; darüber sind keine Entschlüsse gefaßt. Man kann geeignete höhere technische Beamte zur Verfügung stellen; man kann auch einen Zuschuß zu den Vorarbeiten geben. Jedenfalls scheint mir eine Klärung des Kanal⸗ plans erwünscht.

Aus dieser Bereitwilligkeit der Staatsregierung bitte ich weiter⸗ gehende Konsequenzen nicht zu ziehen. Denn wir stehen doch etwas Ungewissem gegenüber, jedenfalls einem Riesenprojekt. Ob die Vor⸗ arbeiten zu irgendwelchem Ergebnis führen, ist zum mindesten zweifel⸗ haft. Ich halte es aber für zweckmäßig, uns von Anbeginn zu be⸗ grenzen und zunächst die Untersuchung lediglich auf das Projekt von Hertzberg⸗Tacks, von Wesel zur Emsmündung, und auf einen Binnenschiffahrtskanal von 4 ½ m zu beschränken, den ja dann auch die Rheinseedampfer, die heute schon von Cöln nach Rotterdam fahren, benutzen können. Darüber muß man sich dann aber auch klar sein, daß, wenn man einem solchen Projekt näher tritt, man sofort auch die Vertiefung des Rheines von Cöln bis Wesel auf eine Tiefe von 4 ½ m in Erwägung ziehen muß. Das ist eine Frage, die eine erhebliche wirtschaftliche und geldliche Bedeutung hat. Sie wollen aus meinen Erklärungen entnehmen, daß die Staats⸗ regierung sich auch bei diesem Projekte ihrer Verantwortung voll be⸗ wußt ist und bereit ist, alles zu tun, um eine Klärung herbeizuführen. (Bravo!)

Abg. Schwabach (nl.): Wenn auch ein Teil meiner gegenteiliger Meinung ist, so bin ich doch gegen des Wasserbauwesens vom Eisenbahnministerium.

Wasserbauministerium doch nur so klein sein,

Freunde eine Trennung Ein besonderes würde gegenüber dem großen Eisenbahnressort daß Ressortstreitigkeiten, die nicht aus bleiben würden, immer zum Nachteil des kleinen Ressorts ausschlagen würden. Dem Antrage des Abg. von Boehn treten meine gesamten Freunde mit Freuden bei. Ich empfehle die Herstellung eines Landungssteges bei Kinten im Kreise Memel; die Interessenten haben chon eine private Sammlung veranstaltet, aber ohne die Hilfe des Staates kann das Projekt nicht ausgeführt werden. Abg. Dr. Gaigalat (kons.): Ich empfehle auch die Her⸗ stellung eines Landungssteges bei Kinten; die Interessenten haben sich bereit erklärt, 40 000 für die Ausführung beizusteuern, und des⸗ halb sollte die Regierung ihren Wünschen entgegenkommen. Für die Befestigung der Wanderdünen auf der Kurtlschen Nehrung ist in den letzten Jahren allerdings schon manches geschehen. Aber es genügt noch nicht, und die Nehrungsfischer sind nicht in der Lage, aus eigenen Mitteln etwas für die Befestigung zu tan, sie sind vielmehr einzig und allein auf die Hilfe der Regierung angewiesen. Ein Regierungskom missar erwidert, daß der Aus⸗ führung des Prosektes bei Kinten finanzielle Schwierigkeiten entgegen⸗ ständen und die Wasserbauverwaltung keine Verpflichtung habe, daß sie jedoch die Sache nach Möglichkeit zu fördern bereit sei. Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Heute sind uns zwei verschiedene Projekte für die Herstellung einer zweiten Rheinmündung empfohlen worden, der Abg. König empfiehlt, den Verkehr vom Rhein nach links zur Schelde, der Abg. Fürbringer, ihn nach rechts zur Ems hinüberzuleiten. Ich habe aus allen Reden entnommen, daß wir nicht beides tun können, sondern nur eins. Ueber die Ressort⸗ verhältnisse sind die Meinungen verschieden, es besteht ein Zwiespalt in der nationalliberalen Partei, wir aber wollen hoffen, daß es beim alten bleibt, und daß ein Geist die Eisenbahnen und die Wasser⸗ bauverwaltung beherrscht. Das Tempo in der Durchführung des Schutzes der Jasel Amrum muß entschieden beschleunigt werden. Bis jetzt ist nach dem Motto verfahren worden: Hannemann, geh du voran; der Staat sagt: Provinz, tue du etwas, und die Propinz sagt: Kreis, tue du etwas, und nun tut keiner ctwas. Nachdem nun aber der Kreis vorangegangen ist, werden hoffentlich auch die anderen nachfolgen. Die Erklärung der Regierung über den Antrag Boehn war recht engherzig und deckte eigentlich gar nicht das, was wir wünschten. Wir wollen einen wirklichen Schutz für die Küste und stimmen daher dem Antrage Boehn zu. Der Antrag des Abg. von Boehn wird der Budget⸗ kommission überwiesen. Darauf vertagt sich das Haus. Abg. von Arnim (kons.) bittet als kommission den Präsidenten, den nächsten Mittwoch für die Kom⸗ missionsarbeiten ganz freizugeben. Die Kommission sitze zwar drei⸗

Vorsitzender der Budget⸗

t diese Projekte in Aussicht zu stelle

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daß dieser Kanal der heutigen Rhein⸗

mal in der Woche Abends vier Stunden lang bis 11 ½ Uhr, werde

11“

*

sischen Staatsanzeiger

aber den Etat unmöglich vor Ostern erledigen können, sondern mindestens noch eine Woche nach Ostern brauchen, wenn nicht noch ganze Tage freigegeben werden.

Vizepräsident Dr. Kra use erwidert, daß in dieser Woche kein freier Tag vorgeschlagen werde, daß nur noch zwei freie Tage für die Kommission zur Beratung des Ersenbahnetats und des Kultusetats geplant seien. Er wolle dem Präsidenten nicht vorgreifen, das Haus könne ja am Dienstag über den Mittwoch beschließen.

Abg. von Pappenheim (kons.) spricht gegen den Wunsch des Abg. von Arnim, da das Plenum noch sehr viel zu erledigen habe. Die sehr fleißigen Mitglieder der Kommission würden sicher⸗ lich ihre Arbeiten erledigen.

Abg. Dr. Friedberg (nl.) stimmt dem Wunsche nach Frei⸗ lassung des Mittwochs zu, denn nach der Erfahrung werde im Plenum sehr viel langsamer gearbeitet, wenn die Beratung nicht in der Kom⸗ mission genügend vorbereitet sei.

Die Abgg. Dr. Dittrich (Zentr.), Brütt (freikons.), Lipp⸗ n 8 un (fortschr. Volksp.) und H offmann (Soz.) stimmen eben⸗

Vizepräsident Dr. Kra use bemerkt, daß ja bis morgen sich die Fncichten so geklärt haben würden, daß das Haus darüber beschließen önne. .

Schluß 4 ¾ Uhr. der Bauverwaltung.)

₰.

Nächste Sitzung Dienstag,

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Koloniales. 8

8 8* 2 Ueber eine Expedition gegen die Kanguheiden im Schutzgebiet Kamerun berichtet der Resident von Adamaua, „Deutschen Kolonialblatt“: Die Landschaft Kan von Garua hinter dem 1 engelinplateau. In einer Ausdehnung von etwa 15 km Länge und 5 km Breite findet sich hier eine regellos Anhäufung von Felsbergen. Die

Felsblöcken gewaschen, welche sich in bizarren wüsten Chaos die Hänge der Berge bedecken. Gängen und Höhlen entstanden, schwer einen Begriff macht. Die Gehöfte nester an den Bergen, nur wenige liegen leichter erreichbar am Fuße durch Klippen geschützt. Wo aufgeschichtete Steine den Humusboden festzuhalten, sind Farmen an⸗ gelegt, ebenso ist das Zwischen⸗ und vorgelände vollständig ausgenutzt. Die Folge dieser intensiven Bearbeitung ist, daß der Boden seit Jahren bis zur Unfruchtbarkeit ausgesogen ist. Schon dieser Umstand müßte die Leute veranlassen, ihre Dörfer in die Ebenen zu verlegen. Die Kangu sind Falliheiden, ihre Verfassung ist fast anarchisch. Die Gehöfte um einen Felsberg bilden eine Dorfschaft. Jede hat ihren Häuptling, der aber keine Macht ausübt, sondern lediglich den Vormann bei ihrem Fetisch spielt. Mit den umwohnenden Fulbe besteht nur eine Marktfreundschaft, indem die Fulbe für Salz und Perlen billig Korn, Erdnüsse, Ziegen oder Schafe erhandeln. Zu diesem Zweck haben sich die Fulbe in die verschiedenen Dörfer getellt und leiten davon eine Oberhoheit ab. Tatsächlich zahlen die Heiden aber weder Tribut, noch denken sie daran, Fronarbeiten zu leisten. Seit Modibo Adama haben sämtliche Emire von Yola ver⸗ sucht, diese kriegerischen Felsenbewohner zu unterwerfen; sie wurden aber stets zurückgeschlagen. Dem Begründer des Adamauareiches raubten sie hier seine heiligen Bücher, dem Emir Laual rissen sie die Prunkdecken von den Pferden, Emir Sanda mußte abziehen, da seine furchtsamen Vasallen ihn im Stich ließen, und endlich gelang es auch Subeiru nicht, mit den von Mizon geschenkten Geschützen irgendeinen Erfolg zu erringen. egen ihrer vielfachen Räubereien wurden im Jahre 1905 einzelne Kangudörfer von Oberleutnant von Raben empfindlich be⸗ straft. Die Räubereien ließen zwar nach, doch war von einer Unter⸗ werfung keine Rede. Erschien der Resident vor den Kangudörfern, so fanden sich wohl einzelne Häuptlinge und alte Männer zur Be⸗ grüßung ein und lieferten knappe Verpflegung, die Masse aber hockte mit Pfeil und Bogen auf den Klippen und lachte sich ins Fäuftchen, wenn der Weiße wieder verschwunden war. Jedesmal wurden die Heiden aufgefordert, in die Ebene zu ziehen, und unseres Schutzes versichert. Tatsächlich haben sich aber nur 7 Leute nördlich des Lagers Be bei Bahoi angesiedelt. Was will dies bei etwa tausend Gehöften in den Kangufelsen besagen? Schlechtes Beispiel verdirbt gute Sitten. So fanden denn auch fortgelaufene Sklaven und anderes Gesindel dort sicheren Unterschlupf. Häufig wurde von Eingeborenen bei Palavern der Einwurf gemacht: warum geschieht den Kanguheiden nichts? Die weitere Folge war, daß die umwohnenden Stämme ein⸗ fach nicht mehr wie früher zu den jährlichen Wegearbeiten erschienen. Diese Vorgänge veranlaßten den Residenten, beim Kaiserlichen Gou⸗ vernement die Erlaubnis zu einer Unternehmung gegen diese undot⸗ maät a. Stämme einzuholen. 17. Juni trat ich mit 6 Europäern, 45 Soldaten, 6 cm.Geschütz und 50 Rei⸗Bubaleuten als Hilfskriegern den Mar von Garug aus an. Das erste plateau gelegene Ram⸗Berg,

Ziel war der nördlich vom Tengeltn⸗ dessen mit Kangu verwandte Bewohner einige Fulbesklaven geraubt hatten und meiner Aufforderung, nach Garua zu kommen, nicht Folge leisteten. Oberleutnant von der Planitz ging mit dem Geschütz von Gurore Banei vor, während ich durch den Bulg u⸗Paß mich gegen den westlichen Teil des Berges wandte. Durch Bulguleute hatte ich vergeblich zu unterhandeln ver⸗ sucht. Es gelang mir sogar, obne Schuß in das Dorf zu kommen; noch einmal ließ ich den Heiden durch einen Landsmann zurufen, sich zu stellen, aber Pfeilschüsse waren die Antwort. Nun wurde das auf dem oberen Veraghange gelegene Dorf von dem Geschütz unter Feuer genommen. Dann gingen die Abteilungen vor und be- gannen die einzelnen Verstecke zu säubern. Ein besonders hart⸗ näckiger Kampf spielte sich um die Wasserstelle ab. Diese lag in einer von hohen Steilwänden eingeschlessenen Schlucht, deren Sohle mit einem undurchdringlichen Dickicht bewachsen war. Wohl an 50 Männer veiteidiaten die Wasserstelle. Durch einen befreundeten Häuptling ließ ich sie zur Uebergabe auf⸗ fordern; nicht wiederzugebende Worte waren die Antwort. So befahl ich denn, vorzugehen. Der bewaffnete Führer wurde erschossen, 1 Soldat und 1 Hilfskrieger verwundet, 3 Soldaten erhielten Streif⸗ schüsse. Die Heiden wehrten sich verzweifelt: selbst ihre eigenen Weiber wurden mit Pfetlschüssen verwundet. Als die erste aus dem Versteck gezogen wurde, stach sie mit dem Messer wie rasend um sich und verwundete einen Hilfskrieger. Erst gegen Mittag war die Schlucht in unseren Händen. Am späten Nachmittag kehrten die letzten Pa⸗ trouillen zurück. 170 Gefangene wurden eingehracht. Die Nacht ver⸗ lief ruhig. Alle auf dem Berge gelegenen Gehöfte ließ ich abbrennen, damit sie nicht wieder bezogen würden. Der Lagan G ebake erhielt Auftrag, Verhandlungen anzuknüpfen; die Expedltion marschierte nach Delem weiter. Beim Abmarsch wurde die Nachhut noch einmal angegriffen.

Oberleutnant Dühring, im

höchste Erhebung bildet der etwa 100 m hohe Pene⸗Berg. Durch Erosion ist der Boden aus den riesigen Formen türmen und im Hier ist ein Labyrinth von von deren Verzweigtheit man sich kleben wie Schwalben⸗

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u liegt etwa acht Marschstunden nordöstlich

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nur ein Fleckchen Raum bietet, durch 1