2.
öchte ich mit einigen kurzen Worten auf die Bedeutung des Be⸗ schlusses hinweisen. In der Presse ist gesagt, daß das Abgeordneten⸗ aus, bezw. die Budgetkommission in müesem Jahre nicht wie im vorigen Jahre der Regierung gegenüber die nötige Energie gezeigt hat. Das Abkommen, das die politischen Parteien in der Budget⸗ kommission getroffen haben, ist als ein schwächliches bezeichnet worden. Als im Vorjahre die Regierung bei der Frage des Opernhausneubaues vier Entwürfe vorlegte und auf Grund dieser Entwürfe 80 000 ℳ forderte, um einen speziellen Entwurf auszuarbeiten und Vorarbeiten zu machen, hat das Abgeordnetenhaus eine Resolution beschlossen, in der die Regierung aufgefordert wurde, weitere Kreise der Künstler⸗ schaft heranzuziehen. Ich kann der Regierung nicht die Anerkennung versagen, daß sie diesem Beschlusse des Abgeordnetenhauses in loyalster Weise Rechnung getragen hat. Diejenigen Künstler, welche von der Akademie und vom Bund Deutscher Architekten vor⸗ geschlagen wurden, wie auch diejenigen, die sich freiwillig zu dem Wettbewerb gemeldet hatten, sind bereitwillig zugelassen worden, und es ist ihnen Gelegenheit gegeben worden, sich an diesem großen Werke zu beteiligen und zu zeigen, daß sie imstande sind, etwas Hervorragendes auf diesem Gebiete zu leisten. Der Erfolg dieses Ausschreibens ist kein ungünstiger gewesen. Die deutsche Künstlerschaft hat etwas geleistet, auf dessen Grundlage bei weiteren Vorarbeiten ür den Opernhausneubau, insbesondere bei der Aurstellung des speziellen Projektes, weiter gearbeitet werden kann. Allerdings hat sich kein Künstler gefunden, dessen Werk ohne weiteres angenommen werden konnte. Nachdem Künstler und bedeutende Männer sich bereit gefunden hatten, dem ersten Wettbewerb beizutreten, hätten wir eigentlich nicht geglaubt, daß bei einem nochmaligen Wettbewerb etwas wesentlich Besseres hätte erzielt werden können. Nun kam die Frage naturgemäß eran, wie ist die Platzgestaltung, welcher Platz soll gewählt vwerden? Ein Künstler, der von der Akademie des Bauwesens besonders hervorgehoben wurde, hat bereits die Gestaltung des Königs⸗ platzes mit in den Bereich seiner künstlerischen Ausführungen gezogen. Es ist nicht so, wie es in der Presse heißt, daß bei der Gestaltung des Platzes auf die Architektonik des Opernhauses keine Rücksicht ge⸗ nommen zu werden braucht, nein, bei der dominierenden Bedeutung des Reichstagsgebäudes und des Opernhauses muß die Architektonik des letzteren schon feststehen, um dem Königsplatz die Gestaltung zu geben, die seiner Bedeutung entspricht. Mit unserem heutigen Beschluß ist die Sache aber noch nicht erledigt, es kann während der Aus⸗ arbeitung des speziellen Entwurfs noch ein besserer Platz als der Königs⸗ platz sich finden. Der Schloßplatz kommt wohl kaum noch in Frage. Mir wäre es sehr sympathisch, das Opernhaus in die Nähe der histori schen Stelle zu setzen, wo es jetzt steht, aber es fragt sich, ob es möglich sein wird im Kastanienwäldchen unter Verlegung des Fianzministeriums. Ob hierüber im Laufe des Jahres Klarheit geschaffen ist, lasse ich dahin⸗ gestellt, ebenso den Wunsch, am Tiergarten in der Lennéstraße einen geeigneten Platz zu finden. Meine Freunde und wohl auch die üuͤbrigen Mitglieder können mit unserem heutigen Beschluß die Sache noch nicht definitiv als erledigt ansehen. Bei der Platzfrage sprechen auch die Verkehrsverhältnisse mit, und diese sind am Königsplatz noch nicht geeignet für das künftige Opernhaus. Es wird die Untergrund⸗ bahn dorthin gelegt werden müssen. Die Verkehrsfrage ist für die Frequenz des neuen Opernhauses von größter Bedeutung, wir müssen auch den Besuchern des dritten und vierten Ranges Gelegenheit geben, bei schlechtem Wetter bequem zum Opernhaus zu kommen. Die Hauptsache in unserem Antrag ist die Berücksichtigung der Ideen, die von der Akademie des Bauwesens als hervorragend anerkannt werden. Wir können hier selbst kein Urteil abgeben, wir folgen den Gut⸗ achten derjenigen Künstler, die besonders hervorgehoben sind. Damit wollen wir gern anerkennen, daß auch die übrigen Künstler Tüchtiges geleistet haben, das bei der Ausarbeitung des Entwurfs sehr gut zu verwenden ist. Wir empfehlen ferner, bei der Aufstellung des Entwurfs einen freien Künstler heranzujiehen. Wir wünschen, daß das neue Opernhaus auch den persönlichen Charakter eines Künstlers trägt, da es mit dem Namen eines Künstlers verbunden ist, der immer als sein Erbauer gelten kann. In dieser Beziehung hat uns der Minister in der Kommission vollkommen zufrieden⸗ gestellt. Es soll ein Künstler herangezogen werden, der fortgesetzt mitwirken kann bei allen Anlagen des Hauses, auch bezüglich der Eimrichtungen für die feuerpolizeilichen und Sicherheitszwecke und der Interessen, die die Intendanz verlangen muß, dessen Tätigkeit in freier Arbeit, aber in voller Zusammenarbeit mit den übrigen Instanzen, nebenher geht. So wird ein Bau entstehen, der einen persönlichen Charakter trägt. Nach den Erklärungen des Ministers können wir das feste Vertrauen hegen, daß unseren Wünschen nachgekommen wird. Das Werk, das geschaffen wird, muß aus einem Guß geschaffen sein. Ich hoffe, daß die vielen schwierigen technischen Fragen, die darin liegen, daß die äußere Ge⸗ staltung aus dem inneren Aufbau des Werkes herausgearbeitet werden muß, in allen Teilen in befriedigender Weise gelöst werden können. Ferner möchte ich nicht nur der Künstlerschaft, sondern allen denen, die sich dafür interessieren, zur Beruhigung sagen, daß wenigstens für meine Fraktion die Bewilligung der 100 000 ℳ noch nicht die Kon⸗ sequenz in sich schließt, daß wir im nächsten Jahre unter allen Um⸗ ständen die erste Baurate bewilligen werden; wir werden dann viel⸗ mehr prüfen, ob aus diesem Zusammenarbeiten des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten mit dem freien Künstler wirklich ein Entwurf entstanden ist, der geeignet ist, und ob alle künstlerischen Ideen ver⸗ wertet sind. Schließlich wünschen wir, daß das alte Opernhaus, die historische Stätte, auch im Besitz des preußischen Staates bleiben möge. Ich habe in der Kommission entgegenkommende Erklärungen ehört, auch von dem Vertreter der Stadt Berlin dahin, daß Berlin nicht auf den Ankauf des alten Opernhauses dringt. Ich möchte nur wünschen, daß ein Bau entstehen möge, der dieser Aufgabe in jeder Hinsicht würdig ist, der dem deutschen Volke ein Werk ist, an dem es sich erheben kann zu den lichten Höhen der Kunst. Abg. Rosenow f(fortschr. Volksp.): Wir haben in allen Stadien das Werk gefördert, wir haben alle Forderungen für die Vorarbeiten bewilligt und sind auch jetzt gewillt, das Werk weiter zu fö dern. Wenn wir im vorigen Jahre den etwas aufschiebenden Wunsch hatten, daß noch ein weiterer Wettbewerb unter der Künstler⸗ schaft stattfinden möge, so bedauern wir jetzt diesen Beschluß nicht. Wir sind es der deutschen Künstlerschaft schuldig, sie zu hören bei diesem Werk, das wie kein anderes Staatsgebäude ein großartiges Bauwerk für alle Zeiten werden soll. Wir sind der Regierung dank⸗ bar, daß sie für dieses Werk das Beste aussuchen will, das geschaffen werden kann. Die Regi⸗rung hat in Uebereinstimmung mit der Akademie des Bauwesens und des Bundes der Afchitekten zehn Künstler zur Einreichung von Entwürfen aufgefordert, es haben sich aber noch weitere 58 Künstler selbst beteiligt; das ist anerkennenswert. Es ist nicht geschehen in der Hoffnung, aus dem Wettbewerb siegreich hervorzugehen, sondern in dem Bestreben, mitzuwirken und das ihrige beizutragen. Sie werden keinerlei Gewinn davon haben. Die Akademie des Bauwesens hat in allen Entwürfen beachtenswerte Anregungen und Ideen gefunden. Das muß zur Anerkennung der schen Künstlerschaft gesagt werden. Wir wünschen auch, daß Ideen aus dem letzten und aus dem früheren Wett⸗ bewerb berücksichtigt werden. Wir haben nun den Wunsch, es möchte unter der Benutzung aller dieser Ideen an die Aus⸗ itung des Entwurfs herangegangen werden, aber auch, daß den Wünschen der Architekten entgegengekommen wird, daß ein freier Künstler bei der Ausführung mit herangezogen wird. Das soll nicht ein beliebiger Mann, sondern ein hervorragender Architekt und Künstler sein. Wir haben eine solche Zusage von der Regierung bekommen, und wir hoffen, daß dieser Künstler sich bei Frittionen mit der H verwaltung auch durchsetzen und sch nicht beiseite stellen lassen wird. Die wichtige Frage der inneren Ausgestaltung des Baues muß gemeinsam mit den Fragen der äußeren Gestaltung behandelt werden, es kann nicht der eine Kümstler das Innere, der andere das Aeußere beeinflussen. Die Platzfrage wäre am besten gelöst, wenn das Opernbaus im Zentrum der Stadt liegen könnte, aber wir müssen an diese Frage mit prak⸗ tischem Blick Wenn für den Platz allein 40 Millionen gegeben so müßte Abgeordnetenhaus sich fragen,
16“
iras.
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ob es leichten Herzens eine solche Summe bewilligen dürfte, zu der Anderseits ist zu bedenken, daß es ür die Krone und auch für die Fremden ein Vorzug sei, wenn das Haus in der Nähe des Schlosses errichtet werden koönnte. Das Bestreben, das Haus am Schloßplatz zu errichten, ist ver⸗ ständlich, aber die Regierung hat uns nachgewiesen, daß es gar nicht möglich ist, einen anderen Platz zu finden als den Königsplatz. Wir dürfen die Sache durch die Platzfrage nicht aufhalten, aber wenn sich inzwischen noch ein geeigneter Platz finden ließe, so würden wir natürlich damit einverstanden sein. Jedenfalls wollen wir dafür sorgen, daß mit dem Neubau so bald wie möglich vorgegangen werden kann. Deshalb muß jetzt mit der Ausarbeitung des ausführlichen Entwurfs vorgegangen werden. Was die Verkehrsfrage betrifft, so kann ich sagen, daß die Stadt für die Zugänglichkeit des Opernhauses ihr möglichstes tun wird. So wird wahrscheinlich in der Nähe des neuen Opernhauses ein Unter⸗ grundbahnhof gelegt werden. Trotzdem die Regierung der Stadt Berlin in vielen Fragen sehr wenig Entgegenkommen gezeigt hat, wird die Stadt die Regierung in der Frage des Opernhauses nach Kräften unterstützen. Die Interessen der deutschen Künstlerschaft sind nach jeder Richtung gewahrt worden. Ich hoffe, daß ein Kunsttempel eschaffen wird, der für alle Zeiten ein Wahrzeichen deutscher Kunst leiben wird.
Abg. Giemsa (Zentr.): Eine so große Aufgabe wie der Bau eines Opernhauses darf nicht überhastet werden. Dazu gehört Zeit. In ästhetischen Fragen kann das Abgeordnetenhaus nicht zuständig sein, deshalb müssen wir die künstlerische Beurteilung den Sachver⸗ ständigen überlassen. Unter diesen Umständen haben wir uns auf den Kompromißantrag geeinigt, der Ihnen heuate vorliegt. Wir haben zu der Regierung das Vertrauen, daß sie sich der Schwierigkeit ihrer Aufgabe, an deren Lösung das ganze deutsche Volk ein Interesse hat, voll bewußt ist, und daß die Regierung weiß, daß die ganze Ver⸗ antwortung in ihrer Hand liegt. Deshalb stimmen wir dem Kom⸗ missionsantrage zu, ein Teil meiner Freunde allerdings nur unter ge⸗ wissen Voraussetzungen.
Abg. von Bülow⸗Homburg (nl.): Es ist uns schwer geworden, dem Kommissionsantrage zuzustimmen. Hinsichtlich des Entwurfs sind wir in unserer Hoffnung enttäuscht worden. Von den ein⸗ gegangenen Entwürfen kann man keinen als ideal bezeichnen. Es sind ja eine Reihe guter künstlerischer Leistungen geschaffen worden, aber nur soweit sie sich auf die äußere Ausgestaltung des Piatzes beziehen, während die Entwürfe in bezug auf die außere Architektur und auf die innere Ausgestaltung nicht als hervor⸗ ragend bezeichnet werden können. Das Vorgehen der Regierung war nicht ganz zweckmäßig. Es wäre nötig gewesen, von Anfang an einen allgemeinen Wettbewerb für die ganze deutsche Künstlerschaft aus⸗ zuschreiben. Gewiß ist das Abgeordnetenhaus nicht in der Lage, die Entwürfe vom künstlerischen Standpunkt aus zu beurteilen. Das müssen wir der Regierung überlassen. Hinsichtlich der Platzfrage glaube ich, daß wir wohl beim Königsplatz stehen bleiben müssen, obwohl er in mancher Beziehung nicht ideal und besonders auch zu klein ist. Wenn wir aber den Königsplatz beibehalten, dann müssen wir das größte Gewicht auf die künstlerische Ausgestaltung desselben legen, was auch von der Budgetkommission in energischer Weise ge⸗ fordert worden ist. Ich hoffe, daß uns die Regierung in den nächsten Tagen ein wirklich hervorragendes Projekt vorlegen wird. 1
Abg. Vorster (freikons.) bittet den Antrag der Budgetkommission möglichst einstimmig anzunehmen.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Nicht nur die Künstlerschaft, sondern auch das preußische Volk hat dem Wettbewerb ein allgemeines Interesse entgegengebracht. Die eingereichten Ideenskizzen haben Fortschritte gezeigt, sowohl nach der technischen, wie auch nach der künstlerischen Seite hin. Die hier gestellte Aufgabe ist ja ungeheuer kompliziert. Auf der einen Seite sind praktische Aufgaben zu lösen, das Haus muß bequem und sicher sein, auf der anderen Seite soll es auch den künstlerischen Anforderungen in bezug auf innere Gliederung und äußere Form genügen. Gerade die Frage der känstlerischen Gestaltung ist besonders schwierig. Durch die gegenwärtige Bühnentechnik werden Probleme gestellt, die geradezu unlösbar erscheinen. Sie spielt heute eine sehr
5 noch die Baukosten kommen.
wichtige Rolle, da das Bühnenhaus einen fabrikmäßigen Charakter annehmen muß. Ebenso wie die innere und äußere Gestaltung des Baues eine Einheit bilden soll, steht auch damit die Platzfrage in organischem Zusammenhange. Der Königsplatz ist für den Opernhaus⸗ neubau am geeignetsten. Eine Stadt wie Berlin hat allerdings große künstlerische Aufgaben zu erfüllen, aber in allererster Linie für die große Masse der Berliner Bevölkerung. Das Opernhaus wird leider nicht eine Veranstaltung für die große Masse der Bevölkerung sein. Berlin hat gar nicht das Recht, seine Mittel für eine derartige Sache aufzuwenden. Damit ist aber nicht gesagt, daß wir kein Interesse daran haben, die Angelegenheit zu fördern. Die politischen Parteien, besonders die Rechte, behandeln diese Frage zu engherzig. Man trägt kleinliche politische Gesichtepunkte in diese Frage hinein. Es müßte ein neuer Wettbewerb ausgeschrieben werden.
Abg. Cassel (fortschr. Volksp.): Die Stadt Berlin ist bereit, Opfer zu bringen, aber sie müssen doch in Beziehung stehen zu unserem Gemeinwohl. Die Berliner Bevölkerung stellt keinen zu großen Teil der Besucher des Opernhauses dar, denn dazu sind die zu teuer; es kommen vielmehr die Besucher aus Charlotten⸗ burg, Wilmersdorf, Schöneberg usw. in Betracht, wo die wohlhabende Bevölkerung wohnt. Dann müßte auch von einer Beteiligung dieser Städte die Rede sein. Es kommt für die Bevölkerung Berlins auch in Betracht, daß die übrigen Beziehungen der Regierung zur Stadt nicht mehr so sind, wie Berlin es wünschen müßte. Trotzdem wird Berlin alles tun, was es tun kann. Eine Voraussetzung würde sein, daß die Plätze billiger gemacht würden, aber an dieser Vor⸗ aussetzung fehlt es noch. In diesem Falle könnte man daran denken, Groß Berlin heranzuziehen. Berlin ist immer opferfreudig für allgemeine Zwecke gewesen, aber es kann nicht Opfer bringen für Interessen, die mit seinen Interessen nicht identisch sind. Bei der Zurücksetzung durch die Regierung werden wir in Berlin erwägen müssen, ob wir nicht den Weg gehen sollen, daß wir unsere eigenen Interessen mehr in den Vordergrund stellen. Im Zentrum sitzen viele entschiedene Gegner der Stadt Berlin. Die Herren vom Zentrum haben z. B. in der Kommission den Lanwirtschaftsminister gedrängt, dem Zweckverbande möglichst scharfe Bedingungen in der Waldfrage zu stellen. Opfer werden wir nur bringen, soweit wir es vor unserer Bevölkerung verantworten können. In diesem Sinne werden wir uns in Zukunft verhalten.
Damit schließt die Debatte.
Die Forderung wird bewilligt. Die Resolution der Kom⸗ mission wird von allen Parteien mit Ausnahme der Sozial⸗ demokraten angenommen. Die Petitionen werden für erledigt erklärt.
Bei der Forderung für die Zentralheizung und elektrische Beleuchtungsanlage im Dikasterialgebäude zu Koblenz wünscht
Abg. Dr. Arning (nl.), daß bei Vergebung dieser Arbeiten auch die Fabriken in Hannover berücksichtigt werden; es sei nicht richtig, daß solche Arbeilten außerhalb Preußens vergeben würden.
Abg. Eickhoff (fortschr. Volksp.) findet es begreiflich, wenn die Verwaltung solche Arbeiten dort machen lasse, wo sie am billigsten gemacht würden; allerdings wolle er damit nicht sagen, daß nicht auch die preußischen Fabriken leistungsfähig seien.
Abg. Dr. Arning (nl.) bemerkt, daß gerade die hannoverschen Fabriken leistungsfähig seien.
Der Rest des Etats ohne Debatte bewilligt. “
Die im Extraordinarium des Etats des Ministe⸗ riums der geistlichen und Unterrichts angelegenheiten geforderte sechste Rate von 2 Millionen Mark für die Erweiterungs⸗ und Neubauten für
der Bauverwaltung wird
die Museen in Berlin, worüber ein ausführlicher
schriftlicher Bericht der Budgetkommission vorliegt, der din durch den angeschnittenen Kolk verursachten großen Schwierig⸗ keiten des Baues darstellt, wird ohne Debatte bewilligt.
Es folgt der Etat der Zölle und indirekten Steuern.
Abg. Bartscher (GZentr.): Die Wertzuwachssteuer und der Umsatzstempel sind von der größten Bedeutung für unser wirt chaft⸗ liches Leben. Die Bodenreformer haben sich von der Zuwachssteuer große Vorzüge und eine Einschränkung der Bodenspekulation ver⸗ sprochen, aber die Spekulation hat es trefflich verstanden, die Steucz von sich abzuwälzen, und die Grundstücke sind durch die Steuer nuj noch teurer geworden. (Zwischenruf des Abg. Hoffmann.) 1 Abg. Hoffmann bestätigt das, jede Steuer wirkt eben verteuernd. Die Festsetzung der Steuer ist eben sehr schwierig, und am übelsten sind die Notare daran, denn es ist absolut unmöglich, die Höhe der Steuer vorher zu bemessen, das Publikum will aber vorher genau wissen, was ein Grundstückskauf kostet und versteht es einfach nicht wenn ein Notar, der doch das Gesetz kennen soll, es nicht sagen kann. Auch die Gerichte kommen bei der Entscheidung dieser Frage in Verlegenheit. Fast in allen Fällen der Veranlagung ist eine Klage mit all ihren Unannehmlichkeiten nötig. Die Einnahmen aus der Zuwachssteuer stehen in keinem Verhältnis zu den Kosten der Veranlagung. Der Grundbesitz wird jetzt von der doppelten Steuer betr ffen, von der Zuwachssteuer und der Umsatzsteuer, obwohl die letztere nur als Notbehelf gedacht war, bis die Zuwachssteuer durch⸗ geführt werden könnte. Es wäre das Richtigste, die Bevölkerung von der wie ein schwerer Alp auf dem ganzen Wirtschaftsleben liegenden Zuwach steuer zu befreien. Der Grundbesitz unterlieg manchmal einer drei⸗ bis vierfachen Versteueung. Allein die Stempelgebühren und die mit dem Verkauf verbundenen Gesiichts⸗ und Notariatsgebühren sind ganz außerordentlich. Dazu kommen noch die Grundbuchgebühren. Der Grundbesitz ist nicht zuletzt infolge der hohen Stempelgebühren an der Grenze seiner Leistungsfähigkeit angekommen. Die Stempelgesetzgebung ist übrigens so verwickelt geworden, daß nur wenige Spezialisten sie vollständig beherrschen. Die Stempelsteuer müßte soztal gestaltet werden. Ich hoffe, daß meine Ausführungen über diese wichtige Frage praktische Erfolge zeitigen werden.
Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp.): Der Vorredner hat seine Vorschläge an einer falschen Stelle gemacht, er hätte seine Als⸗ führungen beim Etat der Finanzverwaltung machen müssen. Diese wichtige Frage gibt mir aber Veranlassung, auf einen anderen Ge⸗ sichtspunkt aufmerksam zu machen; nach unserer Meinung muß die Stempelsteuer den Bundesstaaten und die Besitzsteuer dem Reiche überlassen werden. Zu den Besitzsteuern gehören aber vor allem die Reichsvermögens⸗ und die Erbschaftssteuer. Ich hoffe, daß die ge⸗ wünschte Zuteilung der Stempelsteuer an das Reich keine Ju⸗ stimmung findet. Der Reichskanzler hat gestern gesagt, daß wir für die Rüstung große Opfer bringen müßten. Aber wenn wir so schwere Opfer bringen, dann verlangen wir wenigstens, daß die Lasten gerecht verteilt werden, und daß auch der Besitz ver⸗ steuert wird.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.): Zur Deckung der durch die neue Militärvorlage entstehenden Kosten werden erhebliche Mittel im Reiche flüssig zu machen sein. Ob die erforder⸗ lichen Mittel durch Landes⸗ oder Reichssteuern aufgebracht werden, ist vom Standpunkt des Ausgleichs der Lasten völlig gleich. Die direkten Steuern sind dazu berufen, dafür zu sorgen, daß jeder so viel Steuern zahlt, als er nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit zahlen kann. Die direkten Steuern werden deshalb in der Hauptsache die Grundlage der Steuergesetzgebung bleiben müssen. Wenn wir aber mit den direkten Steuern nicht auskommen, dann müssen wir erwägen, inwieweit wir durch geeignete Besitzsteuern die erforderlichen Mittel aufbringen können. Jedenfalls wird Preußen es als Ehre betrachten, das Reich nicht im Stich zu lassen.
Abg. Herold (Zentr.): Es ist nicht zweckmäßig, diese Frage hier zu erörtern. Es werden uns ja besondere Steuervorlagen zu⸗ gehben, und dann werden wir Gelegenheit haben, zu dieser Frap Stellung zu nehmen. Ich will aber betonen, daß meine Freunke weder im Landtag noch im Reichstag dazu Stellung genommen haben, in welcher Weise eine Deckung der Wehrvorlage herbeigeführt werden soll. Die Anträge bezüglich der Ueberweisung der Stempelsteuer an das Reich seitens der Abgg. Erzberger und Bartscher haben diese Herren in ihrem eigenen Namen gestellt. Die Fraktion ist hierbei
Abg. Dr. Friedberg inl.): Die angeschnittene Frage kann an dieser Stelle nicht verhandelt werden. Unsere Freunde werden im Reichstag bei der Besprechung der Militärvorlage Gelegenheit nehmen, ihren Standpunkt zum Ausdruck zu bringen.
Abg. Dr. Pachnicke sfortschr. Volksp.): Die Herren tragen doch sonst keine Bedenken, auf dem Wege über Preußen das Reich zu beeinflussen, warum soll uns dies im vorliegenden Fall nicht gestattet sein? Unserer Meinung nach hat Preußen das Recht, über den Stand der Militärvorlage und über die Deckung der erforderlichen Mittel seine Ansicht auszusprechen Wir haben eine neue Steuer⸗ vorlage auszuarbesten. Ueber die Form gehen die Ansichten aus⸗ einander. Deshalb wollen wir uns hier aussprechen. Der Abg. von Zedlitz meint, es sei ganz gleichgültig, ob die Mittel durch Reichs⸗ oder Landessteuern aufgebracht werden. Das ist aber keineswegs gleichgültig, da die Zusammensetzung der Häuser verschieden ist. Der Reichsrag wird eine andere und bessere Lösung finden als der Land⸗ tag. Wenn wir im Abgeordnetenhause darauf bedacht wären, eine entsprechende Lösung der Steuerfrage zu finden, so würden wir in anderer Weise an die Erledigung der Einkommensteuergesetze heran⸗ treten, damit sie noch in dieser Tagung zur Verabschiedung gelangen⸗
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (feikons): Darin stimme ich dem Vorredner bei, daß es auß rordentlich be⸗ dauerlich wäre und das Haus sich setner Stellung und seines Rufl nicht würdig erweisen würde, wenn es nicht noch in dieser Tagung die Einkommensteuervorlage zur Verabschiedung brächte, aber im übrigen muß ich entschirden Verwahrung dagegen einlegen, daß im Reiche eine bessere Besitzneuer gemacht werden könnte als im Abgeordnerenhaue⸗ Bisher hat das Abgeordnetenhaus nach dieser Richtung sich dunt. aus bewährt, wir haben eine Progression eingeführt, wie sie biela in keinem anderen deutschen Staate eingeführt ist, und wir werde in der Lage sein, noch weiter die Besteuerung nach der Leistungt⸗ fähigkeit zu bemessen. Herr von Heydebrand hat in seiner großen Rede von 1909 im Reichstage, in welcher er die Ablehnung der Erb⸗ anfallsteuer durch die Konservativen begründete, angeführt, daß unter Umständen in einem Reichstage, der von Sozialdemokraten stark be⸗ einflußt wird — und die Freisinnigen sind ja Schulter an Schulter mit den Sozialdemokraten in den Wahlkampf gezogen —, die Ver⸗ mögenssteuer in eine Vermögenskonfiskation ausarten könnte. 8
Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp.): Es ist merkwürdig, daß dieses Mißtrauen gegen den Reichstag aus einer Partei heraus, kommt, deren Mitglieder sich „Reichspartei“ nennen und sich für g- Reich ganz besonders eingesetzt haben. Ich kann dieses Mißtrauen nicht teilen, sondern muß wiederholt die Hoffnung ausdrücken, daß eine Lösung gefunden wird, die den allgemeinen Interessen dient. 8 Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch greikoneg Meine Freunde nennen sich „Reichspartei“, weil für sie das Reic in erster Linie steht, aber sie sind der Ueberzeugung, daß das e ohne ein starkes Preußen nicht existieren kann, und daß Preußen
seiner Eigenart erhalten werden muß. Die Einnahmen aus den Zöllen und werden bewilligt.
D Der
indirekten Steuern
“
8
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Bei den dauernden Ausgaben für die seamten bemerkt 1 soldung der . Abg. Witzmann 2l. März 1893 wurde für die Anwärter der
In einem zweiten
Erlaß vom Jahre 1910 wurde
könne. Wenn man auch die Schulweisheit nicht al scben Prangt neg 8 “ lweisheit nicht allzu Schulbildung in jedem Berufe treffenden nücht nur die Reife für eine moralische Reife gibt. wärzer, die sich der Abiturientenprüfung bewertet werden. Eine unzureichende
von Vorteil ist, daß sie dem Be
unterzogen haben,
außerordentlich komplizierten Gesetze, die
ieht ba ** bö berrscheg Die Anwärter
ommen viel früher zu Gehalt, als diejenigen mi Abi
Diese werden dadurch unzweifelhaft errene vrschädenn IM
den Mintster, daß er diesen Wünschen der Zollanwärter Rechnung trägt Abg. Wollkowski (Zentr.): Ich kann mich
ganzen den Ausführungen des Vorredners ßen
uns die Reichsreform ge
gwesen. In den 1890er Jahren bewertete
bitte den Minister, daß er diesen Wünschen der; ; b er Zollbeamten Möglichkeit gerecht wird, umsomehr, als eine Nei⸗ großer
tritt in die Zollverwaltung machen. mittleren Zollbeamten haben
bevor sie bis zur höchsten Stelle aufgerückt waren. 8
Finanzminister Dr. Len tz e . “
Meine Herren! Die Wünsche, welche die beiden Herren redner vorgetragen haben, gipfeln darin, mittleren Zollbeamten in Zukunft das Abiturientenexamen zur Vor⸗ bedingung gemacht werde. Diese Wünsche und Forderungen sind in den letzten Jahren bei der Beratung des Etats der Zölle und indirekten Steuern jedesmal zur Geltung gebracht worden, und ich habe auch jedesmal zu meinem lebhaften Bedauern diesen Wünschen gegenüber eine ab⸗ lehnende Stellung einnehmen müssen. Auch in diesem Jahre bin ich außerstande, den Wünschen der Herren entgegenzukommen, und dies tut mir um so mehr leid, als die in Betracht kommenden Beamten auch der Zentralstelle sehr am Herzen liegen und wir sie alle als — ganz vortreffliche und tüchtige Beamtenklasse ansehen. Meine Herren, es können aber für derartige Fragen doch nur sachliche Gründe maßgebend sein. Wenn das sachliche Bedürfnis es wünschenswert erscheinen läßt, daß eine Aenderung der Vor⸗ bedingungen eingeführt wird, dann muß die Zentralbehörde eine der⸗ artige Aenderung vornehmen. Wenn sich aber ein derartiges sach⸗ liches Bedürfnis nicht herausstellt, dann ist die Zentralbehörde zu ihrem Bedauern außerstande, eine Aenderung eintreten zu lassen, und das ist der Fall hier bei den mittleren Zollbeamten.
Meine Herren, jede Verschärfung der Vorbedingungen für einen Beruf bedeutet eine Einengung des Kreises derjenigen, welche in⸗ diesen Beruf eintreten wollen und eintreten können. Wenn das Abiturienteneramen die Vorbedingung für den Eintritt ist, dann ist der Kreis naturgemäß kleiner, als wenn das Abiturientenexamen nicht gefordert und nur das Zeugnis für die Oberprima verlangt wird. Infolgedessen würde iie Karriere entschieden verteuert werden, wenn das Abiturientenexamen Vorbedingung für die Annahme sein würde. Die Königliche Staats⸗ tegierung kann und darf sich daher nur aus zwingenden Gründen dazu entschließen, eine Aenderung eintreten zu lassen, weil damit nanchem jungen Mann der Eintritt in die Laufbahn verschlossen würde, dem sie fonst freistände.
Nun ist seitens der beiden Herren Vorredner darauf hingewiesen vorden, daß die Staatsregierung offenbar die Befürchtung hege, daß emne genügende Zahl von Bewerbern sich nicht mehr finden würde, vag das Abiturientenexamen vorgeschrieben wäre. Meine Herren, 18 dieser Annahme ist die Zollverwaltung niemals ausgegangen. Vir haben von jeher einen so großen Andrang zur Zollkarriere, daß in keiner Weise die Befürchtung entstanden ist, daß es an genügendem Nachwuchs fehlen würde.
Es wird dann ferner immer wieder auf einen Erlaß aus dem 8r 1893 hingewiesen, in welchem der damalige Finanzminister er⸗ üit hat, daß es besonders erwünscht sei, wenn die Anwärter für den ttleren Zolldienst das Abiturientenexamen abgelegt hätten. In gem Erlaß ist aber nicht vorgeschrieben worden, daß das Abiturienten⸗ snis unter allen Umständen verlangt werden müßte; es ist damals nur üdt worden, es wäre besonders erwünscht, wenn Anwärter ein⸗ 94 werden könnten, die das Abiturientenzeugnis haben, daß aber - felbstverständlich andere angenommen werden könnten. Nachdem de Bestimmung eine Reihe von Jahren gegolten hat, hat sich die vlberwaltung davon überzeugt, daß die Bevorzugung der Abiturienten 9. Härten in sich birgt und auch nicht notwendig ist; denn die ents hat gelehrt, daß die Zollbeamten genau dasselbe leisten, ob 1. Abiturientenzeugnis oder nur das Zeugnis für Oberprima 58 muß dem Herrn Abg. Wollkowskt doch widersprechen, wenn rier auptet, daß es für eine Verwaltung unmöglich sei, Beamte in Unch d Jahren in bezug auf ihre Leistungen genau zu beurteilen. 8- ei einem Beamten in reiferen Jahren kann man sehr wohl h 8 ob er seinen Berufsaufgaben voll gewachsen ist oder nicht, drc b hat sich überall herausgestellt, daß die mittleren Zollbeamten 8 eg ihren Beruf gut ausfüllen, einerlei, ob sie das Abiturienten⸗ nen abgelegt haben oder nicht. nfelaed ein sachliches Bedürfnis zur Verschärfung der Bedingungen eesse fehlt, hat sich die Staatsregierung ablehnend verhalten. vera 86 scheint mir meine Bemerkung aus dem Vorjahre miß⸗ den worden zu sein die Frage hätte einen materiellen Hintergrund
einzelne Schulfächer, sondern auch Daher wünschen wir, daß die Zollan⸗ besser e u Vorbildung der Zollanwärter kann nur der Landwirtschaft und Industrie zum Nachteil gereichen, da es ohne die nötige Schulbildung außerordentlich schwierig ist, die
mit Oberprimavorbildung Ich bitte
sühl in. e Sugs 1 unger 8 ners anschließen. Die Stellun der Zollverwaltung in dieser Frage ist keinesweos eine gewesen 1890 sie die abgeschlossene Schulbildung der Anwärter ganz anders, als es jetzt gefbhesch shen nach ücen die 48 8 — Bundes⸗ stoaten die abgeschlossene Schulbtldung zur Bedingung für den Ein⸗ Püfeügeü bertahmisse der 1 sich mit der Zeit verschlechtert, manche haben wegen zu hohen Lebensalters aus dem Dienst scheiden müssen,
Vor⸗ daß für die Vorbildung der
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Deutschen Reichsanzeiger und
oll⸗
(nl.): In einem Ministerialerlase vom „ 3 Zoll⸗ und Steuerver⸗ waltung eine abgeschlossene Schulbildung für wünschenswert gehalten. neinem rlaß esagt, daß die An⸗ wärter mit dem Abiturientenzeugnis keineswegs Fesres 1 A. die übrigen, und daß ihnen daher keine Bevorzugung mehr zuteil werden hoch einzu⸗ doch zugeben, daß eine abgeschlossene
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Zweite Beilage
Königlich Preußisch
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Wenigstens haben sich die beiden Herren Vorredner des längeren mit dieser meiner Aeußerung befaßt. Zu meinem lebhaften Bedauern bin ich aber außerstande, diese Bemerkung zu modiftzieren, ich möchte sie nur näher klarlegen. In demselben Augenblick, wo die Zentralbehörde vorschreibt, daß für die Annahme der Anwärter für den mittleren Zolldienst das Abi⸗ turientenzeugnis erforderlich ist, verteuern wir die Karriere, und wenn wir sie verteuert haben, dann haben die Zollbeamten einen begründeten Anspruch darauf, daß ihre Bezüge entsprechend verändert werden. (Sehr richtig ¹) Infolgedessen ist der materielle Hintergrund durchaus vor⸗ handen. Ich will den Zollbeamten in der Hinsicht gar keine egoistischen Wünsche oder Gründe unterschieben, sondern es handelt sich nur um eine notwendige Konsequenz der Forderung des Abiturientenzeugnisses. . Es geht durch die mittleren Beamtenklassen — und das kann ich ihnen von ihrem Standpunkt aus nicht verdenken durch⸗ weg das Bestreben, das Ansehen ihres Standes zu heben. Sie befürworten alle Maßnahmen, welche geeignet sind, das äußere Ansehen ihres Standes zu heben. Dazu gehört nach meiner Ueberzeugung auch der Wunsch, daß das Abiturientenexamen für die mittlere Zollkarriere obligatorisch gemacht wird. Wir begegnen demselben Wunsche auch bei den Katasterbeamten; bei dem Etat der direkten Steuern wurde für die Katasterkontrolleure derselbe Wunsch laut wie hier für die mittleren Zollbeamten. In beiden Fällen habe ich mich aus denselben Gründen dagegen erklären müssen, weil ich habe feststellen müssen, daß ein sachliches Bedürfnis für eine solche Maß⸗ nahme nicht vorliegt, und nur ein sachliches Bedürfnis kann für die Staatsregierung in der Hinsicht maßgebend sein.
Weil ich das auch früher ausgeführt habe, haben die mittleren Zollbeamten das aufgegriffen und erklärt: ja, das sachliche Bedürfnis wollen wir nachweisen. Sie haben sich dann an die Handels⸗ kammern gewandt und ihnen vorgestellt, daß ihre Vorbildung gegen⸗ über den großen Anforderungen, die an sie gestellt werden, doch nicht voll ausreichte, daß sie vor allem die schwierigen Tarifierungen sehr viel besser vornehmen könnten, wenn sie sowohl ekne bessere Vorbildung als auch später eine bessere Ausbildung in technischen Kursen hätten, und die Handelskammern haben dann diese Frage naturgemäß geprüft. Verschtedene Handelskammern sind auf diese Wünsche überhaupt nicht eingegangen; andere haben weiter nach⸗ gefragt und zum Teil Mitglieder des Vorstandes an die Zolldirektionen gesandt und sind dann aufgeklärt worden. Seit der Zeit ist es aber bei den Handelskammern ruhig geworden, und ich bin überzeugt, daß die Handelskammern in der Hinsicht von uns aufgeklärt worden sind.
Ich habe schon im vorigen Jahre darauf hingewiesen, daß die Ausbildung der mittleren Zollbeamten in der besonderen Anstalt, die
ja verantwortlich ist, durchaus genügt.
hier in Berlin ist, nicht den Zweck haben kann, daß die Herren sämtlich zu fachwissenschaftlich vorgebildeten Leuten, zu wissenschaftlichen Sachverständigen ausgebildet werden sollen. Sie sollen nur sinn⸗ fällige Unterscheidungsmerkmale kennen lernen und imstande sein, wenn irgend eine Ware die Grenze passiert, die ihrer Beurteilung unterliegt, zu bestimmen, nach welchem Tarif sie verzollt werden soll. Wenn schwierige wissenschaftliche Fragen dabei zu lösen sind, sind andere Stellen, andere Behörden dafür da, an die die Entscheidung zu überweisen ist. Es ist in dieser Frage nur notwendig, die gesamten Zollbeamten in einheitlichen bestimmten Grundsätzen zu unterweisen, wie sie die Erkennung und die Tarifierung vornehmen sollen.
Meine Herren, wohin sollte es führen, wenn wir die Zollbeamten wissenschaftlich ausbilden wollten und wenn sie die einzelnen Waren wissenschaftlich untersuchen sollten? Wir würden dann bei der Handhabung des Tarifs keine Einheitlichkeit haben, sondern, wenn jeder seine eigene wissenschaftliche Ueberzeugung und Ansicht dabei zum Ausdruck bringen würde, eine Buntscheckigkeit in der Beurteilung bekommen, die in der Praxis absolut unbrauchbar und unerträglich wäre. Es hat sich tatsächlich herausgestellt, daß der Kursus von 4 Monaten, wie er bisher stattfindet, durchaus ausgereicht hat. Die Zollverwaltung ist infolgedessen außerstande, vorzusehen, daß ein langes umfassendes Ausbildungsverfahren Platz greifen soll; das bisherige Verfahren hat nach Ansicht der Zentralbehörde, die dafür
Der Abg. Wollkowski hat eine Reihe von Sonderwünschen vor⸗ gebracht, und ich kann sagen, daß ich mit manchen davon im Stillen sympathisiert habe. Ich muß aber leider gklären — und das ist auch bereits in der Budgetkommission geschehen —, daß diese Wünsche nur sehr schwer erfüllt werden können. Es stehen ihnen ganz be⸗ deutende Hindernisse im Wege, weil nämlich jede Maßnahme auch nur in einem einzigen Punkte des Beamtenrechts sofort Konsequenzen hat auf allen anderen Gebieten. (Sehr richtig!) Alle Beamtenkategorien unserer weitverzweigten Staats⸗ verwaltung berufen sich dann sofort auf das, was bei einer einzelnen Kategorie geschehen ist, und darum ist es so schwierig, auch nur bei einer Kategorie die allergeringsten Aenderungen eintreten zu lassen.
Aus diesem Grunde haben wir auch bei den Oberzolldirektionen die Wünsche der Bureaubeamten nicht erfüllen können, die wir an sich für sehr beachtenswert gehalten haben. Aber, meine Herren, wir hoffen, daß wir doch einen Ausweg finden werden; zurzeit haben wir ihn allerdings noch nicht. Die Verhältnisse sind tatsächlich viel zu schwierig.
Herr Abg. Wollkowski hat allerdings gemeint; ja, selbst wenn die materiellen Wünsche laut würden, wären doch noch die gesetz- gebenden Körperschaften da und diese wären Manns genug, übet⸗ triebene Wünsche zurückzuweisen. Meine Herren, ich möchte mir hier die Frage erlauben: glauben Sie das (Rufe: Nein!) — Ich halte es auch für unmöglich. (Sehr richtig!) Meine Herren, es ist doch
tatsächlich nicht geeignet sind, die Wünsche der Beamten zu be⸗ schränken, sondern daß die Parteien, statt die Wünsche der Beamten zuzustutzen, ihnen noch weiter nachgeben. (Sehr richtig!) Ich glaube, daß diese Aeußerung des Herm Abg. Wollkowski zwar gut gemeint, aber ganz undurchführbar ist.
Meine Herren, was dann das langsame Avancement der Beamten anlangt, so bedauert auch die Zentralstelle dies außerordentlich. Wir haben da vielleicht die etwas zu weitgehende Annahme von früher zu beklagen; man hat früher zu viele Anwärter zu gleicher Zeit an⸗ genommen; die Jahrgänge häufen sich jetzt, die Vordermänner sind noch in ihren Posten, und nun ist die Zentralverwaltung in einer sehr schwierigen Lage, da sie die Vordermänner, die ihre Posten noch inne haben, selbstverständlich nicht ohne weiteres beseitigen kann. Daß da eine Stockung eintritt, ist unvermeidlich. Meine Herren, wir haben doch sogar bei unserer Armee dasselbe gesehen; auch bei der Armee klagt man über Ueberalterung, auch da geht das Avancement nur langsam vor sich. Ich bedaure das langsame Aufrücken in meiner Verwaltung lebhaft. Es werden wohl noch einige Jahre vergehen, ehe da eine Besserung eintreten kann; solange müssen das leider die davon betroffenen Beamten hinnehmen; auch die Zentralverwaltung ist ganz außerstande, das zu ändern.
Meine Herren, Herr Abg. Wollkowskt hat bann in der Budget⸗ kommission heute hat er es, wenn ich nicht irre, nicht getan — noch bezüglich des Kleidergeldes der Unterbeamten der Oberzolldirektion Wünsche geäußert. In dieser Hinsicht möchte ich, damit er nicht lediglich eine Ablehnung erfährt, doch mitteilen, daß die Zentralbehörde diese Frage in wohlwollende Erwägung ziehen wird und hofft, daß im nächsten Jahre den Wünschen stattgegeben werden kann. (Bravo!)
Um 5 Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung des Etats der Zölle und indirekten Steuern auf Freitag, 11 Uhr (außerdem Etat der direkten Steuern und Justizetat).
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und maßregeln. Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.
(Nach den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ .““ Nr. 7 vom 12. Februar 1913.) 8 8
Absperrungs⸗
“ Pest. 8
Rußland. Laut einer am 18. Januar veröffentlichte machung gilt die Meierei Popowski nicht mehr für pestverseucht, da dort seit dem 23. Dezember v. J. keine neuen Pestfälle beobachtet worden sind; dagegen wird das Gebiet des donischen Heeres auch noch weiterhin als vpestbedroht angesehen.
Aegypten. Vom 11. bis 17. Januar erkrankte nur in Tantah 1 Person; es starben daselbst 2. Vom 18. bis 24. Januar erkrankten in Aegypten insgesamt 9 (und starben 5) Personen, davon 4 (1) in Fayum, 2 (—) in Zagazig, 1 (1) in Beba, je 1 (—) in Minia und Deirut, ferner — (3) in Mallawi.
Britisch Ostindien. In der Woche vom 5. bis 11. Januar erkrankten 3959 und starben 3218 Personen an der Pest. Von den Todesfällen kamen 1621 auf die Vereinigten Provinzen, 444 auf Bihar und Orissa, 414 auf die Präsidentschaft Bombay (davon 11 auf die Stadt Bombay), 152 auf die Präsidentschaft Madras, 142 auf das Punjabgebiet, 135 auf den Staat Hyder⸗ abad, 128 auf den Staat Mysore, 98 auf Rajputana und Ajmer Merwara, 38 auf die Zentralprovinzen, 34 auf Burma (davon 8 auf die Stadt Rangun), 7 auf Delhi, 3 auf Zentralindien und 2 auf Bengalen (nur Kalkutta).
China. Zufolge Mitteilung vom 9. Januar sind in der Gegend von Swatau zahlreiche, fast stets tödlich verlaufene Pestfälle auf⸗ getreten.
. Britisch Ostafrika. Seit dem 10. Januar gelten Stadt und Insel Mombassa als pestfrei, da seit dem 27. Dezember keine neuen Erkrankungen dort vorgekommen sind; dagegen waren bis zum 13. Januar aus Nairobi 2 neue Pestfälle gemeldet.
Ecuador. Im November v. J. inegesamt in Duran 3 Er⸗ krankungen (und 1 Todesfall) und in Guayvaquil 138 (52).
Cholera.
Türkei. Nach dem amtlichen Ausweis Nr. 11 sind in Kon⸗ stantinopel vom 21. bis 27. Januar 4 Erkrankungen und 2 Tohes fälle festgestellt worden. In den Gesundheitspaß der Schiffe, welche Konstantinopel verlassen, wird seit dem 29. Januar folgender Vermerk eingetragen: Einige sporadische Cholerafälle zeigen sich fortdauernd in Konstantinopel. d 18 . Zufolge Mitteilung vom 21. Januar soll in Tiberias seit dem 25. Dezember v. J kein neuer Cholerafall aufgetreten sein. ganzen wurden dort während des vierwöchigen Herrschens der Seuche 129 Erkrankungen und 68 Todesfälle gemeldet. In Haiffa sind außer dem vor einigen Wochen mitgeteilten, angeblich nur cholera⸗ verdächtigen Todesfall Erkrankungen an Cholera nicht bekannt ge⸗
rden. F
„Sansibar. Durch Bekanntmachung vom 71. Januar ist die Insel wieder für cholerafrei erklärt worden. Die Beschränkungen des Verkehrs nach der zum Sultanate Sansibar gehörigen Nachdarinsel Pemba sind aufgehoben. 8
Gelbfieber. v.“
Es Agstes zur Anzeige aus: Venezuela. In Caragas im November v. J. insgesamt 7 Erkrankungen und 1 Todesfall. Ferner sind nachträglich für Sep · 2. Feefale und für Oktober 1 Todesfall gemeldet; dagehen ind im Dezember weder Erkrankungen noch Todesfä bekannt geworden. 8 ““ Eeuador. In Bucay vom 15. bis 30. Novemher b. J. 1 Cr. re „(und 1 Todesfall), ferner im Novemder insagesamt in Luran 2 (1), in Guayvaquil 12 (6), in Milagro 2 (2) und in
Naranjito 1 (—). 8 W
f 8 3“] 8
Deutsches Reich. In der Woche vom 2 bis §8. F
8 3 Wo 2. §. Februar wurde 1 Erkrankung im Krankenhause zu Gronau i. .nn Ahaus. Reg.⸗Bez. Munster) festgestellt. 1 8s H8: e Vom 19. bis 25. Janunar in 1 Gemeinde Maährens 2, in Triest unter bosnisc herzegowinischen Nü wanderern 3 Erkrankungen. 9 8 as
eine Tatsache, daß bei allen Debatten die Beamtenfragen mit den
allerbreitesten Raum einnehmen (sehr richtig!) und daß die Parteien
Schweiz. Vom 19. bis 25. Januar 1 i anton Graubünden. . Vom 29. Dezember bis 4. Januar 2 Erkrankungen
Hongkon und 2 Todesfälle bei Chinefen.